Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt den drei Berichten des Ausschusses für Heimatvertriebene zu. Gestatten Sie mir, daß ich vorher etwas Allgemeines sage.
Meine Freunde und ich halten es für sehr verfehlt, das Flüchtlingsproblem, das heute zur Schicksalsfrage Europas geworden ist, zu bagatellisieren. Es ist genau so ernst und wichtig wie die Demontagen, es ist genau so wichtig wie das Saarproblem, über welche beiden Fragen man hier stundenlang debattiert hat. Zur Behandlung aller drei Berichte, die heute das Flüchtlingsproblem aufrollen, wird eine so sehr beschränkte Redezeit eingeräumt. Auch die Leere des Hauses sagt mir, wie groß das Interesse an dem Flüchtlingsproblem ist.
Die Notwendigkeit der Flüchtlingshilfe, die in allen drei Berichten zum Ausdruck kommt, liegt vor allem in der großen Not der Heimatvertriebenen, die in Westdeutschland ihre Aufnahme gefunden haben. Während der Anteil der Heimatvertriebenen an der Gesamtbevölkerung 16 Prozent beträgt, stellt sich der Anteil der arbeitslosen Heimatvertriebenen an der Gesamtarbeitslosenzahl auf 42 Prozent. Jeder dritte Arbeitslose in Westdeutschland ist Flüchtling. Das muß einmal festgestellt werden. Dieser große Anteil der Flüchtlinge ist nicht eine Erscheinung der letzten Monate allein, sondern sie ist seit langem zu beobachten, ohne daß bisher die geringste Besserung eingetreten ist. So tragen die Vertriebenen zu dem Verlust ihrer Heimat auch noch das schwere Los der Arbeitslosigkeit in ihrer neuen Heimat.
Wir können der Regierung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie zur Linderung der Not der Heimatvertriebenen bisher wenig getan hat.
Nach halbjähriger Amtsdauer steht der Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen Dr. Lukaschek mit leeren Händen vor den Heimatvertriebenen. Das müssen wir feststellen.
Nicht vielleicht durch seine Schuld, aber es ist einmal so. Ich sage es mit Absicht, um gerade ihm vielleicht den Rücken zu stärken.
— Gar nichts; es ist überhaupt nichts geschehen. Wenn das von den Regierungsbänken gesagt wird, ist es um so wertvoller.
— Das ist keine Übertreibung, Herr Kollege. Ich weiß, daß zum Beispiel die mageren Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes erst unlängst durch den Druck unserer Kollegen in den Regierungsparteien durchgesetzt werden mußten. Der Beschluß vom 2. Dezember über die Gleichstellung der. Flüchtlingsbeamten mit den einheimischen Beamten wird nicht durchgeführt; er wird heute noch sabotiert und schafft revolutionäre Zustände unter den Beteiligten. Der Anteil der heimatvertriebenen Beamten, insbesondere derjenigen des höheren Dienstes, entspricht nicht dem Anteil der Heimatvertriebenen. Fast alle Schlüsselstellungen sind in den Händen von Nichtflüchtlingen.
Meine lieben Freunde! Wir begrüßen trotzdem den Antrag und die Berichte des Ausschusses für Heimatvertriebene, und wir wollen hoffen, daß vor allem den Flüchtlingsbetrieben eine Hilfe gebracht wird. Es gibt derzeit zwei Möglichkeiten, den Flüchtlingsbetrieben zu helfen. Das sind vor allem die Mittel des Marshallplans und dann die des sogenannten Adenauer-Plans. Das sind insgesamt etwa 900 Millionen DM. Davon sollen — man kämpft erst um diese Beträge —, soweit ich weiß, 300 Millionen DM den Flüchtlingsbetrieben zugute kommen. Wir legen aber großen Wert darauf, daß sie vor allem den kleinen und mittleren Flüchtlingsbetrieben zugute kommen und daß ein Globalbetrag von mindestens 100 Millionen DM den einzelnen Ländern, vor allem den mit Flüchtlingen stark besetzten Ländern Schleswig-Holstein, Bayern und Niedersachsen, für diese Zwecke zur Verfügung gestellt wird.
Im Jahre 1949 wurden in Bayern Flüchtlingskredite mit Staatsbürgschaften von etwa 55,4 Millionen DM bewilligt. Diese Flüchtlingskredite wurden in 3 031 Fällen bis zu 5 000 DM im Betrage von 8 884 000 DM, in 1795 Fällen im Betrage von 5 000 bis 20 000 DM im Gesamtbetrage von 21 925 000 DM, in 672 Fällen von 20 000 DM bis 100 000 DM im Betrage von 7 318 000 DM und in 81 Fällen über 100 000 DM im Betrage von 17 202 000 DM vergeben. Für die großen Betriebe wurden demnach an Flüchtlingskrediten 46 Millionen DM bewilligt, während die armen Teufel insgesamt 8 800 000 DM bekamen.
Darin liegt ein ungeheueres Unrecht, und es ist allgemein bekannt, daß sich heute unter dem Begriff Flüchtlingsbetrieb alles Mögliche versteckt,
daß es Spekulanten gibt, die 70 Prozent Flüchtlinge aufnehmen, dann Flüchtlingshilfe bekommen, und, haben sie einmal den Kredit, dann die Flüchtlinge die ersten sind, die aus den Betrieben ausgeschieden werden.
Wir wissen ja auch, wie diese Flüchtlingskredite mißbraucht werden. Ich persönlich gehöre zu denen, die für große Flüchtlingskredite grundsätzlich nicht intervenieren, weil es mir vom sozialen und auch vom rein wirtschaftlichen Standpunkt richtiger erscheint, wenn 20 kleine Flüchtlingsbetriebe mit den Familien der Betriebsinhaber ihre Existenz finden, als daß irgendein großer Spekulant sich auf Kosten der Flüchtlinge bereichert.
Diesen Standpunkt habe ich immer eingenommen. Deswegen verlangen wir, daß bei der Bewilligung der Flüchtlingskredite, die aus dem Marshallplan und aus dem Adenauer-Plan fließen, ein scharfer
Maßstab angelegt wird und auch eine scharfe Kontrolle ausgeübt wird, wohin, in welche Taschen diese Gelder fließen.
Wir begrüßen die Absicht, eine Flüchtlingsbank zu schaffen, und ich freue mich, daß auch der Herr Finanzminister diesem Gedanken seine Zustimmung nicht versagt hat. Wir verlangen sie und wissen, daß eine Flüchtlingsbank eine unbedingte Notwendigkeit ist, damit die Kanossagänge zu den Sparkassen und den Banken endlich einmal aufhören, die oft beschämend sind, da die Sparkassen und Banken in der Regel ihre Taschen gegenüber den Flüchtlingen, die um Kredite bitten, zugeknöpft halten.
— Das wäre Voraussetzung. Eines verlangen wir aber mit aller Entschiedenheit: daß die zu schaffende Flüchtlingsbank von Flüchtlingen verwaltet wird und nicht von irgendwelchen Finanzbürokraten, die man dann in die Bank als Verwalter einsetzt.
Ich möchte nur dem kommunistischen Redner ein Wort über die Bodenreform sagen. Auch wir wünschen eine Bodenreform. Wir vermissen sie. Wir vermissen in P gern die Durchführung der Bodenreform — die heute nur auf dem Papier steht weil wir Zehntausende und Zehntausende von Flüchtlingsbauern haben, die nach einer Existenz rufen und um sie ringen. Für uns wäre natürlich eine Bodenreform im allgemeinen gar nicht so wichtig, wenn man uns das geraubte Land im Osten zurückgeben würde. Da könnte man viele Bauern unterbringen.
Ich möchte noch etwas zu dem Bericht über die gleichmäßige Eingliederung der Heimatvertriebenen in die flüchtlingsschwachen Länder sagen. Es ist ganz sonderbar, daß ich in dieser Frage mit dem Vertreter der Bayernpartei eine Linie vertrete.
Aber das ist vielleicht nur ein einziger Fall.
-- Vielleicht! Ich gehe mit ihm deshalb in einer Linie, weil es beschämend ist, daß Länder, die Flüchtlinge aufnehmen sollen, sich jetzt weigern, Flüchtlinge aufzunehmen. Es ist beschämend, daß der Aufnahme von Flüchtlingen aus Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die wirklich übervölkert sind — das sagen wir ja selber, wir wissen es ganz genau —, Schwierigkeiten bereitet werden und daß die ganze Aufnahme der Flüchtlinge eigentlich auf einem toten Punkt angelangt ist. Ich verurteile den Standpunkt dieser Länder auf das schärfste; er ist weder deutsch noch menschlich, human
und schafft schon heute Gegensätze zwischen der
einheimischen Bevölkerung und den Flüchtlingen.