Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die Freude, dem Abgeordneten Dr. Wendig zu seinem 60. Geburtstag die herzlichen Glückwünsche auszusprechen.
Der Ältestenrat hat in seiner Sitzung am 27. Mai 1981 vereinbart, in der verkürzten Tagungswoche vom 15. Juni 1981 nur eine Fragestunde von 90 Minuten durchzuführen. Diese Fragestunde soll in Abweichung von der Regel nicht am Mittwoch, sondern schon am Dienstag stattfinden. Der Ältestenrat schlägt deshalb vor, den Annahmeschlußtermin für die Fragen zur nächsten Tagungswoche von Freitag auf Donnerstag, den 11. Juni 1981, 11 Uhr vorzuverlegen.Diese Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde muß nach § 126 unserer Geschäftsordnung mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschlossen werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen, auch mit der ausreichenden Mehrheit.Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt I der Tagesordnung auf:Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981
— Drucksachen 9/50, 9/265 —Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß die umfassende Generaldebatte über die Regierungspolitik morgen, Mittwoch, den 3. Juni, von 9 bis ca. 18 Uhr zu Einzelplan 04 stattfindet.Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne. Ich rufe zuerst auf:Einzelplan 01Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 9/471 —Berichterstatter:Abgeordnete Walther, Frau Berger
Wird von den Berichterstattern das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Einzelplan zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine. Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 02Deutscher Bundestag — Drucksache 9/472 — Berichterstatter:Abgeordnete Carstens , Frau Traupe, GärtnerWird von den Berichterstattern das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor.Wer dem Einzelplan 02 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine. Auch dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 03Bundesrat— Drucksache 9/473 —Berichterstatter:Abgeordnete Borchert, EstersWird von den Berichterstattern das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor.Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 03 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
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2114 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Präsident StücklenKeine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine. Auch dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.Ich rufe die Einzelpläne 08, 32, 60, 20 und 33 auf:Einzelplan 08Geschäftsbereich des Bundesministersder Finanzen— Drucksache 9/478 —Berichterstatter:Abgeordnete Grobecker, Carstens ,GlosEinzelplan 32 Bundesschuld— Drucksache 9/493 —Berichterstatter:Abgeordnete Löffler, Carstens
Einzelplan 60Allgemeine Finanzverwaltung— Drucksache 9/497 —Berichterstatter:Abgeordnete Löffler,Dr. Dübber,Hoffmann , Hoppe,Carstens ,Dr. HackelEinzelplan 20 Bundesrechnungshof— Drucksache 9/487 —Berichterstatter:Abgeordnete Nehm, Dr. HackelEinzelplan 33 Versorgung— Drucksache 9/494 —Berichterstatter:Abgeordnete Borchert, KühbacherIm Ältestenrat ist verbundene Debatte für die Einzelpläne 08, 32, 60, 20 und 33 vereinbart worden. Ich sehe, daß das Haus damit einverstanden ist. Es wird so verfahren.Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riedl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Acht Monate nach der Bundestagswahl im Oktober 1980 erweisen sich die Bundesregierung und die sie tragende SPD/FDP-Koalition als handlungsunfähig in praktisch allen für unsere Zukunft entscheidenden politischen Bereichen: in der Sicherheitspolitik, inder Energiepolitik und in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.
— Herr Kollege Wehner, zunächst einmal wünsche ich Ihnen einen guten Morgen und viel Aufmerksamkeit in dieser Debatte. Sie können's brauchen.
Die SPD probt die Lust am Untergang. Der Streit um die eigene ideologisch reine linke Lehre beschäftigt sie mehr als die ungelösten Probleme unseres Landes.
Der Bundeskanzler stellt seiner eigenen Partei die Vertrauensfrage. Er sucht mit Rücktrittsdrohungen innerparteiliche Gefolgschaft zu erzwingen. Ob das auf Dauer geht, ist mehr als zweifelhaft.Die FDP, dieses selbsternannte Korrektiv gegenüber sozialistischen Ambitionen, ist allenfalls um verbale Distanz bemüht. Bewirken tut sie praktisch gar nichts. Und auch der FDP-Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher mußte seiner Partei am vorigen Wochenende mit dem Rücktritt vom Regierungsamt drohen.Kanzler und Vizekanzler sind beide mit Rücktrittsdrohungen gegenüber ihrer eigenen Partei beschäftigt. Die Gemeinsamkeiten dieser Koalition sind auf das gemeinsame Interesse an Machterhaltung und Postenproporz geschrumpft.Während Regierung und Koalition nur noch mit sich selbst beschäftigt sind, befindet sich unser Land in der schwersten wirtschaftlichen Krise seit der Nachkriegszeit. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sind alle vier Ziele des Stabilitätsgesetzes verfehlt.
Die Arbeitslosigkeit wächst in einem beängstigenden Maße. Die Wirtschaft befindet sich in einem rapiden Abschwung. Die Preise steigen unvermindert an. Und der Verlust unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zeigt sich in einem riesigen Leistungsbilanzdefizit.
In 24 Monaten verminderten sich die in drei Jahrzehnten angesammelten Devisenreserven unseres Landes um ein Drittel.
Unter dieser Regierung lebt die Bundesrepublik Deutschland heute, wie die Deutsche Bundesbank in ihrem letzten Monatsbericht festgestellt hat, von der Substanz.Das verantwortungslose Rezept der vergangenen Jahre, nämlich diese verheerende Schuldenpolitik, hat sich, Herr Minister Matthöfer, als das falsche Mittel einer Wachstums- und Beschäftigungspolitik
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2115
Dr. Riedl
erwiesen. Mit ihrer Schuldenwirtschaft haben der Bundeskanzler, der Bundesfinanzminister und auch der Bundeswirtschaftsminister bei den Finanzen des Bundes ein Chaos angerichtet, durch das der gesamten Bundespolitik der finanzielle Kollaps droht.
Riesige Schuldenberge, meine Damen und Herren, sind heute aufgetürmt, zu deren Verzinsung — nur zur Verzinsung! — allein in diesem Haushalt 1981 mehr als 17 Milliarden DM ausgegeben werden müssen. Das ist mehr als das Volumen der Haushalte des Forschungsministers, des Wohnungsbauministers und des Entwicklungshilfeministers zusammen.
Angesichts dieser 17 Milliarden DM allein für Zinsen — eine Summe, die dem Volumen der drei gerade genannten Haushalte entspricht — mögen sich die Herren Coppik, Thüsing und wie sie alle heißen, die den Entwicklungsetat aufstocken wollen, doch bitte einmal an ihre eigene Regierung wenden und fragen, wieso die Haushalte dieser Ministerien in eine solche Relation zu den Zinsen geraten sind.
Weit mehr als 50 Milliarden DM müssen dieses Jahr allein für den Schuldendienst, für Zinsen und Tilgung, aufgebracht werden. Das sind genauso viel wie das Volumen des gesamten Sozialetats mit seinen -zig Milliarden für die Rentenversicherung, für die Arbeitslosenversicherung und für die Kriegsopfer, meine sehr verehrten Damen und Herren. Erstmals wird in unserem Land — darüber sollten gerade Sie von der SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr, sehr intensiv nachdenken — laut darüber geredet, Kürzungen bei gesetzlich festgelegten Finanzleistungen vorzunehmen. Fürwahr eine unglaubliche Bilanz dieser sozialliberalen Koalition, die einmal unter dem Motto angetreten war: Wir schaffen das moderne Deutschland.
Heute, zwölf Jahre nach Bildung dieser Koalition, ist das Dilemma so offenkundig, daß diese Finanzkatastrophe selbst bei vielen besonnenen Kollegen in der SPD und in der FDP eingestanden wird. Ich konnte es am Samstag, als ich die „Süddeutsche Zeitung" gelesen habe, gar nicht glauben, daß der FDP-Vorsitzende, Hans-Dietrich Genscher, auf dem FDP-Parteitag in Köln wörtlich gesagt hat:Eine Haushaltsführung, die ihre Rettung nur noch in hoher Staatsverschuldung sieht, schafft sich vielleicht etwas Luft für heute, aber nur um den Preis des sicheren Erstickungstodes für morgen.
Meine Damen und Herren, die Entwicklung dieser Misere muß man sich immer wieder in Erinnerung rufen: Vor zehn Jahren nahm hier in diesem HohenHause der damalige Bundesfinanzminister Alex Möller seinen Hut, weil im Bundeshaushalt wenige Milliarden fehlten und er nicht bereit war, die ersten Anfänge einer unsoliden und unverantwortlichen Finanzpolitik weiter mitzutragen. Ungläubig haben Sie den Kopf geschüttelt und ihn als einen alten, verkalkten Mann bezeichnet, als Alex Möller diese Worte hier im Deutschen Bundestag ausgesprochen hat. Mit dem gleichen Argument, meine Damen und Herren, folgte ihm wenig später der Nachfolger, Professor Karl Schiller. Seither wurden bzw. werden die 1969 übernommenen wohlgeordneten Bundesfinanzen von dieser Bundesregierung und dieser Koalition unter den Finanzministern — man muß diese Ahnenreihe auch einmal nennen — Helmut Schmidt, Hans Apel und Hans Matthöfer mit riesigen Hypotheken belastet.Was haben wir von der Union hier im Parlament, draußen in den Versammlungen, in den öffentlichen Diskussionen in Rundfunk und Fernsehen in all diesen Jahren vor dieser Entwicklung gewarnt und gesagt: Diese Politik führt ins finanzielle Chaos.
Wie haben Sie uns dafür diffamiert, der Schwarzmalerei, der sozialen Demontage, der Panikmache und des bewußten Schürens von Angst bezichtigt!
Im Wahljahr 1980 ganz im besonderen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde die deutsche Öffentlichkeit mit der geballten Kraft des Propagandaapparats, der dieser Regierung zur Verfügung steht, über die gefährliche Lage der Staatsfinanzen brutal hinweggetäuscht.
Ich möchte es ganz ungeschminkt sagen: Der Rententäuschung des Jahres 1976 folgte die Finanztäuschung des Jahres 1980.
In der berühmten Fernsehdiskussion drei Tage vor der Wahl haben Helmut Kohl und Franz Josef Strauß dem Bundeskanzler die Lage vorgehalten. Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Rede dieses Protokoll noch einmal ganz genau durchgelesen; dieses Protokoll sollte das Presse- und Informationsamt einmal als Neuauflage den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Öffentlichkeit wieder vorstellen; das ist eine großartige Expertise über den Sachverstand des Bundeskanzlers in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. In der Zusammenfassung zu den Ausführungen von Helmut Kohl und Franz Josef Strauß hatte der Bundeskanzler damals in seiner bekannten, in seiner auch in einer Fernsehsendung nicht so nachprüfbaren Art gesagt: Alles zusammengefaßt, dies ist eine Angstkampagne, die Sie versucht haben, die vollständig zusammengebrochen ist.Am 18. September 1980 hat Herbert Wehner in Anwesenheit des Bundeskanzlers auf einer Wahlversammlung in Hamburg-Harburg zu dem Vorwurf, die Bundesrepublik Deutschland sei zu hoch verschuldet und die Finanzen drohten in ein Chaos zu
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2116 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Dr. Riedl
treiben, wörtlich gesagt: Daß das nicht der Fall sein kann, dafür bürgt Helmut Schmidts hohe Sachkenntnis im Finanziellen und im Wirtschaftlichen.
— Also, wie man dazu bei einem Schuldenberg in dieser Höhe Beifall klatschen kann!
Das kann nur auf der Grundlage größtmöglicher Ignoranz erfolgen.
Herr Wehner, als Sie dem Bundeskanzler dieses Zeugnis ausstellten, sagten Sie in der gleichen Versammlung in anderem Zusammenhang: Du sollst nicht falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten.
— Ja, ja, beim Geld hört bei der Koalition so einiges auf.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit einem halben Jahr leistet die Bundesregierung mit diesem Bundeshaushalt 1981 den finanzpolitischen Offenbarungseid in Raten:Erstens. Die Mineralöl- und Branntweinsteuererhöhung wurde akzentuiert, d. h. sie ist weitaus größer ausgefallen, als ursprünglich angekündigt. So sind aus den ursprünglich 3 Pf pro Liter Mineralöl 7 Pf geworden.Zweitens. Der Finanzminister vergreift sich in Höhe der Beitragsanhebung von 3,5 Milliarden DM an der Rentenkasse, um seinen Verpflichtungen gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg nachzukommen.Drittens. Der Deutschen Bundespost oder, besser gesagt, den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland wird eine Telefonsteuer in Höhe von 1,3 Milliarden DM auferlegt.Viertens. Die Steuereinnahmen sind um fast 1 Milliarde DM zu hoch geschätzt.Fünftens. Das Finanzdesaster beim neuen Kampfflugzeug Tornado wird offenkundig.Sechstens. Erneute Milliardenlücken im Verteidigungshaushalt treten auf, und innerhalb weniger Wochen müssen 820 Millionen DM mehr aufgebracht werden, obwohl im Bundesverteidigungsministerium schon vor der Bundestagswahl die Notwendigkeiten längst erkannt worden waren. Hätte der damalige Bundesverteidigungsminister all dies, was er zum Kostenstand bei Tornado gewußt hat, vor der Bundestagswahl gesagt — dazu wäre er verpflichtet gewesen —, brauchten wir heute keinen Tornado-Untersuchungsausschuß, meine Damen und Herren.
Bundesverteidigungsminister Apel — das steht heute fest — war über die Kostenexplosion exakt informiert. Nur mit Rücksicht auf die Bundestagswahl hat er die wahren Finanzverhältnisse beim Projekt Tornado verschwiegen.Siebtens. Die Verzinsung des Bundesschuldenberges ist um 750 Millionen DM zu niedrig angesetzt.Achtens. Die gesetzlichen Sozialleistungen waren — so für Kriegsopfer und beim Mutterschaftsgeld — falsch veranschlagt und sind um 740 Millionen DM höher. Neuntens. Die Arbeitslosenversicherung braucht 4 bis 5 Milliarden DM mehr und dies alles zwischen Januar und Juni 1981!Meine Damen und Herren, so gründlich kann sich eine Regierung doch gar nicht irren. Schließlich sind Wirtschaftseinbruch, Anstieg der Arbeitslosigkeit und Hochzinspolitik der Deutschen Bundesbank nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel auf uns zugekommen.Die Bundesregierung — und dies ist die traurige Beurteilung dieses Haushaltsentwurfs — hat den Entwurf zum Bundeshaushalt 1981 frisiert. Sie hat im Haushaltsbuch des Bundes die Bilanz gefälscht. Sonst hätte sie diese wesentlichen Korrekturen nicht anbringen müssen.
Dieses Etatgebilde, meine sehr verehrten Damen und Herren,
das wir heute beraten müssen, hat nur noch ganz, ganz wenig mit dem zu tun, was wir hier vor vier Monaten in erster Lesung beraten haben.
Die Eckpfeiler des Etatentwurfs, 4 % Ausgabenzuwachs und Neuverschuldung von 27 Milliarden DM, im Koalitionsvertrag im vergangenen Jahr noch feierlich beschworen, sind eingestürzt. Die Ausgaben steigen um das Doppelte, und der formelle Schuldenzuwachs liegt heute bei 34 Milliarden DM, der höchsten Verschuldung in der Nachkriegsgeschichte dieses Landes. Die Ausgabensteigerung liegt bei 7,2 %.Meine Damen und Herren, man muß sich doch bei den Bürgern draußen, die diese Debatten verfolgen beinahe entschuldigen,
daß wir im Deutschen Bundestag die Ergebnisse dieser Regierung in diesen Milliardenhöhen aneinanderreihen müssen. Der Bürger muß doch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2117
Dr. Riedl
— Herr Wehner —, daß eine sozialliberale Koalition,die die Betonung immer auf „sozial" legt, die Finan-zen des Bundes derartig in den Ruin gebracht hat.
Dabei kann man bei diesen 34 Milliarden DM neuer Schulden in der Tat nur von einem formellen Schuldenzuwachs sprechen; denn zu diesen 34 Milliarden DM kommen dazu: 6 Milliarden DM im Schattenhaushalt beim Kreditprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau und 4 bis 5 Milliarden DM Schuldenabwälzung auf Post und Bahn. Damit liegt die faktische Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr nach heutigem Stand in Wirklichkeit schon bei mindestens rund 45 Milliarden DM — trotz der massiven Steuererhöhungen zum 1. April dieses Jahres, trotz der Abgabenerhöhungen in der Rentenversicherung zum 1. Januar, trotz des sogenannten Subventionsabbaus, der in Wirklichkeit gar keiner war und für den der Bürger über höhere Verkehrstarife bei der Bahn und bei den kommunalen Verkehrsbetrieben und über höhere Postgebühren wahrscheinlich am Ende dieses Jahres die Zeche bezahlen wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Westphal?
Nein.
Schon in zwei Wochen ist die nächste Korrektur nach oben fällig, nämlich dann, wenn die amtlichen Steuerschätzer das Steueraufkommen dieses Jahres neu zu berechnen haben. Schrumpft das Sozialprodukt so, wie die Konjunkturforschungsinstitute es befürchten, dann tun sich mit Sicherheit neue Milliardenlücken auf. Und wer sagt uns nach den leidvollen Erfahrungen mit dieser Regierung, daß die heute vorgesehenen Ansätze für Verteidigung, für die Arbeitslosenversicherung, für die Zinsen, für die zahllosen gesetzlichen Leistungen vom Wohngeld über die Ausbildungsförderung bis zum Kindergeld und vieles andere mehr überhaupt ausreichend Bernessen worden sind?
Wer sagt uns, daß die Bundeswehr mit 850 zusätzlichen Millionen auskommen wird? Zu oft hat uns Herr Apel in den letzten Jahren — und Monaten, vor allen Dingen — erklärt, die gerade wieder einmal zugelegten paar hundert Millionen reichten schon aus, obwohl er hausintern ganz andere Rechnungen angestellt hatte? Und wer sagt uns, daß die Nürnberger Bundesanstalt nicht doch mehr Milliarden braucht als die bisher nachgeforderten 4,2 Milliarden DM? Die Nürnberger meinen sogar, sie bräuchten auch bei 1,2 Millionen Arbeitslosen mindestens 600 Millionen DM mehr. Wer sagt uns, daß die am Ende nicht doch recht behalten werden?
Meine Damen und Herren, wer nur vier Monate nach der Etateinbringung sage und schreibe 6,5 Milliarden DM nachfordern muß, wobei offenkundig ist, daß er in den Entwurf bewußt zu niedrige Zahlen hineingeschrieben hat, dem kann man nicht mehr glauben, daß er jetzt die Wahrheit sagt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was in diesen vier Tagen im Plenum des Deutschen Bundestages beraten wird — —
— Herr Wehner, daß Ihnen das alles nicht paßt, ist mir völlig klar;
mir würde an Ihrer Stelle auch nicht passen, daß ich nach zehn Jahren sozialliberaler Koalition die Bundesfinanzen ruiniert hätte.
Meine Damen und Herren, was in diesen vier Tagen im Plenum des Deutschen Bundestages beraten wird, ist allenfalls das zufällige Ergebnis des Zurechtfrisierens eines Etats, so wie die Bundesregierung es am Tage der Abschlußberatungen im Haushaltsausschuß gerade für opportun gehalten hat. Die verbleibenden Monate des Jahres 1981 werden uns, so glaube ich, noch bittere Wahrheiten bescheren. Wenn die Entwicklung so weitergeht wie in den letzten Wochen, dann wird die ausgewiesene Etatverschuldung am Jahresschluß eher bei 40 Milliarden DM liegen und der wirkliche Schuldenzuwachs des Bundes einschließlich neuer Schattenhaushalte und Schuldenabwälzungen auf andere Schultern bei 50 Milliarden DM.
Schulden in einem solchen Ausmaß, Herr Bundesfinanzminister Matthöfer, kann im Prinzip nur der machen, der sich über die Folgen einer überhöhten Staatsverschuldung überhaupt nicht im klaren ist. Jahrelang haben Sie hier an diesem Pult gepredigt, diese Staatsverschuldung sei erforderlich, um die Arbeitsplätze zu sichern. Noch am 19. Juni 1980 haben Sie hier im Deutschen Bundestag gesagt:Ein Abbau des Haushaltsdefizits bedeutet Massenarbeitslosigkeit und vermindert das Wirtschaftswachstum: weniger Nachfrage, weniger Importsog und damit weniger Leistungsbilanzdefizit.
— Er hat dabei der Union, die das Gegenteil behauptet, Herr Kollege Westphal, vorgehalten und prophe-
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2118 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Dr. Riedl
zeit wir wären einer tiefen ökonomischen Provinzialität verfallen.Damit der Herr Bundesfinanzminister endlich einmal kapiert und es sich hoffentlich merkt, möchte ich ihm einmal die volkswirtschaftlich von den Sachverständigen und auch von den Experten im Bundeswirtschaftsministerium als unumstritten angesehenen Folgen einer überhöhten Staatsverschuldung nennen: Erhöhung des Zinsniveaus: eingetreten; Verdrängung der privaten Kapitalnachfrage auf dem Kapitalmarkt: eingetreten; Einengung des Finanzierungsspielraums für andere notwendige Ausgaben, insbesondere für Investitionen: eingetreten; Zementierung des Leistungsbilanzdefizits: eingetreten; letztlich nur vertagte Steuererhöhungen: darüber reden Sie; und damit nicht vertretbare Belastungen der kommenden Generation: dies ist leider zu befürchten.Meine sehr verehrten Damen und Herren, im jüngsten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank ist dies dem Herrn Bundesfinanzminister deutlich ins Stammbuch geschrieben worden, und dazu müssen Sie heute in der Debatte ganz klar Stellung nehmen. Im neuesten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank heißt es:Bei aller Erfahrung auch in anderen Ländern lassen sich daher Arbeitsmarktprobleme über höhere staatliche Defizite nicht lösen. Dagegen würde das Problem des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts noch verstärkt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist es auch zwingend, die Frage zu stellen, ob die erhöhte Kreditaufnahme noch im Rahmen des Art. 115 des Grundgesetzes liegt.
Danach dürfen bekanntlich die Einnahmen des Bundes aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten.
Dies sind die Zahlen: Schuldenzuwachs 33,77 Milliarden DM, Investitionen 31,9 Milliarden DM. Die Vereinbarkeit dieses Haushalts mit der Verfassung, die ein Überschreiten dieser Obergrenze nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gestattet, steht auf dem Prüfstein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU will in dieser Frage eine politische Lösung.
Wir wollen nicht um jeden Preis und in jeder Frage vor das Bundesverfassungsgericht gehen.
Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie spätestens mit dem Haushalt 1982 Daten vorlegt, die dem Grundgesetz entsprechen und dessen Anforderungen Rechnung tragen.Meine Damen und Herren, das dicke Ende für die Bundesfinanzen wird 1982 kommen. Der heute ebenfalls zu behandelnde Finanzplan bis 1984 ist schon jetzt Makulatur. Es gibt so gut wie keine Position, die nicht zu niedrig ausgewiesen wäre. Ich möchte hier nur drei Beispiele nennen.Erstens. Der Verteidigungsetat ist in diesem Finanzplan bis 1984 für 1982 um 1 Milliarde niedriger veranschlagt, als schon heute der Haushaltsansatz für 1981 vorgesehen ist. Dann, wenn der Verteidigungsminister die Verteidigungsausgaben 1982 real um 3 % aufstocken wollte, wären das etwa 5 Milliarden mehr, und die wird er dann auch dringend brauchen, wenn seine Vorlagen, die er jetzt für den Verteidigungsausschuß und für den Haushaltsausschuß gemacht hat, stimmen, wenn die Bundeswehr 1982 noch mit ihren Fahrzeugen fahren will, wenn sie mit den Panzern üben will, wenn sie mit den Flugzeugen soll fliegen können und wenn Soldaten weiterhin an der Waffe ausgebildet werden sollen,
sofern auf das Minimum zurückgeführte Beschaffungsprogramme überhaupt noch durchgeführt werden können; ich denke in diesem Zusammenhang beispielsweise nur an AWACS.
— Herr Kollege Walther, Sie haben die peinliche Diskussion im Haushaltsausschuß in Sachen des Waffensystems „Roland" doch miterlebt, bei dem auf diesen Verteidigungsminister Risiken in Höhe von vielen hundert Millionen D-Mark zukommen.
Ein zweites Beispiel: Für Zinsen sind im Finanzplan rund 19 Milliarden vorgesehen. Als dieser Finanzplan Ende letzten Jahres aufgestellt wurde, lag die durchschnittliche Effektivverzinsung der Bundesemissionen bei etwa 8,5 % — einem Zinssatz, von dem man nicht einmal mehr träumen kann. Seit Monaten — das wissen Sie, und es gibt keine Korrekturen — müssen wesentlich höhere Zinsen gezahlt werden. Der Bundesschuldenausschuß soll in der letzten Woche für Bundesschuldverschreibungen einen Mindestzinssatz von 13 % beschlossen haben.Was die Zinssätze für die von den Saudis angeforderten Kredite betrifft, so erwarten wir, Herr Bundeswirtschaftsminister, in dieser Debatte von Ihnen eine ganz klare Aussage. Was ist los mit den Kreditverhandlungen mit den Saudis? Das muß auf den Tisch!
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2119
Dr. Riedl
Das wollen wir heute wissen!
Das lassen wir nicht durch anzweifelbare Erklärungen des Regierungssprechers vor der Bundespressekonferenz noch unklarer werden.
Ein Mehrbedarf für Zinszahlungen von mindestens 3 Milliarden fällt somit an.Also: Im Verteidigungsetat für 1982 fehlen mindestens 5 Milliarden, bei den Zinsen mindestens 3 Milliarden.Das dritte Beispiel: Für die Arbeitslosenversicherung ist im Finanzplan ein Liquiditätszuschuß — wenn es nicht so traurig wäre, müßte man es fast mit Lachen kommentieren — von 1 Milliarde DM vorgesehen. In diesem Jahr allein braucht die Bundesanstalt in Nürnberg Liquiditätshilfen von 8 Milliarden DM — die anderen Leistungen gar nicht mitgerechnet. Die Arbeitslosenzahl wird auch im nächsten Jahr leider nicht wesentlich zurückgehen, auch wenn das reale Sozialprodukt wieder steigen sollte. Bei gleicher Lage wie in diesem Jahr fehlen der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg 7 Milliarden DM. Selbst dann, wenn die Arbeitslosenzahl um 100 000 herunterginge, was wir alle ja hoffen und wünschen,
würde dies nur eine Reduzierung des Betrages um 1 Milliarde — also immer noch mindestens 6 Milliarden Liquiditätshilfe — bedeuten.Allein bei diesen drei Beispielen aus der Finanzplanung für 1982 ergeben sich Fehlbeträge von mindestens 15 Milliarden DM. Angesichts der 1982 auf den Bundeshaushalt zukommenden Mehrbelastungen wird die Bundesregierung daher — ich möchte es einmal so nennen, obwohl ich nicht weiß, ob sie den Mut dazu aufbringt — um sehr, sehr mutige Entscheidungen nicht herumkommen.Derzeit werden von den Sprechern der Koalition zum Teil Einzelheiten genannt, Einzelheiten, die jeweils am Tage darauf vom Bundesfinanzminister kräftig dementiert werden. Weil es dem Herrn Bundeskanzler zu dumm geworden ist, hat er in der letzten Kabinettsitzung am vergangenen Mittwoch, als es um dieses Thema ging, den Kabinettsmitgliedern einfach Sprechverbot erteilt;
es wird überhaupt nicht mehr darüber geredet.
— In einem, Herr Spöri, gebe ich Ihnen recht: Bei der Regierung ist es mir lieber, daß sie schweigt, als daß sie redet; denn wenn sie redet, kommt nichts Anständiges dabei heraus. Darin gebe ich Ihnen recht.
Da soll also die Mehrwertsteuer erhöht werden; die Tabaksteuer, die Sektsteuer und die Heizölsteuer sollen erhöht werden. Der Verbrauch von Gas soll neu besteuert werden. Das wäre ein Thema für den FDP-Parteitag in Köln gewesen. Das Kindergeld für Erstkinder soll abgeschafft werden.
Das Einkommensteuersplitting soll beschränkt werden. Das kommt alles aus Ihrem Mund, und jetzt tun Sie sehr erstaunt. Frau Matthäus hat sogar vorgeschlagen, die Kriegsopferversorgung nicht mehr zu dynamisieren.All diese Vorschläge kann man unter nur einem Spruch zusammenfassen: Der kleine Mann in unserem Land soll künftig die Zeche für das bezahlen, was diese Regierung angerichtet hat.
— Herr Kollege Spöri, Sie haben doch dann die wunderbare Gelegenheit, hier zu sagen, was diese Regierung und diese Koalition in den nächsten Monaten zum Abbau des Schuldenberges in der Tat vorhaben.Es ist eine phantastische Lektüre, die Finanzpläne seit 1975
im Hinblick auf das zu lesen, was sich diese Regierung als Zielsetzung im Bereich der Konsolidierung zugemutet hat. Im Finanzplan 1975 hieß es: „Ab 1977 wird die Kreditaufnahme drastisch reduziert." Das wurde hier im Deutschen Bundestag gedruckt vorgelegt. Regierungserklärung des Bundeskanzlers 1976: „Nunmehr muß die bereits eingeleitete Konsolidierung fortgesetzt werden." Finanzplan 1976: „Fortsetzung der Konsolidierungspolitik im Planungszeitraum". Haushaltsrede des Finanzministers Apel 1977 — er hat hier prophezeit —: „Schon 1978 wird die Kapitalmarktbeanspruchung durch die öffentlichen Hände deutlich zurückgehen." Haushaltsrede 1978 von Bundesminister Apel: „Der Anteil der Kreditfinanzierung an den Gesamtausgaben des Bundes geht bis 1981 zurück." Heute haben wir das Jahr 1981; diese Prophezeiung ist frei erfunden.
Finanzplan 1979: „Die deutliche Rückführung der Nettokreditaufnahme ist das herausragende Merkmal dieses Haushalts." Finanzplan 1980: „Mittelfristig soll die jährliche Nettokreditaufnahme schrittweise verringert werden."Meine Damen und Herren, dieser 2. Juni 1981 ist der Tag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit der höchsten Nachkriegsverschuldung überhaupt. Da haben Sie dem deutschen Volk in den Finanzplänen seit 1975 einen solchen Unsinn ständig vorgepredigt!
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2120 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Dr. Riedl
Jetzt wird sich der Herr Wehner wieder freuen, wenn ich ihm eine Vergleichszahl aus guten alten Zeiten sage, wo sie gottlob noch in der Opposition waren und dadurch die Grundlage dafür geschaffen haben, daß wir in diesem Land anständig regieren konnten. Sie haben in den letzten sieben Jahren 190 Milliarden DM neue Schulden gemacht, und von 1949 bis 1969 sind in 20 Jahren CDU/CSU-geführter Regierungen zur Haushaltsfinanzierung insgesamt nur 14 Milliarden DM Schulden gemacht worden. Das reicht Ihnen gerade für fünf Monate aus, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir haben damals unser zerstörtes Vaterland vollständig wieder aufbauen müssen.
Es gibt auch auf der FDP-Seite eine Reihe herausragender Kollegen, die uns seit Jahren die Konsolidierung des Haushalts in sehr, sehr blumiger Weise gepredigt haben. Der von mir sehr verehrte Kollege Hoppe, früher Finanzsenator in Berlin — das waren noch Zeiten, Herr Hoppe, da konnte man noch Finanzsenator in Berlin sein —,
hat uns hier im Plenum mit einer Reihe von Aussprüchen beglückt, die ich hier jetzt im Konzentrat vorbringen möchte.
— Sehr zum Befehl, Herr Wehner, selbstverständlich.Sehr verehrter Herr Kollege Hans-Günter Hoppe, am 27. Januar 1978 sagten Sie — Originalton von Ihnen —: „Die Verschuldung muß eingedämmt werden." Daran gibt es nichts zu deuteln.23. Januar 1979 — ein Vergleich aus dem Tierreich —: „Eine auf Dauer praktizierte Känguruh-Politik dieser Bundesregierung, nämlich große Sprünge mit leerem Beutel, wäre für die Staatsfinanzen ruinös." — Völlig recht!
„Gesamtstaatsverschuldung ist ein gefährliches Potential, eine tickende Zeitbombe." — Die ist längst explodiert, Herr Hoppe, längst!
Die Splitter haben Sie längst mitten in Ihrer eigenen Partei!
11. Dezember 1979 — das ist eigentlich noch gar nicht so lange her —, Hans-Günter Hoppe : „Über den beklagenswerten Zustand der Staatsfinanzen ist lange genug geredet worden; jetzt muß endlich gehandelt werden." — Donnerwetter!
— Hoppe, Hoppe, Reiter; ganz genau!
28. Januar 1981 — das ist noch gar nicht so lange her — Hans-Günter Hoppe,
— FDP:
„Ich hoffe sehr, daß wir in der zweiten und dritten Lesung, nach Abschluß der Beratungen im Haushaltsausschuß" — das ist jetzt, Herr Kollege Hoppe, in dieser Woche — „nachweisen können, daß wir willens sind, ein den ganzen Zeitraum der Legislaturperiode umfassendes Konsolidierungsprogramm hinzuzufügen."
Wie sagt man bei uns zu Hause? „Dreck im Schachterl!" Nix war's Herr Hoppe! Was Sie hier vorgelegt haben, ist eine reine finanzielle Katastrophe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Alternative zu dieser verfehlten Politik heißt: Wir brauchen zuallererst neue, durchgreifende Prioritäten — und ich nenne sie Ihnen.
Wir brauchen mehr Markt und wieder weniger Staat.
Wir brauchen mehr Eigeninitiative und weniger Bürokratie, die sich in einem unerträglichen Maße aufgebläht hat.
Wir brauchen mehr privaten Leistungswillen und weniger Mitnehmermentalität in unserem Land.
Wir brauchen mehr unternehmerische Risikobereitschaft und weniger Subventionen. Aber davon verstehen Sie als Sozialisten ja ohnehin nichts. Das ist mir völlig klar.
Wir brauchen mehr Investitionen und weniger Staatskonsum. Wir brauchen mehr Zukunftsvorsorge bei der äußeren Sicherheit und in der Energieversorgung, dafür aber weniger Ideologiestreit und pazifistisches Schwärmertum. — Das muß auch einmal deutlich gesagt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, immer wieder fragen Sie uns nach Sparvorschlägen, obwohl es gar nicht die Aufgabe der Opposition ist, für die Regierung die Kohlen aus dem Feuer zu holen.
Dr. Riedl
Der Herr Kollege Spöri war damals wahrscheinlich noch in der Oberschule, als Helmut Schmidt 1965 als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion — Herr Erler war damals noch Fraktionsvorsitzender — sagte:
Es steht nirgendwo geschrieben, daß die Opposition dabei helfen soll, eine Regierung aus einer Zwickmühle herauszuholen, in die sie sich selber hineinmanövriert hat.
Das möchte ich Ihnen nur mal ins Stammbuch schreiben, weil Sie immer bei diesem Thema so lauthals schreien. Herr Kollege Wehner, damals auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender, am 23. November 1966 in diesem Hause:
Was ist denn das? Für wen halten Sie uns denn? Wir sind doch anständige Leute; wir waschen doch nicht anderer Leute Wäsche.
Sie müssen den politischen Konkurs, den Sie erlitten haben, und seine Begleiterscheinungen selbst verantworten. Unsere Finanzen, Herr Wehner, waren damals vollständig in Ordnung.
Ich nenne Ihnen exemplarisch vier Punkte.
Erstens. Die CDU/CSU-Fraktion sagt zum Subventionsabbau j a. Das haben wir auch in der ersten Lesung zu diesem Haushalt gesagt. Aber wir meinen einen Subventionsabbau, der richtig betrieben ist.
Dieses sogenannte Subventionsabbaugesetz, das Sie gemacht haben, war überhaupt keines.
Das war zum Teil Etikettenschwindel. Sie haben der Post 1,5 Milliarden DM abgenommen, und das nennen Sie Subventionsabbau! Der Bürger draußen muß dafür die höheren Telefongebühren zahlen.
Herr Abgeordneter Riedl, gestatten Sie, daß ich Sie unterbreche. Gegen Zwischenrufe ist mit Sicherheit in einem parlamentarischen Betrieb nichts einzuwenden. Wenn sich die Zwischenrufe aber in der Weise häufen, wird das eskalieren, und eine ordnungsgemäße Abwicklung dieser wichtigen Plenarsitzung ist damit gefährdet.
Darf ich Sie bitten fortzufahren.
Herr Präsident, ich bedanke mich für diese präsidiale Unterstützung. Aber mich muntern die Zwischenrufe der SPD förmlich auf, denn sie beweisen das schlechte Gewissen der sozialliberalen Koalition. Treffender geht es meiner Ansicht nach nicht.
Leitlinie beim Durchforsten der Subventionswirtschaft muß sein, die Subventionen überall dort zu beschneiden, wo sie ihre Funktion verloren haben,sie nicht mehr erfüllen oder Schaden anrichten. Wir haben Ihnen im Januar vorgeschlagen, die Subventionen im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse zu durchforsten und dann dem Deutschen Bundestag einen entsprechenden Bericht vorzulegen. Das haben Sie überhaupt nicht gemacht. Sie haben sich einige Bereiche herausgesucht, bei denen Sie geglaubt haben, dies sei der Weg des geringsten Widerstands, dort sitze nicht die politische Klientel der SPD oder der FDP. Sie haben einige Vorschläge gemacht, die unter dem Strich, wenn man es einmal nachrechnet, Subventionen allenfalls in Höhe von 250 Millionen DM abgebaut haben, und sonst nichts. Heiße Luft und Semmelbrösel haben Sie mit diesem Subventionsabbaugesetz erzeugt, sonst gar nichts!
Zweitens. Sorgen Sie endlich für weniger Bürokratie. Der aufgeblähte Apparat des Staates muß schrumpfen.
Sorgen Sie nicht nur durch Rausschmiß mißliebig gewordener eigener Parteigenossen, die bei ihrer traditionellen sozialdemokratischen Einstellung geblieben sind, in der sie durch die Regierung überrollt wurden, sondern durch einen viel konsequenteren Abbau freier Stellen über lange Zeit für eine Reduzierung. Im Haushaltsausschuß wurde der Antrag gestellt, 3 000 unbesetzte Stellen zu streichen, und im gleichen Atemzug werden 300 neue Stellen wieder geschaffen.Meine Damen und Herren, der Propagandaapparat, der Apparat um die Minister und Staatssekretäre herum ist in den letzten Jahren ohnehin nicht um eine einzige Stelle reduziert worden, sondern ganz im Gegenteil erheblich vergrößert worden.Drittens. Entflechten Sie das Gestrüpp der Mischfinanzierung mit Ländern und Gemeinden,
aber fair und nicht durch einseitigen Wortbruch bei der Kürzung der Gemeinschaftsaufgaben. Das, was Sie gemacht haben, ist Vertragsbruch, weil Ihnen das Geld ausgegangen ist.
Viertens. Beseitigen Sie endlich den Mißbrauch durch die — ich nannte es heute schon einmal — sogenannte Mitnehmermentalität, die sich heute bei fast allen Leistungsgesetzen breitgemacht hat. Sie haben in den letzten zehn Jahren Zustände einreißen lassen, daß heute das soziale Netz für viele eine Hängematte — man möchte sogar sagen: eine Sänfte — geworden ist; eine Sänfte, in der man sich von den Steuern und Sozialabgaben zahlenden Bürgern unseres Landes von Demonstration zu Demonstration, von Hausbesetzung zu Hausbesetzung, von Molotow-Cocktail-Party zu Molotow-Cocktail-Party und dann zum Schluß zur Erholung in Urlaub nach Mallorca oder sonstwohin tragen läßt.
Meine Damen und Herren, diese Mißstände sollten Sie einmal beseitigen.
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2122 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Dr. Riedl
Weil der frühere Herr Bundesarbeitsminister hier so laut schreit, will ich sagen: Seit über einem Jahr liegt der Bundesregierung ein Gutachten des Bundesrechnungshofs vor, in dem Mißbräuche im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von mindestens 1,5 Milliarden DM aufgezeigt worden sind.
Herr Präsident Wittrock hat in einem Schreiben an den Finanzminister darauf hingewiesen, daß dies seit langem im Bundesarbeitsministerium bekannt ist und nichts unternommen wurde. Mindestens 1,5 Milliarden DM der anständigen Steuerzahler in unserem Land werden durch diese Regierung durch die Duldung von Mißbräuchen zum Fenster hinausgeworfen, meine Damen und Herren, und das muß weg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Bundesregierung — schon gar nicht der Finanzminister und der Bundeskanzler — hat nicht die innere Kraft und das Zeug dazu, die Bundesfinanzen in unserem Land wieder in Ordnung zu bringen; Graf Lambsdorff und die FDP außer markigen Sprüchen offensichtlich auch nicht. Ersparen Sie dem deutschen Volk, ersparen Sie dem deutschen Arbeitnehmer,
und ersparen Sie uns allen in diesem Land ein noch größeres Finanzchaos in der Zukunft! Ersparen Sie uns noch mehr Staat, noch mehr Abgaben und noch mehr Schulden! Leisten Sie den Offenbarungseid jetzt, und treten Sie ab, bevor Sie ganz offensichtlich im nächsten Jahr den Konkurs anmelden müssen, Herr Bundesfinanzminister!
Die größte soziale Demontage betreibt derjenige, der durch eine jahrelang verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik die von der Union in den 20 Jahren ihrer Regierung gelegten soliden Grundlagen zerstört.
Das haben Sie bereits kräftig getan. Unser Volk hat eine andere Regierung verdient. — Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Walther.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Riedl, wenn ich in der gleichen Art und Weise antworten wollte, wie Sie hier manche Formulierungen gebraucht haben
— nein, das kann ich auch nicht, Herr KollegeSchwarz —, dann würde ich sagen: Ich habe manch-mal das Gefühl, Sie haben über die Finanzen des TSV 1860 München gesprochen.
— Ich sage das nicht; ich habe nur gesagt: wenn ich so antworten würde ... !
— Herr Blüm, wenn der Herr Riedl hört, daß Sie ihm die Kreisklasse prophezeit haben, dann wird er ganz knatschig.
Ich möchte auf einige wenige Punkte eingehen, Herr Kollege Riedl, die Sie hier angeschnitten haben; andere Bemerkungen werden im Laufe des Tages von anderen Sprechern meiner Fraktion folgen. Wissen Sie, Herr Kollege Riedl, was mich wirklich erschreckt hat?
Wie leichtfertig Sie zum Schluß Ihrer Rede über die „soziale Hängematte" geredet haben.
Niemand — auch bei uns nicht — bestreitet doch, daß es in dem Bereich ungerechtfertigte Mitnehmereffekte gibt, auch in manchen Bereichen, über die Sie nicht gerne reden. Aber so zu tun, als sei das Netz der sozialen Sicherung eine „soziale Hängematte", Herr Kollege Riedl,
ist eine Beleidigung vieler hunderttausend Arbeitnehmer, die gerne arbeiten würden, wenn sie könnten.
Wenn Sie hier zu Beginn Ihrer Rede beklagt haben, diese Regierung sei nicht handlungsfähig: Herr Kollege Riedl, ich habe eine andere Vorstellung von einer Regierung in einem demokratisch verfaßten Staat.
Das geht nämlich nicht so wie in Bayern: Da befiehlt einer, der Rest steht stramm, und dann geht's im Gleichschritt — marsch!
Meine Damen und Herren, das wäre eine schlimme Regierung,
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2123
Waltherdie nicht auf die Strömungen, die es im deutschen Volk gibt — ob uns das gefällt oder nicht —, angemessen reagieren würde. Ich halte es für schlimm, Herr Kollege Riedl, wenn Sie diejenigen in unserem Lande, die aus ehrenwerten Gründen pazifistischen Neigungen anhängen, in einer solchen Art und Weise diffamieren, wie Sie das hier heute morgen getan haben.
Meine Damen und Herren, Sie haben beklagt — ich komme auf einige Ihrer Bemerkungen noch im Laufe meiner eigenen Ausführungen zurück —, wir hätten am Ende einer fünfmonatigen — zugegebenermaßen sehr schwierigen — Beratung
ein anderes Ergebnis vorgelegt als das, was uns hier vor fünf Monaten im Entwurf vorgelegt wurde. Dies ist wahr. Nur erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß der Herr Bundesfinanzminister in seiner Einbringungsrede am 23. Januar gesagt hat: Wenn sich aus konjunkturellen Gründen die Annahmen bei den Zahlen der Arbeitslosenverwaltung verändern sollten, wenn sich aus konjunkturellen Gründen Steuermindereinnahmen ergeben sollten, dann werden wir dies nicht durch Kürzungen, sondern zwangsläufig durch eine höhere Nettokreditaufnahme ausgleichen. Das hat damals der Bundesfinanzminister für die ganze Bundesregierung hier dargestellt. Ich werde gleich noch beweisen können, daß es genau das ist, was wir hier als Ergebnis unserer Beratungen vorlegen.Die letzten Monate haben bewiesen, daß als Folge der tiefgreifenden Veränderungen der Weltwirtschaft auf Grund mehrerer Ölpreisexplosionen sich auch bei uns zu Hause wirtschaftliche Daten weniger optimistisch entwickelt haben, als wir dies alle noch um die Jahreswende angenommen haben. Der versammelte wirtschaftswissenschaftliche Sachverstand in unserem Lande, Herr Kollege Riedl, die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, der Finanzplanungsrat — darin sitzen ja auch Ihre Länderfinanzminister —
— ja, schön, daß Sie das sagen —, die Bundesbank, der versammelte wirtschaftswissenschaftliche Verstand in unserem Lande hat uns Ende letzten Jahres avisiert, daß wir zumindest in der zweiten Hälfte dieses Jahres, wenn auch nicht mit einem großen, so doch mit einem leichten Aufschwung zu rechnen hätten.
— So war es. Auf Grund dieser Daten hat damals die Bundesregierung den Entwurf eingebracht.
— Lieber Herr Dr. Friedmann, da hat eben gerade einer von Ihnen gesagt: Gott sei Dank, daß unsere Länderfinanzminister im Finanzplanungsrat sitzen. — Die haben genau diese Annahmen mit beschlossen, auf Grund derer die Bundesregierung ihren Haushalt eingebracht hat.
— Ach, lieber Herr Kollege Schwarz, dieser Zwischenruf war wirklich unter Ihrem Niveau, wirklich. Ich hätte Sie für intelligenter gehalten.Die Hochzinspolitik der Bundesbank mag richtig sein. Ich will das überhaupt nicht öffentlich kritisieren. Sie hat aber mit dazu beigetragen, daß die Investitionsneigung gebremst worden ist. Ich will mich in diesem Zusammenhang auch nicht an einer öffentlichen Kritik an dieser Bundesbankpolitik beteiligen; das wäre nicht hilfreich. Aber daß eine aus konjunkturellen Gründen eigentlich zwingend und dringend notwendige Zinssenkungsaktion erhebliche, jetzt zurückgehaltene Investitionsmittel freisetzen könnte, darüber kann doch überhaupt kein Zweifel bestehen.Lassen Sie mich eine Anmerkung darüber machen, wie es zu dieser Hochzinspolitik gekommen ist. Nicht wir haben sie in unserem Lande erfunden, sondern sie ist die Folge einer internationalen Hochzinspolitik, und diese wiederum ist eine Folge jener wirtschaftspolitischen Entscheidungen in anderen Ländern, die viel später als wir auf Stabilitätspolitik umgestellt haben.
Wenn andere Länder — ich nenne diese hier öffentlich nicht — jetzt durch eine rabiate Hochzins-politik zur Stabilität zurückkehren — in weltwirtschaftlichen Zusammenhängen, über die wir hier nicht streiten müssen —, zwingt dies wohl oder übel die Bundesbank, etwas nachzuvollziehen, was wir eigentlich aus Gründen unserer eigenen Stabilität gar nicht zu tun bräuchten. Daß dies auf unsere eigene wirtschaftliche Entwicklung durchschlägt und Folgen hat, über die wir heute reden, darüber kann doch überhaupt kein Zweifel bestehen.
In der ersten Lesung des Haushalts 1981 im Januar — ich wiederhole das noch einmal, damit es wirklich ganz deutlich wird — durften wir auf Grund der damals vorliegenden Daten und Prognosen davon ausgehen, daß wir einen konjunkturellen Aufschwung in der zweiten Hälfte dieses Jahres bekommen würden. Ich wiederhole auch noch einmal: der gesammelte wirtschaftswissenschaftliche Sachverstand hat uns dabei zur Verfügung gestanden.Ich frage jetzt mal ganz leise: Wo sind denn eigentlich diejenigen mit ihrer Selbstkritik, die uns damals andere Prognosen gestellt haben?
] sitzen sie alle!)
Sie tun heute so, als hätten sie es damals schon besser gewußt. Dabei können wir heute schwarz auf weiß nachlesen, daß sie damals Annahmen vorgegeben haben, von denen sie heute nichts mehr wissen wollen.
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2124 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
WaltherNein, meine Damen und Herren, wer schon diese Regierung kritisiert, muß auch diejenigen kritisieren, die die Annahmen geliefert haben, welche zu den Zahlen in der ersten Lesung geführt haben. Wir haben damals gesagt: Was durch Konjunktur entsteht — Einnahmeausfälle, Mehrausgaben —, werden wir durch Erhöhung der Nettokreditaufnahme ausgleichen. Genau das tun wir. Wir haben zwar im Laufe der letzten fünf Monate so um die 9 Milliarden DM im Haushaltsausschuß hin und her bewegt, aber alles, was nicht konjunkturbedingt war, haben wir durch Kürzungen an anderer Stelle herausgeholt.Die Erhöhung um 6,3 Milliarden DM gegenüber dem Regierungsentwurf ist genau der Betrag, der auf konjunkturelle Folgewirkungen zurückzuführen ist. Das, was wir heute als Ergebnis unserer Beratungen vorlegen, ist also nichts anderes als das, was wir im Januar hier gesagt haben. Auch das können Sie alles nachlesen.
Wir haben im Laufe der Haushaltsberatungen 1 750 Millionen DM durch Kürzungen erbracht. Das hat von uns Sozialdemokraten und — ich bin sicher — auch von den Freien Demokraten viel Mut erfordert. Wir haben da manche Politikfelder nicht so bedienen können, wie wir das aus eigener politischer Überzeugung gern getan hätten. Wir haben damit auch manchen unserer Freunde große Schmerzen zugefügt. Wir haben damit aber bewiesen, meine Damen und Herren, daß wir uns auch in Zeiten knapper Mittel der gebotenen finanziellen Verantwortung nicht entziehen.Nun, man kann über die Höhe der Zuwachsrate —7,2 % — sicherlich streiten; das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Nicht bestreiten aber können Sie, daß diese Zuwachsrate, die ja deutlich über dem vermuteten nominalen Zuwachs des Bruttosozialprodukts liegt, zumindest antizyklisch und konjunkturstabilisierend wirkt. So sehr uns die Höhe der Nettokreditaufnahme auch schmerzt: daß das antizyklisch ist, daß es beschäftigungsstabilisierend wirkt, darüber kann es doch mit Sicherheit hier keinen Streit geben.
Sie trägt dazu bei, die Beschäftigungssituation und die Konjunkturdaten zumindest zu stabilisieren.Übrigens: Wir erhöhen mit dem, was wir heute vorschlagen, ja auch den Betrag der Investitionen um 690 Millionen DM auf knapp 32 Milliarden DM. Damit beweisen wir, daß wir Sozialdemokraten keinen Rückzug des Staates aus seiner beschäftigungspolitischen Verantwortung wollen.
— Der Bundesfinanzminister hat in seiner Einbringungsrede keine Abkehr von der beschäftigungspolitischen Verantwortung des Staates propagiert,
sondern gesagt, daß auf Grund jener neuen ökonomischen Rahmendaten — Leistungsbilanzdefizit und so — zusätzliche, verstärkte private Investitionen notwendig seien, beispielsweise zur Umstrukturierung der Produktionsweisen in der deutschen Industrie. Das ist auch richtig. Das wird von mir überhaupt nicht in Abrede gestellt.Meine Behauptung, daß wir Sozialdemokraten keinen Rückzug aus der beschäftigungspolitischen Verantwortung wollen, wird auch dadurch gestützt, daß die Bundesregierung — zumindest als Anreger— der Kreditanstalt für Wiederaufbau empfohlen hat, jenes Investitionsprogramm in Höhe von 6,3 Milliarden DM für kleine und mittlere Unternehmer aufzulegen. Ich rate dringend, daß sich niemand an einer öffentlichen Debatte darüber beteiligt, ob denn dieses Programm gefährdet sei oder nicht. Es gibt nach heutiger Erkenntnis überhaupt keinen Grund, davon auszugehen, daß dieses Programm gefährdet sei.Und ich sage Ihnen in einem anderen Zusammenhang, daß wir Sozialdemokraten gerade ein solches Programm für kleine und mittlere Unternehmer gern sehen, weil wir wissen, daß gerade solche Unternehmen, wenn sie Schwierigkeiten haben, diese klaglos ertragen und nicht gleich auf der Matte der Staatsfinanzen stehen.
Aber was wir im Bereich mancher großer Unternehmen an Hauch von Stamokap in den letzten Wochen im Haushaltsausschuß erlebt haben,
ist schon schlimm. Und wer dabei alles seine marktwirtschaftliche Unschuld verloren hat
— ich nenne keine Namen, Herr Kollege Kiep. Sie könnten auch alle aus Ihrer Partei aufsagen —, das gibt schon eine ganz schlimme Liste.
— Es gibt eine lange schlimme Liste, Herr Kollege Gärtner!Aber zurück zur Haushaltspolitik. Wir haben seit 1974 — und wir haben das überhaupt nicht zurückzunehmen — eine Finanzpolitik unter bewußter Inkaufnahme hoher Nettokreditaufnahmebeträge betrieben, weil wir dies in der damaligen Situation für richtig gehalten haben und heute noch für richtig halten.
Denn diese Politik hat uns im internationalen Vergleich im Verhältnis zu vielen anderen immer sehr viel bessere Ergebnisse geliefert, als wir sie beispielsweise wieder in diesen Wochen und Monaten aus dem Land der verehrten Frau Thatcher hören.Ich will — ich habe das angekündigt und tue es jetzt öffentlich — gegenüber den Kollegen der Opposition nicht unfair sein. Sie haben sich im Haushaltsausschuß geschäftsordnungsmäßig kooperativ ver-Waltherhalten und dazu beigetragen, daß wir heute hier in der zweiten und dritten Lesung beraten können.
Das will ich gern bestätigen.
Wer allerdings gehofft hat, daß die Phantasie und die Kraft der Union ausreichen würden, uns bei unseren eigenen Sparbemühungen zu unterstützen oder gar zu übertreffen, der muß sich getäuscht sehen.
Wir haben reihenweise — Herr Kollege, Sie waren nicht dabei — Erhöhungsanträge Ihrer Kollegen abwehren und eigene Kürzungsanträge gegen Ihre Kollegen durchsetzen müssen.
— Herr Friedmann, Sie können j a nachher hierher raufgehen und das Gegenteil beweisen. Ich habe die lange Liste Ihrer Anträge im Haushaltsausschuß vor mir liegen, und da wird man j a mal darstellen können, wer denn dort darüber gejammert hat, daß wir so sparen müssen.
— Ich könnte Ihnen die Namen vorlesen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstens ?
Bitte.
Herr Kollege Walther, wollen Sie mir nicht bestätigen, daß wir allenfalls Umschichtungsanträge gestellt haben, d. h. daß wir, wenn wir Erhöhungsanträge gestellt haben, die Deckung genannt haben, wo gestrichen werden soll?
Herr Kollege, ich will nicht bestreiten, daß es auch solche Umschichtungsanträge gegeben hat. Ich bin fair gegenüber Kollegen aus Ihrer Gruppe. Ich nenne sie hier nicht öffentlich beim Namen. Ich könnte das. Die Kollegin Berger grinst ja schon. Sie weiß, wen ich meine. Ich könnte Ihnen eine Reihe von Namen aus Ihrer Gruppe nennen, die Erhöhungsanträge gestellt haben, ohne solche Vorschläge zu machen, wie Sie sie hier bezeichnet haben.
Ich muß in diesem Zusammenhang auf einen Vorgang zurückkommen, der in der vorvergangenen Woche Anlaß war, hier eine Aktuelle Stunde abzuhalten. In allem Ernst: Die Art und Weise, wie Kolle-
gen aus der Union in einer wochenlangen Kampagne über angebliche Milliardenlöcher im Verteidigungshaushalt öffentlich schwadroniert haben, war unerträglich und für die Sache wenig hilfreich.
Wenn ich die aus dieser Verunsicherungskampagne herauszulesende Absicht richtig deute, wollten Sie doch wegen der Verteidigung höhere Schulden machen.
Der Herr Kollege Haase hat das ja damals auch öffentlich im Deutschland-Funk in einem Interview gesagt. Er hat gesagt: Kommen wir über den Hund, kommen wir über den Schwanz — Methode Haase! —; dann können wir doch auch dafür mal Schulden machen. Das, Herr Kollege Haase, haben Sie gesagt. Es ist alles nachzulesen beim Bundespresseamt. Sie können das gar nicht bestreiten.
Aber bitte schön, Herr Präsident.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Haase?
Bitte schön, Herr Kollege Haase.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident! — Herr Kollege Walther, Sie wissen doch ganz genau und können das doch auch dem Presseausschnitt entnehmen, daß es sich lediglich um die Finanzierung eines geringen Teilbetrags handelte, nämlich bei der Gewinnung von Mitteln für den Treibstoff, bei dem der Herr Minister Matthöfer uns im Haushaltsausschuß erklärte: Dafür haben wir noch keine Deckung; da müssen wir noch etwas verkaufen.
Erinnern Sie sich dieser Worte des Herrn Finanzministers, Herr Kollege Walther? Und daraufhin schien es mir dann doch seriöser, für den kleinen Betrag, der dann übrig blieb, doch noch in die zusätzliche Verschuldung zu gehen. Das ist der Sachverhalt. Wollen Sie das zur Kenntnis nehmen?
Also, verehrter Herr Kollege Haase, ich habe ja Verständnis dafür, daß Sie hier jetzt eine Geschichte öffentlich aufbauen wollen, die sich so nicht abgespielt hat,
insbesondere im Hinblick auf Ihre eigenen Äußerungen; das ist Ihnen peinlich. Deshalb habe ich Ihnen auch Gelegenheit zur Zwischenfrage gegeben, damit Sie hier diesen schwachen Versuch der Rechtfertigung machen können.
— Ja, kommen wir über den Hund, kommen wir über den Schwanz; Methode Haase, Herr Kollege.
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2126 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
WaltherNun, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns dem nicht angeschlossen, sondern wir haben uns dann in der letzten Woche noch einmal einen Ruck gegeben. Wir haben noch eine große Kürzungs- und eine Sparaktion durchgeführt, weil wir nicht der Meinung waren, Herr Kollege Haase, daß der Treibstoff der Bundeswehr über Nettokreditaufnahme zu finanzieren sei.Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel, Herr Kollege Riedl, damit Sie es dann weitergeben können: Der Herr bayerische Ministerpräsident
schreibt ellenlange Fernschreiben — man kann sie gar nicht in einer Hand halten, so lang sind sie — an die Herren Fraktionsvorsitzenden, auch an Herbert Wehner, und beklagt, daß in diesem Bundeshaushalt drei — für Bayern sicherlich wichtige — Vorhaben nicht ausreichend dotiert seien. Er begründet das, Herr Kollege Haase, interessanterweise damit, daß auch die Bundeswehr 850 Millionen DM zusätzlich bekomme. Anders gesprochen: Was für die Bundeswehr recht ist, ist für Bayern billig. Oder noch anders gesagt: Sparen sollen immer nur die anderen.Meine Damen und Herren, Herr Kollege Riedl, Sie haben dem Herrn Bundesfinanzminister und der Bundesregierung Finanztäuschung — Sie haben gesagt: Finanztäuschung 1980 — vorgeworfen. Erinnern Sie sich nicht daran, daß dieser Finanzminister vor der Bundestagswahl immer gesagt hat: Es wird Heulen und Zähneklappern geben? Das hat er, wie gesagt, vor der Wahl gesagt; niemand kann sich also getäuscht fühlen.
— Herr Kollege Glos ich habe — das können Sie alle nachlesen —, in der Debatte zur ersten Lesung hier eine Reihe von Vorschlägen eingebracht: Ich habe über die notwendige Umstrukturierung des Bundeshaushalts gesprochen, ich habe über die notwendige Rückführung der Nettokreditaufnahme gesprochen, ich habe eine Reihe von Vorschlägen eingebracht. Ich verweise ausdrücklich auf das Protokoll meiner Rede in der ersten Lesung. Ich wiederhole die Vorschläge hier nicht allesamt, damit der Kollege Riedl hier nicht wieder so eine Spekulationsliste vorlesen kann, aber ich verweise ausdrücklich darauf.
Herr Abgeordneter Seiters möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Walther, wie beurteilen Sie denn dann die Äußerung des Bundesarbeitsministers Ehrenberg am 4. Oktober bei der Eröffnung der Ostfriedlandschau in Leer, daß nach der Bundestagswahl in Deutschland kein Mensch mehr über das Thema Staatsverschuldung reden werde?
Herr Kollege Seiters, es tut mir leid: Da ich nicht in Leer wohne und auch die örtlichen Zeitungen von Leer nicht lese, kann ich nicht nachvollziehen, ob der Herr Bundesarbeitsminister das gesagt hat.
Deswegen sehe ich mich auch nicht in der Lage, eine solche, von mir nicht zu verifizierende Äußerung zu kommentieren. Aber ich bin sicher, der Herr Bundesarbeitsminister wird im Laufe dieser Tage Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen.Meine Damen und Herren, ich habe zum Abschluß der Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß — gemeinsam mit dem Kollegen Hoppe — erklärt, daß zur Veränderung der Haushaltsstrukturen allen gesellschaftlichen Gruppen ein solidarisches Opfer abverlangt werden müsse. Ich will das hier erläutern. Solidarisches Opfer — das ist ein Begriff, der Sozialdemokraten j a nicht fremd ist — heißt für mich — ich habe das schon in der ersten Lesung gesagt —, daß wir demjenigen, der einen so weiten Gürtel hat, daß er ihn drei Löcher enger schnallen kann, dies eher zumuten müssen als demjenigen, dessen Gürtel eh schon beim letzten Loch angelangt ist. Ich will diesen Grundsatz als Sozialdemokrat hier noch einmal öffentlich darstellen. Meine Damen und Herren, Ratschläge wie „Rüstung rauf, Sozialausgaben runter" sind mit uns nicht zu verwirklichen.
Ebenso lehnen wir Überschriften ab, die da heißen: Die kleinen Leute müssen deshalb am meisten opfern, damit nicht die ideologische Gleichmacherei einsetzt. Es ist auch nicht hilfreich — ich sage das hier in allem Freimut —, wenn öffentlich so getan wird, als müsse bei dem, was im Herbst notwendig sei, den Sozialdemokraten oder den Gewerkschaften besonders viel zugemutet werden; solche Äußerungen sind nicht hilfreich.
Dies sage ich in allem Ernst. Solidarisches Opfer, meine Damen und Herren, heißt nach meinem Verständnis: jeder nach seinem Vermögen und seiner Opferfähigkeit. Äußere Sicherheit geht nicht ohne innere, vor allem nicht ohne soziale Sicherheit.
Wir wissen, daß die Koalition vor einer schweren Prüfung steht. Das wird überhaupt nicht bestritten. Aber ich sage Ihnen eines: Alle, die da draußen spekulieren, werden sich täuschen. Diese Koalition wird nicht zerbrechen. Sie wird das, was notwendig ist, mit solidarischem Opfermut umsetzen.
Sie wird daran nicht zerbrechen. Machen Sie sich überhaupt keine Hoffnungen! Diese Koalition hat schon schwierigere Stunden überstanden; sie wird auch dies überstehen.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2127
WaltherDa brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen.Wir werden die notwendigen Lasten — um Herbert Wehner zu zitieren — nicht auf dem Rücken der kleinen Leute abladen. Wir haben in einer nahezu einstimmig angenommenen Entschließung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vor wenigen Wochen eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Ich will sie hier aus Zeitgründen nicht wiederholen.
— Herr Kollege Haase, wenn Sie wollen, können wir noch einmal über Ihr Milliardenloch bei der Verteidigung reden; da haben Sie sich im Haushaltsausschuß ja auch nicht gerade als sparsam erwiesen.Ich füge meinerseits hinzu: Wenn über den Abbau von Subventionen, über den Abbau ungerechtfertigter Inanspruchnahme öffentlich-rechtlicher Leistungen gesprochen wird, dann kann auch die Einnahmeseite nicht ganz tabu sein, wenn es darum gehen soll, sinnvolle, beschäftigungswirksame Investitionen zusätzlich zu finanzieren.Meine Damen und Herren, ich werde mich an Spekulationen über das, was die Regierung, wie ich glaube, in ausreichender Zeit an sinnvollen Vorschlägen einbringen wird, nicht beteiligen, obwohl ich weiß, daß das demagogische Wort vom Sonderopfer in den nächsten Wochen wieder die Runde machen wird.Eine letzte Bemerkung. Ich bin dankbar, daß auch der Bundesbankpräsident gestern gesagt hat: Wenn manche Zeitungen schreiben, der Staatsbankrott stehe vor der Tür,
dann ist das absoluter Unsinn. Da braucht niemand Sorgen zu haben. Herr Kollege Riedl, Sie haben heute morgen Horrorzahlen über Neuverschuldungen vorgetragen.
Dazu muß ich Ihnen sagen: Mit diesem Gerede treiben Sie die Zinsen in unserem Land zusätzlich hoch.Zum Schluß sage ich: Unser Volk braucht eine Regierung, die Notwendiges unter dem Gesichtspunkt der Ausgewogenheit und unter Berücksichtigung sozialer Belange durchsetzt. Niemand in unserem Volk muß sich vor der Zukunft oder um die Zukunft fürchten. Wir werden uns auch in Zukunft — gegenüber den Völkern der Dritten Welt übrigens in beschämender Weise — mehr leisten können als andere. Deshalb besteht kein Grund zur Verzagtheit. Regierung und Parlament werden in den nächsten Monaten ihre Pflicht tun. Dann werden wir in wenigen Wochen auch finanzpolitisch wieder guten Grund für Zuversicht und Mut haben. — Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, auf der Diplomatentribüne hat eine Delegation des
Kongresses der Republik Kolumbien Platz genommen.
Ich habe die Ehre, die Mitglieder des Kongresses eines uns befreundeten Landes im Deutschen Bundestag herzlich zu begrüßen. Sie stehen am Ende Ihres Besuchs in der Bundesrepublik Deutschland, der Sie zunächst nach Hamburg, nach München und nach Berlin geführt hat. Daß Sie Berlin besucht haben, erfüllt uns mit besonderer Freude.
Ich hoffe, daß die Gespräche und Begegnungen, die Sie geführt haben und heute im Deutschen Bundestag noch führen werden, für die Festigung der guten Beziehungen unserer Länder und unserer Parlamente nützlich sind.
Wir setzen die Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Kollegen Riedl würde ich gern konstatieren, daß die Zeit der goldenen Worte vorbei ist.
Auf allen Seiten ist mit und durch die Zahlen des Haushalts 1981 erkannt worden, daß mit der Verabschiedung des Etats 1981 am Freitag in dritter Lesung zugleich der
Startschuß für den Hindernislauf der Konsolidierung der Staatsfinanzen fallen wird.
Meine Damen und Herren, wer aber wie der Kol-, lege Riedl vom politischen Abstieg der Koalition redet,
der sollte doch eigentlich auf ein besseres Umfeld bedacht sein, politisch und sportlich. Ich sage j a zur Partnerschaft im Sport. Wir haben miteinander gerade in Berlin an der Verwaltungs- und Führungsakademie ausführlich über das Thema geredet. Man kann es mit der Partnerschaft natürlich auch übertreiben, insbesondere, Kollege Riedl, was die Praktiken der Fremdfinanzierung angeht.
Bei der oppositionellen Darstellung ist Ihnen beim Thema Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik offenbar ein leichtfertig fabriziertes Eigentor geglückt. Der Kollege Schröder muß Ihnen an dieser Stelle die gelbe Karte zeigen, wenn Sie uns, und zwar allen Fraktionen dieses Parlaments, in den Arm fallen wollen, wenn es darum geht, die interna-
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Hoppetionalen Verpflichtungen, die wir übernommen und erkannt haben, auf diesem Feld auch zu erfüllen.
Verehrter Herr Kollege Riedl, die Koalition — der Kollege Walther hat das deutlich gemacht; wir haben es unmittelbar nach dem Abschluß gesagt — hat nicht geleugnet, daß wir trotz aller Bemühungen um Sparsamkeit und Einsparungen, gemeinsam mit der Opposition, im Haushaltsausschuß bei den Beratungen das Klassenziel der Eindämmung der Staatsverschuldung nicht erreicht haben. Aber, meine Damen und Herren, bei dem Versuch, diesen Prozeß umzukehren und abzufangen, hat uns die Opposition bei der Beratung und Verabschiedung des Subventionsabbaugesetzes nicht begleitet. Sie hat sich in eine überwindige Ecke zurückgezogen. Das, was hier heute als alternative Finanzkonzeption der Opposition vom Kollegen Riedl vorgetragen wurde, ist doch wahrlich nur noch eine Aneinanderreihung von Platitüden.Meine Damen und Herren, mit dem Kollegen Walther habe ich gemeinsam das Ergebnis der Haushaltsberatungen dahin gehend kommentiert, daß die durch den Finanzplanungsrat vorgegebenen, von der Bundesregierung und der Koalition übernommenen und anvisierten Ziele nicht erreicht worden sind. Man muß angesichts einer Steigerung des Ausgabenvolumens von 7,2 % und einer Erhöhung des Nettokreditbedarfs auf 33,8 Millarden DM wohl einräumen, daß wir die Zielvorgabe weit verfehlt haben.
Die Beschreibung ist hart, aber sicher unausweichlich, wenn wir uns bewußt sind, daß im Verhältnis zum stark angestiegenen Nettokreditbedarf die Investitionsausgaben mit 31,9 Milliarden DM der Neuverschuldung um fast 2 Milliarden DM hinterherhinken. Dieser Umstand hat erneut das verfassungsrechtliche Problem des Art. 115 GG aufgeworfen. Die insbesondere aus den Folgen des wirtschaftlichen Ungleichgewichts entstehenden Mehrbelastungen bei der Bundesanstalt für Arbeit, aber auch die Steuerausfälle sowie die höheren Verteidigungsausgaben kann man dabei sehr wohl erklären und mit guten Gründen rechtfertigen. Doch muß man schließlich einsehen, daß die Absicht, in der Haushaltspolitik zu einer Umkehr zu gelangen, erneut zunichte gemacht worden ist. Auch das mit dem Haushalt 1981 auf den Weg gebrachte Subventionsabbaugesetz hat dies nicht verhindern können. Der wichtige und richtige Schritt war zu kurz; die notwendige Konsolidierung der Staatsfinanzen verlangt ganz offensichtlich größere Anstrengungen.
Die Erfahrungen zeigen uns, daß den gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit dem bisherigen Konzept nicht mehr beizukommen ist. Der Wirtschaftsablauf ist durch staatliche Einflüsse nicht beliebig beeinflußbar. Die dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zugrunde liegenden Vorstellungen haben jedenfalls den wirtschaftlichen Realitäten nicht standgehalten. Von seinen Zielen sind wir weit entfernt. Wenn hoher Beschäftigungsgrad, angemessenes Wirtschaftswachstum, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Preisstabilität verfehlt werden — und das ist leider der Fall —, dann kann das allenfalls den Ausnahmetatbestand des Art. 115 des Grundgesetzes begründen; ansonsten müssen wir aber begreifen, daß uns der Zwang zur Kurskorrektur damit erneut auf schmerzliche Weise eingebleut worden ist.
Wir haben seit der ersten Ölkrise unsere schwierige Wirtschaftslage mit dem Mittel des deficit spending relativ gut durch die Klippen gesteuert. Aber bei dem Versuch, Nachfragelücken zu füllen und notwendige Impulse für eine sich dann selbst tragende Wiederbelebung der Wirtschaft zu geben, haben wir öffentliche Defizite bis zu 6% des Bruttosozialproduktes in Kauf genommen. Die dringend notwendige Rückführung ist uns selbst in Jahren mit befriedigender Wirtschaftsentwicklung nicht gelungen.
Meine Damen und Herren, hierfür ist das von den Parteien geweckte und inzwischen auch voll erwachte Anspruchsdenken ganz sicher mitverantwortlich gewesen. Unsere Vorstellung, soziale Gerechtigkeit lasse sich auf Dauer über eine durch Kredite finanzierte Ausgabenpolitik erkaufen, entpuppte sich als schwerwiegender Irrtum.
Meine Damen und Herren, angesichts des Zinsdruckes in einer Phase internationaler Hochzinspolitik mit den Wirkungen für Kapitalmarkt und Leistungsbilanzdefizit ist der Streit, ob Bund, Länder und Gemeinden die Grenzen der Staatsverschuldung erreicht haben oder nicht, inzwischen eher in den Rang eines akademischen Disputs abgesunken. Und doch war die These, daß die Staatsverschuldung im internationalen Vergleich bei uns noch erträglich sei, ebenso wie die Behauptung, die Grenzen seien keineswegs erreicht, eher ein Versuch zur Bagatellisierung der drückenden Problematik.
Meine Damen und Herren, schließlich kommt es nicht entscheidend auf den Stand, also auf die Höhe der Staatsverschuldung an, sondern vielmehr auf das Tempo der Kreditaufnahme.
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Staats verschuldung seit 1974 nun einmal rasant angestie gen.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2129
HoppeIn dieser Lage, meine Damen und Herren, führt es auch überhaupt nicht weiter, sich auf die Schulter zu klopfen und darauf zu verweisen, daß es uns relativ immer noch besser gehe als anderen.
Die Lage bei uns ist, absolut gesehen, jedenfalls schlechter geworden. Es ist ein Verschuldensgrad entstanden, der zu einer Umkehr der bisherigen Politik zwingt.
Meine Damen und Herren, die Voraussetzungen dafür sind seit der ersten Lesung des Bundeshaushalts 1981 nicht besser geworden. Die Zahlen, über die jetzt in zweiter und in dritter Lesung zu beraten ist, zeigen, daß wir vor den Herausforderungen der 80er Jahre nicht bestehen können, wenn der Staat den verlorenen Handlungsspielraum nicht unverzüglich durch zupackendes und energisches Handeln
wiedergewinnt.
Die Veränderungen der Energiesituation und der Strukturen der Weltwirtschaft sind größer als vielleicht jemals zuvor. Die staatliche Finanzpolitik muß die Umstellung unserer ölabhängigen Wirtschaftsstruktur auf einen vom 01 unabhängigen Produktionsapparat noch stärker als bisher fördern.
Dies ist aber nur dann möglich, wenn es uns gelingt, die konsumtiven Ausgaben des Staates zurückzudrängen.
Ein traditionelles Konjunkturprogramm mit breitgestreuten Mehrausgaben kann allein schon deswegen nicht mehr in Frage kommen, weil dadurch die notwendigen Umstellungsprozesse in der Wirtschaft nur noch weiter verzögert würden.
Wir müssen endlich begreifen, daß unsere Wirtschaftsprobleme nicht aus einer Nachfrageschwäche resultieren, sondern als Angebotsschwäche zu erkennen sind.
Meine Damen und Herren, wir sind mit unserem Produktionsapparat einfach nicht mehr in der Lage, den an sich gebotenen Ersatz für das zu teure 01 kurzfristig und reibungslos zu bewerkstelligen. Nach dem Muster früherer Jahre mit undifferenzierten Arbeitsmarkt- und Ankurbelungsmaßnahmen — ohne Rücksicht auf Verwendungszweck und Folgekosten — gegensteuern zu wollen, wäre nun wahrlich völlig verfehlt. Man könnte sich damit vielleicht eine kurzfristige Scheinblüte vorgaukeln.An unseren fundamentalen Beschäftigungs- und Wachstumsproblemen änderte man damit garantiert nichts. Im Gegenteil, unsere außenwirtschaftlichen Probleme würden sich dadurch nur noch weiter verschärfen.Bei unserer internationalen Abhängigkeit ist die von der Bundesbank erzwungene Hochzinspolitik — oder besser: die der Bundesbank aufgezwungene Hochzinspolitik — unausweichlich. Sie bleibt allerdings für die Investitionstätigkeit und für die Arbeitsmarktproblematik nicht ohne nachteilige Wirkungen. Bei einem Leistungsbilanzdefizit von knapp 30 Milliarden in 1980 muß aber die außenwirtschaftliche Orientierung der Geldpolitik Vorrang
vor der binnenwirtschaftlichen Orientierung behalten.
Ein weiteres Abrutschen der D-Mark gegenüber dem Dollar muß verhindert werden. Nur so wird die Voraussetzung für notwendige Kapitalimporte zur Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits aufrechterhalten.
Meine Damen und Herren, die an Stabilität der D-Mark orientierte Politik der Bundesbank muß durch ein konsequentes Regierungsverhalten ergänzt werden.
Nur dadurch kann das internationale Vertrauen bewahrt werden,
denn das Ausland muß uns auch weiterhin für fähig halten, zu einer ausgeglichenen Leistungsbilanz zurückzukehren.
Und dies muß auch die Überzeugung der Investoren bei uns zu Hause sein können!
Bei der Höhe unserer staatlichen Gesamtverschuldung wird der Staat selbst angesichts der steigenden Zinsbelastung sehr kurzatmig.
Hier wird in der Tat ein Zünder geschärft. Wir brauchen aber dringend die Entschärfung einer gefährlichen Masse.
In Übereinstimmung mit den Haushaltspolitikern der Sozialdemokratischen Partei durfte ich bei dieser Ausgangslage deshalb formulieren: Eine Rückgewinnung unserer finanzpolitischen Handlungsfähigkeit wird nur dann möglich, wenn die Haushaltsstrukturen selbst einschneidend verändert werden.
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2130 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
HoppeDiese schwierige, aber unumgängliche Aufgabe muß zugleich mit der Beratung des Haushalts 1982 angepackt werden.
Regierung und Parlament müssen von der bisherigen Entwicklung immer weiter wachsender Schulden loskommen. Lösen wir diese Aufgabe nicht, werden wir uns bei wachsender Schuldenlast, hohen Zinsen und einem anhaltenden Leistungsbilanzdefizit sehenden Auges unserer Handlungsfähigkeit berauben.
Herr Abgeordneter Hoppe, der Herr Abgeordnete Schröder möchte gern eine Zwischenfrage stellen.
Bitte, gern.
Herr Kollege Hoppe, dürfen wir aus Ihren eindrucksvollen Ausführungen die Schlußfolgerung ziehen, daß bereits der Haushaltsentwurf für 1982 eine wesentlich niedrigere Nettokreditaufnahme als der Haushalt 1981 vorsehen wird?
Herr Kollege Schröder, ich bin allerdings davon überzeugt, daß nicht nur überall der Wille, sondern nunmehr auch die Entschlußkraft bis dahin gereift ist,
daß mit dem Haushalt 1982 und durch ein zweites Subventionsabbaugesetz oder Strukturgesetz — ich will über den Begriff nicht streiten, Begriffsdefinitionen helfen nicht weiter —
jene Handlungsspielräume durch Rückführung des Nettokreditbedarfs geschaffen werden, so daß wir alle miteinander sagen können: Wir haben unsere Zukunft auf soliden Staatsfinanzen gesichert.
Die Bereitschaft zu einer grundsätzlichen Umkehr — das gibt mir die Hoffnung zu dieser Aussage — ist allenthalben erkennbar.
Diese Aufgabe wird nur mit einer Politik äußerster Selbstdisziplin und Selbstbescheidung bewältigt. Das solidarische Opfer, das allen gesellschaftlichen Gruppen abverlangt werden muß, wird der Bürger dann akzeptieren, wenn er es als gerecht empfindet und wenn es ihm auf einem — sei es auch auf einem niedrigeren — Level die Zukunft sichert. Zugleich erschließt eine solche Entlastung von staatlichen Ausgaben der Gemeinschaft die Chance, Aufgaben wieder der Initiative von Bürgern und Unternehmern zu überlassen, und dies bedeutet für alle eine Bewährung zu eigenverantwortlichem Handeln. DieHaushaltspolitiker der Koalition sind bereit, diese substantielle finanz- und haushaltspolitische Operation anzupacken und zum parlamentarischen Erfolg zu führen. Sie erwarten von der Bundesregierung, daß sie unverzüglich entsprechende Vorschläge ausarbeitet und der Öffentlichkeit unterbreitet.Ein spitzzüngiger Kollege hat mich einen Streichneurotiker genannt. Ich fühle mich dadurch keineswegs diskriminiert, eher stimuliert. Für die bevorstehende Aufgabe werden wir jedenfalls mehr Streichneurotiker als Ausgabeneuphoriker gebrauchen.
Nur wenn die oft geschmähte Erbsenzählerei der Haushaltspolitiker zur Lieblingsbeschäftigung aller geworden ist, werden wir die Bewährungsprobe bestehen.
Um für die politischen Entscheidungen der Zukunft wieder ein sicheres und finanzielles Fundament zu schaffen, bleibt uns nur eine kurze Frist. Es kann nichts mehr beschönigt, nichts mehr verdrängt und vertagt werden. Es darf auch nicht mehr bei Ankündigungen bleiben. Es müssen — ich wiederhole — nunmehr tatsächlich Taten folgen.
Bei den notwendigen Eingriffen in die Leistungsgesetze darf es kein Tabu geben.Wir alle müssen uns in dieser Phase der Diskussion aber davor hüten, nur — und dann noch üppig — zu deklamieren. Es genügt nicht mehr, den Mund nur voll zu nehmen — wir müssen die bittere Medizin schlucken, wenn wir gesunden wollen.Der Finanzminister, meine Damen und Herren, hat schon bei der Aufstellung des Haushaltsplans 1981 und auch während dessen Beratung überzeugend deutlich gemacht, daß er sein Heil nicht in einer höheren Verschuldung sucht. Die Eindämmung der staatlichen Schulden hat Priorität. Der Finanzminister muß diesen beschwerlichen Weg zu Ende gehen. Wir Freien Demokraten werden ihm dabei unsere vollen Unterstützung zusichern und werden ihn dabei konstruktiv begleiten.
Meine Damen und Herren, wir dürfen uns aber unser gemeinsames Ziel weder selbst verbauen noch dürfen wir uns von irgend jemandem von diesem Ziel abbringen lassen. Wenn die Opposition unausweichliche Einschnitte, die für alle erkennbar sind, jetzt schon „geisslert" oder „unverblümt" anprangert, dann sollte uns das alle zusammen nicht irritieren. Wir müssen durch! Der Kollege Riedl, der uns dazu geradezu angestachelt hat, hat gleich wieder das eigene hemmende Kontrastprogramm dazugeliefert, als er sich hier zum Fürsorger für die Armen, Alten und Schwachen aufgespielt hat. Das soll ja doch nur eine Gegenbewegung schaffen. Die können wir im Augenblick wahrlich nicht gebrauchen.Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister weiß — und wir alle tun gut daran, uns dessen
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2131
Hoppezu erinnern —, was wir als mahnenden Rat schon in Goethes „Hermann und Dorothea" nachlesen können. Der Kollege Löffler wird sich, wenn ich das jetzt in die Debatte einführe, entlastet fühlen.
Das Zitat, meine Damen und Herren, das ich in Erinnerung bringe, lautet: „Wer in schwankenden Zeiten schwankend gesinnt, mehret das Übel." Wenn wir dies beherzigen, dann können wir mit dem Olympier Goethe auch noch Adam Riese schlagen. Und darauf können wir Haushaltspolitiker nur gemeinsam mit dem Finanzminister den allergrößten Wert legen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entwurf des Haushalts 1981, wie er Ihnen zur abschließenden Beratung jetzt vorliegt, zeigt eine Reihe wichtiger Änderungen gegenüber dem vor einem halben Jahr von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf. Herausragend ist vor allem die Erhöhung der Nettokreditaufnahme
von 27,44 Milliarden D-Mark auf nunmehr 33,77 Milliarden D-Mark. Gegenüber der Steuerschätzung, die dem ersten Entwurf der Bundesregierung zugrunde lag, mußten die Einnahmeansätze um insgesamt 810 Millionen D-Mark vermindert werden.Lieber Herr Kollege Riedl, Sie haben in Ihrem Sündenregister der Bundesregierung vorgeworfen, sie habe um fast 1 Milliarde D-Mark falsch geschätzt und dadurch die Bilanz gefälscht. Sie wissen doch genau, welches Gremium die Steuerschätzungen macht! Der Bund, die Länder, die Bundesbank, die Institute sind darin vertreten. Die Herren und Damen, die darin sitzen, haben den beruflichen Ehrgeiz, möglichst richtig zu schätzen. Ich bin dann an diese Schätzung gebunden.
— Natürlich, besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ich wehre mich nur dagegen, daß, wenn ein Gremium, in dem die Länder — auch Ihre Länder — mit vertreten sind, einvernehmlich mit dem Bund, mit der Bundesbank, mit den Wirtschaftsforschungsinstituten eine Schätzung vornimmt, anschließend der Herr Kollege Riedl, der es doch nun wirklich besser wissen sollte, sagt: Die Bundesregierung hat die Bilanz durch falsche Schätzungen gefälscht! Das tut man nicht.
Die wirtschaftliche Entwicklung, die auch in Zukunft ganz unsicher sein wird, schlägt sich auf derAusgabenseite vor allem beim Zuschußbedarf der Bundesanstalt für Arbeit nieder.
Gegenüber dem Regierungsentwurf wurde er jetzt mit 4,25 Milliarden DM höher angesetzt.
Ich muß mich wundern, Herr Kollege Riedl, über die übertriebene Art und Weise, wie Sie hier die Bundesanstalt anprangern: es würden dort 1,5 Milliarden DM verschwendet. Von mir erwarten Sie offenbar, daß ich alles dies akzeptiere, daß ich den Druck auf diese Anstalt nicht aufrechterhalte, daß ich nicht Begründungszwänge für neue Ausgaben schaffe, sondern daß ich sage: Bitte, schätzt doch mal, ich akzeptiere das alles! Wollt ihr nicht noch ein paar hundert Millionen Mark mehr haben?Merken Sie denn nicht die innere Widersprüchlichkeit Ihrer Argumentation? Der Bundesfinanzminister ist verpflichtet, den vorsichtigsten Ansatz zu nehmen, und wer dann mehr Geld haben will — Steuerzahlergeld, Herr Riedl —, der muß dies beweisen. Da kann man nicht auf vage Vermutungen hin schon solche Summen einsetzen.
Außerdem war es durch die wirtschaftliche Entwicklung erforderlich, im Haushalt 240 Millionen DM mehr für die Arbeitslosenhilfe vorzusehen und für den Zinsbedarf, der durch den weltweiten Zinsauftrieb hervorgerufen wird. Insbesondere durch die Zinsentwicklung in den USA mußte diese Summe angepaßt werden.Natürlich gab es aus den genannten Gründen Diskussionen innerhalb der Bundesregierung und auch mit der Bundesanstalt für Arbeit — selbstverständlich auch mit den dort vertretenen Gruppen —, wie hoch der Zuschußbedarf realistischerweise denn wohl zu bemessen sei. Natürlich hat es dabei pessimistische Annahmen und auch höhere Mittelanforderungen gegeben.Als noch Ende des letzten Jahres das dafür zuständige Bundesministerium für Wirtschaft im Einklang mit den Sachverständigen des BMF in Übereinstimmung mit den entsprechenden Annahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Institute eine Zahl von 1,08 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt errechnet hatte, hatte mancher Zweifel, ob es bei dieser Zahl bleiben würde. Aber mit welcher Begründung hätte denn der Bundesfinanzminister, Herr Kollege Riedl, eine andere Zahl nehmen dürfen?
Wir konnten angesichts der Unsicherheiten, mit denen wir es zu tun hatten, nur versuchen, gewissermaßen in einem Korridor aufeinander abgestimmter gesamtwirtschaftlicher Annahmen einen plausiblen Wahrscheinlichkeitswert zu finden. Dann ka-
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2132 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Bundesminister Matthöfermen wir nach langer Überlegung und nach gemeinsamer Diskussion auf 1,1 Millionen Arbeitslose.
— Da gibt es auch noch andere Dinge zu überlegen, wenn eine Regierung so etwas macht. Darf eine Regierung — frage ich Sie, die Opposition — pessimistischere Zahlen in die Welt setzen,
damit natürlich auch ein pessimistisches Konjunkturklima schaffen
— bitte lassen Sie mich einen einzigen Satz zu Ende sprechen — und damit das herbeiführen, was sie zu verhindern versucht, nämlich eine höhere Arbeitslosigkeit?
Herr Minister, der Abgeordnete Friedmann möchte Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.
Ich will gern diese Frage zulassen, Herr Präsident. Aber dann möchte ich meine Ausführungen wegen der Zeit, die die Fraktionen in Anspruch nehmen wollen, ohne Unterbrechung zu Ende führen dürfen.
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Finanzminister, darf ich Sie daran erinnern, daß bereits im November vergangenen Jahres das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das von der Arbeitgeberseite getragen wird, und auch Ihr Gewerkschaftskollege, Vorstandsmitglied bei IG Metall, Herr Friedrichs, gesagt haben, in diesem Jahr müsse man mit 1,2 Millionen Arbeitslosen rechnen?
Lieber Herr Kollege, ich will j a nicht beckmesserisch sein, aber erstens wird das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nicht von den Arbeitgebern getragen, und zweitens ist mein IG-Metall-Kollege Friedrichs nicht Vorstandsmitglied.
— Ja, man muß eben auch immer alle diese Details wissen. Es ist möglich, daß dies so gesagt worden ist. Aber wir müssen nun wirklich in dem Entscheidungsprozeß eine möglichst solide Grundlage haben, und dies war zu dem Zeitpunkt, in dem j a doch viele gesagt haben: Es kommt im zweiten Halbjahr zu einem starken Aufschwung — und Sie haben dem j a auch nicht widersprochen — —(Franke [CDU/CSU]: Ich immer! Ich gebeIhnen das schriftlich!)— Ja, gut. Dann frage ich mich, warum Sie nicht schon längst Ehrenpräsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung geworden sind, denndie sind offenbar der gleichen pessimistischen Meinung.
— Ja, ja. Sie waren ja auch schon Mitglied der Fraktion, wenn ich mich richtig erinnere, als 1966 die falschen Schätzungen zustande kamen, über die dann Ihre Regierung unter Herrn Erhard stürzte.Die Haushaltsplanung muß sich in einen wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang einfügen. Die Regierung muß flexibel und schnell auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren. Die größten Marktwirtschaftler in der Opposition werden aber offenbar zu Planungsfetischisten, die alles genau vorher festlegen wollen, wenn es sich um den Bundeshaushalt handelt. Wir hatten es einerseits mit einer weltweit ungewissen Konjunkturentwicklung und einer unbefriedigenden Beschäftigungslage, andererseits mit einem Umschlagen der deutschen Leistungsbilanz nach langjährigen Überschüssen ins Defizit, mit dem sich daraus ergebenden Bedarf an Kapitalimporten und der Notwendigkeit zu tun, eine Überforderung des Sozialprodukts durch privaten und öffentlichen Konsum abzubauen, um die für den Strukturwandel erforderlichen Investitionsmittel bereitzustellen. Es war richtig und notwendig, den Anstieg der öffentlichen Ausgaben eng zu begrenzen — wie im Finanzplanungsrat erörtert und vereinbart —, ohne dabei durch zu massive und zu plötzliche Einschnitte die ohnehin labile Konjunktur noch zusätzlich zu belasten.Daraus folgte notwendigerweise zweierlei. Die Anforderungen der Ressorts mußten vom Finanzminister drastisch beschnitten werden. Sie wissen j a, daß die Haushaltsansätze gut 15 Milliarden DM unter den Ressortanforderungen gelegen haben. Es liegt auf der Hand, daß dabei dann auch sachlich begründbaren und begründeten Ausgabenzwecken nicht vollständig Rechnung getragen werden kann. Die Finanzdecke war — gegenüber dem bisherigen Zuschnitt — außerordentlich eng.Bei der ersten Lesung des Haushalts hat die Opposition — wenn ich es richtig verstehe, ist es jetzt nicht anders — die Unzulänglichkeit des Haushaltsplans darin gesehen, daß die Ausgabenansätze eigentlich immer noch zu hoch seien. Diese Grundposition steht im Widerspruch zu der in den letzten Wochen und Monaten in vielfältiger Form erhobenen Kritik, die Unzulänglichkeit unserer Finanzpolitik zeige sich in der Unterdeckung wichtiger und eigentlich unverzichtbarer öffentlicher Leistungen.
Die Folgen einer restriktiven Haushaltspolitik zur Unzeit haben Sie doch in einigen Ländern, die von Ihren politischen Freunden regiert werden, beobachten können. Es gibt nun einmal gesetzmäßige volkswirtschaftliche Kreislaufzusammenhänge, die
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Bundesminister Matthöferman auch durch eine noch so stramme konservative Grundeinstellung nicht außer Kraft setzen kann.
— Ich komme jetzt zur Begründung. — Wenn wir heute die doppelte Zahl von Arbeitslosen hätten, wie das in anderen Ländern der Fall ist, stünde es um unsere Staatsfinanzen um vieles schlimmer und keines der vor uns liegenden Probleme wäre leichter zu bewältigen. Wir haben eine Ausgangslage, die es uns erlaubt, zuversichtlich an die vor uns liegenden Aufgaben heranzugehen, die uns internationales Vertrauen sichert, wenn wir die notwendige Entschlossenheit zeigen, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.Wer regiert, darf nicht nur tun, was populär ist. Er muß vorausschauend das tun, was langfristig zum Wohle seines Volkes erforderlich ist.
Die Bundesregierung hat in den Jahren nach der ersten Ölkrise mit umfangreichen Programmen dafür gesorgt, daß im internationalen Vergleich — und welchen anderen Maßstab gäbe es denn — Wachstum und Beschäftigung bei uns verhältnismäßig gut gesichert wurden.Ich habe in meiner Haushaltsrede gesagt — ich erwähne es, weil es vorhin in der Debatte eine Rolle spielte —: es gibt praktisch keine Möglichkeit für uns, die wir j a so sehr in die internationale Arbeitsteilung wie kaum ein anderes Land eingebettet sind, unser deutsches Volk und die deutsche Wirtschaft ganz unbeschädigt durch diese schwierigen weltweiten Turbulenzen zu bringen. Wir müssen da kurzfristig reagieren, wir müssen manövrieren. Wir müssen aber in der Grundrichtung immer wieder daran denken, daß die einzige große Produktivkraft, die die Bundesrepublik Deutschland hat, die Arbeitskraft unserer Menschen ist und daß wir deshalb ohne Not Unterbeschäftigung niemals zulassen dürfen.
Ohne die staatlichen Kreditaufnahmen der Jahre 1975 bis 1980 wäre ein Wachstum der realen Unternehmensinvestitionen von jährlich durchschnittlich 6 % und ein Mehr von 900 000 Arbeitsplätzen wohl nicht möglich gewesen.
In mit uns vergleichbaren Industriestaaten — USA, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Italien, Niederlande — liegt die Arbeitslosigkeit weit höher, zum Teil doppelt so hoch wie bei uns. Bei uns hat sich die Zahl der abhängig Beschäftigten von 1976 bis 1980 um rund eine Million, von 21,3 Millionen auf 22,3 Millionen erhöht. Auch das ist ein Erfolg unserer Politik.
— Ja, weil Sie die Ausländer in den 60er Jahren ins Land gelassen haben, deshalb!
Die Zahl der Auszubildenden konnte in den vergangenen Jahren bei uns spürbar erhöht werden. Das ist gewiß eine wichtige bildungspolitische Investition für unsere wirtschaftliche Zukunft.Es ist wichtig zu wissen, was die wirklichen Ursachen unseres Leistungsbilanzdefizits sind. Weil Sie den Zwischenruf bezüglich der vielen Arbeitsplätze gemacht haben, verehrter Herr Kollege Franke: Sie waren doch wohl auch für die flexible Altersgrenze,
und diese hat doch wohl die Zahl der Arbeitenden vermindert, oder nicht? Dann kommen Sie doch jetzt nicht her und machen nicht solche Zwischenrufe, die Sie vorher nicht durchdacht haben!
Für unsere Volkswirtschaft ist wirklich wichtig, sich zu überlegen, was die Ursachen unseres Leistungsbilanzdefizites sind. Es geht nicht, Herr Kollege Riedl, einerseits zu sagen: Wir müssen das Leistungsbilanzdefizit vermindern, und andererseits zu versuchen, aus der Erhöhung der Mineralölsteuer nun einen kleinlichen parteipolitischen Gewinn zu ziehen. Unsere Volkswirtschaft ist nicht inflationsgeschädigt. Wir haben zur Zeit die niedrigsten Preissteigerungsraten der Welt. Das ist ja doch wohl auch wichtig. Wenn man die Reden der Opposition hört, dann fragt man sich doch, in welchem Land man denn eigentlich lebt. Denn sie konzentrieren sich auf diesen einen Ausschnitt, nämlich die öffentliche Kreditaufnahme, und lassen die wirtschaftliche Wirklichkeit unseres Landes völlig außer acht.
Unsere Wirtschaft ist nicht investitions- und produktivitätsschwach wie die anderer klassischer Defizitländer.Nichtsdestoweniger — wer wollte das bestreiten — signalisiert das hohe Leistungsbilanzdefizit einen beachtlich hohen strukturellen Anpassungsbedarf. Wir können die Erfolge unserer Politik nach 1974 nicht einfach wiederholen, als die Bundesrepublik infolge einer günstigen internationalen konjunkturellen Phasenverschiebung, einer geradezu extrem hohen Importneigung der OPEC-Staaten die ölpreisbedingten Terms-of-trade-Verluste in einem einzigen Jahr fast vollständig wieder ausgleichen konnte. Das kann man nicht einfach wiederholen.Wir sind uns alle darüber einig, daß eine globale Politik zur Stabilisierung oder Erhöhung der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage heute nicht situationsgerecht wäre.Das Gebot der Stunde lautet: Strukturanpassung und nicht Subventionierung bestehender Strukturen. Wir müssen weniger Energie, vor allem weniger Öl verbrauchen, wir müssen weniger Rohstoffe verbrauchen. Wir müssen umweltfreundlicher produ-
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2134 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Bundesminister Matthöferzieren, und wir müssen eine möglichst hohe Zahl von Arbeitsplätzen für hochqualifizierte Facharbeiter, Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler zur Verfügung stellen. Ein solcher Anpassungsprozeß braucht seine Zeit, und auch der Bundeshaushalt muß — dies muß immer wieder versucht werden — durch einen wesentlich höheren Anteil an Investitionen dazu beitragen.Auf mittlere Sicht sehe ich, wenn wir nun die Weichen rechtzeitig stellen, gute Aussichten, mit den uns bedrängenden Problemen fertigzuwerden.Als Antwort auf die Ölpreisentwicklung sind bei uns und in aller Welt Investitionsgüter gefragt, die den neuen Kostenstrukturen gerecht werden können. Je eher es unter Ausnutzung dieser Marktchancen gelingt, das Defizit in der Leistungsbilanz zu beseitigen — und die April-Zahlen sehen j a schon recht gut aus; wir wollen hoffen, daß das kein „Ausrutscher" ist, sondern eine Tendenzwende anzeigt —, desto eher hat auch die Bundesbank die Möglichkeit, ihre Geld- und Zinspolitik wieder an binnenwirtschaftlichen Kriterien auszurichten, wenn uns, wie ich leider befürchten muß, die extrem hohen amerikanischen Zinsen auch weiterhin zu schaffen machen.
— Wissen Sie, wieviel wir von den 28 Milliarden DM Nettokreditaufnahme im vergangenen Jahr im Inland aufgenommen haben? Sehen Sie sich doch einmal die Größenmaßstäbe an, bevor Sie Kausalzusammenhänge konstruieren, die so nicht gegeben sind! Ich will Ihnen j a auch gar nicht widersprechen: Auch dies macht mir Sorge — falls es dazu kommen sollte, und das müssen wir auf jeden Fall verhindern.Die Bundesregierung hat mit ihren Beschlüssen vom 4. April 1981 eine wichtige Weichenstellung für die künftige strukturelle Entwicklung vorgenommen. Die Zielsetzung des 6,3 Milliarden-Programms als Kernbestandteil der Beschlüsse der Bundesregierung ist es, Energie und Rohstoffe einzusparen, Öl durch andere Energien zu ersetzen und die Entwicklung neuer Energietechnologien und von Prozeß- und Produktinnovationen, besonders im Bereich der mittelständischen Wirtschaft, durch zinsgünstiges Investitionskapital zu fördern.Nun, Herr Kollege Riedl, muß ich mich doch sehr dagegen wehren, daß Sie dies als einen Schattenhaushalt bezeichnen. Dies hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau immer getan. Sie hat immer Geld im Ausland und im Inland aufgenommen und hat dies immer zinsverbilligt an die mittelständische Wirtschaft weitergegeben. Das ist ihre Aufgabe. Das, was haushaltsrelevant ist, nämlich die Zinssubvention, das Herunterschleusen dieser bestimmten Zinsen, steht — und das wissen Sie doch auch — im Haushalt. Ich würde einer anderen Lösung nicht zugestimmt haben. Deshalb sollten Sie doch eine Praxis, die sich seit Jahrzehnten bewährt hat, nun nicht mit einem Male kritisieren wollen.Die Finanzpolitik wird in den kommenden Jahren versuchen, ihren Beitrag zur Förderung wirtschaftlicher Umstellungsprozesse zu erbringen. Wir haben nicht Abschied genommen von einer aktiven Wachstums- und Beschäftigungspolitik.Bei der Diskussion über unsere wirtschafts- und finanzpolitischen Probleme und die Folgerungen, die auf Grund unseres Leistungsbilanzdefizits zu ziehen sind, wird von verschiedenen Seiten das Stichwort Japan genannt, und zwar besonders auch immer von denjenigen, die andererseits dann die Haushaltsdefizite des Bundes kritisieren. Was mir an dieser Diskussion bemerkenswert erscheint, ist die Tatsache, daß die vergleichbare finanzpolitische Entwicklung in Japan hierzulande ganz wenig Beachtung findet. Dabei lassen sich bei beiden Ländern auch hier Parallelen finden. Nur werden die entsprechenden Zahlen in Japan offensichtlich nicht dazu verwendet, die Kreditwürdigkeit des eigenen Staatswesens und des eigenen Volkes schlechtzumachen. Beide, Deutschland und Japan, haben in den letzten Jahren, manchmal bis an die Grenze des haushaltswirtschaftlich Vertretbaren, ihre binnenländische Wirtschaftsentwicklung gestützt und das heimische Wachstum gestärkt —
auch eingedenk ihrer wichtigen Rolle für die jeweiligen Wirtschaftsräume. Dies hat die japanischen finanzwirtschaftlichen Daten noch stärker als unsere beeinflußt.
So stieg die Verschuldung der Gebietskörperschaften in Japan von 1974 bis 1979 fast dreimal so rasch wie in der Bundesrepublik: bei denen um 325 %, bei uns um 117 %. Im japanischen Staatshaushalt lag der Anteil der Zinsquote bereits 1979 über 10 v. H. Das ist eine Größenordnung, die wir auch Ende dieses Finanzplanungszeitraumes noch nicht erreicht haben werden. Auch im Verhältnis des Schuldenstands zum Bruttosozialprodukt als Maßstab für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft können wir uns durchaus mit Japan und mit allen anderen Industrieländern messen.
Wir befinden uns nämlich bei dieser Vergleichszahl — Anteil der öffentlichen Schulden am Bruttosozialprodukt, also am Gesamteinkommen eines Volkes im Lauf eines Jahres — in guter Nachbarschaft mit der Schweiz am untersten Ende der Skala. Das ist der internationale Vergleich.
Solche Vergleiche werden in der pauschalen Kritik an einer verantwortungsbewußten, d. h. auch immer an den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und an der Notwendigkeit, die Beschäftigung in Deutschland zu sichern und für Arbeitsplätze zu sorgen, ausgerichteten Finanzpolitik gerne verschwiegen.Lassen Sie mich zurückkommen auf die eingangs dargestellte Leitlinie dieses Haushalts, den Ausgabenrahmen so eng wie möglich zu begrenzen und
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2135
Bundesminister MatthöferAnforderungen der Ressorts auf das unabweisbar Notwendige zurückzuführen.Das mußte natürlich auch für den Verteidigungshaushalt gelten. Auch wenn unser Beitrag für das westliche Bündnis hohe politische Priorität hat, kann der Verteidigungshaushalt nicht von vornherein und vollständig aus den finanzpolitischen, auch nicht aus den wirtschaftlichen und energiepolitischen Gesamtzusammenhängen ausgeklammert werden. Im Zeichen enger gewordener Finanzspielräume und eines wachsenden Drucks zu äußerster Sparsamkeit kann eine so große und auch so kostenträchtige Organisation wie die Bundeswehr und wie die Rüstung nicht vom Druck zu kostenbewußtem Haushalten ausgenommen werden.
Natürlich darf dies nicht die Erfüllung der Bündnispflicht und die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte beeinträchtigen. Die Bundesregierung erfüllt ihre Bündnispflichten. Gleichzeitig aber werden wir auch im Bereich von Rüstung und Verteidigung auf höherem Kostenbewußtsein und auf wirtschaftlichem Umgang mit begrenzten Mitteln bestehen müssen.
Dies gilt insbesondere — wenn ich dies sagen darf — für den Ölverbrauch. Ich wiederhole: Es war nach meiner Überzeugung richtig und bleibt rückblickend wirtschaftlich und finanzpolitisch richtig, einen Zuwachs der öffentlichen Ausgaben anzustreben, der möglichst fühlbar unter dem Wachstum des Sozialprodukts liegt.Wenn die Opposition versucht hat und nun wieder versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei der Haushaltsentwurf der Bundesregierung nicht sorgfältig oder verantwortungsvoll genug aufgestellt worden, so wird sie darin auch von dem Ergebnis vieler gründlicher Beratungen des Haushaltsausschusses und zu einem nicht geringen Teil durch ihren eigenen Anteil an dessen Arbeit widerlegt. Denn der Haushaltsausschuß ist ja mit nicht geringer Entschlossenheit und auch Bereitschaft zu Konflikten an diese Aufgabe herangegangen, Ausgaben auf ihre Unabweisbarkeit abzuklopfen und mögliche Einsparungen durchzusetzen. Und trotz einer Reihe von bemerkenswerten Ergebnissen, Korrekturen und Umschichtungen, von denen manche auch Ausdruck unterschiedlicher Bewertung innerhalb der Koalition sind, hat das von der Bundesregierung vorgelegte Zahlenwerk im großen und ganzen der harten Prüfung durch den Haushaltsausschuß standgehalten.Dies drückt einen Tatbestand aus, der uns noch beschäftigen wird, daß nämlich substantielle Einsparungen in den Ausgaben des Bundes jedenfalls im Verfahren der Haushaltsaufstellung kaum mehr zu erzielen sind. Andererseits war gerade wegen der Begrenzung der Ausgabenanforderungen von vornherein klar und ist von mir auch in aller Klarheit von dieser Stelle im Deutschen Bundestag vorgetragen worden, daß konjunkturbedingte Veränderungen sowohl bei den Einnahmen wie bei den Ausgaben nicht mehr durch weitere Ausgabenkürzungen aus-geglichen werden können. Das ist ja doch eine Meinung, hinsichtlich der es keine Meinungsverschiedenheiten in der Bundesregierung, in der Koalition, mit der Bundesbank oder mit den Sachverständigen aus der Wirtschaft gibt.
— Bitte schön?
— Ich komme jetzt dazu. Das ist die logische Frage, die sich aus dem Fluß der Rede ergibt; ich bedanke mich dafür.Es war darüber hinaus das allgemeine Einverständnis aller Beteiligten — auch im. Finanzplanungsrat —, daß es nicht wünschbar und nicht vertretbar wäre, konjunkturell — und das heißt auch: durch die internationale Wirtschaftslage und die Wirtschaftspolitik wichtiger Partnerländer — bedingte Steuermindereinnahmen und Mehrausgaben für Arbeitsmarktpolitik und Zinsen anders als durch eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme zu finanzieren. Es wäre konjunkturpolitisch unvertretbar und auch sonst sachlich falsch gewesen, den konjunkturbedingten Ausschlag der Steuermindereinnahmen, der Zinsausgaben und des Anstiegs der Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit durch Zerschlagung des sachlich ausgewogenen Ausgabengerüsts des Bundeshaushalts finanzieren zu wollen. Ich habe mich allerdings nachhaltig dafür eingesetzt, sachlich unabweisbare Mehranforderungen, insbesondere aus dem Bereich der Verteidigung, nicht durch eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme zu finanzieren; dafür bitte ich den Herrn Kollegen Haase um Verständnis. Hier handelt es sich um Ausgaben, die geeignet sind, das Defizit des Bundeshaushalts strukturell zu verfestigen und dauerhaft zu erhöhen. Genau dies ist aber das, war wir auf gar keinen Fall mehr tun dürfen.Das Ihnen vorliegende Zahlenwerk ist das Ergebnis eines gründlichen Prüfungs- und Beratungsprozesses von Regierung und Parlament. Es stellt den zur Zeit nicht mehr sinnvoll einschränkbaren Kern der unabweisbaren Ausgaben des Bundes dar, der sicherlich nur mit großen Schwierigkeiten und Reibungsverlusten zu bewirtschaften ist. Die Bundesregierung hat in den Entwurf 1981 eine globale Minderausgabe von 1,9 Milliarden DM eingesetzt. Angesichts der knappen Bemessung fast aller Ausgabenansätze lag dieser Betrag an der Obergrenze dessen, was am Jahresende als sogenannter Bodensatz ohne Bewirtschaftungsmaßnahmen hätte übrigbleiben können.Nun hat der Haushaltsausschuß diese globale Minderausgabe der Höhe nach zwar unverändert gelassen, er spricht sich aber dafür aus, daß die globale Minderausgabe — proportional zu den Gesamtausgaben — im investiven und konsumtiven Bereich erwirtschaftet wird. Da die konsumtiven Ausgaben aber zum weit überwiegenden Teil rechtlich und faktisch gebunden sind, kann ich nicht davon ausgehen, daß die globale Minderausgabe auch in dieser Aufteilung als Bodensatz übrigbleibt. Nach meiner Ein-
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2136 Deutscher Bundestag - 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Bundesminister Matthöferschätzung wird sich die parlamentarische Einsparungsauflage nur durch erneute Haushaltssperren gemäß § 41 BHO erwirtschaften lassen. Davon wird kein Haushalt — ich betone: kein Haushalt — ausgenommen werden können.Natürlich kann ein — gemessen am Bedarf — von der Ausgabenseite so eng gestalteter Haushalt niemanden mit ungeteilter Freude, Zufriedenheit erfüllen. Ich kann sehr wohl viele meiner Freunde und Fraktionskollegen — auch meine DGB-Kollegen — verstehen, wenn sie eher Unzufriedenheit darüber empfinden, daß der Bund zur Bewältigung der angespannten Wirtschafts- und Beschäftigungslage und zur Beschleunigung der Strukturveränderungen in den verschiedenen Problembereichen kurzfristig nicht mehr tun kann.Wenn die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr auf etwa 34 Milliarden DM anwachsen wird, so ist diese Zahl für den Finanzminister schmerzhaft, weil die Beschaffung dieser Mittel in der gegenwärtigen Hochzinsphase — bei 20 %igem Zinsniveau in Amerika kann man j a wohl kaum sagen, daß dies binnenwirtschaftlich, durch die Kreditnachfrage des Bundes bewirkt sei — und angesichts der temporären Verklemmungen auf den Kapitalmärkten natürlich mehr Schwierigkeiten macht als während der Niedrigzinsphase 1978/79.
— Ja, das ist immer ein Argument. Da wird dann gesagt: Aber 1979 hättet ihr sparen können.
— Oder sollen. — Ich darf Ihnen noch einmal erklären, daß die Bundesrepublik in einen internationalen Zusammenhang eingebettet ist.Wir haben 1978 hier den Wirtschaftsgipfel gehabt.
— Ja, jetzt kommt das eine Prozent. Wir haben uns damals unter amerikanischen Druck
zu einem Prozent vom Sozialprodukt mehr Ausgaben verpflichtet, um die Zugeständnisse der anderen zu erreichen.
— Ja, Sie würden sich als erstes natürlich von unseren internationalen Verpflichtungen trennen. Ich will Ihnen aber gerne sagen, was ich meinem amerikanischen Kollegen Regan gesagt habe, als er mich in Deutschland freundlicherweise besuchte. Ich habe ihm gesagt: Ein Teil unserer Schwierigkeiten beruht darauf, daß wir damals dem amerikanischen Druck nicht widerstanden haben. Ich ziehe daraus die Schlußfolgerung, daß es in Zukunft schwieriger werden wird, wenn von außen wirtschaftspolitische Ratschläge an mich herangetragen werden.
Dafür bitte ich dann um Ihr Verständnis.Das Anwachsen der Nettokreditaufnahme muß den Bundesfinanzminister auch finanzpolitisch besorgt machen, weil er es nicht hinnehmen kann, daß sich in den öffentlichen Ausgaben ein strukturelles Finanzierungsdefizit mit einer nicht zu kontrollierenden Eigendynamik entwickelt.Wenn aus der Nettokreditaufnahme von 33,77 Milliarden DM der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Grundgesetz hergeleitet wird, so meine ich allerdings, daß ich mich, so berechtigt viele Einzelfragen in der Sache sein mögen, demgegenüber auf die klare und eindeutige Feststellung beschränken kann, daß mit diesem Haushalt nicht gegen Art. 115 des Grundgesetzes verstoßen wird.Wir haben es gegenwärtig bei 1,2 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt nicht mit einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht zu tun.Nun ist offenbar jemand auf die Idee verfallen, zu konstruieren, daß gleichwohl ein Verstoß gegen Art. 115 vorliege, weil ein hohes Defizit — jedenfalls gegenwärtig — kein geeignetes Instrument sei, um das gestörte gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Ich bitte um Verständnis, wenn ich diesem Gedankengang nicht folgen kann. Was gegenwärtig geeignet sein könnte, uns eine Wiederherstellung von Vollbeschäftigung und stetigem Wachstum bei Geldwertstabilität und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht zu gewährleisten, darüber kann man in der Tat lange streiten. Ich frage mich, ob eine solche volkswirtschaftliche Diskussion dann justitiabel sein wird.Wenn aber meine Argumente und die der Koalition und die des Wirtschaftsministers die CDU/CSU nicht überzeugen, wenn Sie wirklich glauben, daß hier ein Verstoß gegen die Verfassung vorliege, dann sollten Sie darüber nicht nur öffentlichkeitswirksam reden, sondern dem Verfassungsgericht auch endlich Gelegenheit geben, diese Streitfragen zu klären. Ich sehe dem mit großer Gelassenheit entgegen.Besorgt macht mich nicht der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Grundgesetz, besorgt macht mich nicht die wieder angeheizte Öffentlichkeitskampagne, wir stünden vor einem Finanzchaos — seit Sonthofen geht das nun schon ununterbrochen —, sondern besorgt macht mich die Frage, ob die Politik, ob die Politiker, ob die vielfältigen Interessentengruppen, ob unsere Gesellschaft insgesamt die Besonnenheit, das Verständnis, das Augenmaß aufbringen werden, ohne Übertreibungen nach der einen oder anderen Seite notwendige Korrekturen im richtigen Gesamtzusammenhang vorzunehmen.Es geht um Besorgnisse über das Tempo und das Augenmaß der Kreditaufnahmen aller öffentlichen Hände. Die Frage, ob es sich dabei um eine irgendwann nicht mehr genügend steuerbare Entwicklung handeln könnte, führt fast immer zwangsläufig auch zu der Frage der Stellenvermehrung im öffentlichen Dienst. Öffentliche Planstellen, Beamtenrechtsverhältnisse, auch Angestelltenverträge sind bei uns in
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Bundesminister Matthöferder Tat nur schwer abbaubar. Es gibt die nicht ganz unbegründete Befürchtung, daß mancher im öffentlichen Dienst Beschäftigte über seine Personalkosten hinaus weitere Folgekosten verursacht, d. h. zu einem Anwachsen öffentlicher Ausgaben in einem Ausmaß beiträgt, das sich der Kontrolle entziehen könne.
Die aktiven Erwerbstätigen werden in Zukunft große Lasten für die Nichterwerbstätigen zu tragen haben, so daß Verschiebungen innerhalb der Gesamtzahl der Erwerbstätigen von der Privatwirtschaft hin zum öffentlichen Sektor gerade in Zukunft mit ganz besonderer Sorgfalt zu beurteilen sind. Es ist daher richtig, immer wieder den Personalbestand im öffentlichen Dienst zu durchforsten und neue Stellenanforderungen äußerst restriktiv zu handhaben. Deshalb ist auch richtig und begrüßenswert, daß sich der Haushaltsausschuß — und das ist diesmal nicht das erste Mal — der Stellenentwicklung mit besonderem Nachdruck annimmt. Ich möchte aber an alle Beteiligten die Bitte richten, einmal das ganze Bild der Stellenvermehrungen in Bund, Ländern und Gemeinden und mittelbar öffentlich finanzierten Einrichtungen — dazu gehören dann auch die sogenannten freien Träger — in den letzten Jahren zu untersuchen. Der Zuwachs der Beschäftigung im öffentlichen Dienst hat nämlich nicht beim Bund stattgefunden,
sondern bei den Ländern und Gemeinden.
An der Zunahme der Zahl der öffentlich Bediensteten in den letzten zehn Jahren war der Bund nur zu 3 % beteiligt. Auf die Länder entfielen 67 % und auf die Gemeinden 30 %.
— Natürlich auch der Gesetzgebung. Sie wissen doch nach so langer Tätigkeit hier im Hause ganz genau, daß solche Gesetzte ohne die Zustimmung des Bundesrates nicht zustande kommen können. Und wer da die Mehrheit hat, das wissen Sie doch auch.
In den letzten fünf Jahren hat es beim Bund überhaupt keine Stellenvermehrungen mehr gegeben,
sondern einen Stellenabbau. Zweifellos hat es Stellenvermehrungen bei Ländern und Gemeinden gegeben, die mit den Wünschen in Einklang standen, die von allen politischen Kräften getragen waren, die zum Teil mit verursacht waren durch Gesetze und Planungen, an denen auch der Bund beteiligt war. Hier muß man sich nun aber auch ein Bild darüber verschaffen, wo denn der Zuwachs stattgefunden hat. Von 100 Personen, die seit 1979 eingestellt worden sind, entfallen rund 50 auf den Bildungsbereich — wir haben doch wohl alle gewollt, daß mehr Lehrer eingestellt würden; das war doch wohl auchvernünftig —, 14 auf die sozialen Dienste, 13 auf den Bereich Sicherheit und Rechtsschutz — hier handelt es sich also in erster Linie um erforderliche Dienstleistungen. Aber es bleibt dabei, daß die Vermehrung der Zahl der öffentlichen Stellen wesentlich bei Ländern und Gemeinden eingetreten ist.Seit 1979 decken wir einen Teil unseres Kreditbedarfs auch im Ausland, 1980 etwa 20 Milliarden DM, übrigens rund zwei Drittel — wenn man es damit vergleichen will — unseres Leistungsbilanzdefizits. Wenn trotzdem, Herr Kollege Riedl, die Devisenreserven der Bundesbank im letzten Jahr um rund 25 Milliarden DM geschmolzen sind, so liegt das vorwiegend am hohen privaten Kapitalexport.
Der wird doch auch durch Falschmeldungen angeheizt — ein Verhalten, das ich nur als unpatriotisch bezeichnen kann.
Wir haben mit unserer Auslandskreditaufnahme verhindert, daß die Devisenreserven der Deutschen Bundesbank noch stärker zurückgegangen sind.
Was unsere Kreditaufnahme betrifft, werde ich die Rede des Kollegen Riedl an meine DGB-Kollegen schicken, damit sie mal sehen, mit welchen Argumentationen wir es hier zu tun haben. Ich werde dann noch etwas Eigenes hinzufügen.
über die für die Arbeitnehmer ungünstigen Auswirkungen der öffentlichen Kreditaufnahme auf die Einkommensverteilung.
— Natürlich, wer kriegt denn die Zinsen? Das sind doch wohl nicht vorwiegend die gewerkschaftlich organisierten Kollegen.
In der gegenwärtigen Lage können und wollen wir nicht auf eine begrenzte öffentliche Auslandsfinanzierung verzichten. Wir müssen den Ölförderländern attraktive Anlagemöglichkeiten bieten, wenn dieser Kreislauf, Kauf von Öl, Übertragung von realer Kaufkraft an die Ölländer — dies bedeutet Entzug von Kaufkraft bei uns und Kapitalbildung im Ausland —, Rückführung dieses Kapitals in unsere Wirtschaft — wenn es geht für produktive Zwecke —, funktionieren soll.Auslandskredite kosten allerdings wie jeder andere Kredit auch ihren Zins. Auf Grund bisher eingegangener Verpflichtungen rechne ich damit, daß wir 1982 schon etwa 3,5 Milliarden DM an das Ausland werden zahlen müssen. Dies ist eine Sache, die mich ungeheuer besorgt macht. Die Notwendigkeit, das Leistungsbilanzdefizit auf organisierte Art und Weise auch durch öffentliche Kreditaufnahme im
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2138 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Bundesminister MatthöferAusland zu finanzieren, ist ja unbestritten. Aber wenn dies so weitergeht —
— Natürlich, wenn Sie weiter Ihre Zustimmung zu Mineralölsteuererhöhungen und anderen Ölsparmaßnahmen verweigern, wenn der Kollege Riedl weiter den Abbau der Subventionen als arbeitnehmerfeindlich bezeichnet, dann werden wir größere Schwierigkeiten haben, das Leistungsbilanzdefizit abzubauen.
Diese Zinszahlungen belasten unsere künftige Leistungsbilanz.
— Und Ihr Kanzlerkandidat Strauß hätte arbeitnehmerfreundliche Politik gemacht: Das glauben nicht einmal unsere ärgsten Feinde.
Solange das Leistungsbilanzdefizit besteht, müssen wir Kapital anderer Volkswirtschaften in Anspruch nehmen, weil wir in der Tat durch die Ölpreissteigerungen und durch unseren zu großen 01-verbrauch in dieser Beziehung über unsere Verhältnisse leben.
— Wie lange wir das treiben wollen? Solange wie Sie Ihren Widerstand gegen Mineralölsteuererhöhungen und andere öleinsparende Maßnahmen parteipolitisch umzumünzen versuchen.
— Wir werden das schon abbauen. Sehen Sie sich einmal die April-Zahlen an. Die sind ganz gut. Wir hatten einen Ausfuhrüberschuß von mehr als 3 Milliarden DM in einem Monat. Das kann sich sehen lassen. Wir hoffen, wir halten das durch. Wir werden ganz drastische, auch wenn das unpopulär ist, auch wenn Sie es ausnutzen — machen Sie es doch in Gottes Namen; wir werden tun, was im Interesse des deutschen Volkes erforderlich ist —, Öleinsparungen durchsetzen.
Ich bestehe auf diesem Punkt so sehr,
weil wir mit dem, was wir im nächsten Jahr machen werden, wieder Strukturveränderungen herbeizuführen versuchen, die zu einem geringeren Ölverbrauch führen. Da werden Sie uns hier natürlich wieder anklagen.
Das Ergebnis wird aber vom deutschen Volk 1984 beurteilt werden.
Dann werden wir alles das vortragen, was Sie hier gesagt haben.Das wirkliche Problem ist nicht, daß wir Kapital im Ausland aufnehmen und dafür natürlich Zinsen zahlen müssen, das wirkliche Problem ist, daß ein stabilitätsbewußtes Land wie die Bundesrepublik Deutschland in den Zinsen die Sünden der laxen Geldpolitik anderer Länder, die jetzt mit erhöhten Zinsen bekämpft werden müssen, mittragen muß. Das ist doch wohl auch klar.
— Wenn Sie weiter so viele Zwischenrufe machen, wird Sie der Präsident wieder zur Mäßigung ermahnen müssen.
Diese zusätzliche über unser eigenes Sozialprodukt hinausgehende Inanspruchnahme von Ressourcen darf nicht konsumtiv verwendet werden, muß vielmehr produktiv investiert werden, um die Belastung der Leistungsbilanz später durch steigende Exporte wieder wettzumachen. Das ist die Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren lösen müssen.Im laufenden Kalenderjahr hat der Bund bisher rund 13 Milliarden DM im Ausland aufgenommen. Diese Mittel stammen überwiegend aus Ölexportländern, darunter Saudi-Arabien. Meldungen, daß dieser Staat seine Kreditbeziehungen zum Bund angeblich eingestellt habe oder einstellen wolle, entbehren jeder Grundlage. Ich frage mich, wer hier aus welchen Gründen durch das Verbreiten von Falschnachrichten ein Interesse daran hat, das deutscharabische Verhältnis zu stören.
— Der Herr Kiep weiß, was ich meine.
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Bundesminister MatthöferRichtig ist, daß die Kreditaufnahme, die im Januar für das Kalenderjahr 1981 von beiden Seiten gemeinsam in Aussicht genommen wurde, etwa die gleiche Höhe wie 1980 haben sollte. Ich bitte Sie, noch einmal zu bedenken, was die Saudis dann, wenn sie sich im März des vergangenen Jahres, als wir dort im wesentlichen die Kredite aufgenommen haben, dafür entschieden hätten, nicht D-Mark-Kredite zu vergeben, sondern — zu damals niedrigeren Zinsen — Dollar-Kredite durch die Dollar-Zinssätze infolge der Verbesserung der Wechselkurse gewonnen hätten. Gleichwohl bleiben sie nicht nur bei ihrer vernünftigen Preispolitik, sondern sind auch weiterhin bereit, mit uns finanziell zusammenzuarbeiten. Dafür haben sie nicht verdient, daß ihnen solche Unterstellungen, wie man sie in den Zeitungen lesen kann, gemacht werden.
Saudi-Arabien ist erkennbar an einer Fortsetzung der guten Beziehungen — auch der Kreditbeziehungen — interessiert und hat uns inzwischen wissen lassen, daß an den Kauf zusätzlicher Schuldscheine des Bundes — wenn wir daran ein Interesse haben sollten — gedacht werden kann.Die Bundesregierung beabsichtigt, die Kreditaufnahme im Ausland vorläufig — wie immer in ganz enger Abstimmung mit der Deutschen Bundesbank — fortzusetzen. Aber das ist aus den von mir vorhin dargestellten Gründen keine Dauerlösung. Oberstes Ziel bleibt die Wiederherstellung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts, damit zusammen mit dem Leistungsbilanzdefizit auch die Notwendigkeit langfristiger Kapitalimporte für die Zukunft entfällt.Der Bundeshaushalt 1981 stellt einen realistischen Kompromiß zwischen den sachlichen Bedürfnissen und dem Wünschenswerten auf den Gebieten, auf denen der Bund Verantwortung trägt und Zuständigkeit hat, sowie den finanzpolitischen Möglichkeiten und der gesamtwirtschaftlichen Lage dar.Gleichzeitig ist es aber sicher auch richtig, daß dieser Entwurf und die in ihm zum Ausdruck kommende finanzpolitische Entwicklung Fragen für die nächsten Jahre aufwerfen. Da gibt es nun eine Reihe von Spekulationen, die in unserem Volke Unsicherheit verbreiten könnten. Lieber Herr Kollege Riedl, die Liste, die Sie hier vorgelesen haben, ist eine Sammlung aller Falschmeldungen, die man sich überhaupt nur vorstellen kann.
Ich frage mich im Moment: Liest er nun das geplante CDU-Regierungsprogramm vor?
— Entschulden Sie, Herr Kollege Riedl, ich glaube, Ihnen kann ich das sagen: Es war keine solide Rede, die Sie gehalten haben.
— Ich bedanke mich bei Herrn Hoppe für die Unterstützung, die er mir angeboten hat.
Herr Hoppe ist Mitglied einer Koalition, die immer alle Beschlüsse gemeinsam gefaßt hat.
Das wird auch in Zukunft so bleiben.Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich nicht zuletzt im Hinblick auf diese Spekulationen, die in unserem Volke Unsicherheit verbreiten könnten, hier auf die über 1981 hinausgehende Perspektive eingehen möchte. Der Anstieg der Nettokreditaufnahme des Bundes, die ja gesamtwirtschaftlich im Zusammenhang mit der Defizitentwicklung bei Ländern, Gemeinden und Trägern der Sozialversicherung zu sehen ist, hat zweifellos in der Öffentlichkeit Sorgen ausgelöst.
— Das habe ich schon mehrfach gesagt. — Mit wachsender Dringlichkeit wird die Frage gestellt, ob sich hier eine Dynamik entfaltet, die dann nicht mehr kontrolliert werden kann.
Das gilt natürlich insbesondere in einer Hochzinsphase, wie wir sie gegenwärtig durchlaufen müssen bzw. wie sie uns vom Ausland, insbesondere durch die amerikanische Hochzinspolitik, aufgezwungen wird. Da wächst die Zinsbelastung sprunghaft, und die Deckung des Bruttokreditbedarfs ist schwieriger und könnte sich in Zukunft in der Tat als eine Belastung der Kapitalmärkte erweisen.Ich möchte hier zunächst einmal in aller Deutlichkeit erklären, daß diese Bundesregierung und dieser Finanzminister eine ausufernde, d. h. wegen volkswirtschaftlicher Notwendigkeit und zur Beschäftigungssicherung nicht erforderliche öffentliche Kreditaufnahme nicht mitmachen werden.
Auch in Zukunft kann jeder Bürger darauf vertrau-en, daß Bundesregierung und Bundesbank gemeinsam die Stabilität der D-Mark verteidigen werden.Für diese Bundesregierung war die öffentliche Kreditaufnahme immer ein Instrument der Finanzpolitik, das eingesetzt — und so bemessen eingesetzt — werden muß im Bemühen um die Sicherung der Vollbeschäftigung bei Wahrung der Geldwertstabilität.
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2140 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Bundesminister MatthöferEs geht anders als noch vor vielen Jahren heute nicht mehr darum, nachfragebedingt unausgelastete Produktionskapazitäten vorübergehend durch zusätzliche öffentlich finanzierte Nachfrage auszulasten. Es muß angesichts unseres außenwirtschaftlichen Leistungsbilanzdefizits heute darauf ankommen, von einem nicht mehr wachsenden Sozialprodukt einen größeren Anteil an produktiven Investitionen der Wirtschaft zuzuführen, um den Strukturwandel zu bewältigen und neue wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schaffen zu können. Es wäre ein schwerer Fehler, über öffentliche Kreditaufnahme nachhaltig mehr privaten oder öffentlichen Verbrauch zu finanzieren.
Es ist grundsätzlich richtig, daß die in diesem Jahr erwartete Nettokreditaufnahme des Bundes in Verbindung mit den Ungewißheiten der konjunkturellen Entwicklung und auch der Zinsentwicklung Anlaß sein muß, die Möglichkeiten der Begrenzung öffentlicher Ausgaben zu prüfen, damit die Nettokreditaufnahme auch künftig nach den jeweiligen volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten steuerbar bleibt. Niemand weiß heute, wie sich im laufenden und in den folgenden Jahren das Zinsniveau entwicklen wird. Würde es sich — was niemand wünschen kann — im weiteren Jahresverlauf auf dem gegenwärtigen hohen Niveau bewegen, so müßten wir 1982 gegenüber dem bisherigen Finanzplan rund 4 Milliarden DM mehr für Zinsausgaben bereitstellen.
Hier wird auch deutlich, wie stark unsere Entwicklung in die Lage der Weltwirtschaft eingebunden ist, die gegenwärtig durch eine in der Nachkriegszeit noch nie dagewesene Kumulation von Strukturkrisen, Rezession und hohen Zinsen gekennzeichnet ist. Erst in der letzten Woche hat das amerikanische Schatzamt für 30jährige Papiere 14 % Zinsen zahlen müssen. Das ist für uns unvorstellbar. Lieber Herr Riedl, das sind in der Tat Zinssätze, von denen wir nicht einmal träumen. Überlegen Sie das einmal. Diese Zinssätze muß der Finanzminister aus dem Land mit der reichsten Volkswirtschaft der Welt zahlen.Es macht deshalb wenig Sinn, heute über Zahlen zu spekulieren, für die im nächsten Jahr im Rahmen des Bundeshaushalts zusätzliche Deckung gesucht werden muß.
Da muß man schon ein wenig mehr wissen.Wir müssen, um die Kreditaufnahme im nächsten Jahr kontrolliert steuern zu können, rechtzeitig den Anteil der Ausgaben, der bisher gesetzlich festliegt, vermindern. Die Regierung ist dazu fest entschlossen. Ich bitte, dies sorgfältig zu verstehen.
In irgendeiner heute noch nicht zu beziffernden Größenordnung müssen gesetzlich festgelegte Leistungen abgebaut werden.Die Aufgabe, vor der wir stehen und von deren Bewältigung es im wesentlichen abhängt, ob sich unsere Volkswirtschaft in dieser weltweiten Krise so gut behaupten kann wie bisher, lautet, die Beweglichkeit und die Steuerbarkeit der Finanzpolitik, die durch das Festliegen großer Ausgabenblöcke und der diesen Ausgabenblöcken innewohnenden Dynamik enger geworden ist, so wiederherzustellen, daß Defizite und Kreditaufnahmen unter allen bedeutsamen Gesichtspunkten — hier vor allen Dingen dem Gesichtspunkt der Beschäftigungspolitik — steuerbar bleiben. Dies wird eine schwierige, vielleicht auch schmerzhafte Operation, die wir uns nicht erleichtern durch voreilige Festlegungen auf diese oder jene Maßnahme.Das gesamte Spektrum der gesetzlich festliegenden öffentlichen Ausgaben, auch angestammte Subventionen und Besitzstände, der ganze Fächer Steuermindereinnahmen verursachender Sondervergünstigungen, sind alle daraufhin zu überprüfen, ob sie angesichts der vor uns stehenden Aufgabe, angesichts der gesamtwirtschaftlichen Bedürfnisse, angesichts der Bedeutung des Systems der sozialen Sicherheit, für den sozialen Frieden in unserem Land, angesichts politischer Prioritäten nicht nur gerechtfertigt, sondern unverzichtbar sind.Zunächst ist es selbstverständlich, daß nicht nur aus fiskalischen Gründen, sondern auch im Interesse der sozialen Gerechtigkeit und im Interesse der Funktionsfähigkeit der sozialen Mechanismen unseres Gemeinwesens Mißbrauchsmöglichkeiten beschnitten oder Mißstände abgebaut werden und daß eine vielleicht eingerissene zu großzügige Handhabung öffentlicher Leistungen wieder auf das absolut notwendige Mindestmaß zurückgeführt wird.
Ich erinnere daran, daß das Kabinett dem Arbeitsminister den Auftrag erteilt hat, Vorschläge zu unterbreiten, wie die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz eingedämmt werden kann.
— Das erledigt nicht den Auftrag an den Arbeitsminister. Da scheinen Sie aber die Arbeitsverhältnisse in der Bundesregierung falsch einzuschätzen. Wir haben auch einen eigenen Sachverstand.
Hier und anderswo handelt es sich darum, Eigenverantwortlichkeit, Motivation zur Leistungsbereitschaft, auch wo sie mit Unannehmlichkeit verbunden ist, in das richtige Verhältnis zu dem zu rücken, was wirtschaftlich möglich und was an sozialem Schutz dringend erforderlich ist. Vor allem kommt es darauf an sicherzustellen, daß sich die Instrumente unseres Sozialstaates gerade auch in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit bewähren können.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2141
Bundesminister MatthöferSoziale Gerechtigkeit und volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit dürfen nicht in einen angeblichen Widerspruch gebracht werden. Sie ergänzen sich gegenseitig. Tatbestände, Grenzen und Höhe öffentlicher Leistungen und Vergünstigungen müssen im Licht der gesamtwirtschaftlichen und finanzpolitischen Lage insgesamt durchleuchtet werden, insbesondere dort, wo unkontrollierbarer Zuwachs droht. Das ist ja selbstverständlich. Wir müssen selbst wieder bereit sein, das Erforderliche zu tun, hohe Erwartungen und Anspruchshaltungen zurückzuschrauben.
Ich glaube, daß gerade wir Sozialdemokraten — ich darf einmal als solcher sprechen — hier eine Verpflichtung haben: Wenn wir irgendwo im Land feststellen, daß etwas, was wir für den Schutz von Menschen getan haben, die durch Einflüsse, die außerhalb ihres Entscheidungsbereichs liegen, in Schwierigkeiten geraten sind, durch Steuerberater und sonstige kluge Berater ausgehöhlt wird und Leute massenhaft in die entstehenden Lücken eindringen und das bestehende System so ausnutzen, wie es nicht gedacht ist, dann haben gerade wir als Sozialdemokraten dagegen etwas zu tun
und gegen solche Praktiken zu protestieren.
Von allen ist mehr Gemeinsinn, mehr Solidarität, mehr Solidität und Bescheidung zu verlangen.
Niemand braucht in diesem Lande mehr zu opfern, als ihm zuzumuten ist. In dem Sinne halte ich es allerdings für gerechtfertigt, schon jetzt allen denjenigen den Boden zu entziehen, die in unserem Volke nach bekanntem Sonthofener Rezept allgemeine Unsicherheiten schüren wollen.Deshalb wiederhole ich hier, daß das Kindergeld für das erste Kind nicht abgeschafft wird.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann es wahrscheinlich auch gar nicht abgeschafft werden.
Ich will Ihnen sagen, wie das gelaufen ist, meine Damen und Herren: Ihre Kollegen haben eine Spekulation angestellt. Ein Presseorgan hat sie aufgegriffen.
Daraufhin haben Herr Blüm und andere gegen den Bundesfinanzminister protestiert. Daß dies alles eine bewußte Kampagne ist, sehen Sie, lieber Herr Vogel, daran, daß es trotz fünfzehnmaliger Dementis immer und immer wieder hochgezogen wird — wenn ich mich recht erinnere, auch wieder von dem Herrn Riedl.Die Bundesregierung kann und will sich an einer verfrühten Diskussion über den Haushalt 1982 und die zu seiner soliden Finanzierung erforderlichen Maßnahmen nicht mit Einzelheiten beteiligen. Sie wird Ende Juli Grundsatzentscheidungen treffen und Anfang September ihre Vorschläge vorlegen. Dies wird alles gründlich vorbereitet.Ich gehöre nicht zu denjenigen — wie offenbar einige von Ihnen — die das Ergebnis eines dreimonatigen Studiums, einer dreimonatigen Diskussion und einer dreimonatigen Beratung mit Kollegen und Experten schon vorwegnehmen und alles schon vorher wissen. Zu denen gehöre ich nicht.
Ich brauche diese drei Monate noch,
um einen solchen soliden Plan vorlegen zu können. Wir werden dabei natürlich berücksichtigen, was im Parlament und in der öffentlichen Diskussion, die niemand gängeln kann und abwürgen will, an Besorgnissen und Hinweisen erkennbar geworden ist.Unsere Volkswirtschaft ist auch heute trotz ausgebliebenen Wachstums, trotz der Belastungen unserer Leistungsbilanz sehr wohl leistungsfähig genug, um ein soziales Netz zu erhalten, das diesen Namen verdient. Solidarität muß sich gerade in schwierigen Zeiten bewähren. Sie muß aber auch immer wieder neu geprüft werden: die Solidarität derjenigen, die arbeiten, für die jungen, in Ausbildung befindlichen Menschen, für die ältere Generation, für die Arbeitslosen ebenso wie die Solidarität all derjenigen, die soziale Hilfen in Anspruch nehmen.Es ist zweifellos keine leichte Aufgabe, in weltwirtschaftlich schwierigen Zeiten, in Zeiten wieder zunehmender internationaler Krisen und größerer Lasten zur Friedensbewahrung allen Ansprüchen einer an dauerhaften Wohlstand gewöhnten, zu vielen Teilen vielleicht auch in der Tat von Erfolgen verwöhnten Gesellschaft gerecht zu werden, soziale Interessenkonflikte auszugleichen und gleichzeitig die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten.Aber wir geben den Anspruch nicht auf, daß alle diese Ziel- und Interessenkonflikte in einer solidarischen, dem Gemeinwohl wie der sozialen Gerechtigkeit verpflichteten Weise gelöst werden können und gelöst werden müssen. Bewährung heißt hier: uneigennützige Einordnung in einen geduldigen, ganz und gar undramatischen Weg der Kompromißfindung. Bewährung heißt Entwicklung und Sicherung unserer sozialen Rechtsstaatlichkeit und ihre Anpassung an die Wirklichkeit von heute und morgen.
Das Ausmalen immer schlimmerer Bilder, das heimliche Herbeisehnen einer Katastrophe, um eine angeblich erforderliche Wende vorzubereiten, dient niemandem und schadet allen. Wie diese angebliche Wende zum Positiven in anderen Ländern aussieht,
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2142 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Bundesminister Matthöferdas zu studieren werden wir noch Gelegenheit haben. Da werden wir noch auf viele Zitate von Ihnen zurückkommen.
Der Haushalt 1981 ist ein Stück pragmatischer Politik
auf dem Weg, den der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vorgezeichnet hat.
Ich habe mich in meiner Einbringungsrede im Januar 1981 bemüht, den Weg zu skizzieren, auf dem die Finanzpolitik unter den neuen Herausforderungen der Zeit weiterentwickelt werden muß. Ich bin zuversichtlich, daß es möglich sein wird mit allen Kräften dieser Koalition, auch den nächsten Schritt
auf diesem Wege zu gehen und unserer Verantwortung gegenüber unserem Volk und zur Sicherung seiner Zukunft gerecht zu werden.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weitergebe, wollte ich Sie auf die Geschäftslage aufmerksam machen. Es war ursprünglich für diesen Teil der Tagesordnung eine verbundene Debatte von drei Stunden vorgesehen. Diese Zeit ging jetzt in etwa zu Ende. Es liegen drei weitere Wortmeldungen vor: Kollege Kiep mit 45 Minuten, Kollege Grobecker mit 20 Minuten, Kollege Gärtner mit 30 Minuten. Wir werden also mit diesem Teil der Tagesordnung über die Mittagspause hinauskommen.
Ich erteile dem Abgeordneten Kiep das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen unserer besonderen Freude darüber Ausdruck geben, daß wir den Herrn Bundesfinanzminister wieder in guter Gesundheit, wie wir sehen können, unter uns haben.
Wenn man Sie hier reden hörte, und wenn man Ihnen zuhören konnte, wäre man fast versucht, Herr Kollege Matthöfer, zu meinen, daß Ihr äußeres Aussehen gewissermaßen ein Kontrastprogramm zum Zustand unserer Staatsfinanzen darstellen soll.
Aber, meine Damen und Herren, diese erste Runde der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts 1981 hat doch für mich einen erschütternden Realitätsverlust bei den Kollegen der Sozialdemokratischen Partei deutlich gemacht.
Bei allem Bemühen um die Redlichkeit, die Haushaltspolitikern nun einmal eigen ist, verehrter Herr Kollege Walther, kann ich nicht ganz verschweigen, daß Sie sich offensichtlich — wahrscheinlich in Notwehr und Selbstschutz — in eine Art von luftleerem Raum begeben haben und so tun, als ob im Grunde genommen alles in Ordnung sei.
Ist Ihnen eigentlich entgangen, daß in der deutschen Öffentlichkeit — und zwar in allen Teilen dieser Öffentlichkeit, von den Arbeitnehmern bis hin zu den Wirtschaftszeitungen, von den Industrieverbänden bis hin zum letzten Rentner — mit größter Sorge über den Zustand der Staatsfinanzen gesprochen wird?
Ist Ihnen eigentlich völlig entgangen, Herr Kollege Walther, daß da am vergangenen Wochenende in einer rheinischen Großstadt ein Parteitag einer Partei stattgefunden hat, die Ihnen nahesteht? Diese Partei, die FDP, hat dort mit großen Paukenschlägen die finanzpolitische Wende für dieses Land angekündigt. Das alles scheint an Ihnen vorübergegangen zu sein.
Sie haben hier nach der Methode business as usual geredet, als ob dies eine Haushaltsberatung sei, wie viele andere mehr.
— Selbst im „Vorwärts" war das j a zu lesen.
— Ja, immer sehr interessant. —Wenn ich mir die Ausführungen des Kollegen Hoppe vor Augen führe, dann hat er ja unsere Erwartungen und Hoffnungen keineswegs enttäuscht. Er hat wieder mit der ihm eigenen Klarheit der Sprache die Lage geschildert und hat sich im Grunde genommen von der bisherigen Finanzpolitik dieser Regierung überdeutlich abgesetzt.
Insoweit war seine Rede bemerkenswert, insoweit begrüßen wir die richtigen Erkenntnisse, die hier sichtbar geworden sind. Nur, lieber Herr Hoppe, wie schön wäre es gewesen, wenn wir z. B. einen gewissen Teilwahrheitsbeweis für Ihre Erkenntnis dadurch heute mit zur Kenntnis nehmen könnten, daß Sie zusammen mit der Union etwa in der Frage des Wohnungsbauprogramms den Weg praktisch beschritten hätten, den Sie uns seit Jahren theoretisch empfehlen.
Und wenn Sie mir eine mehr scherzhafte Bemerkung erlauben, Herr Hoppe: Als Politiker und Kollege sind Sie uns allen hochwillkommen, lieb und wert. Aber stellen Sie sich einmal vor, Herr Hoppe, Sie wären Arzt. Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären Arzt und würden einen Patienten behandeln, bei
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2143
Kiepdem Sie bereits im Jahre 1976 erstmalig eine schwere Krankheit festgestellt haben, um dann schließlich im Jahre 1981 zur Therapie überzugehen.
Verehrter Herr Hoppe, was mir an Ihrer Analyse nicht so ganz gefällt, ist, daß Sie immer einen Teil auslassen, nämlich die Tatsache, daß Sie seit zwölf Jahren Wegbegleiter der Sozialdemokraten sind, die diese Finanzpolitik, wie ich noch im einzelnen ausführen werde, so gestaltet haben, daß wir heute vor dieser Notwendigkeit stehen.
Warum haben Sie denn nicht einmal daran gedacht, wenn Sie diese Sorgen schon so lange haben, in diese Koalition vielleicht als Rocher de bronze für die Finanzpolitik einen FDP-Finanzminister einzuführen? Warum ist Ihnen der Gedanke nicht gekommen? Früher gab es FDP-Finanzminister in Bundesregierungen. Ich teile im übrigen die Skepsis von Herrn Walther — —
— Ich glaube, einer der Herren ist gestorben, das ist richtig, Herr Wehner.
Verehrter Herr Kollege Walther, ich teile Ihre Meinung, daß hier wahrscheinlich der berühmte Wechsel, der Zusammenbruch dieser Bundesregierung, gar nicht so unmittelbar bevorsteht. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Trotz aller sachlichen Unterschiede, trotz der Rede von Herrn Hoppe gibt es immer noch einen Kitt, der Sie beide zusammenhält, und dieser Kitt heißt „Machterhaltung".
Um der Machterhaltung willen sind Sie im Begriffe,politische Inhalte zu opfern, die für die Zukunft un-seres Landes größte Belastungen mit sich bringen.
Ich möchte auf die Ausführungen des Finanzministers eingehen. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben eine Rede gehalten, in der Sie einerseits — bildlich gesprochen — Valium unters Volk gestreut haben, indem Sie gesagt haben: Was wollt ihr eigentlich? Ist doch alles in Ordnung. — In einem weiteren Teil haben Sie dann die Opposition in die Pfanne gehauen. In einem weiteren Teil haben Sie dann gesagt, Sie hofften, daß die Opposition Ihnen hilft, wenn die Schwierigkeiten, die gar nicht vorhanden sind, beseitigt werden sollten.
Sie haben sich dann in das geflüchtet, was Sie immer tun, in den internationalen Vergleich.
Japan, verehrter Herr Bundesfinanzminister, das Sie sicherlich noch besser kennen als ich und dessen Finanzpolitik oder, besser gesagt, dessen Verschuldungspolitik Sie hier geschildert haben, Japan, Herr Matthöfer, hat seine Verschuldung in sehr viel höherem Maße investiven Zwecken zugeführt, als dies bei unserer Verschuldung der Fall ist. Dies hätten Sie erwähnen müssen.
Sie haben vom internationalen Vertrauen gesprochen, das Sie erhalten wollen. Herr Matthöfer, ist Ihnen entgangen, daß ein Teil unserer Probleme auf den Verlust des internationalen Vertrauens zurückzuführen ist?
Wenn alles so ist, wie Sie es sagen, Herr Kollege Matthöfer, können Sie mir eigentlich das Phänomen des FDP-Parteitages von Köln näher erklären? Können Sie mir erklären, warum diese Partei sozusagen aus heiterem Himmel eine Abkehr von einer Finanzpolitik vollzieht, die Sie hier soeben als verantwortungsbewußt, zielstrebig und richtig bezeichnet haben? Ist denn diese FDP inzwischen zu einer Bande von Spökenkiekern geworden, die praktisch nur irgendwo Panik machen wollen? Oder wollen Sie behaupten, daß Herr Hoppe, der hier gesprochen hat, eine Art finanzpolitischer Frankenstein sei?
Sie, Herr Matthöfer, appellieren an das Augenmaß der Bürger, wenn Sie sie demnächst mit Ihren Änderungen konfrontieren wollen. Glauben Sie nicht, daß die Bürger ein Recht haben, nach dem Augenmaß dieser Bundesregierung zu fragen, die diesen Zustand hat eintreten lassen?
Schuldenfinanzierung, Herr Bundesfinanzminister, die Sie und Ihre Vorgänger elf Jahre lang betrieben haben, ist j a im Grunde genommen ein Weg, bei der Verwendung der Staatsfinanzen — sprich: der Steuergelder — dem Bürger die Mitbestimmung über diese Verwendung zu entziehen. Ehrlicher wäre eine solche Politik, wenn Sie in einem vertretbaren Maß dort, wo Sie für mehr Staat eingetreten sind, auch die notwendigen Einnahmen durch mehr Steuern eingetrieben hätten.Lassen Sie mich zu dem Ernst der Lage zurückkehren, und lassen Sie mich einige Bemerkungen zu dem Zustand machen, indem wir uns befinden. Lassen Sie mich vor allen Dingen sagen, was nach unserer Überzeugung geschehen müßte.Alles, was hier in zwölf Jahren erreicht wurde, steht heute offensichtlich wieder auf dem Spiel. Walter Slotosch hat in der „Süddeutschen Zeitung" am 16. Mai eine Lagebeschreibung unter der Überschrift „Nur noch Defizite" gebracht. Im Bereich der Arbeitslosigkeit — ein Thema, das uns alle in ganz besonderer Weise bedrückt und beschäftigt, weil es für die betroffenen Menschen ein schweres Schicksal bedeutet und weil es für die Gemeinschaft aller mit erheblichsten finanziellen Belastungen verbunden ist —, im Bereich der Arbeitslosigkeit hat sich nichts verbessert, haben sich die Dinge eher ver-
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2144 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Kiepschlechtert. Die Arbeitslosigkeit, die wir heute haben, kostet uns, alles zusammengerechnet, 23 Milliarden im Jahr, mit steigender Tendenz, und wir müssen uns Sorge darüber machen, wie wir die steigenden Kosten der Arbeitslosigkeit in Zukunft finanzieren wollen. Im Bereich unserer Wirtschaft stellen wir einen Pleitenrekord, im Februar die höchste Monatszahl von Konkursen in unserer Wirtschaft in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland fest. Ich darf daran erinnern, daß es hier vorrangig um mittelständische und kleinere Unternehmen geht, auf die wir aus einer Reihe von Gründen, insbesondere wegen ihrer Innovationskraft, wegen ihrer Anpassungsfähigkeit in den kommenden schwierigen wirtschaftlichen Jahren überhaupt nicht verzichten können.
Nach allem, was wir heute übersehen können, ist die Talsohle noch nicht durchschritten. Sie kann uns auch möglicherweise noch tiefer führen, was wir alle nicht hoffen wollen.Die Inflationserwartungen, meine Damen und Herren, sind inzwischen weiter gestiegen. Sicherlich stimmen die internationalen Vergleiche, Herr Kollege Matthöfer. Aber ich darf doch daran erinnern, daß wir inzwischen bei 5,6 % angekommen sind und daß die weitere Inflationsentwicklung und unsere Möglichkeiten zur Bekämpfung dieser Entwicklung hohe Priorität bei allen wirtschafts- und finanzpolitischen Überlegungen haben müssen. Die brutalste und unsozialste Besteuerung bleibt die Inflation. Und Inflation, so hat das Protokoll über den Londoner Gipfel ausgesagt, verringert die Arbeitslosigkeit nicht, im Gegenteil: sie ist eine ihrer Hauptursachen. Auch an diese Wahrheit muß wieder erinnert werden. Sie ist ja auch der Bundesregierung zugegebenermaßen, wenn auch spät, immerhin gedämmert.Ich würde sagen, daß das Gesamtproblem, gewissermaßen das Syndrom der Probleme der Bundesrepublik Deutschland, in unserem Leistungsbilanzdefizit zum Ausdruck kommt. Sie haben davon auch schon gesprochen. Auch Sie haben wiederum der Versuchung nicht widerstanden, es ein wenig zu verniedlichen. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Ver-niedlicher in dieser Bundesregierung, an der Spitze der Bundeskanzler, noch am 24. November 1980, also vor weniger als sieben Monaten, davon gesprochen haben — Zitat —: „Auf kurze Sicht kein schwerwiegendes Problem."
Das Leistungsbilanzdefizit, meine Damen und Herren, beruht j a auf der Tatsache, daß wir vom Ausland weniger Geld einnehmen, als wir ins Ausland bringen. Das heißt, wir leben in der Beziehung zum Ausland über unsere Verhältnisse, wir geben mehr aus, als wir einnehmen. Dieser Zustand kann kein Dauerzustand bleiben.
Er ist auch nicht zu korrigieren durch unsere Reserven, wie dies der Bundeskanzler im Wahlkampf in fast leichtfertiger Weise der Bevölkerung darstellen wollte.
Heute gehen wir im dritten Jahr in dieses Leistungsbilanzdefizit. 1980 waren es fast 30 Milliarden DM. Damit hatten wir das höchste Leistungsbilanzdefizit aller Industrieländer zu verzeichnen, ein weit höheres als Japan, das viel ölabhängiger ist als wir. Unsere Energie ist nur zur Hälfte, die Japans zu 70 % vom Importöl abhängig. Sicherlich liegt eine Ursache in der Ölrechnung. Das ist überhaupt nicht zu bestreiten. Aber es ist wichtig, auch offen auszusprechen, daß die Hälfte unseres Leistungsbilanzdefizits nicht ölbedingt ist, sondern eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft in der Welt widerspiegelt. Auch an diese Tatsache muß erinnert werden, wenn man ernsthaft miteinander über die Beseitigung des Leistungsbilanzdefizits diskutieren will.Sie suchen die Schuld nun immer bei anderen. Da sind die Ausländer insgesamt, da sind die bösen Bundesländer, da ist die Opposition, da sind die Ölscheichs. Herr Kollege Matthöfer, diese Ölpreisentwicklung ist doch nicht über Nacht über uns gekommen. Wir haben den ersten Ölschock im Jahre 1973 erlebt. Ich frage Sie: Was ist denn seit 1973 in diesem Lande wirklich geschehen, um vom 01 unabhängiger zu werden?
Sicherlich, da gab es Ansätze. Ich erinnere Sie an den Brief des Bundeskanzlers Willy Brandt an den Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Gerhard Stoltenberg, in dem Willy Brandt damals, im Jahre 1973, Stoltenberg dringend bat, so schnell wie irgend möglich Brokdorf als Standort für ein Kernkraftwerk auszuweisen.
Die Ansätze waren da, aber sie sind alle versandet, versandet in einer Politik, die den Mut zu Entscheidungen nicht mehr aufbrachte, die den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist, die unbequeme Entscheidungen verschoben hat. Und so stehen wir heute, acht Jahre nach dem Beginn der Ölkrise, energiepolitisch im Grunde genommen ungerüstet da.
Die einzige wirkliche Reaktion war die Reaktion der deutschen Verbraucher. Die deutschen Verbraucher haben auf diese Preisentwicklung verantwortungsbewußt reagiert. Und der einzige Pluspunkt in unserer Ölunabhängigkeitsbemühung ist tatsächlich der Rückgang des Verbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund der Einsichtigkeit der Bürger dieses Landes.Aber auf die Energiepolitik warten wir noch immer. Und wir hätten uns auch gefreut, wenn auf dem FDP-Parteitag hier nochmals ein klares Signal gesetzt worden wäre, das uns die Hoffnung gibt, daß zusammen mit der finanzpolitischen Wende, die
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Kiepdringend notwendig ist, die energiepolitische Wende in der Bundesrepublik Deutschland kommt.
Der Bundeskanzler und auch der Kollege Matthöfer haben nun wiederholt auf die Möglichkeit der Bekämpfung des Leistungsbilanzdefizits durch Kreditaufnahme im Ausland hingewiesen. Zwar hatte der Bundeskanzler noch 1978 in Mannheim erklärt: „Wir können es uns nicht leisten, uns auf ausländischen Kapitalmärkten zu verschulden." Aber jetzt ist dieser Weg offensichtlich gangbar, und es wird von ihm erheblicher Gebrauch gemacht.Es könnte dabei die Illusion entstehen, als ob Kapitalaufnahme im Ausland gewissermaßen ein Rezept zur Beseitigung oder Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits auf Dauer sein könnte. Ich möchte dieser Auffassung hier ganz deutlich entgegentreten. Die Bundesbank hat erklärt: „Je mehr die Auslandsschulden wachsen, um so mehr schmälern sie das im Inland verteilbare Sozialprodukt." Ich möchte hinzufügen: Zinsen und Tilgungen für Auslandsschulden schlagen natürlich auf die Negativseite unseres Zahlungbilanzdefizits; sie vermehren es, und sie senken es nicht für die Zukunft.
Auch dieser Zusammenhang müßte ehrlicherweise vom Finanzminister dargestellt werden,
wenn er hier in einer Rede ein Gemälde der Finanzpolitik seiner Regierung darstellt.
Es erscheint mir wichtig, auch auf den Zusammenhang zwischen der Schuldenwirtschaft einerseits und dem Leistungsbilanzdefizit andererseits hinzuweisen. Wir erleben j a immer wieder, daß die Bundesbank bei jeder passenden Gelegenheit davon spricht, daß ohne einen Abbau der Schuldenzuwächse des Staates eine Senkung der Hochzinspolitik, einmal abgesehen von den außenwirtschaftlichen Zwängen, allein nicht möglich ist. Man könnte sich sogar fast vorstellen, daß die Bundesbank ein Junktim herstellen könnte, indem sie ihre Bereitschaft, Hochzinspolitik abzubauen, vorausgesetzt, daß die außenpolitischen Zwänge nachlassen, in dem Maß verwirklicht, in dem die Bundesregierung und alle öffentlichen Hände ihre Neuverschuldung ihrerseits reduzieren. Die Inanspruchnahme unseres Kapitalmarkts im Jahr 1981 ist ja, für sich genommen, bereits ein Antriebselement für Zinsen in unserem Land, ganz abgesehen von allen anderen Gründen.
Lassen Sie mich, Herr Kollege Matthöfer, Ihren Ausführungen und der Debatte über den Haushaltsentwurf 1981, den wir hier zu behandeln haben, etwas über das hinaus hinzufügen, was Kollege Riedl schon gesagt hat und was mein Kollege Carstensnoch sagen wird. Sie haben so getan, als ob der Unterschied zwischen dem von Ihnen eingebrachten Haushalt aus dem Januar und dem heutigen Werk, das wir vor uns haben, gewissermaßen die Folge eines von Ihnen nicht zu vertretenden und auch nicht zu erwartenden Augustgewitters sei. Ich darf Sie daran erinnern, daß eine ganze Reihe von Mehrausgaben sehr wohl vorhersehbar war.Sie haben auf die Arbeitslosenzahlen Bezug genommen. Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß die Mehrausgaben für die Bundesanstalt für Arbeit, die jetzt hier zur Debatte stehen, keineswegs ausschließlich auf die von uns allen bedauerte Erhöhung der Arbeitslosenzahl von 1,1 auf 1,2 Millionen zurückzuführen sind,
sondern daß diese Erhöhung um 100 000, wenn wir sie einmal in Rechnung bringen, diese Mehrausgaben der Bundesanstalt für Arbeit in gar keiner Weise voll und ganz rechtfertigt. Hierfür wären etwa 1,5 Milliarden DM zu begründen, die wir für 100 000 zusätzliche Arbeitslose mehr aufwenden müßten. Aber in der Tat betragen die Mehraufwendungen ja 4,5 Milliarden DM.
Und darf ich Sie daran erinnern, Herr Kollege Matthöfer, daß unser Kollege Franke bei verschiednen Gelegenheiten hier und auch in der Öffentlichkeit im November und im Dezember
auf die Fehlerhaftigkeit der Prognosen hingewiesen hat, auf Grund deren Sie diesen Haushalt vorgelegt haben.Ich möchte schließlich auch noch dem Kollegen Walther sagen: Wir wußten doch wohl im Januar, daß das Geld für die Kriegsopferversorgung und für das Mutterschaftsgeld nach der Ist-Entwicklung des Vorj ahres überhaupt nicht ausreichen konnte. Sie können doch auch nicht behaupten, daß die Tornado-Entwicklung irgend etwas mit der Konjunktur zu tun gehabt hätte.
Sie wußten im Januar 1981, daß der Treibstoffbedarf der Bundeswehr steigen würde;
auch dies hat Sie nicht plötzlich überrascht.Ich will damit nur sagen: Sie haben die Vorgaben für die Aufstellung des Bundeshaushalts 1981 nach unten korrigiert, um hier ein besseres Bild abgeben zu können
und um die Worte des Kanzlers zu erfüllen, der gesagt hatte: 27 Milliarden DM Lücke und 4 % Steigerungsrate. Das war die Vorgabe, nach der Sie gearbeitet haben. Nun stellen wir fest, daß das, was Sie hier im Januar vorgetragen haben, bereits Makulatur ist. Dies beunruhigt nun, verehrter Herr Matthöfer, nicht nur die Opposition. Es gibt vielmehr in der Tat auch Menschen draußen im Lande — darunter
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Kiepauch einige Journalisten —, die es atemberaubend finden, daß ein Haushalt von Januar bis Mai praktisch zur Makulatur wird. Sie müßten diese Besorgnis und die damit verbundenen Zweifel und Erregungen endlich zur Kenntnis nehmen.Sicherlich hat der Bundeskanzler die Richtlinienkompetenz für die Politik, und der ist der Finanzminister unterworfen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der Bundeskanzler muß sich j a auch an die Gegebenheiten und an die Realitäten halten. Er ist ja schließlich kein mittelalterlicher Herrscher, der einfach bestimmen kann, was geschieht. Und Sie, Herr Matthöfer, sind kein Schatullenverwalter eines mittelalterlichen Herrschers, sondern Sie sind Treuhänder der Bürger für die Steuergelder, auf Zeit bestellt.
Die Art und Weise, wie Sie in diesen letzten Wochen mit Steuergeldern in der Öffentlichkeit umgegangen sind, hat bei vielen, vielen unserer Bürger Arger, Zweifel an Ihrer Fähigkeit und Mißtrauen gegenüber der Institution Bundesrepublik Deutschland hervorgerufen.
Im Haushalt 1981 haben wir die schon dargestellte Neuverschuldung, die nunmehr bei 34 Milliarden DM liegt.
— Von 500 Millionen DM mehr oder weniger einmal abgesehen, sind wir jetzt bei etwa 34 Milliarden DM. — Das bedeutet — für den einzelnen Bürger einmal in für ihn verständlichen Zahlen ausgedrückt —, daß der Schuldendienst täglich 162 Millionen DM kostet — täglich 162 Millionen DM!
Schuldendienst heißt natürlich Verzicht auf entsprechende Politik. Deshalb hat Staatsverschuldung nicht etwas mit buchhalterischer Kleinlichkeit und Kleinkrämerei zu tun, sondern Staatsverschuldung steht in einem direkten Zusammenhang mit der Handlungsfähigkeit des Staates. Daß unser Staat in dieser Stunde an die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit stößt, weil ihm durch Ihre Finanzpolitik der Manövrierraum genommen worden ist, ist das entscheidende Problem, über das wir uns hier unterhalten müssen.
Sie haben eine globale Minderausgabe von 1,9 Milliarden DM eingesetzt. Wenn ich mich an meine bescheidenen, geringen Erfahrungen im Mikrokosmos Niedersachsen erinnern darf, dann war eine globale Minderausgabe zwar sicherlich ein Mittel des Finanzministers bei der Aufstellung seines Haushalts, aber eigentlich nur dann und nur dort, wo er genau wußte, wie er eine solche globale Minderausgabe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch erwirtschaften kann. Ich frage mich, wie Sie hier 1,9 Milliarden DM erwirtschaften wollen. Deshalb nehmen Sie es uns bitte nicht übel, wenn wir in dieser Minderausgabe von 1,9 Milliarden DM auch wiederum einen Versuch der Beschönigung, der Verschönerung oder, um es häßlich zu sagen, einen Trick sehen, mit dem Sie über eine wirkliche Darlegung des Zahlenmaterials hinwegkommen wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Walther, Herr Kollege Kiep?
Aber sicher. — Bitte schön. — Wenn Sie das von der Redezeit abziehen würden.
Herr Kollege Kiep, wenn Sie die globale Minderausgabe so qualifizieren, darf ich Sie fragen: Wie bewerten Sie dann das Verhalten Ihrer Kollegen im Haushaltsausschuß, die im letzten Jahr beispielsweise eine Erhöhung der globalen Minderausgabe auf 3 Milliarden DM beantragt haben?
Ich bin sicher, daß die Kollegen, die an dieser Aktion teilgenommen haben, in dieser Debatte des Bundestages zu Ihrer Frage noch Stellung nehmen können. Ich war damals nicht Mitglied dieses Hauses.
— Ich kann ja nicht über Ereignisse reden, die ich nicht kenne.
Aber eines müssen Sie mir doch zugeben, Herr Kollege Walther: Würden Sie denn sehenden Auges in aller Verantwortung als Mitglied des Haushaltsausschusses einer globalen Minderausgabe zustimmen, von der Sie nicht überzeugt sind, daß sie erwirtschaftet werden kann?
— Aber den 1,9-Milliarden-DM-Antrag von Herrn Matthöfer billigen Sie?
— Ach so, gut. Vielen Dank. Ich nehme an, daß mein Kollege Carstens zu diesem Punkt noch im einzelnen Stellung nehmen kann.
Ich möchte mich jetzt nicht auf Zwischenfragen einlassen. Das wird mir nämlich von der Redezeit leider nicht abgezogen.
Nicht unbegrenzt, Herr Kollege.
Ich möchte noch auf die Berner-kung des Finanzministers über die Frage der Kredite aus Saudi-Arabien zurückkommen. Ich frage Sie hier ganz konkret, Herr Bundesfinanzminister: Wieviel der 6,3 Milliarden DM, die Sie im Rahmen eines Mittelstandsprogramms in Aussicht gestellt haben, sind heute finanziert? Wieviel Geld hat die Kre-
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Kiepditanstalt für Wiederaufbau heute tatsächlich in der Kasse,
um die Anträge zu bedienen, um die Sie mit Zeitungsanzeigen landauf, landab werben? Ich glaube, eine klärende Antwort von Ihnen könnte das auch von Ihnen zu Recht beklagte Mißtrauen in dieses Angebot ohne jede Schwierigkeit voll und ganz beseitigen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matthöfer?
Herr Kollege Kiep, darf ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen — das hätten Sie auch in Zeitungsnachrichten lesen können —, daß der Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau beschlossen hat, den Vorstand zu ermächtigen, als erste Tranche 1,5 Milliarden DM aufzunehmen, daß dieser Prozeß im Gange ist — der Betrag wird auch im Ausland aufgenommen werden —, daß alle Richtlinien der Kreditanstalt den Banken inzwischen zugegangen sind und daß der Prozeß der Kreditaufnahme durch kleine und mittlere Unternehmen in vollem Gange ist, was ich mit großer Zuversicht, großer Freude und großer Zustimmung verfolge?
Herr Kollege Matthöfer, Sie haben meine Frage natürlich überhaupt nicht beantwortet. Das weiß ich alles; denn das stand j a in der Zeitung, und wir pflegen die Zeitungen zu lesen. Meine Frage an Sie war: Wieviel der in Aussicht gestellten Gesamtsumme ist denn tatsächlich in Saudi-Arabien oder anderswo aufgenommen worden?
— Herr Kollege Westphal, ich frage, weil ich dagegen bin, daß diese Regierung auf unseriöse Weise hier Angebote in den Raum stellt, die sie nicht erfüllen kann.
Ich darf in Fortsetzung meiner Rede
auch noch einmal darauf hinweisen, damit es völlig deutlich und klar ist: Sie haben diese Anleihe, die Sie dort aufgenommen haben, und die ganzen Details der Gestaltung dieses Angebots an die mittelständische Wirtschaft gegen den Rat der Bundesbank gemacht.
— Ich bitte Sie, den Gegenbeweis anzutreten.
— Verehrter Herr Kollege Westphal, ich würde Ihnen empfehlen, sich einmal genau mit den Einzelheiten zu befassen; es könnte sein, daß Sie zu einem anderen Urteil kämen.Meine Damen und Herren, die Zinsentwicklung, die hier von der Bundesregierung immer so lautstark beklagt wird, ist — das will ich deutlich machen — auch ein Ergebnis der Verschuldungspolitik— nicht nur —, die hier seit einigen Jahren betrieben worden ist. Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen — Herr Matthöfer, Sie haben kein Wort darauf verwendet —, daß zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in der vergangenen Woche eine öffentliche Anleihe, nämlich die der Bundesbahn, keinen Markt mehr gefunden hat. Da können Sie uns doch nicht übelnehmen, daß wir über diesen Zustand einigermaßen beunruhigt sind.
Ich meine, daß wir hier auch ein wenig zurückblättern und an die Anfänge dieser Politik erinnern müssen. Wir haben die Politik der Verniedlichung durch den Bundeskanzler und verschiedene Bundesfinanzminister erlebt. Wir haben mit der Begleitmusik der tickenden Zeitbombe von Herrn Hoppe seit Jahren hier im Bundestag Diskussionen über die Staatsfinanzen. Wir haben einen Wahlkampf hinter uns, in dem der verehrte Herr Bundeskanzler in einer überdeutlichen Weise jedes Gespräch über Staatsverschuldung als Volksverdummung und Volksverhetzung dargestellt hat,
ein Bundeskanzler, Herr Matthöfer, der damals in aller Öffentlichkeit die deutschen Bischöfe gerügt hat, als sie das Thema der Staatsverschuldung als ein sie bedrückendes Problem geschildert haben.
Und jetzt, meine Damen und Herren, ist der Punkt gekommen, wo es offensichtlich notwendig ist, zu handeln. Der Vizekanzler und FDP-Vorsitzende Genscher hat in Köln von der Bewährungsprobe der Koalition gesprochen. Er hat harte Eingriffe in Leistungsgesetze angekündigt. Sie machen es sich ein wenig leicht, Herr Matthöfer, wenn Sie beim Thema Frühwarnungen aus der Wahlkampfzeit immer wieder lediglich auf diese einzige Äußerung, die Sie je gemacht haben, zurückkommen, wonach Sie von Zähneklappern und von sonstigen Angstbewegungen der Bürger gesprochen hätten, die eintreten müßten, wenn die finanzielle Wahrheit komme.
— Die evangelische Version, gut. Herr Matthöfer, wie auch immer, das reicht als Hinweis eines verantwortlichen Finanzministers auf die Notwendigkeit
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Kiepeiner finanzpolitischen Umkehr, wie wir sie jetzt beschließen sollten, nicht aus.Das Kabinett hatte die Entscheidung vom Juli auf den September vertagt und, wie ich höre, gestern diese Entscheidung für den September wieder zurückgenommen.
Herr Kollege Matthöfer, ist diese plötzliche Änderung in der Politik, diese Bereitschaft, doch jetzt zu verhandeln, vielleicht darauf zurückzuführen, daß Herr Kannengießer gestern in der FAZ darauf hingewiesen hat, daß bei einer Beratung im September eine Mehrwertsteuererhöhung für 1982 nicht mehr durchführbar sei, oder hat die Rede von Herrn Pöhl dazu beigetragen, die er gestern, unter anderem über den Zustand unserer Staatsfinanzen, gehalten hat? Was hat Ihre Umkehr vom September auf Juli bewirkt? Wir jedenfalls begrüßen diese Entscheidung, und wir hoffen, daß wir hier bald zu Ergebnissen kommen.Ich darf Sie auch daran erinnern, Herr Matthöfer, daß Vertrauen natürlich etwas mit Staatsfinanzen, mit Geld, mit wirtschaftlicher Tätigkeit und mit Konjunktur zu tun hat.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Häfele?
Bitte schön, Herr Häfele.
Herr Kiep, darf ich den Hinweis geben, daß das schon wieder nicht der letzte Stand der Meldungen ist, die sich überschlagen? Inzwischen ist wieder der September ins Auge gefaßt worden.
Ich bedanke mich, Herr Kollege Häfele. Also ist die Hoffnung verfehlt gewesen. Herr Hoppe, der leider nicht mehr im Saal ist, sollte vielleicht in einer Rede heute nachmittag doch noch einmal zu dieser Verschiebung Stellung nehmen.Ich wollte Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren, daß konjunkturelle Entwicklung, wirtschaftliche Tätigkeit, Investitionen etwas zu tun haben mit dem Vertrauen der Menschen in die Führungskraft einer Regierung.
Nachdem unser verehrter Herr Bundeskanzler, der heute nicht hier ist, einen neuen Freund in den Vereinigten Staaten entdeckt hat, Ronald Reagan, sollte er sich vielleicht einmal — und vielleicht hat er das während seines Besuchs in Amerika getan — in Amerika vor Augen führen lassen, wieviel Vertrauen in die Führungskraft einer Regierung in einer Bevölkerung, in einem Lande, in einer Wirtschaft bewirken kann.
— Herr Matthöfer, ich bin nicht der Meinung, daßwir etwa Programme aus Amerika auf Deutschlandübertragen können. Davon redet kein Mensch. Abereines könnten Sie übertragen: Führungskraft einer Regierung. Und an der fehlt es.
Der Bundeskanzler, der Sie und viele so lange beflügelt und inspiriert hat, hat seine Überzeugungskraft und seine Fähigkeit zur Motivation weitgehend eingebüßt. Er ist nicht mehr der große internationale Ökonom,
der überall in der Welt Rezepte dafür verkündet, wie man mit Inflation, mit Leistungsbilanzdefiziten und ähnlichem fertig werden soll. Er ist ein bißchen in der Rolle eines bisher nur international tätigen Feuerwehrhauptmanns, der plötzlich zu Hause ratlos vor dem Dachstuhlbrand im eigenen Hause steht und nicht einmal weiß, wo er den Schlauch anbringen soll.
Ich will über den Zustand der diese Koalition tragenden Parteien keine allzu langen Ausführungen machen. Ich bin sicher, daß dazu morgen noch ausführlich Gelegenheit bestehen wird. Die Rücktritte von SPD-Politikern in Hamburg und Berlin, die Drohungen von Ministerpräsident Börner in Hessen, die Debatten, die wir hier im Deutschen Bundestag über unsere Sicherheitspolitik gehabt haben und die Rede von Hans-Dietrich Genscher und von Herrn Hoppe heute hier machen deutlich, daß sich die Sozialdemokratische Partei in einer Belastungsprobe befindet, die die Frage zu Recht aufkommen läßt, ob die Handlungsfähigkeit dieser Bundesregierung fern von allen ökonomischen Daten nicht inzwischen durch die Zerrissenheit der sie tragenden Parteien gelähmt ist.
Wir freuen uns natürlich auch, wenn der Bundesfinanzminister hier so marktwirtschaftlich agiert. Herr Matthöfer, wenn Sie z. B., der Sie j a nicht gerade zu den Erfindern der Sozialen Marktwirtschaft gehören,
— ich auch nicht, nein —Zuruf von der SPD: Dann lassen Sie doch
die Polemik hier! — Lachen bei der CDU/CSU)jetzt davon sprechen: „Unternehmer an die Front, ihr müßt jetzt investieren", stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Ich stelle auch gar nicht die Frage, ob bei Ihnen ein ordnungspolitisches Damaskus-Erlebnis stattgefunden hat, ob Sie plötzlich aus einem Saulus zu einem Paulus geworden sind. Ich finde, in der Frage sollten uns tausend Gerechte weniger lieb sein als ein reuiger Sünder. Die Rahmenbedingungen für Ihren Appell stimmen aber nicht, Herr Matthöfer.
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— Verehrter Herr Matthöfer, wir kennen Sie seit vielen Jahren, wir schätzen Sie seit vielen Jahren,
wir wissen um Ihre Wirtschaftspolitik. — Ich habe Herrn Matthöfer immer persönlich besonders geschätzt, obwohl ich mit seinen wirtschaftspolitischen Ansichten bisher niemals übereinstimmen konnte.
Aber das hindert doch nicht die persönliche Wertschätzung.Erlauben Sie mir, zum Schluß noch ein Wort darüber zu sagen, wie es eigentlich zu dieser ganzen Entwicklung gekommen ist. Wie kommt es eigentlich, daß die Sozialdemokratische Partei heute vor der Notwendigkeit steht, von einer Politik Abschied zu nehmen, die sie jahrzehntelang, zwölf Jahre lang, hier im Lande betrieben hat? Die Antwort kann man nur geben, wenn man auch die Frage nach den Ursachen stellt und wenn man vor allen Dingen zur Kenntnis nimmt, daß unsere Probleme fast zwangsläufig so und nicht anders entstehen mußten und entstanden sind.1969 erhielt der demokratische Sozialismus in der Bundesrepublik Deutschland zum erstenmal die Möglichkeit, sich auf der Grundlage eines sehr hohen materiellen Wohlstandes, einer leistungsfähigen Volkswirtschaft und solider Staatsfinanzen als die bessere, als die fortschrittlichere Idee zu beweisen. Sie haben zwölf Jahre lang Zeit gehabt, diese Chance zu nutzen. Willy Brandt schickte sich an, seiner Partei mit Visionen eine Zukunft zu malen, und Sie, Herr Kollege Wehner, haben damals erklärt, daß Sie bei dieser Gelegenheit in dieser Gesellschaft „tief pflügen" wollten. Ich weiß nicht, ob Ihnen bei diesem Versuch ein Pflug untergekommen ist oder ein größeres Räumgerät, auf jeden Fall beschäftigen uns die Folgen dieses tiefen Pflügens heute intensiv in dieser Debatte und haben Ihren Koalitionspartner FDP zu der finanzpolitischen Umkehr veranlaßt.
Die so erzeugte Aufbruchstimmung, die Sie bewirkt haben, hat sehr viel Irrationales in die deutsche Politik gebracht. Sie hat eine fast tragische Abkoppelung politischer Wunschvorstellungen von den harten Realitäten des Alltags gebracht. Im Grunde genommen haben Sie Politik nach dem Motto gemacht: Alles, was wünschbar ist, muß auch finanzierbar sein. Das Ergebnis diskutieren wir heute im Zusammenhang mit der Lesung des Haushalts 1981.
Herr Kollege Matthöfer, in zehn Jahren, von 1970 bis 1980, ist das Bruttosozialprodukt in Deutschland um 120 % gewachsen. In der gleichen Zeit sind die Staatseinnahmen um 154 % gewachsen, und in der gleichen Zeit sind die Staatsausgaben um 174 % gewachsen. Dies ist im Grunde genommen die Rech-nung, die zu den Ergebnissen führt, mit denen wir uns hier heute auseinandersetzen müssen.
Es war das Verdienst von zwei Finanzministern, die hier erwähnt worden sind, von Alex Möller und Karl Schiller, die am Beginn dieser Entwicklung resignierten, als sie merkten, daß sie den Kurs nicht mehr beeinflussen konnten. Diese Reformsucht, der Sie erlegen sind und die Sie heute, wie Hans-Dietrich Genscher es geäußert hat, korrigieren wollen, indem Sie den Wildwuchs beschneiden, unterlag der Illusion einer machbaren sozialen Gerechtigkeit, nämlich der Überlegung, das Sozialprodukt stünde gewissermaßen wie ein Geschenk des Himmels zur gefälligen Verfügung, während es doch in Wirklichkeit, wie Sie ganz genau wissen, in dieser Höhe und in dieser Struktur nur deshalb vorhanden ist, weil eine leistungsgerechte Verteilung der Einkommen zur richtigen Verwertung der Produktivkräfte führt. Dies ist eine Grunderkenntnis.
— Ja, Herr Kollege Spöri, das hat damit zu tun, daß es Leistungsbereitschaft der Menschen eben leider nur dann gibt, wenn derjenige, der mehr leistet, auch besser und höher belohnt wird als derjenige, der weniger leistet.
Durch die Ausweitung des Staatsanteils von 37 auf 47 % haben Sie eine Veränderung herbeigeführt, die Sie jetzt wieder mit Hilfe der FDP und zusammen mit uns korrigieren wollen. Der Staatskorridor, von Ihnen bewußt so breit angelegt, soll jetzt wieder auf ein vertretbares Maß reduziert werden. Das erinnert doch wirklich an die Äußerung des Nobelpreisträgers Hayek, der vor kurzem in einem Interview in der „Epoche" erklärt hat:Der Sozialismus ist nicht, wie noch die Intellektuellen der letzten Generation glaubten, wenigstens halb richtig, sondern er ist ganz falsch.
Die missionarische Verbissenheit, mit der Sie diese Politik durchgesetzt haben, zwingt uns, hier heute über Korrekturen, über Kursänderungen, über schmerzliche Eingriffe zu sprechen.Lassen Sie mich zu den schmerzlichen Eingriffen etwas sagen. Für uns in der CDU/CSU gibt es bei dieser Diskussion, die jetzt beginnen muß, die schon längst überfällig ist, keine Tabubereiche.
— Es gibt für uns keine Tabubereiche!
Aber es gibt selbstverständlich bei der Lösung dieser schwierigen Aufgabe das Gebot der sozialen Gerechtigkeit
und das Prinzip der Subsidiarität, an das wir wieder lebhaft erinnern müssen.
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2150 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
KiepWir werden auch nicht zulassen, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, bei dieser Gelegenheit unter dem Deckmantel von Zwängen zum Einsparen öffentlicher Mittel Ihre ideologischen Vorstellungen in der Familienpolitik durchsetzen.
Aber es gibt keinerlei Tabubereiche. Ich wiederhole dies in dieser Debatte noch einmal, damit Sie doch endlich einmal mit diesem Agieren auf Nebenkriegsschauplätzen aufhören.Meine Damen und Herren, ich hatte in meinen Ausführungen für Herrn Hoppe an sich eine besondere Seite vorgesehen. Wegen schlechter Abstimmung innerhalb der CDU/CSU hat leider mein Kollege Riedl schon einen großen Teil meiner Hoppe-Zitate verlesen, so daß ich darauf verzichten kann.
— Ja, es gibt noch mehr. Vielleicht kommen also noch mehr, Herr Hoppe.An dieser Stelle möchte ich aber doch noch einmal in allem Ernst an die besondere Verantwortung der FDP erinnern, die sie als an dieser Bundesregierung von SPD und FDP Mitwirkender hatte und hat. Herr Hoppe, Ihr jetziges Eingreifen ist nicht etwa ein Eingreifen, das Sie auf Grund einer Erkenntnis, die Sie plötzlich überkommen hat, vornehmen, sondern ist das Nachholen einer Maßnahme, die nach Ihren eigenen Worten eigentlich schon vor einigen Jahren hätte beginnen müssen.
Wir sind der Meinung, daß sich der Haushalt 1981, den wir zu verabschieden haben, im Grunde genommen schon angesichts der Gesamtlage als überholt erweist. Er spiegelt selbst in seinen erschreckenden Ziffern die finanzpolitische Wirklichkeit unseres Landes schon nicht mehr wider. Wir sind der Ansicht, daß nunmehr der Haushalt 1982 — wir hätten das lieber 1981 gesehen — zur wirklichen Bewährungsprobe wird, nicht nur zur Bewährungsprobe dieser Koalition, nicht nur als ein Test für ihre Fähigkeit, Macht zu erhalten, sondern als Test für die Fähigkeit unserer demokratischen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland, mit einer schwierigen Lage fertig zu werden, Vertrauen beim Bürger zu erhalten, der sich allenthalben von den Parteien — von allen Parteien — abzuwenden droht, Entscheidungsfreude zu beweisen, bereit zu sein, gefaßte Entschlüsse auch durchzuführen, Mut zu zeigen.Ich meine, meine Damen und Herren, bei allen Schwierigkeiten, die vor uns liegen, sind unsere Probleme zu bewältigen. Wir haben die Chance, wenn endlich nach vielen versäumten Jahren von dieser Regierung gehandelt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Grobecker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand wird sich hier wundern, wenn ich als Sozialdemokrat, Mitglied der Koalition, hier zunächst einmal auf Herrn Hoppe eingehe und ein paar Worte mit ihm wechsle. Es wird Sie nicht wundern, daß diese Rede für uns wichtiger war als die von Herrn Kiep.
Wenn ein Mitglied der Koalition eine sehr kritische Rede hält — was bei uns j a üblich und möglich ist —, werden Sie Verständnis haben, wenn ich dazu ein paar Worte sage.Ich will nur, Herr Hoppe, weil es zwischen uns auch persönlich — ganz abgesehen von der Koalition — selten Mißverständnisse gegeben hat, sagen: Es ist selbstverständlich jedem unbenommen, hier heute bei der zweiten Lesung des Haushalts 1981 auch über den Haushalt 1982 zu reden
und über die Zukunftsperspektiven, die nach der Verabschiedung auf uns zukommen. Selbstverständlich haben wir uns auch verabredet, in der Regierung wie auch im Haushaltsausschuß. Wir haben ja auch schon exakte Termine.Ich will nur, weil Sie so öffentlich klargestellt haben,
— dargestellt haben —, in welche Richtung Sie meinen, daß es gehen soll, für mich sagen: Bei dem, was Sie sich überlegen, was im Herbst passieren muß, was wir hier beschließen wollen, was wir gemeinsam erarbeiten wollen, lassen Sie mich von mir sagen, daß die soziale Sicherheit in diesem Lande wichtige Voraussetzung für die Prosperität dieses Landes ist und daß die soziale Sicherheit in diesem Lande mindestens den gleichen Rang hat wie die äußere Sicherheit.
Herr Hoppe, es klingt jetzt sehr persönlich, weil wir j a heute miteinander zu tun haben: Sie sind in einem Alter, in dem Sie anders als ich — ich muß das ja alles in den Geschichtsbüchern nachlesen — die Schrecken, das furchtbare Schicksal, das zu Beginn der 30er Jahre Arbeitslose erlitten haben, ja mindestens noch mitgekriegt haben. Ich will Ihnen sagen, was meine Auffassung ist: Hätten wir das von uns beiden, von den Freien Demokraten und den Sozialdemokraten, in den letzten zehn Jahren eng geknüpfte Netz der sozialen Sicherheit schon 1930 gehabt, dann wären uns die Nazis erspart geblieben.
Deshalb bitte ich Sie, bei den Überlegungen, die Sie anstellen, da wir ja das zusammenfügen müssen, was Sie überlegen und was wir überlegen, davon auszugehen, daß das Netz der sozialen Sicherheit für uns von größter Bedeutung ist — für Sie mit, ich weiß das.
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GrobeckerMeine Damen und Herren, nun zu Herrn Kiep.Herr Kiep, mit aller hanseatischen Bescheidenheit und Zurückhaltung will ich Ihnen sagen: So ein. selbstgerechtes Auftreten, was Sie hier produziert haben, hätte ich Ihnen nicht zugetraut.
Sehen Sie, ein bißchen mehr Blick und Anerkenntnis für die tatsächlichen und objektiven Tatbestände, die hier beim Haushalt 1981 zu beurteilen sind, wäre doch ganz vernünftig gewesen. Ich will doch nur nicht, daß das Bild, das ich von Ihnen habe, bei mir zerstört wird; denn ich habe Sie ja immer für einen ehrenhaften Hanseaten gehalten.
— Möglicherweise eine Illusion. Sehen Sie, wir werfen Ihnen ja auch nicht vor — wegen der objektiven Tatbestände —, auf welche Art und Weise Sie das Finanzministerium in Niedersachsen verlassen haben und welch einen Schuldenberg Sie hinterlassen haben.
Das geht weiter bei Ihrer Kritik an der globalen Minderausgabe.
Sehen Sie, wir können ja nicht nur als Finanzpolitiker, sondern ganz generell lange darüber debattieren, ob dieses Instrument eigentlich ein seriöses Instrument ist. Es gibt viele ehrenwerte Leute, auf deren Urteil ich großen Wert lege, z. B. Lothar Löffler. Er hat seit Jahren dagegen angekämpft, als Finanzpolitiker dieses Instrument überhaupt zu benutzen. Nur ist doch Tatsache, daß Sie — erstens — es auch benutzt haben und — zweitens — im Bundesrat, hier nebenan, 50 m weiter, in den letzten Jahren ständig gefordert haben, die globale Minderausgabe beim Bundeshaushalt zu erhöhen. Oder ist das etwa nicht so?
Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kiep zu?
Aber selbstverständlich.
Herr Kollege, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Nettokreditaufnahme oder die Nettoneuverschuldung des Landes Niedersachsen in den Jahren 1976 bis 1980, also in den vier Jahren und acht Monaten, in denen ich dort Finanzminister war, nie mehr den Höchststand erreicht hat, den Sie im Jahre 1975 unter meinem Vorgänger Kasimier erreicht hatten, sondern daß sie im Gegenteil kontinuierlich gesenkt worden ist — mit Ausnahme des Jahres 1979, in dem wir auf Grund des Steuerprogramms Mindereinnahmen von 400 Millionen Mark hatten?
Herr Kiep, ich nehme das selbstverständlich zur Kenntnis. Nur widerlegt das
nicht meine Feststellung, daß auch Sie natürlich Schulden hinterlassen haben.
Was ich Ihnen vorgeworfen habe, ist, daß Sie objektive Tatbestände nicht einkalkulieren, daß Sie ungerecht sind und mit objektiven Tatbeständen ungerecht umgehen. Wir haben Ihnen ja nicht vorgeworfen, daß auch Niedersachsen Schulden hat.
Herr Kollege Grobecker, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal zu?
Ja, selbstverständlich.
Herr Kollege Grobecker, würden Sie mir bestätigen, daß die Jahre 1976 bis 1980, in denen Herr Kiep Finanzminister in Niedersachsen war, genau die gleichen Jahre waren, in denen in Niedersachsen — anders als sonst in der ganzen Republik, in einer Höhe von Hunderten von Millionen D-Mark windfall profits in den dortigen Ölquellen angefallen sind?
Herr Westphal, das ist in Ordnung so. Es ist ja ganz nützlich, daß das durch diese Frage noch einmal bekanntgeworden ist. Nur wollte ich mit dem Herrn Kiep überhaupt nicht in Streit kommen, weil ich mir das günstige Bild erhalten wollte, das ich von ihm habe. Nur deshalb habe ich ihn gebeten, gewisse objektive Tatbestände, die wir haben, mitzuberücksichtigen.Zum Beispiel haben Sie kritisiert, daß bei Aufstellung des Haushalts die Mehrausgaben nicht erkennbar gewesen seien. Herr Kiep, wie gesagt: Nichts zwischen uns, weil das ja keinen Sinn hat! Sie kennen das so gut wie ich. Nur haben Sie es trotzdem hier so dargestellt, als sei es anders.Es gibt kein Haushaltsjahr, in dem nicht bei den großen Blöcken der gesetzlichen Ausgaben in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses Korrekturen vorgenommen worden sind, nach unten oder nach oben. Jetzt so zu tun, als seien die Kriegsopferversorgung oder das Mutterschaftsgeld im Dezember wissentlich falsch eingeschätzt worden, ist doch unsinnig, ist unseriös.
Ich habe kein Jahr erlebt — bei mir sind das erst zehn Jahre; Sie haben mit Unterbrechung auch schon soviel —, in dem diese großen Blöcke vor der Haushaltsverabschiedung nicht nachgebessert worden sind oder möglicherweise auch vermindert worden sind.
Im übrigen ignorieren Sie doch nicht, wenn der Herr Matthöfer vor Ihnen spricht und noch mal exakt und der Reihe nach deutlich macht, welchen Mechanismen er bei der Aufstellung des Haushalts unterworfen ist! Er macht dies hier klar, und fünf Minuten später reden Sie so, als sei das alles eine Schummelei gewesen, vom Dezember bis zum Juni.
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2152 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
GrobeckerDas ist doch nicht so. Das wissen Sie doch ganz genau.
Wir sind doch nicht planwirtschaftlich organisiert. Oder wollen Sie, daß wir Fünfjahrespläne bis zum fünften Jahr exakt auf die Stelle hinter dem Komma aufstellen? Nein, das wollen Sie doch auch nicht! Da haben Sie bei Herrn Matthöfer mit einem Mal entdeckt, daß auch er Marktwirtschaftler ist. Sie können uns doch nicht vorwerfen,
daß wir uns in den vier oder fünf Monaten, in denen der Haushalt im Ausschuß behandelt worden ist, an die Kautelen nicht gehalten haben, die notwendig sind, um den Haushalt aufzustellen.Herr Kiep, ich weiß nicht, weshalb Sie sich so gegen diesen internationalen Vergleich wehren und weshalb Sie ihn ignorieren.
— Doch, Sie haben das eben ausgeführt. Sie haben Herrn Matthöfer kritisiert, er sei bei seiner Darstellung auf den internationalen Vergleich ausgewichen. Sie können doch den internationalen Zusammenhang, in dem wir uns befinden, nicht ignorieren. Sie haben in der zweiten Hälfte Ihrer Rede sehr häufig bestimmte Vorgänge in den USA zitiert, die Rückwirkungen auf uns haben. Warum erwecken Sie hier und nach draußen den Eindruck, als könnten wir sozusagen abgekapselt tun, was wir für nötig und richtig halten?Nein, wir sind in einer internationalen Verflechtung. Diese läßt es zu, solche Vergleiche anzustellen, wie Herr Matthöfer dies getan hat. Bei diesem Vergleich kommen wir eben gut weg.
Wie gesagt, niemand wird daran gehindert, über den Haushalt 1982 und das, was da noch kommt, zu reden, Herr Kiep. Aber uns kann auch niemand daran hindern, über den Haushalt 1981 zu reden.
— Herr Präsident, wenn Sie dem Kollegen bitte sagen, daß ich meine Ausführungen zu Ende bringen möchte.
Das heißt, Sie möchten keine Zwischenfrage zulassen?
So ist es, Herr Präsident.Herr Kiep, wenn Sie den guten Ruf, den Sie als wahrheitstreuer und wahrheitsliebender Parlamentarier haben,
bewahren wollen, dann, finde ich, wäre es gut für Sie gewesen, wenn Sie nicht uns allein, sondern auch Ihren Wählern und Ihren Sympathisanten die Zusammenhänge und die Schwierigkeiten erklärt hätten, in die wir objektiv geraten sind, die wir doch nicht leugnen. 33,8 Milliarden DM neue Schulden sind kein Pappenstil. Die Höhe der Schulden ist nochnicht einmal das Maßgebliche, sondern die Zinsen. Wenn die Zinsen niedriger wären, wäre das noch erträglich. Kein Mensch von uns leugnet das. Kein Mensch von uns leugnet auch, daß wir in 1982 bestimmte Dinge machen müssen, die wir gründlich vorbereiten wollen. Aber ich finde schon, man müßte auch als Opposition die objektiven Tatbestände darstellen, damit keine Mißverständnisse auftauchen, als wäre das sozusagen ein Versagen des Finanzministers.
Sie wissen so gut wie ich, daß Ölpreissteigerung und Hochzinspolitik kumulierend entscheidend auf den wirtschaftlichen Ablauf und den Wirtschaftskreislauf einwirken und ihm Mittel entziehen, die notwendig wären, um neue Arbeitsplätze zu schaffen oder alte zu erhalten.Der zweite Punkt ist — das sage ich als Sozialdemokrat; das können Sie mit Sicherheit teilen —: Arbeit und Brot, also ein ausreichendes Realeinkommen, sind doch die Voraussetzungen dafür, daß Steuern und Beiträge gezahlt werden können. Wir befinden uns in der Situation, daß infolge Ölpreissteigerung und Hochzinspolitik Steuern und Beiträge nicht in der Höhe gezahlt werden können, weil es 1,1 Millionen Arbeitslose gibt. In dieser Zeit — auch das ist eine Binsenweisheit — müssen vorübergehend und für eine kurze Frist — selbstverständlich ersatzweise — Kredite seitens der öffentlichen Hände aufgenommen werden.Diesen Zusammenhang zu leugnen und hier so zu tun, als sei das eine ganz furchtbare Entwicklung — —
— Ja, die Steigerungsrate ist entscheidend. Ich will Ihnen an einem Beispiel demonstrieren, wie Sie das machen. Herr Matthöfer erklärt hier des langen und des breiten — mir zu lang —,
wie gefährlich kumulierend auf Dauer Auslandskredite sein können und müssen. Das erklärt er hier. Anschließend kommen Sie und sagen: Die Auslandskredite sind ganz schlimm; Herr Matthöfer, achten Sie mal darauf, daß Sie nicht soviel Auslandskredite aufnehmen!So kann man doch nicht miteinander debattieren. Wenn Sie nickend diese Zusammenhänge bejahen und bestätigen, die ich genannt habe, dann müßten wir uns doch einmal unterhalten, wie wir die 1,1 Millionen Arbeitslosen wegkriegen. Da warten wir auf Ihre Vorschläge, genauso wie wir auf Ihre Vorschläge zum Haushalt 1981 warten. Da war doch nichts.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2153
GrobeckerEs wäre doch ganz gut, wenn Sie hier erklären könnten, daß man den Ölpreissteigerungen entgehen kann oder daß man trotz der hohen Zinsen in den USA den Zinssatz geringer halten kann.
— Nein, was Sie hier erklärt haben, war kein Ratschlag, die Stabilität auf dem Arbeitsmarkt wiederherzustellen.
Lassen Sie mich noch einen anderen Punkt erwähnen, Herr Hoppe, im Zusammenhang mit Art. 115 des Grundgesetzes. Sie haben ja dargestellt, was es mit diesem Artikel auf sich hat und daß wir uns — angesichts der Überschreitung um ungefähr 2 Milliarden DM — was dieses Jahr angeht — an der Forderung des Art. 115 des Grundgesetzes vorbeistehlen dürfen, wonach die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten dürfen. Aber man muß auch deutlich erkennen — wir tun das jedenfalls, auch Sie —, daß 4,9 % Arbeitslosigkeit natürlich eine erhebliche Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist. Dabei handelt es sich, was den Grundgesetzartikel 115 angeht, nicht nur um eine Regierungsangelegenheit. Wir wissen j a, daß der Haushalt während seiner Behandlung ansteigen mußte. Daher gilt für das Parlament das gleiche wie für die Bundesregierung. Wenn wir hier erkennen und feststellen, daß 4,9 % Arbeitslosigkeit eine erhebliche Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist, dann, denke ich, wird Art. 115 des Grundgesetzes — jedenfalls in diesem Jahr — kein Problem mehr sein.Meine Damen und Herren, wir werden am Freitag mit großer Sicherheit diesen Haushalt verabschiedet haben.
Dazu bedarf es keiner prophetischen Gabe. In der Zeit bis zur Vorlage des nächsten Haushalts wird es sicherlich vielerlei Sommertheater geben. Ich sehe das voraus; auch dazu bedarf es keiner prophetischen Gabe. Nur, ich will der Opposition sagen, insbesondere deshalb, Herr Kiep, weil Sie gesagt haben, es gebe für Sie kein Tabu: Wer immer sich an diesem Sommertheater beteiligt — Sie und Ihre Leute sicherlich auch —, für uns wird es eine Meßlatte sein, ob Sie im September oder auch später mit der Vorlage des Zweiten Subventionsabbaugesetzes und des Haushalts 1982 ebenfalls hier Vorschläge unterbreiten, wie nach Ihrer Auffassung verfahren werden kann.
Dann werde ich auch in Zukunft sagen: Herr Kiep,mit Ihnen ist gut Wettbewerb, mit Ihnen ist gut streiten. — Aber wenn Sie diese Liste nicht vorlegen,dann werden Sie auf den Stand zurückfallen, auf dem Sie heute sind, nämlich: nichts Neues.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir fahren in der Aussprache über den Haushalt fort.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gärtner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider sind noch nicht alle Kollegen im Saal, mit denen man sich über ihre Reden unterhalten will, die sie heute morgen hier gehalten haben. Ich will es trotzdem versuchen.
— Ich sehe allerdings mit Entsetzen, daß sowohl die Bundesratsbank als auch die Bundesregierungsbank ebenfalls leer sind. Wahrscheinlich hat sich der Finanzminister mit seinen sehr langen Ausführungen hier am Rednerpult verabschieden zu können geglaubt.
Ich will den Kollegen von der Union, die sich heute morgen bei der Rede meines Kollegen Hoppe so fest und beifallsfreudig benommen haben, doch noch ein paar Wermutstropfen hineingeben.
— Es muß sein. Es ist wahrscheinlich von Ihnen aus nicht anders zu erwarten gewesen. Denn wir werden uns natürlich über das Thema unterhalten müssen, wenn es konkret wird. Dann genügt es eben nicht, nur zu klatschen, sondern dann muß man sogar auch die Hand heben.
Beim ersten Subventionsabbaugesetz haben Sie wirklich eine mutige Enthaltung hier im Plenum gezeigt. Sie haben im Wahlkampf die Subventionen abbauen wollen, alle Mischfinanzierungstatbestände im übrigen auch, Gemeinschaftsaufgaben — alles war schon dem Erdboden gleichgemacht. Herr Stoltenberg ist der große Vorreiter gewesen; er ist der erste gewesen, der bei der Aussprache zur Regierungserklärung hier zugegeben hat, daß ihm sein Kabinettskollege, der Landwirtschaftsminister, erklärt habe, das könne man so einfach nicht machen, weil dabei für Schleswig-Holstein eine ganze Menge darinliege.Herr Kiep, das ist natürlich auch ein Thema: Sie hatten sich heute die Freiheit genommen, sich sozusagen über die Machterhaltungsfrage der Koalition
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2154 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Gärtnerein bißchen auszulassen. Sie sprachen von dem Kitt. Ich will j a nicht ironisch sein, aber ich glaube, Sie wären manchmal ganz gern beteiligt, wenn das mit dem Kitten auf einer anderen Ebene zusammengebracht würde. Oder würden Sie das von vornherein ablehnen?
Aber ich würde es im Prinzip nicht für schlecht halten, daß eine Koalition auch dieses Mittel in den schwierigen Zeiten anwendet, die wir haben. Das bestreitet keiner, auch nicht der Kollege Grobecker, der noch nicht da ist. Er hat zwar den Kollegen Hoppe gemeint, als es um das Thema ging, wo man im nächsten Jahr und in den übernächsten Jahren einsparen muß.
Aber wer die Rede des Bundesfinanzministers verfolgt hat, weiß: Er hat klar und deutlich gesagt, daß es bei der Haushaltsaufstellung 1982 mit einfachen Einsparungen im Haushalt nicht mehr geht. Dies heißt im Klartext — ich sage einmal das, was Hoppe in seiner Art und der Finanzminister in seiner Art gesagt haben —: Natürlich ergibt sich hier auch für das Parlament eine Aufgabe. Dabei dürfen wir uns nicht selber den Weg verstellen. Wenn wir aus prinzipiellen Überlegungen philosophischer Art heraus das Thema des nächsten Haushaltes bewältigen wollen, wird es wohl nicht gehen.Herr Kollege Kiep, Sie hatten in Ihrer Replik auf die Frage nach der Verschuldung des Landes Niedersachsen nur einen Teil der Wahrheit gesagt. Es ist häufig so, daß man vielleicht in der Aufregung vergißt, was da sonst noch alles zur Finanzplanung des Landes Niedersachsen gehört. Sie müßten fairerweise dem Publikum auch sagen, daß das Land Niedersachsen bei den Bundesergänzungszuweisungen kräftig, sehr kräftig beteiligt ist. — Ich weiß, das haben Sie immer dankbar anerkannt. Niedersachsen hat 1978 404 Millionen DM bekommen, 1979 waren es 471 Millionen, 1980 waren es 504 Millionen, und jetzt sind es 548 Millionen. Jetzt sagen Sie, woher kommt das?
Es fehlt nocht etwas, Herr Kollege Kiep, in der Rechnung, und zwar das, was Sie windfall profits in Ihrem Land nennen.
— Ja, ich war der Meinung, daß Sie sich wie ich oder wie andere in diesem Hause mit der englischen Sprache deshalb beschäftigen, damit die anderen das nicht verstehen. Ich will Ihnen sagen, warum. Das Berggesetz ist ja mittlerweile geändert worden. Die Fähigkeiten, die Sie daraus nehmen, schöpfen Sie ganz gründlich ab. Ich habe j a auch nichts dage-gen. Nur bringen Sie das einmal in den horizontalen Länderfinanzausgleich ein!
Sie haben beispielsweise auch — —
— Ja, ausgleichspflichtige Länder: Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg.
— Nordrhein-Westfalen ist jetzt herausgekommen.
— Für die Liste von 1978/79 kann man das jedenfalls noch sagen. Zumindest von daher kann man solidarisches Verhalten aller Länder zueinander verstehen. Ich sage Ihnen: Gewöhnen Sie sich doch wirklich einmal daran, vielleicht auch in Niedersachsen das Thema ernsthaft zu überlegen, daß das, was in Niedersachsen außer der Reihe anfälllt, auch in den horizontalen Länderfinanzausgleich kommt.
Ich finde, das wäre richtig. Es kann doch nicht sein, daß alle Welt von Solidarität redet, aber dort, wo sie einem sozusagen an den eigenen Geldbeutel geht, macht man sie nicht mit.Ich meine, auch der Hinweis auf Brokdorf ist bei dem Thema nur die halbe Miete. Wenn Sie sagen: Brandt, Brokdorf, Schleswig-Holstein, kann ich sagen: Albrecht, Gorleben, Niedersachsen.
Das Thema Gorleben ist ja schließlich von Ihrem damaligen „Vorgesetzten" — ich sage das in Anführungszeichen — nicht aus energiepolitischen Gründen abgelehnt worden.
Ich finde, ein Ministerpräsident sollte im Verhältnis zu seinen Ministern immer primus inter pares sein, wie das auch wieder so schön auf deutsch heißt. Ich sage ihnen noch einmal: Auch Gorleben ist ein Thema gewesen, das Albrecht nicht aus energiepolitischen Gründen anders strukturiert hat, sondern, wie alle Welt erfahren konnte, aus politischen Gründen; er sagte nämlich, es wäre schwer zu vertreten.
— Na gut.
Dann haben Sie auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau angesprochen, das 6,3 Milliarden-Programm. Sie müßten das in Ihrer Rede korrigieren; Sie sprachen immer von 6,9 Milliarden. Sie haben dieses Programm kritisiert. Fragen Sie doch einmal
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GärtnerIhren früheren Kabinettskollegen Schnipkoweit — er sitzt im Aufsichtsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau —, ob er denn das Programm abgelehnt hat. Nach meinem Kenntnisstand hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau das Programm so akzeptiert.
— Okay, daß die Bundesbank in kritischen Fragen wie z. B. dieser eine andere Position hat, heißt ja nun nicht außerdem, daß die Bundesregierung oder der Bundestag sozusagen Befehlsempfänger der Bundesbank ist.{Roth [SPD]: Entscheidend ist, daß sie denKleinen hilft!)Die Diskussion muß und darf man meines Erachtens offen führen.
— Bei der Gesamtschilderung bitte ich wirklich herzlich darum, auch zu sehen, wem dieses Programm zugute kommen soll. Es ist ja nun wirklich nicht ein Programm, das allein auf Großindustrielle ausgelegt ist. Wenn man den Ausführunsbestimmungen der KW insoweit trauen darf — und ich tue das mal —, wird es natürlich auch ein Programm sein, das kleineren und mittleren Unternehmen an einer Stelle besonders hilft,
nämlich dort, wo ihre Belastung am allergrößten ist.
— Herr Kollege Jenninger, Sie fragen, ob wir das Geld haben. Stellen Sie diese Frage — das ist wirklich wahr — doch einmal dem Kollegen Strauß in Bayern! Der hat jetzt ein langes Fernschreiben — der Kollege Walther hat einen Teil davon zitiert — an den Haushaltsausschuß und an alle hochwohlgeborenen und hochmögenden Leute geschickt. Darin stand kein einziger Sparvorschlag; es enthielt überall nur die Klage, daß der Bund zuwenig Geld gibt. Die 48 Millionen DM, die beim Flughafenausbau in München-Riem fehlen, will er haben.
Er will auch etwas für den Rhein-Main-Donau-Kanal haben. Auch würde er natürlich gern die Gemeinschaftsaufgaben allüberall auf den alten Stand heben.
— Alles Investitionen, natürlich. Das ist wahr. Aber die Frage, die Herr Jenninger gestellt hat, ist doch zulässig: Wer soll sich denn dieses Geld zu welchenBedingungen, dazu noch in dieser Höhe, in diesem Jahr leisten können? Wir können das nicht.
— Herr Vogel, die Frage, wer hier pleite ist, wird sich in vier Jahren bei der nächsten Wahl deshalb stellen, — —
— Nein, auch da kann ich etwas zu Ihrer Beruhigung sagen: Sie werden — das haben Sie schon häufiger getan — die Handlungsfähigkeit dieser Koalition unterschätzen.
— Ich will das Stichwort „Wohnungsbau" deshalb aufgreifen, weil das im Hinblick auf das Geld auch so ein Thema ist, Herr Jenninger. Fragen Sie einmal Herrn Späth, wie er das Wohnungsbauprogramm finanzieren will! Das kostet ja einige Milliarden DM. Das kann doch wohl keiner vernünftigerweise hier in die Haushaltsdebatte einbringen. Von daher nehme ich Ihren Vorwurf nicht mehr so ernst.Wir haben uns heute morgen — und wir werden das in Zukunft noch stärker machen müssen — mit dem Thema beschäftigt, was man in diesem Lande finanzpolitisch noch machen kann und was nicht. Wir sagen das ehrlich, wir haben das auch vor der Wahl gesagt. Wir haben vor der Wahl den Leuten sogar „versprochen": Wer uns wählt, kriegt die Mineralölsteuer erhöht. Na gut, wir haben uns daran gehalten.
— Herr Friedmann, daß auch Sie das immer noch nicht nachrechnen können! Das eine war zum 1. Januar versprochen, das andere ist zum 1. April gekommen. Die Differenz können Sie ausrechnen. Wir haben uns zu diesem Thema nicht mißmutig hinbewegt und wir werden allen Unkenrufen zum Trotz auch beim Haushaltsentwurf 1982 sehen, daß wir das, was notwendig ist, auf den Weg bringen. Auch Hans-Günter Hoppe hat heute morgen klargemacht, daß wir uns an bestimmte, sozusagen als immer währender Besitzstand gewohnte Ausgabepositionen heranbegeben müssen. Wir müssen die Haushaltsstruktur verbessern. An dieser Stelle — ist eben die Fähigkeit dieser Koalition zu beweisen, ob sie das kann. Die Frage ist weniger, ob Sie von der Opposition her sozusagen hilfreiche Anregungen geben. Ich weiß zwar — der Kollege Ronneburger hat mir das gesagt —, daß der Kollege Stoltenberg in Kiel immer übertreibt. Er fragt, so heißt es, immer die Opposition dort, wie sie es bessermachen wolle. Wir lassen das jetzt hier einmal sein und sagen von unserer Sicht aus nur, daß wir das jedenfalls zusammen hinkriegen.Daß es im Bereich des Arbeitsförderungsgesetzes Tatbestände gibt, die in ihrer Wirkung nie gewollt waren, kann man an vielen Kleinigkeiten erkennen. Unlängst ist mir zugetragen worden, daß es möglich ist, selbst als pensionierter General seine Bewer-
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Gärtnerbungskosten über das Arbeitsförderungsgesetz auf Grund einer Kann-Bestimmung, nämlich der Anordnung über die Förderung der Arbeitsaufnahme, sich vom Arbeitsamt ersetzen zu lassen. Ich muß, wenn ich so was höre, sagen: Das ist schon ein schönes Stück.
— Es geht um Bewerbungskosten. Er hat, nachdem er seinen aktiven Dienst quittiert hatte, versucht, seinen Lebensabend in einer entsprechenden Form auszugestalten und die dabei entstehenden Bewerbungskosten natürlich über eine Kann-Vorschrift des Arbeitsförderungsgesetzes bei der Sozialkasse abzuholen.Das ist eine Kann-Vorschrift, die, wie ich höre, zum 1. Juli 1981 abgeschafft werden wird. Die Frage der Bedürftigkeit wird wieder im Vordergrund stehen.
Wenn es — und das meine ich ganz ernst — heißt: Gespart werden muß 1982, 1983, 1984, dann bedeutet das auch, daß es kaum eine Position gibt, die vor dieser „Sparwut" von einem Kollegen dieses Hauses geschützt werden kann. Da gilt auch das, was der Herr Finanzminister heute morgen zum Verteidigungsetat gesagt hat. Es kann nicht sein, daß die Bundesrepublik Deutschland sich in dieser Form als Musterknabe so bewegt, wie sie sich bewegt, und das auf Jahre hinaus. Man muß auch die Frage stellen, ob nicht das Verteidigungsministerium einfach ein bißchen weniger Geld brauchen muß, damit es endlich in der Lage ist, das wenige, das es hat, vernünftig auszugeben.
Wissen Sie, mich stört das ein bißchen. Ich lese da in einer Pressemitteilung des Bundesverteidigungsministeriums — nicht in einer sonstwie gearteten Pressemitteilung —, daß z. B. bei der Beschaffung des Waffensystems Roland — das ja bei der Presse schon einige Verwirrung gestiftet hat — ein Staatssekretär einfach einen Vertrag unterschrieben hat und der Verteidigungsminister persönlich nicht damit befaßt worden ist, daß aber der Bundeshaushalt 1982 möglicherweise damit befaßt wird, weil wir eine Absichtserklärung nicht einhalten können. Ich kann nur sagen: Das muß ein schlechtes Stück sein.Wenn der Generalinspekteur der Luftwaffe vor dem Tornado-Untersuchungsausschuß erklärt, an allem sei sowieso das Haushaltsrecht schuld, dann kann ich nur sagen: Die Deutsche Stiftung für Entwicklungshilfe in Berlin veranstaltet immer Seminare für Experten aus Ländern der Dritten Welt zur Einführung in das deutsche Haushaltsrecht. Da kann er als Ehrengast teilnehmen. Vielleicht schafft er das.
Ich sage Ihnen: Die Misere bei Tornado und alles,was sich im Verteidigungsbereich abgewickelt hatund noch abspielen wird, ist keine Frage des deut-schen Haushaltsrechts, sondern es geht um die Frage, ob man bei seinen finanzpolitischen und materialpolitischen Planungen die nötige Sorgfaltspflicht walten läßt. Es gilt, das in den Haushalt einzustellen, was zu finanzieren ist, statt irgend etwas nebulös in den Haushalt zu schreiben und sich so zu verhalten, wie man sich zu verhalten hat.
Herr Abgeordneter Gärtner, gestatten Sie ein Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl?
Von dem Kollegen Riedl gerne. Er will sich sicher für seine Rede von heute morgen entschuldigen.
Vielen Dank, Herr Kollege Gärtner. Herr Kollege Gärtner, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die Finanzprobleme im Bereich des Verteidigungsministeriums im allgemeinen und bei Tornado im besondern in erster Linie im Verantwortungsbereich des Bundesverteidigungsministers und nirgendwo anders liegen?
Es bestreitet ja niemand die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit bei Ausgabeansätzen, insbesondere beim Umgang mit Ausgabeansätzen. Deshalb ist es völlig klar, daß an der Stelle auch die Frage geprüft werden muß, wer eigentlich für die Beschaffung des Systems Roland zur Verantwortung zu ziehen ist.
Man muß j a auch mindestens die Frage prüfen, ob es nicht wenigstens Folgen haben darf, wenn jemand schon gegen die Bundeshaushaltsordnung verstößt.
In den Diskussionsbeiträgen heute morgen ist das Thema Finanzierbarkeit der öffentlichen Ausgaben, Einsparen und Subventionsabbau angesprochen worden. Es ist zum Ausdruck gebracht worden, daß jeder mitmachen will, wenn es um das Zweite Subventionsabbaugesetz geht. Ich bin gespannt, inwieweit das eine gemeinsame Aktion wird. Herr Kollege Haase hat laut heutiger Ausgabe der „Welt" gesagt — so habe ich das nach kurzem Überfliegen verstanden —, daß die Opposition diesmal richtig willens sei, beim Subventionsabbau mitzumachen. Vielleicht erleben wir hier dann ein Abstimmungsverhalten, das des Bundestages insoweit würdig ist, als er aus dem Subventionsbericht, der sehr dick ist, eine erheblich kleinere Ausgabe macht. Es wäre das erste Mal in der Buchwissenschaft, glaube ich, daß die Fortschreibung bzw. die Neuauflage eines Berichts kleiner statt dicker geworden ist. Soweit es geht, sollten wir versuchen, das gemeinsam zu erreichen.Im übrigen, Herr Kollege Kiep, sollten wir es unterlassen, hier immer diesen problematischen Satz
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Gärtnervom Staatsbankrott, von der Staatsverschuldung, die dem Staatsbankrott gleichkomme, zu verwenden.
— Ich wollte es Ihnen ja nur deshalb sagen, weil wir uns an einer anderen Stelle treffen müssen, an der Stelle nämlich, an der Sie heute morgen — genau wie der Kollege Riedl — die Privatinitiative, das „Mehr Geld in den Taschen der Bürger", so würde ich es einmal übersetzen, angesprochen haben. Da muß man natürlich auch konsequent bleiben: Man wird nicht auf der einen Seite Steuersenkungen durchführen und auf der anderen Seite die Ausgaben des Staates erhöhen und weniger Schulden machen können.
— Dem Kollegen Wörner, der heute nicht da ist. Ich kann mir vorstellen, was er morgen bei der Beratung des Einzelplans 14 noch an Wünschen für die Bundeswehr auf den Tisch legt. Nein, da muß man konsequent sein. Ich habe in der ersten Lesung schon einmal gesagt: Ich halte die Diskussion über die Steuerlastquote, also darüber, ob sie 23,5 %, 24,5 % oder wieviel Prozent auch immer beträgt, zunächst für vordergründig philosophisch. Denn das, was der Bürger an Abgaben an den Staat bezahlt, wirft nicht die Frage nach der Höhe, sondern in meinen Augen die Frage danach auf, ob die Ausgaben, die mit diesen Einnahmen bezahlt werden, plausibel sind.
Wenn der Staat die Einnahmen zu Ausgaben wider den Willen des Bürgers, so sage ich einmal, benutzen will, dann ist eine Steuerlastquote von 20 % in manchen Fällen schon zu hoch. Also ist das eine Frage der Plausibilität von Staatsausgaben. Ich meine daher, wir sollten die Diskussion über die Steuerlastquote etwas versachlichen.Was die einzelnen Haushaltspositionen angeht, so werden diese in den Einzelpianberatungen hier noch eine große Rolle spielen. So wird natürlich der Kollege Glos, wenn z. B. heute nachmittag der Einzelplan des Wirtschaftsministeriums beraten wird, noch ein paar Forderungen nachschieben.
Dabei wird er dann, wie heute morgen der Kollege Carstens, sagen: Wir haben auch Deckungsvorschläge für unsere Maßnahmen gemacht. Nur, das Konsolidierungsverfahren, Herr Kollege Carstens, geht j a nicht nach dem Motto: Ich spare 1 Milliarde DM dort ein und gebe sie an einer anderen Stelle wieder aus.
Das Einsparen muß abzüglich sein, d. h. es muß wirklich etwas dabei herauskommen.
— Nun, die Mittel für Umschichtungen stammen dann wahrscheinlich aus der Zonenrandförderung. Nein, umgekehrt war es, glaube ich: Sie wollten Mittel zugunsten der Zonenrandförderung umschichten. Aber Sie werden sich da wohl an den für die Frachthilfe vorgesehenen Mitteln versuchen. Im übrigen werden Sie wahrscheinlich den Haushaltsansatz für die Maxhütte nicht ablehnen. Sie werden das alles nicht ablehnen, genausowenig wie Sie die Restrukturierung an der Saar abgelehnt haben. Sie haben sich dort offenbar auch nur versehentlich der Stimme enthalten.
— Ja, man muß j a auch einmal mit seinen Kollegen Nachsicht haben, die in der Aufregung, da es um soviel Geld ging, offenbar gemeint haben: Wir sind gegen jede Ansatzerhöhung, aber an der Stelle nicht. Da kann man ja einmal durcheinanderkommen, das akzeptiere ich; von daher ist es aus der Welt.
Herr Abgeordneter Gärtner, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glos?
Ja, die letzte.
Herr Kollege Gärtner, da Sie auch sehr gute Beziehungen zum Saarländischen Rundfunk haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie so gut sind, dort klarzustellen, daß wir die Restrukturierung von Röchling/Burbach nicht abgelehnt haben.
Ich muß klar sagen: Die in Ihrer Frage vermuteten guten Beziehungen existieren nicht. Von daher kann ich das in dieser Hinsicht nicht so machen, wie Sie mir das anraten. Im übrigen muß ein Rundfunkredakteur selbst wissen, wen er anruft, mit wem er telefoniert und redet. Vielleicht hat er mit Ihnen, Herr Kollege Glos, auch nicht richtig geredet. Sonst hätten Sie zumindest in dem Rundfunkinterview die Möglichkeit gehabt, das Mißverständnis aus der Welt zu räumen.
Ich möchte noch etwas zu einem Punkt sagen — unter Beachtung dessen, was wir im Haushaltsausschuß innerhalb von vier Monaten geleistet haben und was jetzt als zu verabschiedender Entwurf hier im Plenum liegt —, der heute morgen in der Debatte etwas untergegangen ist. Ich will auf eine Ansatzerhöhung außerhalb des Ansatzes im Einzelplan 32 hinweisen. Ich weiß jetzt nicht, wieviel Kollegen wissen, was der Einzelplan 32 ist.
Es ist der Einzelplan Bundesschuld, unser Wachstumsfeld, wie ich immer ganz ironisch dazu sage. Es geht um die Frage der Ansatzerhöhung bei der Entwicklungshilfe. In dieser Woche und in dieser Debatte sollten wir uns zu diesem Ansatz bekennen
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Gärtnerund ihn gemeinsam tragen. Das ist wichtig in einer Zeit, wo beispielsweise in anderen Ländern darüber nachgedacht wird, wie man Ausgaben für die Entwicklungshilfe kürzt, wo man diese Hilfe zurückfährt und damit eine, wie ich finde, sehr nationalegoistische Politik betreibt.
— Das ist, wie ich gehört habe, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
— Ja, auch dazu kann ich Ihnen ganz offen sagen: Die Entwicklungshilfe der östlichen Staaten könnte man — —
— Nein, ich nehme Herrn Friedmann nicht in all seinen Äußerungen so ernst, so wie Sie, Herr Roth. Aber an der Stelle will ich, damit es klar ist, sagen: Die Entwicklungshilfe der östlichen Staaten mit Waffen und ähnlichem ist nicht in meinem Sinne. Ich meine, diese Welt täte besser daran, insgesamt friedliche Entwicklungshilfe zu geben.
Deshalb meine ich, daß gerade in einer Zeit, wo verschiedene Staaten dieser Welt versuchen, ihre nationalen Probleme zu Lasten derer zu lösen, denen es noch sehr viel schlechtergeht — wenn man bei uns von „schlechtgehen" überhaupt reden darf —, etwas zu tun ist. Daher ist es unsere Aufgabe, bei diesem Einzelplan als Parlament zu zeigen, daß wir in der Lage sind, Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik nicht nur durch Beantwortung der Frage zu definieren, wieviel Prozent die Steigerungsrate des Verteidigungshaushalts beträgt.
Vielmehr müssen wir an dieser Stelle das tun, was mit dazu führt, daß es auf dieser Welt weniger Konflikte gibt. Konflikte auf dieser Welt existieren nicht nur deshalb, weil jemand seinen Nachbarn nicht mehr mag und aus Jux und Dollerei mit Waffen und ähnlichem über die Grenze marschiert. In diesem Fall sind ökonomische Probleme das auslösende Moment.Deshalb sollten wir uns diesmal vielleicht gemeinsam dazu durchringen, den Einzelplan 23 in der Abschlußberatung so zu bestätigen, wie er ist. Herr Kollege Schröder hat das in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" fast schon im Vorgriff so dargestellt. Wir wären dankbar, wenn Sie Ihren Kollegen in diesem Fall nicht im Regen stehenließen.
Ich komme zum Schluß. Wir Haushälter — da gibt es keinen Unterschied zwischen Koalition und Opposition — haben alle zusammen einen schwierigen Beratungsverlauf gehabt. Wir waren häufig an der Grenze dessen, was man einem Parlamentarier, ganz vorsichtig gesagt, zumuten kann. Aber ich meine, daß das alles für diejenigen, die daran beteiligt waren, ein Lernerlebnis war, sowohl für die aktiv als auch für die passiv Beteiligten. Wir haben gelernt,daß man die nächsten Haushalte nicht mehr auf diese Art und Weise einreichen sollte und auch nicht so beraten darf. An der Stelle muß klar sein, daß das Parlament nicht Vollzugsorgan ist.
Wir tun in einigen Teilen ja schon unser Bestes, damit dieser Eindruck nicht entsteht.Es muß klar sein: Der Haushaltsentwurf 1982 muß ein Entwurf sein, den wir von der Koalition gemeinsam — hören Sie einmal ein Stück weg — in einer Form einbringen werden, die es ermöglicht, daß wir den Haushalt 1982 nicht mit Bauchschmerzen, nicht mit Grimmen im Magen, nicht mit knirschenden Zähnen bewilligen müssen. Vielmehr muß er so weit in Ordnung sein, daß wir dem Jahr 1982 das geben können, was finanzpolitisch notwendig ist und was unsere Bürger brauchen, was die Gesellschaft braucht. — Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Carstens .
— Herr Abgeordneter Walther, ich verleugne auch auf diesem Posten nicht, daß ich ein Süddeutscher, ein Bayer bin.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es Ihnen für die Zukunft zu erleichtern und auch allen Kollegen zu sagen, wie der Name ausgesprochen wird, möchte ich sagen, daß es heißt: Carstens .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundeshaushalt 1981 offenbart das ganze Ausmaß, in dem unsere wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen erschüttert sind und unsere sozialen Errungenschaften gefährdet werden. Das wurde deutlich durch die Reden meiner Kollegen Kiep und Riedl, aber auch durch die Ausführungen des Kollegen Hoppe. Ich war sehr darüber verwundert, daß Herr Kollege Gärtner von der FDP in diese Thematik eben nicht mehr eingestiegen ist. Das scheint mir sehr interessant zu sein. Ich hoffe, Herr Kollege Hoppe, daß Sie in Ihrer Fraktion nicht ganz alleinstehen, sondern dort noch Rückendeckung in Anspruch nehmen können.Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist jedoch kein unvermeidbarer Schicksalsschlag; er ist das Ergebnis jahrelanger Fehler und Versäumnisse dieser Bundesregierung.
Davor haben mit uns viele Vernünftige und Einsichtige rechtzeitig gewarnt. Dafür sind wir in den letzten Jahren beschimpft und zum Teil verhöhnt worden. Ich möchte einmal ganz deutlich sagen, daß noch vor kurzem, am 19. Mai, der Herr Bundeskanzler glaubte, sich wiederum über die sogenannten Schwarzmaler in unserem Lande beklagen zu müs-
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Carstens
sen. Die Stimmung in Amerika sei grundsätzlich besser als bei uns, meinte er. Dort sei die Schwarzmalerei überwunden. — Ja, meine Damen und Herren, wen wundert's? Das ist doch nur zu verständlich, wenn die Stimmung zur Zeit in Amerika besser ist. Dort hat der Regierungswechsel mittlerweile doch schon stattgefunden.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle kurz auf die Zwischenfrage eingehen, die der Kollege Walther eben bei der Rede des Kollegen Kiep gestellt hat. Er hat die Frage gestellt, wie wir gegen die globale Minderausgabe sein könnten, und zwar angesichts dessen, daß wir uns noch im letzten Jahr in der Lage gesehen hätten, eine Erhöhung der globalen Minderausgabe vorzusehen.Herr Kollege Walther, ich unterstelle, daß Sie genau um die Problematik wissen, um die es hier geht.
Wir haben im letzten Jahr während der abschließenden Haushaltsberatungen in mehreren Einzelfällen Kürzungsanträge gestellt, die von Ihnen abgelehnt wurden.
Wir hatten z. B. beim EG-Ansatz noch Reserven gesehen — um nur einmal ein Beispiel zu nennen. Nachdem diese Einzelanträge abgelehnt worden waren, sahen wir die einzige Möglichkeit, doch noch zu Einsparungen zu kommen, darin, einen Antrag auf Erhöhung der globalen Minderausgabe zu stellen. Sie haben dann diesen unseren Antrag abgelehnt.Im Anschluß daran — nur wenige Wochen später — wurde vom Finanzminister der Nachtragshaushalt eingereicht. Zur Deckung des Nachtragshaushalts hatte der Finanzminister vorgesehen, einen Anteil von 300 Millionen DM über die globale Minderausgabe zu decken, die Sie vorher bei uns abgelehnt hatten.Von daher darf ich nur sagen: Wir haben logisch und konsequent gehandelt, was man von Ihrem Verhalten nicht sagen kann, Herr Kollege Walther.
Darüber hinaus scheint sich — das muß ich, wie ich meine, auch ansprechen — etwas zwischen SPD und FDP anzubahnen, was interessant sein könnte. Den Disput Grobecker/Hoppe haben wir hier vermerken können. Diese Auseinandersetzung scheint sich auf höherer Ebene weiter fortzusetzen; denn wir haben zur Kenntnis nehmen können, daß die FDP gestern mitteilen ließ, daß der Haushaltsentwurf 1982 im Kabinett im Juli verabschiedet werden solle, wohingegen die SPD heute mitteilt, daß das frühestens im September — frühestens, also vielleicht sogar im Herbst — der Fall sein würde. Ich bin gespannt, wie diese Auseinandersetzung weitergeht.Wir von der Union werden wegen der Bedeutung für die zukünftigen finanzpolitischen Planungen über einen Entschließungsantrag fordern, daß in der ersten Septemberwoche, spätestens aber im Laufedes September, die Möglichkeit gegeben wird, den Bundeshaushalt 1982 in erster Lesung im Deutschen Bundestag zu beraten.
— Herr Wehner, daß Sie das Wort „heroisch" in den Mund nehmen!
Meine Damen und Herren, ich darf nun zum Haushalt zurückkommen. Wir haben miterleben müssen, wie Sie über Jahre eine falsche Politik gemacht haben. Der Haushalt 1981 stellt eine Zusammenwürfelung der Versäumnisse und Fehler Ihrerseits der letzten Jahre dar. An sich vertreten Sie mit Ihrer Politik eine Position, die Sie schon vor zehn oder zwölf Jahren grundsätzlich für richtig gehalten haben. Sie sind damals angetreten, um die vermeintliche sogenannte öffentliche Armut zu beseitigen. Damals hatten wir eine Staatsquote von 37 %.
Sie haben sie nun auf 48 % getrieben — mit all den nachteiligen Folgen, die damit in Verbindung stehen.Man kann es sich nicht so leicht machen, wie es sich der Kollege Gärtner eben gemacht hat; denn durch diese zu hohe Staatsquote, über die den Privatinitiativen die Grundlagen entzogen werden, ist es erst zur schlechten wirtschaftlichen Lage, zur Arbeitslosigkeit und zu Ihrer Schuldenpolitik gekommen, meine Damen und Herren.
Sie von der SPD und der FDP müssen sich nun entscheiden, ob Sie im Rahmen des Systems zur wirtschaftspolitischen Vernunft zurückkehren wollen oder ob Sie Ihre unverantwortliche Politik bis zur bitteren Neige fortführen wollen.Das solide finanzielle Fundament des Staates, das die SPD 1970 mit Unterstützung der FDP von uns übernehmen konnte, ist zerstört. Heute ist die Regierung mit ihrem Latein am Ende.
— Jawohl, Herr Kollege Walther, die Regierung ist mit ihrem Latein am Ende. Weil nichts mehr da ist, versteht die Führung die Basis nicht mehr, trägt die Basis die Führung nicht mehr. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Der Vertrauensschwund wird gerade bei Ihnen zur Epidemie. Man versteht die Welt nicht mehr. Der Parteivorsitzende der SPD, Herr Brandt, spricht von Bankrotterklärungen ganzer Volkswirtschaften, er, der wohl weiß, daß kein anderes Land als die Bundesrepublik Deutschland unter Führung seiner Partei im Schuldenmachen in der Welt an der Spitze liegt.
Mit dieser Politik haben Sie nun unser Land in eine schwere Krise geführt. Da können Sie nicht auf außenwirtschaftliche Bedingungen ausweichen, die
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sich verändert haben. Selbstverständlich haben sich diese in den letzten Jahren verändert.
Alle Experten sind sich aber darin einig, daß der Hauptanteil dieser Krise hausgemacht ist, und das ist Ihr Verschulden, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP.
Wir befinden uns nun in einer Situation, in der wegen einer starken Schrumpfungsphase der Wirtschaft weite Teile der Bevölkerung erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen.Ich möchte jetzt einmal kurz auf das eingehen, was der Kollege Grobecker in seinem Disput mit dem Kollegen Hoppe angesprochen hat. Von den Einbußen sind nicht zuletzt schon jetzt vor allem die Arbeitnehmer betroffen. Bei 4- bis 5 %igen Lohnerhöhungen, bei 5 bis 6 % Inflation, bei steigenden Steuern und Sozialabgaben bedeutet das für zig Millionen deutscher Arbeitnehmer real und in Wirklichkeit ein kräftiges Minus in ihren Haushaltskassen. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, in dem Öl und Gas und viele andere Dinge mehr sich erheblich verteuern, wo Sie von der Bundesregierung die Branntweinsteuer anheben, die Mineralölsteuer, wo Sie daran denken, die Gebühren bei Post und Bahn zu erhöhen.
Denken Sie nicht zuletzt auch an die Kreditverteuerung, an die hohen Zinssätze. Was bedeutet es denn für einen Arbeitnehmer, wenn die Zinssätze so immens erhöht werden, daß er 13, 14, 15 % zu zahlen hat?
Herr Abgeordneter Carstens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Roth?
Ich möchte dies gerne zu Ende führen.
Aber Sie gestatten generell eine Zwischenfrage?
Ja, gerne, selbstverständlich!
Sie kommen sofort dran.
Das bedeutet für so manchen Arbeitnehmer, daß seine Belastungen weiter ansteigen. Viele Arbeitnehmer sind auch gar nicht mehr in der Lage, ihre Häuser, die sie zum Teil in Eigenleistung erbaut haben, noch zu halten. Diese Häuser sind vor fünf, sechs Jahren gebaut und zu Zinssätzen von 6, 7, 8 % finanziert worden. Heute, wo 13, 14, 15 % zu zahlen sind, steigen die Abtrags- und Tilgungsraten auf 1 300 oder 1 400 DM im Monat. Es gibt viele, die im Monat nicht viel mehr verdienen als das, was sie nun für ihr Haus abzuzahlen haben. Sie haben diese Zinstreiberei zu vertreten, nicht die Bundesbank. Der blieb überhaupt nichts anderes übrig, um vom deutschen Volke noch Schlimmeres ab-
zuhalten. Und dann reden Sie, Herr Kollege Grobekker, davon, daß Sie nicht zulassen würden, daß das soziale Netz eingeschnitten wird.
Bitte schön, Herr Kollege Roth.
Herr Carstens, ist Ihnen bekannt und können Sie das bestätigen, daß in den Jahres des „wirtschaftlichen Zusammenbruchs", den Sie jetzt gerade schildern, die deutschen Arbeitnehmer mit ihren verfügbaren Einkommen die Einkommen der Arbeitnehmer in Amerika, dem reichsten Land der Erde, überholt haben?
Herr Kollege Roth, wenn wir hier über die wirtschaftlichen Aussichten und über den heutigen Stand der Wirtschaft sprechen, dann ist es ungeheuer wichtig, vor allem zu besprechen, was die Politik, die zur Zeit betrieben wird, für die Zukunft bewirkt. Wir haben in Deutschland in den ersten 20, 25 Jahren nach dem Kriege eine unwahrscheinlich gute Entwicklung gehabt. Das haben sie einige Jahre fortsetzen können. Aber dann ist eben Ihre Politik in die Richtung gegangen, daß die gute Entwicklung nicht fortgesetzt werden konnte.
Das Realeinkommen der deutschen Arbeiter nimmt in diesem Jahr ab.
Wenn Sie das noch ein, zwei Jahre so Weiterbetreiben, wird das Realeinkommen der Arbeitnehmer weiter abnehmen, und zwar nicht nur um real 1 oder 2 %, sondern um 3 oder 4 oder — in einzelnen Familien deutscher Arbeitnehmer — vielleicht sogar 5 %.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?
Ich möchte jetzt fortfahren.
Sonst muß ich befürchten, daß die Kollegen von SPD und FDP und von der CDU/CSU ungeduldig werden; denn sie möchten j a auch noch zu Wort kommen.Meine Damen und Herren von der Koalitionsseite, was ich Ihnen vorwerfe, ist, daß Sie nun, da die Wirtschaft sich in einem Schrumpfungsprozeß befindet und real Abschläge hingenommen werden müssen, Ihrerseits auch noch gezwungen sein werden, in das soziale Netz hineinzuschneiden. Sie hätten vor einigen Jahren eine vorsichtigere Politik machen müssen. Sie hätten nicht so hohe Ausgabenzuwächse zulassen dürfen. Sie hätten die Konsolidierung betreiben müssen; dann wäre das alles jetzt nicht nötig gewesen. Sie haben jedoch nicht auf uns gehört, sondern mit Ihrer falschen Politik weitergemacht — zum Schaden des deutschen Volkes.
Nun hat die Bundesregierung eine falsche Politik gemacht, aber Sie bemühen sich, das nicht einzuge-
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stehen. Über Haushaltsdefizite und Schulden wollte der Minister mit der Arbeitslosigkeit fertig werden. Trotz der hohen jährlichen Schuldenaufnahme wurde kein fühlbarer Rückgang der Arbeitslosigkeit erreicht, denn viel zu lange hat diese Regierung die Bedeutung der strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt verkannt. Statt eine zeitgemäße angebotsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betreiben,
hat sie noch über Jahre hinweg mit alten Keynesschen Ladenhütern sinnlose und teure Nachfragestimulierung betrieben.
Das ist es doch, was der Finanzminister seit Jahren betrieben hat, und er hat uns dann im Gegenzug vorgeworfen, wir wollten Brüningsche Deflationspolitik betreiben,
so nach dem Motto: Ihr könnt euch aussuchen, ob ihr Pest oder Cholera wollt, Massenarbeitslosigkeit oder Massenverschuldung. — Herr Minister, das ist eine Politik, die man nicht vertreten kann!
Das ist eine demagogische Auseinandersetzung mit dem deutschen Parlament.
Wir haben Ihnen gesagt, daß das der falsche Weg ist. Wir wollen eine angebotsorientierte Politik machen,
die die Rahmenbedingungen und die Ertragsbedingungen für unternehmerische Investitionen, für private Initiativen, für Wachstum und Arbeitsplätze verbessert. Das ist unsere Politik! Damit haben wir in Deutschland 20, 25 Jahre Erfolg gehabt. Das deutsche Volk hat Geist, kann arbeiten und will arbeiten. Wenn diese Politik gemacht würde, könnten wir auch in den nächsten 10 oder 20 Jahren Erfolg haben— nicht aber mit Ihrer Politik, Herr Minister.
Diese Politik ständig steigender Schulden hat dazu geführt, daß die Schuldensumme ein Ausmaß erreicht, das der Bürger im großen und ganzen gar nicht mehr übersehen kann. Minister Matthöfer hat— so ähnlich, wie der Bundeskanzler auch schon einmal falsch gelegen hat — nach dem Motto gehandelt: Lieber 25 Milliarden Schulden pro Jahr als 1 Million Arbeitslose. — Nun hat er beides zusammen in Rekordhöhe.Herr Minister Matthöfer, Sie sind nur noch schwerlich in der Lage, das Geld, das Sie benötigen, auf dem Kapitalmarkt aufzutreiben. Die Zinsen klettern rapide in die Höhe. Im letzten Jahr konnte man noch mit weniger als 10% Staatsschulden finanzieren. Heute müssen mindestens 13 % aufgewendet werden.
Ja, selbst bei 13% oder in der Nähe von 13% sind Sie nicht immer in der Lage, Ihre Anleihen auf dem deutschen Markt unterzubringen. Man scheint kein Vertrauen mehr zu Ihrer Politik zu haben, man traut Ihnen anscheinend die Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht mehr zu. Bei der Anleihe der Deutschen Bundesbahn ist das sehr deutlich geworden. Es war das erste Mal überhaupt seit Kriegsende, daß eine öffentliche Anleihe der Bahn oder einer sonstigen Institution des Bundes nicht untergebracht werden konnte.Das setzt sich nun anscheinend im Ausland fort. Die D-Mark galt noch bis vor kurzem als die stabilste Währung der Welt.
— Ich verstehe es, wenn Sie nervös werden, Herr Roth; aber die Abwertung gegenüber dem Dollar ist so stark, daß sie in den letzten Monaten 30 % und mehr ausgemacht hat, und darin drückt sich der Verlust des Vertrauens gegenüber der Deutschen Mark aus.
Wir haben von der Bundesschuldenverwaltung eine Aufstellung bekommen, in der die Schulden in Einzelheiten spezifiziert sind. Hier mußte schon in Computerschrift dargelegt werden, wie sich die Schulden zusammensetzen; ansonsten wäre es ein riesiges Buch geworden. Wenn nun in dieser Situation die Mitteilung erfolgt, ob berechtigterweise oder nicht — das kann ich nicht beurteilen —, daß die Saudis offensichtlich nicht mehr bereit sein sollen, uns weiterhin Kredite zu geben, dann ist daran verwunderlich nicht, daß solche Gerüchte einmal entstehen, sondern es ist die Art und Weise, wie man darauf reagiert. Allein die Ankündigung verursacht bei der Bundesregierung Schrecken und Sorge. Denn was sollte mit den Staatsfinanzen und ihrer Finanzierung passieren, wenn die Saudis tatsächlich einmal sagen würden: Wir sind nicht mehr bereit, die Kredite zur Verfügung zu stellen.
Dann würde die Finanzierung des Bundes wahrscheinlich in wenigen Monaten zusammenbrechen, es sei denn, Sie wollten auf den amerikanischen Markt gehen, um dort Kredite zu 20 und mehr Prozent Zinsen aufzunehmen. Das wäre für eine Übergangszeit wahrscheinlich die einzige Alternative.
Noch vor wenigen Jahren waren wir die Helfer in der Welt. Wenn ein Staat Sorgen und Probleme hatte, konnten wir meistens helfen, wenn es eben vertreten werden konnte. Nun sind Sie so weit, daß Sie um Hilfe rufen müssen und in Sorgen und Schrekken verfallen, wenn nur das Gerücht entsteht, daß
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man Ihnen bei der Finanzierung nicht weiterhelfen will.
Ich will noch sagen, daß die Finanzierung durch Schulden nun auch die Grenzen des Art. 115 des Grundgesetzes überschreitet. Die Kollegen Kiep und Riedl haben dieses Thema schon angesprochen und die Aussagen gemacht, die hierzu zu machen sind. Wir werden den Haushaltsentwurf 1982 genau untersuchen, um festzustellen, ob Sie dort den Ansprüchen des Art. 115 des Grundgesetzes genügen. Meines Erachtens dürfte eindeutig feststehen, daß die im Etat des Jahres 1981 beabsichtigten Kreditaufnahmen nicht durch die Ausnahmevorschrift des Art. 115 gerechtfertigt werden können; denn sie dienen nicht der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, sondern vermehren die Störung nach übereinstimmender Ansicht der Bundesbank und vieler Experten in unserem Lande.Sie müssen, wenn Sie die Finanzen des Bundes sanieren wollen, eine andere Politik machen. Wir als Opposition haben uns in den letzten Jahren immer wieder verantwortungsbewußt verhalten. Herr Kollege Walther, Sie haben das Thema soeben angesprochen. Auch in diesem Jahr haben wir als Opposition keine ausgabenwirksamen Anträge gestellt. Was wollen Sie von uns noch mehr erwarten? Wir haben das sogenannte Subventionsabbaugesetz passieren lassen und nicht dagegen gestimmt. Noch vor der Bundestagswahl haben wir Gesetzentwürfe aufgehalten, die für den Bundeshaushalt sehr teuer geworden wären. Der Finanzminister hätte das tun müssen; aber er hat geschwiegen und diese Aufgabe nicht übernommen. Wir können Ihnen nicht mehr anbieten, um Ihnen zu zeigen, wie ernst wir es mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen meinen. Sie haben die Verantwortung für die Finanzen, Sie allein von der Bundesregierung, Herr Minister Matthöfer, haben das Haushaltsinitiativrecht, und Sie müssen dem Parlament Ihre Vorschläge unterbreiten.SPD und FDP stehen nun vor der Entscheidung, ob sie den Bürgern reinen Wein einschenken. Sie müssen mit ihrer wehleidigen Doppelzüngigkeit aufhören.
Sie können nicht den Haushalt konsolidieren und jedes Jahr ein neues Rekorddefizit ausweisen. Sie können nicht ständig höhere Schulden machen und gleichzeitig niedrigere Zinsen verlangen, Sie können nicht für und gegen den Doppelbeschluß der NATO sein, Sie können nicht für und gegen den Ausbau der Kernenergie sein, Sie können nicht ständig mehr verteilen wollen, als Sie einnehmen, und Sie können nicht ständig den Eindruck erwecken, als kämpften Sie aus Verantwortung um die Lösung schwieriger Probleme, an deren Bewältigung Sie selbst nicht glauben.Ich darf abschließend sagen, was der Kanzler zum Ausdruck gebracht hat, als er von Amerika zurückkam. Was hatte er doch über den US-Präsidenten zu sagen, was hatte er darüber zu berichten? Er sagte, als er in Deutschland ankam: Ich mag diesen Mann.Er sagte es voller Bewunderung. Was sonst ist es, was an dieser Persönlichkeit Reagan fasziniert, als der Mut zu Entscheidungen, die Klarheit des wirtschaftlichen Konzepts, die persönliche Aufrichtigkeit; Tugenden also, die sich auch wirtschaftspolitisch auswirken, unserer Bundesregierung offensichtlich aber fehlen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hackel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in den letzten Jahren wieder guter Brauch geworden, daß bei den verbundenen Beratungen der Einzelpläne 08, 32 und 60 auch über Berlin gesprochen wird. In diesem Jahr stand und steht die Stadt besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Wir in Berlin sind eigentlich nicht immer ganz glücklich darüber gewesen, wie diese öffentliche Debatte verlaufen ist. Aber bei all diesen Diskussionen und Analysen ist deutlich geworden, daß Berlin in seiner exponierten Lage eben nicht eine normale Stadt wie jede andere in Deutschland oder jede andere in Europa ist. Wer der Bevölkerung Berlins, wer der Bevölkerung in anderen Teilen der Bundesrepublik und, meine Damen und Herren, in ganz Deutschland bezüglich Berlins eine Normalität einzureden sucht, macht die Insellage, macht die Mauer, macht die ständigen Anti-Berlin-Kampagnen des Ostblocks zur selbstverständlichen, zur unabänderlichen Sache. Er macht das Abnorme zur Normalität, und das schadet dieser Stadt.
Aber Berlin ist für das Selbstverständnis aller Deutschen nach wie vor von Bedeutung. Die Mehrzahl der Berliner weiß um die Bedeutung ihrer Stadt, weiß aber auch um die Verpflichtungen, die aus dieser Bedeutung erwachsen. In diese Verpflichtungen eingebunden ist das Bewußtsein, daß erstens die Bundeshilfe für Berlin in der veranschlagten Höhe von 9,7 Milliarden DM, die Zuweisungen und Zuschüsse sowie Leistungen zur Erleichterung des Berlin-Verkehrs eine finanzielle Last sind, die überwiegend vom Steuerzahler des übrigen Bundesgebietes getragen wird. Dafür sind die Berliner wirklich dankbar. Eingebunden in diese Verpflichtung ist aber auch das Bewußtsein, daß zweitens mit Steuergeldern — auch mit dem Bundeszuschuß zum Berliner Haushalt — sehr sparsam und verantwortlich umgegangen werden muß. Wer offenkundig schludrig damit wirtschaftet, wer offenkundig eine Finanzpolitik der leichten Hand betreibt, bekommt die Quittung von der Berliner Bevölkerung, wie es die Wahl am 10. Mai dieses Jahres recht drastisch dokumentiert hat.Die Steierung der Bundeshilfe für Berlin beträgt 1981 etwa 5,9 %. Das ist eine stolze Zuwachsrate; dennoch ist das nicht überproportional, ganz im Gegenteil. Diese 5,9 % sind die geringste Steigerung, die Berlin seit 1970 vom Bund zugestanden bekommen hat. Diese 5,9 % sind weit weniger als das, was die
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Dr. HackelAusgabensteigerung des Bundes ausmacht, die bekanntlich 7,2 % beträgt. Auch das ist ein Vorgang,der seit elf Jahren nicht mehr zu verzeichnen war.Dennoch wird es trotz dieser finanziellen Enge zu einem politischen Neubeginn in Berlin kommen. Diejenigen, die diesen Neubeginn wagen, sind wirklich nicht zu beneiden.An der Spitze der notwendigen Maßnahmen steht die Förderung der Berliner Wirtschaft. Sie muß verstärkt, partiell auch verändert werden, wobei besonders die Präferenzen zugunsten Berlins ruhig und sachlich zu überprüfen sind. Vor allem aber ist eine solche Diskussion aus dem tagespolitischen Parteienstreit herauszuhalten.Damit hängt eng die verstärkte Förderung des Wohnungsneubaus und der Wohnungsmodernisierung zusammen. Hier gilt es, erhebliche Fehler der Vergangenheit zu korrigieren; zum einen, um die Bevölkerungsentwicklung in Berlin wieder positiv zu gestalten, zum anderen aber auch, um den Vorwand für die illegalen Hausbesetzungen in Berlin endlich vom Tisch zu bekommen.
Beide Maßnahmen — Wirtschaftsförderung und Wohnungsneubau — sind aber auch Voraussetzungen, damit Berlin als nationales und übernationales Ausbildungs- und Kommunikationszentrum ausgebaut werden kann.Das alles, meine Damen und Herren, muß einhergehen mit Bemühungen um menschliche Erleichterungen. Dabei steht an der Spitze zweifellos die Veränderung der derzeitigen Regelung für Besuche im anderen Teil Berlins und in der DDR, die ja bekanntlich mit einem Eintrittsgeld in Form eines erhöhten Mindestumtauschsatzes bezahlt werden muß. Dabei werden wir uns am Ende des Jahres auch sehr genau darüber zu unterhalten haben, in welchem Verhältnis die vertraglich vereinbarte Pauschalsumme zur Abgeltung von Straßenbenutzungsgebühren z. B. zum tatsächlichen Besucherverkehr steht und in welcher Form die Bundesregierung mit welchen Ergebnissen verhandelt hat.Aber auch Fragen des Sofortvisums, der privaten Mehrtagesreisen, Fragen auch der Aufhebung der Beschränkung von Tagesbesuchen an einem einzelnen Kalendertag, die Einführung von Wochenendreisen und die Öffnung aller Berliner Übergänge für Auslandstransitreisen sollten in künftige Vereinbarungen einbezogen werden.Nach wie vor sind die Verkehrsverbindungen von und nach Berlin ein Lebenselixier dieser Stadt. Sie auszubauen und zu sichern erhöht nicht nur die Attraktivität, sondern auch die Zukunftschancen Berlins. Wenn es gelingt, Berlin in das Intercity-Netz einzubauen, wenn es gelingt, Berlin wieder stärker an das internationale Flugnetz anzuschließen, und wenn wir die wirtschaftliche Attraktivität des Berlin-Luftverkehrs durch eine bedarfsgerechte Subventionierung der Flugreisen sichern, werden wir für die Bewohner der Stadt notwendige Erleichterungen schaffen und über größere Besucherzahlen auch neue Freunde für Berlin gewinnen.Für diese Stadt soll das Jahr 1981 ein Jahr der Umkehr und des Neubeginns sein. Diese Stadt will weg von der sich ausbreitenden Lethargie, will weg — wie es der Kollege Olaf von Wrangel vor kurzem ausdrückte — von der „kultivierten Scheinwelt-Mentalität". Sie will nicht ausschließlich von Subventionen leben und auf Subventionen bauen, sondern Berlin will endlich eigene, will originäre Beiträge zur politischen, geistigen und kulturellen Existenzsicherung der Stadt leisten.
Das erfordert Arbeit und Kraft. Das setzt aber auch Hinwendung und nicht Verweigerung voraus. Aber es setzt auch voraus, daß der Bund den notwendigen finanziellen Rückhalt garantiert. Dabei ist sich Berlin durchaus bewußt, daß diese Stadt ihren Beitrag, daß diese Stadt auch ihr Opfer angesichts dieser finanziellen Lage in der Bundesrepublik Deutschland leisten muß. Nur, meine Damen und Herren: Der Berliner Haushalt ist zusätzlich belastet durch finanzielle Auswirkungen schlimmer Fehler der Vergangenheit. Garski ist dabei nur ein Symptom.Ein neuer Senat in Berlin darf nicht von einer SPD-geführten Bundesregierung für Fehler bestraft werden, die ein SPD-geführter alter Senat als ruhmloses Erbe hinterlassen hat.
Wenn dann auch noch, wie auf dem FDP-Parteitag geschehen, mit Begriffen wie Berlin-Tabu gearbeitet wird, wenn solche Begriffe hineingebracht werden, dann, meine Damen und Herren, wird die Lage prekär. Man sollte — Herr Kollege Hoppe, das trifft auch für Ihren Landesvorsitzenden in Berlin zu — nicht dort ein Tabu aufbauen, wo kein Tabu ist, besonders dann nicht, wenn für Teile Ihrer eigenen Partei die Übernahme demokratischer Verantwortung offensichtlich tabu ist. Nein, meine Damen und Herren, die Bundeshilfe für Berlin ist wahrlich kein Tabu — auch darüber kann, darüber muß geredet werden. Aber diese Bundeshilfe ist keine Finanzmasse, mit der gespielt, geschoben und frei jongliert werden darf zum Risiko der Stadt.
Berlin lebt nun einmal zur Hälfte von der Unterstützung durch den Bund. Auch neue Regierungen — wo auch immer — werden diesen Zustand in absehbarer Zeit leider nicht beseitigen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löffler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegen Riedl und Carstens haben heute die Rösser der Apokalypse kräftig wiehern lassen. Nur: Die Viecher fangen nicht an, zu galoppieren; sie fühlen sich nämlich auf der grünen
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2164 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
LöfflerWiese unseres gesellschaftlichen Systems sehr wohl. Die denken gar nicht daran, zu galoppieren.
Sie können sie auch mit Ihrer Schwarzmalerei nicht verlocken, loszulegen. Wer heute insbesondere Ihre beiden Reden gehört hat
und völlig neu in dieses Land käme, der würde eine Reihe von Fragen stellen, die an der heutigen Wirklichkeit total vorbeigingen. Der würde z. B. die Frage stellen — —
— Ja, wissen Sie, über das mit dem Bart und mit der Argumentationskette werde ich nachher noch einiges sagen, wenn ich ganz wenige Augenblicke — es lohnt sich nicht mehr darauf zu verwenden — auf die Ausführungen des Kollegen Dr. Hackel eingehe.
— Das glaube ich mit Sicherheit, daß sich mehr nicht lohnt. — Wer also neu in dieses Land käme und Ihre Reden hört, der würde eine Reihe von Fragen stellen, etwa: Sind denn die öffentlichen Kassen in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch zahlungsfähig? —
Selbstverständlich! — Können denn die notwendigen öffentlichen Investitionen überhaupt noch getätigt werden? — Selbstverständlich! — Werden denn Zuschüsse für wichtige gesellschaftliche Aktivitäten gegeben? — Selbstverständlich! — Stehen genügend Mittel zur Verfügung, um Innovationen und Anpassungsprozesse zu fördern? — Selbstverständlich! — Sind die sozialen Leistungen in diesem Staate so beschaffen, daß die Not nicht in die Häuser der Menschen einziehen muß? — Selbstverständlich! —
Sind die Menschen frei von Hoffnungslosigkeit und Verbitterung? — Selbstverständlich! — Leistet dieser Staat seinen Beitrag für andere, ärmere Völker? — Selbstverständlich! — Ist dieses Land in der Lage, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen?— Selbstverständlich! Alle diese Fragen, die man aus Ihren Worten und aus Ihren Beiträgen ableiten könnte, sind Fragen, die mit der Wirklichkeit dieses Landes nichts zu tun haben, so wie auch diese Opposition mit unserer Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun hat,
sondern in einer Scheinwelt lebt, die sie sich so zusammenzimmert, daß sie, wie sie glaubt, den bestenHintergrund für ihre Argumentation abgibt. Das ist tatsächlich Theater, mehr nicht.
Das ist unterschiedliches Theater — mal deftige bayerische Bauernbühne, die immer sehr erfrischend ist, mal, wie von Herrn Kiep, gepflegtes Salontheater, sehr distinguiert, leicht morbid —, aber beide Male kommt das gleiche heraus: Es hat nichts mit unserer Wirklichkeit zu tun.
Ich meine, das mußte j a einmal gesagt werden, damit nicht der Eindruck entsteht — —
— Auf Herrn Hoppe komme ich auch noch zu sprechen; für ihn habe ich auch noch eine Sentenz auf Lager, keine Sorge!
— So ist es. Das habe ich soeben getan. Aber das haben Sie natürlich nicht zur Kenntnis genommen; wenn man so lange auf der Oppositionsbank sitzt, ist das schwierig.
Wir wollen j a nicht verkennen, daß die Lage in gewissen Punkten ernst ist, aber sie ist nicht dramatisch, schon lange nicht so dramatisch, wie die Redner der Opposition es hier darstellen. Es muß ja einmal gesagt werden, daß die vielen Veröffentlichungen, Verlautbarungen und auch die Beiträge von Ihnen am heutigen Tag einen völlig falschen Eindruck entstehen lassen, nämlich den Eindruck, als stünden wir in bestimmten Bereichen kurz vor dem Zusammenbruch.Das hängt vielleicht auch ein bißchen damit zusammen, daß gegenwärtig viele, viele Politiker, die sich früher nie um Haushaltspolitik gekümmert haben, heute die Haushaltspolitik entdeckt haben. Modisch würde man sagen: Haushaltspolitik ist gegenwärtig gerade in. Das hat man in früheren Jahren vermißt. Da haben die feinsinnigen, die hohen Politiker ihre Leute für das schmutzige Geschäft der Haushaltspolitik gehabt. Das waren dann in erster Linie der Bundesfinanzminister und seine Herren und die Mitglieder des Haushaltsausschusses. Aber diejenigen Damen und Herren, die jetzt ihr Herz für die Haushaltspolitik entdeckt haben, müssen sich sagen lassen, daß sie nicht so aufgeregt sein sollten und daß sie nicht jeden Tag eine Spekulation nach der anderen in den eh schon mächtig rauschenden Blätterwald abfeuern sollten. Haushaltspolitik bedarf ruhigerer Nerven und eines langen Atems. Vor allen Dingen ist Haushaltspolitik nicht dazu geeignet, sich durch öffentlich beklatschte rhetorische Saltos zu profilieren.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2165
LöfflerWir haben natürlich einige Probleme.
— Bitte, Herr Kollege, natürlich. — Aber lieber Herr Schröder, wie könnte ich denn?
Herr Abgeordneter, Sie gestatten eine Zwischenfrage?
Lieber Herr Kollege Löffler, sind Sie der Meinung, daß eine derartige Bagatellisierung der haushalts- und finanzwirtschaftlichen Probleme, die wir haben, dazu angetan ist, in der Bevölkerung die Einsicht für die vom Bundesfinanzminister selbst und insbesondere von Herrn Hoppe hier eindrucksvoll geschilderten Notwendigkeiten zu wecken?
Selbstverständlich bin ich nicht dieser Ansicht, Herr Kollege Schröder. Hier wird auch nicht bagatellisiert. Hier wird nur einmal der Versuch unternommen, aus dem großen Redeschwall das herauszuholen, was tatsächlich unsere Probleme sind. Hier will doch keiner eine heile Welt zeichnen.
Natürlich gibt es eine Reihe von Problemen. Zwei Probleme will ich nennen. Da haben wir als erstes großes Problem die Arbeitslosigkeit, und das zweite Problem ist die unausgeglichene Leistungsbilanz. Mit beiden Dingen müssen wir uns intensiv beschäftigen. Wir müssen alle unsere Kraft, unsere politische wie unsere finanzielle Kraft, auf das Ziel richten, diese beiden Erscheinungen zu beseitigen oder wenigstens ihre schädlichen Folgen abzumindern.
Aber wie kann man Arbeitslosigkeit bekämpfen? Indem man neue Arbeitsplätze mit Zukunft schafft. Indem man Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung ansetzt. Indem man auch in dem einen oder anderen Fall mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen versucht, den Leuten zu helfen, wieder in der Arbeitswelt Fuß zu fassen.
Oder: wie kann ich die Leistungsbilanz verbessern? Indem wir durch moderne, wirtschaftliche, ausgereifte, möglichst preiswerte Produkte den Weltmarkt beliefern, indem wir unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern,
indem wir hervorragende Dienstleistungen anbieten, oder indem wir die Abhängigkeit vom Ö1 weiter vermindern durch Energieeinsparungen, durch neue Technologien.
Lesen Sie doch einmal, sehr geehrter Herr Kittelmann — ich kann j a hier nun nicht Grundschule, Klippschule machen für Abgeordnete —, Seite 14, Bundesbankbericht, Jahr 1980! Dort steht das alles.
Dann brauchen Sie hier gar nicht zu fragen, dann ist alles völlig klar.
Natürlich bedeutet das Anstrengungen, auch finanzielle Anstrengungen. Wir müssen uns bemühen, die Mittel dafür freizuschaufeln. Wir müssen sehen, daß wir die Mittel auf dieses Ziel hin konzentrieren können, daß die Prioritäten auf diesen beiden Politikfeldern liegen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Kollege Löffler, kann ich aus der Tatsache, daß Sie zwei Aufgaben genannt haben, den Abbau der Arbeitslosigkeit und die Verbesserung der Leistungsbilanz, wo Sie die Priorität sehen, schließen, daß die SPD-Fraktion das jahrelang beschworene Ziel, die Neuverschuldung abzubauen — das j a nie angegangen, geschweige denn erreicht wurde —, jetzt auch als verbales Ziel aufgegeben hat?
Nein, das können Sie nicht daraus schließen. Sie können doch nicht annehmen, daß jemand in der Lage ist, in 15 Minuten die gesamte Welt rhetorisch zu behandeln. Schließen Sie ruhig, was Sie wollen. Sie sind sowieso bestimmten Belehrungen und Einsichten nur sehr schwer zugänglich. Insofern lege ich auch gar keinen großen Wert darauf, ausgerechnet Sie, Herr Gerster, zu belehren.
Bleiben Sie ruhig bei dem, was Sie glauben. Es stört mich weiter nicht.Aber wenn es jetzt darum geht, Prioritäten zu setzen, können natürlich nicht schon vorher verschiedene Naturschutzgebiete — unantastbare — eingezäunt werden,
wo man sagt: Da darf keiner heran; das muß auf jeden Fall erhalten bleiben. Nein, wir alle müssen in Ruhe und Gelassenheit überlegen, wo Abstriche gemacht werden können, ohne den Grundbestand unserer gesellschaftlichen Errungenschaften anzutasten und damit gegebenenfalls den sozialen Konsens in unserer Gesellschaft zu stören. Das wird nicht geleistet durch öffentliches Pflöckeeinschlagen, sondern das wird in allererster Linie geleistet durch Nachdenken. Und zwar gilt das für alle Mitglieder dieses Hauses, auch für die Opposition. Wir erwarten von der Opposition nicht druckreife Vorschläge. Nur, wissen Sie, Herr Kiep, wenn man hier in Bonn Jahr für Jahr tätig ist mit all den Frustrationen und Entbehrungen, die man erleben muß, sollte uns die Opposition wenigstens einmal die Freude eines originellen Gedankens gönnen.
Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Was wir heute bisher gehört haben, waren alles uralte Argumente
— von mir, nebenbei gesagt, auch. Man könnte siedurchnumerieren und brauchte hier bloß noch die
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2166 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
LöfflerZahlen zu nennen. So toll ist es wirklich nicht, wie wir heute in einer wichtigen Frage miteinander umgehen und diskutieren und welche Ausblicke wir geben.
Der Bundesfinanzminister hat zu Recht vorhin seine Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, ob es in der Gesellschaft genügend Besonnenheit und genügend Augenmaß geben wird, um diese Umschichtung der Aufgaben — auch der finanziellen Aufgaben — tatsächlich bewirken zu können. An dieser Besonnenheit und an diesem Augenmaß mitzuwirken, ist zum Beispiel die Aufgabe dieses Parlaments, und zwar der Abgeordneten einer jedweden Frak- tion. Da gäbe es ja Möglichkeiten. Herr Carstens hat lauthals beklagt, wie es mit der Investitionsquote aussieht. Wollen wir doch einmal sehen, ob das Bundesbesoldungsanpassungsgesetz, das auch Folgewirkungen auf die Länder hat, im Bundesrat gestoppt wird! Das sind 800 Millionen DM, die allein in den konsumtiven Bereich fließen. Wollen wir einmal sehen, ob die CDU da mannhaft ist und sagt: Das machen wir nicht mit. Sicherlich könnten wir uns da mit Ihnen verständigen.Schlimm ist es schon, wenn Herr Carstens Ursache und Wirkung verwechselt, wenn er der Meinung ist, daß das, was jetzt in unserem Lande an Erscheinungen vorhanden ist, Auswirkungen unserer Haushaltspolitik sind. Es ist umgekehrt, Herr Carstens. Unser Haushalt ist ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Welt, die selbstverständlich ihren Niederschlag auch in unserem Land finden.
Die vielen Unkenrufe von seiten der Opposition hatten noch nie eine sehr hohe Prognosefähigkeit. Herr Kollege Riedl hat sich heute morgen über Prognosefähigkeit ausgelassen. Er sollte sich einmal seine eigene Prognosefähigkeit etwas genauer ansehen. Da wird gesagt, die Bundesregierung werde handlungsunfähig. Das wird seit zehn Jahren gesagt. Es ist nicht eingetreten, Kollege Riedl.
Es wird gesagt, die Steuerbelastung für den Bürger werde unerträglich. Das ist nicht eingetreten, Kollege Riedl. Im Gegenteil, die volkswirtschaftliche Steuerquote ist von 1977 bis 1981 sogar um über ein halbes Prozent gesunken. Da wurde der baldige Staatsbankrott an die Wand geschrieben. Das ist auch nicht eingetreten.Heute delektieren Sie sich daran, daß es zum Beispiel zwischen Herrn Hoppe und Herrn Grobecker gewisse Unterschiede im Zungenschlag gibt. Seien Sie doch nicht so kleingläubig! Sie müssen doch einmal an die Probleme herangehen. Sie können sichdoch nicht daran delektieren, daß der Herr Hoppe zum Beispiel einen anderen Spruch von Goethe zitiert, als ich ihn zitieren wollte, aber nun nicht mehr zitieren werde.
Das bringt doch für Sie als Opposition beim besten Willen nichts.
— Meine Redezeit ist gleich abgelaufen, ich kann Ihre Zwischenfrage leider nicht zulassen.Herr Kollege Hackel, wir schreiben heute den 2. Juni und nicht den 2. Mai. Die Wahlkampfrede hätten Sie sich sparen können. In Berlin habe ich nichts davon gehört. Wir haben nun das Jahr der Umkehr. Wollen wir einmal sehen, wohin die Umkehr geht. Nur, drehen allein ist noch keine Politik. Aber warten wir es ruhig einmal ab!Ich will einmal zwei Dinge ansprechen, die mir an Ihrem Beitrag, der ansonsten ziemlich unerfreulich war,
gut gefallen haben. Und da möchte ich Sie hier vor dem Deutschen Bundestag beim Wort nehmen. Sie haben gesagt, das Präferenzsystem für die Berliner Wirtschaft sollte ruhig und vorurteilsfrei überprüft werden. Bitte, Herr Dr. Hackel, Sie sind herzlich eingeladen. Die Sozialdemokratische Partei verweigert sich nicht. Sie wird daran mitarbeiten. Und ich hoffe, daß wir zu vernünftigen und sachlichen Gesprächen kommen.Dann habe ich das erste Mal in diesem Haus von einem Mitglied der CDU gehört, daß die Politik der menschlichen Erleichterungen eine wichtige Ergänzung der anderen Aktivitäten des Bundes zugunsten Berlins ist. Das hat man so noch nicht gehört.
Herr Dr. Hackel, überlegen Sie wohl, wem Sie diese Politik der menschlichen Erleichterungen zu verdanken haben! Ich wäre glücklich, wenn wir einen Verbündeten, einen getreuen Mitstreiter auf dem Weg weiterer menschlicher Erleichterungen — die schwer genug zu erreichen sind — in Ihnen gefunden hätten.
Das will ich dann auch überall in Berlin laut verkünden.Meine Redezeit ist zu Ende. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Einzelpläne.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2167
Präsident StücklenIch rufe zuerst den Einzelplan 08 auf: Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Hierzu liegt auf Drucksache 526 unter Nr. 5 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.Wer dem Einzelplan 08 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 08 ist mit Mehrheit angenommen.Wir kommen zum Einzelplan 32: Bundesschuld. Wer dem Einzelplan 32 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 32 ist mit Mehrheit angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 60: Allgemeine Finanzverwaltung. Wer dem Einzelplan 60 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? —
— In der Geschäftsordnung sind die Abstimmungen per Akklamation ohne Stimmaufwand vorgesehen. — Der Einzelplan 60 ist angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 20: Bundesrechnungshof. Wer dem Einzelplan 20 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 33: Versorgung. Wer dem Einzelplan 33 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch der Einzelplan 33 ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 09Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft— Drucksache 9/479 —Berichterstatter: Abgeordnete Glos Frau SimonisGärtnerIm Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von zwei Stunden vereinbart worden. Ich sehe: Das Haus ist damit einverstanden. Wird das Wort vom Berichterstatter gewünscht? — Nein.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glos.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch nochein paar Worte zu dem sagen, was Herr Löffler gesagt hat. Lieber Herr Löffler, ich bewundere Ihren Mut, Ihre ungebrochene Zuversicht, die Sie hier zur Schau gestellt haben. Immerhin waren Sie für die SPD vier Jahre lang Obmann im Haushaltsausschuß. Unter Ihrer Regentschaft, wenn ich es einmal so sagen darf, haben wir mindestens 100 Milliarden DM neue Schulden dazubekommen.
Sie haben ein Dichterwort zitiert. Mir ist auch ein Dichterwort in die Hände gefallen. Horaz schreibt: „Geld ist etwas, das um so mehr Sorgen macht, je mehr man davon hat." Wenn dies im Umkehrschluß gelten würde, dann wäre Minister Matthöfer einer der glücklichsten Menschen, die hier in diesem Hause sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Finanzwissenschaftler Professor Günter Schmölders sagte unlängst in der „Welt am Sonntag"
auf die Frage, seit wann die Weichen falsch gestellt worden sind:Seit 1969, der Bildung der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt, seitdem besteht das Bestreben, ständig mehr auszugeben, als man hat. Ich will es noch anders ausdrücken: Seitdem ist bei uns eine Art Bankrotteursmentalität in Mode gekommen. Der Bankrotteur läuft herum und sucht, ob es noch irgendeinen Freund, ob es noch irgendeine Chance gibt, an Geld zu kommen.
Wie, das ist ihm dabei ganz egal.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, einer der „Macher" dieser gefährlichen Politik ist — ob er es wahrhaben will oder nicht — Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff, der besondere Verantwortung für diese Entwicklung trägt. Er ist jetzt vier Jahre lang Bundesminister für Wirtschaft und war seit 1972 wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD.
— Der FDP. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir merken sehr wohl die Unterschiede zwischen SPD und FDP, vor allem dann, wenn wir Herrn Hoppe reden und Herrn Grobecker dann dagegenreden hören.Herr Kannengießer schreibt in der „FAZ" von heute sehr richtig:Wenn jetzt Genscher und Lambsdorff nach dem Sparkommissar rufen, so wirkt dies wie der Versuch, die Mitverantwortung für diese Entwicklung vergessen zu machen.Wie sieht die Entwicklung aus? Steigende Arbeitslosigkeit, steigender Staatsverbrauch, hohe Inflationsraten — die sich unserer Einflußnahme zum Teil entziehen, da die Einfuhrpreise, ausgelöst durch die D-Mark-Schwäche steigen —, sich häufende Konkurse, schrumpfendes Sozialprodukt, fortlaufende und kräftige D-Mark-Abwertung und schließlich
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2168 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Glosschlechteres Geschäftsklima und Pessimismus bei Produzenten wie Konsumenten prägen das Bild in unserer Wirtschaft. Noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik hatten die Bundesbürger so viel Angst vor der wirtschaftlichen Entwicklung. Dies zeigt eine Umfrage des Emnid-Instituts. Danach sagen 61 % der Befragten, die wirtschaftliche Lage sei mäßig, 24 % bezeichnen die wirtschaftliche Lage als schlecht.Das Gefährliche, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, daß das Ausland uns immer weniger zutraut, mit den Herausforderungen unter veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen fertigzuwerden. Deswegen müssen wir für D-Mark-Kredite im Ausland ständig höhere Zinsen zahlen. Die Bundesrepublik ist kein erstklassiges Schuldnerland mehr, soweit man Schuldner überhaupt als erstklassig bezeichnen kann. Es ist auch sehr erschreckend für uns, Herr Bundesminister, daß in den führenden Wirtschaftszeitungen heute nicht mehr die Rede von der „englischen Krankheit" ist, sondern daß man von der „deutschen Krankheit" spricht, und daß das „deutsche Wirtschaftswunder" in Vergessenheit geraten ist.Man verspricht sich Wunderdinge, zumindest wenn man die öffentlichen Ankündigungen dieses neuen 6,3-Milliarden DM-Programms liest, Geld, das bei den Saudis oder sonstwo zusammengepumpt werden soll, um es in die Wirtschaft zu geben. Erstens wissen wir nicht, Herr Bundesminister, ob das Geld überhaupt beigebracht wird — Herr Kollege Kiep hat schon danach gefragt —, und zweitens weiß die Wirtschaft bis heute nicht definitiv, zu welchem Zinssatz dieses Geld zur Verfügung steht. Der letzte Zinssatz, der offiziell in der Diskussion war, betrug 10,3 %. Ich bin der Meinung, daß dies — trotz einer Heruntersubventionierung — für viele Klein- und Mittelbetriebe nicht mehr erschwinglich ist. Wir wissen, daß die Eigenkapitalquote dieser Betriebe im Durchschnitt unter 18 % liegt. Wir wissen, daß es schwer ist, mit dem dann zusätzlich bei einer Bank aufgenommenen Kapital, das 15 und 16 % kostet, heute noch zu investieren. Die Devise für viele Mittelständler in unserem Land heißt: über die Runden kommen, versuchen, den Betrieb und die Belegschaft über diese schwierige Lage hinwegzuretten. Wenn heute ein Konzern ins Schleudern kommt, dann gibt es Banken, die bereit sind, auf Teile ihrer Forderungen zu verzichten. Dann gehen die Gewerkschaften zum Bundesfinanzminister. Andere gehen zum Bundeswirtschaftsminister. Man hilft zusammen, und der Betrieb besteht dann weiter. Die Arbeitsplätze werden gesichert. Aber wenn heute ein Kleiner ins Schwimmen kommt, fragt niemand danach; den läßt man vor die Hunde gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Obwohl der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung im Brustton der Überzeugung verkündet hat, die deutsche Wirtschaft sei in Ordnung, erleben wir heute einen Pleitenrekord, wie wir ihn in der Nachkriegsgeschichte noch nicht gekannt haben. Es hat im Monat Februar laut Statistischem Bundesamt allein 943 Firmenzusammenbrüche gegeben.Viele Firmen werden den Herbst, in dem angeblich die Wende kommen wird, nicht mehr erleben. Sie sind eigentlich schon heute pleite; nur wissen sie es teilweise noch nicht.Die Nachfrage nach Bauleistungen sinkt. Die öffentlichen Hände, allen voran der Bund, sparen zum falschen Zeitpunkt und an der falschen Stelle. Statt konsumtive Ausgaben zu kürzen, kürzt man bei den investiven Ausgaben. Das ist kurzfristig sicher der bequemste Weg, aber längerfristig wird er sich bitter rächen.
Der Berg kreißte und gebar eine Maus.
Es kam nichts dabei heraus. Von dieser Seite Entlastung für die Bauwirtschaft zu erwarten ist sicher verfehlt. Die Folge wird sein, daß zwar weiterhin Wohnungen gebaut werden, nur nicht bei uns im Land. Die deutschen Geldanleger — es gibt in unserem Land nach wie vor potente Kapitalanleger — werden weiterhin Wohnungen in New York oder Florida finanzieren statt in Castrop-Rauxel, Nürnberg oder Berlin, wo sie gebraucht werden.
Die „FAZ" schreibt unter der Überschrift „Bonner Wohnungsbau-Pleite":
Die FDP hat es nicht geschafft, ihre besseren Vorstellungen in der Koalition durchzusetzen.
So bleibt die Wohnungspolitik das, was sie immer war: eine viel zu teure staatliche Veranstaltung zur Verwaltung des Mangels.
Ich verbürge mich dafür, daß es mit mir als Bundeswirtschaftsminister in einer neuen Regierung nur marktwirtschaftliche Politik geben wird.Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Ist das, was da beschlossen worden ist, marktwirtschaftliche Politik?Jetzt haben sich endgültig die Hoffnungen der Bauwirtschaft zerstört, daß von privater Seite weiter Entlastung kommen wird. Es ist in der Tat für Otto Normalverbraucher schwierig, sich bei diesen Zinssätzen ein Haus zu bauen, ein Auto zu kaufen oder sich eine andere größere Anschaffung auf Kredit zu leisten. Von dieser Entwicklung sind doch nicht nur die Gewerbebetriebe betroffen, deren Absatz stagniert. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, wer-
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Glosden viele private „Häuslebauer" ins Schwimmen kommen, weil der Hypothekenzinssatz meist nicht gebunden ist. Auf dem Lande finanziert man mit der Sparkasse oder der Raiffeisenkasse, weniger mit einer Hypothekenbank. Die Zinsanpassungen laufen. Zins- und Tilgungspläne, die früher gestimmt haben, geraten ins Schleudern. Wenn es noch eine Weile so weiterläuft, werden wir eine riesige Pleitewelle auch im Privatbereich erleben.
An den hohen Zinsen, die wir im Moment haben, wird oft allein der Bundesbank die Schuld zugeschoben. Sicher bestimmt die Bundesbank die Leitlinien. Aber es ist nicht die Schuld der Bundesbank, daß es in unserem Land so weit gekommen ist. Die Hochzinspolitik ist aufgezwungen. Die Ursachen sind die Rekorddefizite sowohl in der Haushalts- als auch in der Leistungsbilanz. Der Staat treibt als rücksichtsloser Schuldner die Kreditzinsen immer weiter in die Höhe. Er verdrängt dadurch die privaten Nachfrager vom Kreditmarkt.Ich weiß, daß die Bundesbank sehr viel gescholten wird. Besonders bei SPD-Abgeordneten ist es opportun, immer die Schuld auf andere zu schieben. Es ist auch eine sozialistische Methode, nie eine eigene Schuld zuzugestehen, sondern immer irgendwo nebulös andere vorzuschieben.
Ich muß den Mut von Herrn Pöhl bewundern, daß er trotz der Schelte des Herrn Bundeskanzlers diese Hochzinspolitik im Interesse der Stabilität unserer D-Mark durchhält.
Dazu ist die Bundesbank im übrigen auch gesetzlich verpflichtet.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ob die Kraft der Bundesbank, die aufgewandt wird, allein ausreicht, um wieder zur Stabilität zurückzufinden, ist allerdings mehr als fraglich. Immerhin hat die Mark gegenüber dem Dollar sehr viel an Wert verloren. Die Höchstnotiz gab es am letzten Mittwoch. Da wurde der Dollar mit 2,344 DM notiert, ein Rekordtief. Die „Neue Zürcher Zeitung" sieht als Ursache für diese Entwicklung — ich zitiere — „politische Faktoren". „Devisenkreise seien über die auseinanderstrebenden Strömungen in der SPD besorgt." Und in der Tat besteht die besondere Tragik unserer Situation heute darin, daß jetzt, wo wir eine starke Regierung, einen handlungsfähigen Staat bräuchten, diese Firma Schmidt, Genscher & Co. ein Bild des Jammers bietet:
Rücktrittsdrohungen des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers, um selbstverständliche Bündnisverpflichtungen durchzusetzen, eine FDP, die sich nach wie vor ihren staatspolitischen Verantwortungen entzieht — siehe Berlin —, Rekorddefizite beim Haushalt, Rekorddefizite in der Übertragungsbilanz, Rücktritte von SPD-Politikern, Sonderparteitage — ich erinnere an Hessen — wegen mangelnder Akzeptanz von von allen Seiten als notwendig erkannten Kraftwerksprojekten bzw. Verkehrsprojekten.Ich bin auch sicher, daß viele Herren Verwaltungsrichter, die sich nie Sorgen um ihr wirtschaftliches Wohl machen mußten, weil sie verbeamtet sind und nicht wie Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, manchmal mit Entscheidungen, die unverständlich sind, mit dazu beitragen, daß es bei uns nicht mehr vorangeht.Meine sehr verehrten Damen und Herren, psychologische Gründe, Trends, Erwartungen, Vertrauen oder Mißtrauen in das Durchsetzungsvermögen von Politikern schlagen sich heute im internationalen Kapitalverkehr noch viel stärker und viel schneller nieder als Zinssätze. Das alte Sprichwort „Geld ist scheu wie ein Reh, aber auch geil wie ein Bock" ist nicht umsonst erfunden worden.
Wir erleben derzeit doch ein Schulbeispiel, wie man es in jedes volkswirtschaftliche Lehrbuch hineinschreiben kann. In Amerika hat Präsident Reagan mit einem überzeugenden Wirtschaftsprogramm die Wahl gewonnen. Der Kongreß hat diesem Wirtschaftsprogramm zugestimmt. Die Folge ist: Der Dollar wird stark, das internationale Geld fließt nach Amerika.Das Gegenteil erleben wir in Frankreich. Der Sozialistenchef Mitterrand hat die Wahl gewonnen. Sofort sackte der Aktien- und Devisenmarkt ab. Die Regierung mußte Notmaßnahmen verhängen, um die Kapitalflucht zu stoppen.Der „Spiegel" von gestern schreibt — ich zitiere —Großanleger und Spekulanten flüchten aus der Mark, Deutsche schaffen Milliarden nach Übersee.Ich frage mich: Warum handeln die so? Die denken sich schließlich doch alle etwas dabei. Ich bin der Meinung, die größte Bremse für Devisenrückflüsse in unser Land und für einen besseren D-Mark-Kurs ist die Regierung Helmut Schmidt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der sinkende D-Mark-Kurs ist doch eine täglich wiederholte internationale Abstimmung — oder Urteilsfindung, wie man sagen mag — über die Leistungen der deutschen Wirtschaftspolitik. Er ist auch ein Ausdruck des Mißtrauens in das wirtschaftspolitische Lavieren dieser Bundesregierung.Jedenfalls ist, insgesamt gesehen, die gegenwärtige wirtschaftliche und finanzielle Lage unseres Landes problematisch. Die Prognosen aller ernst zu nehmenden Wirtschaftsforschungsinstitute sehen für die absehbare Zeit keinen Aufschwung voraus. Nebulös wird vom Jahresende bzw. vom nächsten Frühjahr gesprochen.Der Jahreswirtschaftsbericht, der uns im Frühjahr vorgetragen wurde, ist überholt. Die Eckdaten, die angesetzt worden sind, stimmen nicht mehr — auch eine Ursache für diese Haushaltsmisere.
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2170 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
GlosDer Herr Bundesfinanzminister Matthöfer — schade, daß er nicht hier sein kann — hat heute im Brustton der Überzeugung von Japan gesprochen. Er hat die japanischen Defizite mit unseren Defiziten vergleichen wollen. Wenn wir mit Japan das Vergleichen anfangen, müssen wir noch ganz andere Dinge berücksichtigen. Dort ist das Geld für Investitionen verbraucht worden. Es ist nicht in den Konsum geflossen. Dort hat man — ich sage dies auch, wenn es inopportun ist — Gewerkschaften, die viel vernünftiger sind; Lohnabschlüsse, wie sie bei uns zustande gekommen sind — sie erweisen sich als Bremse der wirtschaftlichen Entwicklung —, wären in dem Moment dort nicht möglich gewesen.
Es geht nicht, wenn das Sozialprodukt real zurückgeht, daß mehr verteilt wird. Dies geht zu Lasten von irgend jemand. Bei uns geht es im Moment vordergründig zu Lasten der Ölländer, weil die uns noch Kredite geben, längerfristig geht es zu Lasten der Arbeitsplätze. Aber es ist sehr fraglich, wenn man sich die Pressemeldungen der letzten Tage und Wochen anschaut, wie lange sie uns diese Kredite noch geben.Herr Bundesminister Graf Lambsdorff, Sie sind ja an sich als ein Mann mit schneller Zunge bekannt, Sie riskieren oft mal eine Lippe. Sie haben sich im letzten Jahr einen sehr teuren Versprecher geleistet, als Sie die Sieben vor dem Komma propagiert haben. Wo waren Sie eigentlich diesmal in der laufenden Lohnrunde?
Ich erinnere mich nicht, daß Sie sich hier sehr deutlich geäußert haben. Ich vermute, Sie haben inzwischen Angst vor Herrn Vetter bekommen. Herr Vetter hat nämlich gesagt, man müsse „dem Lambsdorff auf die Nase hauen, immer wieder auf die gleiche Stelle, damit er es letztendlich auch merkt".
Ich bin der Meinung, daß der bisherige Verteilungsschlüssel des Volkseinkommens zur Diskussion gestellt werden muß. Wir müssen einen Weg finden, eine Teil der Löhne wieder zu reinvestieren. Wir brauchen einen neuen Impuls in der Vermögenspolitik, sonst sind wir nicht in der Lage, die Herausforderungen der Zukunft zu finanzieren und die Umstellungsprozesse in der Wirtschaft finanziell zu bewältigen, die wir brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Die „Neue Zürcher Zeitung" schreibt am 18. April: „Der Importsog ist ein Ausdruck der Tatsache, daß die Summe der Ansprüche an Staat, Unternehmen und private Haushalte in den letzten Jahren größer geworden ist als die eigene Leistung."Die Bundestagswahl wurde auch deswegen von der FDP so erfolgreich bestritten, weil man eine Legende, die schon lange Zeit umgeht, neu aufgelegt hat. Diese Legende lautet: „Wir brauchen eine sozialliberale Koalition. Die SPD hält die Gewerkschaften in Schach, die FDP sorgt dafür, daß nichts Schlimmes in Sachen Sozialismus passiert, und am Schlußhaben wir alle eine volle Kasse." Dies stimmt nicht mehr. Dieses Märchen ist ohne Wahrheitsgehalt. Wenn es stimmen würde, hätten Sie bei der laufenden Lohnrunde dafür sorgen müssen, mehr Vernunft walten zu lassen.Meine sehr verehrten Zuhörer, es ist sehr viel die Rede von der japanischen Konkurrenz. Es ist in der Tat erschreckend, wenn im klassischen Land des Automobils, der Bundesrepublik Deutschland, jetzt jedes zehnte Automobil aus Japan stammt und wenn wir auf vielen Auslandsmärkten immer weiter abgedrängt werden. Dies ist eine Tatsache, der wir uns stellen müssen.
Jetzt zu glauben, man müsse einfach den Japanern das Exportieren verbieten, und damit kämen wir über die Runden, das wäre sicher der verkehrte Weg. Abschotten bringt uns nichts Unsere Wirtschaft muß sich den Herausforderungen stellen.
Wir müssen trotzdem aufpassen, daß die Einigung, die jetzt zwischen den Vereinigten Staaten und Japan in Fragen des Automobilexports erfolgt ist, nicht zu unseren Ungunsten ausschlägt. Es ist doch klar, daß die wachsende Wettbewerbsfähigkeit Japans von konsequenten Anstrengungen herrührt, die Fertigungstechnologien zu vervollkommnen und dabei riesige Anstrengungen bei den Investitionen in moderne Anlagen zu unternehmen, z. B. auf dem Stahlsektor.Heute rächen sich für unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit für die Arbeitsplätze der jungen Generation die Investitionslücken der 70er Jahre, wo man dem privaten und öffentlichen Konsum Vorrang vor Investitionen eingeräumt hat. Daran ist nicht der deutsche Arbeitnehmer schuld, der jetzt die Zeche für diese Entwicklung zahlen soll.
Schuld daran sind die Politiker, die damals den „größeren Schluck aus der Pulle" propagiert haben.
Die deutsche Wirtschaft muß sich heute in der Tat überlegen, mit welchen Produkten morgen die Exportoffensive Japans erfolgen wird. Ich bin der Meinung, daß Kameras, Rundfunk- und Fernsehgeräte und Autos bald kein Thema mehr sein werden. Es werden andere Produkte des Maschinenbaus oder auf dem Chemiesektor verstärkt hinzukommen. Unsere Industrie ist aufgefordert, sich, um die Handelsbilanz mit Japan auszugleichen, dort am Markt genauso umzusehen, wie sich die Japaner bei uns umgesehen haben; die sind gekommen, haben die Sprache gelernt, haben vor Ort recherchiert und nach Marktlücken gesucht. Wenn die deutsche und insgesamt die europäische Industrie dies auch tut, wird es sicher einen Ausgleich geben.Eines unserer Handicaps und Nachteile besteht ja darin, daß viele Deutsche nicht mehr bereit sind, ins
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2171
GlosAusland zu gehen, um dort zu arbeiten. Deswegen möchte ich auch an dieser Stelle einmal allen Kaufleuten, Technikern, Ingenieuren und Monteuren danken,
die bereit sind, hinauszugehen, zu verkaufen und zu montieren, und die damit mit dazu beitragen, daß unsere Außenhandelsbilanz nicht noch schlechter aussieht.
Die deutschen Außenhandelskammern, die vom deutschen Industrie- und Handelstag und vom Bundeswirtschaftsminister in einem Mischfinanzierungssystem unterhalten werden, tragen viel Gutes dazu bei, unseren Export zu verbessern. Wir müssen dieses Instrument für die Zukunft stärker ausbauen.Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben in uns, in der CDU/CSU, immer einen Partner gefunden, wenn es darum ging, sinnvolle Anstöße und sinnvolle Hilfen für die Wirtschaft zu geben, weil bei uns die Erkenntnis nicht neu ist, daß man die Kuh, die man melken will, gut füttern muß; und wir wissen auch, daß man eine Kuh, die man stark melken will — und Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, sollen ja immer die Wirtschaft melken —, besonders gut füttern muß.Als besonders gutes Beispiel für Fälle, in denen Hilfen des Staates für Anstöße in der Wirtschaft sorgen können, steht uns das Airbus-Programm zur Verfügung. Die Förderung der zivilen Luftfahrt und speziell dieses Programms hat uns große Erfolge gebracht. Ich möchte an dieser Stelle sagen, daß es dem Mut und der Weitsicht des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zu verdanken ist,
daß dieses europäische Gemeinschaftsprogramm Wirklichkeit geworden ist und daß auch beim Verkauf dieses Flugzeuges der Durchbruch geschafft worden ist.
Jetzt steht eine neue Generation von Flugzeugen an, und ich bin der Meinung, daß wir wieder mit Staatsbürgschaften und mit anderen Hilfen mitmachen sollten, um dieses Geschäft der Zukunft zu ermöglichen.
Das Flugzeug „Airbus" trägt nicht nur zur Verbesserung unserer Handelsbilanz bei, sondern es trägt auch als hochwertiges technologisches Produkt europäisches und deutsches Ansehen hinaus in die Welt und leistet so Schrittmacherdienste für andere deutsche Produkte, die dann auf den gleichen Märkten verkauft werden.Die Tatsache, daß uns unsere Leistungsbilanz so viele Sorgen macht, beruht aber nicht nur auf unserem hohen Energieverbrauch und auf dem großen Anteil des Öls, das wir einführen müssen; sie beruhtauch darauf, daß wir in vielen Bereichen nicht mehr leistungs- und konkurrenzfähig sind. Ich stimme Ihnen darin zu, daß wir für die Zukunft mit Sicherheit nicht weniger arbeiten und leisten, sondern mehr arbeiten und leisten müssen, um dies wieder auszugleichen.Beim Thema „Energie" fehlt es ja nicht an Bekundungen von Ihrer Seite, Herr Bundesminister. Sie haben viele überzeugende Reden gehalten. Nur fehlt es daran, schließlich den Wahrheitsbeweis anzutreten und das, was man immer sagt, durchzusetzen. Außerdem fehlt Ihnen der Mut, dort zu reden, wo es darauf ankommt. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, als Sie vor der Bundestagswahl in Schweinfurt waren. Sie haben sich dort zusammen mit einem erklärten Kernkraftgegner aus Ihrer Partei, einem Landtagsabgeordneten, gezeigt; Sie sind Arm in Arm mit ihm aufgetreten. Sie haben über alles Mögliche geredet, über die ganze Welt, nur nicht über das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, das vor den Toren Schweinfurts gebaut wird und in einem halben Jahr in Betrieb gehen soll.Wo bleibt denn Ihr vielgerühmter Mut, Herr Bundesminister, wenn Sie sich von Ihren Parteifreunden draußen in der Provinz aus Opportunitätsgründen einen Maulkorb umhängen lassen? Dann wird Ihnen bald auch von anderer Seite eine Schelle umgebunden werden! Zahnlose Löwen, die nur dann brüllen, wenn es nicht gefährlich ist, verlieren schnell an Respekt, Herr Bundesminister.
Deswegen sind wir der Meinung, daß Sie überall brüllen sollten, auch da, wo es gefährlich ist, um unsere Situation in dieser Frage zu verbessern und um unsere Energieabhängigkeit zu verringern. Und das kann nur durch Taten, nicht durch Worte geschehen.Zur Verbesserung unserer Energie- und Zahlungsbilanzsituation haben wir glücklicherweise die heimische Kohle.
Sie wird uns auch noch weiter zur Verfügung stehen, und sie wird sicher weiter genutzt werden. Es ist mit den Stimmen aller Fraktionen ein Fernwärmeprogramm beschlossen worden, das in Zukunft eine stärkere und wirtschaftlichere Nutzung dieser Kohle ermöglichen wird.
— Aber ich muß Ihnen, Herr Wolfram, eines sagen, weil Sie hier zwischenrufen. Glücklicherweise ist es erstmals gelungen, auch wieder etwas von dem Geld zurückzubekommen, das in die Kohle geflossen ist; die Ruhrkohle AG hat etwas zurückgezahlt. Aber in Zukunft wird sich der Haushaltsausschuß auch noch einmal mit der Frage beschäftigen müssen, ob nicht der gestiegene Weltkohlepreis — allein in den USA waren es in diesem Jahr eine Preissteigerung von 60 % — und gleichzeitig auch die veränderte Marktlage auf dem Energiesektor eine Überprüfung dieser
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2172 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
GlosMilliardensubventionen für die Zukunft nötig und sinnvoll erscheinen lassen.Es geht nicht um die Frage, die fälschlicherweise immer wieder gestellt wird, ob Strom auch in Zukunft aus der Steckdose kommt. Mit Sicherheit kommt er aus der Steckdose. Es geht nur darum, wie teuer der Strom ist, der aus der Steckdose kommt, und ob wir mit diesem Strompreis noch konkurrieren können.Herr Bundesminister, da Sie sich immer gern als wirtschaftspolitischer Herkules feiern lassen, da Sie sich sehr gern als „Erhard der 80er Jahre" betiteln lassen, da Sie immer das Bild vermitteln wollen, als ob Sie sehr stark und durchsetzungsfähig sind, frage ich Sie: Was haben Sie seit der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht getan, um den auch von Ihnen beklagten Investitionsstau im Kraftwerksbereich von 60 Milliarden DM abzubauen? Was haben Sie getan, als der Bundeshaushalt aufgestellt worden ist, um umzuschichten, komsumtive Ausgaben zu streichen, investive Ausgaben einzusetzen? Ich frage Sie: Was haben Sie im Kabinett unternommen, wie haben Sie sich beim vorhin zitierten Wohnungsbauprogramm verhalten? Sie tragen eine besondere Verantwortung, Herr Bundesminister Graf Lambsdorff, nicht nur weil Sie Wirtschaftsminister sind, sondern auch deshalb, weil Sie draußen durch Ihr strammes rechtes Reden eigentlich erst die Mehrheit für diese linke Politik besorgt haben.
Ihr Problem wird längerfristig darin bestehen, daß die Politiker nicht an ihren Worten und Reden, sondern an ihren Taten und an dem, was sie in der Politik durchgesetzt haben, gemessen werden. Manchmal glaube ich, Sie sind der eigentliche Garant dieser Koalition, weil Sie wissen, daß Sie sich hier besser selbst darstellen können. Es ist natürlich etwas leichter, nach außen hin einen Marktwirtschaftler zu spielen, wenn man an der Seite Willy Brandts, Erhard Epplers, Hans-Ulrich Kloses marschiert. Wenn man an der Seite der Partei von Ludwig Erhard marschieren würde, wäre es natürlich schwieriger darzustellen, daß man der bessere und der größere Marktwirtschaftler ist. Bei uns ist dies selbstverständlich.
Wir brauchen dies nicht ständig zu betonen. Wir wissen allerdings — die Herrschaften dort drüben rufen dazwischen —, wie schwer Sie es mit denen haben.
Herr Bundesminister, wenn ich dort zur SPD hinüberschaue, so sehe ich darunter echte „Aussteiger" aus der Marktwirtschaft.
Herr Bundesminister, wenn es um vernünftige Dinge geht, werden Sie uns immer an Ihrer Seite finden. Das haben wir in den Ausschußberatungen bewiesen, und wir tun es auch weiterhin. Wir haben Sie unterstützt, als es um die Sanierung der saarländischen Stahlindustrie ging, und wir werden Sie auch unterstützen,
wenn Sie Ihr Wort, das Ihr Staatssekretär Grüner gegeben hat, einlösen, daß andere Stahlsektoren nicht mit Mitteln aus dem Haushalt des Wirtschaftsministers öffentlich gefördert werden.Wir unterstützen Sie selbstverständlich auch in der Frage einer Ruhrstahl AG. Sie wollen sie nicht, wir wollen sie nicht; also verbünden wir uns in dieser Frage! Wir halten auch weiter zu Ihnen, wenn wieder Forderungen kommen, wie Arbeitsplatzverhinderungssteuer durch Schichtarbeiterabgabe, Maschinensteuer, Arbeitsmarktabgabe für Selbständige usw. Wir halten auch zu Ihnen, wenn Herr Vetter wieder die 35-Stunden-Woche aus der Mottenkiste holt und glaubt, damit die Arbeitsmarktprobleme lösen zu können.
Herr Abgeordneter Glos, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?
Da hier schon die Lampe leuchtet, bitte ich Sie, es ganz kurz zu machen, Herr Kühbacher.
Herr Kollege Glos, können Sie diesem Hohen Hause Ihren Sinneswandel bei den Hilfen zur saarländischen Stahlindustrie erklären? Sie haben sich im Ausschuß in dieser Frage doch ganz anders verhalten.
Ich bin für diese Frage sehr dankbar. Ich kann hier klarstellen, daß wir uns der Stimme enthalten haben, weil nach unserer Meinung keine entscheidungsreifen Vorlagen da waren,
aber auch weil man sich von seiten der Bundesregierung geweigert hat, offiziell die Verantwortung für dieses Konzept zu übernehmen.
— Ich muß jetzt zum Ende kommen; die rote Lampe leuchtet.Ich fasse zusammen. Ich bin der Meinung, daß unsere Sicherheit und unsere Freiheit weiterhin auf einer starken und guten Wirtschaft beruhen. Wir können unsere militärische Sicherheit durch eine moderne Rüstung nur gewährleisten, wenn wir in der Lage sind, das alles in der Zukunft zu bezahlen. Wer unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gefährdet, der gefährdet auch unseren Frieden und unsere Freiheit in der Zukunft. Deswegen stehen wir immer an der Seite des Bundeswirtschaftsministers, wenn es darum geht, eine gute Politik zu machen.Wir unterstützen Sie, wenn Sie ein Haushaltssicherungsgesetz vorlegen. Ihr Haus hätte noch die personellen Kapazitäten, das zu tun. Dort gibt es noch eine ganze Reihe Leute, die politisch unverbo-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2173
Glosgen sind. Legen Sie etwas vor, sprechen Sie sich mit Herrn Hoppe ab; er hat auch sehr viele vernünftige Ansichten. Legen Sie uns das vor, und wir helfen Ihnen genauso, wie der amerikanische Kongreß dem Präsidenten Reagan geholfen hat, als er ein vernünftiges Wirtschaftskonzept vorgelegt hat.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushälter scheinen in der Tat unter einem hohen Aggressions- und Frustationsstau zu leiden. Anders ist es nicht zu erklären, daß der Michael Glos in einem Rundumschlag vom saarländischen Wirtschaftsminister
— Finanzminister, Verzeihung — bis zu den deutschen Unternehmern, die nicht Japanisch lernen wollen, bis zur Deutschen Bundesbank, die die Zinsen ja so hoch hält, alle beschimpft, der Lothar Löffler alle folgenden Redner dadurch demotiviert, daß er sagt, wir redeten sowieso Blödsinn und nichts Neues, und der Erich Riedl, der sonst ein netter Mensch ist, auf einmal hier den wilden Mann spielt. Ihr müßt offensichtlich alle einmal das loswerden, war ihr da drüben im Haushaltsausschuß, wo ihr sonst nett und vernünftig seid, nicht loswerdet.
Ich habe ja Verständnis dafür; denn unsere Erfolgserlebnisse sind sehr gering. Vielleicht hätten wir als Haushälter alle im niedersächsischen Landtag sitzen müssen, als Herr Kiep dort Finanzminister war.
Ihr Vorschlag einer globalen Minderausgabe hätte uns wenigstens die Möglichkeit gegeben, noch mehr zu sparen. Sie haben nämlich offensichtlich nur da globale Minderausgaben verlangt, wo Sie sicher waren, daß Sie sie erwirtschaften konnten. Das verstehe ich unter einer globalen Minderausgabe nun überhaupt nicht. Wenn Sie es wissen, warum kürzen Sie die Ansätze dann nicht gleich von Anfang an so, daß sie anständig und sauber etatisiert sind?
Wenn wir sagen, wir müssen sparen, weiß ich — das eint uns Haushälter alle —, daß der Chor kommt: nicht so, nicht hier, nicht heute, nicht mit uns, nicht an dieser Stelle und nicht in diesem Ausmaße. Vor drei Wochen haben wir ja den gruppendynamischen Prozeß der CDU/CSU hier erleben dürfen, als in einer Aktuellen Stunde die Verteidiger mit festem Schritt nach vorne marschierten und in flammenden Reden mehr Geld für den Einzelplan 14 forderten, worauf der Kollege Carstens zum Rednerpult ging und sagte, das sei nun wirklich ein unsittlicher Antrag. Im Eifer des Gefechts haben die beiden Gruppen allerdings vergessen, daß sie derselben Partei, d. h. der Opposition angehören. Aber Sie ha-ben sich ganz hübsch gehackt, und am Ende haben wir dann festgestellt, daß Sie sich nicht einig geworden sind.Im Gegensatz zu meiner Partei — wir werden uns manchmal zwar auch nicht ganz einig, wenn wir uns über das Sparen unterhalten —
haben Sie noch die besondere Schwierigkeit, daß Sie bei Ihren gruppendynamischen Prozessen die „Forderung nach Markt" und die „Förderung des Lobbyistentums" unter einen Hut bringen müssen. Es ist weiß Gott nicht die Einführung des Keynes'schen Prinzips, was mit Förderung des Lobbyistentums bezeichnet werden muß.
Als Beispiel einer solchen geglückten Symbiose — lieber Michael Glos, vielleicht hörst du doch mal zu — muß man die Stahlsache näher betrachten. Da fordert das eine Unternehmen in ergreifender Schlichtheit von uns etwas mehr als eine Milliarde DM, damit die dort tätigen freien Unternehmer weiterhin risikofreudige Entscheidungen treffen können, während die anderen, die im Saarland angesiedelt sind — nachdem sie über das Eschweiler Bergwerk einen „kleinen" Zuschuß haben abkassieren lassen —, zu uns sagen: Wir sind gewillt, Stahl zu produzieren, wenn ihr uns helft.Ich habe mich gewundert, daß von Ihnen dazu nicht mehr gekommen ist, lieber Herr Kollege Riedl. Wo ist denn der freie Unternehmer, den Sie heute morgen in so herzerweichender Weise beschrieben haben? Wo ist der Unternehmer, der Manns genug ist, die eigenen Probleme selber wieder in Ordnung zu bringen, ohne daß wir ihm mehr als zwei Milliarden DM vor die Füße legen, damit er sich einmal besinnt, was er zu tun hat?
Im übrigen: Wenn heute den ganzen Tag von Mitnehmereffekten gesprochen worden ist, so ist das, was im Rahmen dieses Haushalts mitgenommen wird, weiß Gott mehr als das, was andere im Zuge des Mitnehmereffekts mitnehmen.
Im übrigen wäre es wirklich einfacher und billiger für uns — auch als Haushälter könnte ich dem mehr zustimmen —, wenn diejenigen, die sich sonst nimmermüde landauf, landab mit ihren Verdiensten als risikofreudige Unternehmer schmücken, auch das täten, was sie uns erzählen, was sie täten, wenn wir sie ließen. Entweder tun sie es nicht, oder sie wollen es nicht, oder sie können es nicht, oder sie wollen es nicht tun können. Das Ende vom Lied ist, daß wir es zu bezahlen haben; denn wenn wir es nicht täten, wäre die saarländische Regierung noch pleiter, als sie bereits pleite ist. Darüber würde ich keine Träne vergießen. Warum auch?
Aber viel schlimmer wäre, daß eine ganze Regionvor die Hunde ginge, und die Zeche hätte nicht der
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2174 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Frau SimonisMinisterpräsident und auch nicht sein Finanzminister zu zahlen, sondern die Zeche hätten die Arbeitnehmer und ihre Familie zu zahlen.
Wollen Sie wirklich mehr Markt? Wir könnten es an dieser Stelle mal versuchen, aber dann übernehmen sie bitte auch die Risikoabsicherung für alle Folgen, die eintreten werden. Das ist doch wirklich ein feines Prinzip, bei dem am Ende, wenn ich es auf Deubel-komm-raus durchgezogen habe und eine ganze Region zerstört würde, sich die Arbeitnehmer, die dort keine Arbeitsplätze mehr finden, auch noch beschimpfen lassen müssen, sie seien faul und lägen in einer Hängematte. Das ist ein phantastisches Prinzip!
— Wissen Sie, ich sitze stundenlang im Haushaltsausschuß mit Ihren Kollegen zusammen. Fragen Sie die mal, was die dazu sagen. Da könnten Sie unter Umständen Erhellung bekommen. Fragen Sie mich nicht, wo die ihre Probleme haben.
Ich habe mit einigem Interesse zur Kenntnis genommen, lieber Kollege Glos, wie wenig Sie zum Stahl gesagt haben, denn Sie waren einer der Kreuzritter, als es um die Maxhütte ging. Es waren im übrigen alle CSU-Kollegen dabei. Offensichtlich sind Sie damals davon ausgegangen: Von der Maxhütte weiß eh keiner, daß sie sich mit Stahl beschäftigt. Im übrigen liegt sie in Bayern und außerdem verbirgt sich der Zuschuß unter dem unverfänglichen Titel „Frachthilfe", und da weiß sowieso kein Mensch, daß das eine Stahlhilfe ist. Dafür haben Sie ganz tapfer gekämpft, nur hat das mit Marktwirtschaft überhaupt nichts zu tun, lieber Herr Kollege Glos.
— Ich weiß, das schmerzt, wenn man solche gruppendynamischen Prozesse in der eigenen Brust austragen muß. Aber vielleicht lassen Sie sich einmal von Herrn Haase trösten. Er hat ja heute morgen auch Schmerzempfindungen gezeigt, weil ihm das nämlich auch einmal passiert ist.Ich finde allerdings, daß das Ganze Züge einer Komödie annimmt, wenn jetzt noch der saarländische Ministerpräsident hingeht und sich rühmt, daß er in Bonn Geld losgeeist hat. Wissen Sie, erstens ist er sowieso Kostgänger des Bundes. Ihr habt doch kein Geld mehr. Was tätet ihr denn, wenn wir nicht bezahlten? Außer uns kann euch doch überhaupt niemand mehr helfen!
Zweitens. Ich hätte an seiner Stelle zu dem Thema geschwiegen, denn Ihre Kollegen von der CDU/CSU im Haushaltsausschuß waren von diesem Gedanken überhaupt nicht begeistert.Drittens. Mein Lieber, sie haben nicht losgeeist, sondern sie konnten sich darauf verlassen, daß wir Ihnen nicht glauben, daß Sie an Eucken und dieMarktwirtschaft glauben. Darauf konnten Sie sich verlassen, denn Sie wußten: Wir halten dieses Prinzip nicht immer und um jeden Preis — selbst bis zur Arbeitslosigkeit von Tausenden von Kollegen — durch. Wie oft Sie den alten Herrn Eucken schon verraten haben! Wie oft Sie den armen alten Herrn schon verraten haben. Der müßte eigentlich im Grabe rotieren. Das wäre eine Dokumentation wert.
Frau Abgeordnete Simonis, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haussmann?
Ich habe so wenig Zeit, lieber Kollege Haussmann! Aber schnell!
Ich habe nur im Auftrag der süddeutschen Kollegen die Bitte, durch eine etwas langsamere Redeweise Ihre Ausführungen auch für die süddeutschen Freunde der CSU genießbar zu machen.
Lieber Kollege Haussmann, ich muß in 20 Minuten das beantworten, was Michael Glos in 30 Minuten hier ausgebreitet hat. Da muß ich mich verflixt beeilen. Hört also besser zu, vielleicht kommt j a die Hälfte doch noch an!Ich halte es im übrigen, lieber Kollege Erich Riedl, für ermüdend, von Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere von Präsidenten von Vereinen und Verbänden, Sparvorschläge zu bekommen, um dann hinterher in einem ellenlangen Telex zu lesen, daß dies nicht so ernst gemeint ist. Ich meine jetzt ganz besonders den Präsident des Deutschen Handwerks, der, hingerissen von seiner eignen Formulierkunst, in München erklärt hat, wie die Bundesregierung ihn vom Pfad der Tugend der Marktwirtschaft weggelockt hat, hinein in das Bett der Subvention. Das tat ihm so fürchterlich weh. Als wir sagten „Dem Manne kann geholfen werden!", hat er uns über seinen agitierten Bundesgeschäftsführer schreiben lassen, dies sei wirklich unfein, wir sollten das wieder rückgängig machen.Wir machen das nicht rückgängig, denn das deutsche Handwerk hat nach eigenen Aussagen in diesem Jahr sein „Jahrhundertjahr" erlebt. Sie werden die 3 Millionen DM schon verschmerzen und selber aufbringen.
— Es sind im Moment keine Zwischenfragen mehr erlaubt; Du durftest 30 Minuten reden.
Ich finde, der laute Ruf nach einer Politik à la Mrs. Thatcher mit der klammheimlichen Bitte, einen Erste-Hilfe-Kasten für Subventionsempfänger
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2175
Frau Simonismit auszuteilen, ist haushaltspolitische Wegelagerei und nicht ganz seriös.
Erlauben Sie mir bitte einige Bemerkungen zu der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", die komischerweise heute nicht angesprochen wurde; ich hatte es eigentlich erwartet. Ich sehe ein — dies ist auch vom Wirtschaftsausschuß einige Male gemeinschaftlich beschlossen worden —, daß sich mit viel Geld fideler wirtschaften läßt. Aber der ökonomische Nutzen einer Maßnahme, die wir im Haushalt beschließen, bemißt sich nun Gott sei Dank nicht nach dem Lustgewinn der Empfänger, sondern daran, ob man ihn auch mit weniger Geld erreichen kann und ob er nicht vernünftiger zu erreichen ist. Daß trotz des Gießkannenprinzips, nach dem bei dieser Aufgabe in der Vergangenheit verfahren worden ist, Gutes, von mir aus auch viel Gutes geschaffen worden ist, will ich überhaupt nicht bestreiten, denn bei Zulagen in Höhe von 25 %
ist sogar ein deutscher Unternehmer gewillt, etwas Unternehmerisches zu unternehmen, wenn man ihm Investitionszulagen von 25 % wie dem Hund den Speck vor die Nase hält. Wenn ich mir aber angucke, wie das bei uns in Hamburg und Schleswig-Holstein läuft, dann, muß ich sagen, ist das eine Form von Mitgiftjägerei, die eigentlich im deutschen Haushalt nicht mehr etatisiert werden sollte. Da werden immer neue Arbeitsstellen gemeldet, die so über die Grenze hin- und hergehen, und in Wirklichkeit hat nur das eine Land dem anderen Land mit Zulagen und Investitionszulagen die Betriebe abgeworben. Zurück bleiben eine total verrottete Struktur an dem einen Standort, eine nicht ausreichende am anderen und Pendlerströme. Das Ganze bezahlt der deutsche Steuerzahler, und das gilt dann auch noch als eine vernünftige Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Dabei wird kein einziger neuer Arbeitsplatz geschaffen.
Gleichzeitig suchen Behinderte und Jugendliche, Frauen und Ausländer Arbeitsplätze, die sie nur dann angeboten bekommen, wenn wir es den Unternehmern mit Modellversuchen und Zuschüssen schmackhaft machen, daß sie verpflichtet sind, dazu beizutragen, daß der Markt wirklich so funktioniert, wie es uns hier immer erzählt wird. Und wir zahlen, weil wir nicht wollen, daß diese Gruppen nur deshalb an den Rand des Marktes gedrängt werden, weil wir ein Prinzip bis zum Tode reiten.Herr Glos, ich möchte vielleicht noch an Sie appellieren: Wenn Ihnen wirklich daran liegt, daß dieses System erhalten bleibt, dann sprechen Sie doch mal mit Herrn Stoltenberg, ob er nicht so freundlich sein könnte, die vorgesehenen Mittel für Fernwärmeschiene auch wirklich einmal abzurufen. Das schwachsinnige Argument, hier handle es sich um einen neuen Mischfinanzierungstatbestand, mit der er j a diese Mittel dort tot liegenläßt, gilt doch nicht, wenn genau derselbe Mann die Bundesregierung verklagen will, sie solle eine andere Mischfinanzierung in gleicher Höhe aufrechterhalten. Ich kriege das nicht unter einen Hut. Mir geht es wie einem Ihrer Kollegen: Ich schaue nicht mehr durch, was ihr eigentlich wollt. Ich habe das dumpfe Gefühl, Herr Stoltenberg ist noch nicht so weit vorgeschritten wie Sie. Er hat den Wert der Kohle noch nicht begriffen und scheint noch an anderen Sachen zu hängen. Jedenfalls ist der Weg „Weg vom 01" mit ihm nicht zu machen; wir können seine Begründung nicht akzeptieren.
Vielleicht noch einige Bemerkungen zu dem, was heute morgen mit flammenden Worten von Vertretern der Opposition und auch an anderer Stelle vorgetragen wurde. Ich habe das Gefühl, man beruft sich hier auf den alten Herrn Hayek, daß nämlich zur Aufrechterhaltung der Marktwirtschaft bzw. der Leistungsfähigkeit unserer Marktwirtschaft gespart werden muß, aber so, daß der Leistungswille nicht zerstört wird und daß die Leistungsfähigen geschont werden. Dies heißt j a dann wohl — — Nein, ich will es nicht sagen, sonst bekomme ich einen Ordnungsruf. Dafür gibt es ein schönes deutsches Sprichwort; das will ich aber hier jetzt nicht zitieren.
— Den Ordnungsruf bekomme ich bestimmt, das ahne ich. —In diesem Zusammenhang müssen wir uns alle fragen: Was heißt eigentlich Leistung? — Ein Blick in den Einzelplan des Wirtschaftsministers enthüllt wirklich Überraschungen, vor allem für diejenigen, die noch daran geglaubt haben, daß das Märchen vom freien Unternehmertum in einer freien Marktwirtschaft eine Realität ist. Da gibt es Personalkostenzuschüsse für Unternehmer, die sich um ihren zukünftigen Bestand forschend kümmern sollen. Da wird die Leistungssteigerung im Handwerk, in Handel und Wandel unterstützt. Da werden mit der Subventionsnuckelflasche die freien Berufe unterstützt, ebenso die Luftschiffahrt für den Airbus. — Lieber Michael Glos, jedesmal, wenn ich ein Telex bekomme, in dem steht, daß ein Airbus verkauft wurde, wird mir ganz schwach. Es kostet nämlich unendlich viel, diesen Airbus zu verkaufen. — Die Energiewirtschaft, die Stahlindustrie usw., jeder hängt an dem Subventionstropf, um überhaupt leben zu können.Niemand muß darben, wenn es darum geht, Hilfen aus diesem Einzelplan für die Beladenen dieser Republik zu verteilen. Leistung heißt also offensichtlich, sie erst durch einen Subventionsstoß hervorzukitzeln, und wenn sie dann endlich keimt, sie um Gottes willen nicht wieder kaputtzumachen, damit sich in dieser Wirtschaft überhaupt noch etwas regt. Leistung heißt also offensichtlich nur das, was subventionspolitisch teuer und subventionspolitisch relevant ist. Leistung ist offensichtlich nicht, Tag für Tag seine Pflicht zu tun, sei es als Werftarbeiter, als Bergarbeiter, als Müllarbeiter, als Straßenkehrer, als Frau im Akkord an einem Band oder in einer Textilindustrie. Dieses ist alles nicht Leistung. Lei-
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Frau Simonisstung ist nur, was vorher subventionspolitisch von uns hervorgekitzelt wurde.
— Ich weiß, daß Sie eine andere Vorstellung von Leistung haben, und die wollen Sie dann — — Nun schreien Sie doch nicht so. Wenn Sie Ihren Zwischenruf mal richtig überdenken, geben Sie mir recht. Ich habe gesagt: Ausgerechnet bei denen wollen Sie sparen, die ihre Leistung ohne Subvention erbringen. Denn das heißt doch im Klartext der Satz: Wir wollen den Leistungswillen derjenigen nicht töten, die mehr leisten.
Frau Kollegin Simonis, Herr Kollege Daweke wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.
Frau Simonis, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie sich jetzt mit der Union auseinandersetzen, wenn Sie um die Frage streiten, was Leistung ist und was nicht Leistung ist, oder ob Sie sich jetzt auf die Rede des Außenministers Genscher in Köln beziehen.
Schauen Sie, was ein Minister unter Leistung versteht, ist nicht das, was ein Parlamentarier unter Leistung versteht. Das macht für uns das Problem aus.
Im übrigen beweisen mir Ihre Zwischenrufe und Ihre Frage, daß ich mich offensichtlich auch mit dem Leistungsbegriff der Union auseinanderzusetzen habe. Denn sonst würden Sie nicht so erregt dazwischenrufen.
— Dann hätten Sie nicht so entsetzt geschrien, als ich das sagte. Ich darf also offensichtlich niemanden so interpretieren — um Ihre Frage doch noch zu beantworten —, daß Leistung nur das ist, was erst durch Subvention in diesem Land hervorgerufen worden ist. Damit könnten wir uns ja dann wieder einig werden.
Das würde, wenn ich es regionalpolitisch oder auch sektoralpolitisch übertrage — Herr Lambsdorff, ich hoffe, daß Sie mir da widersprechen —, wohl bedeuten, daß ich einige Regionen kaputtgehen lasse, wenn da keine Leistung mehr kommt. Denn die haben j a nicht verdient, daß man sie schützt. Und einige Sektoren und Branchen lasse ich auch kaputtgehen. Das heißt doch wohl Marktwirtschaft: wenn Leistung nicht mehr da ist, dann muß dieser Sektor absterben. Ich hoffe, Sie widersprechen mir hinterher, daß ich das falsch verstanden habe. Jedenfalls möchte ich nicht, daß Ostbayern, das Saarland, Teile Niedersachsens, der Zonenrand, Teile Schleswig-Holsteins nur deswegen kaputtgehen, weil sie keine Leistung erbringen können oder wollen.
Wer finanz- und haushaltspolitische Korsettstäbchen den Leistenden lassen will, aber den Nichtleistenden nehmen will, der spielt nicht nur mit dem Feuer, sondern der würgt durch den Entzug von Massenkaufkraft auch einen konjunkturpolitischen Aufschwung ab, den wir unbedingt notwendig haben. Im übrigen wehren ich und meine Fraktion uns gegen die Diskriminierung von Leistung, die außer-und unterhalb von Vorstandsetagen stattfindet.
Um auch noch meinem Kollegen Reuschenbach, der nachher sprechen möchte, ein bißchen Zeit zu lassen, darf ich Sie zum Schluß bitten, bei der Gestaltung des Haushalts 1982 mitzuhelfen. Herr Hoppe hat ja heute morgen offensichtlich zu erkennen gegeben, daß er zu allem gewillt ist,
und er wurde dabei von der Union mit Applaus bedacht. Ich nehme an, daß auch die Union gewillt ist, bei allem mitzumachen, so wie auch wir gewillt sind, beinahe bei allem mitzumachen, nicht bei allem, aber beinahe bei allem. Ich hoffe, daß Sie vernünftige Vorschläge machen werden, die wir dann im Haushaltsausschuß beraten können, ohne sie immer gegen den erbitterten Widerstand Ihrer Kollegen durchkämpfen zu müssen, die sich nämlich mir zu oft weigern, vernünftige wirtschaftspolitische Entscheidung dort oben im Ausschuß mitzutragen. Dann könnte vielleicht der Kollege aus dem Saarland, der gerade mal da ist, mit seinen Exkollegen hier unten sprechen, warum sie ihn so schäbig im Stich gelassen haben und wir ihm so arg unter die Arme greifen mußten.
Ich darf mich bei Ihnen für Ihre Geduld bedanken, mich bei den Südländern für mein schnelles Sprechen, was, wie gesagt, ein Geburtsfehler ist — ich habe es schon einmal festgestellt —, entschuldigen und der Hoffnung Ausdruck geben, daß es dennoch halbwegs angekommen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Haussmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich bedanke mich sehr für diesen freundlichen Einstand und freue mich auch über diese Debatte hier. Ausnahmsweise möchte ich heute zu Herrn Glos nichts sagen, weil sich hier nur noch der Minister selbst verteidigen kann.
Es sind hier so schwere Vorwürfe gefallen; ich hoffe, daß er diese Attacke überlebt.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2177
Dr. HaussmannFrau Simonis, über den Leistungs- und Subventionsbegriff wäre manches zu sagen; ich werde das nachher während meiner Rede tun. Nur, ich bitte, Herrn Hoppe nicht falsch zu verstehen. Er macht nicht erst heute dieses Angebot, unseren Haushalt oder mehr, unsere finanzielle Situation, in Ordnung zu bringen. Er hat zu Recht — und ich möchte in meiner Rede an ihn anknüpfen — darauf hingewiesen, daß wir deshalb unsere Aufgabe nicht erreicht haben, weil wir die in konjunkturell schwierigen Zeiten — und dazu steht die FDP nach wie vor — durch notwendige staatliche Nachfragestützungen verursachten Defizite nicht in Jahren eines satten Wachstums zurückzahlen konnten.
Deshalb besteht die Schwierigkeit dieser Regierung und damit auch der Opposition darin, Defizite aus Zeiten, wo es uns besser ging, heute, in Zeiten, wo es uns schlechtgeht, zurückzuzahlen. Das wird eine sehr schwierige und große Aufgabe auch dieses Parlaments sein. Insofern ist es interessant, daß auch in unserer Partei — ich nehme an, daß es bei den Kollegen der Sozialdemokraten ähnlich ist — die Exekutive nun dem souveränen Parlament beim Sparen den Vortritt gibt und sich bei den Vorschlägen etwas zurückhält.Ich meine jedenfalls, daß dieser Etat 1981 der letzte Etat mit der alten Struktur war und daß das, was im Moment aus den Häusern an Planungen für das Jahr 1982 vorliegt, in dieser Form bereits Makulatur ist.
Wir erleiden sonst, wenn wir dies so weiterschreiben und nicht zu strukturellen Änderungen kommen, 1982 weiteren Schiffbruch.Es ist überhaupt keine Frage, daß die Arbeitslosenzahl, das Wirtschaftswachstum, die Inflationsrate und das Außenhandelsdefizit zwar international — dies hat der Finanzminister gesagt — noch respektabel, aber national gänzlich unbefriedigend ist. Es geht in den nächsten Jahren um die Wiederherstellung der politischen Handlungsfähigkeit dieses Staates. Insofern ist es vielleicht angezeigt, auch im Zusammenhang mit dem Etat des Wirtschaftsministers, den Gesamtetat aus wirtschaftspolitischer Sicht etwas zu kommentieren.Zuvor aber ein Wort zur Union. Ich meine es ernst: Es ist für eine parlamentarische Demokratie eigentlich unbefriedigend, daß die Opposition bis heute auf diesem zentralen Gebiet nicht nur des Sparens, sondern der Umschichtung unserer Finanzen keinerlei Handlungsmöglichkeiten andeutet; im Gegenteil, sie betreibt kurzsichtige Strategien des Abwartens. Sie ist außer einer recht guten Polemik sprachlos. Sie verweigert sich. Sie bricht ihr nach einer Wahlniederlage gegebenes Versprechen, für ganze vier Jahre konstruktive Opposition zu sein. Sie bricht dieses Versprechen! Wo keine Alternativen sind,sind natürlich auch keine Verlockungen, Herr Kollege.
Nur, wer die innere Struktur und die wesentlichen Besetzungen Sozialpolitik/Wirtschaftspolitik kennt, der weiß, daß dies auch gar nicht anders sein kann. Dies hat sich ja bereits im letzten Wahlkampf angedeutet, wo einerseits zu Recht die drastische Senkung unserer Staatsverschuldung gefordert wurde, es aber auf der anderen Seite Herrn Blüm und Herrn Geißler vorbehalten war, einen dramatischen Ansteig der Sozialleistungen zu versprechen — nach groben Rechnungen unserer Fraktion in Höhe von 30 Milliarden DM über einige Jahre verstreut.Diese finanzwirtschaftliche Unmöglichkeit, Herr Wissmann, des damaligen Gespanns Strauß-Geißlers setzt sich heute fort durch das neue Gespann Kiep-Blüm. Wir haben j a bereits auf dem anderen Gebiet, der Mitbestimmung, gesehen, welche Kompromisse damit in der Union zustande kommen, und die deutsche Wirtschaft fürchtet auch etwas diese Mischung aus Sozialapostel und Außenpolitiker und Finanzwirtschaftler,
der die Finanzen in Niedersachsen eigentlich auch nicht so zurückgelassen hat, wie es seiner heutigen Rede entsprechen müßte.Ich möchte aber konkret werden. Es sind drei Dinge, woran der Wähler auch heute erkennen kann, daß die CDU nicht bereit ist, in diesem wesentlichen Bereich Verantwortung mit zu übernehmen.
Dies ist erstens, Herr Kollege Waigel, die finanzielle Situation in den Bundesländern. Auch in einem wirtschaftsstarken Land wie Baden-Württemberg ist es in den letzten drei Jahren zur Verschuldung gekommen, die selbst den CDU-nahen Präsidenten der Landeszentralbank, Herrn Kloten, dazu gebracht haben, diese Finanzpolitik von Herrn Späth sehr, sehr drastisch zu kritisieren. Es gibt ja ähnliche Äußerungen in Bayern.
Zweitens. Der erste, nur leichte Versuch — dem härtere Maßnahmen folgen werden — des Subventionsabbaus ist von Ihnen nicht vollzogen worden. Wenn ich allein an die Debatte über den Subventionsabbau bei der Gemeinschaftsaufgabe — Frau Simonis hat das j a angesprochen — und daran denke, was wir da in den Wahlkreisen von seiten der CDU erlebt haben, dann kann ich nur sagen: Wenn wir nicht dazu kommen, solche Gießkannenprogramme auf einige wenige — auch nach europäischen Maßstäben — zentrale strukturschwache Gebiete zu geben, wie werden wir dann mit der Union Programme machen können, die 10, 15 Milliarden — das brauchen wir für 1982 — letztlich einsparen werden?
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Dr. HaussmannDrittens. Wer einzelne Bereiche, und sei es auch die Familienpolitik, wie Herr Geißler oder Herr Blüm bereits im Vorfeld zum Tabu erklärt, wird insgesamt nie in der Lage sein, ein in sich stimmiges finanzwirtschaftliches Sparkonzept zu entwickeln. Die FDP muß daher zusammen mit ihrem sozialdemokratischen Partner — sie kann es nur mit ihm zusammen — an diese schwierige Arbeit gehen. Dies ist eine existenzielle Aufgabe für diese Koalition.
Denn es bleibt ihr sonst keinerlei Spielraum für neue Politik der Arbeitsplätze oder der internationalen Solidarität. Das bedeutet: Der Staat und diese Koalition müssen jetzt eine neue, finanzwirtschaftlich begehbare Perspektive des drastischen Sparens, des strukturellen Umschichtens, des Setzens von anderen Anreizen und damit auch des Verbesserns der Einnahmenseite zeigen. Nur auf diese Weise ist das Vertrauen von Verbrauchern, von Investoren, aber auch von unseren internationalen Handels- und Währungspartnern wieder herzustellen.
Dies muß nicht hektisch - Herr Wissmann, keine Unruhe! —, sondern konsequent, aber auch bald geschehen. Mit dem Setzen von Eckdaten und damit dem Schaffen von Vertrauen können wir nach Ansicht der FDP-Fraktion nicht bis zum Herbst warten. Kostbare Zeit für die Vorbereitung notwendiger gesetzlicher Änderungen darf nicht verstreichen.Die FDP weiß um ihre Verantwortung sowohl für eine neue Finanzpolitik als auch um ihre Verantwortung in dieser Koalition. Und darum sollen Sozialdemokraten wissen: Die FDP wird keine blindwütige Streichorgie ohne politisches Grundkonzept zulassen.Zweitens. Wir werden kein falsch verstandenes amerikanisches Spar- und Rüstkonzept imitieren, wie es hier manchem Oppositionspolitiker und manchem rückwärts gewandten Politikberater vorschwebt.
Drittens. Wir wissen, daß manche strukturell notwendige Umschichtung gerade unserem sozialdemokratischen Partner sehr schwerfallen wird. Die Sozialdemokraten müssen aber auch wissen, daß eine moderne liberale Partei ihre soziale Verpflichtung sehr genau nimmt. Karl-Hermann Flach hat sehr oft herausgearbeitet, daß die Freiheit des einzelnen ganz bestimmter sozialer Voraussetzungen bedarf. Wir brauchen hier keinerlei Nachhilfe, auch nicht von Herrn Blüm oder von Herrn Geißler.
Weil wir dies wissen, treten wir für Gerechtigkeit auch bei der Verteilung der Lasten ein. Wir wissen: Die Bürger möchten Offenheit, möchten Klarheit über ihre Zukunft, und sie werden unsere Vorschläge nur dann annehmen und mittragen, wenn sie dahinter ein nachvollziehbares, in sich stimmiges und vor allem gerechtes finanzielles Sparkonzept erkennen können. Die FDP weiß, daß sie bei diesen Operationen mit dem Finger nicht nur auf den Partner zeigen darf. Auch wir wissen, daß es bei uns um „heilige Kühe" gehen muß. Wer aber — das möchte ich sagen — das Schlagwort von der sozialen Demontage einführen möchte,
will dem Unbequemen heute ausweichen und nimmt das Schlimme morgen in Kauf. Wenn Herr Kiep bereit ist, bei seinen Sozialpolitikern hier zu wirken, wäre die FDP ihm dafür sehr dankbar.
Graf Lambsdorff hat in Bad Godesberg Vorschläge gemacht, wie mancher soziale Wildwuchs abgestellt werden könnte. Herr Kollege Kiep, wenn Sie dies als billige Rede an die Arbeitgeber bewerten — die FDP wäre dankbar, wenn er weiter bereit wäre, dies zurückzunehmen —,
bin ich mir nicht sicher, ob Sie und Ihre Fraktion in der Lage sind, bei diesem schwierigen Unterfangen mitzumachen.
Wir bekennen uns daher zum Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes und werden unter diesem Aspekt alle Vorschläge, die wir einbringen werden — heute kann es nicht darum gehen, Einzelvorschläge zu machen —, prüfen.Meine Damen und Herren, die fiskalische Anpassung unseres Staates an sehr bescheidene ökonomische Möglichkeiten ist das Gebot. Investieren statt konsumieren ist die Devise, wie Graf Lambsdorff — auch vor dem Wahlkampf — dies mehrfach gesagt hat.
Die Bundesrepublik ist nicht mehr das reiche Land der unbegrenzten sozialen Möglichkeiten. Wir verlieren allein in diesem Jahr unwiderruflich mehr als 70 Milliarden DM Einkommenstransfer an andere Staaten. Wir erreichen kein Wachstum in diesem Jahr; wir behalten eine sehr stark negative Leistungsbilanz. Daher kommt es darauf an, daß der Staat im finanziellen Bereich wieder handlungsfähig wird.Aber es geht nicht allein um den Staat — darauf hat Frau Simonis zu Recht hingewiesen —, sondern es geht ebenfalls um die Unternehmer, aber auch um die Gewerkschaften. Es geht darum, daß sich die Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Dies liegt am wenigsten in der Hand der Regierung, sondern dies liegt in der Hand der Tarifpartner. Es ist sehr die Frage, ob es auch in Zukunft sinnvoll sein kann, daß in der wirtschaftlich stärksten Region der Bundesrepublik, nämlich in Baden-Württemberg, die Lohnda-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2179
Dr. Haussmannten für die gesamte Bundesrepublik und für Klein-und Mittelbetriebe gesetzt werden.Weiter — dazu erhoffen wir noch stärkere Unterstützung auch von Herrn Narjes in Brüssel —: Was wir wirtschaftspolitisch tun können, ist, unsere Wirtschaft von Protektionismus freizuhalten. Dies ist schwierig, aber ich bin froh, daß es hier keinerlei Differenzen zwischen den Fraktionen im Deutschen Bundestag gibt und daß die deutschen Gewerkschaften nach wie vor bereit sind, diese schwierige, intern schwierige Politik mitzutragen.Es gehört weiter das Bekenntnis zu einem sehr schmerzlichen Wandel unserer Produktionsstruktur dazu. Die FDP-Fraktion weiß, was es für eine Firma wie Hoesch und für die Betriebsräte dort bedeutet, ein solches Sanierungskonzept durchzuführen. Wir wissen auch um unsere Verpflichtung, aber wir dürfen nicht zulassen, daß mit dem Geld der deutschen Steuerzahler in anderen europäischen Ländern unrentable Arbeitsplätze aufrechterhalten werden, während sie in Deutschland schmerzlich abgeschafft werden.
Ich möchte zusammenfassend sagen: Die FDP wird in den nächsten Wochen innerhalb ihrer Fraktion — mit Unterstützung auch der Exekutive, wie wir hoffen — sehr weitgehende finanzielle Umschichtungsvorschläge ausarbeiten. Wir sind dies der Handlungsfähigkeit dieses Staates schuldig. Wir möchten dies in großer Solidarität mit unserem sozialdemokratischen Partner tun.
Wir möchten die Opposition hier im Parlament auffordern, diesen schwierigen Weg, Herr Waigel, mit uns zusammen im Herbst zu gehen. Es bleibt genügend Raum, im Wettbewerb um diese Alternativen politisches Profil zu zeigen.Wir stimmen dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministers zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Borchert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Simonis, ich habe Ihre Ausführungen zur Marktwirtschaft mit großem Interesse gehört. Ich muß leider in der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung steht, darauf verzichten, den Versuch zu unternehmen, Ihnen die Grundbegriffe der Marktwirtschaft hier heute plausibel zu machen.
Ihre wilden Rundumschläge zu Unternehmern, Leistung, Marktwirtschaft haben mir gezeigt, daß dies den zeitlichen Rahmen hier heute sprengen würde. Hinzu kam das Problem, daß ich bei dem großenTempo Ihrer Ausführungen vielleicht die eine oder andere Formulierung nicht ganz mitbekommen habe.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Diskussion zum Einzelplan 09 mit einigen Bemerkungen zur Situation der deutschen Stahlindustrie und zu den davon betroffenen Regionen ergänzen, weil ich befürchte, daß hieraus weitere Belastungen für den Bundeshaushalt entstehen.Die Situation der Stahlindustrie hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert. In den Stahlstädten des Ruhrgebiets sind Tausende von Arbeitsplätzen bedroht. Durch die vertragswidrige Subventionspraxis in den europäischen Nachbarländern werden seit Jahren Überkapazitäten künstlich aufrechterhalten, und die deutschen Unternehmen stehen in einer aussichtslosen Konkurrenz mit der Staatskasse unserer Nachbarländer. Ganze Regionen, das mittlere und das östliche Ruhrgebiet, das Siegerland, von Bochum und Dortmund über Hagen bis nach Siegen, aber auch die Klöckner-Werke in Bremen sind in der Gefahr, notleidend zu werden.Im Ruhrgebiet erinnert die Situation an das Zechensterben Ende der 50er Jahre.
Hier, meine Damen und Herren, tickt eine Zeitbombe, die von der Koalition zu verantworten ist. In Dortmund wird Hoesch die Belegschaft um etwa 8 000 Mitarbeiter verringern müssen. Bei Krupp werden in diesem und im nächsten Jahr rund 5 000 Arbeitsplätze aufgegeben.Die Stahlerzeuger in der Bundesrepublik haben sich, um diesen Wettbewerbsverzerrungen ausweichen zu können, auf höherwertige Produkte, auf Produkte mit höheren Wachstumsraten und damit größeren Marktchancen konzentriert. Dies führt zu einem hohen Anteil elektrischer Energie an den Gesamtenergieaufwendungen der Stahlindustrie. Eine sichere und preiswerte Stromversorgung ist damit zu einer existentiellen Voraussetzung für die deutsche Stahlindustrie geworden. Die Entscheidungsunfähigkeit der Bundesregierung in der Energiepolitik und die weitere Verzögerung beim Bau von Kernkraftwerken gefährden in den nächsten Jahren Tausende von Arbeitsplätzen in der Edelstahlproduktion und in den hochspezialisierten Stahltechnologien.Wir unterstützen — lassen Sie mich darauf zurückkommen —, daß der Bund die Umstrukturierung bei Burbach-Röchling weiter fördert. Für diese Maßnahmen hat die saarländische Landesregierung rechtzeitig ein umfassendes und zukunftsorientiertes Entwicklungsprogramm vorgelegt.Bei der Abstimmung über die Vorlage haben wir uns im Haushaltsausschuß der Stimme enthalten, weil wir ohne Vorlage über 170 Millionen DM entscheiden sollten. Dieser Vorgang im Haushaltsaus-
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2180 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Borchertschuß war ein Zeichen dafür, wie diese Koalition mit dem Geld umgeht.
— Ich bedaure, daß ich sehr wenig Zeit habe; ich kann daher die Frage leider nicht zulassen. Aber Sie können gleich noch darauf eingehen.Wir müssen gleichzeitg feststellen, daß die Bundesregierung und die betroffenen Landesregierungen bisher kein Konzept zur Bewältigung der Stahlkrise in den anderen Regionen vorgelegt haben. Vielmehr versucht die SPD mit einer Doppelstrategie, die Untätigkeit der Bundesregierung zu verdekken. Hier würde ich auch die Ausführungen der Frau Kollegin Simonis zur Stahlindustrie einordnen.Die Bundesregierung verhandelt in Brüssel wie bisher unentschlossen und damit auch erfolglos. Die Milliardensubventionen in den Nachbarländern werden weiter gezahlt und damit unrentable Überkapazitäten weiter aufrechterhalten. Während der Bundeskanzler und auch der Bundeswirtschaftsminister nationale Subventionen ausschließen, fordert die SPD in den betroffenen Städten, z. B. in Bochum, unter Beteiligung der SPD-Wahlkreisabgeordneten einstimmig die Schaffung einer Ruhrstahl AG in öffentlicher Hand. Dies ist eine unerträgliche Doppelstrategie, die die Unsicherheit bei den Betroffenen weiter verstärkt und die Situation weiter verschärft.
Tausende von Arbeitnehmern werden die Zeche dieser Politik in den nächsten Jahren zu bezahlen haben. Ein ständiger Arbeitskreis der SPD, der sogenannte Liedtke-Arbeitskreis — leider ist der Kollege Liedtke im Augenblick nicht hier — fordert eine nationale Investitionsförderung und ein umfassendes Arbeitsförderungsprogramm für die betroffenen Regionen. In einem Gespräch im Bundeskanzleramt sollen dem Krupp-Betriebsrat und dem Bochumer Oberbürgermeister schnelle Hilfe signalisiert worden sein. Der Kollege Reuschenbach kündigt für die SPD-Fraktion ein Sonderprogramm für die Stahlstädte an, mit dem Investitionen gefördert und Arbeitsplätze außerhalb der Stahlindustrie geschaffen werden sollen. Dieses Programm, das der Herr Kollege Reuschenbach mit 100 Millionen DM veranschlagt, soll angeblich zur Jahresmitte 1981 anlaufen.Bei der Beratung des Einzelplans 09 stellt sich heute die Frage: Welche Maßnahmen plant nun die Bundesregierung für die Stahlindustrie? Welche Belastungen ergeben sich daraus für den Bundeshaushalt 1981, 100 Millionen DM oder mehr? Wo sind die Haushaltsansätze für diese Forderungen,
die von der SPD immer lautstark erhoben werden, Frau Simonis?
Meine Frage an die Kollegen der SPD ist, was sie nun eigentlich wollen. Handelt es sich bei den angeblich geplanten Maßnahmen um weitere punktuelle Eingriffe, mit denen man wie bisher an Symptomen kurieren will, ohne die Ursache der Stahlkrise zu beseitigen, oder sind es Beruhigungspillen, mit denen in durchsichtiger Weise von der Untätigkeit der Bundesregierung abgelenkt werden soll?
— Herr Kollege, ich erinnere Sie gern an die Ausführungen Ihrer Fraktion 1965/66. Damals haben Sie uns immer gesagt, die Regierung sei für die Probleme, die sie selbst geschaffen habe, auch selbst verantwortlich. Sie müsse versuchen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
— Herr Kollege Westphal, wir alle haben doch gerade im Ruhrgebiet in den vergangenen Jahren immer wieder von neuen Maßnahmen gehört. Eine Ruhrgebietskonferenz wurde von der anderen abgelöst. Mit gemeinsamen Programmen der Bundesregierung und der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sollten die verkrusteten Strukturen im Ruhrgebiet aufgebrochen und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.Was ist aus all diesen Plänen inzwischen geworden? Die Städte des Ruhrgebietes liegen mit einer Arbeitslosigkeit von über 7 % nach wie vor an der Spitze der Arbeitslosenskala. Mit umfangreichen Infrastrukturmaßnahmen sollte die Standortqualität im Ruhrgebiet verbessert werden.In der Dortmund-Konferenz wurde z. B. ein schneller Ausbau der Schleuse Henrichenburg zugesagt. Diese Maßnahme ist für die Standortqualität einer ganzen Region lebenswichtig. Während in Dortmund der Eindruck erweckt wird, daß mit dem Ausbau der Schleuse umgehend begonnen werde, sind im Bundeshaushalt nach wie vor nur Planungskosten angesetzt, und es ist völlig offen, wann die Bundesregierung Mittel für den Ausbau einplant.Die Reihe der angekündigten, aber nicht durchgeführten Maßnahmen ließe sich beliebig fortsetzen.Wie lange noch werden sich die Arbeitnehmer in den betroffenen Stahlregionen mit den Sprechblasen der SPD beruhigen lassen? Wenn diese Arbeitnehmer erkennen, meine Damen und Herren, daß diese Koalition außer vollmundigen Erklärungen nichts zu bieten hat,
dann wird diese Zeitbombe im Ruhrgebiet explodieren, und Ihnen von der SPD werden dabei die Fetzen um die Ohren fliegen.
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BorchertBisher hat die Bundesregierung ein Konzept zur Lösung der Strukturprobleme der deutschen Stahlindustrie nicht vorgelegt.
Herr Kollege Borchert, ich möchte den Kollegen Urbaniak nur informieren, daß Sie mitgeteilt haben, daß Sie Zwischenfragen wegen der Kürze der Zeit nicht zulassen können.
Bei diesem Konzept kann es sich aber nicht um punktuelle Eingriffe handeln, mit denen mal diesem, mal jenem Unternehmen geholfen wird, sondern die Umstrukturierung alter Industrieregionen muß in ein langfristiges Konzept eingebettet werden. Zu einem solchen Maßnahmenfächer gehört vor allem, daß die politisch bedingten Investitionsblockaden aufgehoben werden, Investitionsblockaden, mit denen Milliardeninvestitionen im Kraftwerksbau, im Wohnungsbau, im Verkehr und bei den modernen Kommunikationsmitteln blockiert sind.
Wir fordern die Bundesregierung auf, ein Konzept zur Bewältigung der Stahlkrise vorzulegen und die dafür erforderlichen Mittel auch im Haushalt auszuweisen. Durchsichtige Ablenkungsmanöver, wie sie jetzt stattfinden, lehnen wir ab. — Danke sehr.
Das Wort hat der Abgeordnete Reuschenbach.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das war j a nun wirklich eine erhebende zehnminütige Entdeckung des Herzens für das Ruhrgebiet; reichlich spät, mein Herr, muß ich sagen.
Wir haben hier, wie es bei der Regional- und Strukturpolitik oft geschieht, den Fall, daß von der Union zunächst ein Nein kommt, wenn sich am Horizont eine Notwendigkeit abzeichnet; und dann wird später auf den fahrenden Zug gesprungen.
Was Sie uns raten, ist in der Mache. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen darüber zu machen, daß da die Fetzen fliegen würden. Was für die Stahlwirtschaft nötig ist, wird die Bundesregierung tun; was nötig ist, werden die Koalitionsfraktionen hinzufügen und mit der Bundesregierung tragen und verantworten.
Wenn Sie allerdings die Verhältnisse an der Ruhr von 1966/67 mit den heutigen vergleichen, muß ich Ihnen folgendes sagen: Das war damals wirklich nicht nur selbst gemacht, sondern bewußt herbeigeführt. Wir haben in der vorigen Woche daran erinnert, daß der damalige Bundeswirtschaftsminister entrüstet aus dem Ruhrkohle-Haus hinauslief und sagte: Die Kohle wird mir das büßen. Daraufhin wurden die Schleusen für 01 geöffnet; daraufhin wurde der Bergbau in den Ruin getrieben. Das war das Hausgemachte. Was heute bei der Stahlindustrie zur Debatte steht — ein Hinweis auf Brüssel genügt —, ist so eindeutig internationale Arbeitsteiligkeit und ihre Folgen, daß jeder, der sagt, das sei eine hausgemachte Sorge, sich und andere täuscht. Die Bundesregierung hat das, was sie tun konnte, in der EG-Kommission und im Ministerrat weitgehend durchgesetzt.
Sie wird weiter daran arbeiten, Subventionsabbau in anderen Ländern herbeizuführen. Sie ist auch bereit, notfalls letzte Instrumente einzusetzen, obwohl Sie und wir uns doch völlig darüber im klaren sind, was diese letzten Instrumente, etwa die Ausgleichsabgabe, bedeuten: einen Handelskrieg heraufzubeschwören. Ich bitte Sie, sorgsam zu argumentieren, wenn Sie sagen, jetzt müßten die Kameraden in der Bundesregierung endlich einmal auf den Tisch hauen. Bevor man dies tut, sollte man lieber dreimal nachdenken, ob man diese Empfehlungen so radikal geben sollte.
Wir halten es in der Tat über die Klärung der europäischen Fragen hinaus für erforderlich, daß im Einzelfall Hilfen für die Modernisierung von Unternehmen gegeben werden, daß in den Regionen, die von drastischen Kapazitätsschnitten bedroht sind oder die schon mitten drinstehen, nach den Richtlinien des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zusätzliche Mittel gegeben werden. Wir sind der Auffassung, daß die zusätzliche soziale Flankierung da, wo das erforderlich ist, verstärkt und verbessert werden muß, wie wir das in einem Teil der Stahlwirtschaft schon erreicht haben.Es ist wirklich nicht erforderlich, daß man die saarländische Landesregierung und ihre Zusammenarbeit mit den Parlamenten so feiert. Sie hat sich ungewöhnlich einseitig an die Öffentlichkeit gewandt, ohne sich mit Parlamenten daheim oder hier auseinanderzusetzen, um darzulegen, was sie will und was sie für richtig hält. Daß die Bundesregierung da wie auch woanders schnell geholfen hat, spricht für sie. Sie haben keinen Grund, die Bundesregierung in dem Punkte zu tadeln, was immer Sie im übrigen auch von dieser Bundesregierung halten mögen. Das ist Ihr gutes Recht.Es ist auch Ihr gutes Recht, der Regierung auf die Finger zu schauen, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen zu kritisieren. Ich weiß aber nicht, ob es auch Ihr gutes Recht ist, mit einem Unterton von Triumph in der Stimme auf eine in der Tat besorgniserregende wirtschaftliche Lage hinzuweisen, ob Sie mit diesem Unterton des Triumphes in der Stimme nicht mehr Ihre eigene Position meinen als die Lage der Volkswirtschaft und die schlimme Lage auf dem Arbeitsmarkt.Ich finde es auch nicht sonderlich überzeugend, wenn Sie immer nachträglich sagen, was Sie angeb-
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Reuschenbachlich schon früher gewußt haben. Ihre simplen Rezepte waren in der Vergangenheit im Grunde zweierlei — heute ist ein bemerkenswerter Punkt dazugekommen —: Erstens: Mit der Gießkanne steuerliche Erleichterungen herbeiführen, mit der Gießkanne durchs Land ziehen.
— Nein, ich komme auf das, was besser ist, als mit der Gießkanne durchs Land zu ziehen.Zweitens. Die Verwirklichung Ihrer Empfehlung von vor zwei Jahren, die Steuerreform nicht erst 1981, sondern schon 1980 durchzuführen, hätte bedeutet, daß das, war wir jetzt an finanziellen Sorgen und Problemen haben, gegen das, was dann eingetreten wäre, eine relativ leicht zu bewältigende Aufgabe gewesen wäre.
Ihr in der Vergangenheit gegebener Ratschlag, auf 10 bis 15 Milliarden zusätzlicher Einnahmen schon 1980 zu verzichten, hätte das, was Sie jetzt kritisieren, dramatisch verstärkt.Heute ist mit bemerkenswerter Klarheit ein dritter Ratschlag gegeben worden, der auch schon früher kam, aber nicht so deutlich, nämlich: Einkommensreduzierungen bei den Arbeitnehmern. Nichts anderes besagte der Hinweis auf die „vernünftigen japanischen Gewerkschaften",
an denen sich die deutschen Gewerkschaften gefälligst ein Beispiel nehmen sollten.Das ist Ihre Dreierrakete: erstens steuerliche Erleichterungen, mit der Gießkanne in der Landschaft verteilt; zweitens noch einmal an dieser und an jener Ecke Subventionen erhöhen; drittens sollen die Arbeitnehmer Einkommensverluste hinnehmen bzw. die Gewerkschaften in den Tarifverträgen solche Einkommensverluste beschließen.
Ich bitte Sie, sich durch den Kopf gehen zu lassen, ob Sie dies gegenüber der Bevölkerung hierzulande wirklich aufrechterhalten wollen. Wenn Sie diesen Weg gehen, ist das Ihr Bier. Das ist nicht unser Weg!
Japanische Verhältnisse sind — insbesondere was gewerkschaftliche Tarifpolitik angeht — nicht unser Vorbild.
Sie haben beklagt, daß es internationale Vertrauenssorgen gebe, daß es in der Welt besorgte Fragen an die Politik der Bundesregierung gebe, insbesondere im Zusammenhang mit dem D-Mark-Kurs, mit der Kreditaufnahme usw. Ich muß Sie bitten, sich daran zu erinnern, daß Sie mit an der Auslösung einer Debatte und einer bestimmten Entwicklung des D-Mark-Kurses beteiligt waren. Da geht es um Ihre Glaubwürdigkeit. Es ist noch kein halbes Jahr her, da waren die Zeitungen voll von Anzeigen, in denenIhre Kolleginnen und Kollegen behaupteten, die nächste Währungreform sei schon terminiert, und es seien schon die neuen Geldscheine gedruckt. Da wurde gesagt: Bringen Sie schnell Ihr Geld ins Ausland, weil das Geld in der Bundesrepublik bald nur noch ein Zehntel wert ist. — Wenn Sie sich so verhalten, ist das Ihr Bier; aber Sie sitzen im Glashaus, wenn Sie jetzt mit Steinen werfen. Ihr eigener Beitrag zur Besorgnis wegen des D-Mark-Kurses ist nicht unerheblich; das haben Sie durchaus noch aufzuarbeiten.Herr Kiep, abgesehen von rhetorischen Glanzstückchen war Ihre Rede ein Lamentieren, aber kein Orientieren. In einer Lage, die in der Tat zu großer Besorgnis Anlaß gibt, ist es natürlich nicht schwierig, sie zu beschreiben, sie vielleicht auch noch ein Stückchen schwärzer zu malen. Das ist Ihr gutes Recht. Sie haben aber nicht hinzugefügt, was denn nach Ihrer Auffassung nötig ist, es sei denn, diese dreistufige Rakete, von der ich eben sprach, diese Rakete mit den Vorschlägen, die in Einkommensverzichte einmünden. Wenn Sie keine weiteren Orientierungen geben können, ist das ein bißchen wenig.Die Ursachenforschung damit enden zu lassen, daß die Bundesregierung weg müsse, daß eine andere Regierung nötig sei, womit die Probleme, die sich aus der internationalen Entwicklung ergeben, schon gelöst wären, ist doch — das muß auch Ihnen klar sein — nicht richtig; denn an anderer Stelle sagen Sie j a zu Recht, es komme weitgehend auf die internationale wirtschaftliche Entwicklung an.Zu all den Fragen, die etwas mit Haushalt und Kreditaufnahme zu tun haben, will ich noch eines hinzufügen. Auch im nachhinein halten meine Freunde und ich es für richtig, daß die öffentlichen Hände in den zurückliegenden Jahren Geld eingesetzt haben, um mitzuhelfen, die Lücke zwischen der privaten. wirtschaftlichen Tätigkeit und der eigentlich erwünschten wirtschaftlichen Entwicklung zu schließen.
Wer dies so kritisiert, wie Sie das hier tun, bewegt sich vom Verfassungsauftrag weg.
— Doch, durchaus! Ich wollte Ihnen gerade sagen, daß sich keiner von uns von dieser Politik absetzt. Da spreche ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion. Das war nötig, und es entspricht auch dem Verfassungs- und dem gesetzlichen Auftrag, daß der Staat seine Mitverantwortung wahrzunehmen hat. Sie sagen zwar immer „Markt, Markt!", aber in Wirklichkeit ist doch völlig klar — —
— Nein, überhaupt nicht. Wir sagen nicht „Staat,Staat", sondern wir sind der Auffassung, daß derStaat wie die Privaten jeweils zu ihrem Teil ihren
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ReuschenbachBeitrag zu einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen haben.
Wer nur nach der einen oder nach der anderen Seite kippt, bewegt sich von der Verfassung weg. Wer meint, „Markt, Markt!" bedeute keine staatliche Mitverantwortung, ist weiter weg von der Verfassung als derjenige, der sagt: Der Staat hat seine Mitverantwortung zu tragen.
Das Beispiel der Stahlindustrie dokumentiert Ihre Widersprüchlichkeit. Auf der einen Seite sagen Sie, daß der Staat aus allem die Finger lassen sollte, was die Wirtschaft betrifft, und auf der anderen Seite halten Sie es wie auch ich für richtig, daß in Regionen und Sektoren geholfen wird. Energiepolitik ist ohne den Staat undenkbar. Sie klagen immer die Bundesregierung an, daß sie nichts tue. In der Energiepolitik ist also der Staat aufgerufen, die Stahlindustrie ist genannt worden, und ich kenne eine Menge Ihrer Kollegen, die sagen, daß die Sozis bei der Textilindustrie bitte auch noch helfen müßten. Sie predigen Wasser und trinken Wein, wenn es um Marktwirtschaft und Staat und die Beziehungen zueinander geht. Wer es mit dem „nur Markt" ernst meint, nimmt eigentlich Abschied von der Politik; denn dann hätte Politik dort relativ wenig zu suchen.Sie haben gefragt, ob das nur für die Vergangenheit galt. Nein, nach unserer Auffassung gilt es auch für die Zukunft, daß der Staat seine Mitverantwortung wahrzunehmen hat. Daß dies bei der voraussichtlichen Haushaltsentwicklung seine Probleme mit sich bringen wird, liegt auf der Hand.
— Nein, wir haben keine Fehler gemacht, sondern die Weltwirtschaft
hat sich nicht so entwickelt, wie Sie und wie ich das wünschten. Daraus ergeben sich nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland, sondern für alle Industrienationen in der Welt Konsequenzen.
Das ist kein singuläres Ereignis. Sie sind ein singuläres Ereignis, wenn Sie meinen, es handle sich um eine hausgemachte Entwicklung. Diese Auffassung teilt niemand.
Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter zu?
Ja, wenn Sie so freundlich sind, mir das zeitlich gutzuschreiben, gern.
Wenn es sich auf eine kurze Frage beschränkt.
Herr Kollege, teilen Sie die Auffassung Ihres Kollegen Henning Scherf aus Bremen, der sich in dieser schwierigen Frage eindeutig zum Staatsmonopolkapitalismus bekannt hat?
Ich will hier nicht eine Debatte über Begriffe vom Zaune brechen; aber wenn er gemeint hat, daß in dieser schwierigen Lage — in manchen Sektoren mehr, in anderen Sektoren weniger — Staat, öffentliche Hände und Private und Unternehmen zusammenwirken müssen, um diese Schwierigkeiten zu überwinden, dann teile ich seine Auffassung, ohne mich in den Streit über Begriffe einzulassen. Ist das eine klare Antwort?
Diese Zusammenarbeit wird von Ihnen j a für richtig gehalten. Nur zum Zwecke des ideologischen Krieges sind Sie auf dem Wege, sich mit solchen Begriffen auseinanderzusetzen.
Ich weiß, daß Umschichtung nicht leicht ist, daß es leichter ist, vom Vorrang der Investitionen zu sprechen als sie herbeizuführen; dennoch ist dies ganz zweifellos die Aufgabe. Auf allen Seiten gibt es Bereitschaft, diesen Weg sorgfältig zu prüfen. Ich finde, statt Gewerkschaften zu beschimpfen, daß sie keinen angemessenen Beitrag, wie Sie sagen, zur wirtschaftlichen Entwicklung geleistet haben, sollten Sie Heinz Oskar Vetter loben, der in diesen Tagen gesagt hat: Wir sind bereit, uns mit allen, die dafür verantwortlich sind, an den Tisch zu setzen, um zu prüfen, was in den öffentlichen Haushalten möglich und nötig ist.
Sie sollten dies begrüßen.
Bei uns gibt es in der Tat Debatten über den künftigen Weg. Das stimmt, und da gibt es manchmal auch bei mir Zornesröte. Aber die Friedhofsruhe bei der Union bei den Diskussionen und Prüfungen des Weges in die Zukunft würde mir die Schamesröte ins Gesicht treiben, wenn ich da zu Hause wäre.
Ich habe den Eindruck, daß die Koalition wohl allein tragen muß, was da in der Zukunft nötig ist. Die Union hat außer Vorwürfen und Lippenbekenntnissen bisher nicht zu erkennen gegeben, wo ihre Vorstellungen sind. Wir werden unseren Weg da wohl allein zu gehen haben.
Ich denke, daß diese Arbeit und Aufgabe leistbar sind, und das werden wir in den nächsten Monaten unter Beweis stellen. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wissmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Reuschenbach, ich habe den Eindruck, Sie haben am heutigen Nachmit-
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Wissmanntag ganz im Unterschied zu Ihren gelegentlichen Einlassungen im Ausschuß Politik mit Polemik verwechselt. Sonst hätten Sie beispielsweise nicht sagen können, daß ein Kollege der Union die Forderung nach Einkommensreduzierungen der Arbeitnehmer sozusagen als wirtschaftspolitische Strategie dargestellt habe.
Was jedoch gesagt worden ist — und dazu stehen wir —, ist beispielsweise dies: Was kann die Bundesregierung bei aller Beachtung der Tarifautonomie tun, um etwa durch eine Entlastungsoffensive in der Vermögensbildung — bei der Förderung der freiwilligen betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung — dafür zu sorgen, daß es maßvolle Lohnentwicklungen als Voraussetzung einer vernünftigen Wirtschaftspolitik gibt?
Lieber Herr Kollege Reuschenbach, da hätten Sie sich in Ihren eigenen Reihen ein klein wenig umschauen sollen, beispielsweise bei den Damen und Herren vom linken Flügel Ihrer Fraktion oder auch bei den Jungsozialisten, die wörtlich erklären, individuelle Vermögensbildung sei eine Strategie zur Förderung -- so die Jungsozialisten — der kleinkapitalistischen Mentalität der Arbeitnehmer und führe dazu, daß die Grundwidersprüche des kapitalistischen Systems verschleiert würden. Vielleich ist das der Grund, warum es auch Graf Lambsdorff, obwohl er in dieser Frage sicher anders denkt, bis heute trotz aller Ankündigungen nicht geschafft hat, in der Vermögensbildung wenigstens den Schritt voranzukommen, den die CDU/CSU schon in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagen hat.
Ich schlage vor, lieber Herr Kollege, daß Sie in Ihren Reihen von der Polemik zur Sache kommen und etwa dazu beitragen, daß unsere konstruktiven Vorschläge, die wir schon in der letzten Legislaturperiode eingebracht haben, endlich auch umgesetzt werden.Aber, meine Damen und Herren, mir geht es noch um ein Weiteres. Graf Lambsdorff und manche der Kollegen hier halten in vielen Fällen durchaus wohlklingende Reden, nicht nur bei Unternehmertagungen, sondern gelegentlich auch in diesem Parlament:
gegen Bürokratisierung, gegen die Gefahr des Mangels an Innovationsfähigkeit, gegen den zunehmenden Kostendruck, ja gegen die Ursachen, die unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zunehmend unterhöhlen. Was die Reden anlangt, Graf Lambsdorff, haben wir nicht selten Grund, Gemeinsamkeiten festzustellen.
Nur, Graf Lambsdorff, Sie sind als Bundeswirtschaftsminister j a nicht mit der Funktion betraut, die Reden für die Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft zu halten, sondern Sie sind damitbetraut, aus Reden Handeln werden zu lassen. Dort, glaube ich, liegt das Problem Ihrer politischen Glaubwürdigkeit.
Da möchten wir Sie beispielsweise fragen: Was tun Sie denn gegen das Anwachsen der Staatsquote? Sie liegt jetzt bei über 47 %, sie lag im Schnitt der Jahre 1960 bis 1969 bei rund 36 %. Was tun Sie denn beispielsweise gegen den Tatbestand, den vor kurzem wieder die Industrie- und Handelskammer in Koblenz beschrieben hat, daß bei kleinen und mittleren Unternehmen die Bürokratisierungskosten inzwischen im Schnitt bis zu 3,5 % des Umsatzes ausmachen?
Was tun Sie denn dagegen, daß ein Gastwirt, wenn er eine Kneipe aufmachen will, heute in der Regel bei 21 Behörden vorstellig werden muß, um überhaupt die notwendige Genehmigung zu bekommen?Die Reden genügen nicht mehr. Wir brauchen jetzt Handlungen, Herr Minister. Und da können Sie uns nicht auf den nächsten Bundeshaushalt vertrösten, sondern Sie sollten jetzt sagen, was Sie tun wollen, und nicht irgendwann in der Zukunft.
Daher wären zwei Dinge unbedingt erforderlich — und ich frage Sie, Herr Minister: was wollen Sie hier tun? —: erstens ist eine Konzeption der Bundesregierung gegen die zunehmende Gesetzes-, Verordnungs- und Erlaßflut notwendig, die gerade auch die Wirtschaft trifft, aber ebenso den einzelnen Arbeitnehmer wie den Selbständigen. Und zweitens: Was wird eigentlich aus Ihren Ankündigungen zu einem Abbau der Investitionshemmnisse? Wo bleibt eigentlich das geschlossene Konzept des Wirtschaftsministers und der Bundesregierung, auch hier aus Reden Taten werden zu lassen?
Denn nur dann werden Sie in der praktischen Politik glaubwürdig werden.Ich glaube, Herr Minister, es täte gut, wenn Sie bei solchen und anderen Punkten endlich die Vorstellungen der CDU/CSU, wie sie beispielsweise in dem Entbürokratisierungsprogramm des Bundesvorstandes der CDU vom Dezember 1979 präzise vorgetragen wurden, aufnähmen, um damit zu zeigen, daß Sie auf die Opposition nicht nur dann zurückgreifen wollen, wenn es opportun erscheint, sondern auch dann, wenn sie ganz konkrete Vorschläge zu einer Veränderung der Verhältnisse gemacht hat.Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, hier noch eine weiteren Punkt anführen. Herr Minister Lambsdorff hat nach seiner Rückkehr von einer Japanreise ebenfalls klingende Reden gehalten. Er hat von der Gefahr eines Mangels an Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft gesprochen, von der Gefahr des Absinkens der Leistungsbereitschaft. Die Berichte über seine Reden standen unter der Oberschrift „Mehr arbeiten, weniger krankfeiern".Herr Minister, ganz abgesehen davon, daß ich manches von dem, was Sie dort gesagt haben, auf die
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WissmannFrage zurückführen möchte, was eigentlich die Regierung getan hat, um die vorhandene Leistungsbereitschaft breiter Schichten unseres Volkes wieder zu ermutigen,
möchte ich Sie fragen: Was haben Sie eigentlich getan, um aus Ihren Reden vom Sommer 1980 politische Konsequenzen werden zu lassen? Was haben Sie beispielsweise getan, um gerade jungen Leuten, die bereit sind, selbständig zu werden — im Handwerk, im Handel, überall sonst —, Mut zu machen, auch materiell Anreize zu geben, etwa entsprechend unserem Gesetzentwurf zur Förderung des Eigenkapitalansparens, um damit zusätzlich Möglichkeiten zu eröffnen?Herr Kollege Bindig, wenn die Sozialdemokraten an solchen Punkten über die Hürde ihrer ideologischen Voreingenommenheit springen könnten, um jungen Leuten Mut zu machen, würden sie einen Beitrag dazu leisten, daß die Basis der Sozialen Marktwirtschaft, die auch auf Selbständigkeit beruht, gestärkt und nicht ständig weiter geschwächt wird, auch in der praktischen Wirklichkeit.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen Punkt ansprechen, von dem ich sagen will, daß er sicher, selbstkritisch gesprochen, nicht nur den Bund betrifft, sondern durchaus zum Teil auch die Bildungspolitik in den Bundesländern. Müssen wir nicht alle, so möchte ich fragen, dafür sorgen, daß die Innovationsfähigkeit gerade auch in der Auseinandersetzung mit den Japanern und zunehmend wahrscheinlich auch mit den Amerikanern dadurch wieder gestärkt werden kann, daß die technischen Berufe in unserem Volk stärker als bisher wieder Zuspruch finden?Wenn ich mir anschaue, daß ein Bewerber im Maschinenbau heute im Schnitt vier Stellen zur freien Auswahl hat, während bei den Soziologen 36 Bewerber um eine offene Stelle anstehen, dann frage ich mich: Müssen wir nicht alle gemeinsam in der Gesellschafts- und Bildungspolitik dafür sorgen — etwa auch bei der Korrektur der Oberstufenreform —, daß technische Fächer, daß mathematische Fächer, daß Physik und Chemie wieder den Stellenwert bekommen, den sie im Interesse gerade auch der jungen Generation und ihrer Zukunft bekommen müssen?
Ich glaube, da haben wir alle etwas zu verändern, nicht nur die Bundesregierung, sondern Bund und Länder gemeinsam.Lassen Sie mich deswegen zum Schluß meiner knappen Redezeit folgendes sagen. Ich meine, die Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung, des Wirtschaftsministers und aller derjenigen, die zur Wirtschaftspolitik hier geredet haben, bemißt sich nicht nach der Qualität ihrer Reden, sondern bemißt sich danach, ob sie bereit sind, die Grundgedanken der Sozialen Marktwirtschaft — Selbständigkeit, Eigentum, persönliche Initiative, Leistungsbereitschaft und Wettbewerb — nicht nur bei gelegentlichen Re-den im Munde zu führen, sondern durch konkrete Taten wirklich ein Zeichen dafür zu setzen, daß man sie ernst nehmen kann, daß man nicht nur gelegentlich wohlklingende Reden hören muß. Sie sollten endlich die Praxis Ihrer Politik korrigieren.
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte zunächst den Anlaß benutzen, um mich in zweierlei Richtung zu bedanken: erstens bei der Oppositionsfraktion dafür, daß sie mit daran geholfen hat, daß heute die Debatte über den wirtschaftspolitischen Bereich stattfinden kann, weil am Donnerstag, für den diese Debatte ursprünglich vorgesehen war, in Luxemburg der Ministerrat in Stahlfragen tagt und ich daran teilnehmen muß.Zweitens möchte ich mich bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses bedanken, die den Etat des Bundeswirtschaftsministers mit großem Verständnis behandelt haben. Dabei habe ich die erfreuliche Erfahrung gemacht, daß es sich nicht schlecht ausgezahlt hat, von vornherein keine übertriebenen Ansprüche anzumelden. Viele meinen j a, wenn sie das vorher tun, werden sie hinterher erst recht gerupft. Wenn Frau Simonis meinte, es sei noch allzu viel im Einzelplan 09 enthalten, dann hätte sie fleißiger suchen und noch etwas herausholen sollen. Aber sie hat dort eben nicht sehr viel gefunden. Meine Haltung entspricht der Grundauffassung, die schon meine Amtsvorgänger praktiziert haben, daß das Bundeswirtschaftsministerium auch in seiner Haushaltsgestaltung eine Politik zu betreiben hat, die in die allgemeine Landschaft und in die Notwendigkeiten der Finanzpolitik des Bundes hineinpaßt. Ich habe die Absicht, auch in Zukunft daran festzuhalten.Beim Thema Stahl, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wir auch gleich mitten in dieser Diskussion. Da ich mich ebenfalls an die Redezeit halten will, muß ich versuchen, dies ganz kurz zu machen. Ich will zum Thema Saar nicht sehr viel mehr sagen als das: Es lohnt sich nicht zu streiten, wer wofür und weswegen zuständig gewesen ist, um etwas zu genehmigen, wer sich der Stimme enthalten oder etwas losgeeist hat. Wir sind uns einig darüber, daß das, was 1978 an der Saar begonnen worden ist, fortgesetzt und zu einem vernünftigen Ende gebracht werden muß. Wir sind in Schwierigkeiten geraten. Wir haben dieses Programm aufstocken müssen. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte, gerade weil der Finanzminister des Saarlandes bei dieser Debatte zuhört, vier Bemerkungen zu diesem Thema machen.
— Er ist schon nicht mehr da; dann wird es ihm jemand sagen oder er wird es lesen oder die Kollegen aus dem Saarland werden es ihm berichten.
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Bundesminister Dr. Graf LambsdorffVier Dinge, glaube ich, müssen noch beachtet werden, wenn wir dieses Programm zu Ende bringen wollen.Erstens: Die Eigenleistungen des Unternehmens müssen weiter verstärkt werden.
Zweitens: Das Saarland muß in stärkerem Maße seinen Risikoanteil übernehmen.
Drittens. Im Unternehmen selber muß die Kosteneinsparung erheblich stärker werden.Viertens — da bitte ich ebenfalls um Zustimmung, meine Damen und Herren —: Die Arbeitnehmer müssen einen größeren Teil leisten, als das bisher der Fall gewesen ist.
Es kann nicht richtig sein, daß von 750 Millionen DM an öffentlichen Mitteln in Form von bedingt rückzahlbaren Zuschüssen 300 Millionen DM für die Finanzierung von Sozialplänen ausgegeben worden sind. Dies ist zu Lasten des Steuerzahlers undenkbar, und es ist auch undenkbar, was die Sicherheit der verbleibenden Arbeitsplätze anbelangt, die nun, wie wir sehen, schon wieder ohne Liquidität sind und deswegen bei der Bundeskasse antreten müssen. Ich mache diese Bemerkung sehr ausdrücklich auch in Richtung auf andere Stahlprobleme, die uns noch vor der Tür stehen.
Abfindungssummen in Sozialplänen in Höhe von 70 000 DM für einen Lohnempfänger, 80 000 DM für einen Tarifangestellten und bis zu 200 000 DM für einen außertariflichen Angestellten sind nicht zu Lasten der öffentlichen Hände finanzierbar.
Ich komme zum Gesamtstahlproblem. Herr Kollege Borchert, zunächst einmal vielleicht die Bemerkung — ist er noch hier?
— ja, er ist noch da —: Sie müssen sich ein bißchen besser mit Ihren Parteifreunden in Nordrhein-Westfalen abstimmen; denn wenn Herr Biedenkopf an die Adresse der dortigen Landesregierung erklärt: Der einzige, der ein Konzept für unsere Stahlprobleme hat, ist der Bundeswirtschaftsminister, und ihr habt keines, können Sie nicht gut hier antreten und mir sagen, wir hätten kein Konzept.Herr Borchert, insofern bin ich dankbar, daß Sie keine Gelegenheit gehabt haben, Frau Simonis Nachhilfeunterricht in Marktwirtschaft zu geben, den sie brauchte, aber nicht von Ihnen;
denn wenn Ihre erste Frage ist: Wo sind denn die Pläne der Bundesregierung für die Umstrukturierung der Stahlindustrie?, dann ist die Frage falsch. Die Frage muß heißen: Wo sind die Pläne der Unter-nehmen für die Umstrukturierung der Stahlindustrie?
Hier sage ich genau dasselbe, was ich den Vertretern aus Dortmund gesagt habe. Das sind übrigens sehr eindrucksvolle Kollegen. Darf ich einigen der Sozialdemokraten sagen: Die Sozialdemokraten, die da aus den Betriebsräten von Hoesch kommen, das sind so die, die ich von früher her noch kenne. Die liegen mir mehr als manche andere.
Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen sagen: Der Betriebsratsvorsitzende von Hoesch/Estel ist ein Klasse-Mann. Der hat mit der Faust auf den Tisch geschlagen, ich auch, und dann haben wir uns gut vertragen. Zu dem Thema muß ich nur sagen, meine Damen und Herren — —
— Die gibt es ja nun ausgerechnet in dem Bereich, Herr Reuschenbach, wegen Ihres Widerstandes bei der Montanmitbestimmung nicht. Ich sage nicht, daß deswegen dort dann alles besser wäre, aber ich halte es für notwendig.Meine Damen und Herren, ich bin durchaus der Meinung, daß wir uns sehr ernsthaft zu überlegen haben, wie und wo wir helfen können. Aber es muß zunächst einmal der Plan des Unternehmens auf den Tisch, bevor wir uns Haushaltsansätze und Finanzierungsansätze überlegen können.
Ich kann doch nicht aus der Zeitung entnehmen, Herr Borchert, daß Hoesch 1,6 Milliarden braucht, und dann dem Finanzminister sagen: Rechne einmal auf der Basis dieser Zeitungsnotiz aus, wieviel du davon aus der Kasse nehmen kannst.
So geht es nicht. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß es kritikwürdig ist, daß einige auch aus diesem Hause von Ort zu Ort und von Hochofen zu Hochofen ziehen und dort Erklärungen und Versprechungen abgeben, die ihnen der Finanzminister nicht honorieren kann.
Worauf es aber in den nächsten Tagen und Wochen entscheidend ankommt, ist, daß wir in Europa Ordnung schaffen. Frau Simonis, dies ist ein Musterbeispiel dafür, daß die Unternehmen sich vor Schwierigkeiten gestellt sehen, die ihnen nicht die deutsche, aber die europäische Politik durch die elende Subventioniererei der ausländischen Wettbewerber aus den Staatskassen dieser Länder beschert hat. Was soll denn ein Unternehmen dagegen anstellen?
Damit können die besten Unternehmen, die besten Vorstände und die besten und mitbestimmten Aufsichtsräte nicht fertig werden, wenn allein in einem Jahr 25 Milliarden DM für British Steel aus der Kasse der Chancellor of the Exchequer bereitge-
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Bundesminister Dr. Graf Lambsdorffstellt werden. Da muß Schluß sein, da muß aufgehört werden. Ich sage auch an dieser Stelle noch einmal: Wir erwarten von der Europäischen Kommission, daß sie ihre im Vertrag begründete Pflicht wahrnimmt, unsere Unternehmen vor vertragswidrigem Wettbewerb zu schützen, notfalls auch durch Maßnahmen an den deutschen Grenzen, die nicht wir national zu verhängen haben — das wäre ein Vertragsbruch —, sondern zu denen die Kommission notfalls berechtigt, aber auch verpflichtet sein kann.
Darum wird es auch übermorgen im Stahlrat gehen.Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen noch einmal versichern, wir werden die Stahlprobleme nicht aus den Augen verlieren. Wir kennen nun die Probleme. Wir sind für die europäische Lösung. Wir sind für Eurofer II. Wir finden es unerfreulich, daß es ein deutsches Unternehmen ist, das das Zustandekommen — ich sage leise — „freiwilliger" Vereinbarungen behindert. Ich wäre sehr dankbar, wenn ich auch von der Arbeitnehmerseite aus den Aufsichtsräten dieser Unternehmen die notwendige Unterstützung erfahren könnte, daß hier das Erforderliche getan wird. Soviel zum Thema Stahl.Auch das Thema Stahl wie überhaupt die Wettbewerbsfragen hängen mit dem zusammen, was heute die „Süddeutsche Zeitung" mit der Überschrift betitelt „Brutaler Verteilungskampf der Völker", und zwar national wie international. Protektionismus, beggar-my-neighbour-policy, zunehmendes Elend der Entwicklungsländer sind einige internationale Stichworte. Verhärtete Einkommenspolitik, verschärfte Tarifrunden, sozialpolitische und Haushaltsprobleme sind nationale Stichworte einer solchen Entwicklung. Machen wir einmal die Rechnung auf, die gewiß theoretisch ist und noch einen Korrekturfaktor eingebaut bekommen müßte, die aber die Größenordnung ahnen läßt, die Rechnung nämlich, die da besagt: Wenn die Ölpreise so geblieben wären, wie sie 1972 waren — das hätte man j a vernünftigerweise nicht haben können; nur um das Bild der Veränderung aufzuzeigen, der wir unterworfen worden sind, trage ich Ihnen diese Rechnung vor —, dann hätten wir 192,5 Milliarden DM weniger für Ölrechnungen in diesen Jahren bei geringeren Mengen, die wir importiert haben, bezahlen müssen. Die sind weg und stehen nicht mehr zur Verfügung. Dies ist der eigentliche Hintergrund dessen, warum in aller Welt und auch in der Bundesrepublik Deutschland national und international alles schwieriger, verhärteter und komplizierter wird und warum sich die Auseinandersetzungen notgedrungen verschärfen müssen.
— Wir sagen gar nicht, daß wir über Ölverschuldung finanzieren können. Bitte unterscheiden Sie doch bei der Argumentation des Bundesfinanzministers, daß er sagt: Das Leistungsbilanzdefizit kann ich zu einem gewissen Ausmaß für eine gewisse Zeit durch Kreditaufnahme im Ausland finanzieren. Ich kann es ja nicht durch Kreditaufnahme im Ausland zu-rückführen. Davon redet doch kein Mensch. Zwischen der Zuführung von Liquidität und dem Abbau von Schulden ist bekanntlich ein Unterschied, und zwar sogar ein ziemlich wichtiger.Aber dies zeigt sich auch im Haushalt des Bundes, und dies wird sich auch in den nächsten Jahren zeigen. Auf der Grundlage dieser Situation und mit diesem Hintergrund werden die Gespräche für den Haushalt des Jahres 1982 geführt.Es ist heute noch einmal über den Zeitablauf gesprochen worden. Es ist doch völlig erlaubt darüber zu diskutieren, ob man einen möglichst späten Termin wählt, um die wirtschaftlich voraussehbaren Daten des Haushaltsjahres besser in den Griff zu bekommen — das hätte für einen Termin im September oder Herbst gesprochen — oder ob man sagt: Wir müssen die Entscheidung angesichts der bedrängten Lage — sehen Sie sich die Kapitalmärkte an! — früher treffen und dadurch Vertrauen und Beruhigung schaffen. Das ist doch eine völlig erlaubte Diskussion. Ich verstehe nicht, warum darüber eine solche Aufregung entbrennen kann.Inzwischen ist entschieden worden, daß sich Regierung und Koalition unmittelbar nach dem Weltwirtschaftsgipfel in Ottawa am 21. und 22. Juli 1981 zusammensetzen werden, um die politischen Entscheidungen, die für diese Haushaltsgestaltung notwendig sind, zu treffen, damit im September im Kabinett die formalen und formellen Entscheidungen gefällt werden können. Für diese Entscheidungen muß eine Weile gearbeitet werden. Da muß man eine Abstimmung zwischen den Ressorts haben, da muß man mit den Betroffenen sprechen. Dies alles geht ja nicht über Nacht. Aber ich glaube, es ist richtig, diese Zeitfolge zu wählen, weil das Moment des Vertrauens für die internationalen Kapitalmärkte — nicht nur für den der Bundesrepublik — wichtig ist. Es ist auf den Bundesbahntender hingewiesen worden. Die Nervosität ist doch in der ganzen Welt spürbar, nicht etwa nur in der Bundesrepublik Deutschland.Wer von unseren zu hohen Zinsen und im gleichen Zusammenhang vom Mangel an Stabilität spricht, dem muß ich folgendes sagen. Die Preissteigerungsrate liegt bei 5,5 %. Wir haben heute in der Bundesrepublik einen Realzins von 7, 8 oder 9 %. Das ist natürlich eine völlig ungewöhnliche Höhe, die nur darauf zurückzuführen ist, daß das Zinsangebot in den Vereinigten Staaten bei 18 % liegt und außerdem der Dollar — weil es dort kein Leistungsbilanzdefizit gibt — eine aufwertungsverdächtige Währung ist, was die D-Mark zur Zeit nicht mehr ist. Dies sind die geänderten finanzwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Hintergründe, die uns vorgegeben sind und vor denen wir unsere Politik betreiben müssen.Dazu gehört, gerade was die Kapitalmärkte anlangt, die Frage des Kollegen Kiep im Hinblick auf die Anleihe, die durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau aufgenommen werden soll. Herr Kiep, ich habe dem Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank die Lage eingehend erklärt. Die Bedenken gegen die damit verbundene Zinssubvention, die ordnungspolitisch gerechtfertigt sind und von mir nicht
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Bundesminister Dr. Graf Lambsdorffbestritten werden — ich habe dies, auch öffentlich, als einen einmaligen Ausnahmefall bezeichnet —, sind dort aufrechterhalten worden. Die Konditionen sind nicht bezweifelt worden. Die Aufnahme nicht nur in den arabischen Ländern, sondern auch woanders ist in Ordnung. Ich kann Ihnen berichten, daß innerhalb des Programms, das am 1. Juni 1981 angelaufen ist, bisher schon 310 Anträge mit einem Kreditvolumen von insgsamt 400 Millionen DM gestellt worden sind. Davon entfallen allein 300 Anträge auf mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 200 Millionen DM. Wir werden dieses Programm fahren. Ich habe allerdings der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Abstimmung mit dem Finanzminister — wir sind nämlich Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates — von Anfang an gesagt, bei der Aufnahmepolitik vorsichtig zu sein und nach Möglichkeit Aufnahme und Abruf der Kreditmittel deckungsgleich zu halten um sich nicht in ein unnötiges Finanzierungs- und Zinsrisiko zu stürzen.
— Die Prüfung läuft. Es wird vielleicht 14 Tage oder vier Wochen dauern. Ich kann das aber nicht im einzelnen sagen. Es läuft völlig normal. Wir bemühen uns, das so unbürokratisch und so schnell wie möglich zu machen.Zum Haushalt 1982 hat Herr Grobecker heute morgen an den Kollegen Hoppe die Bemerkung gerichtet, soziale Sicherheit habe für ihn und seine Freunde den gleichen Rang wie äußere Sicherheit. Hier soll überhaupt niemand im Zweifel gelassen werden, daß auch für die Bundesregierung und für die Koalitionsparteien — sicherlich für beide, jedenfalls für die Freie Demokratische Partei — die soziale Sicherheit einen außerordentlich hohen Wert hat. Soziale Sicherheit beruht aber auf wirtschaftlicher Leistung und solider Finanzierung. Unsolide finanzierte soziale Sicherheit bricht zusammen und ist schlimmer als alles andere.
In diesem Sinne hat sich der Bundesaußenminister am vergangenen Wochenende dahin gehend geäußert, daß auch die Leistungsgesetze von einer Überprüfung nicht ausgenommen werden können. Daß das selbstverständlich auch Subventionsgesetze umfaßt und daß es überhaupt kein Tabu geben darf, halte ich für ganz unbezweifelbar. Ich schließe mich all denen an, die hier und heute sagen: Es darf nicht sein, daß jetzt jeder sein Heiligtum in die Öffentlichkeit trägt und sagt, damit dürfe überhaupt nichts passieren. Damit würden Positionen aufgebaut, von denen keiner mehr herunterkommt. Damit würde man sich gegenseitig handlungsunfähig machen und vieles blockieren. In diesem Bereich darf es keine Tabus geben.Ich möchte mich nicht an einer Politik beteiligen, die der Öffentlichkeit etwas vormacht, woran ich jedenfalls nicht glauben kann. Es wird sehr, sehr schwer sein, ein System, das j a dazu aufgebaut worden ist, den Beziehern kleiner und mittlerer Ein-kommen vernünftigerweise zu helfen, so einzuschränken, daß nicht die Bezieher dieser Einkommen auch die relativ stärker Betroffenen sein werden. Es geht nicht um ein paar hundert Millionen, sondern es geht, wenn ich es richtig sehe, um Milliarden. Es geht dabei durchaus auch um die Möglichkeit — das ist schon gesagt worden —, die Berlin-Förderung zu erörtern. Ich darf aber den beiden Kollegen, die es für richtig gehalten haben, eine Debatte über die Berlin-Präferenzen im Deutschen Bundestag anzufangen, sagen, daß ich dies für das Unsinnigste halte, was man im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin und die dortigen Arbeitsplätze öffentlich tun kann.
Meine Damen und Herren, das Defizit unserer Leistungsbilanz, das auch in diesem Jahr noch sehr groß sein wird, verstärkt natürlich durch die abgewertete Deutsche Mark und die damit unmittelbar teurer werdenden Ölrechnungen, weist aus, daß wir— lassen Sie mich das schlicht so sagen, auch wenn es mancher nicht gerne hört — in den vergangenen Jahren über unsere Verhältnisse gelebt haben.
Dies kann man ja wohl sagen, ohne sich damit gleich selbst einen Vorwurf zu machen; denn auf die explosionsartig gestiegenen Ölrechnungen gibt es von heute auf morgen keine Antwort. Auch der Hinweis, Herr Kiep, wir hätten schon 1973 oder 1974 mit dem Bau des Kernkraftwerks Brokdorf anfangen sollen, hätte zu einer Entlastung zum heutigen Zeitpunkt überhaupt nichts beigetragen, denn es wäre auch heute noch nicht fertig.
— Wir brauchen uns über die Grundfrage nicht zu streiten. Sie, Herr Kiep, werden bei Ihren Hamburger Vorstellungsgesprächen . durchaus noch Gelegenheit haben, das Thema Brokdorf zu vertiefen.
Herrn Glos darf ich nur sagen: Wenn ich in Grafenrheinfeld gewußt hätte, daß jemand neben mir steht, der gegen dieses Kernkraftwerk ist, dann hätten Sie erleben können, daß ich etwas dazu gesagt hätte. Sie können mir in manchen Fällen vorwerfen, ich hielte den Mund auch dort, wo man besser etwas sagen würde, aber auf diesem Gebiet würde ich es nicht tun.
— Sie hätten besser in Schweinfurt nicht im Café sitzen sollen. Sie wären besser gekommen, hätten zugehört — ich habe Sie ja gesehen —, hätten mir einen Zettel hinaufgereicht und gesagt: Der dort ist gegen das Kernkraftwerk; sagen Sie ihm einmal etwas. — Sie können sich darauf verlassen: ich hätte es getan.
— Bis dahin ist es fertig, steht es; dann ist die Aufregung vorbei.
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Bundesminister Dr. Graf LambsdorffWenn wir diese Leistungsbilanzverhältnisse ändern wollen, wenn wir den Tatbestand ändern wollen, daß wir über unsere Verhältnisse gelebt haben, stellt sich die Frage: Wie ist das möglich, wie kann man das ändern? Man kann es nur auf zweierlei Weise ändern: entweder dadurch, daß man mehr leistet, mehr erarbeitet, oder dadurch, daß man sich einschränkt. Andere Möglichkeiten sehe ich nicht.
Auf Dauer kann man nicht auf Kredit leben; keiner will das, keiner kann das.
Was die Frage der Leistung betrifft, so ist es natürlich interessant, ganz kurz auf einige Bemerkungen einzugehen, die Sie, Frau Simonis, gemacht haben. Ich habe kürzlich in einem Gespräch mit englischen Journalisten den, wie ich fand, ganz erheiternden Ausspruch gehört: The Germans have become more lazy and by that more agreeable, also: Die Deutschen sind ein bißchen fauler und damit aber auch etwas angenehmer geworden. — Ich glaube, daß dahinter manches Wahre steckt. Die Frage ist nur, wie lange und wie weit wir uns das leisten können und ob nicht unsere Leistungsbilanz ausweist, daß wir uns so viel angenehmer zu werden vielleicht doch nicht leisten können.
Frau Simonis, lassen Sie mich auf einen Punkt Ihrer Ausführungen eingehen; ich hoffe, es war nur ein Versprecher. Ich bin mit Ihnen darin einig, daß wir Ost-Bayern nicht vernachlässigen dürfen. Ich bin für regionale Wirtschaftspolitik immer gewesen. Ich halte die neue Lösung der Gemeinschaftsaufgabe für eine gute Sache, übrigens auch für eine gelungene Bewährungsprobe des föderativen Systems, gelungen deshalb, weil die Konzentration auf weniger Fördergebiete erreicht ist. Ich füge in Klammern hinzu: Vielleicht ist sie nur deshalb gelungen, weil wir das Geld gekürzt haben. Nun gut!Frau Simonis, Sie haben gesagt — darin stimme ich Ihnen zu —: Wir wollen nicht Ost-Bayern, Teile Schleswig-Holsteins oder das Zonenrandgebiet kaputtgehen lassen. Aber dann haben Sie erklärt: Diese Gebiete dürfen doch nicht deswegen kaputtgehen, weil sie keine Leistung erbringen können oder wollen. — Hier unterscheiden wir uns.Meine Damen und Herren, demjenigen, der keine Leistung erbringen kann, muß unsere Gesellschaft helfen.
Wer keine Leistung erbringen will, dem muß unsere Gesellschaft nicht helfen.
Ich bin, meine Damen und Herren, Liberaler. Ich binals Liberaler einverstanden damit, wenn jemand al-ternative Lebensformen wählt, wenn jemand aus-steigt. Aber ich bin nicht damit einverstanden, daß derselbe, der für die Gesellschaft nichts leisten w i 11, die Leistungen dieser Gesellschaft für sich in Anspruch nehmen will, wenn er meint, daß das notwendig sei.
Frau Simonis, was das Rotieren des verehrten Professors Eucken anlangt: Ich will einmal Ihre Unternehmerhäme beiseite lassen; ich weiß nicht, ob wir an denselben Unternehmer denken. Wenn ich von Unternehmern und unternehmerischer Freiheit und unternehmerischer Aktivität spreche, dann denke ich nicht an die Vorstandsvorsitzenden großer Gesellschaften, sondern an die Hunderttausende von kleinen und mittleren Unternehmen, die täglich ihr eigenes Risiko zu tragen haben, die täglich dafür geradezustehen haben.
und bei denen niemand kommt und sagt: Wenn ihr Konkurs macht, werde ich euch helfen. Ich finanziere euch Sozialpläne, Ihr dürft nicht pleite gehen, weil ihr zu viele Leute beschäftigt. — Das passiert ja alles nur bei den Großen. Aber was das Rotieren von Altvater Eucken angeht, so hatte ich manchmal den Eindruck, daß bei Ihnen doch ein bißchen viel vom Kloseschen Reparaturbetrieb des Kapitalismus in Form der Sozialen Marktwirtschaft drin war.
— Ja, aber Frau Simonis, immer dann kommt diese Klose-Formulierung, wenn durch Eingriffe des Staates Markt und Marktwirtschaft beseitigt worden sind. Meine Position ist die: Wo zu wenig Markt besteht, wollen wir zunächst einmal versuchen, wieder mehr Markt herzustellen. Nur wenn das nicht geht, sollten wir versuchen, durch Staatseingriffe zu anderen Regelungen zu kommen.
Auf die Dauer, meine Damen und Herren, wird der Finanzminister einer solchen Linie, der er j a in vielen Fällen auch schon beigepflichtet hat, folgen müssen, selbst wenn er nicht wollte, weil er andere Politik überhaupt nicht finanzieren kann.Meine Damen und Herren, ich komme zurück zum Thema: Wer die Leistungsbilanzprobleme abbauen will, muß entweder mehr leisten oder sich einschränken. Japanische Beispiele hin, japanische Beispiele her — ich stimme Herrn Reuschenbach ja zu; ich will ja nicht leben wie in Japan; ich kenne das Land einigermaßen; gut kennen kann man es, glaube ich, nicht —, aber eins sehe ich: Die Produktivitätsentwicklung in Japan pro Mann und Stunde betrug in den Jahren 1973 bis 1979 plus 4,1 %, bei uns plus 4,8 %. In den Jahren 1977 bis 1979 betrug sie in Japan plus 7,8 %, bei uns plus 3,9 %. 1980 belief sie sich in Japan auf plus 8 %, bei uns auf plus 1 %. Have the Germans become too lazy and too agreeable? Das ist die Frage, meine Damen und Herren. Können wir uns dann die Gesellschaft leisten, in der wir leben wollen, alle miteinander, in der wir auch so-
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Bundesminister Dr. Graf Lambsdorffziale Gerechtigkeit wollen und diese verteidigen wollen? Aber das geht doch nur auf dem Hintergrund einer leistungsfähigen Wirtschaft in einem Lande, das nichts hat als die Intelligenz seiner Köpfe, die Leistungsfähigkeit seiner Arbeitnehmer. Es hat keine Rohstoffe, keine Energie, keine Naturschätze. Alles müssen wir uns erarbeiten; ohne Leistung ist es doch nicht zu machen.
Ich hoffe, daß Parlamentarier und Minister da nicht grundsätzlich unterschiedlicher Auffassung sind.
— Ich komme noch zu den „schönen Reden".Zu der Frage des Einsparens, meine sehr verehrten Damen und Herren: Einsparen wäre die zweite Möglichkeit.Lassen Sie mich aber erst noch auf die „schönen Reden" und auf das Japan-Thema zurückkommen.
Die schlimmsten Beschimpfungen, Herr Wissmann— nicht weil ich gesagt hätte, die deutschen Arbeitnehmer seien faul; ich habe das nicht gesagt; das wissen Sie ja auch
—nein, aber von Herrn Geißler habe ich dieses Zitat gehört, Monate später —, sind von Herrn Geißler gekommen; das wissen Sie auch.
Meine Damen und Herren, dies ist doch ein Musterbeispiel dafür, wie man in der Bundesrepublik Deutschland aus einem kontroversen Thema schließlich eine rationale und allseits akzeptierte Diskussion machen kann. Natürlich bin ich damals beschimpft worden — ich verstehe j a auch, daß das unangenehm anzuhören war, ich habe j a nichts gegen die Beschimpfungen —, aber heute ist das doch ein Thema, das in jedermanns Munde ist, in jeder Fernsehsendung, in jeder Zeitung wird darüber gesprochen bzw. geschrieben. Die Problematik ist doch begriffen; das reicht mir. Dafür mag mich doch jemand ein paar Wochen lang beschimpfen; das ist mir vollständig gleichgültig.
Wollen wir uns über all die Ursachen unterhalten, über das, was wir in den letzten 15 oder 20 Jahren gemacht haben? Fangen wir mit der arbeitsrechtlichen Lösung der Lohnfortzahlung an, der Sie zugestimmt haben.
Es gibt eine ganze Menge, hinsichtlich dessen wir aufhören sollten, mit dem Finger immer auf den anderen zu zeigen; denn da zeigen immer vier Finger auf einen selber zurück.Die zweite Möglichkeit des Einsparens heißt: mehr leisten. Als ich im Dezember die eben von Herrn Haussmann erwähnte Rede hielt, Herr Kiep, ist mir aus den Reihen Ihrer Partei vorgeworfen worden, ich riefe zur Hatz auf Arbeitslose auf. Das war schon mehr, als man hinnehmen und ertragen kann. — Sie schütteln den Kopf. Ich sage Ihnen: Es war Herr Scharrenbroich von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Heute, sechs Monate später, spricht man davon, daß Wildwuchs und Mißbrauch beseitigt werden müssen; diese Stichwörter sind schon selbstverständlich und werden landauf, landab nur von wenigen bestritten.Allerdings habe ich die Befürchtung, meine Damen und Herren, daß diese beiden Stichwörter jetzt mit einer Alibifunktion bedacht werden und für eine Alibidiskussion herhalten müssen. Mit dem Abbau von Mißbrauch und Wildwuchs — „Wildwuchs" würde ich gern herauslassen, weil man sich darüber streiten kann, was das ist; da gibt es große Definitionsschwierigkeiten; „Mißbrauch" ist einfacher — werden wir vielleicht ein paar hundert Millionen einsparen. Demgegenüber geht es bei dem Bemühen, den Haushalt 1982 in eine vorzeigbare Form zu bringen, wahrscheinlich um zweistellige Milliardenbeträge. Jeder, der darüber redet, muß sich über die Schwere der Aufgabe, die da vor uns liegt, klar sein.
Ich bestreite überhaupt nicht — ich habe das im Dezember gesagt, Frau Simonis —, daß in vielen dieser Regelungen Mitnehmereffekte sind, auch für Unternehmen und Unternehmer. Insbesondere die Regelung für die 59jährigen ist auf das schmählichste ausgenutzt worden. Es gibt gedruckte Leitfäden darüber, wie man das System des Arbeitsförderungsgesetzes durch Unternehmen und Unternehmer ausbeutet und mißbraucht. Nur: Wir haben die Gesetze geschaffen, um ihnen das zu ermöglichen.
Dies — meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal — hat der Vorsitzende der Freien Demokraten gemeint, als er das Thema ansprach.Nun noch einige ganz kurze Bemerkungen zu den Diskussionsbeiträgen der Herren Glos und Wissmann.Herr Glos, ich betrachte das, was wir zur Wohnungsbauwirtschaft gesagt haben, als einen ersten zaghaften, mich allerdings noch nicht befriedigenden Schritt in die richtige Richtung: Mehr Marktwirtschaft in den Wohnungsbau! Anders wird es nicht mehr Wohnungen geben. Der Finanzminister kann darüber Auskunft geben.Nun zur Lohnrunde. Ich bin im vorigen Jahr, wie ich glaube, zu Recht wegen meiner Bemerkung vor Abschluß der Lohnrunde kritisiert worden. Auch durch nachträgliche Aufforderung werden Sie mich zu einem hoffentlich nicht bringen: einen Fehler zum zweitenmal zu machen. Ich meine, einmal ist er verzeihlich, aber ein zweites Mal sollte man ihn nicht machen. — Das ändert nichts daran, daß ich nach Abschluß dieser Lohnrunde — da bin ich anderer Meinung als Herr Reuschenbach — gesagt habe:
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Bundesminister Dr. Graf LambsdorffDie Ergebnisse dieser Lohnrunde sind im Schnitt in meinen Augen zu hoch. Insbesondere ist es in meinen Augen hoch bedenklich, daß angesichts des Tariffindungs- und des Tarifanwendungssystems in der Bundesrepublik die Ergebnisse dieser Lohnrunde zur gleichen Steigerung bei Daimler-Benz wie bei Hoesch führen.
Das kann auf die Dauer nicht gehen. Darüber wird man wahrscheinlich nachdenken müssen.Herr Wissmann, ich habe von dieser Stelle aus mehrfach gesagt — und nirgendwo jemals etwas anderes verkündet —, daß wir einen merkbaren Abbau von Bürokratie, was die Gesamtsumme der bestehenden Regelungen anlangt, nicht erreichen werden, sondern daß wir uns werden glücklich schätzen müssen, wenn wir es schaffen, den Stand dort zu halten, wo er jetzt liegt.In der vergangenen Woche wurden in Aachen anläßlich der Verleihung des Karlspreises an die Präsidentin des Europäischen Parlaments eindrucksvolle Zahlen zitiert. Wenn Sie bedenken, was allein aus dem europäischen Bereich Monat für Monat an umzusetzenden Rechtsnormen in die Bundesrepublik kommt, dann ist es schon ein großer Anspruch, wenn man sagt: Es darf insgesamt nicht mehr werden.Für meinen eigenen Bereich habe ich mehrfach erklärt: Ich habe nicht die Absicht, in dieser Legislaturperiode aus dem Bundeswirtschaftsministerium eine Gesetzesinitiative ins Parlament zu bringen. Ich muß davon leider eine Ausnahme machen: Inzwischen habe ich festgestellt, daß das Eichgesetz novelliert werden muß. Das habe ich schon einmal 1973/74 mitgemacht. Da war ich noch Abgeordneter im Wirtschaftsausschuß. Ich gebe zu, es war eines der Gesetze — im Wirtschaftsausschuß, glaube ich, das einzige Gesetz —, von denen ich außer der Berlin-Klausel nichts verstanden und denen ich trotzdem zugestimmt habe.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, Sie haben ausweislich eines Artikels vom Dezember 1979 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" allen Ihren Abteilungsleitern den Auftrag gegeben, jeweils in ihrem Bereich drei Gesetze vorzuschlagen, auf die in Zukunft verzichtet werden könnte. Könnten Sie uns von dem Ergebnis dieser Bemühungen berichten?
Nein, ich habe solches nicht vorgeschlagen. Ich sehe gar nicht ein, warum man da gewisse Soll-Vorgaben wie im planwirtschaftlichen System machen muß. Ich weiß gar nicht, in welchen Kategorien Sie denken, Herr Wissmann.Ich habe den Abteilungsleitern vielmehr gesagt: Alles, was abschaffbar ist, bitte auf den Tisch! Und dabei ist eine ganze Menge, nicht an Gesetzen — das Wirtschaftsministerium ist ja kein typisches Gesetzgebungsministerium —, aber an Verordnungen, Anweisungen, hausinternen Regulierungen und ähnlichem herausgekommen, was wir beseitigt und abgeschafft haben.Aber ich will Ihnen auch eines sagen — auch dies ist eine Erfahrung, die ich damals gemacht habe —: Nach der ersten Abteilungsleiterkonferenz — ich glaube, ich trete meinen Mitarbeitern damit nicht zu nahe, denen ich übrigens auch bei dieser Gelegenheit wie in jeder Debatte zum Haushalt herzlich für ihre engagierte Arbeit im Wirtschaftsministerium danken möchte —
haben die Teilnehmer, nachdem ich wieder draußen war, unter sich gesagt: Das kann der doch nicht ernst meinen, das ist doch eher ein politischer Gag, als daß man daran wirklich arbeiten müßte. — Erst als ich ihnen zum zweitenmal gesagt habe: Ich meine es wirklich ernst, daß ihr mal durchrümpelt und nachseht, was wir abschaffen können, ist das geschehen. Es ist einiges und Vorzeigbares dabei herausgekommen.
— Das kann ich Ihnen im Augenblick aus dem Kopf wirklich nicht sagen.
Abbau der Investitionshemmnisse: Wir haben erstens eine positive Entscheidung im Bereich Individualtelekommunikation und Aufbau eines Glasfaserfernmeldenetzes getroffen, die ich für außerordentlich wesentlich halte und die ich für dringend notwendig gehalten habe.Zweitens — dies zu einer Bemerkung, Herr Kiep, heute morgen von Ihnen —: Es ist ein entscheidender Schritt beim Ausbau der Kernenergie geschehen, indem die Teilerrichtungsgenehmigung für Brokdorf gegeben worden ist. Und wenn weitere Anträge kommen, sind die Voraussetzungen auf der Entsorgungsseite gegeben, um auch weitere Teilerrichtungsgenehmigungen zu geben. Es liegen aber keine Anträge vor. Wie Sie wissen, müssen die von den Ländern kommen.Das Dritte ist der Wohnungsbau: Ich habe gesagt, daß ich mit dem bisherigen Zwischenergebnis nicht zufrieden bin.Zur letzten Frage: Herr Wissmann, Sie haben gefragt, was die Regierung für junge Leute in puncto Sich-Selbständig-machen tue. Da, muß ich Ihnen nun allerdings sagen, haben Sie die Gesetzgebungsarbeit der vergangenen Legislaturperiode offensichtlich nicht sehr sorgfältig verfolgt. Da haben wir nämlich das Existenzgründungsprogramm, übrigens mit Zustimmung Ihrer Kollegen, hier verabschiedet.
Es wird praktiziert. Es macht sich nützlich. Ich halte von Ihrer Idee — das habe ich damals schon gesagt — der Eigenkapitalbildung durch Bausparen nichts, sondern ich halte den Gedanken, den wir praktizieren, für vernünftig und für richtig. Wir reden nicht nur, wir handeln auch.
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Bundesminister Dr. Graf LambsdorffAber, meine Damen und Herren, eines lasse ich mir nicht beschneiden, Herr Wissmann: Ich werde auch dann weiter reden und den Mund aufmachen, wenn ich nicht sicher sein kann, daß alles von dem, was ich für richtig halte, zu 100 % durchgesetzt werden kann. Das kann ich in einer pluralisitischen Gesellschaft, in einer Mehrparteiengesellschaft, in einer Koalition nicht erwarten. Aber ich werde doch noch sagen dürfen, was ich für notwendig und für richtig halte, wo ich mein Ziel sehe und wo ich hinarbeiten will, auch wenn ich das niemals voll und ganz, hundertprozentig erreichen kann, weil Kompromiß nun einmal zum Wesensgehalt der Politik gehört und von uns allen akzeptiert werden muß.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß ein paar Bemerkungen über die Situation im vor uns liegenden Jahr, wirtschaftlich gesehen, machen. Es sieht erfreulicherweise besser aus, als es in den Zeitungen steht. Wir werden die Daten des Jahreswirtschaftsberichts, jedenfalls was die Wachstumsentwicklung anlangt, einhalten können. Die Bundesbank ist sogar noch etwas optimistischer als wir. Wir haben in puncto Leistungsbilanz im April 1981 das beste Ergebnis seit Oktober 1979 erzielt. Wir haben in der Handelsbilanz einen Überschuß von 3,3 Milliarden DM, ebenfalls das beste Ergebnis seit April 1979. Die Auftragseingänge im April, sowohl aus dem Inland wie aus dem Ausland, sind erfreulich. Wir sollten nicht zu pessimistisch und zu negativ hinsichtlich der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland sein. Wir haben eine leistungsfähige Volkswirtschaft. Wir haben leistungsfähige Arbeitnehmer. Wir haben eine glückliche Industriestruktur mit kleinen, großen und mittleren Unternehmen. Wir haben viele Voraussetzungen dafür, es zu schaffen. Wir müssen es nur wollen. Und wir — und damit sage ich in erster Linie: die Regierung; denn sie trägt die Verantwortung, sie hat am 5. Oktober das Mandat der Wähler bekommen, die Verantwortung wahrzunehmen — müssen die Voraussetzungen dafür schaffen. Wir werden unser Bestes tun, um dies zu erreichen. — Ich bedanke mich.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft —.
Hierzu liegt auf Drucksache 9/526 unter Ziffer 6 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer dem Einzelplan 09 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 09 ist damit in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
— Drucksache 9/482 — Berichterstatter:
Abgeordnete Wieczorek Schröder (Lüneburg)
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von 90 Minuten vereinbart worden. — Ich sehe, das Haus ist damit einverstanden.
Möchte jemand als Berichterstatter sprechen? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schröder .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verkehrshaushalt ist ganz sicher einer der großen Kristallisationspunkte, die in besonderer Weise die Misere und die Probleme unseres Bundeshaushaltes verdeutlichen. Die von der Bundesregierung zum 1. April dieses Jahres drastisch erhöhte Mineralölsteuer belastet zwar die Verkehrswirtschaft und die Verkehrsbenutzer mit zusätzlich 2,7 Milliarden DM, im Verkehrsetat des Bundes findet aber gleichzeitig ein galoppierender Abbau statt.Der Verkehrshaushalt — dies ist der Kernpunkt unserer Kritik — ist längst nicht mehr das finanzielle Gebäude der verkehrspolitischen Notwendigkeiten, denn die Bundesregierung macht diesen Haushalt mehr und mehr zur Reservekasse oder, um in der Sprache des Verkehrs zu bleiben, zu einem Verschiebebahnhof für den Gesamthaushalt.
Unter der finanziellen Perspektive des Verkehrshaushaltes 1981 und seiner Fortschreibung in der mittelfristigen Finanzplanung nehmen sich aus heutiger Sicht die mehr großspurigen als großartigen sogenannten Reformprogramme der 70er Jahre dieser Bundesregierung im Bereich des Verkehrswesens geradezu skurril aus. Gerade dieser Bereich ist ein Beispiel für die Ursachen der Haushalts- und Finanzprobleme, in denen wir uns heute befinden.Wenn man sich vergegenwärtigt, was uns damals als notwendige verkehrspolitische Reform vorgetragen wurde, und dies mit der heutigen Wirklichkeit und den heutigen verkehrspolitischen Aussagen vergleicht, dann muß man sich geradezu an den Kopf fassen. Georg Leber wollte als SPD-Verkehrsminister Anfang der 70er Jahre — also noch nicht einmal zehn Jahre zurückliegend — jedem Bundesbürger im Umkreis von 15 Kilometern einen Autobahnanschluß verschaffen. Es war die CDU/CSU, die diesen Unsinn im Bundestag ablehnte.
Das damalige Kabinettsmitglied und Mitglied desDeutschen Bundestages, Eppler, hat übrigens die-
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Schröder
sem Ausbauplan seine Zustimmung nicht vorenthalten. Das sei am Rande vermerkt.
Danach kam als nächster SPD-Verkehrsminister Lauritz Lauritzen und versprach unseren Städten ein 450-Kilometer-U-Bahn-Netz und ein 10-Milliarden-DM-S-Bahn-Programm, um die Bürger von der Herrschaft des Autos zu befreien. Diese Illusionen sind längst abgeschminkt. Heute weiß niemand, wie es beim Ausbau und der laufenden Unterhaltung des öffentlichen Nahverkehrs weitergehen soll, obwohl alle von der Priorität des öffentlichen Personennahverkehrs reden. Die Verkehrspolitik der Bundesregierung ist also — das haben diese wenigen Beispiele deutlich gemacht — von einem Extrem in das andere gefallen.
Statt großartiger Programme läuft heute eine Verkehrspolitik weit unterhalb der verkehrspolitischen und verkehrswirtschaftlichen Notwendigkeiten. Die Bundesregierung selbst hat noch im Bundesverkehrswegeplan 1980 Bedarfsprognosen vorgelegt, die für die 80er Jahre ein weiteres Anwachsen des Individualverkehrs in einer Größenordnung von 30 %, des Straßengüterverkehrs in einer Größenordnung von 25 % und des Schienenverkehrs in einer Größenordnung von 20 % vorhergesagt haben.
— Das war vor der Wahl, Herr Kollege, in der Tat!Wie die Verkehrspolitik der Bundesregierung die Voraussetzungen dafür schaffen will, daß dieses von ihr selber vorausgesagte Wachstum an Mobilität und Verkehrsanforderungen auch nur einigermaßen reibungslos bewältigt werden kann, ist eine zentrale Frage, die durch den Verkehrshaushalt 1981 und seine Fortschreibung in der mittelfristigen Finanzplanung am allerwenigsten beantwortet wird.
— Das kommt gleich!Meine Damen und Herren, der Bundesverkehrsminister sucht in diesem Zielkonflikt seine Zuflucht darin, daß er ständig von nunmehr — nach dem 5. Oktober — angeblich veränderten verkehrspolitischen Wertvorstellungen unserer Bürger redet. Diese Leerformel kann, wie mir scheint, zu einer Lösung des Zielkonflikts zwischen wachsenden Verkehrsanforderungen einerseits und zunehmenden Engpässen in der Verkehrsinfrastruktur andererseits auch nicht einen einzigen konkreten Beitrag leisten.Wenn der Bundesverkehrsminister, wie wir es noch in der vorletzten Sitzungswoche im Haushaltsausschuß erleben mußten, sozusagen in letzter Minute beim Straßenbauetat noch 100 Millionen nachfordern muß, weil sonst mangels Mittelstreifen, mangels Leitplanken und mangels Verkehrsschildern neue Straßen überhaupt nicht in Betrieb genommen werden können, zeigt dies mit aller Deutlichkeit, wie sehr die Leerformel von den angeblich veränderten verkehrspolitischen Wertvorstellungen in der praktischen Politik weiterhilft, nämlich gar nicht.Wenn dann noch ausgerechnet diejenigen den Ausbau des Schienennetzes der Bundesbahn behindern, deren verkehrspolitische Wertvorstellungen sich — nach Hauffschen Kategorien — schon geändert haben, schließt sich, meine Damen und Herren, endgültig der verkehrspolitische Teufelskreis, in dem diese Bundesregierung steckt.
Mit dem Verkehrshaushalt 1981 und seiner Fortschreibung in der mittelfristigen Finanzplanung läßt die Bundesregierung aber insbesondere die Deutsche Bundesbahn — und sie ist j a wohl unser verkehrspolitisches und, wie ich hinzufüge, auch haushaltspolitisches Sorgenkind Nummer eins — in einem Ausmaß im Stich, wie dies noch niemals zuvor der Fall gewesen ist. Hier zeigt sich mit aller Deutlichkeit, daß die Bundesregierung eine Konsolidierung der Bahn de facto aufgegeben hat.Der Anstieg der Verschuldung der Bundesbahn bis zum Jahre 1985 von derzeit 32 Milliarden DM auf weit über 50 Milliarden DM, der 1984 — in einem Jahr! — erwartete Verlust von rund 6 Milliarden DM und schließlich der schrittweise Ausstieg des Bundes aus der Finanzierung der Investitionen der Bahn machen deutlich, daß die Bundesregierung dabei ist, die Bahn auf das Abstellgleis der Hoffnungslosigkeit zu rangieren.
Die Aussagen des Bundeskanzlers von der angeblichen Renaissance der Schiene oder des Bundesverkehrsministers von der angeblichen großen Zukunft der Bahn erweisen sich unter diesen Aspekten als weitere Leerformeln, von denen die Politik dieser Bundesregierung mehr und mehr glaubt leben zu können — eine Illusion mit kurzen Beinen, wie mir scheint.Wenn der Bundesverkehrsminister glaubt, der rasanten Talfahrt der Bahn eine Bundesbahnpolitik der sogenannten kleinen Schritte — wie er es formuliert hat — entgegensetzen zu können, befindet er sich schlicht auf dem Holzwege.
Meine Damen und Herren, ich finde es schon ziemlich alarmierend,
wenn am vergangenen Wochenende eine angesehene Tageszeitung unter der Überschrift „Der Bundesbahnfinanzchef kann die Gehälter noch zahlen" wörtlich vermeldet — ich darf zitieren —:Die Eisenbahner werden zum Ultimo ihre Gehälter noch pünktlich bekommen, versicherte der Finanzchef der Deutschen Bundesbahn. Er sagte: „Wir haben noch so weit auskömmliche
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2194 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Schröder
Polster und werden es eben in 14 Tagen oder etwas später noch einmal versuchen", als er feststellen mußte, daß eine neue Anleihe der Bundesbahn nicht mehr plaziert werden konnte.
Meine Damen und Herren, insbesondere von der SPD, wenn die Gehälter schon ins Gerede kommen, scheint es mir im wahrsten Sinne des Wortes Ultimo zu sein.
Wäre das dann, Herr Kollege, der Endpunkt einer seit 1967 von SPD-Verkehrsministern betriebenen Verkehrspolitik?Die von der Bundesregierung in den vergangenen Jahren ins Auge gefaßten Konzepte zur Konsolidierung der Bundesbahn — ich denke an das Streckenstillegungskonzept, ich denke an die Zielvorgaben, ich denke schließlich an den sogenannten Leistungsauftrag an den Vorstand der Bundesbahn — haben sich allesamt als politisch kurzsichtig, als Schritt in die falsche Richtung oder als finanz- und verkehrspolitisch nicht abgesichert erwiesen.
Heute steht der Bundesverkehrsminister bei einem völlig ungesicherten Verkehrshaushalt bundesbahnpolitisch mit leeren Händen da. Er muß sehr umlernen. Im Forschungsministerium konnte man das Geld mit vollen Händen ausgeben, im Verkehrsministerium muß man lernen, mit nichts auch noch eine halbwegs gestaltende Politik zu betreiben.
Er sollte sich mittlerweile genügend in seinem neuen Aufgabenbereich eingearbeitet haben, um zu der Einsicht gelangt zu sein, daß es höchste Zeit ist, sich von den publikumswirksamen Nebenkriegsschauplätzen abzuwenden und in den verkehrspolitischen Antworten auf die zentralen Problembereiche — jetzt komme ich zu Ihrem Einwurf — zu kommen. Hier hat die Bundesbahnpolitik ohne Zweifel die höchste Priorität.Der Bundesverkehrsminister hat es zugelassen — damit darf ich zu einem weiteren verkehrspolitischen Thema kommen —, daß auch der weitere Flughafenausbau durch das von ihm geschaffene Raster angeblich veränderter verkehrspolitischer Wertvorstellungen zu fallen droht. Die CDU/CSU — lassen Sie mich das hier in aller Klarheit zum Ausdruck bringen — wird sich weiter nachdrücklich für den Ausbau des Flughafens Frankfurt zu einem echten Drehkreuz im internationalen Luftverkehr einsetzen.
— Die Verkehrspolitik besteht Gott sei Dank nicht nur aus der Bundesbahn. Ebenso hält es die CDU/ CSU für notwendig, Herr Kollege Walther, daß an dem geplanten Münchener Großflughafen festgehalten wird. Wenn die Bundesregierung glaubt, mit dem Abzug von Bundesmitteln für den neuen Flughafen München den schrittweisen Ausstieg aus diesem Projekt betreiben zu können, wird sie dabei auf den entschiedenen Widerstand der Union treffen.
Mit einer gewissen Beunruhigung hat mich in diesen Tagen ein veröffentlichter Bericht des internationalen Pilotverbandes erfüllt. Daraus ergibt sich, daß fünf von den elf deutschen Verkehrsflughäfen 1981 auf der sogenannten Mängelliste dieses Cockpit-Verbandes stehen.
Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, die hier genannten Mängel, insbesondere unseres international bedeutenden Flughafens Frankfurt, so schnell wie nur irgend möglich zu beseitigen.
Gerade im Flugverkehr hat die Sicherheit größte Priorität.Damit komme ich zu einem weiteren traurigen Kapitel der Verkehrspolitik der Bundesregierung. Im Jahre 1973 hat sich diese Bundesregierung ein Verkehrssicherheitsprogramm gegeben, um einen entscheidenden Beitrag zur Senkung des Unfallgeschehens und zur Steigerung der Sicherheit auf unseren Straßen zu leisten. Gemessen an den damaligen Vorstellungen der Bundesregierung hinsichtlich eines finanziellen Engagements des Bundes im Bereich der Verkehrssicherheit müßten heute Beträge in einer Größenordnung von 35 bis 40 Millionen DM jährlich eingesetzt werden, um die damals verkündeten Ziele dieses Verkehrssicherheitsprogramms konsequent zu verwirklichen. Tatsächlich betreibt die Bundesregierung seit Jahren auch in diesem Bereich einen zunehmenden Ausstieg aus der Verkehrssicherheitspolitik, soweit damit ein finanzielles Engagement verbunden ist. Auch hier haben wir die typische Diskrepanz zwischen großartigen Ankündigungen auf der einen Seite und kleinlauten Realisierungen auf der anderen Seite.
Wenn der Bund im Verkehrshaushalt heute noch ganze elf Millionen DM für die Unfallbekämpfung im Straßenverkehr bereitstellt, dann ist dies ein Armutszeugnis allererster Ordnung.
Hinzu kommt, daß die Kürzung dieser Mittel insbesondere auch die mühevolle Arbeit jener Organisationen trifft, die, wie die Deutsche Verkehrswacht und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, mit viel Engagement und auf freiwilliger Basis Verkehrssicherheitsarbeit vor Ort und in der Koordinierung leisten.
Die CDU/CSU möchte diesen Organisationen ihre besondere Anerkennung zum Ausdruck bringen.Wir haben erhebliche Zweifel, ob es im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen
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noch zu verantworten ist, daß die Bundesregierung diesen Bereich so weit ausbluten läßt. Die CDU/CSU hat jedenfalls nicht erst bei der Beratung des Verkehrshaushaltes 1981 alles getan, um diesen Prozeß der Auszehrung im lebenswichtigen Bereich der Verkehrssicherheitsarbeit des Bundes zu beenden.Lassen Sie mich damit zusammenfassen. Einzelmaßnahmen aus dem Einzelplan 12 finden natürlich unsere Zustimmung, wie z. B. der Ausbau der Saar. Ich sage das ausdrücklich, damit der Kollege Hoffmann nicht wieder eine falsche Behauptung gegenüber der „Saarbrücker Zeitung" aufstellt.
Der Einzelplan 12 erweist sich verkehrswirtschaftlich und verkehrspolitisch bei einer Gesamtbewertung aber als ein Torso. Die Bundesregierung und die Koalition können, lieber Kollege Löffler, diesen Haushalt im Angesicht der von ihr selbst geschätzten Entwicklungen in der Verkehrswirtschaft und der vor uns liegenden konkreten verkehrspolitischen Aufgaben im Grunde genommen nicht verantworten. Wir fordern Sie deshalb auf: Verweisen Sie diesen Haushalt als unverantwortbar an die Bundesregierung zurück.
Das Wort hat der Abgeordnete Wieczorek .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden von mir sicherlich nicht erwarten, daß ich mich den Ausführungen von Herrn Schröder anschließe, zumal sie darin gipfelten, diesen Haushalt zurückzuweisen.
— Sie können bei mir immer Einsichtsfähigkeit erwarten. Sie wissen, ich nehme den Dialog gern auf, zumal ich nie ein fertiges Redemanuskript habe, sondern immer darauf angewiesen bin, Herr Kollege, daß ich solche lichtvollen Ausführungen wie die von Ihnen zu hören bekomme, um darauf zu antworten.Ich möchte aber gerne zu dem kommen, was Herr Schröder vorgetragen hat, und ein paar Takte zu dem von ihm als Torso bezeichneten Haushalt sagen. Wenn ein Einzelplan 25 Milliarden DM umfaßt und dieser Einzelplan als einer der wenigen des Bundeshaushalts nach den Beratungen im Haushaltsausschuß noch aufgestockt wurde, dann kann man, glaube ich, nicht mehr von einem Torso, Herr Kollege Schröder, und auch nicht mehr von der Misere des Bundeshaushaltes am Beispiel des Verkehrshaushaltes sprechen.Nun ist es auch unredlich, wenn man den Verkehrshaushalt als Reservekasse des Bundes anspricht. Das wäre ja in der Tat nur dann richtig und sinnvoll, wenn wir in wesentlichen Dingen hätten nachgeben müssen, wenn wir verkehrliche und verkehrspolitische Notwendigkeiten nicht mehr hättenerfüllen können oder wenn wir von weitgesteckten Plänen in erheblichem Umfang Abstand genommen hätten.Sie haben angeführt, daß der ehemalige Verkehrsminister Leber davon gesprochen habe, jeder Bundesbürger solle nicht mehr als 15 km zurücklegen müssen, um eine Autobahn zu erreichen; eine Hypothese, die in der damaligen Zeit sicherlich sinnvoll und vertretbar war, die man aber heute unter den geänderten Verkehrsbedingungen so nicht mehr vertreten kann. Der Umschwung ist j a auch deutlich erkennbar.Wenn Sie dann auch noch Lauritz Lauritzen zitiert haben, dann glaube ich, daß er, weit vorausschauend, die richtige Politik eingeleitet hat, und zwar die richtige Politik der 80er und 90er Jahre. Wenn wir in der Verkehrspolitik einen echten Umschwung wollen, kann er j a wohl nur so möglich sein, daß wir vom Individualverkehr weg- und mehr zu Massenverkehrsmitteln übergehen. 450 km U-Bahn waren zur damaligen Zeit sicherlich eine sehr weitreichende Aussage, und wir haben uns das nicht vorstellen können. Aber ich glaube, daß wir dem öffentlichen Personennahverkehr im Laufe der Jahre mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, als das bisher der Fall gewesen ist. Ich meine auch, daß dieser Wechsel sinnvoll ist und sich in die allgemeine Haushaltsphilosophie einbetten läßt, von der wir j a soviel gesprochen haben: weg vom 01, hin zu einheimischen Energien und Möglichkeiten.Ich gebe Ihnen recht, Herr Schröder, wenn Sie von einem wachsenden Mobilitätsbedarf ausgehen. Ich glaube, unsere großen Städte und Gemeinden haben dem Rechnung getragen. Wir haben unser gesamtes Leben darauf eingestellt, daß wir ein größeres Maß an Mobilität haben müssen. Wenn wir die Lebensbereiche Arbeiten, Wohnen und Erholen aus Umweltschutz- oder Wirtschaftlichkeitsgründen auseinandergezogen haben, dann hat die Allgemeinheit einfach die Aufgabe, Verkehrsbänder zu bauen, um diese einzelnen Lebensbereiche wieder zueinander zu führen, um von da aus die Voraussetzungen zu schaffen, die ein Gemeinwesen funktionstüchtig machen.
— Herr Kollege, die Diskussion um das flache Land ist eine sehr interessante Diskussion. Ich bin beim letztenmal nicht dazu gekommen, Ihnen das zu sagen, was ich Ihnen gern aus der Sicht eines Großstädters gesagt hätte.Das flache Land ist sicherlich von der Straße abhängig. Das flache Land muß einen öffentlichen Personennahverkehr haben, der auf die Straße angewiesen ist. Aber der öffentliche Personennahverkehr ist keine Aufgabe des Bundes, sondern eine Aufgabe der Gemeinden und der Länder. Die Gemeinden und die Länder haben sich um diese Aufgabe zu kümmern. Sie haben die Daseinsvorsorge für die Menschen hier zu treffen.
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Wieczorek
Herr Kollege, wenn das flache Land genausoviel an Mitteln aufbrächte für den öffentlichen Personennahverkehr — unter Umständen auch als Zuschüsse an die Bundesbahn —, wie es die großen Städte in den Ballungsräumen tun, dann hätte die Bundesbahn sicherlich wesentlich weniger Sorgen.Ich komme aus einer Stadt, die 600 000 Einwohner hat.
Sie können ein Raster über die Bundesrepublik legen. In Ballungsgebieten muß das Gemeinwesen pro Einwohner etwa 100 DM pro Jahr als Zuschüsse für den öffentlichen Personennahverkehr ausgeben. Wenn Sie dieses Raster auf das flache Land übertragen, dann steht das flache Land sehr gut da, dann kann ihm auch ein Angebot gemacht werden, das den Menschen entsprechend ist und der Daseinsvorsorgepflicht der öffentlichen Hand entspricht.
— Sehen Sie, das sagen mir meine Freunde in den Großstädten auch. Deshalb müssen wir uns darum kümmern, wie die Finanzausstattung der Gemeinden aussieht, welche Aufgaben der Bund wahrzunehmen hat, welche Aufgaben die Gemeinden wahrzunehmen haben. Wenn irgendwo das Wort „Alimentation" zutreffend ist, dann hier. Hier müssen nämlich die Aufgaben richtig zugeschnitten und einander zugeordnet werden. Die kleinen Gemeinden, Herr Kollege, haben die gleichen Finanzvoraussetzungen wie die größeren, nur mit dem Unterschied, daß sie auch kleinere Aufgaben zu erfüllen haben. Ich würde darüber mit Ihnen gern in einen Dialog eintreten, wenn wir nun nicht über die Verkehrspolitik reden müßten.
Herr Schröder, ich möchte gern noch das Problem Bundesbahn aufgreifen. Ich glaube sicher, daß die Deutsche Bundesbahn unser Hauptproblem sein wird. Es wäre unredlich, wenn sich ein Sprecher der Koalition hier hinstellte und das Problem der Deutschen Bundesbahn hintanstellte oder gar verniedlichte. Die Deutsche Bundesbahn ist in jedem Fall einer der ganz schwierigen Problembereiche, die wir in unserem Haushaltsplan haben, auch einer der schwierigen Problembereiche, die wir in den nächsten Jahren zu bewältigen haben.Aber, Herr Kollege Schröder, die Behauptung, die Bundesregierung habe die Bundesbahn im Stich gelassen, müssen wir ganz energisch zurückweisen.
Wenn man weiß, daß die Deutsche Bundesbahn aus dem Verkehrshaushalt und durch Zinszuschüsse aus dem Einzelplan 35 in diesem Jahr 13,2 Milliarden DM bekommt, dann kann man doch sicherlich nicht davon reden, daß man die Bahn im Stich gelas-sen hat. Ich gebe Ihnen recht: Ihre Zahlenanalyse ist korrekt und entspricht auch meiner Einschätzung. Wir werden in diesem Jahr bei der Deutschen Bundesbahn voraussichtlich einen Schuldenstand von 34 Milliarden DM haben. Wenn wir die internen und externen Rahmenbedingungen der Deutschen Bundesbahn unverändert lassen, dann werden wir in der mittelfristigen Finanzplanung sicherlich eine Größenordnung von 50 Milliarden DM erreichen. Ich sage das in allem Verantwortungsbewußtsein gerade an dieser Stelle; denn mit diesem Problemfeld müssen wir uns alle gemeinsam beschäftigen.Mir als einem Mann, der aus der Wirtschaft kommt, machen der Verschuldungsstand im Verhältnis zum Umsatz und die Zinsaufwendungen im Verhältnis zum Gesamtaufwand und zu den Erträgen erhebliche Sorgen.
1979 hatte die Bundesbahn noch einen Zinsaufwand, der 9 % der Gesamtaufwendungen und 15 % der eigenen Erträge ausmachte.Meine Damen und Herren, die Prozentsätze für vergleichbare Industrieunternehmen sehen erheblich niedriger aus. Ich will Ihnen ein paar Beispiele sagen: Die Deutsche Lufthansa hatte einen Faktor von 1,4 %, Hapag Lloyd 3,9 %, die AEG — lange Zeit eines der schwächsten Kinder — 3,8 %, und das Unternehmen, aus dem ich komme, die Thyssen-AG, hat 1 % aufwenden müssen, um den Zinsaufwand vom Umsatz her zu befriedigen. Daimler-Benz, allerdings einer der Spitzenreiter, hat nur einen Anteil von 0,2 %.Meine Damen und Herren, die aufgezeigten Entwicklungen der Verschuldung und der Zinsbelastung zeigen allein schon deutlich, daß alle Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Aufwendungen zu senken und die Erträge zu stärken.Anerkennenswert ist, meine Damen und Herren — das möchte ich nicht verschweigen, und das sollte man immer wieder betonen —, der Rationalisierungskraftakt der vergangenen Jahre, bei dem in erheblichem Maße bei der Deutschen Bundesbahn Personalreduzierungen vorgenommen wurden. Ich glaube, daß in den Feldern, bei denen bisher die Rationalisierung ansetzte, keine Möglichkeiten mehr sind. Ich kann aber nicht beurteilen, wie weit damit alle Rationalisierungsmöglichkeiten der Deutschen Bundesbahn zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschöpft sind. Eine weitere Prüfung der Frage halte ich genauso wie Sie, Herr Schröder, jedoch für unumgänglich.Darüber hinaus muß aber — unter Zugrundelegung der gemeinwirtschaftlichen Notwendigkeit der Bundesbahn — auch geprüft werden, wieweit die Erträge des Unternehmens verbessert werden können und wie weit das Angebot an die Nachfrage angepaßt werden muß. Es ist insbesondere im Güterverkehr zu prüfen, mit welchem Kostendeckungsgrad Leistungen im einzelnen erbracht werden.Investitionen müssen auch bei der Bundesbahn in den nächsten Jahren zielstrebig erbracht werden.
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Wieczorek
Zu prüfen bleibt jedoch die Frage, ob das Investitionsziel immer mit einer solchen Perfektion angestrebt werden muß. Die deutsche Bundesbahn ist in der Perfektion ja sicherlich führend. Ich glaube auch als Techniker sagen zu können, daß das gleiche Ziel sicherlich mit einer schlichteren Technik erreicht werden könnte.
Meine Damen und Herren, einen Punkt würde ich gerne noch ansprechen, der auch im Haushaltsausschuß zu erheblichen Diskussionen geführt hat: die Flughäfen. Herr Schröder hat ja eben mit sehr beredten Worten die Präferenz der CDU/CSU für die Flughäfen ausgesprochen. Sicherlich wird der Flughafen Frankfurt als Zentralflughafen ausgebaut werden müssen. Ich habe mir auch berichten lassen, Herr Schröder, die Mängelliste des Cockpit-Verbandes ist bereits abgestellt bzw. wird bis zum Jahre 1984 abgestellt.
— Nicht „Coppik", Herr Walther, „Cockpit"!
— Jetzt habe ich Ihnen ein schönes Stichwort gegeben! Aber seien Sie froh, Herr Glos, daß ich nicht Ihre Diskussion vom Haushaltsausschuß wieder aufnehme!
— Darauf lasse ich mich jetzt nicht ein.
Ich würde gerne noch ein paar Takte zum Flughafen München sagen — meine Zeit geht bald zu Ende —; denn gerade der Flughafen München ist ja im Haushaltsausschuß sehr kontrovers diskutiert worden. Ich will ganz klar sagen: Die Koalitionsfraktionen haben im Ausschuß zum Ausdruck gebracht, daß sie nach wie vor die Grundkonzeption, nämlich aus städtebaulichen und flugbetrieblichen Gründen einen Ersatzflughafen in Erding zu bauen, für richtig halten. Meine Fraktion — ich glaube, die FDP-Fraktion teilt mit mir die Auffassung — sieht es allerdings so, daß wir auf Grund der gegenwärtigen Prozeßlage und auf Grund der guten wirtschaftlichen Situation der Flughafen München GmbH 1981 keine Haushaltsmittel zur Verfügung stellen wollen.
Der Grunderwerb dieses Unternehmens ist so gut wie abgeschlossen. Ob er überzogen ist, müssen die nächsten Urteile der Gerichte entscheiden. Ausgaben werden dadurch in diesem Jahr nur noch begrenzt notwendig werden. Bei den Baukosten können 1981 kaum noch Leistungen anfallen. Das, was noch anfällt, kann die Flughafen-GmbH aus eigenen Mitteln erwirtschaften. Sollten jedoch wider Erwarten — das sage ich ganz bewußt vor diesem Mause — noch in 1981 die Bauarbeiten in vollem Umfang wieder aufgenommen werden und sollte daraus möglicherweise eine Finanzierungsverpflichtung desBundes erwachsen, so stünden, wie uns die Regierung im Haushaltsausschuß versichert hat, im Haushalt 1981 übertragene Haushaltsreste des Jahres 1980 zur Verfügung. Ich glaube nicht, daß wir es bei dieser Sachlage hätten verantworten können, für den Flughafen München weitere Mittel einzusetzen.Zum Abschluß lassen Sie mich noch auf eine Besonderheit dieses Haushaltes hinweisen. In diesem Haushalt wurden durch die Beschlüsse des Haushaltsausschusses rund 150 Millionen DM umgeschichtet. Wir haben zusätzlich Einnahmenverbesserungen von 76 Millionen DM und Ausgabensteigerungen von 46 Millionen DM gehabt. Wir haben 100 Millionen DM zusätzlich in den Bundesfernstraßenbau hineingebracht, um damit das, was in den vergangenen Jahren schon begonnen wurde, zu einem sinnvollen Ende zu führen. Ich hoffe, daß Sie das als entsprechende Leistung anerkennen.Ich hoffe sehr, daß wir mit dem Verkehrshaushalt 1981 die Voraussetzungen schaffen, um für unsere Bürger ein Angebot zu machen, wie sie es von diesem Staat erwarten können. Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Merker.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt zwei große Themenbereiche, die im Mittelpunkt der Aussprache um den Haushalt des Bundesministers für Verkehr stehen: auf der einen Seite die Problematik im Zusammenhang mit dem Straßenbau, auf der anderen Seite die Problematik — auch das ist eben angesprochen worden — der Bundesbahn. Zur Bundesbahn wird sich gleich in der zweiten Runde der Kollege Dr. Riemer äußern. Ich will mich darauf beschränken, einige Sätze zum Problem der Verkehrswege und hier natürlich insbesondere zum Bereich des Straßenbaues zu sagen.Der Straßenbauhaushalt ist zweifellos der Haushalt, der mit einem Minus von fast 10 % gegenüber dem früheren Ansatz die stärksten Abstriche hat hinnehmen müssen.
— Schwer gebeutelt, Herr Kolb, das ist richtig.
Dies führt — das will ich nicht verschweigen — zu erheblichen Problemen. Die Straßenbauwirtschaft weist zu Recht darauf hin, daß die Anpassung an die reduzierten Kapazitäten erhebliche Schwierigkeiten auf dem Beschäftigungssektor mit sich bringt. Gerade deshalb möchte ich ganz gerne kurz zurückblenden auf die Diskussion, die wir im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Forschreibung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen geführt haben. Dieser Bedarfsplan, der schon im Entwurf der Bundesregierung Ansätze des Umdenkens erkennen ließ, hat die FDP veranlaßt, sowohl in den Ausschußberatungen als auch von dieser Stelle aus, um Unterstützung gegen einen überzogenen Ausbau des Bundesfernstraßennetzes zu werben. Hinter dieser Haltung der FDP stand damals nicht das Diktat
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Merkerder leeren Kassen, sondern die Einsicht, daß in vielen Bereichen die Grenze der Belastbarkeit unserer Umwelt inzwischen erreicht worden ist.Uns wären eine Reihe von Schwierigkeiten erspart geblieben, wenn der Bundestag damals in stärkerem Maße den Vorschlägen der FDP gefolgt wäre.
— Ach, das ist j a nicht die einzige, Herr Kollege Topmann; da gibt es eine ganze Fülle von Maßnahmen, die wir Ihnen vorgeschlagen haben. Sie hätten gut daran getan, allen diesen Vorschlägen zu folgen.Unsere damaligen Bestrebungen haben jetzt Unterstützung erfahren, Unterstützung aus einer Ecke allerdings, auf die wir im allgemeinen Interesse gerne verzichtet hätten. 1980 mußte die Bundesrepublik 30 Milliarden DM mehr für Ölimporte aufwenden als 1978. Diese gewaltige Dimension wird eigentlich erst dann deutlich, wenn man sich klarmacht, daß damit jeder Bundesbürger allein für den verteuerten Ölimport 500 DM mehr aufwenden muß. Deshalb begrüßt die FDP nachdrücklich die verstärkten Bemühungen der Bundesregierung mit ihrer Zielsetzung „weg vom 01". Es ist völlig klar, daß diese Zielsetzung auch einen unmittelbaren Einfluß auf die Festlegung der Prioritäten im Verkehrsbereich haben muß.
— Das heißt nicht „Hin zur Kernenergie", sondern das heißt möglichst weit weg vom Energiebedarf überhaupt.
Bei den Beratungen über den Bedarfsplan sind wir davon ausgegangen, daß im Hauptbautitel für Bundesfernstraßen ein Volumen von insgesamt 43,6 Milliarden DM für die nächsten zehn Jahre zur Verfügung stehen würde. Auf dieser Basis haben wir die Dringlichkeitsstufe I beschlossen. Inzwischen wissen wir, daß dieser beschlossene Plan hinsichtlich des Realisierungszeitraums Makulatur geworden ist, weil selbst bei optimistischer Einschätzung die Realisierungsphase der Dringlichkeitsstufe I bis weit über das Jahr 2000 hinausreicht. Wir meinen, daß daraus Konsequenzen gezogen werden müssen. Deshalb plädieren wir dafür, den Bundesverkehrswegeplan auf ein dem Finanzrahmen entsprechend realisierbares Maß zu bringen, den Bedarf insgesamt flexibler zu gestalten.Wir stehen doch jetzt vor der Schwierigkeit, daß wir den Leuten vor zwei Jahren erklärt haben: Ihr kriegt eine Autobahn bis zum Jahre 1990, die all eure innerstädtischen Verkehrsprobleme löst. Diesen Leuten müssen wir heute sagen: Sorry, mit der Autobahn wird es erst im Jahr 2000 etwas. Dies muß uns doch zu überlegen geben. Wir müssen doch die Reaktion der Bürger verstehen, wenn sie uns sagen, daß sie nicht im Jahre 2000 eine Autobahn haben wollen, sondern lieber eine Maßnahme mit geringeren Mitteln in den nächsten Jahren, eine Maßnahme, die auf die realistischen Bedürfnisse der nächsten Jahre zugeschnitten ist.
Aus diesen Gründen und auch, weil wir die Straßenbauwirtschaft in die Lage versetzen müssen, ihre Kapazitäten langfristig einzuschätzen und dem tatsächlichen Bedarf anzupassen, halten wir es für dringend geboten, die im Bedarfsplan ausgewiesenen Maßnahmen der Dringlichkeitsstufe I in zwei Baustufen zu unterteilen und den Versuch zu unterlassen, mit dem Bundesfernstraßenbau Konjunkturpolitik zu treiben.Es ist für mich völlig unverständlich, weshalb sich die Opposition nach wie vor beharrlich weigert, sich an dieser Meinungsbildung, an diesem Entscheidungsprozeß zu beteiligen. Was ist das eigentlich für ein parlamentarisches Selbstverständnis, wenn die Opposition erklärt, daß sie zwar einsehe, daß nicht soviel Geld zur Verfügung steht, wie wir vor zwei Jahren noch angenommen haben, aber an den Diskussionen und an den notwendigen Schlußfolgerungen wolle sie sich nicht beteiligen. Diese Entscheidung wolle sie allein der Regierung überlassen.
— Nein, Sie sollen nur mit uns gemeinsam überlegen und dann auch gemeinsam mit uns Entscheidungen treffen und dies nicht allein der Regierung überlassen, weil dies — wie ich finde — ein schlechtes parlamentarisches Selbstverständnis darstellt.
Meine Damen und Herren, die neuen Zielsetzungen des Bundesverkehrsministers, die wir nachdrücklich unterstützen, sind für uns nicht erst eine Reaktion auf den Blick in die leere Kasse, sondern Teil eines Konzepts, das einer unheilvollen Entwicklung entgegensteuern soll. Deshalb hat die FDP-Fraktion vorgeschlagen — und wir begrüßen, daß der Bundesminister für Verkehr unserem Vorschlag gefolgt ist —, die dringendsten Maßnahmen mit zusätzlichen 100 Millionen DM einstweilen noch zu Ende zu führen. Damit wird vermieden, daß Straßenbauabschnitte nur deshalb nicht dem Verkehr übergeben werden können, weil das Geld für die Leitplanken oder für das Aufmalen der weißen Striche fehlt.Wenn — und dies fordert ja die Opposition mindestens verbal immer — gespart werden muß, dann natürlich auch im Verkehrsbereich. Lassen Sie mich hier zum Abschluß in aller Deutlichkeit sagen: Wenn ich vor der Alternative stehe, beim Bundesfernstraßennetz oder beim sozialen Netz zu sparen, dann entscheide ich mich nachdrücklich für Einsparungen beim asphaltierten Netz — bei allen Auswüchsen des sozialen Netzes, die es natürlich ebenso zu beseitigen gilt.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2199
MerkerDie FDP wird dem Haushalt des Bundesministers für Verkehr zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der neue Bundesverkehrsminister steht in der Verkehrspolitik vor einem Scherbenhaufen, den ihm seine sozialdemokratischen Amtsvorgänger hinterlassen haben.
— Sie scheinen inzwischen, Herr Kollege Topmann, die Entwicklung bei der Bahn völlig aus dem Auge verloren zu haben. Sonst würden Sie einen solchen Zwischenruf gar nicht machen können. Aber Sie können es ja nachholen. — Der Verkehrsminister befindet sich somit in keiner beneidenswerten Lage. Aber das eigentlich Bemerkenswerte ist, daß Minister Hauff dabei ist, diesen Scherbenhaufen noch zu vergrößern.Nirgends wird dies deutlicher als in der Straßenbaupolitik. Vor nicht einmal einem Jahr hat der Bundestag nach mühevollen und sorgfältigen Vorarbeiten in den zuständigen Ausschüssen den überarbeiteten Bedarfsplan für den Bundesfernstraßenbau der 80er und 90er Jahre nahezu einmütig verabschiedet. Aus gutem Grund, nämlich um Fehlplanungen zu vermeiden, ist der Bundestag gesetzlich verpflichtet, diese Planungen alle fünf Jahre gründlich zu überprüfen.Nun behauptet Minister Hauff, alles, was man im vorigen Jahr in die Dringlichkeitsstufe I hineingeschrieben habe, sei unrealistisch gewesen.
Dabei hat er ja im Kabinett dieser Regierungsvorlage doch wohl zugestimmt.
— Sicher! — Er begründet es so: Die Kosten für den Lärmschutz und die Preissteigerungsraten seien nicht berücksichtigt worden. Diese Behauptung des Ministers entspricht einfach nicht den Tatsachen.
Der Bundestag hat nach dem von der damaligen Bundesregierung vorgegebenen Finanzrahmen entschieden, und wir alle, gleich welcher Fraktion wir angehörten, haben es in gutem Glauben getan.Das Autobahnnetz, das diese Koalition 1970 auf 20 000 km festgelegt hatte, wurde auf 10 500 km reduziert, wovon bereits — auch das ist erfreulich festzustellen — 7 450 km fertiggestellt sind. Von einem überzogenen Straßenbau kann in der Tat nicht die Rede sein.
Bei den Kostenschätzungen der Hauptbautitel ist der Lärmschutz berücksichtigt worden, Herr Minister, und dies bereits seit 1975. 1974 ist nämlich dasImmissionsschutzgesetz verabschiedet worden. Wenn auch die Werte für den Straßenbau noch nicht angegeben waren, so werden sie von der Verwaltung jedoch bereits auf der Basis der Werte 50/60 dB praktiziert.Auch hinsichtlich der Preissteigerungen haben alle ihre Erfahrungen. Dies hatte mich bei der ersten Lesung der Novelle des Ausbauplangesetzes 1980 veranlaßt, festzustellen, daß die Verwirklichung der Dringlichkeitsstufe I die Zeit bis zum Jahr 2000 benötigen werde. Was der Minister als Neuigkeit verbreitet, war doch letztlich allen Kollegen bei den Ausschußberatungen bekannt.Neu ist aber, daß bereits nach einem halben Jahr der für 1981 bis 1990 vorgegebene Finanzrahmen für die Investitionen im Fernstraßenbau in Höhe von 43,6 Milliarden DM auf 31,5 Milliarden reduziert wurde. Das ist eine Kürzung um immerhin 27,7 %. Die Bundesregierung gab damit nach früherem Bestreiten endlich die riesige Finanzmisere auch in diesem Bereich zu. Aber das war eben nach der Bundestagswahl. Und das ist die wirkliche Ursache des Unrealistischen.In Anbetracht dieser Tatsache klingen die Ministerworte, die er vor unserem Ausschuß sagte: „Was notwendig ist, ist das Bemühen um Stabilität im Interesse aller Beteiligten, die wissen müssen, wie die langfristige Entwicklung aussieht", im Grund wie reiner Hohn; denn wenn eine Regierung ihre Position so schnell wechselt, wer soll sich dann noch auf die Worte dieser Regierung verlassen können?
Die Aufgliederung der Dringlichkeit I in I a und I b ist eine überflüssige Sache und stellt für die daran beteiligten Beamten im Grunde einen sinnlosen Arbeitsaufwand dar, da nämlich bereits 1985 für 1986 die neue gesetzliche Überprüfung ohnedies stattfindet. Der Versuch, diese Änderung im Haushaltsgesetz vorzunehmen, ist auf Grund eines von mir veranlaßten Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages erfreulicherweise fallengelassen worden, weil er ein Verstoß gegen Art. 110 Abs. 4 GG wäre.
Wenn die Dringlichkeitsstufe I nun über eine neue Gesetzesnovelle vorgelegt werden soll, und zwar einer Novellierung des noch nicht einmal ein Jahr alten Gesetzes, so ist das mit Sicherheit, meine Herren Kollegen von der Koalition, für Sie kein Ruhmesblatt. Es ist wirklich schade um die gute Zeit, die verantwortungsvolle Beamte hierfür verbringen sollen. Alle fünf Jahre werden die Dinge neu überpüft, und der Bedarfsplan gibt doch nur den Rahmen für den Fünfjahresplan. Es wäre besser, wenn diese Beamten den Fünfjahresplan erarbeiteten. Aber weil man jetzt die Dringlichkeit I in I a und I b aufgliedern will, werden die Arbeit und die Vorlage dieses Fünfjahresplans, nach dem der Fernstraßenbau vollzogen wird, blockiert. Das kann doch letztlich keine sinnvolle Sache sein. Überall reden wir vom Einsparen unnötigen Verwaltungsaufwandes, und hier werden bis hinunter zu den Straßenbauämtern alle wieder
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Lemmrichin Trab gesetzt, anstatt ihre Zeit damit zu verbringen, die Planungen, die schwieriger geworden sind, voranzubringen.
Wenn Herr Minister Hauff behauptet, das Fernstraßennetz sei weitgehend komplett, so mag dies durchaus für einige Gebiete gelten; doch ist es eben leider nur die halbe Wahrheit. Es gibt auch heute noch beträchtliche Bereiche unseres Landes, die noch nicht an das Fernstraßennetz angebunden sind. Er sollte daraus die Konsequenzen ziehen und entsprechende Schwerpunkte bilden und sich nicht vom Quotendenken geistig immobil machen lassen. Straßenbau ist auch unter der sich wandelnden Energiesituation notwendig, da es auch im Jahre 2000 beträchtlichen Straßenverkehr geben wird und die alternativen Antriebe zumindest für den Pkw sich bereits deutlich abzeichnen.Die Energieproblematik ist in der Tat eine der großen Herausforderungen der Zukunft, insbesondere für den Verkehr,
der in hohem Maße vom Mineralöl abhängig ist, wenn auch der Verbrauch des Mineralöls im Verkehrswesen 27 % gegenüber 38 % der Haushalte ausmacht. Nur die Eisenbahn ist durch die Energieform Elektrizität davon unabhängig. Ihr Nachteil ist nur in vielen Fällen, daß sie die Güter nicht so schnell von Haus zu Haus transportieren kann wie der Lastkraftwagen. Damit auch bei geänderter Energiesituation die Verkehrswirtschaft ihren Beitrag zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft leisten kann, muß die Deutsche Bundesbahn schneller transportieren, um größere Anteile des Verkehrsaufkommens übernehmen zu können. Dies ist jedoch nur möglich durch beträchtliche Investitionen in das Netz der Bahn: durch Neubaustrecken,
durch den Ausbau des bestehenden Netzes, durch den Neu- und Ausbau von Rangierbahnhöfen und den Bau optimaler Containerterminals; wenn man hier nicht durchkommt, darf man nicht sagen: drei kleine gehen auch für einen optimalen. Dadurch wird die Effizienz nicht erreicht werden, die das Unternehmen Bundesbahn dringend braucht. Das heißt: um für die Zukunft gerüstet zu sein, sind in diesem Bereich exorbitant hohe Investitionen erforderlich.Wie ist die Bundesbahn auf diese große Aufgabe vorbereitet? Leider nicht gut.
— Herr Kollege, lassen Sie doch Ihre flapsigen, dummen Redensarten. — Ihre Finanzlage ist katastrophal, wie schon mein Kollege Schröder dargelegt hat. Ihre Investitionsmittel werden heuer um eine Milliarde DM gekürzt. Schon nach der Bundestagswahl 1980 teilte der Finanzminister der Bahn mit, daß sie eine vorher zugesagte Milliarde für Investitionen nicht erhalte. Die Bundesbahn mußte kurzfristig auf den Kapitalmarkt gehen und sich Geld leihen. Das wird auch in Zukunft zunehmend ihr Schicksal sein, mit der Folge, daß 1985 allein ihr Zinsaufwand 4,5 Milliarden DM betragen wird. Das soll dann noch zu realisieren sein? Der Finanzplan, den die Bundesregierung gerade vorgelegt hat, wird Makulatur sein.
Nicht erst seit heute und gestern ist in der Verkehrspolitik offensichtlich, daß die Konsolidierung der Deutschen Bundesbahn für jeden Verkehrsminister die zentrale Herausforderung seiner Politik ist. Wer angesichts einer galoppierenden Zunahme der Verschuldung und der Jahresverluste der Bahn ernsthaft glaubt, in der Bundesbahnpolitik reiche ein Konzept der kleinen Schritte aus, der zeigt, daß er das Gewicht des Problems noch nicht voll erkannt hat; vielleicht kann man aber doch hoffen.Die Verwirklichung der dringenden Investitionen der Bahn wird noch anderweitig behindert. Die Bundesregierung will die Verbandsklage einführen und damit die Möglichkeit schaffen, lebensnotwendige Investitionen zu blockieren. Anstatt der Verbandsklage wäre es zweckmäßig, die von einigen Bundesländern praktizierten Raumordnungsverfahren, die den Planfeststellungsverfahren vorgeschaltet sind, für alle einzuführen. In diesen Raumordnungsverfahren können alle Träger öffentlicher Belange auf die Planung einwirken, auch die Naturschutzverbände.Während die Verbandsklage die Investitionen der Bahn unerhört erschweren wird, soll bei der Änderung des Bundesbahngesetzes erfreulicherweise das Planungsrecht für die Bahn verbessert werden, um ihre Investitionen zu erleichtern. Augenscheinlich weiß in der Bundesregierung die linke Hand wieder einmal nicht, was die rechte tut.
Das flößt kein Vertrauen ein. So werden die Zukunftsprobleme nicht gelöst. Dabei trat doch gerade die SPD 1969 unter dem bemerkenswerten Motto an: „Wir schaffen das moderne Deutschland!". So aber wohl nicht. Man hat den Eindruck, daß die SPD auf dem Weg dahin erschöpft liegenbleibt, weil es ihr große Mühe bereitet, mit Geld ordentlich umgehen zu können.
— Herr Wehner, lassen Sie es doch, sparen Sie sich's. Sie sind heute eh schon heiser.
Dabei bleibt dieses Land auf der Strecke.
Genauso widersprüchlich ist die Verkehrspolitik für die Menschen im ländlichen Raum. Einerseits wird der Personennahverkehr dort ausgedünnt, auf der anderen Seite aber soll die Fahrt mit dem Pkw zum Arbeitsplatz weiter drastisch verteuert werden,
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2201
Lemmrichindem die Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer umgelegt werden soll. Ich weiß, daß es viele sozialdemokratische Kollegen gibt, die ähnliche Auffassungen wie ich vertreten. Die Folge wäre eine Erhöhung des Benzinpreises um 16,3 Pf pro Liter. Die Union wird diesem in vielfältiger Hinsicht nicht ausreichend durchdachten Vorschlag entschieden entgegentreten.Ich darf jetzt einmal kurz auf die Argumente des Kollegen Wieczorek im Blick auf den öffentlichen Personennahverkehr eingehen. Wir brauchen den öffentlichen Personennahverkehr ebenso wie den Individualverkehr. Wir sollten nicht übersehen, daß der Individualverkehr keine Staatszuschüsse in Milliardenhöhe erfordert. Wir sollten das zu einem vernünftigen Konzept weiterentwickeln. Die Städte bemühen sich in diese Richtung mit zum Teil beträchtlichem Erfolg. Die Notwendigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs ist in diesem Hause sehr bald erkannt worden. 1966 haben wir eine Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf für den Ausbau der Verkehrswege in den Gemeinden beschlossen und haben, als man noch nicht von einer Energiekrise sprach, diese bemerkenswerte Aufgabe in Angriff genommen. Wir kommen aber nicht daran vorbei, auch die weiter steigenden Betriebskosten und Verluste in diesem Bereich zu sehen.Es trifft nicht zu, Herr Kollege Wieczorek, jedenfalls nicht generell, daß der ÖPNV Sache der Länder sei. Er ist es nur insoweit, als es nicht die Bundesbahn betrifft; denn für die Bundesbahn bleibt der Bund allein zuständig. So ist es rechtlich eindeutig fixiert. Die Bahn hat hier, Herr Kollege Wieczorek, nicht nur Pflichten, sondern sie hat nach dem Personenbeförderungsgesetz auch außergewöhnliche Rechte. Ein Länderminister sagte bei der Diskussion über diese Frage: „Dann müssen diese Rechte auch voll zur Diskussion und Disposition gestellt werden, und zwar mit allen damit verbundenen Problemen." Das erfordert eine eingehende Debatte,
die wir über die Frage der Gebietskonzessionen 1968 schon einmal im Deutschen Bundestag geführt haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wieczorek?
Herr Kollege, würden Sie zugeben, daß die Deutsche Bundesbahn eine Leistung für die Länder und für die Gemeinden erbringt, die in den Ballungsräumen von den Städten und Gemeinden selbst erbracht wird?
Herr Kollege Wieczorek, das ist nur bedingt zutreffend. In den Städten erbringt die Bundesbahn auch bei den S-Bahn-Systemen beträchtliche Leistungen, ob das in München ist, ob das im Großraum Stuttgart ist oder woanders. Das trifft also nur bedingt zu. Aber für die Bundesbahn ist nun einmal — das ist Tatsache — der Bund zuständig. Wenn man das ändern will, muß man sogar das Grundgesetz ändern. Jedenfalls hates keinen Sinn, hier Dinge in die Diskussion zu bringen, bei denen sich keine Änderung abzeichnet, bei denen man nur den Eindruck hat, daß man finanzielle Belastungen auf andere abschieben will. Dieser Eindruck sollte nicht entstehen. Das wollte ich zu diesem Komplex sagen.Im Verkehrsetat sind die größten Investitionsmittel des Bundes enthalten. Von ihm gehen beträchtliche Wirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Vollbeschäftigung aus. Die Koalition begründet ihre Politik riesiger Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren mit der Behauptung, damit die Arbeitsplätze sichern zu können. Arbeitsplätze werden vom Staat vorrangig durch seine Investitionspolitik beeinflußt. Aber gerade diese Investitionsmittel werden massiv gekürzt.Der Bundesverkehrsminister erklärte vor dem Verkehrsausschuß folgendes:Ich möchte nicht verhehlen, daß meines Erachtens Verkehrsinvestitionen für Konjuktursteuerung wenig geeignet sind.Damit geht er an der aktuellen Problematik vorbei. Das Konjunkturprogramm 1977 mit dem doch recht hochtrabenden Titel „Programm für Zukunftsinvestitionen" war im Verkehrsbereich falsch angelegt, weil neu geplant werden mußte, und das benötigt bekanntlich Zeit. Eine schnelle Wirkung wäre eingetreten, wenn laufende Maßnahmen finanziell verstärkt und baureife Projekte,
auch Autobahnen, begonnen worden wären.Wenn jetzt allein im Bereich der Verkehrsinvestitionen annähernd 1,5 Milliarden DM gestrichen werden, so bleibt das auf eine im Abschwung befindliche Konjunktur leider nicht ohne Wirkung. Durch diese Politik werden Konjunkturausschläge verschärft, die Probleme vergrößert und der Finanzbedarf der Bundesanstalt für Arbeit für die zunehmende Arbeitslosigkeit erhöht. Die fünf Wirtschaftsforschungsinstitute haben sich in ihrem Frühjahrsgutachten zu dieser Problematik wie folgt geäußert:Die Finanzpolitik schwenkt auf Konsolidierungskurs, ohne freilich die notwendige Umstrukturierung der öffentlichen Haushalte entschieden anzugehen. Gekürzt wurden vor allem die Aufträge für öffentliche Investitionen. Damit wurde die konjunkturelle Entwicklung belastet statt gestützt. Die staatlichen Finanzierungsdefizite erhöhen sich dessen ungeachtet weiter.Ein weiteres aus diesem Gutachten:Die Finanzpolitik betrieb die Haushaltskonsolidierung einseitig über drastische Kürzungen von staatlichen Investitionen, weil ihr der Mut fehlte, in Leistungsgesetze einzugreifen, und schwächte dadurch die Wirtschaft zusätzlich.Ich empfehle jedem, das Gutachten zu lesen. Vielleicht wird dadurch auch manchem klarer, warum 1981 mit einer höheren Arbeitslosenzahl gerechnet wird.
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2202 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
LemmrichDie von der Bundesregierung betriebene Verkehrspolitik ist widersprüchlich. Ihre Kontinuität besteht in der Kontinuität ihrer Bocksprünge. Sie zeigt keine Ansätze zur Bewältigung der großen und schwierigen Zukunftsaufgaben. Die CDU/CSU kann ihr daher ihre Zustimmung nicht geben. — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Daubertshäuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das hier durch den Kollegen Lemmrich gegebene Bild bedarf einer eindeutigen Klarstellung. Herr Kollege Lemmrich, erstens genießen unsere Bürger wie auch die Wirtschaft heute in diesem Land eine Mobilität, wie sie im Verhältnis zu früheren Jahren und Jahrzehnten ohnegleichen ist, und wie sie auch einmalig im Vergleich zum Ausland ist.
Zweitens muß man wohl sagen: Die Bürger und die Wirtschaft können dabei frei und unabhängig in unserem Land das Verkehrsmittel wählen, das ihren Bedürfnissen entspricht und diese nach ihrer Auffassung auch am besten erfüllt. Drittens. Garant hierfür ist der Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern, der selbstverständlich erst durch staatliche Eingriffe seine Funktionsfähigkeit erhält. Dies muß man hier als Vorbemerkung vorwegschicken.Man muß auch wissen, und man sollte das auch in einer derartigen Debatte sagen, daß Verkehrspolitik und Verkehrswirtschaft — dies ist in erster Linie an Sie gerichtet, Herr Kollege Schröder — doch kein Selbstzweck sind, sondern Verkehrspolitik und Verkehrswirtschaft haben eine dienende Funktion.
Im Mittelpunkt dieser Betrachtung steht immer der Verkehrsnutzer.Selbstverständlich können und wollen wir auch nicht auf dem Erreichten ausruhen, erstens — und das ist hier von dem Kollegen Wieczorek gesagt worden —, weil sich die externen Rahmendaten geändert haben und weil der Strukturwandel in der Wirtschaft und in unserer Siedlungspolitik unaufhaltsam fortschreitet, und zweitens, weil die Verkehrswirtschaft und einzelne Verkehrsträger selbstverständlich einen hohen Subventionsbedarf haben, der — und wir denken dabei alle in erster Linie an die Bundesbahn — zu einer zunehmenden Belastung des Bundeshaushaltes wird. Die bestehenden Schwierigkeiten sind von niemandem geleugnet worden, weder im Verkehrsausschuß in all den Jahren, auch nicht im Plenum. Ihre Ursachen — das muß man aber auch sagen — finden wir doch nicht so sehr im Verkehrswesen selbst, sondern vielmehr in dem Wirtschaftsgeschehen und in dessen Strukturwandel, dem man sich auch in der Verkehrspolitik anpassen muß.Vor diesem Hintergrund stellen sich natürlich für die nächsten Jahre vorrangige Aufgaben. Das ist erstens die Konsolidierung der Deutschen Bundes-bahn, um einmal die staatlichen Zuwendungen effizienter einzusetzen und um zum anderen auch die Haushaltsbelastung zu verringern.Zweitens geht es um die Anpassung des Straßenbaus an die Gegebenheiten, wobei, Herr Kollege Lemmrich, die geänderten Wertvorstellungen und ebenso natürlich auch die wirtschaftlichen Notwendigkeiten sehr wohl Berücksichtigung finden müssen. Hier gilt es, einen Abwägungsprozeß in Gang zu setzen.
Dies haben wir aber getan.Die dritte Aufgabe lautet: Konsequenter Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, auch oder insbesondere in der Fläche, dabei aber auch eine stärkere Berücksichtigung der Effizienz des Mitteleinsatzes. Ich glaube, die Effizienz des Mitteleinsatzes muß ohnehin viel stärker in den Vordergrund treten. Was dies bedeutet, Kollege Tillmann, wissen Sie. Wir haben zum Subventionsabbaugesetz auch einen Entschließungsantrag eingebracht, der exakt das beinhaltet, nämlich Verknüpfung der Verkehrsmittel, Vermeidung von Parallelinvestitionen, Vorrang der Substanzerhaltung vor Neubau. Dann kann ich, gerade wenn es um die Vermeidung von Parallelinvestitionen geht, doch nicht hier die Situation der Deutschen Bundesbahn auf der einen Seite beklagen und auf der anderen Seite Wasserstraßenausbau und dergleichen fordern. Dies reimt sich nicht zusammen. Da muß ich Prioritäten setzen!
Und das muß natürlich Konsequenzen für alle Verkehrsträger haben.Herr Kollege Lemmrich, für die Konsolidierung der Bundesbahn kann es keine Wunder wirkenden Patentrezepte geben. Die hat der Verkehrsminister Hauff auch nicht versprochen. Er hat darauf aufmerksam gemacht, daß dies ein sehr schwieriger und langwieriger Prozeß sein wird. Das ist eine realistische Einschätzung. Ich bin dafür dankbar, daß er dies so sieht und auch so dargestellt hat.
Aber, Herr Kollege Pfeffermann und Herr Kollege Jobst, gerade Sie als Bahner sollten nicht untergehen lassen, daß in den letzten zehn Jahren bei der Deutschen Bundesbahn eine große Steigerung der Produktivität eingetreten ist: im Personenverkehr über 11 % und im Güterverkehr über 22 %.
— Aber Herr Kolb, Sie sind doch Vertreter des Mittelstandes, und da muß man Ihnen auch einmal sagen, daß all diese Leistungen bei einem beachtlichen Personalabbau zustande gekommen sind.
Selbstverständlich hat auch dies bei den steigendenBilanzverlusten und bei einer wachsenden Gesamtverschuldung des Bundes nicht vollständig geholfen,
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2203
Daubertshäusernur wäre sonst alles sehr viel dramatischer gewesen.Deshalb darf man diese Entwicklung nicht als unabänderlich hinnehmen. Aber wir dürfen die Deutsche Bundesbahn doch auch nicht in eine Krise hineinreden. Das hilft der Bahn nicht und hilft unserem Haushalt auch nicht.
Investitionen und Konzentration sind sicher zur Verbesserung des Leistungsangebotes der Bahn notwendig. Da gibt es doch eine ganze Reihe von Beispielen. Intercity-Verkehr im Stundentakt, Huckepackverkehr, kombinierter Verkehr: Dies alles ist doch in den letzten Jahren umgesetzt worden.Sicher ist es richtig, Herr Kollege Lemmrich: Dafür muß man Investitionen tätigen. Das sehen wir genauso. Kapazitätsengpässe müssen abgebaut werden, Reise- und Transportzeiten müssen verringert werden. Das heißt, wir müssen die Investitionen beeinflussen, aber auch die Motivation der bei der Bahn Beschäftigten stärken. Die dort Beschäftigten dürfen — der Kollege Haar wird es bestätigen können — nicht den Eindruck bekommen, daß es sich bei der Bahn um einen Auslaufbetrieb handelt.Ich glaube, in diesem Zusammenhang sollte man auch ein Wort zu den Tarifanhebungen sagen. Es ist keine Frage, daß sie für die Betroffenen höchst unerfreulich sind. Aber die Tarifpolitik der Bundesbahn soll — so hieß es ja schon früher — nicht zum Büttel der Wirtschaftspolitik werden. Die Alternative zu den Preiserhöhungen sind erhöhte Zuschüsse des Staates. Die Frage lautet also: Welchen Kostenanteil trägt der Benutzer, und welchen Kostenanteil übernimmt der Steuerzahler? Mir scheint, dem Steuerzahler wird viel zugemutet,
wenn er von einer Mark der Kosten des Nahverkehrs einen Anteil trägt, der mehr als doppelt so groß ist wie der Anteil, den der Nahverkehrsreisende trägt.Das heißt, die Bahn braucht einen hohen Modernisierungsgrad. Dieser Modernisierungsgrad ist jedoch in den letzten Jahren, und zwar schon seit 1950, nahezu konstant geblieben, Herr Kollege Lemmrich. Er betrug im Jahre 1950 55 % und beträgt inzwischen 57 %. Im Vergleich dazu stieg der Modernisierungsgrad der Straßeninfrastruktur im gleichen Zeitraum von 53 % auf fast 70 %.Aber das Investitionsvolumen der Deutschen Bundesbahn war in den letzten Jahren außerordentlich hoch; es lag in einer Größenordnung von 20 % der Einnahmen. Herr Kollege Lemmrich, dies war notwendig, und es bleibt auch für die Zukunft notwendig, um nämlich den Investitionsrückstand aufzuholen, der in den ersten 20 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in Ihrer politischen Verantwortung, Herr Kollege Lemmrich, entstanden ist.
Ich meine, deshalb sollten sich heute nicht die politi-schen Kräfte und die gesellschaftlichen Kräfte zu einem Ankläger der Bundesbahnpolitik hochstilisieren, die nach dem Kriege über zwei Jahrzehnte hinweg die Bahn in einen mörderischen Wettbewerb gedrängt haben, ohne ihr damals die notwendigen Investitionen zu ermöglichen, und die damit ihre finanzielle und betriebswirtschaftliche Lage zunehmend verschlechtert haben.
Herr Kollege Daubertshäuser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lemmrich? — Bitte.
Herr Kollege Daubertshäuser, ist Ihnen eigentlich nicht bekannt, daß die Investitionsquote der Deutschen Bundesbahn 1960, 1961, 1962 und 1963 bei 30 % lag und daß damit Ihr Vorwurf haltlos ist?
Herr Kollege Lemmrich, exakt in diesen Jahren hat der Bund — und um den Bund geht es — Investitionszuwendungen geleistet, die in einer Größenordnung von durchschnittlich 140 Millionen DM lagen. 1967 hat der sozialdemokratische Verkehrsminister Leber zum erstenmal 500 Millionen DM Investitionszuwendungen bereitgestellt, und dann ist dieser Betrag kontinuierlich gestiegen. Das sind die Tatsachen und die Fakten.
Dies zeigt, daß man 20 Jahre lang versäumt hat, Investitionssummen zur Verfügung zu stellen. Verkehrspolitik — das wissen Sie als alter Fuhrmann sehr genau, Herr Kollege Lemmrich — ist eine langfristige Veranstaltung. Wenn man zwei Jahrzehnte lang versäumt hat, Investitionssummen für ein Unternehmen zur Verfügung zu stellen, dann kann man nicht erwarten, daß diese Fehler innerhalb eines kurzen Zeitraumes ausgebügelt werden.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemmrich?
Ich bitte um Nachsicht, die Zeit läuft mir weg, Herr Kollege Lemmrich. Wir können das im Verkehrsausschuß nachholen.
— Ich wäre dankbar, wenn ich meine Gedanken hier fortsetzen könnte.Ich glaube, man muß sehen, welche Leistungen der Bund in den letzten 15 Jahren für die Deutsche Bundesbahn erbracht hat, und man darf dabei auch nicht die Bemühungen außer acht lassen, die die Bahn selbst unternommen hat. Herr Kollege Pfef-
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2204 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Daubertshäuserfermann, ich habe vorhin auf den Personalabbau hingewiesen. In den letzten sechs Jahren ist der Bestand um 82 000 Beschäftigte vermindert worden. Das bringt selbstverständlich einen außerordentlichen Leistungsdruck für die Eisenbahner, insbesondere für die im Schicht- und Wechseldienst Beschäftigten. Ein Kennzeichen hierfür ist das frühzeitige Ausscheiden aus gesundheitlichen Gründen vor Erreichen der Altersgrenze.Man muß auch einmal sagen, daß von diesen Beschäftigten bei der Deutschen Bundesbahn im Interesse unserer Volkswirtschaft hervorragende Leistungen vollbracht werden, die nur allzu leicht und allzu häufig bei der Betrachtung der Probleme der Deutschen Bundesbahn untergehen.
Ich glaube, es ist schon überraschend zu sehen, wie viele in Kenntnis unseres Wirtschaftssystems die Bahn als eine Art Selbstbedienungsladen betrachten, der alles möglichst zum Nulltarif anzubieten hat.
Kommunal- und Landespolitiker treten hier besonders hervor, aber es sind — das ist hier verschiedentlich festzustellen gewesen — auch Kollegen des Deutschen Bundestages, die in diesem Hause und in den Fachausschüssen beredt Klage über die hohe Verschuldung führen, die dann aber in ihren Wahlkreisen die Bahn zwingen wollen, dort mit Geisterzügen, mit sieben bis acht Reisenden besetzt, zu fahren.
Ich glaube, man sollte in diesem Zusammenhang durchaus den Gedanken des Kollegen Wieczorek aufgreifen, verstärkt darüber nachzudenken, inwieweit Länder und Gebietskörperschaften dann an den Kosten zu beteiligen sind, wenn sie die Schiene z. B. gegenüber einer Busbedienung aus vermeintlichen oder tatsächlichen, aber immens teuer erkauften Vorteilen behalten wollen.Lassen Sie mich noch einige Worte zum Straßenbau sagen. Wir stimmen mit der Bauwirtschaft überein, daß es wichtig ist, einen langfristigen realistischen Investitionsrahmen zu haben, der durch Stetigkeit gekennzeichnet ist und der der Bauwirtschaft extreme Ausschläge erspart. Eine Anpassung des Straßenbaus ist notwendig, und der Nachholbedarf, Herr Kollege Lemmrich, hält sich in Grenzen. Substanzerhaltung, Beseitigung von Unfallschwerpunkten und dergleichen mehr müssen in der Zukunft Vorrang haben.Deshalb unterstützen wir die Absicht des Verkehrsministers, die Dringlichkeitsstufe 1 in I a und I b aufzuteilen. Der Realisierungszeitraum für die Dringlichkeitsstufe 1 wäre sonst unübersehbar und damit auch unrealistisch geworden. Das wissen Sie genau. Herr Kollege Lemmrich, wir müssen uns alle überlegen, ob wir nicht alle ein Quentchen Schuld haben. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie eine einseitige Schuldzuweisung gegenüber dem Verkehrsminister vornehmen und sagen: Wir haben imParlament im guten Glauben, aber der Minister hat in der bösen Absicht gehandelt. Ich meine, so kann man dies nicht diskutieren, wenn man es ehrlich meint.
Die nun vorgegebene Anpassung geht von einem realistischen Zeit- und Finanzrahmen aus und ist damit auch eine wichtige Entscheidungshilfe für die Wirtschaft. Ich glaube, man muß angesichts der Gesamtsituation im Straßenbau davor warnen, die Bundesfernstraßenbaumittel künftig als eine Reservekasse der Nation zu betrachten.
Eine Verlagerung zugunsten des Ausbaus im Netz, die Substanzerhaltung, macht auch keine Mittel für andere Zwecke außerhalb des Verkehrsetats frei. Im Gegenteil, die Maßnahmen für den Unterhalt, für Qualitätssteigerungen und zum Schutz der Umwelt sowie zum Lärmschutz binden zukünftig verstärkt Mittel.Die Politik kann jedoch nicht außer acht lassen, daß bei Verkehrsinvestitionen die Zahl der Bürgerinitiativen in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen ist, Herr Kollege Lemmrich und Schröder. Da kann man nicht einfach sagen, da werde etwas von geänderten Wertvorstellungen gefaselt. Dies ist draußen im Lande greifbar, wenn Sie mit den Bürgern diskutieren.
Da regt sich überall der Widerstand, bei Straßen, bei Flughäfen, aber auch bei der Schiene. Diese Verkehrsinvestitionen verkörpern nicht mehr schlechthin den Fortschritt, wie Sie meinen. Unbestreitbar ist doch, daß die Umweltbelastung durch den Verkehr — über Lärm- und Landschaftsverbrauch und dergleichen mehr — immer mehr zunimmt. Diese Erkenntnis darf man nicht einfach beiseite schieben. Was not tut, sind Lösungen, mit denen beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur neue schädliche Einwirkungen auf Menschen und Natur weitgehend vermieden werden und bereits bestehende Umweltprobleme dann auch beseitigt werden können.
Bei künftigen Straßenbaumaßnahmen wie auch bei anderen Verkehrsinvestitionen ist nun einmal ein verstärkter, d. h. rechtzeitiger Dialog mit den Bürgern notwendig. Die kalte Planungsexekution, Herr Kollege Lemmrich, ist unserer Gesellschaft nicht gemäß. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine überzeugende Problemdarstellung.
Wir begrüßen die erhöhten Ansätze im Haushalt für Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr. Das bedeutet, das Engagement des Bundes bleibt nicht nur im bisherigen Rahmen erhalten, sondern der Bund steigert seinen Beitrag noch. Diese Investitionspolitik — da stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege Lemmrich — muß konsequent fortgeführt werden.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2205
DaubertshäuserIn diesem Zusammenhang muß man sich erstens die Frage stellen: Wie können wir sicherstellen, daß die Fördermittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes auch in die Fläche gehen? Wir wollen kein Entweder-Oder zwischen den Ballungsräumen und dem flachen Land. Wir wollen jedoch eine gerechtere Verteilung der Gemeindeverkehrsfinanzierungsmittel. Auch in der Fläche muß das Umsteigen vom Individualverkehr auf das öffentliche Personennahverkehrsmittel möglich sein.Die zweite Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Wie können wir die Kommunen und mit ihnen die Länder, die für die Finanzausstattung der Gemeinden direkte Verantwortung tragen — Herr Kollege Lemmrich, das können wir auch nicht beiseite schieben, stärker einbinden, wenn es um Forderungen geht? Der Bund muß das dafür notwendige und organisatorische Instrumentarium selbstverständlich zur Verfügung stellen. Diese Arbeit muß von uns so schnell wie möglich über die Novellierung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes und des Personenbeförderungsgesetzes geleistet werden. Die Sozialdemokraten sind dazu bereit. Wir wollen dort mitarbeiten.Die Haushaltssituation, die geänderten Voraussetzungen der Energieversorgung und der wirtschaftliche Strukturwandel stellen die Frage nach der Effizienz von verkehrspolitischen Maßnahmen stärker als bisher in den Vordergrund. Wir sehen hierin nicht nur eine von außen aufgezwungene Notwendigkeit, sondern wir sehen darin eine Chance der Erneuerung und der Akzentuierung in der Verkehrspolitik.Eine Verkehrspolitik, die den Willen zum Gestalten hat, sollte sich nicht beim bloßen Jammern aufhalten, sondern die Möglichkeiten der veränderten Rahmenbedingungen nutzen. Ich meine, es ist nicht weniger, sondern mehr politischer Handlungsbedarf entstanden. Wir sind bereit, tatkräftig und glaubwürdig beim Aufarbeiten der anstehenden Probleme mitzuwirken. Die Zustimmung zum Einzelplan 12 ist dazu der erste, aber auch der notwendige Schritt. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Riemer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verkehrspolitik hat in den letzten Jahrzehnten ja auf der Sonnenseite des Haushalts gestanden. Auch diesmal sind wir bei den notwendigen Streichungen noch sehr gut davongekommen. Das muß man, glaube ich, auch einmal ganz klar feststellen. Mit den gewohnten Zuwachsraten ist es aber jedenfalls vorbei. Das gilt ganz sicher nicht nur für diesen Haushalt, sondern auch für die nächsten Jahre. Wir werden die alten Zeiten nicht wiederbekommen. Auch die Verkehrspolitik steht also an einem Kreuzweg.So gesehen ist dieser Verkehrshaushalt ein Übergangshaushalt. Für den Verkehrshaushalt haben sich die Rahmenbedingungen ganz entscheidend verändert. Neben der schon mehrfach dargestelltenFinanzlage, der Energiepolitik und der Umweltpolitik gibt es aber, glaube ich, einen anderen, noch wichtigeren Gesichtspunkt, der in der Debatte nicht deutlich geworden ist. Es ist nämlich so, daß die Verkehrspolitik bisher eigentlich immer als eine Art Hilfspolitik für andere Politikbereiche betrachtet worden ist. Die anderen Politikbereiche haben der Verkehrspolitik Ziele vorgegeben, und die Verkehrspolitik hatte diese Ziele mit Milliardeninvestitionen, mit einem riesigen Investitionsaufwand zu erreichen.Ich denke z. B. an die Siedlungspolitik — es gibt mehrere solcher konkreter Beispiele —, die so aussah, daß neue Siedlungsstrukturen entwickelt worden sind und dann nachträglich die Anbindung dieser Siedlungen an Straße oder Schiene, also an S-Bahn oder Stadtbahn erfolgen mußte. Wenn man sich einmal die Kosten für die verkehrsmäßige Anbindung solcher Siedlungen ansah, stellte man fest, daß die Kosten für die Infrastruktur oft das Doppelte der einzelnen Investitionsmittel für die Siedlungen ausmachten.In Zukunft — ich glaube, das ist die Konsequenz aus dem Verkehrshaushalt — wird die Verkehrspolitik bei solchen Investitionen nicht einfach mehr nur nachziehen können, sondern sie wird ihre eigenen Auswahlkriterien für die Investitionen stärker anwenden müssen.Dazu gehört erstens: Der private Nutzen der Investitionen muß in die Dimension gesellschaftlichen Nutzens hineinreichen. Ich glaube, das ist sehr wichtig.Zweitens: Die gesellschaftlichen Kosten müssen in einem angemessenen Verhältnis zum gesellschaftlichen Nutzen stehen.Drittens. Dabei ist auch energie- und umweltpolitisch zu bilanzieren.Die Konsequenz daraus bedeutet ganz konkret einen Vorrang für den öffentlichen Personennahverkehr und für die Deutsche Bundesbahn. Der Individualverkehr, meine Damen und Herren, ist j a in der Vergangenheit im Verhältnis zu diesen Verkehrsträgern wesentlich bevorzugt worden.
Wichtig für die Verkehrspolitik ist bei den vorhandenen knappen Mitteln eine Minimierung der Reibungsverluste. Wir müssen noch mehr die Politik für einzelne Verkehrsträger, also getrennte Verkehrspolitik für Schiene, Straße, Luft- und Wasserstraßen, zurückführen. Es darf diesen zum Teil Pseudowettbewerb der Parallelkapazitäten in Zukunft nicht mehr in dem Umfang geben.
Ein Schwerpunkt der zukünftigen Verkehrspolitik wird die, wie ich sie nennen möchte, Verkehrsproduktivitätspolitik sein. Dabei geht es darum, die Leistungskapazitäten der verschiedenen Verkehrsträger so miteinander zu kombinieren, daß ohne wesentlichen neuen Investitionsaufwand mehr Leistung erreicht werden kann.
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2206 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Dr. RiemerDiese Grundsätze gelten insbesondere für die Deutsche Bundesbahn. Es gibt kein politisch verantwortbares Patentrezept. Die Privatisierung, die Teilprivatisierung, der private Güterverkehr, der private Personenverkehr, die Trennung von Fahrwegen und Betrieb — alles das führt uns, glaube ich, nicht weiter und ist unrealistisch. Die Bundesbahn hat eine öffentliche Aufgabe in einem Umfang, der ganz einfach eine öffentliche Einrichtung verlangt.Es geht bei der Bundesbahn im wesentlichen um die beiden Fragen: Was ist der Auftrag der Deutschen Bundesbahn? Wie kann dieser Auftrag so wirtschaftlich und rentabel wie möglich erfüllt werden?Ein privates Unternehmen ist die Bundesbahn nicht. Das ist immer wieder und mit Recht klargestellt worden. Sie hat nämlich darüber hinausgehend einen politischen Auftrag. Hier aber liegen natürlich die eigentlichen Probleme, wenn es um die Kosten und um die Zuschüsse für die Deutsche Bundesbahn geht. Wir müssen uns auch diesen öffentlichen Auftrag der Deutschen Bundesbahn noch einmal näher ansehen, um zu prüfen, ob er so, wie er jetzt besteht, richtig gestellt ist.Mit der Bundesbahn und ihrem politischen Auftrag hängen auch die Strukturpolitik, die die Bundesbahn betreibt, Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik und selbst Bildungspolitik zusammen. Wir müssen überprüfen, ob das in dem Umfang weiter bestehen kann. Ich denke insbesondere an die Strukturpolitik. Wir werden wohl einiges strenger abgrenzen müssen; denn bei vielen Fragen, die sich im Zusammenhang mit Streckenstillegungen stellen, habe ich den Eindruck, daß so ein Bundesbahnanschluß für manche Gemeinde in unserem Land auch ein Statusproblem ist.Das stellen wir auch bei der Prüfung der Frage, ob der Personenverkehr auf die Straße verlagert werden kann, immer wieder fest. Beim Ausdünnen von Fahrplänen jedoch, glaube ich, hat die Bundesbahn in manchen Fällen die Verhältnisse nicht richtig gesehen, wenn sie die Fahrpläne ausdünnt und damit überhaupt erst die Ablehnung des Systems Bundesbahn herbeiführt
und auf diese Weise zusätzliche Defizite produziert, die nicht entstünden, wenn man die Strecke etwas besser bediente und dem Bürger ein attraktives Angebot machte.
Es gibt drei Bereiche der Bundesbahn, die uns Sorgen machen. Die Dimension des Problems ist hier deutlich gemacht worden. Da ist einmal der Bereich der Investitionen. Die Bundesbahn braucht auch für die Zukunft Investitionen; insbesondere braucht sie Rationalisierungsinvestitionen. Wir bedauern, daß die Zuschüsse, insbesondere die Zuschüsse für Rationalisierungsinvestitionen, zum Teil gestrichen worden sind. Auch der Haushalt der Bundesbahn muß sich nach dem Haushalt des Bundes strecken. Da kommen wir nicht dran vorbei.Für die Zukunft können wir das jedoch nicht so Weiterbetreiben. Zuschüsse für Rationalisierungsinvestitionen sind notwendig, um das Defizit auf mittlere und lange Sicht im Griff zu behalten. Die Bundesbahn kann jetzt noch nicht einmal ihre Kredite auf dem Kapitalmarkt aufnehmen.Da stellt sich natürlich die Frage — wie auch beim privaten Industrieunternehmen —, ob die Bundesbahn nicht für die nächsten Jahre das an Grundbesitz verkauft, was nicht betriebswirtschaftlich notwendig ist — sie soll ja über erheblichen Grundbesitz verfügen —, um auf diese Weise Investitionsmittel für Rationalisierungsinvestitionen zu mobilisieren und einzusetzen.
Beim Personal — das ist der zweite Themenkreis — ist natürlich erheblich rationalisiert worden. Das wollen wir gerne anerkennen. Aber Insider haben mir immer wieder mitgeteilt, daß es sehr wohl auch dort noch Nischen gibt, die wir doch einmal näher betrachten müssen. Es sind also auch noch Rationalisierungsmöglichkeiten im Personalhaushalt der Bundesbahn vorhanden. Wir sollten sie auf jeden Fall nutzen.Diskutiert wird ja die Frage des Managements. Es gibt einige, die glauben, wenn man viele Spitzenmanager mit hohen Gehältern in den Vorstand einsetzt, dann wären die Probleme der Bundesbahn auf einen Schlag gelöst. Dieser Auffassung bin ich nicht. Ich bin zwar nicht dagegen, daß man diesen Weg geht; aber wir sollten uns keine Illusionen darüber machen, was dabei herauskommt.Es ist ja nicht so gewesen, als ob die Wirtschaft bisher außerhalb der Deutschen Bundesbahn gestanden hätte. Im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn haben wir ja schon seit langem Spitzenmanager. Dort haben wir verfolgen können, was die uns für Ratschläge geben konnten. Jedenfalls waren sie nicht so, daß die Bundesbahn von ihren Defiziten heruntergekommen wäre, sondern die Entwicklung hat sich fortgesetzt.
— Das ist richtig; einen nehme ich aus. Der hat deswegen sogar das Mandat im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn niedergelegt. Aber da ging es im wesentlichen um personelle Rationalisierung, von der ich glaube, daß sie j a weitgehend ausgenutzt ist, bis auf die Nischen, von denen ich sprach.Aber diese Manager sollen — damit sind wir einverstanden — sehr wohl versuchen, eine höhere Effektivität in die Bundesbahn hineinzubekommen. Es ist selbstverständlich, daß marktnahe delegiert werden muß. Es ist auch notwendig, daß die Resultatsverantwortung verstärkt werden muß, und es ist sicher auch richtig, die Steuerungsrechnung einzuführen, damit die Bundesbahn nicht erst nach Jahren merkt, wo ihre Schwachstellen waren, sondern dies sofort erkennt und die entsprechenden Maßnahmen ergreifen kann.
Wir werden, meine Damen und Herren, unsere verkehrspolitischen Vorstellungen weiter konkreti-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2207
Dr. Riemersieren müssen, und den — ich nenne ihn mal so — verkehrspolitischen Wohlstand werden wir nur steigern können, wenn wir sehr viel Phantasie und Anstrengung aufbringen. Denn die Mittel werden immer knapper werden, und gerade die Verkehrspolitik, die bisher im Vordergrund stand und Vorteile hatte, wird wahrscheinlich bei den nächsten Haushalten um ihre Position zu kämpfen haben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Rednern der Opposition in der heutigen Debatte aus Anlaß des Bundeshaushalts 1981 zugehört hat, dann hat man den Eindruck gehabt, als ob unser Verkehrssystem am Zusammenbrechen sei. Teilweise wurde sogar mit Falschmeldungen gearbeitet. Herr Schröder behauptete z. B., wir wollten aus dem Flughafen München aussteigen.Dabei zeigt die Wirklichkeit ein ganz anderes Bild. Die Verkehrspolitik der 80er Jahre in unserem Land kann allen Unkenrufen zum Trotz auf einer soliden ausgebauten Verkehrs-Infrastruktur aufbauen. Wir verfügen in der Bundesrepublik über ein gut ausgebautes, flächendeckendes Verkehrswegenetz. Mit den erforderlichen Verbesserungen und Modernisierungen, mit den Ergänzungen dieses Netzes, die erforderlich sind, werden wir in der Lage sein, auch die künftigen Verkehrsbedürfnisse zu befriedigen.Aber — das scheint mir wichtig zu sein, sollte in der Debatte zum Schluß noch einmal festgehalten werden — die Rahmenbedingungen der Verkehrspolitik haben sich verändert. Sie haben sich für die Gesamtpolitik insofern verändert, als der finanzielle Rahmen enger geworden ist. Wer wollte das bestreiten? Sie haben sich aber auch durch die Explosion der Ölpreise in unserem Land verändert. Dies kann nicht ohne Auswirkungen auch auf den Verkehrssektor bleiben. Und sie müssen sich ändern angesichts der Grenzen in der Umweltbelastung, die wir in unserem Lande erreicht haben, auch durch den Verkehr. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Verkehrssicherheit, die wir erreicht haben, keineswegs befriedigend ist.Dies bedeutet beispielsweise für den Bundesfernstraßenbau, daß es in der Zukunft um die bestmögliche Nutzung des vorhandenen Netzes geht. Deshalb hat der Ausbau vor dem Neubau für uns Vorrang. Deswegen müssen Parallelinvestitionen verhindert werden. Deswegen sind Substanzerhaltungen und Modernisierung des vorhandenen Netzes wichtig und vorrangig. Deswegen ist es auch notwendig, sich den Bedarfsplan unter diesen neuen Aspekten und Herausforderungen anzuschauen.Jetzt möchte ich auf Ihre Ausführungen, Herr Lemmrich, eingehen. Wir war das eigentlich im vergangenen Jahr? Ich schiebe Ihnen nicht den Schwarzen Peter zu, sondern ich sage: Es ist an der Zeit, daß wir alle miteinander etwas weniger Selbstgerechtigkeit üben und den Mut und die Kraft auf-bringen, auch einmal selbstkritisch das eigene Tun zu beleuchten.
Wenn ich dies vorausschicke und mich einschließe, dann frage ich Sie, Herr Lemmrich: wie kommen Sie eigentlich zu der Selbstgerechtigkeit, angesichts der Entscheidungen, die im letzten Jahr getroffen wurden, den Bundesverkehrswegeplan im Jahr 1980 auf dem Preisniveau von 1978 zu verabschieden? Da waren 25% Preissteigerungen zu verzeichnen.
— Er hat doch mitgewirkt, wie alle Bundesländer auch. — Herr Pfeffermann, Sie verstehen von vielen Dingen etwas, aber in der Verkehrspolitik sollten Sie ein bißchen Zurückhaltung üben. Wie kommt es eigentlich, daß — —
— Offensichtlich hat es getroffen. — Alle Fraktionen und alle Bundesländer haben dem zugestimmt. Das ist die Wirklichkeit. Wie kommen die 15 % zustande, die wir für Lärminvestionen ohne jeden Zweifel brauchen? Wie haben Sie sich eigentlich vorgestellt, daß die Planungsreserve in Höhe einer zweistelligen Milliardensumme finanziert wird? Ich sage es doch selbstkritisch. Soll ich sagen: jetzt müssen wir die Kraft haben und nicht anfangen, den Schwarzen Peter herumzureichen und zu sagen: im letzten Jahr ist es doch verabschiedet worden? Ich sage Ihnen: die Welt sieht so aus, und da kann man nicht mehr davon sprechen, daß das sorgfältig ist.
Der § 1 lautet: Bis 1990 wird das Netz der Bundesfernstraßen nach einem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ausgebaut, der diesem Gesetz als Anlage beiliegt. — Tatsache ist, daß auf Grund der drei Faktoren, die ich eben genannt habe, zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung klar war, daß weniger als die Hälfte der Maßnahmen, die in der Bedarfsstufe I stehen, bis 1990 verwirklicht werden können.
Es hat überhaupt nichts mit aktuellen haushaltspolitischen Entscheidungen zu tun, sondern es hat damit etwas zu tun, daß man sich unrealistische Hoffnungen darüber gemacht hat, was erreicht werden kann. Jetzt ist es erforderlich, nicht dem falschen Ratschlag zu folgen und zu sagen: Wir machen nur das dritte Fünf-Jahre-Programm. Das wäre Augenauswischerei.Ich plädiere dafür, den Menschen jetzt zu sagen, was geht und was nicht geht.
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2208 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Bundesminister Dr. HauffDas ist vernünftiger und besser, als Hoffnungen zu hegen, von denen man weiß, daß sie nicht erfüllbar sind.
Dieser Realismus ist erforderlich, weil die Gemeinden wissen wollen, was wirklich bis 1990 erreicht werden kann, weil die Bauunternehmer wissen wollen, was als realistisches Bauvolumen bis 1990 da ist, weil die Arbeitnehmer wissen wollen, was wirlich möglich ist, und weil die Industrie es wissen will.
Deswegen machen wir die Differenzierung in die Baustufen I a und I b und sagen den Menschen, was bis 1990 möglich ist. Denn wir sind der Meinung, daß es richtig ist, das jetzt zu sagen, nachdem wir es sehr sorgfältig durchdacht und berechnet haben. Man sollte nicht die Hoffnung hegen, als ob das alles bis 1990 verwirklicht werden könnte.
— Dann wirken Sie doch an den Entscheidungen mit! Einige Ihrer Bundesländer wirken ja mit, andere verschließen sich, einige haben offensichtlich keine Angst vor der Wahrheit, andere haben Angst vor der Wahrheit. Das ist die Wirklichkeit. Das ist der erste Grund: daß wir einen realistischen Investitionsrahmen brauchen.Der zweite Grund, verehrter Herr Kollge Lemmrich, ist: Würden wir die Prioritätsstufe I lassen und die Differenzierung nicht vornehmen, würden zwangsläufig alle Maßnahmen, die in der Prioritätsstufe I stehen, im Laufe der 80er Jahre begonnen werden, obwohl wir wissen, daß weniger als 50 % realisierbar sind. Dann wären die Bauruinen am Ende der 80er Jahre vorprogrammiert. Deswegen plädieren wir dafür, das zu tun, was der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages ohne Gegenstimme beschlossen hat.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schröder?
Bitte schön, Herr Schröder.
Herr Minister, finden Sie es eigentlich in der Auseinandersetzung fair, durch eine Beschimpfungsaktion gegen den Kollegen Lemmrich so zu tun, als hätten Sie als neuer Verkehrsminister in dieser Legislaturperiode mit dem, was Ihr Vorgänger hier vorgelegt, verkündet und begründet hat, überhaupt nichts zu tun?
Das ist falsch, Herr Kollege Schröder. Ich habe meine Ausführungen mit den Worten begonnen: es ist Zeit,etwas mehr Selbstkritik zu üben, und habe gesagt: ich schließe meine Person dabei ein. Dabei bleibt es.
Ich komme jetzt zur Bundesbahn. Die Deutsche Bundesbahn ist ein leistungsfähiges Unternehmen. Auch da hilft die Schwarzmalerei, die Sie betrieben haben, nicht weiter. Die Deutsche Bundesbahn ist auf dem Weg zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen. Die Beiträge, die ich so verschiedentlich im Lande und auch heute hier von der Opposition in Zusammenhang mit der Bundesbahn gehört habe, lassen sich im wesentlichen darin zusammenfassen: Die Deutsche Bundesbahn soll auf keinen Fall Leistungen abbauen, sie soll kein Personal entlassen,
sie soll nach Möglichkeit die Preise nicht erhöhen, sie soll die Investitionen steigern, soll den Bundeshaushalt schönen und soll nicht auf den Kapitalmarkt gehen. — Das geht nicht.
Das ist nicht überzeugend.
Das ist eine Politik nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß! Die Bundesbahn hat eine gute Zukunft, allerdings nur dann, wenn wir die Kraft aufbringen, in diesem Zusammenhang auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
Das gilt z. B. für die Strukturpolitik. Ich bin dem Kollegen Riemer dankbar, daß er darauf hingewiesen hat — und damit muß Schluß sein —, daß diejenigen, die politischen Druck machen und verlangen, daß die Bahn eine bestimmte Dienstleistung erbringt, mit denen, die dann das Defizit zu finanzieren haben, überhaupt nichts zu tun haben. Es ist zwangsläufig, daß sich die Dinge dann auseinander-entwickeln. Hier müssen wir in der Strukturpolitik einen neuen Ansatz finden. Wir müssen versuchen, die Ausgabenseite so weit wie irgend möglich einzubauen. Es darf auch bei Rationalisierungen kein Tabu geben.In den letzten sechs Jahren sind bei der Bahn 84 000 Stellen abgebaut worden. Das ist eine großartige Leistung, übrigens auch der auf diesem Gebiet verantwortlichen Gewerkschafter, die bei der Durchführung mitgewirkt haben.
Deswegen stoßen wir jetzt dort an Grenzen, zumindest was den Betrieb der Bahn angeht; in anderen Bereichen gibt es vielleicht noch die „Nischen", von denen der Kollege Riemer gesprochen hat.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2209
Bundesminister Dr. HauffWir müssen im technischen Bereich durch Investitionen die Produktivität erhöhen. Auch müssen wir die Ertragsseite verbessern; das halte ich für das Allerwichtigste. Wir müssen dem Vorstand der Bahn helfen, das Leistungsangebot dort auszubauen, wo die Bahn konkurrenzfähig ist, wo sie attraktive Angebote macht. Ich denke insbesondere an den Intercity-Verkehr und den kombinierten Verkehr, beides Bereiche, die stürmisch wachsen und die wir weiter auszubauen versuchen sollten.
Aber auch Preisanhebungen — in einem vertretbaren Maß — müssen durchgeführt werden, um die Wirtschaftssituation der Bahn zu verbessern. Eine Preiserhöhung, die dazu führt, daß die Bahn bei den Zeitkarten, d. h. für die Schüler und die Pendler, den Personenkilometer für 6 bis 7 Pf fährt, halte ich für noch vertretbar. Das ist ein Beispiel für unpopuläre Entscheidungen, die man meines Erachtens treffen muß, wenn man es ernst meint mit dem Ausspruch: die Bahn soll eine gute Zukunft haben.Aber auch im Bereich der effizienzsteigernden Investitionen, der Modernisierung und insbesondere der Neubaustrecken müssen wir mithelfen, daß die Bahn zum Erfolg kommt. Hier wurde in der Debatte auch die Meinung vertreten, beim Neubau gebe es aus finanziellen Gründen Schwierigkeiten. Bei beiden großen Neubaustrecken, die wir im Betrieb haben, wird entsprechend dem technisch möglichen Baufortschritt gebaut. Wir haben die Wirtschaftspläne so ausgerichtet, daß das tatsächlich möglich ist.Viertens und letztens. Auch die Organisation, auch — wenn man so sagen will — das Management, Herr Kollege Riemer, muß verbessert werden. Auch ich verspreche mir davon keine Wunder. Aber ich halte es für keinen guten Zustand, daß ein so großes Unternehmen wie die Deutsche Bundesbahn kein Vorstandsmitglied hat, das z. B. für den Verkauf der Dienstleistungen verantwortlich ist. Dies geht nicht an. Hier brauchen wir auch eine moderne Managementstruktur, nicht als Wunderwaffe — da stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege Riemer —, aber als notwendige Voraussetzung dafür, daß die Bahn in der Tat gut arbeiten kann. Die Mitwirkung der deutschen Wirtschaft im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn kann dafür kein Ersatz sein. Denn dort versucht j a jeder, jeweils seine eigenen Interessen wahrzunehmen und durchzusetzen.Ich komme zum öffentlichen Personennahverkehr. Meines Erachtens geht es beim ÖPNV um die grundlegende Frage, ob wir es schaffen, den Wettlauf zwischen den steigenden 01- und Benzinpreisen und einem Angebot im öffentlichen Nahverkehr, das tatsächlich für den Bürger attraktiv ist, zu gewinnen. Das ist die grundlegende politische Frage, vor der wir stehen. Und das ist der Grund dafür, daß, obwohl wir wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, obwohl der Bundeshaushalt mit Grenzen versehen ist, obwohl der Haushalt des Bundesverkehrsministers in nominalen Zahlen sinkt, die Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr nicht nur gestrichen, sondern aufgestockt wurden, und zwar über die mittelfristige Finanzplanung immerhin um mehr als eine halbe Milliarde DM.
Eines zeigt sich klar und deutlich: Dort, wo wir rechtzeitig und frühzeitig Investitionen vorgenommen haben, wird dieses attraktivere Angebot von den Bürgern auch angenommen, z. B. in Hamburg, z. B. in München. Lassen Sie mich nur mal die Münchner Zahlen nennen. Es gab dort im öffentlichen Nahverkehr vor rund zehn Jahren 660 000 Fahrgäste; 1980 waren es 1,6 Millionen Fahrgäste. Das zeigt, was über sinnvolle Investitionen erreichbar ist.Herr Lemmrich oder Herr Schröder hat, glaube ich, das Wort gebraucht, das sei alles ein Torso. Ich nehme mal den Münchner Verkehrsverbund. Im Münchner Verkehrsverbund hat 1979 der Bund 160 Millionen DM an Defizit mitgetragen.
der Freistaat Bayern 5 Millionen DM.
— Ich sage Ihnen, Herr Lemmrich: Da bleibt in der Tat noch viel zu tun.
Vor allen Dingen für den Freistaat Bayern bleibt noch viel für den öffentlichen Nahverkehr zu tun, um hier zu einem Ausbau zu kommen.
Der Bund leistet für den öffentlichen Nahverkehr mehr als alle Bundesländer und alle Gemeinden zusammen. Das sind die Zahlen. Man kann nicht die Staatsverschuldung beklagen und gleichzeitig sagen: Diese Aufwendungen sollen weiter erhöht werden. Das ist unglaubwürdig.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich komme zum Schluß.
— Bitte schön, Herr Lemmrich.
Herr Abgeordneter Lemmrich, bitte.
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2210 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Ich habe nur die Frage, die Sie mir sicher beantworten können: Wie hoch ist der Anteil der Stadt München für den Münchner Verkehrsverbund?
Herr Lemmrich, ich war im Augenblick nicht bei dem Thema, daß die Gemeinden zu wenig tun. Die engagieren sich sehr kräftig in allen Ballungsräumen, wo sie sind.
Sondern das Defizit in dem Zusammenhang ist bei den Bundesländern. Und der Frage können Sie nicht ausweichen.
Unsere Zukunftsaufgabe lautet nicht, einen Verkehrsträger in den andern auszuspielen. Das wäre falsch. Sondern unsere Zukunftsaufgabe lautet: Wir brauchen Individualverkehr und öffentlichen Personennahverkehr. Wir brauchen Fernverkehr und Nahverkehr. Und wir müssen die Dinge vor allem stärker miteinander verbinden. Diese Verbindung, dieser kombinierte Verkehr, kann aber nur dann funktionieren, wenn der jeweilige Verkehrsträger seinen jeweiligen Vorteil besser zum Tragen bringen kann.
Der öffentliche Personennahverkehr hat in unserem Land noch einen Nachholbedarf, um die Attraktivität zu erreichen, daß die Menschen ihn auch tatsächlich annehmen. Das Straßennetz ist gut ausgebaut; der öffentliche Personennahverkehr demgegenüber überhaupt noch nicht. Wer die Verbindung von Straße und öffentlichem Personennahverkehr vorantreiben will, muß die Prioritäten bei der Investitionspolitik für die kommenden Jahre im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs setzen, weil dort der wirkliche Nachholbedarf liegt, den es zu befriedigen gilt, wenn wir ein modernes Verkehrssystem entwickeln wollen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß meiner Rede sehr herzlich den Abgeordneten danken, die an der Beratung dieses Haushaltes mitgewirkt haben. Denn sie haben damit mit die Voraussetzung geschaffen, daß wir alle miteinander denjenigen Dank sagen können, für die wir dieses Geld mit zur Verfügung stellen, das in diesem Haushalt zur Verfügung steht. Ich möchte zum Schluß den Eisenbahnern, den Fluglotsen und den Straßenwärtern danken, die rund um die Uhr Dienst tun, damit wir ein modernes Verkehrssystem haben. — Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Hierzu liegt auf Drucksache 9/526 unter Ziffer 9 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem Einzelplan 12 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Der Einzelplan 12 ist damit angenommen.
Ich rufe den Einzelplan 13 auf:
Einzelplan 13
Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache 9/483 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Walther Dr. Friedmann
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat für die Aussprache einen Beitrag von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort von den Berichterstattern gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne dann die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Friedmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 13, Post- und Fernmeldewesen — —
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, einen Moment, bitte! — Meine Damen und Herren, ich bitte doch, Platz zu nehmen oder die Gespräche draußen fortzusetzen.
Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Der Einzelplan 13, Post-und Fernmeldewesen, beinhaltet lediglich die Personalausgaben für den Minister und seinen Parlamentarischen Staatssekretär sowie die Postablieferung und die Einnahmen und Ausgaben der Bundesdrukkerei, mehr nicht. Der eigentliche Haushalt, der immerhin die Größenordnung des Haushalts des Landes Nordrhein-Westfalen hat, geht an diesem Parlament vorbei; er wird im Postverwaltungsrat hinter verschlossenen Türen verabschiedet.
Aber die wenigen Stichpunkte reichen für eine kritische Würdigung der Politik der Bundespost. Bisher mußte die Bundespost seit vielen Jahren 62/3 % ihrer Betriebseinnahmen an den Bund abliefern. Das war — rein zufällig — ungefähr soviel, wie die Post an Umsatzsteuer hätte zahlen müssen, wenn sie der Umsatzsteuer unterliegen würde. Durch das Subventionsabbaugesetz, das hier vor einigen Tagen verabschiedet wurde, wird dieser Prozentsatz nun auf 10 % erhöht, d. h., die Post muß in diesem Jahr 1,3 Milliarden DM mehr an den Bund abführen, als es der Fall gewesen wäre, wenn sich die Rechtslage nicht geändert hätte. Zwar wurdenDr. Friedmannder Post auch im letzten und im vorletzten Jahr 1,5 und 1,1 Milliarden DM mehr abgenommen, aber jedesmal hat der Herr Finanzminister, hat die SPD/ FDP-Koalition hoch und heilig versprochen, dies seien einmalige Aktionen. Nunmehr haben wir — gesetzlich zementiert — eine Dauerlösung.
Die Folge davon ist, daß Herr Matthöfer, also der Bund, zwar 1,5 oder 1,3 Milliarden DM weniger am Kapitalmarkt aufnehmen muß, aber der Post fehlt dieses Geld. Was wird sie tun? Sie wird zunächst einmal in Gebührenerhöhungen ausweichen. Demnächst wird der Postkunde für einen einfachen Brief 80 statt 60 Pf zahlen müssen.
Wem hat er es zu verdanken? Bei aller Wertschätzung Ihnen gegenüber, verehrter Herr Finanzminister: der Schuldenpolitik der jetzigen Bundesregierung.
Das heißt, die Gebühren für das Post- und Fernmeldewesen werden zu einem erheblichen Teil verkappte Steuern.Aber was durch Gebühren herausgeholt wird, wird noch gar nicht ganz reichen. Die Ertragslage der Post hat sowieso bereits nachgelassen. Die Post wird in eine Entwicklung hineingetrieben, in der sich die Bahn bereits befindet. Ein gutes Unternehmen kommt jetzt auf die abschüssige Bahn. Das hat Herr Matthöfer mit diesem Tag begonnen.Auf die Bundespost kommen demnächst in Verbindung mit den Fernmeldeanlagen, die sie einbauen muß, erhebliche Investitionen zu. Jetzt entzieht man ihr einen erheblichen Teil ihres Kapitals. Dadurch werden sich Schwierigkeiten ergeben. Die Erhöhung der Postablieferung ist also ein ganz, ganz kritischer Punkt.Ich möchte ein Zweites ansprechen. Unter diesem Kostendruck werden Rationalisierungsmaßnahmen der Post aktueller werden. Ich habe in einer meiner letzten Reden hier darauf hingewiesen, daß bei der Bundespost in der Hinsicht noch einiges zu machen ist. Ich bin daraufhin in die Schußlinie der Deutschen Postgewerkschaft geraten.
Ich habe aber, Herr Kollege Erich Riedl, erfreulicherweise und doch zu meiner Überraschung viele Zuschriften von Postbediensteten bekommen, die mich in meiner Auffassung genau bestätigt haben.
Es gibt bei der Post tatsächlich gute Leute. Ich wußte es zwar schon vorher, aber nun ist es mir auch schriftlich bestätigt worden. — Diese Bediensteten haben das also alles bestätigt.Aber ich möchte es nicht allein hierauf beruhen lassen. Herr Gscheidle hat in den letzten Jahren eine Politik der Konzentration und der Spezialisierung betrieben. Nebenbei bemerkt: Durch die Konzentration hat er die Betriebsgüte verschlechtert. Die Briefe kommen nicht mehr in jedem Fall am nächsten Tag an. Durch die Spezialisierung hat er viele Leute frustriert.Ich hab mir einmal die Mühe gemacht, die Krankenstatistik der Post nachzusehen. Seit drei Jahren liegt der Prozentsatz über 7 %. Ich könnte mir vorstellen, daß es einen Zusammenhang zwischen der unbefriedigenden Lage vieler Postler und diesem Krankenstand gibt.Bei der Rationalisierung durch die Schaffung vieler Ämter ist ein guter Verwaltungsdienst auf der unteren Ebene entstanden. Logischerweise wäre der Verwaltungsdienst auf der mittleren Ebene nicht mehr so nötig. Aber er ist ausgebaut worden, mit der Folge, daß die Post heute überbürokratisiert ist. Hier ist eine Menge einzusparen, verehrter Herr Minister Gscheidle. Ich möchte Ihnen das in diesem Kreise deutlich sagen.
Sorgen bereitet uns die Personalpolitik. Ich erinnere daran, daß vor kurzem der Poststreik war. Es ist das gute Recht des Tarifpersonals und der Gewerkschaften, für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Schichtdienstleistenden zu streiken. Aber der Minister hat hier eine Haltung eingenommen, die mehr als nur zweideutig war. Beamte dürfen nun einmal nicht streiken. Eine Reihe von Beamten hat aber gestreikt. Der Minister war nicht bereit, diesen streikenden Beamten entschieden entgegenzutreten.
Er hat es einfach hingenommen. Er war auch nicht bereit, dort einzugreifen, wo Beamte gehindert wurden, für streikende Angestellte und Arbeiter einzuspringen. Hier hat der Minister einen ganz entscheidenden Fehler begangen.Als meine Fraktion unlängst eine Anfrage wegen streikender Postbeamter einbrachte, hat der Minister, um die Zahlen beizubringen, die Oberpostdirektionen zum Bericht aufgefordert. Was ist geschehen? Die Deutsche Postgewerkschaft hat am 6. Mai ein Fernschreiben an ihre Bezirksverwaltungen hinausgegeben, in dem steht — man höre und staune —, hierüber dürften draußen ja wohl keine Unterlagen mehr existieren; die Bezirksvertreter der Postgewerkschaft sollten draußen auf die Berichterstattung entsprechend Einfluß nehmen.
Ich frage den Herrn Minister, wie wahr seine Antwort ist, die wir von ihm für die Regierung bekommen haben, nachdem auf die Berichterstattung so Einfluß genommen worden ist.
Ich möchte dem Minister nicht unterstellen, daß er das billigt.
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2212 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Dr. FriedmannIch möchte der Gewerkschaft sogar zugestehen, daß sie es aus Eifer getan hat. Aber das, was hier geschehen ist, darf nicht Schule machen.
Wir bekennen uns eindeutig dazu, daß Beamte nicht streiken dürfen. Allerdings betreibt der Minister in aller Stille eine Personalpolitik, nach der Nachwuchskräfte des einfachen und mittleren Dienstes — und auf diese Laufbahngruppen entfällt der bei weitem größte Teil der Bediensteten bei der Post — nicht mehr ins Beamtenverhältnis übernommen werden sollen. Er betreibt damit eine Politik, die darauf hinausläuft, die Post mehr als bisher streikanfällig zu machen.Mich erinnert das an eine seltsame Situation vor ein paar Jahren. Damals hatte Herr Gscheidle als zweiter Vorsitzender der Postgewerkschaft Untersuchungen darüber angestellt, was man als Gewerkschaft tun müsse, falls eine CDU/CSU-Regierung eine Politik betreibe, die nicht von den Gewerkschaften getragen werden könne.
Er kam damals zu dem Ergebnis, daß die sogenannten Befehlsköpfe — das waren die Amtsvorsteher vor allem der Fernmeldeämter — überwiegend der Gewerkschaft, nicht einer CDU-Regierung, folgen würden. Irgendwie sehe ich hier Parallelen, wenn er das Post- und Fernmeldewesen so streikanfällig macht. Ich hätte gerne, daß er dies nachher hier widerruft.Ein vierter Punkt: Spätestens seit dem Verkabelungsstopp im Jahre 1979 gibt es eine Diskussion darüber, ob sich das Fernmeldemonopol zu sehr ausdehne. Das hängt mit der neuen Glasfasertechnik zusammen. Ich möchte hier feststellen: Die Medienpolitik gehört in die Kompetenz der Länder. Die Kommunikationstechnik, für die der Bund über die Bundespost ein Monopol hat, hat hier nur eine dienende Funktion.
Die Post muß sich dieser Diskussion aber offen und konstruktiv stellen, sonst könnte eine Entwicklung eintreten, in der ihr wirklich die alleinige Netzträgerschaft streitig gemacht wird. Das muß nicht unbedingt sein.Es könnte auch eine Situation eintreten, wo man der Post die Teilnahme als Konkurrenz am Endgerätemarkt streitig machen könnte. Herr Gscheidle sollte sich hier offen der Diskussion stellen.Wir wollen, daß die Bundespost ein vollwertiger Partner in einem marktwirtschaftlichen System wird.
Wir wollen nicht, daß hier ein Monopolist andere wirtschaftliche Betriebe kaputt macht. Das muß nicht sein.
Lassen Sie mich abschließend all den Postlern danken, die treu und redlich ihre Arbeit geleistet haben. Herzlichen Dank ihnen allen!Dem Minister allerdings kann ich nicht zusagen, daß wir seinen Haushalt absegnen werden; denn seine Politik strotzt vor solchen Ungereimtheiten, daß er unsere Zustimmung nicht finden kann. — Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Paterna.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Friedmann, Sie sind ordentliches Mitglied des Haushaltsausschusses, ich bin nur Stellvertreter.
Verzeihen Sie also meine Unwissenheit; aber ich habe Schwierigkeiten, Teile der Rede mit dem Haushalt und der Haushaltsdebatte in Übereinstimmung zu bringen. Dafür, was das Streikrecht der Beamten mit dem Haushalt zu tun hatte, fehlt mir jedes Verständnis. Interessant wäre aber, einmal mit Ihnen eine Diskussion über die Vereinheitlichung des öffentlichen Dienstrechtes zu führen. Was es gerade bei der Deutschen Bundespost da für einen Unsinn gibt! Warum es dort auf exakt den gleichen Dienstposten Arbeiter, Angestellte oder Beamte gibt, kann mir ja hier wohl keiner mehr erklären. Darüber lassen Sie uns gerne eine Debatte unter Beteiligung der Gewerkschaften führen. Die werden Ihnen da einiges erzählen können.
Herr Kollege Friedmann, dann muß ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen, wie Sie hier über den wesentlichen Teil des Posthaushaltes reden: „Am Parlament vorbei! Das passiert hinter verschlossenen Türen!" — Dazu haben Sie auch noch so eine verächtliche Handbewegung gemacht. Dieses ist immerhin ein Verfahren, wo das Parlament willentlich und wissentlich ein Recht delegiert hat.
Und wenn Sie da schon so verächtliche Handbewegungen machen, dann treffen Sie Ihren Herrn Kollegen Windelen, der Vorsitzender des Arbeitsausschusses ist und dann wohl in dieser hier so verächtlich gemachten Weise hinter angeblich verschlossenen Türen irgend etwas mauschelt, was sich nicht kontrollieren läßt. Ich muß schon sagen: Diese Disqualifizierung des Postverwaltungsrates und seiner Arbeit kann ich nur auf das entschiedenste zurückweisen.
Die dritte Legende will ich Ihnen dann auch gleich töten. Wenn Sie glauben, eine Gebührenerhöhung beim Briefporto von, wie Sie gesagt haben, 60 auf 80 Pfennig stünde in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Frage der Erhöhung der Postablieferung, dann kann ich Ihnen dazu sagen: Wenn Sie das auf den Anteil umrechnen, werden Sie auf eine Erhöhung um 2 Pf kommen, die ursächlich mit. der Postablieferung zu tun hat, und nicht
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2213
Paternaauf 20 Pf. Über die Ursachen möglicher Gebührenerhöhungen werden wir zu gegebener Zeit hier zu beraten haben; aber quirlen Sie das nicht alles durcheinander.Wenn Sie die Größenordnung von 1,27 Milliarden DM, um die es hier zusätzlich geht, bewerten wollen, dann müssen Sie sich schon die Gesamtzahlen des Posthaushaltes vor Augen halten. Da geht es um ein Haushaltsvolumen von 58 Milliarden DM, wahrlich eine stolze Zahl; da geht es um Personalausgaben von 22,2 Milliarden DM in einem Jahr für 520 000 Beschäftigte oder, auf Vollzeitarbeitskräfte umgerechnet, für 458 820, wahrlich auch eine stolze Zahl. Dann geht es um ein Investitionsvolumen von sage und schreibe 12,4 Milliarden DM in einem Jahr, davon allein 10,5 Milliarden in Fernmeldeanlagen. Mit diesen Zahlen müssen Sie die 1,27 Milliarden, von denen für das Jahr 1981 die Rede ist, in Beziehung setzen, damit die Größenordnungen wieder stimmen. Wenn Sie sich diese Zahlen vor Augen halten, meine Damen und Herren von der Opposition und Herr Kollege Friedmann, dann, meine ich, müßten Sie zu dem Ergebnis kommen daß das Unternehmen Bundespost ein zweifaches Lob verdient hätte. Sie haben die Männer und Frauen, die bei der Bundespost beschäftigt sind, gelobt; ich schließe mich diesem Lob an. Ich meine aber auch, für hervorragende Unternehmensführung könnte sich selbst die Opposition gelegentlich zu einem Lob hinreißen lassen.Sie werden das vielleicht für relativ halten. Aber sehen Sie sich die Zahlen aus den Zeiten an, in denen Sie den Postminister gestellt haben; dann werden Sie sehen, da gibt es ganz erhebliche Unterschiede. Ich will Ihnen, nur damit Sie nicht übermütig werden, eine Zahl entgegenhalten. Wir haben heute über 43 % Eigenkapital bei der Post. In den Jahren zwischen 1960 bis 1970 hatten wir zwischen 20 und 30 %, und 1964 hatten wir einen Tiefstand von 12,1 % Eigenkapital. Und dann lesen Sie mal in den Annalen der Geschichte dieses Parlaments nach, wer damals Postminister gewesen ist, und qualifizieren Sie dies, verglichen mit der Lage, die wir heute haben.
— So ist es! Sie sagen es!Die rechtliche Problematik kann ich hier nicht in aller Breite ausführen; das ist in zehn Minuten nicht zu machen. Aber lassen Sie mich die möglichen Begründungen für die Ablieferung, die auch stechen, kurz anführen.Die Ablieferung — da rede ich jetzt noch nicht über die richtige Höhe — ist ein Ausgleich für die Ausübung des Post- und Fernmeldemonopols. Die Post zahlt, von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen, keinerlei Steuern. Nach allgemeinen finanz-und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen kann die Postablieferung auch als eine dem Eigentümer Bund zufließende Kapitalverzinsung und somit alsbetriebswirtschaftliches Kostenelement betrachtet werden.
Da die Ablieferung nach dieser inneren Rechtfertigung begründet werden kann — und dies ist in der Rechtsliteratur auch nicht strittig —, ist sie keine Steuer. Die Postablieferung ist auch keine nichtsteuerliche Sonderabgabe. Ich will das hier nicht im einzelnen ausführen; lassen Sie uns das, wenn Sie wollen, im Fachausschuß diskutieren.Ich warne da nur Neugierige; denn Sie müssen dann mal erst prüfen — z. B. bei Ihren Oberbürgermeistern in München, in Frankfurt und Stuttgart —, wie Kommunen mit kommunalen Eigenbetrieben umgehen und wie Energieversorgungsunternehmen in der Form von Aktiengesellschaften mit mehrheitlicher Kapitalbeteiligung der öffentlichen Hand mit diesen Unternehmungen umgehen. Dann werden Sie sehen, daß eine Konzessionsabgabe von 10 bis 20% des Umsatzes und zusätzlich eine übliche Versteuerung keineswegs die Ausnahme, sondern die Regel ist. Dies — das müßte ich als Fachpolitiker eigentlich verschweigen, weil der Finanzminister da ist — macht ihn im Umgang mit der Deutschen Bundespost vergleichsweise noch zu einem recht bescheidenen Minister. Wenn Sie schon all das rechtlich bedenklich finden, was sich im Rahmen dieser 10% abspielt, dann passen Sie auf, daß Sie sich nicht ins Knie schießen, wenn das einmal grundsätzlich überprüft wird.
Im übrigen hat der Finanzminister überhaupt kein Hehl daraus gemacht, daß diese Erhöhung natürlich der Verbesserung der Einnahmesituation des Bundeshaushaltes dienen soll. Dies kann angesichts der allgemeinen Wehklagen, die Sie über die Lage der öffentlichen Finanzen hier anstimmen, von sich aus noch keine unsittliche Handlung sein.Nun will ich gerne zugeben, daß die Fachpolitiker über diese Festschreibung der Erhöhung der Postablieferung im Postverwaltungsgesetz nicht so sehr vergnügt gewesen sind. Ich gestehe freimütig, ich hätte mir lieber den Weg über nochmalige Sonderablieferungen gewünscht, weil wir als Fachpolitiker ab 1984/85,
wo für die Fernmeldestruktur tatsächlich ein erheblich erhöhter Investitionsbedarf bestehen wird, dann freiere Hand gehabt hätten.Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, lassen Sie sich bitte zweierlei entgegenhalten, um das, was sich hier abspielt, richtig zu bewerten. Von 1965 bis 1977 hat der Bund auf insgesamt 10,7 Milliarden DM, die ihm gesetzlich zustanden, verzichtet. Es ist ja wohl vertretbar, wenn bei wesentlich verbesserter Haushaltslage der Post und wesentlich verschlechterter Haushaltslage des Bundes der Bund jetzt zunächst einmal diese 10,7 Milliarden
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2214 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
PaternaDM wieder hereinholen möchte. Wenn Sie die beiden letzten Sonderablieferungen und die jetzige Erhöhung berücksichtigen, dann kommen Sie auf plus minus Null im Jahre 1986. Von da an greift die erhöhte Postablieferung überhaupt erst. Dann werden wir darüber reden. In Klammern gesagt: Die 62/3 %, die bisher gegolten haben, stammen aus dem Jahre 1931 und haben sage und schreibe 50 Jahre Bestand gehabt. Auch das sollte man im Hinterkopf behalten.Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen, meine Damen und Herren von der Opposition, damit hier keine Scheingefechte geführt werden. Im Jahre 1978 hat der Bundesrat auf Antrag des Landes Baden-Württemberg für 1979, d. h. für ein Jahr, eine Erhöhung der Sonderablieferung um sage und schreibe 5 Milliarden DM gefordert. 5 Milliarden DM in einem Jahr sind soviel, wie die Erhöhung der Postablieferung in vier Jahren ausmacht. Wenn Sie mit Ihrer CDU/CSU-geführten Mehrheit im Bundesrat allein für ein einziges Jahr zusätzliche 5 Milliarden DM für vertretbar halten, dann können Sie doch heute nicht die Regierung oder die Koalition an den Pranger stellen, wenn sie ein Viertel von dem umsetzt, und meinen, hier würde der Gebührenzahler in völlig unvertretbarer Weise geschröpft. Da müssen Sie sich auch einmal ein bißchen an Ihre Taten oder Ihre Untaten der Vergangenheit erinnern.
Dann würde vielleicht manches in dieser Diskussion nicht nur zum Einzelplan 13, sondern in der gesamten Woche etwas ruhiger, etwas sachdienlicher und für den Bürger etwas informativer ablaufen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in den zurückliegenden Jahren sehr oft darauf verzichtet, den Einzelplan 13 zu diskutieren, manchmal aus Zeitmangel, manchmal aus anderen Gründen. Heute wäre es eigentlich angebracht gewesen, darauf zu verzichten, denn die Debatte hat jedenfalls bisher nicht ein einziges neues Argument gebracht. Ich meine, daß wir im wesentlichen zwei Feststellungen treffen können: Die Deutsche Bundespost hat in den letzten Jahren in der Tat vorzügliche Jahresabschlüsse vorgelegt. Auch dieses Jahr wird sie dazu auf Grund einer sehr vorausschauenden Gebührenpolitik in der Lage sein.
Um aber nicht einen weiteren Beitrag nur dazu zu leisten, daß sich das Parlament an dieser Stelle mit Neuem nicht mehr beschäftigen kann und im wesentlichen nur noch die Stenographen mit dieser Debatte zu tun haben, möchte ich im Interesse der Deutschen Bundespost darauf dringen, daß wir diesen Einzelplan so schnell wie möglich verabschieden. Ich meine, das ist auch das Bekömmlichste für die Politiker aus allen Reihen. — Herzlichen Dank.
Das Wort hat Herr Bundesminister Gscheidle.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte keine Rede vorbereitet; aber Herr Dr. Friedmann wird einsehen, daß die Art und Weise, wie er heute die Diskussion geführt hat, eine kurze Antwort erfordert.Zunächst einmal war Ihre Einladung zu einer Diskussion wohl nicht ernst gemeint; denn als alter Parlamentarier würden Sie wohl nicht sagen wollen, daß Sie oder andere bereit wären, jetzt über Ihre Ausführungen eine lange Diskussion zu führen. Das entsprach eher dem Stil, in dem Sie Ihre Rede angelegt haben.
— Ich werde versuchen, Ihnen in vier Punkten kurz zu antworten.Sie haben erstens versucht, sich hier an einer Legendenbildung zu beteiligen, die Ihnen — wenn Sie etwas darüber nachdenken — nichts bringen kann.Nehmen wir die Frage Poststreik. Sie sind ein erfahrener Mann, eines muß ich Ihnen aber sagen: Wenn Sie es als Jurist nicht akzeptieren, daß die Beendigung eines Arbeitskampfes zwingend voraussetzt, daß sich die Tarifpartner vor Beendigung dieses Arbeitskampfes auch darum bemühen müssen, die aufgetretenen Rechtsfälle, Streitfälle oder Übergriffe zu regeln, kommen Sie zu keinem Tarifabschluß. Dies ist, seit es Tarifkämpfe gibt, die normale Beendigung eines Arbeitskampfes.
— Ich lasse keine Fragen zu. Entschuldigen Sie! Ich habe mir vorgenommen, nur fünf Minuten zu reden. Das gestattet nicht auch noch eine Diskussion.
— Doch! Ich sagte Ihnen ja: Ihnen ist bei manchen Fragen nicht bewußt geworden, wovon Sie eigentlich reden. Daß wir zum Ende dieses Streiks mit einer Einheitsgewerkschaft sowohl die Frage regeln mußten, wie die Fälle behandelt werden sollten, in denen Postbeamte in ihrem Eifer etwas zu weit gegangen sind,
als auch die Fälle, in denen einzelne vielleicht etwas zu weit gegangen sind, ist durchaus üblich.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2215
Bundesminister GscheidleDas kommt im Arbeitsrecht auch bei der Regelung der Fälle vor, in denen jemand gerade nicht arbeitet, sondern sich im Urlaub befindet und in der Streikleitung sitzt.
— Das ist nachlesbar; diese Frage ist gar nicht so kompliziert, wie Sie vielleicht meinen, wenn man sich bemüht zuzuhören.
Die zweite Legende, an der Sie hier zu stricken begonnen haben, ist, die Politik des Bundespostministers sei darauf gerichtet, durch die Reduzierung von Beamtendienstposten oder des Einsatzes von Beamten sowie durch die Vermehrung der Zahl der Arbeiter das Streikpotential zu stärken.
Sehen Sie, Herr Dr. Friedmann, Teile Ihrer Ausführungen richteten sich über das Plenum hinaus an erkennbare Adressaten. Nur müssen Sie diesen zugleich auch klarmachen, wie Sie es bei einer Entwicklung halten würden, die zeigt, daß die Gewichtung im öffentlichen Dienst, ausgewiesen am Anteil des einfachen Dienstes, des mittleren Dienstes, des gehobenen und des höheren Dienstes, bei der Bundespost, im Vergleich zu der Entwicklung bei anderen Verwaltungen eindeutig zuungunsten des Personals im einfachen Dienst verlaufen ist. Das heißt, wir müssen bei der Bundespost im Sinne einer richtigen Gewichtung oder Bewertung, ausgedrückt in Laufbahngruppen, aus dem einfachen Dienst in den mittleren Dienst umschichten. Die Frage, die Sie irgendwann — heute sicherlich nicht — beantworten müssen, ist: Würden Sie das durch Vermehrung der Zahl der Beamtenstellen tun, oder würden Sie die notwendige Vermehrung von Beamtenstellen im mittleren Dienst durch Einsparungen im einfachen Dienst unter Hinnahme einer anderen Laufbahngestaltung, nämlich über Tarifpersonal, zu erreichen versuchen?In der Frage Glasfaser haben Sie versucht, eine dritte Legende zu bilden oder wenigstens mit dem Stricken einer solchen zu beginnen. Sie haben gesagt, die Post müsse sich hier offener halten, denn sie dürfe über ihren Monopolanspruch nicht gewisser Dinge verlustig gehen, die Sie für richtig hielten. Bei der Diskussion über die Glasfaser handelt es sich zunächst darum, die Bevölkerung darüber aufzuklären und den interessierten Bürgern klarzumachen, daß die Glasfaser eine Möglichkeit der Übertragung ist, die sich nicht nur für das Fernsprechen, sondern auch für das Bildsprechen eignet und damit im Medienbereich als Träger von Programmen in fast unendlicher Vielfalt zur Verfügung gestellt werden kann. Ohne im Auge zu behalten, daß das Entstehen von mehreren Netzen unter gar keinem Gesichtspunkt volkswirtschaftlich sinnvoll ist, kann diese Diskussion nicht geführt werden. Darum geht es im Augenblick.Vierter Punkt: Die Post als vollwertiger Partner in einem marktwirtschaftlichen System.
Wer argumentiert bei der Bundespost denn eigentlich gegen dieses Prinzip? Zuvor müßte man natürlich zunächst einmal klären, was marktwirtschaftliches System ist; denn viele von Ihnen verstehen darunter in sehr wechselnder Gewichtung etwas Verschiedenes. Aber, Herr Dr. Friedmann, Sie können nicht einen einzigen Beleg dafür anführen, daß die Bundespost im Augenblick nicht danach verfährt, die volkswirtschaftlich optimale Lösung im Hinblick auf die neuen Technologien in ihrem Netzbereich zu finden.Zum Ganzen sagen Sie zum Abschluß — die deutsche Sprache ist halt verräterisch, Herr Dr. Friedmann —, wenn Sie diesen Haushalt mit all seinen Ungereimtheiten betrachten, könnten Sie uns nicht in Aussicht stellen, ihm zuzustimmen. Sie meinen doch den Haushalt, der jetzt zur Beratung steht?! Was ist denn ungereimt? Der Gehaltsansatz für den Minister
oder den Parlamentarischen Staatssekretär oder der Ansatz für die Bundesdruckerei? Sie haben doch bewiesen, daß Sie über etwas diskutieren wollen, was an und für sich keinen Bezug zum Haushalt hat. Dagegen habe ich ja nichts. Aber Ihr Bemühen, zum Schluß Ihrer Ausführungen doch noch den Anschluß an diese Debatte zu finden, war doch ein bißchen mager.Ich darf Ihnen versichern: Die Bundespost wird schon im Aufwind bleiben, wenn wir darauf verzichten, Vorschläge zu beherzigen wie die, die Sie gemacht haben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 13, Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Wer dem Einzelplan 13 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen ! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 13 ist angenommen.Ich rufe auf: Einzelplan 25Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau— Drucksache 9/489 —Berichterstatter:Abgeordnete Frau Traupe Hauser
Es ist vereinbart worden, auch bei diesem Geschäftsbereich die Aussprache auf einen Beitrag von 10 Minuten je Fraktion zu begrenzen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
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2216 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Vizepräsident WurbsWird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Hauser .Hauser (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist in den letzten Jahren nicht besser, sondern schlechter geworden. Die Bauleistung sinkt. Das hat verschiedene Gründe. Für zahlreiche mögliche Bauinteressenten ist Wohnungseigentum wegen der überproportional stark gestiegenen und weiter steigenden Kosten für Bauland, Baukosten und Kapitalzinsen nicht mehr erschwinglich. Frei finanzierter Mietwohnungsbau ist unwirtschaftlich und durch die Mietgesetzgebung belastet. Er findet praktisch nicht mehr statt.Sozialer Wohnungsbau ist bei Kostenmieten von 20 DM und mehr je Quadratmeter Wohnfläche zu teuer. Der Staat aber kann Subventionen in der zur breiten Deckung der Nachfrage erforderlichen Höhe nicht mehr aufbringen. Dabei haben nach dem Gesetz weit über 50 % aller Haushalte Anrecht auf eine Sozialwohnung. Aber zwei Drittel dieser Mitbürger, die Anrecht auf eine Sozialwohnung haben, gehen in der Praxis leer aus.
Von den vorhandenen Sozialwohnungen schließlich ist ein Drittel fehlbelegt.Rein rechnerisch, nicht aber tatsächlich ist der Wohnungsmarkt in etwa ausgeglichen. Dazu tragen all diejenigen Mitbürger bei, die ihre früher erforderliche große Wohnung trotz Verlustes oder Auszugs eines Teils ihrer Angehörigen weiter bewohnen. Insbesondere in den Ballungsgebieten herrscht akuter Wohnungsmangel, der die jungen und kinderreichen Familien besonders heftig trifft.Am billigsten aber wohnt, wer seine Wohnung vor 20 Jahren oder mehr bezogen hat, also wer am längsten dort wohnt.Der zur Verabschiedung vorliegende Einzelplan 25 vermag an der mehr als unbefriedigenden Situation wenig zu ändern. Zwar steigen die Ausgaben des Einzelplans von 4,36 Milliarden DM im vergangenen Jahr auf etwas über 5 Milliarden DM — davon ca. 120 Millionen DM Personalkosten und sächliche Verwaltungskosten — in 1981. Aber ca. 1,1 Milliarden DM Wohngeld und 920 Millionen DM Wohnungsbauprämien zehren einen großen Teil der verbleibenden Summe auf. Die Restsumme aber dient größtenteils der Abwicklung von in der Vergangenheit für Neubauten eingegangenen Verpflichtungsermächtigungen, also zur Finanzierung von in der Vergangenheit bereits durchgeführten Baumaßnahmen. Neue Bauten wiederum können nur mit neuen Verpflichtungsermächtigungen gefördert werden.Die Verpflichtungsermächtigungen für die Förderung bereits bezogener Neubauten haben ein Ausmaß erreicht, das den Einzelplan des Bauministersfür die Zukunft weitgehend unbeweglich macht. Dabei wachsen die Vorbelastungen des Haushalts auf Grund von Verpflichtungsermächtigungen früherer Neubauten zum Teil in künftigen Haushaltsjahren stark an.Als Beispiel hierfür sei das frühere Regional- und heutige Eigentumsprogramm genannt, das in seiner Zielsetzung sicherlich hilfreich war und noch ist und das vom Umfang künftiger Belastungen her das bei weitem größte ist. Für das frühere Regional- und heutige Eigentumsprogramm wurden 1979 ca. 351 Millionen DM, 1980 ca. 571 Millionen DM ausgegeben. Auf Grund der bestehenden Verpflichtungsermächtigungen sind erforderlich: 1981 780 Millionen DM, 1982 963 Millionen DM, 1983 1,22 Milliarden DM, 1984 1,367 Milliarden DM, 1985 1,412 Milliarden DM usw. In den Folgejahren sind es insgesamt über 18 000 Millionen DM.
Wohlgemerkt: Das alles sind Ausgaben, deren rechtliche Notwendigkeit schon heute feststeht, ohne daß dafür eine einzige neue Wohnung in der Zukunft gebaut werden kann.
Bei anderen Programmen sieht es ähnlich aus. Mehr noch: Im Haushaltsausschuß wurden bei den Titeln 882 04 — Zuschüsse an Länder zur Förderung heizenergiesparender Maßnahmen in Gebäuden —55 Millionen DM, bei der Titelgruppe „Städtebauliche Vorhaben in Sanierungsgebieten, in Entwicklungsbereichen und Untersuchungsgebieten nach dem Städtebauförderungsgesetz" 65 Millionen DM und bei Titel 852 02 — Darlehen an Länder zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus —115 Millionen DM gegenüber der Regierungsvorlage zugelegt, und zwar mit Hilfe der Nettokreditaufnahme; dies aber nicht etwa deshalb, um auf diesen Gebieten für die Zukunft mehr bewirken zu können, sondern lediglich deshalb, um die bis zum 31. Dezember 1980 eingegangenen Rechtsverpflichtungen einlösen zu können. Es sind Rechtsverpflichtungen, die aber in der Übersicht über die Verpflichtungsermächtigungen im Einzelplan 25 nicht enthalten sind.In den Bereichen Städtebauförderung und Eigentumsprogramm wird befürchtet, daß über den Haushalt hinaus weitere Rechtsverpflichtungen für 1981 eingefordert werden könnten, was dazu führen müßte, daß Anfang 1982 aus dem Haushalt 1982 Verpflichtungen für 1981 abgedeckt werden müßten — ein Gebaren, das sich auch schon in der Vergangenheit ereignet hat, das aber zutiefst unsolide ist.Bürger und Parlament müssen sich durch ein solches Haushaltsgebaren getäuscht fühlen. Der zur Beschlußfassung vorliegende Haushaltsplanentwurf müht sich zwar, in der Vergangenheit eingegangene Verpflichtungen abzudecken. Es fehlen ihm jedoch neue Ideen und Impulse. Er krankt daran, daß er immer noch die Lösung der Probleme in
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2217
Hauser
erster Linie von den öffentlichen Händen erwartet.
Bestimmendes Ordnungssystem jedoch muß auch im Wohnungsbau die Soziale Marktwirtschaft sein. Wohnungswirtschaft muß unter sozialer Absicherung der einkommensschwachen Bevölkerungskreise schrittweise in die Soziale Marktwirtschaft eingebunden werden.
Nur so kann es gelingen, das für den Wohnungsbau zwingend erforderliche private Kapital stärker als derzeit möglich zu engagieren. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat die erforderlichen Gesetzesinitiativen erarbeitet und auf den Weg gebracht.
Die Regierungskoalition kann sich aber auch angesichts leerer Staatskassen nicht darauf einigen, sachgerechte marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau herzustellen.
Meine Damen und Herren von SPD und FDP, Ihr Streit darüber, ob erhöhte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten oder ein Sonderprogramm zum Wohnungsbau vorzuziehen seien, führt dazu, daß beides nicht geschieht.
Einmal mehr zeigt sich, daß die derzeitige Bundesregierung mehr recht als schlecht und mehr schlecht als recht verwaltet, aber die anstehenden Probleme nicht löst.
Wie überaus großzügig auch heute noch mit den Staatsmitteln umgegangen wird, zeigt sich im übrigen an der Planung des Ausbaus des Petersbergs zu einem Gästehaus der Bundesregierung. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hatte vor etwa zwei Jahren dem Ankauf des Petersbergs nach Maßgabe der von der Bundesregierung vorgelegten Kostenaufstellungen, die den Ankauf, den Ausbau und die Nebenkosten betrafen, zugestimmt. Er war davon ausgegangen, daß die damals von der Bundesregierung angegebenen Kosten allenfalls im Zuge einer allgemeinen Steigerung der Baukosten überschritten würden.
Einige Zeit später wurden die Mitglieder des Haushaltsausschusses durch Pressemeldungen aufgeschreckt, wonach ein feudaler Ausbau des Peters-bergs in Planung sei, bei dem Geld keine Rolle spiele.
Die Bundesregierung dementierte das. Bei der Vorbereitung der diesjährigen Haushaltsplanberatungen stellte sich nun heraus, daß das damalige Dementi falsch war. Der geplante Ausbau des Peters-bergs hätte so viele Millionen Mark mehr verschlungen als damals vorgesehen, daß die Bundesregierung die entworfenen Pläne den Berichterstattern im Haushaltsausschuß gar nicht erst vorlegte, sondern neue in Auftrag gab.
Auch beim Ausbau von Bundestag und Bundesrat sind die überaus aufwendigen bisher vorliegenden Planungen dem Diktat des Rotstifts zum Opfer gefallen. Das ist gut so. Ein Milliardenaufwand für einen neuen Bundestag hätte nicht in eine Zeit gepaßt, in der an allen Fronten des Haushalts schmerzhafte Kürzungen vorgenommen werden müssen.
Im Interesse der teilweise völlig unzulänglich untergebrachten Bediensteten dieses Hauses, aber auch im Interesse der Bewohner und Grundeigentümer des Bonner Regierungsviertels, die durch die Ausweisung der Flächen zum Entwicklungsgebiet nach dem Städtebauförderungsgesetz belastet sind, steht zu hoffen, daß die Unterkommission des Ältestenrats für den Neubau von Bundestag und Bundesrat bis zum Herbst dieses Jahres den reduzierten Umfang für die notwendigen Neubauten feststellt, damit die entsprechenden planerischen Folgerungen gezogen werden können. Der Bundestag selbst sollte sodann entscheiden, was und wie er bauen will.Zusammenfassend bleibt festzustellen: Trotz eines erheblichen Aufwuchses ist der Einzelplan 25 nicht geeignet, einen Weg zur Lösung der großen Wohnungs- und Städtebauprobleme zu weisen. Der Einzelplan 25 wird daher von der CDU/CSU-Opposition abgelehnt.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Traupe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir hier vor vier Monaten während der ersten Lesung des Bundeshaushalts 1981 über die künftige Wohnungsbaupolitik und den Etat des Bundesbauministers sprachen, standen wir schon unter dem Eindruck knapper Kassen aller öffentlichen Haushalte. So war es verständlich, daß der Bundesfinanzminister auch den Einzelplan seines Kollegen für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau knapp gehalten hatte.
Im Laufe der Etatberatungen im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages schien es den Koalitionspartnern von FDP und SPD sinnvoll zu sein, die Mittel im Wohnungsbau für 1981 anzuheben.
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2218 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Frau TraupeDie augenblickliche konjunkturelle Lage erlaubt es unserer Meinung nach nicht, im sozialen Wohnungsbau oder beim Heizenergiesparprogramm auf Kosten der Normalbürger verstärkt zu sparen.
Deswegen haben wir, Herr Kollege, den Etat des Wohnungsbauministers — ach Gott, ich fürchte mich nicht, auch wenn er das sagt — gegenüber dem von der Bundesregierung vorgelegten Ansatz um 197 Millionen DM angehoben. Gegenüber dem Ist 1980, Herr Kollege, steigt der Etat sogar um 16,7 % und hat damit heute die höchste Steigerungsrate aller Einzeletats dieses Haushalts.
— Wir kommen noch dazu. Sie kommen noch, Herr Jahn.Nun sind wir bei der Überprüfung der Haushaltsansätze für das Jahr 1981 als Berichterstatter und als Ausschußmitglieder gründlich vorgegangen. Angesichts der anerkannten Notwendigkeit, Geld einzusparen, wo es nicht investiven Zwecken dient, haben wir in einigen Bereichen Mut gezeigt. Wie in anderen Etats der jeweiligen Minister wurden die vorgelegten Ansätze für Geschäftsbedarf, Bücher, Zeitschriften, Post- und Fernmeldegebühren, Rundfunk-und Fernsehgebühren, die Bewirtschaftung der Grundstücke und die Öffentlichkeitsarbeit gekürzt. Wir sind auch an Titel herangegangen, die den Fachminister schmerzen. 1,3 Millionen DM wurden allein von den Forschungstiteln heruntergenommen. Der Zuschuß an die Internationale Bauausstellung in Berlin wurde um knapp 400 000 DM gekürzt.
In diesem Jahr schien es auch nicht notwendig zu sein, wie der Kollege Hauser bereits gesagt hat, für die Planung von Neubauten des Bundestages und der Bundesregierung für Sachverständige und Architekten 9,5 Millionen DM zusätzlich bereitzustellen. Ja, auch die vielleicht einmal sehr nützliche Einrichtung der „Berater für den Ausbau der Stadt Bonn als Bundeshauptstadt" haben wir nun nicht mehr finanzieren wollen. Erfreulicherweise haben ja diese Herren in den Jahren, in denen sie tätig waren, Gutachten schriftlich erstellt, auf die wir bei Gelegenheit wieder zurückgreifen könnten. In den nächsten Jahren gibt es meines Erachtens dringlichere Aufgaben, als große Neubauten in Bonn zu bewältigen. Dies trifft auch für den einen oder anderen Forschungsauftrag zu, der in der Vergangenheit sicherlich Institute beschäftigt und Beamte zum Lesen veranlaßt hat.
Es ist übrigens allen Ressortministern zu empfehlen, sparsame Haushaltsführung als etwas Sinnvolles zu entdecken.
Hier muß ich ausdrücklich den Wohnungsbaumini-ster loben, der bereits in den vorangegangenen Jahren die Sparvorschläge der Berichterstatter angenommen hat. Ich habe auch deshalb kein Verständnis dafür, meine Kollegen von der CDU/CSU und sehr geehrter Herr Kollege Hauser, wenn Sie ausgerechnet bei diesem Öffentlichkeitsetat noch einmal 20 000 DM herunternehmen wollen. Ich glaube, es gibt kaum einen anderen Öffentlichkeitsetat in dem Bundeshaushalt, der 1979, 1980 und 1981 die gleiche Summe, nämlich 240 000 DM, veranschlagt hatte. Ich wünschte mir, die Kollegen der anderen Haushalte hätten da etwas gründlicher aufgepaßt. Ich gehe übrigens auch von der Erkenntnis aus, gute Politik kann man mit weniger Geld, aber guten Mitarbeitern besser erreichen als mit zuviel bunten Broschüren und Zeitungsanzeigen.
Aber da können Sie selbstverständlich auch bei vielen Ihrer CDU-Kollegen in den Ländern, die dort als Minister und Regierungschefs tätig sind, einiges feststellen.In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, daß der Bundesregierung allgemein und vor allem dem Finanzminister zu empfehlen ist, die Verträge für die verschiedenen Zuwendungsempfänger zu überprüfen. Es muß nicht sein, daß automatisch Steigerungsraten für Institute, Akademien und Forschungseinrichtungen von Haushalt zu Haushalt hingenommen werden.Meine Damen und Herren, wir als sozialliberale Koalition sind auch immer noch großzügig gegenüber der Stadt und den Gemeinden im Raume Bonn, für die wir in diesem Jahr 112 Millionen DM aus dem Einzelplan 25 zahlen. Ich gehe davon aus, Herr Finanzminister, daß Sie auch in diesem Haushalt bei so langen zeitlichen Verträgen Haushaltsvorbehalte abschließen.Den Wunsch der Bundesregierung nach dem Ausbau eines Gästehauses auf dem Petersberg muß man weiterhin als berechtigt ansehen. Aber ich stimme dem Kollegen Hauser ausdrücklich zu: Die Verwirklichung von Maximalvorstellungen darf bei möglichen Neubauten des Bundestags niemand anstreben. Das paßt weder zum demokratischen Staat noch ist es wirtschaftlich sinnvoll und vor dem Steuerzahler zu vertreten.Neben den Einsparungen war es jedoch angesichts des dringenden Bedarfs an preisgünstigen Wohnungen nicht zu verantworten, die Mittel im sozialen Wohnungsbau niedriger zu halten, als dies in der augenblicklichen konjunkturellen Lage zu vertreten war. Als sich im Februar/März 1981 abzeichnete, daß die Darlehen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus über die veranschlagten 467 Millionen DM hinaus von den Ländern angefordert würden, habe ich mich für die Anhebung um 115 Millionen DM eingesetzt. Der Ansatz für das Sozialprogramm beträgt nun erstmals 582 Millionen DM.Notwendig wäre auch, zu erwähnen, daß man nicht nur von Energieeinsparung reden darf, sondern die Zuschüsse aus dem Heizenergiesparprogramm auch zu gewähren sind. Was ist das für eine politische Philosophie, meine Damen und Herren,
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2219
Frau Traupedie finanziellen Zuschüsse für Bezieher niedriger Einkommen und gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen verächtlich als „Fensterprogramme" zu bezeichnen, während Sie als CDU/CSU Steuerausfälle in Milliardenhöhe für Energieeinsparungen und Modernisierungsmaßnahmen gar nicht erst erwähnen?
Ich höre immer wieder von Gemeinden, Städten und Landkreisen, daß sie eine Vielzahl von Anträgen von Beziehern kleiner Einkommen vorliegen haben, die Zuschüsse für Maßnahmen zur Heizenergieeinsparung haben möchten. Wir haben die von der Regierung veranschlagten 223 Millionen DM 1981 nur deswegen noch einmal um 55 Millionen DM aufgestockt, um zu erreichen, daß die von uns zu akzeptierenden Ausgabenreste der letzten Jahre nun auch wegkommen. Aber wir wollten auch einigen Bundesländern kein Alibi geben, sich hinter dem Bund zu verstecken, wenn sie kein Geld mehr für dieses Programm zur Verfügung stellen wollten oder konnten.Unglaublich ist, was sich der für den Wohnungsbereich zuständige niedersächsiche Sozialminister Schnipkoweit kürzlich geleistet hat. Ihm wurde von den SPD-Landtagskollegen die faktische Einstellung des Heizenergiesparprogramms für 1981 nachgewiesen; denn die noch vorhandenen 9 Millionen DM wollte der Herr tatsächlich nur für Energiesparmaßnahmen bei Altenheimen und anderen öffentlichen Einrichtungen ausgeben.
Anträge von Privatpersonen — obwohl in großer Zahl vorhanden — sollten nach seiner Auffassung abgelehnt werden. Zur Rede gestellt, hat Herr Schnipkoweit dann gesagt, das vom Bund erzwungene Energieprogramm sei sowieso ein Schlag ins Wasser gewesen.
Wörtliches Zitat: „Mehr als 2 Milliarden DM Steuergelder sind ohne Wirkung verpufft."
Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Herr Schnipkoweit weiß immer noch nicht, daß gerade in den letzten Jahren im Bereich der Heizenergieeinsparung auch wirklich Energie gespart worden ist und daß dies durch dieses Programm und den Anreiz dazu geschehen ist.
Ich frage Sie: Was ist das für eine Art, zu sagen: wir zahlen über die Steuern natürlich für die hohen Einkommen die Isolierungsmaßnahmen, die Fenster und die Heizanlagen, aber beim kleinen Mann ist das ein Programm, das witzlos ist? Das machen Sie nicht mit uns!Meine Damen und Herren, wenn der Bund nun rund 5 Milliarden DM für den Bereich Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ausgegeben hat, sodokumentiert er damit seine Mitverantwortung für diesen Sektor.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Frau Kollegin Traupe, ist Ihnen bekannt, daß nach Gutachten, die die Bundesregierung eingeholt hat und die im Fachausschuß beraten wurden, weitgehende Übereinstimmung darin bestand, daß dieses Energiesparprogramm im wesentlichen oder in ganz erhebelichem Maße Mitnehmereffekte in diesem Bereich eröffnete und daß insbesondere diese Effekte von der CDU kritisiert worden sind?
Herr Kollege, dies stimmt. Ich bin ausdrücklich der Meinung, daß das auch richtig war, weil der Erfolg dieses Mitnehmereffekts, daß die Leute wirklich energiesparende Maßnahmen durchgeführt haben, der wichtige Punkt ist. Überlegen Sie, daß wir überhaupt nicht kontrollieren können, was wir bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit dem, der über Steuern sparen kann, an Mitteln mitgegeben haben. Daran stört mich j a nur, daß hier immer vom Mitnehmereffekt geredet wird, während bei den Milliarden, die in Modernisierung und Energieeinsparung gegangen sind, nicht davon gesprochen wird. Aber einen Erfolg haben wir erreicht: Wir verbrauchen heute weniger Heizenergie als vor fünf Jahren. Dies ist der Pluspunkt. Das hat das Vier-Milliarden-Programm bewirkt. Das ist mir klar.
— Aber ich bitte Sie doch sehr, Herr Jahn!Ich will zum Schluß sagen: Ein Eindruck muß in der Öffentlichkeit ausgeräumt werden, nämlich daß vor allen Dingen der Bund für die neuen Baumaßnahmen im Wohnungsbaubereich verantwortlich ist. Wir haben eine neue Wohnungsfrage in den Ballungsräumen.
Ich halte es für wichtig, daß Bund, Länder und Gemeinden sich dieser Frage annehmen. Ich wünschte mir mehr Kooperation von seiten der CDU/CSU-regierten Bundesländer, denn auch sie haben diese Sorgen, und wir können dieses Problem nur gemeinsam lösen.Soll man solche Wohnungsbauprobleme lösen, indem man neue Ideen wieder über Steuererleichterungen, über degressive Abschreibungen und solche Dinge verwirklicht? Da kann ich Ihnen nicht folgen. Meine Bitte geht auch an die FDP und die CDU/CSU, daß wir gemeinsam vor allem jene Wohnungsprobleme lösen, die den kleinen Mann angehen.
Der Einkommensstarke und Gutverdienende kannsich weitgehend selbst helfen. Wir müssen dem Einkommensstarken nicht durch Steuervergünstigun-
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2220 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Frau Traupegen zusätzliche Vermögensaufbesserungen mit Hilfe öffentlicher Mittel verschaffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Sinn der Zeitökonomie will ich nur drei ganz kurze Bemerkungen machen. Erstens. Was zum aktuellen Haushalt zahlenmäßig zu sagen war, hat Frau Kollegin Traupe gesagt. Wir werden diesem Haushalt zustimmen.
Die zweite Bemerkung: Herr Kollege Hauser, was Sie zur Analyse des Wohnungsmarkts und zur Wohnungspolitik allgemein gesagt haben, verdient eine ausführliche Besprechung. Dazu werden wir ausreichend Zeit und Gelegenheit auf der Grundlage des von Ihnen hier zitierten Programms der Opposition
und auf der Grundlage des Programms der Regierung haben. Ich hoffe, daß wir das zeitgleich werden diskutieren können. Das wird sicher eine interessante wohnungspolitische Debatte werden.
Die dritte Bemerkung: Ich möchte an das Wort aus der Regierungserklärung erinnern,
daß der Bund anstrebt, den gesamten Bereich der Förderpolitik und die diesbezügliche Finanzierungskompetenz auf die Länder zu verlagern. Wenn Sie unter diesem Gesichtspunkt den Haushalt für dieses Jahr sehen, dann stellen Sie fest, daß er genau in die richtige Richtung führt. Er ist genau das, was notwendig ist. Herr Kollege Hauser, ich frage Sie: Warum wollen Sie diesen Haushalt ablehnen?
Herr Kollege Hauser, ich finde im Programm der Opposition keinen einzigen Punkt, der eine andere Strukturierung dieses Haushalts notwendig macht. — Ich danke Ihnen.
Das 'Wort hat Herr Bundesminister Dr. Haack.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte nur ganz kurz auf die zehn Punkte eingehen, die Herr Kollege Hauser hier angeschnitten hat. Herr Gattermann hat recht, daß wir die intensive Diskussion an Hand der dem Bundestag bald vorliegenden Gesetzentwürfe führen werden.Punkt eins, Herr Hauser, hieß: Es wird mit der Eigentumsbildung, auch im Blick auf die gegenwärtige Zinsentwicklung, immer schwieriger. Das ist völlig richtig festgestellt, das macht uns Sorgen; darum müssen wir uns kümmern. Was mich nur wundert, ist, daß Sie von seiten der CDU/CSU zwar immer von der Eigentumsbildung sprechen, sich aber — auch bei den Vorschlägen, die Sie jetzt vorgelegt haben — überhaupt nicht um das Bodenrecht kümmern, obwohl das Bodenrecht mit den Chancen der Eigentumsbildung ganz eng zusammenhängt.
Zweiter Punkt — das will ich nur im Blick auf die Debatten sagen, die wir demnächst haben werden, damit hier nicht immer falsche Daten mitgeschleppt werden, die dann immer gleichlautend irgendwo abgeschrieben werden —: Sie haben gesagt, frei finanzierter Wohnungsbau findet nicht statt. Diese Feststellung ist unzutreffend. Es sind auch im letzten Jahr, im Jahre 1980, in unserem Land etwa 50 000 Wohnungen im Rahmen des frei finanzierten Wohnungsbaus gebaut worden.
Worum es wirklich geht, ist, daß wir zu wenig Wohnungen in diesem Bereich haben; wir bräuchten mehr.
Aber das heißt doch nicht, daß wir gar keine haben. Das heißt, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir hier zusätzliches Privatkapital mobilisieren können.Der dritte Punkt, den Sie angesprochen haben, ist die Fehlbelegung. Hier darf ich darauf hinweisen, daß Ihnen nach der Vorlage im Bundesrat ein Gesetzentwurf der Bundesregierung in diesem Hause vorliegen wird. Ich habe mehrmals darauf hingewiesen, daß auch Sie als CDU/CSU das noch bis Ende letzten Jahres gefordert haben, bis hin zum November auf einer Fraktionsvorsitzenden-Konferenz. Erst seitdem die Bundesregierung an dem Gesetzentwurf arbeitet, lehnen Sie ab. Herr Jahn hat — ich kenne seine Reisetermine — in den letzten Monaten eine wichtige Aufgabe darin gesehen, auch bei Landesregierungen, einschließlich Bayern, herumzufahren, um ihnen die Fehlbelegungsregelung auszureden. Aber wir wollen einmal sehen, was im Endergebnis herauskommt.
Jetzt, Herr Kollege Hauser, zu den beiden Bemerkungen, die Sie unmittelbar zum Haushalt generell,
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Bundesminister Dr. Haackaber auch zum Haushalt 1981 gemacht haben. Sie haben von den Vorbelastungen, die wir in diesem Haushalt auch für die zukünftigen Jahre haben, gesprochen; das ist völlig richtig. Das liegt aber in der Systematik dieser Wohnungsbaufinanzierung: Dort, wo wir Eigentum fördern, machen wir das in der Weise, daß eben für einen längeren Zeitraum öffentliche Mittel gegeben werden. Das heißt, der Staat bindet sich sozusagen für die Zukunft. Das liegt an der Art dieser Finanzierung, die von Ihnen bisher nie kritisiert worden ist. Sonst hätten Sie nämlich das Eigentumsprogramm und das Regionalprogramm ablehnen müssen. Das haben Sie aber bisher nicht getan, weil Sie genau wissen, daß gerade dieses Förderungsprogramm in den letzten Jahren zur Eigentumsbildung ganz wesentlich beigetragen hat, im übrigen auch dazu, daß Eigentümer, die auf Grund dieser staatlichen Hilfen Eigentum bilden konnten, eine Mietwohnung freigemacht haben, so daß wir auf diesem Umweg auch für den Mietwohnungsbau etwas getan haben.
Die nächste Bemerkung war, daß Sie sagten, wir müßten jetzt in diesem Haushalt Rechtsverpflichtungen einlösen. Das müssen wir in jedem Haushalt. Das ist eben — das wissen Sie als Berichterstatter aber auch — gerade das Typische in unserem Haushalt: daß wir die Mittel, die wir real ausgeben, also die Kassenmittel, immer für Verpflichtungen geben, die früher eingegangen worden sind. Wir geben sie also nicht für zukünftige Bauvorhaben, sondern für schon eingegangene Verpflichtungen. Im Anschluß an das, was Frau Traupe gesagt hat, darf ich noch darauf hinweisen: Allein im sozialen Wohnungsbau werden in diesem Haushalt 400 Millionen DM mehr ausgegeben als im Jahre 1980. In diesem Zusammenhang darf ich mich auch beim Haushaltsausschuß dafür bedanken, daß er zu diesen Erhöhungen beigetragen hat.Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie wir alle wissen, die Verbesserung des Wohngeldes; die einschlägige Regelung ist im Jahre 1981 in Kraft getreten.
Ihr sechster Punkt, Herr Kollege Hauser, beinhaltet die Kritik, daß wir immer noch der Meinung seien — Sie sagten, das ergebe sich aus dem Haushalt —, daß die öffentliche Hand etwas tun müsse. Das scheint Kritik am sozialen Wohnungsbau gewesen zu sein. Da kann ich mich nur wundern! Ich kriege Briefe des Herrn Oberbürgermeister Kies' aus München, des Herrn Oberbürgermeisters Rommel aus Stuttgart — das sind bekanntlich keine Sozialdemokraten —, die erhöhte Anstrengungen des Bundes und der Länder im sozialen Wohnungsbau fordern.
— Herr Kollege Jahn, Sie kennen die Situation ganz genau. Sie wissen, daß es hier unterschiedliche Auffassungen gibt. Sie wissen, daß Geld nirgends gezaubert werden kann, sondern daß es höchstens darumgehen könnte, im Rahmen von Umschichtungen im Wohnungsbauetat zu gezielteren und effektiveren Maßnahmen zu kommen.In Ihrem nächsten Punkt, Herr Kollege Hauser, hieß es dann, daß es in der Koalition unterschiedliche Auffassungen gebe, daß sie sich zu nichts mehr durchringen könne. Natürlich gibt es in einer Koalition unterschiedliche Auffassungen. Ich habe gerade versucht, darauf hinzuweisen, daß es auch in Ihren Reihen unterschiedliche Auffassungen zwischen denen gibt, die an der Front, in der Kommunalpolitik Verantwortung tragen, und denjenigen, die hier im Bundestag jedenfalls versuchen, solche Vorstellungen, die aus Ihrer eigenen Reihe gekommen sind, wieder abzulehnen.
Als nächstes haben Sie gefordert — das kennen wir mittlerweile alles —, wir sollten diesen Bereich in die freie Marktwirtschaft überführen, dann laufe alles von selbst. Auch hierüber, Herr Kollege Hauser, werden wir in den nächsten Monaten eingehend diskutieren, wenn unsere Gesetzentwürfe vorliegen. Auch hierzu werden Sie im Gesetzentwurf der Bundesregierung Anreize finden.Ich muß aber zum wiederholten Male auch in diesem Hause darauf hinweisen, daß den betroffenen Menschen mit einer Ideologie — als ob wir alles auf einem Wege lösen könnten — überhaupt nicht geholfen ist.
— Ich werde eingehend dazu Stellung nehmen. Wenn ich mir Ihre Entwürfe anschaue, die jetzt im Bundesrat sind, dann muß ich sagen, daß sie nicht automatisch mehr Geld in den Wohnungsbau bringen würden. Aber eines würden sie jedenfalls bewirken: Sie würden automatisch zu Mietexplosionen im Bestand führen, und das ist aus sozialen Gründen nicht erträglich.
— Herr Jahn, Sie glauben immer, daß ich Sie lobte. Ich habe Sie natürlich nicht so gelobt, wie Sie es sich einbilden. Vielmehr habe ich, als die CDU ihren Parteitag hatte, nur positiv erwähnt, daß Sie eine Reihe von Vorschlägen machen und damit selbst zugeben, daß es kein Patentrezept, sondern nur eine Fülle von Einzelvorschlägen gibt. Das ist das, was ich als positiv angesehen habe. Damit wäre endlich einmal die Diskussion über ein Patentrezept weg. Ich habe selbstverständlich nicht Ihre einzelnen Vorschläge gelobt.Der neunte Punkt in der kurzen Rede des Kollegen Hauser betraf den Petersberg. Sie haben es richtig dargestellt: wir haben den Petersberg angekauft. Wir haben eine erste Planung gemacht. Wir haben Gutachter eingesetzt. Dann hat sich herausgestellt, daß ein optimaler Ausbau des Petersbergs in der jetzigen Situation finanziell nicht verantwortbar wäre, weil im Moment auch andere sparen, der Bundestag
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2222 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Bundesminister Dr. Haackeingeschlossen. Deswegen machen wir jetzt ein reduziertes Programm. Sie sind darüber genau informiert. Wir haben Sie als Berichterstatter eingeschaltet. Der Haushaltsausschuß des Bundestages wird von uns im Herbst die entsprechende Haushaltsunterlage „Bau" bekommen und muß dann entscheiden, ob er den Plänen zustimmt.Der zehnte Punkt waren die Baumaßnahmen des Bundestages. Das ist eine originäre Aufgabe des Parlaments. Hier ist mein Ministerium sozusagen nur ausführendes Organ. Sie haben sich kritisch zu früheren Planungen und früheren Architektenwettbewerben geäußert; all das geschah aber jeweils nur in Ausführung dessen, was hier vorher beschlossen worden ist.Eine letzte Bemerkung zum Forschungsbereich. Frau Kollegin Traupe hat diesen Bereich angesprochen und darauf hingewiesen, daß es zu durchaus drastischen Einsparungen im Forschungsetat gekommen ist. Für unser Ministerium und mich heißt das konkret, daß wir die übriggebliebenen Mittel, die Rechtsmittel, auf die Bereiche konzentrieren müssen, in denen Forschung wirklich wichtig ist. Ich nenne die drei entscheidenden Bereiche: Energieeinsparung im Wohnungs- und Städtebau, flächensparendes Bauen, Beiträge zur Kostendämpfung. Ich hoffe, die Mittel, die übriggeblieben sind, werden reichen, notwendige Forschungsarbeiten voranzutreiben.Im übrigen darf ich mich bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für die Beratung und die Beschlußfassung über meinen Etat 1981 nochmals bedanken.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 25. Hierzu liegt auf Drucksache 9/526 unter Ziffer 12 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Wer dem Einzelplan 25 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einzelplan 25 ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie informieren, daß auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung der Haushaltsplan 30 am Donnerstag mit einer Runde beraten wird und Einzelplan 31 ohne Debatte ebenfalls am Donnerstag beraten wird.
Ich rufe auf:
Einzelplan 10
Geschäftsbereich des Bundesministers
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 9/480 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Schmitz
Hoffmann Dr. Zumpfort
Der Ältestenrat hat für jede Fraktion zehn Minuten Redezeit in der Aussprache vereinbart. — Das Haus ist damit einverstanden.
Wünschen die Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmitz .
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, daß es nicht ein Zeichen des Stellenwertes, den die Fraktionen der Landwirtschaft beimessen, ist, wenn wir diesen Einzelplan 10 hier zum Schluß beraten. Aber einer muß der letzte sein.
— Ich kann es im Moment nicht sagen. Er vertritt, wie ich höre, die Bundesrepublik Deutschland in Holland bei einem Empfang der Königin im Rahmen einer Ministerratskonferenz.
— Ich höre, daß er noch im Amt ist.Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Agraretat im Vergleich zu den anderen Etats eine der stärksten Kürzungen hinnehmen mußte, ist, so meine ich, mit Bedauern festzustellen.
Er nimmt eine traurige Spitzenstellung ein. Er wird um insgesamt 514,3 Millionen DM gekürzt. Das entspricht rund 8 % des gesamten Agrarbudgets.Es ist eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe, für die Erhaltung einer intakten Landwirtschaft zu sorgen. Deshalb ist es falsch, glaube ich, in diesem Bereich Reserven für den Ausgleich des allgemeinen Haushalts zu suchen. Das wird zu ganz großen Schwierigkeiten führen. Sollte aber das Wirklichkeit werden, was die SPD und auch die FDP für 1982 vorhaben, dann bedeutet dies das Ende der Agrarpolitik. Dies müssen wir uns einmal vor Augen halten. Das wäre das Ende der Agrarpolitik als einer verantwortlichen Politik.
Es ist eine traurige Wirklichkeit, daß sich gerade in den Reihen der Koalition von SPD und FDP so ein Stückchen Bauernfeindlichkeit breitmacht.
Die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln wird offenbar als gottgegeben betrachtet. Ich darf nur darauf hinweisen, daß wir, wenn keine Entscheidungen getroffen werden — wie es im Energiebereich geschehen ist —, was die Sicherstellung der Ernährung angeht, in absehbarer Zeit vor Probleme gestellt werden könnten. Ich verhehle nicht, daß im Zusammenhang mit der Sicherung des Bestandes einer gesunden Landwirtschaft bei der Regierung und bei anderen Verantwortlichen gleichermaßen Über-
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Schmitz
legungen angestellt werden müssen, inwieweit ein Strukturwandel unter vernünftigen sozialen Bedingungen vonstatten gehen muß. Dies ist aber nicht das Thema. Es geht hier vielmehr darum, eine vernünftige und leistungsfähige Landwirtschaft auch materiell abzusichern.
Ich glaube, daß man dies nicht zum Nulltarif erreichen kann. Ich glaube, daß sich diejenigen, die meinen, Landwirtschaft konsumieren zu müssen, aber gleichermaßen nach Schutz der Umwelt und nach Lebensqualität rufen, vor Augen führen müssen, daß dies keine Frage ist, die man einfach so nach dem Nulltarif entscheidet.
Wenn man politische Wirklichkeit und Verhaltensweisen der SPD und der FDP miteinander vergleicht und wenn man sieht, daß die FDP letztes Wochenende ein Umweltschutzprogramm beschlossen hat, das die Verbandsklage im Naturschutzrecht einführen will, dann wird deutlich, daß das besonders diejenigen trifft, die sich seit Jahrhunderten in der Landschaft befinden und Landschaft pflegen, meine Damen und Herren.
Hinzu kommt noch, daß das enorme Zurückfahren des Agraretats die Entwicklungs- und Förderungsmöglichkeiten der Landwirtschaft enorm beschneidet. Extrem ausgedrückt, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP: Wenn Sie in der Agrarpolitik so weitermachen, dann gibt es demnächst überhaupt nichts mehr,
wofür Sie die Verbandsklage im ländlichen Raum einsetzen können.
Oder wollen Sie die Verbandsklage da einsetzen, wo die Landwirtschaft nicht mehr vorhanden ist? Wie anders ist es zu verstehen, wenn der Staatssekretär im Ernährungsministerium, Gallus, davon spricht, daß weitere hunderttausend landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe im Strukturanpassungsprozeß geopfert werden müssen? Wie anders ist es zu verstehen, wenn sich Kreise aus dem Landwirtschaftsministerium mit den Naturschutzverbänden dahin gehend einigen, daß etwa 10 % der landwirtschaftlichen Fläche in den Naturschutz einzugliedern seien? Meine Damen und Herren, dies paßt doch alles nicht zusammen.Sehen wir uns an, wie es um den Stellenwert der Landwirtschaft steht: Im Zusammenhang mit der Einkommensbesteuerung versprach uns Herr Matthöfer eine aufkommensneutrale Regelung. Fortfall des Aufwertungsausgleichs — Erhöhung der Mineralölsteuer im Rahmen des Subventionsabbaugesetzes — dies bedeutet doch, daß der Landwirtschaft z. B. in diesem Bereich beim Einkommen bereits 220 Millionen DM fehlen. Wenn es so sein soll, daß demnächst die Gasölbetriebsbeihilfe ganz gestrichen wird, dann sind dies EinkommenseinbuBen, die auf anderem Wege überhaupt nicht wettgemacht werden können.
Meine Damen und Herren, wenn wir dies alles Revue passieren lassen, sollten wir uns auch einmal um die Rahmenbedingungen kümmern, unter denen sich das alles vollzieht. So liegt das Agrarpreisniveau auf der Basis 1976. Aber es steigen etwa die Preise für Dieselkraftstoff um 18 %, für Düngemittel um 12 %, für Futtermittel um 9,5 %, um nur einige wenige Zahlen zu nennen.
— Alleine in diesem Jahr, wie ich hinzufügen muß. Für das laufende Wirtschaftsjahr werden die Einkommenseinbußen voraussichtlich 12 % betragen; die pessimistische Schätzung der Fachleute beläuft sich auf 15 %. Dies bedeutet im Grunde genommen nichts anderes, als daß hier ein Berufsstand sich selbst überlassen ist. Das sind dann die 100 000 Betriebe, die mit etwa 7 600 DM im Jahr auskommen müssen. Dazu wird gesagt, das wolle man durch soziale Maßnahmen ausgleichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Woher wollen Sie das Geld nehmen? Etwa aus Ihrem Haushalt? Da ist doch nichts mehr herzunehmen.
Ich meine, es ist schon richtig, wenn die interne Studie des Landwirtschaftsministeriums besagt, daß die Einkommensdisparität, bezogen auf das laufende Jahr, 22 % betragen wird. Das wird dazu führen, daß industrieller Vergleichslohn und landwirtschaftlicher Lohn letzten Endes um 22 % auseinanderklaffen. Das ist, wie ich meine, die größte Zahl, überhaupt der Rekord in der Geschichte der Agrarpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Der schlimmste Zeitraum bisher waren die Jahre 1954/55, sicherlich unter anderen politischen Konstellationen, als die Disparität aber nur 17,2 % betrug.Ich will damit nur sagen, wir werden uns etwas einfallen lassen müssen, für den ländlichen Raum eine vernünftige Agrarpolitik aus einem Guß zu betreiben.
Allerdings muß die Regierung hier erst einmal sagen, was sie will. Ich habe den Eindruck, daß Josef Ertl überhaupt nicht mehr über das Format verfügt, die Dinge durchzusetzen, die notwendig sind, um eine intakte Landwirtschaft zu erhalten.
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2224 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Schmitz
Meine Damen und Herren, in Brüssel ist von Staatsminister von Dohnanyi gesagt worden, unter welchen Voraussetzungen Agrarpolitik betrieben werden soll, nämlich so, daß eigentlich nur noch die leeren Kassen bestimmen, was für die Bauern herauskommt. Da kann ich nur sagen, diese Vorschläge, die in Brüssel zunächst unter dem Tisch gehandelt wurden, die aber mittlerweile auf dem Tisch gehandelt werden, bedeuten für die deutsche Landwirtschaft das Aus und das Ende. Ich frage Sie: Was wollen Sie mit den Leuten anfangen, die Sie unter die Hunderttausend subsumieren, denen dann letzten Endes, wie Gallus sagt, mit sozialen Maßnahmen über die Runden geholfen werden soll? Es wäre doch viel ehrlicher, diesen Leuten zu sagen, sie sollen zur Sozialhilfe gehen, denn auf Sozialhilfe haben sie einen Anspruch. Möglicherweise bekommen sie dann mehr heraus als das, was Sie mit Ihren wenigen Millionen geplant haben, meine Damen und Herren. Was Sie dort betreiben, ist im Grunde genommen nichts anderes als Bauernlegerei.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch einmal sagen — es ist nicht die Zeit, jetzt dieses Thema auszudiskutieren —,
es wird der Zeitpunkt kommen, zu dem Sie zwischen zwei Feuer geraten. Sie werden Ihre agrarpolitische Zielsetzung, wie Sie sie im Landwirtschaftsgesetz unterschrieben haben, einfach nicht mehr erfüllen können. Deswegen ist es uns nicht möglich, diesem Etat zuzustimmen. Die Eckwerte stimmen nicht mehr. Es wäre ein schlechter Dienst, den wir der deutschen Landwirtschaft erweisen, wenn wir als Opposition uns nicht zum Anwalt derjenigen machten, die Opfer Ihrer Politik geworden sind. — Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffmann .
Meine Damen und Herren! Als diese Rede hier gehalten wurde, habe ich mich gefragt: Ist das tatsächlich der Kollege Schmitz , mit dem zusammen wir im Ausschuß die Beratungen gemacht haben?
— Ich verstehe ja, daß jetzt bei Ihnen ein gruppendynamischer Prozeß einsetzt und daß Sie vor lauter Glück — —
— Ich merke gerade, daß Sie gar nicht mehr in der Lage sind, das Thema, um das es geht, zu später Stunde einigermaßen ernsthaft anzupacken.
Ich merke das schon, aber ich will Ihnen etwas sagen: Wenn wir hier sozusagen eine Kabarettveranstaltung machen wollen, kann ich Ihnen dazu etwas liefern, aber nur kurz, weil ich nämlich die restlichen acht Minuten noch dazu nutzen möchte, etwas Seriöses zu sagen.
Wenn Sie eine Kabarettveranstaltung, wie es jetzt gerade passiert ist, haben wollen, mache ich Ihnen einmal eine Rechnung auf.
Nehmen Sie die Negativrate, die der Agrarhaushalt diesmal bekommt — und ich sage: das ist natürlich eine harte Angelegenheit —,
nehmen Sie diese mit etwa minus 8 %, und ziehen Sie alle Projekte, die sowieso auslaufen, ab. Wissen Sie, auf was für eine Zahl wir dann kommen? Plus 4,4 %!
Das ist der Beitrag zu der Seriosität, die Sie, meine Damen und Herren, hier heute abend haben vermissen lassen.
— Moment!
— Ich rechne es Ihnen nachher gerne vor.
Ich will Ihnen nur etwas sagen: Ich verstehe sehr gut, daß etliche von den Kollegen des Hauses vorhin drüben in der Cafeteria gesessen haben, und natürlich weiß ich auch, daß der Alkoholpegel abends etwas höher ist.
Deshalb kann ich auch glauben, daß es hier mit den Begriffen nicht so ganz ernst gemeint ist — denn sonst müßte man sehr hart darauf reagieren —, die da heißen: Ende der Agrarpolitik, Bauernfeindlichkeit, Aus für die Landwirtschaft usw. Ich empfehle Ihnen zu diesen Globalvorwürfen nur die nüchterne Lektüre einer Zeitschrift, die uns nicht besonders nahesteht, nämlich des „Capital"; dann sehen Sie, was für Einkommenstranfers über die europäische Ebene passieren.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glos?
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Ja.
Verehrter Herr Kollege, nachdem Sie sich als Stahlexperte empfohlen haben und sich heute als Landwirtschaftsexperte empfehlen, empfehlen Sie sich nun auch noch als Experte für Alkoholkonsum der Kollegen. Können Sie sagen, wen Sie damit konkret gemeint haben?
Ich wollte die Art und Weise entschuldigen, auf die hier ein seriöses Problem so überpolemisch angesprochen worden ist. Da habe ich entschuldigend gemeint: Es wird sicher daran liegen, daß es hier im Raum ein bestimmtes Klima gibt, weil es so spät ist.
Verehrter Herr Kollege Schmitz, wenn Sie meinen sollten, ich wollte Ihnen damit den Vorwurf machen, Sie würden durch Alkoholverbrauch die Landwirtschaft unterstützen, so ziehe ich das hiermit natürlich zurück.
Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt aber zu etwas seriöseren Problemen kommen.
— Nein, lassen Sie mich bitte fortfahren; ich habe nur noch sechs Minuten Zeit. Ein bißchen Vernunft möchte ich in die Debatte über den Agrarhaushalt doch noch einbringen.
Zwischenfragen sind nicht mehr möglich. Herr Hoffmann hat noch sechs Minuten Redezeit. Ich bitte, keine Zwischenfragen mehr zu stellen.
Verehrte Kollegen, ich bitte darum, daß Sie mir wenigstens sechs Minuten schenken, damit ich etwas darstellen kann, denn wenn ich in der Art und Weise antworten wollte, wie das hier vorgetragen worden ist, wäre mir das in einer nüchternen Sprache nicht möglich. Das wollte ich damit nur ausgesagt haben.
Nun möchte ich einmal zu den einzelnen Punkten — —
Meine Damen und Herren, ich bitte sehr um Ruhe. Lassen Sie doch den Redner fortfahren. Und seien Sie bitte nicht auf einmal so empfindlich.
Wir kommen nachher doch noch zum Bereich „Weinforschung", und bei diesem Titel will ich mich gebührend entschuldigen.Meine Damen und Herren, es geht beispielsweise um die Gasölverbilligung. Ich möchte hier nur, damit wir das nicht vergessen, feststellen: Dies ist bisher kein Streichen einer Subvention, sondern eine Umstellung, und ich sage noch einmal: Wir müssen auch in dieser Frage mittelfristig zu einer Streichung kommen, damit dieser Bereich aus dem Haushalt herauskommt, wie wir das beispielsweise auch für Schiffahrt, Binnenschiffahrt und Binnenluftverkehr haben wollen.Ich möchte Ihnen sagen, daß wir in diesem Haushalt bestimmte Schwerpunkte setzen. Einer heißt beispielsweise „Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft". Der wird von uns von 5 auf 7 Millionen aufgestockt, und deshalb möchte ich diesen Punkt aufgreifen, Herr Kollege Schmitz. Sie haben — auch sehr polemisch — gesagt, wenn wir so weitermachen würden, gäbe es praktisch niemanden mehr, der überhaupt Landschaftsschutz machen könnte. Und das, was Sie über die Verbandsklage gesagt haben, hieß im Endeffekt: Verbandsklage schadet dem Bauern oder ist seine Konkurrenz. — Sie haben das gründlich mißverstanden. Die Verbandsklage kann doch nur den Sinn haben, zusammen mit den Menschen, die auf dem Lande wohnen, eine sinnvolle Konzeption zur Erhaltung und zum Schutz der Landschaft zu bekommen.
Etwas anderes kann es doch gar nicht bedeuten.Wir haben einen zweiten neuen Schwerpunkt gesetzt. Wir haben zugestimmt, daß der Bund in der Weinforschung erstmals über 1,9 Millionen DM verfügt, so daß er damit die Forschungseinrichtungen Hessen und Rheinland-Pfalz finanzieren kann. Deshalb sage ich an dieser Stelle, weil es sich um Wein dreht: Sollte sich jemand dadurch tangiert fühlen, daß ich vorhin den Alkoholgenuß angesprochen habe, so tut mir das unendlich leid. Ich glaube j eden-falls, daß Wein im landwirtschaftlichen Bereich durchaus seinen Platz haben sollte.
Beim nächsten Schwerpunkt werde ich wieder ein Stück ernsthafter als das jetzt bei dem Wein der Fall gewesen ist. Es geht um das Fischereiproblem. Das Bundeskabinett hat uns eine Vorlage zugeleitet, etwa 30 Millionen DM bereitzustellen, damit wir angesichts der akuten Probleme der Hochseefischerei helfen können. Zusätzlich geht es dabei um einige Fischereikutterprobleme. Obwohl wir wissen, wie knapp die Gelder sind, sind wir in der Haushaltsberatung über die Vorlage der Bundesregierung hinausgegangen und haben noch ein gutes Stück hinzugetan. Ich glaube, daß das trotz schwieriger Haushaltsklage ein wichtiger Schritt für die Interessenvertretung und die Aufrechterhaltung des Fischereibetriebs, insbesondere was die Hochseefischerei angeht, war. Ich will die einzelnen Sachen nicht ausformulieren. Ich möchte nur hinzufügen, damit auch
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2226 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Hoffmann
das noch einmal offiziell über den Bundestag bekannt wird: Wir haben gesagt, daß diese Hilfen sozial ausgewogen sein müssen. Da wir wissen, daß wir das nicht gesetzlich oder über Verordnungen festschreiben können, haben wir den Minister gebeten, eine entsprechende schriftliche Feststellung an die betroffenen Unternehmen zu richten. Dies ist geschehen; das haben wir dankbar zur Kenntnis genommen.Der Schwerpunkt des Haushalts Einzelplan 10 bezieht sich mit 61 % auf die Sozialpolitik. Darunter gibt es freiwillige Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die gleichbleibend in Höhe von 400 Millionen DM beibehalten worden sind. Es hat natürlich auch etliche gegeben, die geglaubt haben, in Zeiten harten Sparens sollten wir an diesen Titel herangehen. Nachdem ich mit einigen Landwirtschaftsverbänden und Betroffenen gesprochen habe, bin ich der Auffassung, daß wir solange, wie wir keine allgemeine Änderung im sozialpolitischen Bereich haben, auch nicht an diesem Betrag rütteln sollten. Wir sind der Auffassung, daß wir diesen Betrag unbeschnitten beibehalten sollten. Ich möchte aber gleich noch etwas dazu sagen — ich weiß nicht, ob Sie noch entsprechende Anträge einreichen —: Die Vorstellung, auf diesen Titel noch etwas draufzulegen, läßt sich nicht verwirklichen. Allerdings habe ich vom Deutschen Bauernverband, von Herrn Heeremann, entsprechende Vorlagen. Ich weiß nicht, wieweit Sie die Forderungen von Herrn Heeremann teilen. Es wäre interessant zu wissen, ob Sie die Forderungen, die hierin stehen, finanziell beziffer können.
Er geht davon aus, daß diese 400 Millionen DM nicht reichen und kräftig aufgestockt werden müssen. Es wäre interessant zu wissen, in welcher Weise Sie das beziffern und ob Sie diesen Antrag heute noch hier stellen werden.Ich habe nur noch kurze Zeit und möchte deshalb zu einem problematischen Punkt nur kurz Stellung nehmen, den wir in einem anderen Zusammenhang noch einmal erwähnen müssen.
Die Gemeinschaftsaufgabe ist sehr stark gekürzt worden, und natürlich führt das auch in investive Bereiche hinein. Wir sind uns der Problematik dieser Aktion bewußt, aber wir wissen auch, daß es dort noch einen Spielraum gegeben hat, und wir werden uns mit dieser Frage noch einmal erneut befassen müssen. Ich möchte hier aber gleich schon ankündigenm, daß eine Erweiterung dieses Programms, in dem Sinne, ein Programmteil Dorferneuerung aufzunehmen, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist.Ich komme zum Schluß. Wir müssen in einer weiteren Debatte über den Zusammenhang mit der EG-Marktpolitik sprechen. Es muß unter uns allen klar und von sämtlichen Fraktionen noch einmal bestätigt sein: Einkommenspolitik der Landwirtschaft wird zu einem großen Teil über Europa mitbestimmt; aber wir können nicht hinnehmen, daß wir eine Fortsetzung der dortigen Agrarpolitik bekommen, die eines Tages die Einprozent-Mehrwertsteuer-Grenze durchbricht,
wenn wir nicht gleichzeitig eine grundlegende Reform der Agrarpreissicherung auf europäischer Ebene bekommen.Im Gegensatz zu dem Anfang dieser Debatte möchte ich noch einmal ganz ausdrücklich bestätigen, daß es mir eine besondere Freude war, mit dem Kollegen Schmitz und mit dem Kollegen Zupfort die Einzelberatung zu machen. Sie war immer fair, und ich bin sicher, daß es auch so weitergehen wird. Ich bedanke mich gleichzeitig auch bei dem Ministerium, bei den Mitarbeitern, weil sie uns in dieser sicher haarigen Einzelarbeit gut unterstützt haben. Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Zumpfort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich dem, was mein Vorredner zuletzt gesagt hat, anschließen. Was die anderen, zum Teil hektischen Bemerkungen betrifft, so habe ich erwartet, daß es hier etwas hektischer vorangeht. Die Radikalisierung innerhalb der Landwirte nimmt zu; sie sollte bloß nicht solche Ausmaße annehmen, wie es gerade hier der Fall war. Wir sind hier nicht auf einer Bauernversammlung.
Sie sollte auch nicht die Ausmaße annehmen, wie dies in den letzten Wochen in Schleswig-Holstein, zum Beispiel in Eutin, auf Versammlungen des Bauernverbandes der Fall war. Herr Eigen, Sie wissen genau, wovon ich spreche. Es kann nicht sein, daß Sie als verantwortlicher Politiker sowohl in Ihrer Funktion als Parteimitglied, aber auch in Ihrer Funktion als Mitglied des Bauernverbandes nicht in der Lage sind, solche Radikalisierungen zu stoppen. Wo kommen wir hin, wenn das weitergeht?
— Herr Eigen, Sie sind als Zwischenfrager bekannt. Ich akzeptiere das und schätze Sie in dieser Funktion. Aber lassen Sie mich bitte innerhalb der kurzen Redezeit meine Ausführungen zu Ende bringen.
Keine Zwischenfrage zugelassen, Herr Kollege Eigen. Bitte, fahren Sie fort, Herr Kollege.
Herr Kollege Eigen, keine Zwischenfrage zugelassen!
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Herr Eigen, wir sind im Bundestag, und hier sollte es uns möglich sein, rational, ohne Emotion die wirklichen Probleme der Landwirtschaft in den Griff zu bekommen. Ich verspreche Ihnen, als Berichterstatter zu diesem Einzelplan, als ehemaliges Mitglied im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gehe ich nicht mit Groll, sondern mit Sympathie daran. Allerdings unter dem Vorzeichen, unter dem sämtliche Haushalte stehen: daß wir im Zeichen knapper Kassen erstens keine Ausnahme machen dürfen, zweitens daß wir Ansprüche jeder Art auf ihren Sachgehalt abklopfen müssen.
Es ist keine Zwischenfrage zugelassen. Bitte, fahren Sie fort, Herr Kollege.
Herr Eigen, ich möchte gern zu meinen Konzept kommen. — Ich weiß auch, welche Probleme in der Landwirtschaft drücken; ich darf die drei Bereiche kurz vorstellen. Einmal sind es die Probleme im nationalen Bereich, dargestellt an unserem Haushalt, zum zweiten die Probleme im Bereich der europäischen Agrarpolitik, und zum dritten die Probleme bei den Landwirten, bei den Unternehmern selber. Ich möchte darauf kurz eingehen.Wir haben in der Tat den Sachverhalt — grob in Zahlen dargestellt —, daß der Etat des Landwirtschaftsministers mit 7,8 % minus der Einzelplan ist, der am meisten geschrumpft ist gegenüber den Zahlen, die die anderen Haushalte aufweisen. Aber, meine Damen und Herren, das hat mein Vorredner auch gesagt: Man darf nicht daraus folgern — und das ist ein immer wiederkehrender Trugschluß —, daß dadurch die Landwirte im allgemeinen mehr gebeutelt werden. Wenn Sie sich die Probleme ansehen, die damit verbunden sind, so handelt es sich um das Auslaufen des ZIP-Programms, um das Auslaufen einer Gasölumstellung in den Gärtnereibetrieben, um die Anpassungshilfe bei der Fischerei, um das Sofortprogramm Fischerei. All das sind Maßnahmen, die in anderen Berufszweigen, aber nicht unmittelbar bei der Landwirtschaft zu Buche schlagen. In der Tat gibt es das Problem, daß die Gemeinschaftsaufgabe Landwirtschaft gekürzt worden ist. Aber es handelt sich um Bereiche, wo wir haben nachprüfen müssen, ob die Ausgaben zu Recht bestanden und ob hier nicht die Kompetenzverteilung Bund/Länder revidiert werden muß. Das haben wir auch in anderen Bereichen erfolgreich getan.Schließlich sind die zentralen Bereiche dieses Etats, nämlich die Sozialversicherung der Landwirte, um die uns die Berufskollegen im Ausland beneiden, sind nicht angetastet, sondern aufgestockt worden; das müssen wir an dieser Stelle erinnern.
Dieser Agrarhaushalt hat seinen Beitrag geleistet wie jeder andere Etat im Gesamthaushaltsplan der Bundesregierung. Wir stehen zu den Kürzungen und glauben, daß gerecht vorgegangen worden ist undvon der Landwirtschaft kein überproportionaler Beitrag gezahlt worden ist.Nun zum Problem der EG. Meine Fraktion und ich bedauern aufs äußerste, daß die Europäische Kommission beschlossen hat, ihre Vorschläge für die Reform des europäischen Agrarsystems vom Haushaltsentwurf für 1982 abzutrennen; denn wir wissen genau, zu einer Besserung der Situation der Landwirte kann es nur innerhalb der Europäischen Gemeinschaft kommen und nicht durch Einzelmaßnahmen in diesem Haushalt.
Eine zweite Bemerkung dazu. Jeder von uns weiß, daß am 27. Juni 1979 mit Ihren Stimmen, den Stimmen der Opposition, beschlossen worden ist, einen Betrag in Höhe von höchstens ein Prozent der Mehrwertsteuer an den europäischen Haushalt abzuführen und mehr nicht. Nun müssen auch Sie, meine Damen und Herren der Opposition, und auch der Bauernverband in Europa dafür sorgen, daß endlich Konsequenzen gezogen werden. Es kann nicht sein, daß, wenn nicht mehr Geld in diesen europäischen Haushalt einfließt, gleichzeitig mit staatlichen Mitteln aus dem EG-Bereich in sensitiven Bereichen wie z. B. Milch und Fleisch die Schaffung neuer Produktionskapazitäten gefördert wird. Dadurch werden doch erst zusätzliche Probleme erzeugt.
— Diese ein Prozent werden bei einem Beitritt von noch mehreren Staaten neben Griechenland zu einem ernsten Problem.
Das Problem besteht aber nicht darin, erst einmal zu erhöhen, sondern darin, die Strukturen der Ausgaben zu überprüfen und abzuwägen, ob man die Ausgaben insbesondere für Überschüsse nicht herunterfahren kann.Ich muß, glaube ich, auf Grund der Erregung der Kollegen ein Wort etwas relativieren: Ein großes Problem besteht im nationalen Bereich, dem dritten Problemkreis. Die deutschen Landwirte werden nach den neuesten Zahlen und Schätzungen aus dem Ministerium in eine Klemme kommen. Die Erträge werden empfindlich zurückgehen. Die Kosten sind schon empfindlich gestiegen. Dies führt in der Tat in manchen Landesverbänden der Berufsorganisation zu extremen Erscheinungen. Herr Eigen, ich sage noch einmal: Ich habe Ihnen nicht vorgeworfen, daß Sie die Ausfälle nicht kontrolliert haben. Ich werfe aber dem Bauernverband vor, daß er nicht mit rationalerer Argumentation dafür sorgt, daß Einzelerscheinungen, wie sie z. B. in Eutin aufgetreten sind, nicht vorkommen.
Nun ein Wort zu den Problembetrieben. Herr Schmitz, bitte drehen Sie den Kollegen, insbesondere Herrn Gallus, die den Mut haben, das zu sagen, was der Bauernverband nicht sagt, das Wort nicht
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2228 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981
Dr. Zumpfortim Munde herum. Wir haben nicht gesagt, von heute auf morgen müssen 100 000 Bauern ihren Hof aufgeben. Im Gegenteil, wir haben immer gesagt, daß der Strukturwandel in der sich wandelnden Welt für jeden Produktionszweig die einzige Chance ist, um an der Wohlstandsentwicklung weiter teilzuhaben. Dies gilt auch für die Landwirtschaft. Der Produktions- und Strukturwandel darf nicht stehenbleiben.
Das bedeutet, daß wir zu einer differenzierten Betrachtungsweise kommen müssen.
Es wird nicht gesagt, 100 000 Landwirte sollen ihren Hof aufgeben, sondern es wird gesagt — Herr Niegel, hören Sie jetzt bitte genau zu —, im Zuge des Generationenwechsels müssen sich insbesondere die Väter auf den Höfen, die man zu den Problembetrieben zählt, überlegen, ob es sinnvoll ist, den Hof vollständig auf den Sohn zu übergeben. Und die Söhne müssen sich überlegen, ob es sinnvoll ist, diesen Betrieb als Vollerwerbsbetrieb weiterzuführen. Das ist eine unternehmerische Entscheidung. Ich würde sogar sagen, der Staat hat keine Vorschriften zu machen, das soll jeder einzelne selber entscheiden.
Wenn eine Empfehlung von der Politik gegeben wird, dann kann es nur die sein, klaren Wein über die tatsächliche Situation in bezug auf die zukünftigen Erträge und auf die Marktenge in bestimmten Bereichen einzuschenken. Diese Informationen bekommen sie seit geraumer Zeit aus dem Landwirtschaftsministerium. Sie sollten dafür dankbar sein. Der Weg muß nicht unbedingt über die Aufgabe des Hofes führen. Es kann auch der Weg zu einem kombinierten Einkommen beschritten werden.
Darin sehe ich die Chance. Auch das sollte hier festgehalten werden. Ein letzter Aspekt: Wenn schließlich ein Hofbesitzer seinen Hof aufgeben muß, dann tritt der Fall ein, bei dem der Staat gefordert ist, erst jetzt und hier. In diesem Fall muß er nämlich für soziale Maßnahmen sorgen, damit diejenigen, die keine Erwerbsalternativen und keine Produktionsalternativen haben, die notwendige Unterstützung bekommen. Man sollte nicht zuerst nach dem Staat fragen, sondern sollte erst sich selber fragen, ob man das überhaupt weitermachen kann, und erst dann kann der Staat eintreten.Frankreich ist in dieser Beziehung kein Vorbild, auch wenn die neue Regierung den Landwirten schon wieder persönliche Einkommenstransfers versprochen hat. Das widerspricht dem Geist der Europäischen Kommission und der Römischen Verträge.
Ich darf abschließen. Die Entscheidung wird in Zukunft für den einzelnen Landwirt noch schwieriger werden. Wir können ihm diese Entscheidung nicht abnehmen. Problematisch für die Landwirteist vor allem im Bereich der Besteuerung die Frage: Sollen sie die Pauschalbesteuerung oder die Einnahmen/Ausgaben-Besteuerung wählen? Nur wenn sie sich freiwillig für letzteres entscheiden, kommt man zu den Zahlen, die man braucht, um eine sinnvolle Zukunftsentscheidung treffen zu können.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende. Kommen Sie bitte zum Schluß.
Vielen Dank! Ich komme zu meinen letzten Sätzen.
Ich glaube, daß noch eine weitere Perspektive hilfreich sein kann. Verfolgen Sie mit uns das Ziel, etwas mehr Markt in den europäischen Agrarmarkt einzufügen!
Damit bestünde über die Abwälzung höherer Kosten eine weitere Möglichkeit, den Landwirten zu helfen.
Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte versprochen, heute abend nicht reden zu wollen, wenn ich nicht angegriffen würde. Das ist jedoch geschehen.
Deshalb bedürfen die Äußerungen von seiten der Opposition einiger Klarstellungen von seiten der Bundesregierung.Meine Damen und Herren, wer die Debatte vor allen Dingen heute vormittag aufmerksam verfolgt hat, der kommt an der Tatsache nicht vorbei, daß die weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten, die heute bestehen, auch an der Landwirtschaft in Europa nicht vorbeigegangen sind. Das muß man hier einmal in aller Nüchternheit feststellen.
Herr Kollege Schmitz, was die sichere Versorgung unserer Bevölkerung anbetrifft, so kann ich diese beruhigen. Die Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa ist intakt, intakter, als uns manchmal lieb ist.
Was den Strukturwandel betrifft, so weiß ich sehr wohl, daß die Herren Kollegen von der Opposition hier so tun wollen, als ob sie die Zeit festhalten könnten. Das wird aber nicht möglich sein. Der Strukturwandel wird zum Wohle der Landwirtschaft und dieser Volkswirtschaft weitergehen müssen.Drittens haben Sie gesagt, daß eine leistungsfähige Landwirtschaft nicht zum Nulltarif zu haben
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Parl. Staatssekretär Gallussei. Davon sind wir in der Tat weit entfernt. Nehmen wir nur die Ausgleichszahlungen der EG zur Herbeiführung des Gleichgewichts bei der Milch. Sie betrugen im letzten Jahr in der EG 6 Milliarden DM. Dann soll noch einer sagen, das alles geschehe zum Nulltarif!Meine Damen und Herren, ich will auf die Details, weshalb unser Haushalt um 7,8 % gekürzt worden ist, nicht eingehen.
Das haben die Sprecher der SPD/FDP-Koalition bereits getan.Lassen Sie mich aber etwas zu dem Angriff auf das Umweltprogramm der FDP sagen, für das auch wir FDP-Politiker stehen. Die Verbandsklage, Herr Kollege Schmitz, können nur diejenigen Verbände in Anspruch nehmen, die dafür nach § 29 des Naturschutzgesetzes zugelassen sind. Ich bin der Auffassung, daß die Verbandsklage der Landwirtschaft unter Umständen mehr nützen als schaden könnte.
Nun noch ein Wort zu Ihrer Darstellung bezüglich der hunderttausend landwirtschaftlichen Betriebe, die das letzte Viertel der Vollerwerbsbetriebe bilden. Bekanntlich ist die Situation in der deutschen Landwirtschaft so, daß das erste Viertel rd. 56 000 DM Einkommen pro AK hat, das zweite Viertel rd. 30 000 DM, das dritte Viertel rd. 20 000 DM und das letzte Viertel der Vollerwerbsbetriebe rd. 7 600 DM. Ich stehe dazu, daß ich gesagt habe: diesem letzten Viertel ist mit Preiserhöhungen einkommensmäßig nicht zu helfen. Dabei bleibe ich.
Wo kämen wir eigentlich in einer Volkswirtschaft hin, in der die Grenzbetriebe den Preis bestimmten? Das muß letzten Endes auch für die Landwirtschaft gelten. Schauen Sie sich einmal diese hunderttausend Betriebe in ihrer Differenziertheit an. Niemand redet davon, daß sie in den nächsten Jahren aufhören müssen. Nein, ich sage: die werden in den nächsten Jahren sich entscheiden müssen, ein Teil wird sowieso auslaufen, ein anderer Teil wird die Entscheidung treffen und in den Nebenerwerbsbereich hinübergehen. Ehrlichkeit ist hier am Platze. Ich bedaure bloß eines: daß diejenigen, die mit einem solchen Einkommen von 7 500 DM nicht zufrieden wären, diesen Leuten empfehlen, dort stehenzubleiben. Das ist die Schizophrenie der Tatsachen.
Herr Kollege Schmitz, Sie brauchen für mich nicht zu sorgen. Diese Diskussion habe ich begonnen, um eine Ehrlichkeit in die gesamte agrarstrukturelle Diskussion bundesweit hineinzubringen. Ich stehe diese Diskussion ohne Sie durch.
Hinsichtlich Ihrer Halbwahrheiten, Herr Kollege Schmitz, in bezug darauf, daß die Naturschutzflächen in der Bundesrepublik Deutschland um 10 Yo ausgedehnt werden sollten, möchte ich Sie einmalauf den Boden der Tatsachen zurückholen. Die FDP hat lediglich eine Verdoppelung der Naturschutzflächen beschlossen — mit Einbeziehung der Waldgebiete —, und dies ist sehr wohl im Laufe der Zeit möglich. Denn es dreht sich hier um Flächen, die zum größten Teil landwirtschaftlich keinen allzu großen Wert besitzen. Das muß man doch einmal der Realität halber hier sagen.
— Natürlich. Wenn ich mir vergegenwärtige, wo Sie wirtschaften — in der Kölner Bucht —, und wie Sie sich dann um diese Flächen kümmern, die im Vergleich zu Ihren Bodenwertzahlen von 80 oder 90 nur 10 oder 15 haben, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß Sie dort einen Betrieb haben wollen, Herr Kollege Schmitz.
Man muß die ganze agrarpolitische Diskussion sehr viel differenzierter führen, als das von der Opposition gemacht wird.
Dabei wird von dieser Regierung — ich sage es noch einmal — die Schwierigkeit unserer agrarwirtschaftlichen und agrarpolitischen Situation keineswegs bestritten. Ich weiß, daß die Kosten mehr steigen, als die Preise hergeben.Jetzt komme ich zu dem Modell, das, wie Sie sagen, Herr Dohnanyi an die EG gegeben hat. Das ist ja in „Agrar Europe" nachzulesen. Was dort steht, ist richtig. Denn die Agrarpolitik Europas kann nur über „mehr Markt" saniert werden.
Was sollen denn, meine Damen und Herren von der Opposition, Preisfestsetzungen in Brüssel für die Landwirtschaft eigentlich noch für einen Wert haben, die am Markt nicht mehr erzielt werden können? Das ist doch streckenweise nur eine Fata Morgana.
Deshalb müssen dem Markt im Rahmen der Marktordnungen mehr Chancen eingeräumt werden.
Ich habe immer geglaubt, die Marktwirtschaftler säßen bei der CDU.
Aber bei den Agrarpolitikern der CDU sitzen die bestimmt nicht.
Nun, die Zeit ist fortgeschritten. Sonst könnte ich Ihnen die drei Modelle in bezug auf die Agrarreform in der EG noch etwas erläutern. Sie sehen, ich brauche keine Unterlagen, bei mir geht das nach dem
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Wes das Herz voll ist, des läuft der Mund über.
Aber ich spare mir das auf für ein anderes Mal.
Meine Damen und Herren, wenn Sie mit solch alten Kamellen daherkommen, aus der agrarpolitischen Mottenkiste,
wie „Bauernlegeeri" und derlei Dinge, dann erkundigen Sie sich doch einmal, was die Großagrarier in der Bundesrepublik Deutschland, die maßgebende Führungspositionen innehaben, dazu sagen.
— Meine Damen und Herren, weil Sie gerade so aufgescheucht sind, — —
— An meiner Länge oder Kürze brauchen Sie sich nicht aufzuhalten; deshalb habe ich keine Komplexe.
Ich will Ihnen mal eines sagen, damit Sie vollends Bescheid wissen: Es gibt ja in der deutschen Landwirtschaft und in deren Berufsvertretung sehr unterschiedliche Auffassungen über den zukünftigen Weg der Agrarpolitik Europas. Ich sage hier vor dem Forum des Deutschen Bundestages, daß vor noch nicht allzu langer Zeit eine Sitzung eines Ausschusses im Deutschen Bauernverband stattgefunden hat, in der man für meine Vorschläge in bezug auf die Erhaltung der bäuerlichen Landwirtschaft in Europa nur ein Lächeln übrig hatte. Das sind die Leute, die auf Kosten der Masse der Betriebe mit einem Einkommen von 7 500 DM ihr Süppchen kochen wollen.
— Ich komme gleich zum Schluß.
Ich will auch gleich den Beweis antreten: Kürzlich war eine Delegation von fortschrittlichen Landwirten des Rheinlandes — das ist die Heimat von Herrn Schmitz — unter Führung von Herrn Wagner in Holland und hat sich die dortige Landwirtschaft angesehen. Denn am Ende spielt auch noch die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Regionen eine Rolle.
Anschließend wurde ein Artikel geschrieben, daß die holländische Landwirtschaft gewissermaßen als Vorbild für die europäische Agrarpolitik zu gelten habe, während ich immer wieder sage — und deswegen ist über mich im holländischen Parlament diskutiert worden —,
die Holländer seien die Totengräber der europäischen Agrarpolitik.
— Das habe ich öffentlich mehrmals gesagt. — Dann hat Herr Wagner einen Artikel geschrieben und in großen Tönen die holländische Landwirtschaft gelobt. Ich habe dann, damit sie bei der Opposition ihre strukturpolitischen Überlegungen zurechtrücken können, kurzerhand einmal umrechnen lassen, wie viele Landwirte in der Bundesrepublik Deutschland eigentlich ausscheiden müßten, wenn man holländische Verhältnisse zugrunde legt: Sage und schreibe 64 % der milchkuhhaltenden Betriebe und 83 % der schweineerzeugenden Betriebe müßten aufgeben, wenn wir uns an die holländischen Verhältnisse angleichen wollten.
Ich kann Ihnen aber auch ein Beispiel aus Deutschland nennen, weil Herr Kollege Eigen hier so aufgeregt herumspringt.
Würden wir die strukturellen Verhältnisse von Schleswig-Holstein auf die Bundesrepublik umlegen, müßten nahezu 50 % der landwirtschaftlichen Betriebe aufgeben. Und da nimmt sich meine Zahl 100 000 bescheiden aus.
So, das war notwendig zur Klarstellung.
Erlauben Sie mir, daß ich mich
bei Ihnen bedanke, insbesondere bei den Herren Berichterstattern, aber auch beim Haushaltsausschuß für die fairen und sachlichen Beratungen. — Danke schön.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Das Wort zu einer Erklärung zur Aussprache nach § 30 unserer Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Eigen. Herr Kollege Eigen, ich darf Ihnen vorlesen, daß Sie nur die Möglichkeit haben, zu Äußerungen
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1981 2231
Vizepräsident Frau Rengerzu sprechen, die sich in der Aussprache auf Ihre eigene Person bezogen haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, es ist ein schlechter parlamentarischer Stil, wenn man einen Kollegen persönlich und namentlich angreift, dann aber, wenn er sich zu Wort meldet, um die Fakten richtigzustellen, kneift, wie es Herr Dr. Zumpfort hier getan hat. Deswegen muß ich zu diesem Mittel der persönlichen Erklärung greifen.
Erstens. In Eutin hat es keine radikalisierten Bauern gegeben. So konnte ich ebenso wie der Bauernverband auch nicht Bauern radikalisieren.
Zweitens. Es ist kein Polizist in Eutin verletzt worden; es hat nicht einmal ein Polizist einzugreifen brauchen.
Drittens. Es wurden in Eutin keine Fensterscheiben zerstört.
Ich denke an die wirklich dringenden und schwierigen Probleme, die unsere Bauern zu bewältigen haben, vor allem die jungen tüchtigen Landwirte, die Landwirtschaftsmeister sind, die hoch investiert haben und jetzt durch das Preis-Kosten-Verhältnis und die Zinspolitik in eine sehr schwierige Situation kommen. Ich wünschte, daß alle unsere Bevölkerungsteile, die in Not kommen, in solcher Form demonstrieren, wie unsere Bauern es tun.
Eine persönliche Erklärung, Herr Kollege!
Ich weise in aller Form, Frau Präsidentin, zurück, daß im Deutschen Bundestag Dinge aufgezeigt werden, die nie stattgefunden haben und die für den Deutschen Bauernverband und für mich persönlich beleidigend sind.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10. Hierzu liegt auch Drucksache 9/526 unter Ziffer 7 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Wer dem Einzelplan 10 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 10 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Wir sind am Ende der heutigen Beratung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für morgen, den 3. Juni, 9 Uhr ein.