Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage der Bundesregierung Drucksache Nr. 631 betreffend den Gesetzentwurf über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer ist der erste Schritt dieser Regierung entsprechend der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers sowie entsprechend den Initiativanträgen der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 118 und der Zentrumsfraktion Drucksache Nr. 121 vom 20. Oktober vorigen Jahres, die Regelung betreffend Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenhilfe für Heimkehrer nunmehr durch eine bundeseinheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung Wirklichkeit werden zu lassen.
Wenn ich in diesem Zusammenhang an die Worte der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers erinnern darf, so möchte ich herausstellen, daß die Frage der Kriegsgefangenen insofern behandelt wurde, als der Herr Kanzler mit großen Dankesworten — und das zu Recht! — all der Institutionen und Organisationen gedacht hat, die in so weitreichendem Maße unseren Kriegsgefangenen ihre Hilfe haben angedeihen lassen. Aber mit keinem Wort erwähnte er für die Bundesregierung, wie sie den heimgekehrten und heimkehrenden Kriegsgefangenen zu helfen gedenkt. Wohl aber wurde vor Behandlung dieser schicksalhaften, das ganze Volk zutiefst angehenden Frage erwähnt, daß es notwendig sei, sobald wie möglich die Frage der Pensionen für die ehemaligen Militärpersonen zu regeln.
Ich habe bereits einmal zum Ausdruck bringen können, daß es eines der ernstesten Anliegen der Regierung sein müsse, die Kriegsgeneration in die poetische Verantwortung, in den Staat hineinwachsen zu lassen, wenn sie nicht zum gefährlichen Explosivstoff dieser Demokratie werden solle. Ich meinte damit insbesondere, daß gerade der Heimkehrer, der durch die Härten und die Bitterkeit einer Gefangenschaft gegangen ist, die Demokratie mit ganz anderen Augen sieht, als man so leicht anzunehmen geneigt sein könnte. Wer im Osten die Traditionslosigkeit und Illusionslosigkeit des Lebens mit eigenen Augen gesehen und erlebt hat, weiß zwischen der rein formalen oder einer sozialen Demokratie zu unterscheiden, die das Leben unseres Volkes doch beinhalten soll. Gestern noch hat Frau Abgeordnete Wessel bei der ersten Lesung des Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie ausgesprochen, daß die Demokratie auf die Dauer nicht durch Sondergesetze und Gewaltmaßnahmen gesichert und existent bleiben kann, sondern durch das Handeln und das Verhalten der Demokraten selbst.
Ich darf für meine Fraktion darauf hinweisen, daß der Antrag des Zentrums vom 20. Oktober 1949 durch den Bericht des Ausschusses für Arbeit bereits am 11. November 1949 in der Drucksache Nr. 190 und in der 19. Sitzung des Bundestages am 1. Dezember dahingehend behandelt wurde, daß die Bundesregierung ersucht wurde, dem Bundestag unverzüglich einen Gesetzentwurf über die Betreuung der Heimkehrer vorzulegen. Dreieinhalb Monate sind vergangen, bis die Bundesregierung den Gesetzentwurf — unverzüglich! — hier vorlegte.
Man sollte sich hier hüten, in den Verdacht zu geraten, zu deklamieren, sondern sollte handeln, wie es immerhin die Länder des Bundesgebiets trotz sehr unterschiedlicher Handhabung getan haben. Ich halte es auch für notwendig, zu erwähnen, daß sozialverpflichtete und sozial handelnde kommunale Selbstverwaltungen ebenso wie die Wohlfahrtsverbände aus eigener Initiative und aus eigenen Mitteln, trotz der fast überall finanziell angespannten Lage, es fertiggebracht haben, den Heimkehrern im Rahmen des Möglichen in heimatlicher Verbundenheit auch materiell zu helfen, um ihnen das Sichwiederfinden und Sicheinfinden in unsere Volksgemeinschaft zu erleichtern.
Wenn nunmehr diese Gesetzesvorlage, trotz der Verspätung, es unternimmt, die Maßnahmen der Länder zu koordinieren und eine bundeseinheitliche Regelung hinsichtlich der finanzieilen Hilfe zu treffen, die auch nach Meinung unserer Fraktion darauf ausgedehnt werden müßte, daß für die Existenzbildung und Existenzgründung Mittel eingesetzt werden, und wenn wir uns weiterhin für ,die volle Freizügigkeit sowie für die Sicherung des früheren Arbeitsplatzes einschließlich des Kündigungsschutzes, der Arbeitsvermittlung und der Berufsfürsorge, der Sozialversicherung und der Arbeitslosenhilfe einsetzen möchten, dann werden wir in der Einzeldebatte und vorher in den einzelnen Ausschüssen dafür entsprechende Anträge stellen.
Wir stimmen dem Antrag des Herrn Abgeordneten Arndgen insofern bei, als wir für die Überweisung dieser Gesetzesvorlage an den Ausschuß für Kriegsgefangenenfragen und an den Ausschuß für Arbeit stimmen werden. Wir werden aber diesen Gesetzentwurf in der zweiten und dritten Lesung unter dem Aspekt debattieren und verabschieden müssen, unter dem diese Regierung ihre Tätigkeit begonnen hat, nämlich unter dem der sozialen Gerechtigkeit.