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ID0104805300

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    Deutscher Bundestag - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. März 1950 1637 48. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1638C, 1679C Anfrage Nr. 56 der Fraktion der SPD betr. Wiederherstellung der Straßenbrücke über die Aller in Celle/Niedersachsen (Drucksachen Nr. 638 und 708) . . . . 1638D Anfrage Nr. 57 der Fraktion der SPD betr. Brücke über die Jezze in Dannenberg (Drucksachen Nr. 639 und 709) . . . . 1638D Anfrage Nr. 52 der Fraktion der FDP betr. Strompreise (Drucksachen Nr. 575 und 716) 1638D Zur Tagesordnung 1638D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 9. Januar 1950 betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Marx (Drucksache Nr. 605) 1639A Mayer (Stuttgart) (FDP), Berichterstatter 1639A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 19. Januar 1950 betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Baumgartner (Drucksache Nr. 610) . . 1639C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Fraktion der WAV betr. Fahrpreisermäßigung für Schwer- und Schwerstversehrte (Drucksachen Nr. 592 und 236) . . . . 1639C Rademacher (FDP), Berichterstatter 1639D Dr. Decker (BP) 1640A Löfflad (WAV) 1640B Bazille (SPD) 1640C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Drucksachen Nr. 621 und 405) 1640D Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 1640D Dr. Nölting (SPD) . . . . . . 1641B Schröter (CDU) (zur Geschäftsordnung) 1642C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der WAV und über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend Einschränkung überhöhter Handelsspannen (Drucksachen Nr. 622, 257 und 471) 1642D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . 1642D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplanes und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Drucksache Nr. 633) . . . . . . . . . . 1642D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 1643A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer (Drucksache Nr. 631) . . . . 1643D Storch, Bundesminister für Arbeit 1644A, 1652D Dr. Besold (BP) . . . . . . . . 1644D Pohle (SPD) 1645B Arndgen (CDU) 1646C Fröhlich (WAV) . . . . . . . 1647 C Strauß (CSU) . . . . . . . . 1647D Renner (KPD) . . . . . . . 1648D Tobaben (DP) 1650B Langer (FDP) . . . . . . . 1651 C Ribbeheger (Z) 1652 A Einberufung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität zur Aufklärung des Ablaufs der Ereignisse nach dem Ausschluß des Abg. Hedler in der 46. Sitzung . . . . . . . . . . 1650A Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 1650A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Etzel, Schütz und Genossen betreffend Flüchtlingshilfe (Drucksachen Nr. 624 und 279) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Etzel, Schütz und Genossen betreffend Flüchtlingsbetriebe (Drucksachen Nr. 625 und 280) und mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Flüchtlingsausgleich (Drucksachen Nr. 626 und 74) 1653B Welke (SPD), Berichterstatter . 1653C Pfender (CDU), Berichterstatter . 1654B Dr. Gerstenmaier (CDU) . . . . 1654C Dr. Trischler (FDP) . . . . . 165 7 C Oskar Müller (KPD) 1659D Donhauser (BP) 1661B Tichi (WAV) . . . . . . . . 1662C Krause (Z) 1664A Kriedemann (SPD) 1664D Farke (DP) 1666D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1667A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über Anträge der Fraktionen der BP, KPD und des Zentrums betreffend Lastenausgleich (Drucksachen Nr. 627, 183, 267, 268, 297, 298 und 307) . . 1668C Frau Krahnstöver (SPD), Berichterstatterin 1668C Kohl (KPD) 1669C Wartner (BP) 1670B Glasmeyer (Z) 1671C Dr. Reismann (Z) . . . . . . 1672A Kunze (CDU) 1672D Kriedemann (SPD) . . . . . . 1673A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Verhaftung des Landtagsabgeordneten Lehmann (Drucksachen Nr. 700 und 689) 1673C Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter . . . . . . . 1673C Fisch (KPD) . . . . . . . . . 1675B Neumann (SPD) . . . . . . . . 1676D Mellies (SPD) (zur Abstimmung) . 1678D Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 1679A Die Sitzung wird um 14 Uhr 47 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Franz Pfender


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat am 5. Oktober des letzten Jahres den Antrag gestellt, eine Umsiedlung von zunächst 600 000 Heimatvertriebenen aus den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern vorzunehmen. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat diesen Antrag zunächst nicht behandelt, weil bekannt war, daß die Bundesregierung die Absicht hat, eine entsprechende Verordnung demnächst zu erlassen. Eine solche Verordnung ist am 29. November 1949 ergangen. Diese Verordnung sieht vor, daß 300 000 Heimatvertriebene aus den bereits genannten Ländern in andere Länder umgesiedelt werden. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat demzufolge einstimmig beschlossen, den Antrag der SPD Drucksache Nr. 74 auf Grund der am 29. November 1949 erlassenen Verordnung für erledigt zu erklären. Die Mitglieder der SPD-Fraktion haben allerdings zu Protokoll erklärt, daß die Fraktion sich vorbehält, zu gegebener Zeit den Antrag zu stellen, im Anschluß an die im Jahre 1950 vorzunehmende Umsiedlung weitere Umsiedlungen vorzunehmen.


Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier das Wort. 25 Minuten Höchstzeit!

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns dessen bewußt, daß diese beiden Anträge ein nicht ganz einfach gelagertes Problem angreifen. Seiner Größenordnung nach ist es ein erstes Angehen des Grundvermögens des Reiches, von dem wir der Auffassung sind, daß es nunmehr grundsätzlich in den Besitz des Bundes gehört. Seiner Planung nach ist es der Versuch, eine Heimstätte für mindestens 300 000 Menschen zu schaffen. Seiner Bedeutung nach aber könnte es ein zweiter Schritt sein in einer, wie wir glauben, sich nunmehr ankündigenden neuen Epoche in der Entwicklung des deutschen Vertriebenenproblems.
    Erlauben Sie mir darum — trotz dieses vorsichtig besetzten Hauses —, einige allgemeine Ausführungen zu machen, weil ich glaube, daß sie für die Behandlung dieser an sich weitgreifenden Anträge von Bedeutung sind und weil sie den Sinnzusammenhang erkennen lassen, in dem sie ihrer Planung nach und auch nach dem Willen des Ausschusses für Heimatvertriebene in diesem Hause zu sehen sind.
    Wir glauben, daß die deutsche Vertriebenenbewegung bis zur Stunde nicht zum Stillstand gekommen ist, daß sie sich aber in einem ganz charakteristischen Übergang befindet. Wohin sie führt und zu welchem schließlichen Ergebnis sie gelangt, ist nach meiner Überzeugung einstweilen nicht abzusehen. Aber sicher ist, daß die Ablösung der seitherigen Provisorien, in denen das deutsche Flüchtlingsproblem seit dem Jahre 1945 behandelt wurde und behandelt werden mußte, unumgänglich ist. Denn eine ganze Reihe dieser Provisorien haben sich von selber aufgelöst, und einige andere sind so unhaltbar geworden, daß sie nach definitiven Lösungen schreien. Infolgedessen ist es — wie wir meinen — die Aufgabe der Bundesregierung und dieses Hauses, nach definitiven Lösungen zu suchen, die besser und ihrer Anlage nach qualitativ anders als die seitherigen Provisorien sind.
    Wir glauben aber, daß die Bemühungen um die Suche nach einer Lösung unaufgebbar mit der Erkenntnis zusammenhängen, von welchen Motiven und Zielen die deutsche Vertriebenenbewegung bestimmt ist. Ich glaube, es hat sich durchgesetzt und ist in das Bewußtsein der Nation gedrungen, daß das Vertriebenenproblem nicht unter Wohlfahrtsgesichtspunkten behandelt und gelöst werden kann. Wir glauben auch, daß man den Satz wagen kann, daß in der deutschen Vertriebenenbewegung trotz ihrer mehr und mehr festzustellenden Politisierung bis jetzt noch nichts in Erscheinung getreten ist, was neue Ideen grundsätzlicher Art oder neue Ideologien in einer dieses Jahrhundert kennzeichnenden Weise erkennen läßt. Ich glaube, daß man sagen kann, die deutschen Vertriebenen sind bis zur Stunde ihrem soziologischen Bewußtsein nach keine besondere Klasse, keine besondere Gruppe


    (Dr. Gerstenmaier)

    mit eigenen neuen politischen Motiven und Leitbildern, sondern sie sind ein Teil des deutschen Bürger-, Arbeiter- und Bauerntums schlechthin. Wir glauben deshalb auch, daß in der immer initiativer werdenden Bewegung der deutschen Vertriebenen, in der Vielfalt ihrer Organisationsformen sich bis jetzt kein Gegenbegriff etwa — sagen wir einmal — zum traditionellen Eigentumsbegriff herausgebildet hat. Wir sagen also, daß das Leitmotiv der deutschen Vertriebenenbewegung, so wie es bis jetzt erkennbar ist, keinen Gegenbegriff zum Eigentum traditioneller Art darstellt, wie es etwa der Kampfbegriff des Kommunismus wäre. Wir glauben auch, daß das Leitbild der Vertriebenen, so wenig scharf es vielleicht im ganzen ist, doch in seinem Schwerpunkt nichts anderes als die Wiederherstellung der alt vertrauten, heimatlich-bürgerlichen Ordnung enthält. Wir glauben also mit einem Wort, daß die Auseinandersetzung der Vertriebenen mit der bestehenden politischen Ordnung und den bestehenden Besitzverhältnissen nicht die Auseinandersetzung einer neuen Ideologie mit dem traditionell Gegebenen ist, sondern daß es die Auseinandersetzung des deutschen Bürgertums mit sich selber ist. Brennpunkt und Generalmotiv ist dabei das Eigentum in seinem rechtlichen, moralischen, politischen und wirtschaftlichen Aspekt, aber jedenfalls immer in seinem deutschen traditionellen Verständnis. Deshalb hat der Kommunismus in dieser Auseinandersetzung mindestens bis auf weiteres nichts zu suchen und nichts zu erben.

    (Bravo! in der Mitte. — Abg. Rische: Psychologisches Existenzminimum!)

    Die Auseinandersetzung mit der Flüchtlingsbewegung wird aber um so mehr zu der vitalsten und aktuellsten Auseinandersetzung des deutschen Bürgertums mit sich selber, weil nämlich dabei auf beiden Seiten derselbe Eigentumsbegriff Kern und Stern der Auseinandersetzung ist.
    Nun fragen wir: was folgt daraus? Die unhaltbar gewordenen Provisorien der Jahre 1945 bis 1948 drängen auch deshalb auf definitive Maßnahmen und endgültige Lösung, weil es sich in dieser Auseinandersetzung um einen Kampf um das Eigentum überhaupt handelt. Wir glauben, daß diese Auseinandersetzung deshalb nur durch die Neubegründung von persönlichem Eigentum gelöst werden kann. Das Generalthema in dem vor uns liegenden zweiten großen Abschnitt der deutschen Flüchtlingsbewegung ist darum die Schaffung von persönlichem Eigentum als Sicherung der vitalsten Existenzbedürfnisse wie übrigens auch als Sicherung der politischen Freiheit, die eine Demokratie allen ihren Bürgern gewährt. Diese Aufgabe führt zwischen Illusion und Lethargie mitten hindurch.
    Die Illusion ist uns bekannt. Sie heißt in diesem Zusammenhang „vollständige Wiedergutmachung". Wir brauchen nicht viele Worte darüber zu verlieren, daß nach dem Besitzstand der deutschen Nation, nach dem Fehlen eines großen, wesentlichen Teils Deutschlands jenseits der Oder-Neiße-Linie, nach der Abtrennung der Ostzone —

    (Abg. Rische: Die trennen Sie ab!)

    — eine vollständige materielle Wiedergutmachung einfach nicht möglich ist. Die Illusion der vollständigen Wiedergutmachung erweist sich an einer einfachen Überlegung: Was ist vorhanden und was kann damit geleistet werden? Im übrigen — erlauben Sie mir diese Randbemerkung — halten wir dafür, daß es auch kein unbedingtes Ideal ist, die vollständige Wiedergutmachung im Sinne der bloßen Wiederherstellung alter Eigentums- und Besitzverhältnisse anzustreben.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir meinen nämlich, daß unser klares Bekenntnis zum Eigentum nicht als die Proklamation des absoluten Wertes des Kapitals überhaupt verstanden werden sollte und dürfte, sondern wir meinen damit die grundlegenden sittlichen Funktionen des Eigentums als eines Mittels der Existenzbehauptung und der Behauptung der politischen und persönlichen Freiheit. Kurz, wir meinen, wenn wir hier von persönlichem, von privatem Eigentum sprechen, nicht den Kapitalismus, sondern das sozial verantwortete Eigentum in einer entsprechenden Besitzordnung.

    (Abg. Rische: Neue Theorie!)

    Die konstruktive Aufgabe des Lastenausgleichs scheint uns auch darum nicht eigentlich in der Erfassung des individuellen Totalschadens und seiner soundsovielprozentigen Entschädigung zu liegen, sondern wir glauben, daß die konstruktive Aufgabe des Lastenausgleichs in der Ermöglichung eines solchen persönlichen Eigentums zum Aufbau und zur Sicherung einer neuen Existenz liegen muß. Das, meine Damen und Herren, möchten wir hier gegen die Illusion sagen, die immer noch einen nicht unbeträchtlichen Teil der deutschen Vertriebenen und der deutschen Flüchtlingsmassen bewegt.
    Für nicht minder gefährlich, ja vielleicht in diesem Haus für gefährlicher halten wir hingegen die Lethargie, die sich allmählich über die Behandlung materieller Probleme der Flüchtlingshilfe in angemessener Größenordnung zu legen beginnt. Von dieser Lethargie meinen wir, daß sie die Initiative auch dort zu lähmen droht, wo die Initiative einige Verheißung hat. Gewiß — wir haben das schon gesagt — ist die materielle Basis für eine Lösung schlechthin nicht gegeben. Die Ostzone, die polnisch besetzten deutschen Gebiete, um es noch einmal zu sagen, werden einen effektiven Lastenausgleich im Sinne der quantitativen Wiedergutmachung nicht erlauben.

    (Abg. Rische: Dort gibt es längst den sozialen Lastenausgleich!)

    — Die Oder-Neiße-Linie, die zu Ihren Lasten — meine Herren Kommunisten — mitgeht, ist einer der Hauptgründe, daß eine entschlossene Initiative der ganzen deutschen Nation hinsichtlich eines wirklichen nationalen Lastenausgleichs überhaupt nicht so angefangen und durchgeführt werden kann, wie es größenordnungsmäßig geboten ist. Aber deshalb, weil beides, nämlich die Aufhebung des Eisernen Vorhangs und die Wiedergewinnung des deutschen Landes jenseits der Oder-NeißeLinie, leider Gottes zur Zeit nicht absehbar ist, deshalb sollten wir uns doch nicht hindern lassen, alles das anzugreifen und das zu tun, was im Bereich unseres Bewirkens ist und was hier möglich erscheint. Wir glauben, daß es hier im Bereich der Bundesrepublik, also in der unmittelbaren gesetzgeberischen Zuständigkeit dieses Hauses, materielle und rechtliche Möglichkeiten in dieser Hinsicht durchaus gibt, Möglichkeiten, die wir nicht gering achten, sondern die wir angehen sollten. Die materiellen Möglichkeiten, von denen in diesem Zusammenhang die Rede ist, sind für eine Lösung überhaupt zwar zu klein aber sie sind immerhin groß genug, daß sie als Basis für produktive Hilfsmaßnahmen großen Stiles in Betracht kommen.


    (Dr. Gerstenmaier)

    In diesem Zusammenhang und in diesem Punkt setzen die beiden Anträge ein. Wir glauben, daß das Reichsvermögen in Gestalt der etwa 70 Munitionsanstalten, Flugplätze und anderer Grundvermögen des Reiches jetzt herangezogen und mit einer Generalbestimmung zugunsten der Heimatlolosen ausgestattet werden sollte, einer Generalbestimmung, die über die von uns beabsichtigte Einbeziehung in die gewerbliche und Wohnsiedlung hinaus es ermöglicht, daß die unmittelbar realisierbare materielle Möglichkeit, die dieses Gelände und dieses Grundvermögen bietet, durch die Schaffung von Rechtstiteln noch überhöht wird, die den Heimatlosen und den Vertriebenen zugute kommen sollten und ihnen zur Verfügung gestellt werden müßten. Wir glauben allerdings, daß es nun auch nachgerade Zeit ist, in dieser Sache zu handeln. Eine rasche und energische Initiative in dieser Frage darf und muß von seiten der Bundesregierung und von seiten dieses Hauses gefordert werden.
    Nach Artikel 134 und 135 des Grundgesetzes unterliegt ehemaliges Reichsvermögen der Zuständigkeit des Bundes. Wir sind uns vollkommen darüber klar — diese Frage ist auch im Heimatvertriebenen-Ausschuß ausführlich besprochen worden —, daß wir dabei in einer ganz außergewöhnlichen Weise an die Einsicht der Länder appellieren müssen, wenn wir diese Frage zu einem guten Ende bringen wollen, und zwar aus dem Grund, weil in der amerikanischen Zone das amerikanische Militärgesetz Nr. 19 und in der französischen Zone das Militärgesetz Nr. 217 bereits Verfügungen mindestens hinsichtlich der Verwaltung dieses Reichsvermögens getroffen haben. Wir sind der Auffassung, daß unbeschadet dessen die Länder so viel Einsicht an den Tag legen sollten, daß sie dieses Reichsvermögen, das dem Bunde zusteht, dem Bunde zu einer einheitlichen Designation und zu einer einheitlichen plangerechten Verwendung überstellen.
    Es müßte deshalb eine der ersten Aufgaben der Bundesregierung sein, sich mit den Hohen Kommissaren, jedenfalls mit dem Herrn amerikanischen und dem Herrn französischen Hohen Kommissar in Verbindung zu setzen, um eine Modifikation der beiden Militärgesetze entsprechend dem Grundgesetz herbeizuführen. Die einfache Überlegung, von der wir dabei ausgehen und von der wir glauben, daß sie berechtigt ist, und zwar sofort und evident berechtigt ist, ist die, daß uns wiederholt erklärt worden ist, daß die Fürsorge für die deutschen Vertriebenen mindestens in erster Linie in der Hand der deutschen Behörden, in der Hand des Bundes sein müsse. Weil wir uns dieser Auffassung anschließen, glauben wir auch, daß es gerecht und billig ist, uns die rechtlichen und materiellen Voraussetzungen der Verwirklichung einer solchen Verantwortung und Verpflichtung nicht vorzuenthalten.
    Die politische Behandlung des ganzen Vertriebenen-Problems ist natürlich von außerordentlicher Bedeutung. Wir sind der Meinung, daß von seiten der Bundesregierung möglichst viel geschehen muß, um der Gefahr des Absinkens der deutschen Vertriebenen- und Flüchtlingsbewegung in einen Interessenkampf zu begegnen. Es kann nicht im Interesse der deutschen Nation, es kann auch nicht im Interesse des Bundes sein, wenn die Energien, insbesondere die politischen Energien der Vertriebenen sich so organisieren und im wesentlichen dafür verbrauchen, daß sie in der Hauptsache auf die Wahrnehmung spezifischer eigener Interessen gerichtet sind. Wir glauben vielmehr, daß die großen vor uns stehenden nationalen Aufgaben auch die politische Energie der Vertriebenen und ihrer Organisationen dringend erfordern, und wir glauben umgekehrt, daß es keineswegs nur Sache der Vertriebenen ist, für ihre Existenz zu kämpfen, sondern eine Sache der ganzen Nation, diesen Kampf zu führen und für ihre Interessen einzutreten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es handelt sich hier nicht um partikulare Interessengesichtspunkte, sondern es handelt sich so oder
    so um eine Schicksalsfrage der Nation, deren gemeinsame Lösung zumindest versucht werden muß.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Daß dabei ganz außerordentliche Anstrengungen auch von seiten des Bundes hinsichtlich der materiellen Mittel, hinsichtlich der Bereitstellung von Geldern und der Übernahme von Krediten und Bürgschaften gemacht werden müssen, ist bereits in den Ausführungen meines Herrn Vorredners, des Berichterstatters, zum Ausdruck gekommen. Ich glaube, daß es gut ist, sich in diesem Zusammenhang wieder einmal zu vergegenwärtigen, in welcher Größenordnung sich das Problem nach der finanziellen Seite bewegt. Wir haben zwar bis zur Stunde keinerlei offizielle Verlautbarungen dazu; aber es gibt eine Schätzung, die der jetzige Herr Bundesminister für die Vertriebenen im letzten Jahre in anderer Eigenschaft herausgebracht hat und auf die ich hier zurückgreifen möchte. Er hat damals die Mittel für die Neubegründung der Existenz von Vertriebenen auf 26,7 Milliarden geschätzt. Es kann uns nachdenklich machen, daß davon nicht weniger als 16 Milliarden für den Wohnungsbau und etwa 10 Milliarden für Kleinbetriebe, für bäuerliche Siedlungen und für die Beschaffung von Haus- und Arbeitsgerät vorgesehen sind. Ich lasse dahingestellt, ob diese Zahlen so oder anders modifiziert werden müssen; ich glaube aber, daß sie immerhin einen Rahmen geben, in dem das Problem größenordnungsmäßig in Erscheinung tritt.
    Gestern ist in der „Neuen Zeitung" ein Artikel des sehr verdienten Leiters der Flüchtlingsabteilung bei dem Herrn amerikanischen Hohen Kommissar erschienen, der uns in verschiedener Hinsicht nachdenklich machen könnte und der nicht nur für die Bundesregierung, wie ich meine, sondern auch für dieses Haus und seine verschiedenen Bemühungen eine Art Monitum darstellt. Ich möchte für meine Freunde und für mich selber erklären, daß wir gern bereit sind, hier ausländischen Rat und auch ausländische Warnungen zur Kenntnis zu nehmen und sie zu Rate zu ziehen, um so mehr, wenn sie von dem Vertreter einer Nation kommen, der wir in den letzten Jahren so viel zu verdanken haben. Ich möchte mir aber doch erlauben, dabei auf zwei Dinge hinzuweisen. Bis jetzt sind an ERP-Mitteln für Flüchtlingskredite und Flüchtlingsbetriebe 70 Millionen Deutsche Mark eingesetzt.

    (Abg. Loritz: Viel zu wenig!)

    50 Millionen Deutsche Mark sind beantragt. Natürlich bedeuten diese Beträge hinsichtlich des vor uns stehenden Problems nicht sehr viel mehr als einen Tropfen auf einen heißen Stein.
    Nach der politischen Seite wird man sagen dürfen, daß in den Darstellungen von Mr. Swope ein Punkt wahrscheinlich nicht so zum Ausdruck gebracht ist, wie er in unserm deutschen Bewußtsein steht und, wenn ich recht sehe, auch stehen bleiben wird, ja stehenbleiben muß. Wir glauben


    (Dr. Gerstenmaier)

    nämlich, daß die eigentliche Multiplikation der Schwierigkeiten der Nachkriegszeit vor allem im Bereich des Flüchtlings- und Vertriebenenwesens in der Tat ganz wesentlich auf das Potsdamer Abkommen zurückgeführt werden muß, und es ist für uns kein Trost, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß schon vor dem Potsdamer Abkommen die Zustände in den ehemaligen volksdeutschen Gebieten wirklich unhaltbar waren. Was wir gegen das Potsdamer Abkommen auch in einem solchen Zusammenhang der Gerechtigkeit und der Wahrheit wegen immer wieder einwenden müssen, ist, daß es noch nach der Beendigung der Feindseligkeiten einen Zustand geschaffen hat, der das Vertriebenenproblem in seinem jetzigen Umfang und in seiner fast unlösbaren Schwere herbeigeführt hat, nämlich durch die Ausweisung der Schlesier, Westpreußen, Pommern, Danziger und Ostpreußen.