Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! In den hier gehaltenen Reden ist zum Ausdruck gekommen — wir waren uns aber besonders auch im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen schon lange darüber klar —, daß ein Gesetz, wie es heute hier vorgelegt ist, notwendig ist, obwohl in den einzelnen Ländern bereits Verordnungen und Gesetze, mit denen man sich zur Aufgabe gestellt hat, der Notlage der Heimkehrer und Kriegsgefangenen zu steuern, schon bestehen. Aber diese Gesetze und Verordnungen waren doch auf Grund der in den einzelnen Ländern ganz verschiedenen Lage und der Entwicklung dort nicht nur sehr unterschiedlich, sondern auch ebenso unzulänglich. Eine Angleichung und Verbesserung durch dieses Gesetz scheint uns darum unbedingt notwendig. Die Lage der Heimkehrer ist trotz dieser in den Ländern erlassenen Gesetze und Verordnungen überaus traurig, und uns allen, besonders aber den Mitgliedern des Ausschusses sind erschütternde Nachrichten und Hilferufe zugegangen.
Meine Damen und meine Herren! Die heute zur Erörterung stehenden Fragen haben, scheint mir, sehr wenig mit Parteipolitik zu tun. Es ist eine sittliche Verpflichtung des ganzen deutschen Volkes, den heimkehrenden Kriegsgefangenen die Brücke in die Heimat und ins zivile Leben zu bauen. Wohl weiß ich, daß nach diesem unglückseligen Krieg viel Not zu beheben ist und daß dem Herrn Finanzminister in dieser Beziehung sehr bewegliche Bitten um Hilfe vorgetragen
werden. Unsere Kriegsopfer, die Gesundheit und damit oft das Glück ihres Lebens hingegeben haben, haben wirklich das erste Anrecht auf eine solche Hilfe. Sie wurden noch viele Jahre nach der Beendigung dieses Krieges zur Wiedergutmachung einer Schuld herangezogen und werden es noch heute, einer Schuld, die man in den meisten Fällen wirklich nicht als ihre Schuld bezeichnen kann. Mir scheint es um so eher möglich, den Heimkehrern zu helfen, als dieses Gesetz schließlich doch zeitlich begrenzt ist.
Hier ist bereits zum Ausdruck gekommen, und ich kann das, was da gesagt wurde, nur wiederholen, denn es ist unser aller Wunsch und Hoffnung: möge bald die Zeit kommen, da es nicht mehr Heimkehrer, sondern nur noch Heimgekehrte gibt! Möge sich in der Welt — zu dieser Äußerung bin ich mehr oder weniger durch meinen Herrn Vorredner angeregt worden — die Erkenntnis durchsetzen, daß nur der ein sittliches Recht hat, die Gewaltherrschaft Hitlers zu verurteilen, daß nur der von den Menschen verstanden wird, der nicht selber eine gleiche Gewaltherrschaft gutheißt, nur weil die Rollen vertauscht sind.
Der Herr Vorredner hat hier von Humanität und
Menschenrechten und demgegenüber von Agitation der Antragsteller und der Regierung gesprochen. Wenn er, statt selber agitatorische Forderungen aufzustellen und die Achtung der
Menschenrechte auf seine Fahnen zu schreiben,
seine Freunde anhalten würde oder angehalten
hätte, danach zu handeln, dann brauchten wir uns
über ein solches Gesetz heute hier nicht mehr zu
unterhalten!
Wenn ich nun zu dem Gesetz selbst kommen darf, dann glaube ich, werden wir am schnellsten und am besten zu einem Resultat kommen, wenn wir nicht das Trennende, sondern das Verbindende suchen. Ich erinnere mich an eine Rede, die hier gestern an dieser Stelle zur Begründung eines Gesetzes gehalten worden ist, als der Herr Kollege Zinn davon sprach, daß man alle positiven Kräfte zusammenfassen müsse; und in einem solchen Falle braucht man tatsächlich Stützen, auf denen man eine solche gemeinsame Auffassung letzten Endes begründen kann. Wenn ich nun zu diesem Gesetz von dieser das Einigende suchenden Auffassung noch mit wenigen Worten spreche, dann bilde ich mir natürlich nicht ein, daß es mir im Rahmen der kurzen hier zur Verfügung stehenden Redezeit oder überhaupt in diesem großen Plenum möglich ist, die Dinge in allen Einzelheiten und eingehend zu besprechen. Ich will mich darum auf ein paar Bemerkungen an dieser Stelle beschränken. Es ist ja auch immer so gewesen, daß Gesetze bei ihrer Vorlage meistens anders aussahen als dann, wenn sie schließlich als vollendetes Gesetz herausgegeben worden sind.
Wir werden uns im Ausschuß mit den verschiedenen Fragen auseinandersetzen müssen, und meine Hoffnung, daß diese Beratungen positiv verlaufen werden, erscheint mir um so mehr begründet, als hier von allen Fraktionen in gleicher Weise der gute Wille bekundet und auch von seiten der Regierung dieser gute Wille noch einmal unterstrichen worden ist.
Meine Damen und Herren! Ich habe nur einen Wunsch und nur eine Bitte: daß auch die Bürokraten, die nachher diese Gesetze zu handhaben berufen sind, diese Dinge nicht nur mit einem berechnenden Verstand, sondern auch mit einem fühlenden Herzen behandeln. Wir haben aus zahllosen Zuschriften erfahren, daß so mancher Heimkehrer gerade darum das Gefühl des Zurückgesetztseins hat und bekommen muß, wenn er von einem Büro ins andere geschickt wird, weil ihm Verordnungen, die an dieser Stelle oder an anderen Stellen geschaffen worden sind, meistens nicht bekannt sein können und er dann lange suchen muß, um zu seinem Recht zu kommen.
Meine Damen und meine Herren! Ich darf mich hier kurz fassen. Das uns vorgelegte Gesetz hat viele positive Seiten, aber es bedarf auch mancher Ergänzungen und es bedarf mancher Verbesserungen. Ich und mit mir meine Freunde machen kein Hehl daraus, und wir kündigen bereits an, daß wir in der sachlichen Beratung im Ausschuß unsere Ansichten in entsprechenden Anträgen zum Ausdruck bringen werden.
Lassen Sie mich aber nun zum Schluß, meine Damen und meine Herren, wenigstens zu einer Frage noch einmal kurz Stellung nehmen und diese Stellungnahme mit einem gleichzeitig einzubringenden Antrag belegen. Ich bin zwar kein Versicherungsfachmann, aber ich meine doch, daß auch zu dem Abschnitt VI im Ausschuß noch manches zu sagen sein wird. In starkem Maße sind in diesem Abschnitt die örtlichen Versicherungseinrichtungen herangezogen. Die Ortskrankenkassen und, wo diese nicht bestehen, die Landkrankenkassen sind hier zu einer Leistung herangezogen. Ich meine, und meine Freunde mit mir, es wird wohl nur ein kleiner technischer Fehler sein, der leicht dahin berichtigt werden kann, daß in manchen Fällen auch die Betriebs-, Innungs- und Ersatzkrankenkassen mit herangezogen werden dürfen. Ich möchte darum namens meiner Freunde folgenden Antrag stellen:
§ 22 erhält folgenden Zusatz:
War der Heimkehrer zuletzt Mitglied einer Land-, Betriebs-, Innungs- oder Ersatzkrankenkasse, die nicht mehr besteht, so kann die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse der gleichen Art fortgesetzt werden.
§ 23 Absatz 5 erhält folgenden Zusatz:
Hat der Heimkehrer zuletzt eine Landoder forstwirtschaftliche Tätigkeit oder einen Handwerkerberuf ausgeübt, so können ihm die Leistungen von der Land- oder Innungskrankenkasse, die für seinen Wohnsitz zuständig ist, gewährt werden.
Hätte der Heimkehrer früher die Mitgliedschaft bei einer Ersatzkasse erwerben können, hat er das Recht, die Leistungsgewährung bei dieser zu beantragen.
Meine Damen und meine Herren, ich glaube, daß damit alle Träger der Versicherungseinrichtungen dazu beitragen können — und sie selten es tun —, hier der Not zu steuern und eine Grundlage zu geben, auf der für viele wieder ein menschenwürdiges Leben aufgebaut werden kann.
Ich habe eingangs bereits gesagt: die Frage der Heimkehrer ist keine Parteifrage. Ich kenne hier und wiederhole es noch einmal, nur eine sittliche Verpflichtung des ganzen deutschen Volkes, eine Verpflichtung, der wir hier eine gesetzliche Grundlage geben wollen. Wenn wir in diesem Bewußtsein mit der Vorlage in den Ausschuß gehen, dann hoffe ich, daß es uns gelingen wird, das unbedingt Notwendige mit dem irgend Möglichen zu vereinbaren.