Protokoll:
14203

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 203

  • date_rangeDatum: 27. November 2001

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 11:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:52 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deut- schen Bundestages Bundesminister a. D. Dr. Gerhard Stoltenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . 19917 A Tagesordnungspunkt I: a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2002 (Haushaltsgesetz 2002) (Drucksachen 14/6800, 14/7537) . . . . 19917 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005 (Drucksachen 14/6801, 14/7324, 14/7538) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19917 C 1. Einzelplan 01 Bundespräsident undBundespräsidialamt (Drucksachen 14/7301, 14/7321) . . . . . . . 19917 D 2. Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 14/7302, 14/7321) . . . . . . . 19917 D 3. Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 14/7303, 14/7321) . . . . . . . 19918 A 4. Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen (Drucksachen 14/7308, 14/7321) . . . . . . . 19918 A in Verbindung mit 5. Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 14/7319) . . . . . . . . . . . . . . . 19918 B in Verbindung mit 6. Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 14/7320) . . . . . . . . . . . . . . . 19918 B in Verbindung mit 7. Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksache 14/7321) . . . . . . . . . . . . . . . 19918 C Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Steu- erverkürzungen bei der Umsatzsteuer und anderen Steuern (Steuerverkürzungs- bekämpfungsgesetz) (Drucksachen 14/6883, 14/7085, 14/7470, 14/7471, 14/7536) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19918 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 9: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bun- des und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung Plenarprotokoll 14/203 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 203. Sitzung Berlin, Dienstag, den 27. November 2001 I n h a l t : der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1999 bis 2002 (18. Subventions- bericht) (Drucksache 14/6748) . . . . . . . . . . . . . . . 19918 D in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dietrich Austermann, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Nachtragshaushalt zur Korrektur der Entwicklung der Bundesfinanzen vorlegen (Drucksachen 14/5449, 14/6339) . . . . . . . 19919 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 19919 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19923 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . 19924 C Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 19928 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19932 A Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19937 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 19939 A Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 19947 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19951 C Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 19952 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19952 B Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19954 B Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19956 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 19957 B Hans Jochen Henke CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19958 B Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19960 B Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19961 C Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19963 B Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19964 C Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 19966 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19967 C 11. Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 14/7307, 14/7321) . . . . . . . 19970 B in Verbindung mit 12. Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 14/7321) . . . . . . . . . . . . . . . 19970 B Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19970 C Carsten Schneider SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 19972 A Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19974 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19976 A Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 19978 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19979 A Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 19979 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 19982 B Carsten Schneider SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 19984 C 13. Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 14/7306, 14/7321) . . . . . . . 19984 D in Verbindung mit 14. Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 14/6800, 14/7537) . . . . . . . 19984 D Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19985 A Gunter Weißgerber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 19987 A Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19988 D Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19991 D Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19994 D Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19996 C Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19997 C Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . 19998 B Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20001 B Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20003 B Lothar Mark SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20004 A Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20005 B Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20006 B Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20008 A Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 20009 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 20012 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 27. November 2001II 15. Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend (Drucksachen 14/7316, 14/7321) . . . . . . . 20013 C Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . 20013 D Antje-Marie Steen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20015 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20018 A Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20019 D Monika Balt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20021 A Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20022 B Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20023 D Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20027 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20029 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20029 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20031 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rüdiger Veit, Konrad Gilges, Harald Friese, Klaus Barthel (Starnberg), Reinhold Hemker, Konrad Kunick, Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg), Dr. Christine Lucyga, Adolf Ostertag, Renate Rennebach, Gudrun Roos, René Röspel, Horst Schmidbauer (Nürnberg), Ottmar Schreiner, Sigrid Skarpelis-Sperk und Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem An- trag der Bundesregierung zum Einsatz be- waffneter deutscher Streitkräfte bei der Un- terstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Ver- einten Nationen und des Art. 5 des Nordat- lantikvertrags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen verbunden mit dem Antrag des Bundeskanzlers gem. Art. 68 des Grundgesetzes (201. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 3 und Zusatztagesordnungs- punkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20031 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 27. November 2001 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 27. November 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 27. November 2001 Dr. Maria Böhmer 20029 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 201. Sitzung, Seite 19843 (B), 1. Absatz, der erste Satz ist wie folgt zu lesen: „Für sehr bedeutsam hält die PDS-Fraktion in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen der Beratungen über den Gesetzentwurf im federführenden Bundestagshaushaltsaus- schuss auch eine grundlegende Neuordnung der parlamentarischen Kontrolle auf dem Gebiet der Schuldenpolitik des Bundes einvernehmlich zwischen allen Fraktionen durchgesetzt werden könnte.“ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 27. November 2001 20031 (C) (D) (A) (B) Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 27.11.2001 Gila DIE GRÜNEN Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 27.11.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 27.11.2001 Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ 27.11.2001 DIE GRÜNEN Follak, Iris SPD 27.11.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 27.11.2001 Peter Dr. Grehn, Klaus PDS 27.11.2001 Großmann, Achim SPD 27.11.2001 Haack (Extertal), SPD 27.11.2001 Karl-Hermann Hauer, Nina SPD 27.11.2001 Heiderich, Helmut CDU/CSU 27.11.2001 Hornung, Siegfried CDU/CSU 27.11.2001 Hörster, Joachim CDU/CSU 27.11.2001 Jünger, Sabine PDS 27.11.2001 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 27.11.2001 Kramme, Anette SPD 27.11.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 27.11.2001 Dr. Küster, Uwe SPD 27.11.2001 Lennartz, Klaus SPD 27.11.2001 Lippmann, Heidi PDS 27.11.2001 Lüth, Heidemarie PDS 27.11.2001 Maaß (Wilhelmsha- CDU/CSU 27.11.2001 ven), Erich Müller (Berlin), PDS 27.11.2001** Manfred Nahles, Andrea SPD 27.11.2001 Nolte, Claudia CDU/CSU 27.11.2001 Ostrowski, Christine PDS 27.11.2001 Reiche, Katherina CDU/CSU 27.11.2001 Ronsöhr, CDU/CSU 27.11.2001 Heinrich-Wilhelm Rossmanith, Kurt J. CDU/CSU 27.11.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 27.11.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 27.11.2001 Rühe, Volker CDU/CSU 27.11.2001 Schenk, Christina PDS 27.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 27.11.2001 Schultz (Everswinkel), SPD 27.11.2001 Reinhard Dr. Freiherr von CDU/CSU 27.11.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 27.11.2001 Dr. Thomae, Dieter FDP 27.11.2001 Wiesehügel, Klaus SPD 27.11.2001 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 27.11.2001 Margareta DIE GRÜNEN Dr. Zöpel, Christoph SPD 27.11.2001 ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rüdiger Veit, Konrad Gilges, Harald Friese, Klaus Barthel (Starnberg), Reinhold Hemker, Konrad Kunick, Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg), Dr. Christine Lucyga, Adolf Ostertag, Renate Rennebach, Gudrun Roos, René Röspel, Horst Schmidbauer (Nürnberg), Ottmar Schreiner, Sigrid Skarpelis- Sperk und Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung zum Ein- satz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung derVereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikver- trags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Natio- nen verbunden mit dem Antrag des Bundes- kanzlers gem. Art. 68 des Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 3 und Zusatzpunkt 4) entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Wir erklären, dass wir dem Antrag des Bundeskanzlers gem. Art. 68 GG, den er in Verbindung mit dem Antrag der Bundesregierung „Einsatz bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrages sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“ gestellt hat, zustimmen. Wir stim- men zu in Anbetracht der Konsequenzen einer Ablehnung für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwick- lung, die weiter dazu führen könnten, dass die von uns un- eingeschränkt getragene sozialdemokratisch-bündnis- grüne Bundesregierung an ihr Ende kommen könnte. Eine andere Regierungskoalition würde die politische, soziale und wirtschaftliche Lage für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die gesellschaftlich Benachteiligten si- cher verschlechtern und sie zu den Leidtragenden einer nach rechts rückenden politischen Konstellation machen. Das können und wollen wir nicht verantworten! Uns ist der Konflikt zwischen der Regierungsfähigkeit der rot-grünen Koalition und unserer entschiedenen Ab- lehnung des Antrages auf „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte ...“ aufgezwungen worden. Doch wird sich bei unserer Bejahung der Fortsetzung der sozialdemokra- tisch-bündnisgrünen Regierung nichts an unserem grund- sätzlichen Nein gegen den Einsatz der Bundeswehr außer- halb des NATO-Vertragsgebietes ändern. Erstens. Krieg ist nach unserer Überzeugung kein ge- eignetes Mittel im Kampf gegen den internationalen Ter- rorismus. Wir zweifeln im Bewusstsein der Folgen des Krieges, die für die Beteiligten und Unbeteiligten immer eine große Katastrophe bis zum Tode bedeuten, an dem Sinn der kriegerischen Maßnahmen. Zweitens. Aus prinzipiellen Gründen lehnt die Mehr- heit der Unterzeichner ab, dass die Bundeswehr außerhalb des NATO-Vertragsgebietes zu Kampfhandlungen bereit- gestellt und eingesetzt wird. Drittens. Wir weisen die Bevollmächtigung der Bun- desregierung (Exekutive) über eine Bereitstellung von Kampfverbänden durch den Deutschen Bundestag zu- rück. Damit wird die Verantwortung des Parlaments (Legislative) über den Einsatz von Soldaten auf die Bun- desregierung übertragen und damit seine verfassungs- rechtlich gesicherte Verantwortung für ein verfassungs- gemäßes Gebot abgetreten. Viertens.Wir stehen in der Tradition der SPD, die stolz darauf ist, dass in der fast 140-jährigen Geschichte „die SPD das deutsche Volk nie in einen Krieg geführt hat“. Wir unterstellen damit nicht, dass die Entscheidung für die Bereitstellung der 3 900 Soldaten an die Regie- rung das Ende dieser Tradition bedeutet. Wir sehen viel- mehr die große Gefahr der Eskalation in der genannten Region. Fünftens. Wir haben berücksichtigt, dass die Legitima- tion für die kriegerischen Handlungen auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrages sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Verein- ten Nationen gegeben ist, aber die Mehrheit der Unter- zeichner zweifelt wegen des Verstoßes gegen den völker- rechtlich anerkannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel die völkerrechtliche Legitimität des Bombar- dements auf afghanischem Gebiet an. Wir fordern im Rahmen dieser Erklärung nochmals nachdrücklich die Bundesregierung auf, alle ihre Mög- lichkeiten wahrzunehmen, um das menschliche Elend, was durch das Talibanregime sowie durch andere auto- ritäre und menschenverachtende Systeme in dieser Re- gion entstanden ist, zu lindern. Aus unserer eigenen eu- ropäischen Tradition der Aufklärung haben wir erfahren, dass die Emanzipation der Völker sowie ihrer Bürgerinnen und Bürger einer demokratischen und ins- besondere einer sozialen Grundlage sowie der Herstel- lung von Menschenrechten und sozialen Rechten be- darf. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 27. November 200120032 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420300000
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir mit unserer Arbeit beginnen, darf ich Sie
bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.


(Die Anwesenden erheben sich)

Am vergangenen Freitag, dem 23. November 2001, ist

Dr. Gerhard Stoltenberg im Alter von 73 Jahren gestor-
ben. Wir wollen eines Politikers gedenken, der über
40 Jahre die Politik unseres Landes auf Bundes- und
Landesebene maßgeblich mitgestaltete. In seinem langen
politischen Leben übernahm er Aufgaben in sehr ver-
schiedenen Feldern der Politik. Er hat das Ansehen der
jungen Bundesrepublik und nachhaltig das des verei-
nigten Deutschlands geprägt.

Nach dreijähriger Zugehörigkeit zum Schleswig-Hol-
steinischen Landtag errang Dr. Stoltenberg 1957 sein ers-
tes Bundestagsmandat. 1965 übernahm er als jüngster
Bundesminister im Kabinett von Bundeskanzler Erhard
das Ressort für Wissenschaft und Forschung, das er auch
von 1966 bis 1969 im Kabinett von Bundeskanzler
Kiesinger innehatte. Nach seiner mehr als zehnjährigen
Amtszeit als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein
gehörte er bis zum Jahre 1998 wieder dem Bundestag an.
Von 1982 bis 1989 war er Finanzminister und von 1989
bis 1992 Verteidigungsminister.

Er prägte für die Öffentlichkeit das Bild von dem Nord-
deutschen, der zurückhaltend, mitunter kühl, aber immer
engagiert seine Aufgaben erfüllte. Persönliches Empfin-
den, Verletzungen, politische Niederlagen, auch seine
schwere Krankheit ordnete er seiner Privatsphäre zu, die
er konsequent von seinem öffentlichen Leben getrennt
hielt.

Wir trauern um einen großen Politiker und sprechen
seiner Familie unser tiefes Mitgefühl aus. Wir werden ihn
in ehrender Erinnerung behalten.

Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren
Plätzen erhoben; ich danke Ihnen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte I a und I b auf:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-
stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus-
haltsjahr 2002

(Haushaltsgesetz 2002)

– Drucksachen 14/6800, 14/7537 –

(Erste Beratung 190. Sitzung)


b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu
der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005
– Drucksachen 14/6801, 14/7324, 14/7538 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft

Wir beginnen mit drei Einzelplänen, zu denen keine
Aussprache vorgesehen ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt I. 1 auf:
Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
– Drucksachen 14/7301, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth (Gießen)

Ewald Schurer
Antje Hermenau
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 01 ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt I. 2 auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
– Drucksachen 14/7302, 14/7321 –

19917


(C)



(D)



(A)



(B)


203. Sitzung

Berlin, Dienstag, den 27. November 2001

Beginn: 11.00 Uhr

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Rolf Niese
Jochen Borchert
Antje Hermenau
Jürgen Koppelin
Dr. Barbara Höll

Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschuss-
fassung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Auch dieser
Einzelplan ist einstimmig angenommen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt I. 3 auf:
Einzelplan 03
Bundesrat
– Drucksachen 14/7303, 14/7321–
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Rolf Niese
Albrecht Feibel
Antje Hermenau
Jürgen Koppelin
Heidemarie Ehlert

Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Auch dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.

Ich rufe sodann die Tagesordnungspunkte I. 4 bis I. 7
auf:
I. 4 Einzelplan 08

Bundesministerium der Finanzen
– Drucksachen 14/7308, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Susanne Jaffke
Manfred Hampel
Hans-Eberhard Urbaniak
Antje Hermenau
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Christa Luft

I. 5 Einzelplan 32
Bundesschuld
– Drucksache 14/7319 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Jochen Henke
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Uwe-Jens Rössel

I. 6 Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
– Drucksache 14/7320 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Jochen Henke
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Uwe-Jens Rössel

I. 7 Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
– Drucksache 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ewald Schurer
Josef Hollerith
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Heidemarie Ehlert

Zu Einzelplan 60 liegen ein Änderungsantrag und ein
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor.
Über den Entschließungsantrag werden wir am kommen-
den Freitag abstimmen.

Weiterhin liegen drei Änderungsanträge der Fraktion
der PDS vor. Über einen dieser Änderungsanträge werden
wir namentlich abstimmen.

Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte I. 8 bis
I. 10 auf:
I. 8 Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-

regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der

(Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz – StVBG)

– Drucksachen 14/6883, 4/7085 –

(Erste Beratung 188. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-

ausschusses (7. Ausschuss)

– Drucksachen 14/7470, 14/7471 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Lydia Westrich
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)

Gerhard Schüßler
Heidemarie Ehlert


(8. Ausschuss)

– Drucksache 14/7536 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Jochen Henke
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Uwe-Jens Rössel

I. 9 Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Bericht der Bundesregierung über die Entwick-
lung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuer-
vergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur För-
derung der Stabilität und des Wachstums der
Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 für die Jahre
1999 bis 2002

(18. Subventionsbericht)

– Drucksache 14/6748 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen




Vizepräsidentin Anke Fuchs
19918


(C)



(D)



(A)



(B)


I. 10 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dietrich
Austermann, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Paul
Breuer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Nachtragshaushalt zurKorrektur derEntwick-
lung der Bundesfinanzen vorlegen
– Drucksachen 14/5449, 14/6339 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Georg Wagner
Dietrich Austermann
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Uwe-Jens Rössel

Zum Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz liegt je ein
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der
FDP und der PDS vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache dreieinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dietrich Austermann für die CDU/CSU-Frak-
tion.


Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1420300100
Frau Präsiden-
tin! Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatung in
zweiter Lesung – die letzte unter einer rot-grünen Bun-
desregierung –


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


muss zu unserem Bedauern mit folgender Feststellung
beginnen: Deutschland befindet sich in einer Rezes-
sion und die ist hausgemacht. Die rot-grüne Bundes-
regierung und ihr Finanzminister haben erheblichen An-
teil daran.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben bereits vor einem Jahr auf dunkle Wolken

am Konjunkturhimmel und auf rezessive Tendenzen hin-
gewiesen. Unsere frühere Forderung nach einem Nach-
tragshaushalt, die wir bereits im März dieses Jahres er-
hoben haben, wurde genauso abgetan wie der Hinweis
auf sich abzeichnende Löcher in den Haushalten 2001
und 2002. Zuerst wurde die Realität geleugnet. Dann
wurde von einem bescheidenen Wachstum – immerhin –
geredet. Dann wurde daraus eine schwarze Null und
dann eine rote Null. Dann wurde von Minuswachstum
und Stagnation gesprochen. Schließlich gab man zu,
dass man am Rand einer Rezession stehe. All dies wurde
in mehreren Etappen im Verlauf der letzten Monate zu-
gegeben, und zwar vor dem 11. September. Aufwärts ge-
hen aber nur die Arbeitslosenzahlen, die Sozialabgaben,
die Schulden, die Zahl der Pleiten, die Energiepreise und
die Steuern. Die rot-grüne Bundesregierung hat bei der
Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik total ver-
sagt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Bemerkenswerte an dieser Aufzählung ist, wie
viele Vokabeln es für das wirtschaftliche Versagen von
Rot-Grün gibt. Wenn man sich jede dieser Vokabeln ein-
zeln auf der Zunge zergehen lässt, dann stellt man fest:
Wir befinden uns – das erfüllt uns überhaupt nicht mit Ge-
nugtuung – in einer Rezession.

Die Haushaltsberatungen haben den wirtschaftlichen
Niedergang in letzer Minute nachvollziehen müssen.
Kreatives Gegensteuern ist ausgeblieben. Die Bundes-
regierung hat die Hände in den Schoß gelegt. Bis dahin
wurde die Kenntnisnahme der Realität verweigert. Sie be-
finden sich gewissermaßen in einem Spagat zwischen
Realitätsverweigerung und Zweckoptimismus. Ich nenne
das Finanzautismus.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es ist falsch, wenn be-

hauptet wird, die Wachstumsschwäche Deutschlands sei
durch die Weltwirtschaft, insbesondere die Rezession in
Amerika, verursacht worden. So unberechtigt die dreiste
Aussage des Kanzlerkandidaten Schröder im Mai 1998
war: „Dies ist mein Aufschwung“, so zutreffend ist heute
die Feststellung, dass die Rezession 2001/2002 hausge-
macht ist und Schröders Abschwung darstellt. „Schröder
ist der Kanzler des Abschwungs.“


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ bereits am 7. No-
vember dieses Jahres.

Der Abschwung wurde im Wesentlichen durch eine
falsche, verpennte und rechthaberische Politik dieser
Bundesregierung verursacht. Die letzten Zahlen bewei-
sen, dass die Binnenwirtschaft schwächer als der Export
ist. Ohne den Außenbeitrag ginge es der deutschen Wirt-
schaft noch schlechter. Das Minus läge nicht bei 0,3 Pro-
zent, sondern bei 1,2 Prozent und wäre damit viermal
höher.

Der Bundesfinanzminister fordert nun von den Unter-
nehmen und Bürgern Vertrauen, Investitionen und Kon-
sum. Um seine Nettokreditaufnahme um jeden Preis zu
verteidigen, sitzt er bei beschlossenen Investitionen aber
längst im Bremserhäuschen. Ich sage es ganz konkret:
Herr Eichel, Sie sind für den Wegfall von 100 000 Ar-
beitsplätzen auf dem Bau persönlich verantwortlich. Der
Bahn-Vorstand hat in einem internen Vermerk festgehal-
ten, dass das Bundesfinanzministerium über Monate Ver-
einbarungen verschleppt und die vollständige Verplanung
der Mittel, die die Bahn einsetzen wollte, verweigert hat.
Das Ergebnis: Bei der Deutschen Bahn AG konnten
bis Mitte November Bundesmittel in Höhe von 5 Milli-
arden DM nicht ausgegeben werden. Beim Straßenbau
sind es 2,7 Milliarden DM. Im sozialen Wohnungsbau
sind es 30 Prozent der Bundesmittel, bei Investitionen in
Gesundheit und Sport 50 Prozent, bei der Landwirtschaft
gar 60 Prozent. Das ist eine Statistik Ihres Hauses, die
deutlich macht, dass Sie die Investitionen bewusst
zurückhalten und damit die Arbeitslosigkeit steigern, nur
um die Nettokreditaufnahme in Grenzen zu halten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)





Vizepräsidentin Anke Fuchs

19919


(C)



(D)



(A)



(B)


Das Ganze haben Sie vor einem Jahr als „Zukunftspro-
gramm“ gefeiert und sich dafür auf die Schultern ge-
klopft.

Ich zitiere aus einem Vermerk der Bahn:
Alle wesentlichen Finanzierungsvereinbarungen
für das Jahr 2001 waren im Dezember mit dem
BMVBW einvernehmlich ausgehandelt, aber noch
nicht vom Bund unterzeichnet. Die Unterzeichnung
durch den Bund erfolgte teils im Februar, teils später.
Dadurch entstandene Verzögerungen erwiesen sich
als nicht einholbar. Einzelfinanzierungsvereinbarun-
gen wurden teilweise bis Ende April mit der Begrün-
dung nicht unterzeichnet, die bereits gezeichneten
Vereinbarungen schöpften das Fördervolumen des
Bundes aus.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Sag das etwas langsamer, damit es alle hören!)


– „Einzelfinanzierungsvereinbarungen“ mit der Bahn
„wurden teilweise bis Ende April mit der Begründung
nicht unterzeichnet, die bereits gezeichnetenVereinbarun-
gen schöpften das Fördervolumen des Bundes aus“. Das
heißt,manhat derBahngesagt:Bitte gebt dasGeld, daswir
bereitgestellt haben, nicht aus; ihr dürft es gar nicht ausge-
ben. Heute aber wirft man der Bahn vor, sie sei mit ihren
Investitionen nicht schnell genug, daher braucheman auch
keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Skandalös!)


Anstatt die Mittel, die die Bahn nicht ausgeben darf, für
den Straßenbau zur Verfügung zu stellen, wie es CDU
und CSU wiederholt gefordert haben, sollen sie verfallen.
Das ist ökonomisch falsch und schadet dem Wachstum.
Außerdem vernichten Sie mit dieser Politik Arbeitsplätze.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])


Sie versuchen damit, die Neuverschuldung im Plan zu
halten, verschärfen aber die Problematik nach Art. 115 des
Grundgesetzes, der den Abstand zwischen Investitionen
und Neuverschuldung beschreibt. Schon in diesem Jahr
– so behaupten wir – werden Sie Probleme mit dieser Ver-
fassungsgrenze haben. Auch reicht die Kreditermäch-
tigung im Haushalt ohne Zustimmung des Haushaltsaus-
schusses nicht aus.

Meine Damen und Herren, zehn Monate vor der nächs-
ten Bundestagswahl ist es angemessen, neben der Detail-
betrachtung eine Bilanz rot-grüner Haushaltspolitik vor-
zunehmen: Das Wachstum ist eingebrochen, der Geldwert
des Euro ist um 25 Prozent gesunken, aus sinkender Ar-
beitslosigkeit wurde trotz Aufblähung der Mittel für den
zweiten Arbeitsmarkt – lassen Sie sich nichts vormachen:
Die Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt waren nicht
1998, sondern 2001 höher denn je – eine steigende Ar-
beitslosigkeit. Die Sozialabgaben klettern, die Zahl der
Pleiten hat zugenommen, die Energiepreise wurden nach
oben „gezwiebelt“, Investitionen wurden gedrosselt, Hil-
fen für Mittelstand, neue Länder und Landwirtschaft
gekürzt. Die Ausgaben für Forschung und Technologie
liegen in der Summe unter denen des Jahres 1998.


(Lachen bei der SPD)


Die Rentenerhöhungen liegen unter der Inflationsrate.
Wenn der Rentenminister sagt,


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo ist der eigentlich?)


im nächsten Jahr gebe es 2 Prozent mehr, und dabei tut,
als sei er der Weihnachtsmann und verschenke an dieser
Stelle etwas, dann beschreibt das eigentlich nur, dass er
sich an das Gesetz halten muss, das die Rentenerhöhun-
gen des nächsten Jahres an die Nettolohnentwicklung des
Vorjahres koppelt. Das ist also ebenfalls kein Verdienst.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wie war das denn bei Ihnen?)


Die Rentenerhöhungen liegen seit zwei Jahren unter
der Inflationsrate. Bei den Krankenkassen muss über
Bundeszuschüsse geredet werden. Die Steuerquote steigt
wie die Ausgaben des Bundes und die Schulden. Die
Menschen müssen heute länger im Jahr für den Staat ar-
beiten; ihnen verbleibt weniger als 1998. Die Gemeinde-
haushalte entwickeln sich katastrophal, was die Investi-
tionen noch einmal kräftig dezimiert.

Schuld ist eine ignorante Politik, die Arbeitnehmer und
Betriebe spüren, die ihnen die Eigenverantwortung nimmt
und sie wegen dieser Entwicklung mit Sorge erfüllen
muss. Das Gespenst der Arbeitslosigkeit ist in den letz-
ten drei Jahren größer geworden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das alles ist unter der Überschrift „Sparpolitik“ vom

SPD-Parteitag ein bisschen kritisiert und dann abgenickt
worden. Nur der DGB-Vorsitzende sprach von einem
Skandal, als er die 4 Millionen Arbeitslosen erwähnte.
SPD-Kollege Schreiner sprach vom Ende eines Wahlver-
sprechens. Lafontaine – die Älteren werden sich noch an
ihn erinnern;


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

das war 1998 der Hintermann auf dem Tandem – sagte vor
nicht einmal vier Wochen:

Unter der SPD geht es Arbeitern und Rentnern
schlechter.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo er Recht hat, hat er Recht! – Beifall bei der CDU/CSU)


– Wo er Recht hat, hat er Recht. Wenn wir das sagten, dann
würde das wohl angezweifelt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der Bundesfinanzminister ist mit den Vokabeln Kon-
solidierung, Generationengerechtigkeit und Nachhaltig-
keit angetreten. Die Bundesregierung sagt, sie wolle
Deutschland modernisieren und die Lebensgrundlagen
der jungen Generation bewahren.

Herr Finanzminister, auf meine Frage, wie Sie denn
Konsolidierung eigentlich messen wollen, haben Sie im
Ausschuss einen Vergleich zwischen der Summe aus der
Neuverschuldung 1998 und den Privatisierungserlösen
auf der einen Seite und den entsprechenden Zahlen für




Dietrich Austermann
19920


(C)



(D)



(A)



(B)


dieses Jahr auf der anderen Seite gezogen. Ich will diese
Berechnung heute nachvollziehen.

In den vier Jahren von 1995 bis 1998 wurde „Tafelsil-
ber“, wie Sie das damals nannten, also Bundesvermögen,
im Wert von 27,8 Milliarden DM veräußert. Von 1999 bis
2002 werden es nach Ihren Plänen 66,6 Milliarden DM
sein. Diese Mittel sollen zur Stopfung von Haushalts-
löchern dienen. Nimmt man die UMTS-Milliarden hinzu,
die Sie ja hinsichtlich der Zinszahlungen entlasten, wer-
den es gar 165 Milliarden DM sein. Das sind Privati-
sierungserlöse, die Sie brauchen, um Ihren Haushalt aus-
zugleichen. Das heißt doch, dass Sie durch die
Privatisierung mit der Brechstange immer mehr Vermö-
gen der Bürger für Konsum verfrühstücken. Das ist keine
Konsolidierungspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie schwimmen durch gewaltige ererbte Privatisie-

rungserlöse im Geld – Sie müssten sich eigentlich jeden
Tag bei Theo Waigel dafür bedanken, dass er die Privati-
sierung möglich gemacht hat –, senken die Neuverschul-
dung aber nur minimal ab. Die Gesamtschuldenlast steigt.

Ein kümmerliches Ergebnis. „Hans im Glück“ hat aus
einem von Theo Waigel ererbten Goldklumpen der Priva-
tisierungschancen


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Katzengold!)


einen Haufen Schulden gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Um die Ausgabenlast und -steigerung zu kaschieren,
macht man Ausgaben zu negativen Einnahmen und
nimmt im Übrigen bei der KfW, bei der Treuhandanstalt
und bei der Post Zuflucht zu Schattenhaushalten und zu
gewaltigen Zuflussvermerken. Die Mittel für die Finanz-
hilfen Ost werden ausgabeseitig ganz aus dem Haushalt
herausgenommen und auf der Seite der Steuereinnahmen
des Bundes und der Länder abgezogen. Das Ausgabenvo-
lumen müsste also um insgesamt 6,6 Milliarden DM
höher sein. Weil Sie das wissen, kündigen Sie bereits
heute ein zweites Sparprogramm an, natürlich für die Zeit
nach der Bundestagswahl. Herr Eichel, die Bürger werden
dafür sorgen, dass Sie es nicht zu vollziehen brauchen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Trotz der Wachstumsschwäche wird der Bund im

nächsten Jahr nach Ihrer Betrachtung fast 50 Milliar-
den DM mehr Steuern einnehmen als 1998. Aber nur ein
Bruchteil dieses Betrages, bestenfalls etwa 10 Milliar-
den DM, werden wirklich zur Reduzierung der Nettokre-
ditaufnahme verwandt. 41,5 Milliarden DM neue Schul-
den sind 2002 erforderlich, um für 48,8 Milliarden DM
Investitionen zu tätigen. Ist das Konsolidierung?

Von 1999 bis 2002 tilgen Sie zwar 100 Milliarden DM
durch die UMTS-Erlöse, machen aber gleichzeitig
183 Milliarden DM neue Schulden. Ist das Sparpolitik?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])


Statt die notwendige Reform der Alterssicherung in
Angriff zu nehmen, haben Sie über die so genannte Öko-
steuer einfach mehr Geld in die Rentenversicherung ge-
pumpt und den Bürger dafür bezahlen lassen.

Wie Sie mit den Rentnern umgehen, zeigt ein Gesetz-
entwurf, den wir heute im Haushaltsausschuss erörtert
haben. Der Rechnungshof, vor einer halben Stunde zu
diesem Vorgang befragt, hat eher davon abgeraten, die-
sem Gesetzentwurf zuzustimmen. Der Gesetzentwurf
soll den Griff des Arbeitsministers in die Rentenkasse er-
lauben, um eine Beitragserhöhung um 0,3 Punkte, die
sonst fällig wäre, zu vermeiden und den Haushalt zu ent-
lasten.

Ich darf das einmal vorlesen, weil die Bundestags-
drucksache 14/7284 die ganze Situation sowie auch das
Vorgehen dieser Bundesregierung und dieses Finanz-
ministers beschreibt:

Durch ein Absenken der Mindestschwankungsre-
serve um 20 vom Hundert einer Monatsausgabe wird
ein Anstieg des Beitragssatzes um drei Zehntel Pro-
zentpunkte verhindert.

Mit anderen Worten: Wenn man nicht in die Schwan-
kungsreserve eingriffe, müsste der Rentenbeitrag steigen.

Der Bund wird durch diese Maßnahme im Jahr 2002
um etwa 0,5 Mrd. Euro beim allgemeinen Bundes-
zuschuss sowie von rund 0,2 Mrd. Euro bei den
Beiträgen für Kindererziehungszeiten entlastet.

Also, um 0,7 Milliarden Euro, 1,4 Milliarden DM, wird
der Bundeshaushalt entlastet, weil der Arbeits- und So-
zialminister in die Rentenkasse greift.


(Zurufe von der SPD)

Sie schaffen dadurch eine etwas bessere Situation. Ist das
Konsolidierungspolitik? Ist das Sparpolitik? Ist das ver-
antwortliche Sozialpolitik? Wir sagen eindeutig: nein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir könnten uns jetzt lange über das Sparpaket unter-

halten, das Sie im Jahr 1999 verabschiedet haben und das
im Wesentlichen darin bestand, Lasten auf die Länder,
Gemeinden und Sozialversicherungen zu verschieben.
Dadurch haben Sie das Maastricht-Problem natürlich
nicht gelöst. Wenn Sie die Schulden nicht machen, müs-
sen andere Schulden machen und das ändert dann an der
gesamtstaatlichen Verschuldung überhaupt nichts. Auch
das ist keine Konsolidierung. Das ist nicht nachhaltig. Das
ist allenfalls eine nachhaltige Verschiebung des Reform-
drucks.

Auch bei dem groß gefeierten Solidarpakt II, der mit
einer Tilgungsaussetzung beginnt, haben Sie eine Lasten-
verschiebung in die Zukunft, auf die nächste Generation,
vorgenommen, was Sie früher selbst kritisiert haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Ausgerechnet!)

Die Post soll in einer Art Panikaktion beschleunigt

privatisiert werden, und zwar zu schlechteren Kursen, als
dem Ausgabewert der Aktien entspricht. Die Einnahmen
aus der Privatisierung waren ursprünglich dafür gedacht,
die Altersversorgung der ehemaligen Postbediensteten




Dietrich Austermann

19921


(C)



(D)



(A)



(B)


abzusichern. Wir müssen davon ausgehen, dass die Mittel
dafür in nächster Zeit nicht ausreichen werden. Das heißt,
dass Sie auch diese Belastung auf künftige Generationen
verschieben.

Meine Damen und Herren, der Investitionsanteil des
Haushalts sinkt auf ein historisches Tief. Auch das ist
nicht nachhaltig; denn schnelle Investitionen sind preis-
werte Investitionen. Je mehr man das Ganze streckt und
schiebt, umso teurer wird es. Auch dies ist also keine
nachhaltige Politik.

Die Steuerreform muss mit der gleichen Elle gemessen
werden. Die Salamireform hat nicht zu einer signifikan-
ten Senkung der Steuerbelastung der normalen Arbeit-
nehmer und des Mittelstands geführt. Wenn Sie damit
kokettieren, dass Sie das Kindergeld ab 1. Januar er-
höhen, dann sage ich: Dieser Entlastung steht aber die Tat-
sache gegenüber, dass die Zahl der Kinder in Deutschland
in den letzten Jahren um 300 000 gesunken ist, was Ihnen
diese Ausgabe erleichtert. Außerdem reicht das höhere
Kindergeld nicht aus, um die zusätzlichen Belastungen
auszugleichen, die die Familien aus allein vier neuen
Steuern, die am 1. Januar in Kraft treten, haben, nämlich
die nächste Stufe der Ökosteuer, Versicherungsteuer, Ta-
baksteuer und Bauabzugsteuer, eine Steuer, die bisher
noch niemand so richtig in ihrer belastenden Wirkung er-
kannt hat.


(Hans Eichel, Bundesminister: Was? Das ist unglaublich!)


Auch das ist keine nachhaltige Politik.
Die rot-grüne Steuerreform entpuppt sich als weitere

Verkomplizierung des Steuerrechts, schamloses Abkas-
sieren des Mittelstands und der Leistungsträger der Ge-
sellschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor der Wahl hat die damalige Opposition angekün-

digt, sie würde die Ausgaben für Forschung und Bildung
verdoppeln. Sie wurden vorhin unruhig, als ich gesagt
habe:


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Bei Ihnen wird keiner unruhig, Herr Austermann! Bilden Sie sich nichts ein!)


Die Ausgaben für Forschung und Technologie sind im
nächsten Jahr real niedriger als vor der Bundestagswahl.
Dies kann man anhand konkreter Zahlen ganz eindeutig
belegen.

Das Gleiche gilt natürlich auch für das BAföG. Vor
kurzem wurde eine große Reform verkündet. Ergebnis ist,
dass heute weniger Geld im Haushalt zur Verfügung steht
und im nächsten Jahr noch weniger Geld für BAföG
ausgegeben wird. Ist das Politik für die Zukunft?

Ich habe den Eindruck, dass die Bundesregierung die
Öffentlichkeit im Hinblick auf die Leistungen des Bundes
für die neuen Länder hinters Licht führt. Bis 1998 wurde
jedes Jahr in tabellarischen Aufstellungen festgehalten,
welche Mittel in die neuen Bundesländer fließen. Der
Bundesfinanzminister hat dem Kollegen Luther vor kur-
zem mitgeteilt, diese Listen würden nicht mehr weiterge-

führt. Man fragt sich, warum denn wohl. Wahrscheinlich
wäre es zu blamabel, wenn offensichtlich würde, welche
Einschnitte bei der Mittelstandsförderung in den neuen
Ländern, bei der Forschungsförderung und bei der Ge-
meinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Wirtschafts-
struktur vorgenommen werden.

Der Bundeskanzler hat gesagt, er werde sich „jeder-
zeit“ an der Zahl der Arbeitslosen messen lassen. Der alte
Zirkusgaul hat sich vergaloppiert, als er behauptet hat, die
Zahl der Arbeitslosen werde in Richtung 3 Millionen sin-
ken. Die Betrachtung der manipulierten Statistik und der
demographischen Entwicklung zeigt, dass auf diesem
Gebiet das entscheidende Versagen der rot-grünen Bun-
desregierung liegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Arbeitslosigkeit steigt. Senkung der Zahl der Arbeits-
losen heißt offensichtlich nur, dass diese Zahl nicht zu
sehr steigt. Diese Zahl steigt aber; sie liegt alsbald bei
über 4 Millionen. Man fragt so ganz diskret: Was ist ei-
gentlich aus der Faulenzerdebatte geworden, die der Bun-
deskanzler einmal losgetreten hat?


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das kann man auf der Regierungsbank sehen!)


Der Sachverständigenrat stellt zu Recht fest, dass die
Bundesregierung drei der vier Ziele des Stabilitäts- und
Wachstumsgesetzes verfehlt hat. Statt Wachstum gibt es
Rezession, statt Vollbeschäftigung mehr Arbeitslose und
statt eines ausgeglichenen Haushalts geht der Marsch in
die Verschuldung ungebremst weiter.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Man betrachte die Entwicklung der konkreten, absoluten
Zahlen.

Dieser Haushalt ist auch deshalb nicht geeignet, die
Situation zu verbessern, weil Sie falsche Daten zugrunde
legen. Sie gehen für das nächste Jahr immer noch von
einem Wachstum von 1,25 Prozent, von einer Zunahme
der Beschäftigung und von Lohnzuwächsen von 2,75 Pro-
zent aus. Diese Rechnung kann nicht aufgehen. Das be-
deutet im Ergebnis, dass Sie auch im Jahre 2002 an die
Maastricht-Kriterien gewissermaßen heranschrammen
und wahrscheinlich die in Art. 115 des Grundgesetzes
festgelegte Grenze streifen werden. Ich fordere Sie auf,
spätestens bei der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts
im Januar nächsten Jahres – es sollte nicht wieder nur eine
Märchenstunde werden – die Störung des gesamtwirt-
schaftlichen Gleichgewichts zu erklären, damit Sie in der
Realität keinen verfassungswidrigen Haushalt abwickeln
müssen.


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Das kommt mir so bekannt vor!)


Wir haben beantragt, die Nettokreditaufnahme weiter
zu senken, mit dem Subventionsabbau zu beginnen, die
Investitionen zu erhöhen


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)





Dietrich Austermann
19922


(C)



(D)



(A)



(B)


und den Konsum zu begrenzen. Wir fordern eine Mobili-
tätsoffensive,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

um über die Infrastruktur die Rahmenbedingungen für
Wirtschaft und Arbeitsplätze zu verbessern.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Eier legende Wollmilchsau fordern Sie!)


– Herr Schlauch, stimmt es, dass wir im Jahre 1998 ein
wirtschaftliches Wachstum von mindestens 2,5 Prozent
hatten und heute – Sie regieren seit drei Jahren – eine Re-
zession haben? Bei allem, was Sie anderen vorwerfen,
und angesichts der heute vorgelegten Bilanz müssten Sie
sich in ein Schneckenhaus verkriechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: In einen Schlauch!)


Wir wollen auch eine Durchforstung des zweiten
Arbeitsmarktes ermöglichen. Wir wollen mehr Geld für
Verteidigung, damit sich die Bundeswehr nicht weiter in-
ternational blamiert, Stichwort Großflugzeug. Wir wollen
– dies ist kostenlos – die Rücknahme beschäftigungs-
feindlicher Regulierungen am Arbeitsmarkt.

Die vier Jahre bis zum Jahre 2002 werden nach der Bi-
lanz der ersten drei Jahre und nach dem vorgelegten Haus-
halt, der wesentliche Daten für das letzte Jahr dieser Le-
gislaturperiode setzt, vier verplemperte Jahre für die
Wirtschaft in Deutschland, für die Arbeitslosen und für
die junge Generation sein. Diese Regierung und dieser Fi-
nanzminister stehen bereits nach Ablauf von drei Jahren
mit leeren Händen da. Der Haushaltsentwurf 2002 zeigt,
dass diese Regierung auch keine Perspektive für das
vierte Jahr – ihr letztes Jahr – hat.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Es ist an der Zeit, sich auf den Wechsel einzustellen. Wir
sind dazu bereit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420300200
Für die SPD-Fraktion
erteile ich das Wort dem Kollegen Hans Georg Wagner.


Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1420300300
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege
Austermann, ich komme gleich auf Deutschland zurück.
Sie sprachen von einem Phantomland. Ich muss Fragen:
Dort leben Sie wohl, wir nicht.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: So schlimm ist unser Land auch nicht!)


Denn alle Punkte, die Sie dargestellt haben, sind heute im
„Handelsblatt“ nachzulesen. Dort wird berichtet, dass
Bankökonomen eine Untersuchung eines amerikanischen
Instituts über die Wirtschaft in Amerika auf Deutschland
übertragen haben. Ich will Ihnen die Überschrift nicht

vorenthalten: „Deutschland steckt nicht in der Rezes-
sion“.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das steht heute Morgen im „Handelsblatt“. Ich unterstelle
einmal: Alles, was Sie gesagt haben, ist falsch und stimmt
nicht.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Miesmacherei!)


Alles, was Sie gesagt haben, ist an den Haaren herbeige-
zogen und entspricht damit nicht der Wirklichkeit.


(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie die Höhe der Ausgaben für Investitionen be-

klagen – zum Teil ja zu Recht –, muss ich Sie fragen, Herr
Kollege Austermann, ob Sie das wirklich so ernst meinen,
wie Sie es hier immer darstellen. Weil Sie ständig aus dem
Haushaltsausschuss herauslaufen, was ich sehr bedauere,
können Sie nicht mitbekommen, dass zum Beispiel im
Bereich der Bauwirtschaft in all den Jahren kontinuierlich
die vorgesehenen Investitionen zu 99,9 Prozent getätigt
worden sind.

Unser einziges Sorgenkind ist in der Tat die Bahn. Der
Kollege Waigel hat damals mit den für die Bahn be-
stimmten Mitteln die Pensionskassen aufgefüllt. Das
waren Gelder für Investitionen, die bei der Bahn übrig ge-
blieben waren. Damals war Herr Wissmann Verkehrs-
minister. Heute versuchen wir, die Mittel dorthin zu len-
ken, wo sie hin sollen, um endlich die Schere zwischen
Investitionen in den Straßenbau und in den Schienenbau
zu schließen, die Sie geöffnet haben. Wir wollen, dass für
die Schiene genauso viel investiert wird wie für die
Straße.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Makaber, Herr Kollege Austermann, war Ihre Behaup-
tung bezüglich des Griffs in die Rentenkassen. Ich ver-
stehe die Welt nicht mehr. 1998 betrug die Schwankungs-
reserve für die Rentenkassen bei Ihnen 18Milliarden DM.
Die heutige Schwankungsreserve beträgt 27 Milliar-
den DM. Jetzt müssen Sie mir mit Ihrer Rechenkunst be-
weisen, das sei weniger als 18 Milliaren. Das kann nur
Herr Austermann so ausrechnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb habe ich auch gedacht, als der Kollege Steffel in
Berlin Sie zum finanzpolitischen Berater gemacht hat:
Das werden 5 Prozent weniger für die CDU. – Genauso
ist es gekommen, Herr Kollege Austermann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie Forschung und Entwicklung ansprechen und
sagen, da sei nicht sehr viel passiert, können Sie nicht
rechnen. Ich freue mich, Frau Kollegin Bulmahn, Ihnen
für die Koalition sagen zu dürfen, dass wir über Ihren Er-
folg auf der Forschungsministerkonferenz in der vorigen
Woche in Edinburgh froh sind. Dort hat Deutschland eine




Dietrich Austermann

19923


(C)



(D)



(A)



(B)


Führungsrolle in der Luft- und Raumfahrt übernommen,
die die Opposition verspielt hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das soll der friedlichen Nutzung dieser Technik dienen
und nicht dem, was Sie immer im Hinterkopf hatten.

Zur Haushaltsentwicklung im Jahr 2001: Da haben
Sie auch wieder Märchen aufgetischt. Übrigens haben Sie
sich vertan; Sie haben den Nachtragshaushalt schon
im Januar gefordert – im März haben wir darüber disku-
tiert –, drei Tage nach der Unterschrift des Bundespräsi-
denten unter den Haushalt. Das nur der Wahrheit wegen.

Wir haben gute Chancen, in diesem Jahr die Defizitli-
nie von 43,7Milliarden DM einzuhalten. Die Belastungen
auf dem Arbeitsmarkt mit etwa 4,5 Milliarden DM konn-
ten weder Sie noch wir, die konnte niemand vorhersagen.
Durch den Rückkauf der D-Mark-Münzen, der so ge-
nannten Schlafmünzen, sind 2 Milliarden DM Mehrkos-
ten entstanden, die im nächsten Jahr – Herr Kollege
Waigel, das wissen Sie – durch den Verkauf neuer Euro-
münzen wieder zurückkommen. Nicht realisierte Privati-
sierungserlöse ergeben 1 Milliarde DM. Das sind 7,5 Mil-
liarden DM weniger in diesem Haushaltsvollzug.

Als Entlastungen nenne ich: Zinsersparnisse von
3 Milliarden, höhere Gewährleistungseinnahmen von
2 Milliarden und die Mehreinnahmen bei der Mineralöl-
steuer – Sie wissen, die Verrechnung erfolgt jetzt im De-
zember, nicht mehr im Januar – von 1,3Milliarden, sodass
man etwa auf die gleiche Größe wie die Belastungen
kommt. Das heißt, wir haben gute Chancen, den Haushalt
2001 ordnungsgemäß abzuschließen, obwohl wir auf-
grund der Steuerschätzung Steuermindereinnahmen von
3,5 Milliarden DM zu erwarten haben. Aber wir sehen,
dass der Haushalt in der Linie läuft, wie er geplant war.
Deshalb ist für Panikmache überhaupt kein Grund, Herr
Kollege Austermann.


(Beifall bei der SPD)

Zum Haushalt 2002, meine Damen und Herren: Durch

die Beschlüsse der Koalition ist sichergestellt, dass der
Konsolidierungspfad, den wir mit dem Zukunftspro-
gramm 2000 betreten haben, nicht verlassen wird. Wir
bleiben auf diesem Konsolidierungspfad der deutschen
Finanzpolitik, wie schon seit 1999.

Trotz der Wachstumsschwäche, die zweifellos vorhan-
den ist und die niemand bestreiten kann, bleibt die Netto-
kreditaufnahme bei 21,1 Milliarden Euro. Das ist ange-
sichts der Rezession in Amerika, der Entwicklung hier in
Europa und der noch größeren Rezession in Japan ein ehr-
geiziges Ziel. Genauso halten wir an dem ehrgeizigen Ziel
fest, im Jahre 2006 zu einem ausgeglichenen Haushalt mit
null Nettokreditaufnahme zu kommen, damit wir endlich
mit dem Abbau Ihrer Schulden, der 1,5 Billionen DM
Altschulden der CDU/CSU-FDP-Regierung, beginnen
können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Neuverschuldung liegt 1,2 Milliarden Euro unter
dem Sollansatz des Jahres 2001. Auch das ist eine erfreu-

liche Konsolidierungsentwicklung im Bundeshaus-
halt 2002.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420300400
Herr Kollege, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rössel?


Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1420300500
Ja, bitte. Warum nicht? –
Wenn es Ihnen Spaß macht, können Sie eine Frage stellen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS):
Rede ID: ID1420300600
Lieber Kollege
Wagner, Sie haben gesagt, dass der Konsolidierungskurs
der deutschen Finanzpolitik bekräftigt wird. Stimmt das
auch noch, wenn Sie die Einschätzung des Finanzpla-
nungsrates auf seiner gestrigen Tagung berücksichtigen,
wonach die Schulden der öffentlichen Hand in Deutsch-
land in diesem Jahr bei 88 Milliarden DM liegen werden?
Das ist ein Zuwachs von immerhin 23 Milliarden DM ge-
genüber dem Jahr 2000. Wie vereinbart sich das mit Ihrer
Aussage? Stimmt sie in der Tat für die Gesamtverschul-
dung der öffentlichen Haushalte?


Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1420300700
Ich kann nur für den
Bund reden, nicht für die Länder, die von der PDS mitre-
giert werden, oder für Kommunen, die unter ihrer
Führung stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich stelle nur fest: Für uns ist die Sache auf bestem Wege.
Wir brauchen von dem, was ich gesagt habe, nichts zu-
rückzunehmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, kommen wir zu den Inves-
titionen, die in der Haushaltsberatung zwangsläufig eine
große Rolle spielen müssen. Wir haben mit Zustimmung
Ihrer Länder – Sie haben das vielleicht verdrängt – das In-
vestitionszulagengesetz, das für die neuen Länder gilt,
durch die Vereinbarung im Solidarpakt II mit den Regie-
rungen der neuen Länder verändert. Mittel in Höhe von
6,6 Milliarden werden jetzt auf der Einnahmeseite ver-
bucht, tauchen aber wieder als Ausgaben auf. Das ist ein
kompliziertes Verfahren. Dadurch sinkt aber nicht die In-
vestitionssumme, wie Sie, Herr Austermann, hier mit
strahlenden Augen geglaubt haben, verkünden zu müssen.

Ganz wichtig ist die Einhaltung von Art. 115 des
Grundgesetzes. Wir liegen mit einer Investitionssumme
von 25 Milliarden Euro und einer geplanten Nettokredit-
aufnahme von 21,1 Milliarden Euro weit diesseits der
Grenze, ab der ein Haushalt als nicht mehr verfassungs-
gemäß angesehen wird. Wir sind froh, dass die Koalition
es geschafft hat, diesen Haushalt innerhalb der Bestim-
mungen des Art. 115 zu halten – im Gegensatz zu Ihnen
in den Jahren 1996, 1998 und anderen Jahren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Hans Georg Wagner
19924


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Anträge der Union, die ich jetzt nicht im Einzelnen
vortragen möchte, sehen 36,5 Milliarden DM Mehraus-
gaben vor. Wenn man das auf das herunterbricht, was die
gesamte Opposition in den Haushaltsberatungen bean-
tragt hat, liegt man – das muss man fairerweise sagen –
bei etwa 6 Milliarden DM. Wenn die Koalition diese
6 Milliarden DM beschlossen hätte, dann läge die Netto-
kreditaufnahme weit höher als die Investitionen. Das wäre
verfassungswidrig. Wir mussten Ihre Anträge deshalb aus
Gründen der Verfassung ablehnen. Es wäre Verfassungs-
bruch gewesen, wenn wir diese Anträge angenommen
hätten. Das kann man mit uns nicht machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Merkel hat angekündigt, die Union werde jetzt
auf dem Felde der Wirtschafts- und Finanzpolitik angrei-
fen. Am Sonntag habe ich mir die Ehre gegeben, Frau
Christiansen zu sehen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das hätten Sie besser nicht getan!)


– Ob das eine Ehre ist, ist die Frage; Herr Merz, da gebe
ich Ihnen Recht. – Da kam auf die Frage an Frau Merkel
und Herrn Stoiber, was sie konkret anders machen wollen,
nur Gestotter. Da kam überhaupt nichts.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die einzige Aussage von Frau Merkel – ich habe das noch
in Erinnerung – war: Abbau des Kündigungsschutzes, Än-
derung der Lohnfortzahlung und der Mitbestimmung. Sie
wollen also alle soziale Errungenschaften dieser Koali-
tion wieder abschaffen. Wenn das Ihr Konzept ist, sind Sie
1998 zu Recht abgewählt worden und haben keine
Chance, 2002 wieder gewählt zu werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich stelle ganz einfach vier konkrete Fragen.
Erstens. Wie sieht Ihr Konzept zum Abbau Ihrer Schul-

den von 1,5 Billionen DM ganz konkret aus?
Zweitens. Wie sieht die Gegenfinanzierung Ihrer An-

träge aus? Sagen Sie mir einmal, Herr Kollege Rauen
– Sie werden ja nach mir reden –, wie die Gegenfinanzie-
rung etwa der 36,5 Milliarden DM aussehen soll. Wie
sieht das ganz konkret aus? Das können Sie mir sicher sa-
gen. Wir können ja darüber reden. Wieso sollte die Koali-
tion, wenn es sich um vernünftige Vorschläge der Gegen-
finanzierung handelt, dagegen sein? Wir wären dafür,
wenn sie seriös sind.


(Lothar Mark [SPD]: „Seriös“ ist für die ein Fremdwort!)


Ich bezweifle, dass Sie das beweisen können.
Drittens. Welches konkrete Konzept haben Sie zum

Abbau der Arbeitslosigkeit vorgelegt? Sie haben nichts
gesagt – außer dass Sie die Dinge, die wir im sozialen Be-
reich gemacht haben, abbauen wollen. Viertens. Welches
Konzept haben Sie ganz konkret zur Steigerung des wirt-
schaftlichen Wachstums?


(Dr. Peter Struck [SPD]: Gar keines!)


Ihre Antworten sind bisher nichts sagend und auswei-
chend gewesen.

Herr Kollege Repnik – Sie sind im Moment etwas ab-
gelenkt; ich will ausdrücklich auf Sie eingehen –, Sie ha-
ben bei der ersten Lesung, als ich sagte, dass wir den
Regierungsentwurf kritisch überprüfen würden und Posi-
tionen der Fraktionen in dem Haushalt, der Ende Novem-
ber im Deutschen Bundestag beschlossen wird, erkennbar
werden müssten, gesagt: Was? Ist der Regierungsentwurf
so schlecht, dass Sie ihn nachbessern müssen? – Ich habe
damals gesagt, dass es das natürliche Recht des Parla-
ments ist, dort, wo es notwendig ist, „Duftnoten“ zu set-
zen. Das haben wir gemacht. Das ist guter parlamentari-
scher Stil. Wir waren keine Abnicker wie Sie früher,


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

sondern sind ganz konkret die Positionen durchgegangen
und haben sehr viele Forderungen und Anträge durchge-
bracht, von denen Sie nur geträumt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben Umschichtungen und Änderungen beantragt
und durchgesetzt. Ich will sie nur stichwortartig nennen,
weil die Kolleginnen und Kollegen in den Einzelplan-
beratungen in den nächsten Tagen ganz konkret sagen, wo
wir etwas machen.

Zunächst hatten wir zwei Faktoren zu bedenken:
Erstens Wachstumsabschwächung: Hier ist es so, dass

die Experten bis zum heutigen Tage jeden Tag etwas an-
deres sagen. Die gleichen Experten wechseln ständig ihre
Meinung. Experten schwanken von himmelhoch jauch-
zend bis zu Tode betrübt.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein, die Sachverständigen haben eine eindeutige Sprachen und Sie nicht!)


– Ja, himmelhoch jauchzend waren die Prognosen zu An-
fang des Jahres,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Die Prognosen der Regierung!)


zu Tode betrübt sind sie heute. Sie wechseln ihre Progno-
sen übrigens schneller als viele andere ihre Hemden.

Zweitens die Bekämpfung des internationalen Terro-
rismus: Wir haben Mittel in einer Größenordnung von
1,72 Milliarden Euro eingestellt, nicht nur für militäri-
sche, sondern auch für humanitäre Zwecke. Es ist vielen
entgangen, dass wir gleich hohe Summen zur huma-
nitären Hilfe zur Verfügung stellen, etwa 80 Millionen
Euro als humanitäre Soforthilfe für Afghanistan, wenn
dort eine Regierung gebildet ist und wir mit humanitären
Maßnahmen eingreifen können.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Sagt doch niemand was dagegen! Was ereifern Sie sich so?)


Ich bin gespannt darauf, wie Sie beim Einzelplan 23 nach-
her abstimmen, ob Sie auch gegen diese humanitäre Hilfe
stimmen werden. Sie fordern sie lautstark, wenn sie dann




Hans Georg Wagner

19925


(C)



(D)



(A)



(B)


aber konkretisiert wird, sagen Sie Nein dazu. Das ist keine
klare Oppositionspolitik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In Bezug auf Afghanistan müssten wir in die Ge-
schichte zurückblicken. Wir müssen jetzt so schnell wie
möglich die deutsche Schule in Kabul wieder einrichten.
Das war eine Eliteschule für Afghanen; deutsche Arbeit
ist dort anerkannt. Also: Einrichtung der deutschen Schule
in Kabul so schnell wie möglich aus Geldern, die wir für
humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt haben.

Ein weiterer Punkt ist der Polizeiaufbau. Ihn haben wir
vor Jahren bzw. Jahrzehnten schon einmal unterstützt.
Auch das hat ein sehr positives Bild auf Deutschland ge-
worfen. Das sollten wir wieder machen. Deshalb bin ich
froh, dass konkrete Hilfen im Haushalt 2002 stehen; Sie
sollten sie nur mittragen, statt sie ständig in der Öffent-
lichkeit zu bekämpfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In den Entwürfen zum Haushalt 2002 haben wir ein
wesentlich stärkeres Engagement für zeitgemäße zivile
Krisenprävention und beim Aufbau in den Ländern der
Dritten Welt vorgesehen. Diese Gelder sind notwendig
und werden gebraucht. Wenn in der Öffentlichkeit immer
wieder erzählt wird, die PDS sei die friedensliebende Par-
tei Deutschlands,


(Zuruf von der CDU/CSU: Ihr Koalitionspartner!)


dann erinnere ich nur daran, dass seinerzeit Herr Gysi in
Belgrad gewesen ist und dort den Schlächter Milosevic
kontaktiert hat,


(Rolf Kutzmutz [PDS]: Sie sollen aufhören zu spinnen!)


Ihre Vorgängerpartei beim Ungarn-Aufstand 1956 nicht
gerade die beste Rolle gespielt hat, Ihre Vorgängerinstitu-
tion beim Niederschlagen des Prager Frühlings dabei war
und 1980 den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan
ausdrücklich begrüßt hat. Tun Sie, die Sie in dieser Nach-
folge stehen, doch heute nicht so, als ob Sie an allem un-
schuldig gewesen wären. Nicht Sie allein sind die Frie-
denspartei, sondern wir sind es, die humanitäre Hilfe
einsetzen und versuchen, über Prävention etwas zu errei-
chen, und erst dann zu militärischen Mitteln greifen, wenn
es unabdingbar ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Ihr Koalitionspartner!)


Mit der Steuerreform 2000 wurde die Wirtschaft in
2001 um 12Milliarden Euro entlastet. Im Jahre 2002 wer-
den es weitere 6 Milliarden Euro sein. Ich halte es wirk-
lich für ärgerlich, wenn jeden Tag die Repräsentanten von
Großunternehmen in der Öffentlichkeit Massenentlas-
sungen ankündigen – egal, ob es sich um Siemens mit
15 000 Stellen oder um andere handelt: Diese Zahlen kön-
nen einem die Tränen in die Augen treiben – und gleich-
zeitig weitere Entlastungen für Unternehmen fordern. Die

Großunternehmen sollten endlich einmal ihre Gewinne in
ihre Betriebe stecken. Der Bundeskanzler hat Recht,
wenn er sagt, dass die Unternehmen die guten Leute, die
sie morgen brauchen, nicht heute entlassen sollten; dann
müssen sie später nicht wegen des Mangels an Facharbei-
tern nach der Politik rufen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist keine Linie. Aber trotzdem bilden sich die Re-
präsentanten von Großunternehmen ein, sie wären, welt-
weit gesehen, Spitzenleute. Da ist aber nichts dran, weil
sie den Arbeitsplatzabbau für dringend notwendig halten
und jeden Tagen Zigtausende von Arbeitnehmern auf die
Straße setzen. Das ist keine konsequente Wirtschaftspoli-
tik und auch keine konsequente Unternehmenspolitik. Es
ist schlicht und ergreifend unverschämt, so zu handeln.


(Beifall bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sollen wir die Parlamentsärztin rufen?)


Sie von der Opposition fordern wie die Unternehmer
ständig Steuerentlastungen. Frau Merkel hat von einer
vorgezogenen Steuerreform gesprochen; Herr Stoiber hat
das aber wieder eingesammelt, weil er gemerkt hat, dass
es so nicht funktioniert.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nein! Nein!)

In der ersten Stufe der Steuerreform haben wir die priva-
ten Haushalte und die Wirtschaft um 45 Milliarden DM
entlastet. Da diese Entlastung am Arbeitsmarkt nicht ge-
wirkt hat,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Weil Sie den Mittelstand ausgelassen haben!)


muss ich Sie fragen: Was wollen Sie denn mit den 13 Mil-
liarden DM Entlastung aufgrund der vorgezogenen Steu-
erreform bewegen? Schaffen Sie dadurch einen Arbeits-
platz mehr? Das ist doch offenbar nicht der Fall.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Eine Schande für das Saarland!)


– Es war eine Schande, als Sie dort Amtsrichter waren,
Herr Merz. Da Sie mich angesprochen haben, muss ich Ih-
nen direkt sagen: Es war eine Blamage, als Sie an dem
kleinen Amtsgericht in Saarbrücken waren. Das ist doch
bekannt.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Seien Sie mal vorsichtig mit Ihren Bemerkungen! – Zuruf von der SPD: Scharfrichter!)


– Als Scharfrichter wäre er wahrscheinlich auch geeignet
gewesen.

Den Unternehmen muss gesagt werden, dass es für das
Ankündigen von Massenentlassungen keiner besonderen
Intelligenz bedarf. Das können Hinz und Kunz tun.

Wie geht es dem Mittelstand in dieser Situation? Eine
Studie der Dresdner Bank und des Wirtschaftsmagazins
„Impulse“ über den Mittelstand in Deutschland ist diese
Woche veröffentlicht worden. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung reflektieren die Situation von 1,1Millionen
mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Trotz des
Konjunktureinbruchs, der auch aufgrund der Ereignisse




Hans Georg Wagner
19926


(C)



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(B)


am 11. September eintrat, wollen nur 8 Prozent der klei-
nen und mittleren Unternehmen Stellen abbauen.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Warum bestrafen Sie dann den Mittelstand?)


Bei Ausbildung und Beschäftigung ist der Mittelstand der
stabilisierende Faktor des Arbeitsmarktes.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Warum bestrafen Sie ihn dann und belohnen ihn nicht steuerlich?)


Ohne die mittelständische gewerbliche Wirtschaft würde
es am Arbeitsmarkt viel trister aussehen. Ich habe das
Handeln einiger Großunternehmen eben erwähnt. Des-
halb hat der Mittelstand unsere besondere Förderung und
wird weiterhin, auch im Bundeshaushalt 2002, gefördert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Wo? Aber nicht bei der Steuer!)


Im Investitionsbereich hat die Koalition die Mittel für
das Programm „Soziale Stadt“, die Städtebauförderung
sowie den sozialen Wohnungsbau um 220Millionen Euro
angehoben. Wir wissen natürlich, dass jede öffentliche
Mark im Städtebau – dies gilt vornehmlich für die westli-
chen Länder und gilt bei Beibehaltung der Förderung der
östlichen Bundesländer mit 520 Millionen DM oder mit
260 Millionen Euro im Jahr – 8 DM an privaten Investi-
tionen auslöst. Deshalb ist dies ein wichtiges Programm.
Die Koalition hat sich eindeutig dazu bekannt, dieses Pro-
gramm arbeitsmarktmäßig einzusetzen. Deshalb gibt es
die Erhöhung um 220 Millionen Euro.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir fördern den Stadtumbau Ost, über den zu Recht
viel diskutiert worden ist, mit 1,1Milliarden Euro bis zum
Jahr 2009. Auch dies ist ein Punkt, bei dem ich erwarte,
dass die Opposition zustimmt. Zumindest im
Haushaltsausschuss hat sie es nicht getan. Aber sie hat ja
noch die Chance, im Plenum des Deutschen Bundestages
diesem Programm zuzustimmen.

Der Aufbau Ost bleibt vorrangige Aufgabe. Das
Niveau des Vorjahres bei der Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ mit
751 Millionen Euro bleibt erhalten. Wir haben die Mittel
für den Goldenen Plan um 15Millionen Euro aufgestockt.
Für das Netzwerkmanagement innovativer KMUs – das
entsprechende Programm heißt „NeMO“ – stellen wir
2,8 Millionen Euro zur Verfügung. Es handelt sich dabei
um ein neues Programm, das in den neuen Bundesländern
wirklich funktioniert. Weil es so gut funktioniert, werden
wir es weiter fördern, damit es endlich zu positiven
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in den neuen Län-
dern kommt.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist dasGebäudesanierungsprogrammzu nennen, das
der Verminderung von CO2-Emissionen dient. Die Mittelfür dieses Programm hat die Koalition für 2004 und 2005

auf jeweils 200 Millionen Euro festgesetzt. Das führt pro
Jahr zu einer Sanierung von 200 000 Wohnungen. Das ist
eine ganze Menge angesichts der Situation vorher.

Die ökologische Modernisierung der Volkswirtschaft
wird weiter betrieben. Wir haben die Mittel für das Pro-
gramm der Markteinführung von erneuerbaren Energien
um 100 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro angeho-
ben. Für die Energieforschung haben wir 20 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt.

Zu den Einzelplänen möchte ich nicht allzu viel sagen,
weil das den nächsten Tagen vorbehalten bleibt. Insge-
samt ist festzustellen: Wir befinden uns mit diesem Haus-
halt auf der richtigen Linie. Die Koalition hat den
Konsolidierungskurs, den Hans Eichel eingeschlagen hat,
bisher ohne irgendwelche Widersprüche mitgetragen.
Auch auf den Parteitagen der SPD und des Bünd-
nisses 90/Die Grünen wurde übrigens die Wirtschafts-
und Finanzpolitik der Bundesregierung einmütig unter-
stützt. Auch das ist ein Punkt, den man ansprechen muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bei Ihnen von der CDU/CSU ist dagegen mittlerweile
nicht einmal mehr erkennbar, ob es überhaupt noch einen
Kandidaten oder ob es bereits einen K.o.-Kandidaten, was
die Kanzlerkandidatur betrifft, gibt. Die Beantwortung
dieser Frage ist für Sie sehr viel wichtiger als die
wirtschaftliche Entwicklung. Ich finde, das ist schlecht.
Denn es ist Aufgabe der Oppositionspartei, sich für Letz-
teres einzusetzen.

Im kulturellen Bereich werden wir weiterhin viele
– auch neue – Hilfen leisten. Wir werden auf Vorschlag
des Bundeskanzlers eine deutsche Kulturstiftung einrich-
ten. Wir haben dazu für die nächsten drei Jahre entspre-
chende Mittel in der Größenordnung von 150 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Bundeskanzler wird vor Weihnachten mit den Minis-
terpräsidenten darüber sprechen, ob sich die Länder daran
beteiligen. Sie sollten auf jeden Fall dabei sein. Ich hoffe,
dass die Länder so einsichtig sind, sich mit der gleichen
Summe zu beteiligen, damit das Vorhaben einer deutschen
Kulturstiftung endlich Wirklichkeit und für die Bevölke-
rung sichtbar wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Folgendes ist auch zu erwähnen: Wir haben auch an die
Hilfsdienste gedacht, zum Beispiel an das Technische
Hilfswerk. Das Technische Hilfswerk ist in Ihrer Regie-
rungszeit sträflich vernachlässigt worden.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Genau!)

Der Präsident des Technischen Hilfswerkes und die Vize-
präsidentin der Helfervereinigung sitzen hier unter uns.
Die können das bestätigen. Die Koalition ist darangegan-
gen, gerade diese ehrenamtlichen Helfer, die bei Kata-
strophen weltweit eingesetzt werden und die im Sinne der
betroffenen Bevölkerung wirkungsvoll tätig sind, jetzt
mit Mitteln so auszustatten, dass sie technologisch in der




Hans Georg Wagner

19927


(C)



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(A)



(B)


Lage sind, einzugreifen und zu helfen – und das auf
Dauer. Ich halte es für eine tolle Sache, dass sich die Ko-
alition zu dieser Entscheidung durchgerungen hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nachher wird Hans Urbaniak eine Rede über den Um-
satzsteuerbetrug halten. Über Jahre hinweg ist es ver-
schleppt worden, diesen Umsatzsteuerbetrug wirksam zu
bekämpfen. Die jetzige Koalition beginnt damit. Etwa
20 Milliarden DM pro Jahr wurden hier verschleudert.
Darum haben Sie sich überhaupt nicht gekümmert, wahr-
scheinlich deshalb, weil Ihre Klientel davon betroffen ge-
wesen wäre. Wir haben darauf Gott sei Dank keine Rück-
sicht zu nehmen und wollen dieses verschleuderte Geld
der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.


(Beifall bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ihnen ist wirklich kein Spruch zu dumm!)


Herr Austermann, Sie haben soeben vom Subven-
tionsabbau gesprochen. Das ist gut und schön. Einen ge-
regelten Subventionsabbau gibt es im Bundeshaushalt:
Die entsprechende Vereinbarung zwischen den Vertretern
der deutschen Steinkohle, dem Saarland, Nordrhein-
Westfalen und der Bundesregierung hat damals Herr
Rexrodt – der „Mister Wirtschaft“ der alten Regierung; er
war genauso erfolglos, wie er es wäre, wenn er jetzt auf
diesem Gebiet tätig wäre –


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wie Ihr jetziger Minister, wollten Sie sagen, oder?)


eingeführt. Die jetzige Bundesregierung hält nur das ein,
was die alte vereinbart hat, und zwar auf Heller und Pfen-
nig, und Sie wollen ständig aus dieser Sache heraus.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein!)

– Herr Austermann, Sie rufen gerade „Nein“. Dazu muss
ich Ihnen sagen: Ihr Parteifreund Müller im Saarland lebt
ganz gut davon, dass die Bundesregierung bis jetzt auch
die Gelder, die das Saarland für die Finanzierung des Ab-
baus der Subventionen hätte zur Verfügung stellen müs-
sen, übernommen hat.


(Beifall der Abg. Uta Titze-Stecher [SPD])

Man könnte ja der Meinung sein, solche freiwilligen Leis-
tungen des Bundes müssten nicht sein. Wenn Sie das
gerne hätten, dann sagen Sie das und dann machen wir das
auch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was den Abbau von Subventionen betrifft, so gibt es

viel umfangreichere Bereiche, zum Beispiel den der
Landwirtschaft auf der Ebene der Europäischen Union.
Wir wissen, dass 80 Prozent der Mittel der Europäischen
Union in die Landwirtschaft fließen. Das sind hohe Sub-
ventionen. Von Ihnen habe ich nie die Forderung gehört,
dort Subventionen abzubauen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wie viel?)

– 80 Prozent, Herr Kollege.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie haben ja nicht einmal die simpelsten Zahlen präsent! Das ist ja unglaublich! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sagen Sie es einmal in Euro!)


– Als Amtsrichter konnten Sie nicht rechnen und heute
können Sie es auch nicht.

Der nächste Punkt. Dass in der Vergangenheit Subven-
tionen im Bereich der Forschung ausschließlich nach
Bayern und Baden-Württemberg gegangen sind, weiß ich.
Das haben wir dahin gehend geändert, dass nun auch an-
dere Bundesländer an den Forschungsgeldern, die der
Bund zur Verfügung stellt, partizipieren.

All das sind Dinge, bei denen man miteinander über
den Subventionsabbau reden muss. Wenn Sie das nicht
wollen, dann nehmen Sie das Wort „Subventionsabbau“
am besten gar nicht in den Mund.

Ich bin der Meinung, dass dieser Haushalt grundsolide
ist. Er wird im nächsten Jahr auch so vollzogen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da wendet sich der Kanzler ab! – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Mit Grauen!)


Wir sind stolz darauf, dass die Ziele, die sich die Koali-
tion gesetzt hat, eingehalten worden sind. Wir laden Sie
ein: Machen Sie mit, damit wir endlich einen vernünfti-
gen Haushalt verabschieden können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420300800
Für die FDP-Fraktion
erteile ich Dr. Günter Rexrodt das Wort.


Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1420300900
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Herr Kollege Wagner, unser Bundes-
haushalt enthält ja eine Fülle von Einzelpositionen. Ich
muss zugeben: Es ist Ihnen wahrlich gelungen, einen ganz
außergewöhnlich hohen Prozentsatz der Einzelpositionen
anzusprechen. Sie sind ein fleißiger Mann und wenn Sie
sich Mühe geben, dann laufen Sie richtig auf und können
ganz schnell sprechen. Das verdient Anerkennung, Herr
Kollege Wagner.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])

Was keine Anerkennung verdient, ist die Tatsache, dass

Sie sich nicht mit den Grundlinien der Finanz- und Wirt-
schaftspolitik auseinander gesetzt haben. Da kam gar
nichts, Herr Kollege Wagner.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Die hat doch keine Grundlinie! Damit kann er sich nicht auseinander setzen!)


Das hätte ich in einer haushaltspolitischen Debatte ei-
gentlich erwartet.


(Beifall bei der FDP)

Wir lesen hier nun den letzten Haushalt dieser Legisla-

turperiode, das Hauptbuch der Nation. Rot-Grün hat 1998
den Mund sehr voll genommen. Es sollte alles besser wer-
den. Schauen wir einmal, was davon in diesem Hauptbuch
zu erkennen ist.

Da haben wir zunächst das Vorzeigeprojekt von Hans
Eichel, die Rückführung derNettokreditaufnahme und




Hans Georg Wagner
19928


(C)



(D)



(A)



(B)


die Vision eines ausgeglichenen Haushalts 2006. Die Li-
beralen haben im Übrigen den Finanzminister in diesem
Kurs immer bestärkt. Dieser Kurs ist aus vielen Gründen,
auch aus volkswirtschaftlichen Gründen, ohne Alterna-
tive. Der Abbau der Nettoneuverschuldung ist notwendig
vor dem Hintergrund des enormen Schuldenzuwachses in
den 90er-Jahren. Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie zu-
geben, dass es vor dem Hintergrund der Wiedervereini-
gung zu diesem Zuwachs nie eine Alternative gab.

Der Finanzminister hat ob dieses Kurses viele Lorbee-
ren geerntet. Ihre Politik war ein, wie man heute sagt,
Asset rot-grüner Regierungsverantwortung. Heute aller-
dings, Herr Eichel, müssen wir uns fragen, ob das nicht
Vorschusslorbeeren waren.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

Ich möchte feststellen – und werde das auch belegen kön-
nen –: Das waren nichts als Vorschusslorbeeren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihnen ist es zwar noch einmal gelungen, in Ihrem
Haushalt nominell 21,1 Milliarden Euro Nettoneuver-
schuldung und damit 1,2 Milliarden Euro weniger als im
Vorjahr auszuweisen. Auch in den Folgejahren senken Sie
die Zahlen. Aber wer genau hinschaut, sieht, dass diese
Zahlen für das Jahr 2002 und die folgenden Jahre in gleich
mehrfacher Hinsicht Ausdruck der verschiedensten Re-
chentricks sind und dass es eine verdeckte Kreditauf-
nahme bei der KfW, einer staatseigenen Bank, gibt, um
diese Zahlen überhaupt ausweisen zu können.

Es sind Rechentricks, Herr Eichel, weil Sie 3,3 Milli-
arden Euro Finanzhilfen Ost nicht mehr auf der Ausga-
benseite, sondern auf der Einnahmenseite als Minderein-
nahme ausweisen. Außerdem werden Tilgungsraten beim
Fonds „Deutsche Einheit“ in Höhe von fast 800 Milli-
onen Euro gestreckt. Das ist eine Verschiebung der Lasten
auf künftige Generationen.


(Hans Eichel, Bundesminister: Das ist doch Unsinn!)


An dieser Stelle – ich kenne das ja – kommt immer Ihr
Gegenargument, auch die alte Koalition habe so etwas ge-
macht.


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: So ist es!)

Damit überzeugen Sie nicht.


(Dr. Wolfgang Gerhardt eigenen Ansprüchen messen!)


Sie haben ja die Sondersituation der Wiedervereinigung
nie gewürdigt. Sie waren es, meine Damen und Herren,
die eine solche Umkehrung der Buchung immer gegeißelt
und gebrandmarkt haben und die versprochen haben, dass
mit Ihrer Regierungsübernahme alles besser wird. Nichts
ist besser geworden; Sie machen es noch schlimmer, als
es damals war.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Eichel, es gibt noch einen Tatbestand, der ein-
malig ist: Im Einzelplan 60 werden Rückflüsse von der

Europäischen Union in Höhe von 1,1 Milliarden ausge-
wiesen, obwohl diese gar nicht etatisiert werden können.
Dass diese Rückflüsse im Haushalt gewissermaßen als
Steuermehreinnahme gebucht werden, das hat es nie ge-
geben.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sehr wahr! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Er wollte auch einmal etwas Neues machen!)


Das ist Ausdruck der Rechentricks, die Sie anwenden, um
mit Ihrem Haushalt


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das gilt als Innovation!)


zumindest noch die Fiktion der Rückführung der Netto-
neuverschuldung entwickeln zu können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Bezogen auf die Anteilsrechte an Bundesunternehmen

ist auch Ihre Parklösung bei der KfW über alle Maßen
problematisch. Ich sage nicht, dass das nicht vorher auch
schon vorgekommen ist,


(Hans Eichel, Bundesminister: Aha!)

aber, Herr Eichel, noch nie ist jemand, der angekündigt
hatte, alles besser machen zu wollen, in dieser Angele-
genheit so dreist wie Sie vorgegangen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dies schadet im Übrigen nicht nur der Finanzpolitik von
Herrn Eichel, sondern das wirft auch Fragen hinsichtlich
der Rolle der KfW auf. Deren hohe Reputation – gerade
im Ausland – sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt
werden. Herr Eichel, es muss sicher sein: Die Kredit-
anstalt für Wiederaufbau ist keine Kassenkreditstelle
des Bundes!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie hat außenwirtschaftliche und entwicklungspoliti-
sche Aufgaben. Nach innen soll sie meinetwegen auch das
Langfristgeschäft der IKB übernehmen. Das ist okay; denn
die Situation war schwierig und es drohte, dass das ins
Ausland verlagert wird. Was aber mit der KfW im Zusam-
menhang mit der Deutschen Ausgleichsbank und somit
dem Einstieg in die Mittelstandsförderung gemacht wird,
ist verkehrt. Das ist eine falsche Politik. Das schadet der
KfW und dem deutschen Mittelstand.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Bundesfinanzminister, Sie werden die Nettoneu-
verschuldung im Haushalt 2002 vielleicht noch einmal
gerade so darstellen können.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bis zum Wahltag!)


Sie werden dies aber nicht wirklich erklären, sondern nur
rechnerisch darstellen können. Ihr Haushalt hat keinerlei
Spielräume mehr. Es knirscht an allen Ecken und Enden.
Das kleinste unerwartete Ereignis würde zu großen Pro-
blemen führen. Auch das so sorgsam gepflegte Bild vom




Dr. Günter Rexrodt

19929


(C)



(D)



(A)



(B)


Sparminister auf Konsolidierungskurs kann in der Öffent-
lichkeit nicht mehr aufrechterhalten werden.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Hans Guckindieluft!)


Herr Eichel, dies ist nicht das Ergebnis unglücklicher
Umstände oder einer schlechten Konjunktur,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

sondern das ist Ausdruck der Tatsache, dass die rot-grüne
Koalition nicht in der Lage war, die überbordenden kon-
sumtiven Ausgaben und somit die Ausgabenseite des
Haushaltes in Ordnung zu bringen.


(Hans Eichel, Bundesminister: Falsch!)

Es ist Ihnen nicht gelungen, Arbeitsmarktförderungen

und Sozialhilfe in ein vernünftiges Verhältnis zueinander
zu bringen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihren eigenen Angaben zufolge – das ist ein Beispiel für
die insgesamt katastrophale Situation – sind mit Ausga-
ben in Höhe von jährlich 1,02 Milliarden Euro insgesamt
1 000 neue Stellen durch das JUMP-Programm für Ju-
gendliche geschaffen und vermittelt worden. Das kann
nicht angehen, Herr Eichel.


(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch nicht!)

– Das stimmt ganz genau, lesen Sie das nach.


(Zuruf von der SPD: Woher haben Sie die Zahlen?)


Im Übrigen habe ich großen Respekt vor den vielen
fleißigen und engagierten Mitarbeitern in den Arbeitsäm-
tern. Immer weniger Respekt habe ich aber vor der vir-
tuosen Fähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit, auch die
ausgefeiltesten Aktivitäten und Programme noch als ei-
nen Erfolg verkaufen zu wollen. Dies ist verfehlt. Die
Bundesanstalt für Arbeit macht bei dieser Politik einen
Fehler nach dem anderen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: 40 000 neue Arbeitsplätze!)


Es ist höchste Zeit, dass wir die Politik dieser wichtigen
Anstalt aus dem Dunstkreis einer moralisch überhöhten
Unfehlbarkeit herausnehmen.


(Beifall bei der FDP)

Darüber hinaus ächzt und stöhnt der Bundeshaushalt

immer mehr unter den schier unglaublichen Zahlungen an
die Rentenversicherung. Im Jahre 2002 werden es
72,2Milliarden Euro sein. Der Anteil dieser Zuschüsse am
Gesamthaushalt hat sich von 12,6 Prozent im Jahre 1982
auf 29,1 Prozent in diesem Jahr erhöht. Im Jahre 2005
werden sage und schreibe 31 Prozent der Ausgaben an die
gesetzliche Rentenversicherung gehen. Dies wird durch
eine permanente Steuererhöhung, durch die so genannte
Ökosteuer, gegenfinanziert.

Das ist ein Teufelskreis. Die Rentenreform, die so ge-
nannte Riester-Reform, stellt einen durchaus positiven

Versuch dar, diesem Teufelskreis zu entrinnen. Die Stär-
kung der privaten Vorsorge ist ein richtiger Ansatz. Insge-
samt aber ist dieser Versuch unzulänglich.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

Der Trend zur steuerfinanzierten Rente wird dadurch
nicht umgekehrt, er wird allenfalls ein Stück gebremst.
Wenn eine Umkehr, weg von dem Trend, den steuerfinan-
zierten Anteil der Rente exorbitant zu steigern, im Rah-
men einer zweiten Reform, bei der auch die Leistungen
auf den Prüfstand gehören, nicht gelingt, dann wird der
Bundeshaushalt in seiner Struktur noch weiter belastet
werden und dann wird jeglicher Spielraum für eine ge-
stalterische Politik im Bereich der Investitionen verloren
gehen.


(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich sage ja gar nicht, dass

Sie diesen Trend verursacht haben. Er hält schon lange an,
ihn gab es bereits zu unserer Zeit. Aber es ist höchste Zeit,
dies jetzt umzukehren. Es geht nicht an, dass wir jedes
Jahr stärker eine steuerfinanzierte Rentenpolitik betrei-
ben. Riester-Rente, schön und gut. Aber es muss eine
zweite Rentenreform her. Ansonsten wird es im Bundes-
haushalt an jeglichem Spielraum fehlen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die günstige konjunkturelle Entwicklung des Jah-

res 2001 hat die strukturellen Probleme überdeckt. Die
Steuerquellen sprudelten reichlich. Außerdem flossen dem
Bundeshaushalt Privatisierungserlöse in dreistelliger Mil-
liardenhöhe zu – Erlöse aus Reformen, die die rot-grüne
Koalition, aber auch die rote und die grüne Partei zum Teil
leidenschaftlich bekämpft hatten, auch Sie persönlich,
Herr Eichel. Das hat nun sein Ende. Deutschland ist im eu-
ropäischen Vergleich Schlusslicht, wenn es um Wirt-
schaftswachstum und Beschäftigung geht.

Der Herr Bundeskanzler hat uns ja gebeten, ihn im
Jahre 2001 an der Zahl der Arbeitslosen zu messen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Eindringlich!)

Wir kommen dieser Bitte wunschgemäß nach.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das, was er aufzuweisen hat, ist beschämend. Das Ergeb-
nis ist niederziehend: Die Haushalts- und Finanzpolitik
der Bundesregierung ist sowohl Verursacherin als auch
Leidtragende dieser beklagenswerten deutschen Situa-
tion. Im Haushalt 2001, im Haushalt des kommenden Jah-
res und in den Haushalten der folgenden Jahre werden
sich die Entscheidungen widerspiegeln, die diese Misere
herbeigeführt haben.

Dies liegt zugegebenermaßen nicht nur an innenpoliti-
schen Fehlentscheidungen; es waren auch europäische
und weltwirtschaftliche Zusammenhänge ausschlagge-
bend. Die schlechte Position Deutschlands im europä-
ischen Vergleich hat allerdings ihre wesentliche Ursache
darin, dass von dieser Bundesregierung in weiten Berei-
chen eine verfehlte Politik betrieben worden ist. Die Krise
ist hausgemacht, das Resultat ist hausgemacht. Deshalb




Dr. Günter Rexrodt
19930


(C)



(D)



(A)



(B)


befinden Sie sich in der Misere, die wir heute an den Eck-
daten Ihres Haushaltes ablesen können, Herr Eichel.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dabei hat alles so gut angefangen: Eine Steuerreform,

die von uns vielleicht ein Jahr zu spät konzipiert, aber von
Herrn Lafontaine, obwohl es eine gute Reform war, be-
wusst zwei Jahre lang verhindert wurde, sollte in- und
ausländischen Unternehmen Entlastungen bringen. Diese
Reform ist aber nur halb gelungen, weil sie trotz zweifel-
los vorhandener Entlastungen beim Steuersatz zu einer
unvertretbaren Ungleichbehandlung des deutschen Mit-
telstandes geführt hat. Darüber hinaus wurden Mittel-
ständlern und kleinen Leuten durch eine schier unglaubli-
che und in geradezu zynischer Weise als Ökosteuer be-
zeichneten Aktion die Gelder wieder aus der Tasche ge-
zogen, die ihnen in beschränkten Umfang durch die Steu-
erreform verblieben waren. Der Hammer aber kommt im
nächsten Jahr; dann nämlich werden, um eine nominell
geringere Nettoneuverschuldung ausweisen zu können,
die Versicherung- und die Tabaksteuer erhöht. Und dies
geschieht an der Schwelle zu einer Rezession in Deutsch-
land und bei einem Kurs in Richtung einer Rekordar-
beitslosigkeit.

Jede Verbrauchsteuer führt zu Konsumverzicht, zum
Ausfall privater Nachfrage, eben nicht nur bei Zigaretten
und Sachdienstleistungen, sondern zum Ausfall auf der
ganzen Linie und – das ist eigentlich viel gravierender –
zu weiterer Verunsicherung bei Unternehmen und priva-
ten Verbrauchern.

Herr Eichel, Ihr Haushalt wird auf Knirsch gefahren.
Sie haben noch nicht einmal Luft in Höhe von 3 Milliar-
den DM zur Finanzierung der notwendigen Antiterror-
maßnahmen. Dies hat hausgemachte Gründe. Ursache
ist Ihr Unvermögen, Leistungsgesetze kritisch zu über-
prüfen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hinzu kommt, dass nun noch einmal rund 2 Milliar-
den Euro notwendig werden, um die Bundesanstalt für Ar-
beit so auszugestalten, dass sie in der Lage ist, die sich
durch die zunehmende Arbeitslosigkeit ergebenden Auf-
gaben zu erfüllen.

Die Privatisierung von Unternehmen ist schwerer ge-
worden, die Börsenkurse sind im Keller, also flüchtet man
in die Kreditaufnahme bei einer staatseigenen Bank – eine
schöne Finanzpolitik, meine Damen und Herren!

Auch die Steuern fließen nicht mehr so reichlich. In
diesem Jahr sind es 1,8 Milliarden Euro weniger, als im
Mai geschätzt worden sind. Dies ist ein desaströses Er-
gebnis. Im Jahre 2002 wird es kaum besser werden. Dies
wird Ihr Waterloo bei der Bundestagswahl werden.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Glauben Sie bitte nicht, dass Sie eine Bundestagswahl
allein mit außenpolitischen Themen gewinnen können! Die
jetzt aktuellen Ereignisse werden dann bereits viele Monate
zurückliegen. Sie werden vielmehr an Ihrer Finanzpolitik,
Ihrer Haushaltspolitik und Ihrer Arbeitsmarktpolitik ge-
messen werden. Sie werden an der Situation der Wirtschaft

und der Arbeitslosigkeit gemessen werden. Hier haben Sie
eine verheerende Bilanz aufzuweisen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Luftbuchhalter Eichel!)


Im Jahr 1998 haben viele Menschen geglaubt, ein poli-
tischer Neuanfang werde auch finanzielle Erleichterungen
bringen. Sie hatten angekündigt, die Rezepte gegen Ar-
beitslosigkeit zu haben. Das Ergebnis ist erkennbar: weni-
ger Geld in der Tasche, weit verbreitete Arbeitslosigkeit,
sinkende Investitionen, geringe Kaufneigung, Unsicher-
heit über die wirtschaftliche Zukunft. Kein Afghanistan-
Einsatz – ich sage es noch einmal – kann diese Fakten aus
der Welt schaffen.

Prinzipielles Übel sind die anteilig immer weiter sin-
kenden Investitionsausgaben. Allein in diesem Jahr ha-
ben sie ein historisches Tief von 10,1 Prozent am Ge-
samthaushalt erreicht. Dieser Anteil der Investitionsaus-
gaben ist keine abstrakte Zahl, sondern eine Schicksals-
frage für die Bauwirtschaft und die vielen eng damit zu-
sammenhängenden Bereiche. Was ein Einbruch bei den
öffentlichen Investitionen in der ganzen Bundesrepublik
bedeutet, wird für die Menschen immer deutlicher erfahr-
bar.

Die Bundesrepublik Deutschland bewegt sich kontinu-
ierlich auf einen Punkt zu, an dem sie nicht mehr in der
Lage sein wird, ihre Infrastruktur – im Übrigen auch ihre
Sicherheitsinfrastruktur – zu finanzieren. Diese Entwick-
lung findet seit längerer Zeit statt. Wer offenen Auges
durch unser Land geht, merkt die Mängel bereits. Er
merkt, dass die Mängel in der Infrastruktur größer und
größer werden, und zwar nicht nur im Osten, wo der Auf-
holprozess länger dauert als erwartet, sondern auch im
Westen: Reparaturstau bei Autobahnen und Fernstraßen;
die Bahn kommt nicht aus den Schlagzeilen; ein großer
Teil der Bildungseinrichtungen ist in schlechter Verfas-
sung. Ich sage Ihnen: Dies ist nur der Anfang.

Wenn es nicht gelingt, den Anteil der Investitionsaus-
gaben am Gesamthaushalt zu steigern, wird die Bundes-
republik Deutschland – ein so reiches Land – nicht mehr
in der Lage sein, die Infrastruktur einschließlich der Bil-
dungsinfrastruktur zu finanzieren. An dieser Stelle wäre
auch noch viel über die Bundeswehr zu sagen.

Der Finanzminister – damit komme ich zum Schluss –
hat die glücklichen Jahre der sprudelnden Steuern und der
reichlich fließenden Finanzierungserlöse nicht genutzt.
Seine Haushaltspolitik bestand aus einem Herumkurieren
an den Symptomen, Routinearbeit. Nirgendwo gab es ei-
nen wirklichen Eingriff. Nun stehen Sie vor dem Scher-
benhaufen Ihrer Politik. Diese wird Ihnen im Jahre 2002
entgegenzuhalten sein, Herr Eichel, und zwar nicht nur in
diesem Hohen Hause, sondern auch von den Bürgern. Da-
bei werden Sie schlecht abschneiden. Das muss Ihnen
heute und hier gesagt werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420301000
Ich erteile dem Kolle-
gen Oswald Metzger für das Bündnis 90/Die Grünen das
Wort.




Dr. Günter Rexrodt

19931


(C)



(D)



(A)



(B)



Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420301100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege
Rexrodt, mir fällt immer wieder auf, dass Sie als Mitglied
der Vorgängerregierung, in der Parlamentsdebatte tradi-
tionell vor mir redend, vergessen machen wollen, dass Sie
in der letzten Legislaturperiode selbst Handelnder waren.

Ich nenne als Beispiel die Verkehrsinfrastruktur und
fange mit dieser Geschichte an. In der letzten Finanzpla-
nung, die Herr Rexrodt als Wirtschaftsminister der alten
Koalition im Kabinett Waigel mitgetragen hat, waren für
die Verkehrsinfrastruktur 2002 19,6 Milliarden Euro vor-
gesehen. Wir haben im Haushalt für das nächste Jahr
20,8 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur ein-
geplant. Selbst in einem Bereich, in dem Sie uns Verfeh-
lungen vorhalten, haben wir mit den Zinsersparnissen
durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen die Infra-
strukturmaßnahmen im Bereich von Schiene und Straße
gestärkt. Das ist die Wahrheit. Daran kommen Sie nicht
vorbei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn man einen Finanzminister wie Hans Eichel beim
Thema Solidität der Finanzpolitik erschüttern will, dann
muss man doch, wenn man ehrlich ist, dies anhand des
Saldos der Bilanz für die Jahre 1995 bis 1998 – das waren
vier Regierungsjahre unter einer schwarz-gelben Koali-
tion – im Vergleich zu den Jahren 1999 bis 2002 belegen
können. Unter die jeweiligen vier Haushaltspläne ziehe
ich einen Strich und stelle fest: Zwischen 1995 und 1998
hat diese Truppe


(Volker Kauder mehr Respekt bitte!)


141,1 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das ent-
sprach einer Erhöhung des Gesamtschuldenstandes des
Bundes in vier Jahren um 23,4 Prozent.

Jetzt kommt der Vergleich mit unserer Regierung. Zwi-
schen 1999 und 2002 steigt die Verschuldung um 38 Mil-
liarden Euro. Das ist eine Erhöhung von 5,2 Prozent des
Gesamtschuldenstandes. Selbst wenn ich die UMTS-Er-
löse herausrechne, liegt der Anstieg der Neuverschuldung
in den vier Jahren unserer Zeit bei 12 Prozent und damit
immer noch erheblich unter Ihrem Anstieg mit 23,4 Pro-
zent. Das ist die nackte Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das kann man dem deutschen Volk jederzeit klar ma-
chen. Die Leute wissen, dass ohne Solidität in der Fi-
nanzpolitik die dringend nötige Trendwende in unserer
Gesellschaft, in der wir über viele Jahre hinweg immer
mehr Geld aus Steuern benötigt haben, um Zinsen für alte
Schulden zu bezahlen, nicht möglich ist. Soziale und öko-
logische Politik in einem Industrieland wie Deutschland
ist ansonsten nicht zu finanzieren. Diesen Trend haben wir
gebrochen.

Ich will heute nicht zu viele Zahlen nennen, sondern
mich mit den Grundlinien beschäftigen. Stichwort Priva-
tisierungserlöse: Sowohl Herr Austermann als auch Herr
Rexrodt haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Der

Kollege Wagner hat in der Tendenz schon deutlich ge-
macht, dass wir auch hier besser als Sie sind.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber nur in der Tendenz!)


– Nein, auch nominal. Sie haben für den allgemeinen
Haushalt in vier Jahren 14,1 Milliarden Euro an Privati-
sierungserlösen verwandt. Wir haben mit dem, was wir
nächstes Jahr als Brücke brauchen, um die NKA zu hal-
ten, 10,9 Milliarden Euro Privatisierungserlöse einge-
stellt.

Ich darf eine letzte Zahl bringen, um Sie nicht zu er-
schlagen. 1998 wies der Haushalt des Bundes – das war
das Haushaltsjahr, das wir zwar buchungstechnisch abge-
schlossen haben, das aber noch überwiegend in Ihre Ver-
antwortung fiel – ein strukturelles Defizit von 40 Milli-
arden Euro auf. 28 Milliarden Euro betrug die
Nettokreditaufnahme, 10 Milliarden Euro gab es an
Privatisierungseinnahmen. Hinzu kam eine Tilgungs-
streckung beim Fonds „Deutsche Einheit“. So sieht es
aus.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie haben doch die Privatisierungserlöse rübergeschoben, wie Sie sie gebraucht haben!)


– Kollege Kalb, das lasse ich euch nicht durchgehen. Die
Vergleichszahl des letzten Jahres – strukturelles Defizit,
bereinigt um Privatisierungserlöse und Münzeinnahmen –
liegt bei 26,6 Milliarden Euro. Genau in dieser Ver-
gleichszahl drückt sich der Rückgang des strukturellen
Defizits des Bundeshaushalts aus. Das sind fast 30 Milli-
arden DM, die wir tatsächlich als Konsolidierungsbeitrag
erzielt haben. Das ist ein Wort. Anders ist ein Vergleich
der beiden Legislaturperioden in Bezug auf die Kredit-
aufnahme nicht darstellbar. Daran kommen Sie nicht vor-
bei.

Wenn Sie dafür einen Kronzeugen wollen, der eher aus
Ihrem politischen Spektrum kommt, dann sage ich Ihnen
dazu Folgendes: Heute Morgen um 9.27 Uhr lief als
Tickermeldung die Pressemitteilung des Verbandspräsi-
denten des Deutschen Industrie- und Handelskammerta-
ges, Herrn Braun, über die Agenturen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Er spricht doch nur beim SPD-Parteitag!)


Herr Braun hat gesagt, die Tatsache, dass diese Koalition
die Nettokreditaufnahme im nächsten Jahr nicht erhöht,
sei ein gutes Zeichen für die Märkte,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


weil es die ernsthafte Absicht dieser Regierung unter-
streicht, finanzpolitisch solide zu bleiben. Das ist eine
Wahrheit, die Sie auch aus dem Gutachten des
Sachverständigenrats herauslesen können. Wenn Sie von
diesem Gutachten sprechen, dann verweisen Sie immer
nur darauf, dass dort von einem Wachstum von nur
0,7 Prozent ausgegangen wird, während die Regierung
ein Wachstum in Höhe von 1,25 Prozent unterstellt. Sie
nehmen aber nicht zur Kenntnis, dass der Sachverständi-
genrat einmütig gesagt hat: Die Fortsetzung der
Konsolidierungspolitik ist unbedingt richtig und vorgezo-






(C)



(D)



(A)



(B)


gene Steuersenkungen, die auf Pump finanziert werden,
sind abzulehnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Genau dies versucht die Koalition umzusetzen.
Aus meiner Sicht braucht sich kein Mitglied der Ko-

alitionsfraktionen für diese Politik zu schämen, weil mit
dieser Politik Grundeinsichten umgesetzt werden, die
viele normale Bürgerinnen und Bürger in unserem Land
haben. Jeder weiß aufgrund seiner privaten Erfahrungen,
dass er, wenn er ständig auf Pump lebt, nicht mehr aus der
Tinte herauskommt, weil er buchstäblich durch die Erb-
last, die ihm die Zinsverpflichtungen auferlegen – von Til-
gung möchte ich noch nicht einmal reden –, erstickt wird.
Damit machen wir auf Bundesebene Schluss. Das ist zu-
vörderst eine Frage der Gerechtigkeit. Das ist wichtig,
weil ansonsten zum Beispiel für eine Volkspartei wie
die SPD überhaupt nicht darstellbar wäre, dass man das
Wort „sparen“ auch als Gerechtigkeit für die kommende
Generation übersetzen kann. Mit dem jetzigen Konsoli-
dierungsprozess hat der Finanzminister dieser Mitte-
Links-Koalition etwas geschafft, was konservative Fi-
nanzminister in den vorangegangenen Jahrzehnten ganz
selten bzw. fast nie erreicht haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Luftbuchungen!)


Zum Thema Steuerpolitik: Sie wissen, welch enormer
Reformbedarf allein im Bereich der sozialen Siche-
rungssysteme besteht. Die alte Koalition hat versucht,
das Rentensystem durch das Einführen eines demographi-
schen Faktors in die Rentenformel zu reformieren. Sie
wissen sicherlich noch, welche Debatten das im Wahljahr
1998 ausgelöst hat.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Rentenlüge! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben die Renten einfach gekürzt!)


– Einen Moment, jetzt kommt der entscheidende Punkt:
Wir haben durch Einführung der Riester-Rente eine
Strukturreform durchgeführt und haben damit das Ren-
tensystem um eine Komponente erweitert, zu der Sie kei-
nen Mut hatten,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


nämlich den Einstieg in eine kapitalgedeckte Rente. Pri-
vate Vorsorge, Eigenverantwortung – das ist ein Grund-
prinzip, das gesellschaftspolitisch gesehen die einzige
Wegmarke bei der Reform der sozialen Sicherungssys-
teme, des Gesundheitswesens und der Arbeitsmärkte dar-
stellt.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben die Rentner zweimal betrogen!)


Machen wir uns nichts vor: Die gesellschaftspolitische
Debatte darüber ist schwer zu führen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben die Rentner angelogen!)


– Herr Kauder, Sie können sich echauffieren, wie Sie wol-
len: An den Zahlen kommen auch Sie nicht vorbei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


– Sie von der CDU/CSU haben 16 Jahre regiert; wir erst
drei Jahre. Die FDPhat sogar 29 Jahre mitregiert und bläst
sich hier auf. Wo sind wir hier denn?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben vor drei Jahren mit der Auflösung des Re-
formstaus in der Finanzpolitik begonnen – ich habe Ihnen
das an den entsprechenden Zahlen weiß Gott deutlich ge-
macht – und jetzt bei der Rente einen Systemwechsel be-
schlossen, und zwar zusammen mit der Volkspartei SPD.
Das war eine respektable Leistung der SPD, weil sie
schlussendlich ihrer Wählerschaft und den Gewerkschaf-
ten klar machen musste, dass beispielsweise der Einstieg
in die private Vorsorge, in die Eigenverantwortung, auch
bedeutet, dass der Aufbau des Kapitalstocks nicht paritä-
tisch finanziert werden kann.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben jetzt die Rentenrücklage kaputtgemacht! Das ist das Ergebnis Ihrer Politik!)


Diese Leistung werden die CDU/CSU und die FDP nicht
wegdiskutieren können. Die Leistung der SPD erkenne
ich als Politiker der Grünen ausdrücklich an. Die Sozial-
demokraten mussten eine viel größere Leistung als wir er-
bringen. Das ist so. Deshalb muss man keinen Kotau ma-
chen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie zerschlagen die Rentenrücklage!)


– Wir zerschlagen nicht die Rentenrücklage.
Die Parteien des Regierungsbündnisses – darüber soll-

ten Sie sich im Klaren sein – haben letzte Woche auf ihren
jeweiligen Parteitagen auf einem für beide Parteien
schwierigen Feld Mehrheiten gefunden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


– Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn
die Frage, ob Kriegseinsätze und militärische Gewalt Mit-
tel der Politik sein können, selbst bei vielen Ihrer Wähler
Nachdenklichkeit auslöst, dann müssen Sie sich nicht
echauffieren, wenn die beiden Regierungsfraktionen ei-
nen Beschluss zugunsten militärischer Einsätze fassen
und damit ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Wir haben es gar nicht nötig, die Außenpolitik sozusagen
als Deckmantel zu missbrauchen, um der innenpoliti-
schen Debatte aus dem Weg zu gehen. Wir brauchen die
innenpolitische Debatte nicht zu scheuen. Wir stellen uns
in der morgigen Debatte Ihrem angekündigten massiven
Generalangriff in Sachen Wirtschafts-, Finanz- und
Steuerpolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Oswald Metzger

19933


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie werden dann feststellen, dass Sie überhaupt nicht so
gut aussehen, wie Sie meinen. Wir stehen nicht an der
Wand.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie stehen schon hinter der Wand!)


Wir können durchaus mit hoch erhobenem Haupt für un-
sere Politik werben. Das wird Ihnen in dieser Woche noch
klar werden; das können Sie mir glauben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie kommen ja sowieso nicht wieder, Herr Metzger! Das ist Ihre Abschiedsrede, Herr Metzger! – Gegenruf der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abwarten!)


In einem Mittelteil meiner Rede gehe ich jetzt auf De-
tails dieses Haushalts ein. Wir haben beispielsweise die
Mittel für die Verkehrsinfrastruktur – ich habe die Zah-
len genannt – im Jahr 2001 und für das Jahr 2002 massiv
aufgestockt. Allerdings hat – warum sollen wir darum he-
rumreden? – der Systemwechsel, der dazu geführt hat,
dass plötzlich mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, als
in der langfristigen Planung vorgesehen war, auch die
Verwaltung des Staates vor Probleme gestellt. Dies gilt
sowohl für die Straßenbauverwaltung als auch für die
Bahn AG. Sie können aber sicher sein, dass die Zusagen
gelten. Die Koalition geht davon aus, dass im nächsten
Jahr die Investitionsmittel tatsächlich abfließen werden.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die Frage ist doch nur, wohin! Sie verstecken es doch!)


Bereits jetzt sind die Aufträge von der Bahn AG an die
mittelständische Bahnindustrie vergeben worden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Mittelständler, der Aufträge in seinen Büchern stehen
hat, entlässt keine Mitarbeiter, sondern stellt sogar welche
ein. Daher werden wir die Investitionsquote in der Haus-
haltsführung so steuern, dass das, was wir durch einen
Kraftakt möglich gemacht haben, in unserer Volkswirt-
schaft auch ankommt.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Es findet doch gar kein Straßenbau mehr statt!)


– Herr Kauder, Sie werden mich mit Ihren Zwischenrufen
nicht aus der Ruhe bringen. Im Stuttgarter Landtag mag
das bei Ihnen funktioniert haben, aber nicht hier im Bun-
desparlament in Berlin.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ich war nie im Landtag! Sie wären froh, wenn Sie im nächsten Jahr hinein kämen!)


Im Bereich der Energiepolitik haben wir wichtige Si-
gnale gesetzt. Diese Regierung hat nicht nur in techni-
scher und atomrechtlicher Hinsicht den Ausstieg aus der
Atomkraft geschafft, sondern die Energiewende auch
durch Programme organisiert, die derzeit massiv beschäf-
tigungsstabilisierend wirken. Bei der Windenergie
brummt es, bei der Photovoltaik brummt es, bei der Bio-
masse brummt es.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo brummt es denn bei Rot-Grün?)


Warum brummt es? – Weil diese Koalition Markt-
einführungsprogramme wie das Erneuerbare-Energien-
Gesetz beschlossen hat.

Diese Initiativen haben gezeigt, wohin es bei der Ener-
gieerzeugung in dieser Republik geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Allein in den letzten beiden Jahren hat sich die erzeugte
Kilowattstundenleistung aus regenerativen Energien ge-
genüber Ihrer Regierungszeit verdoppelt. Dies kommt vor
allem beim Mittelstand an; denn zum Aufbau dezentraler
Energieerzeugungsanlagen braucht man keine riesigen
Firmen. Unsere Energiepolitik erreicht die Installateure
von Flensburg bis Bad Schussenried, um hier auch einmal
meinen Heimatort zu nennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das war gut!)


Lassen Sie mich nun zu den neuen Gewichtungen kom-
men, die angesichts des 11. September anstanden. Dieser
Tag wird unvergessen bleiben. Welch nachdrückliche
Wirkung er hervorgerufen hat, hat sich vor allem gezeigt,
als vor zweieinhalb Wochen ein Flugzeug im New Yorker
Stadtteil Queens abstürzte. Hier im Reichstag war zu
spüren, wie alle Kolleginnen und Kollegen die Luft an-
hielten und sich fragten, ob es wieder ein Anschlag war
oder nicht.

Als Finanzpolitiker sind wir zu dem Schluss gelangt,
dass die damit einhergehende Veränderung der Bedürf-
nisse der Bevölkerung nach mehr äußerer und innerer
Sicherheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bei Gott
nicht aus dem laufenden Etat finanziert werden kann. Da-
her haben wir einen unpopulären Weg der Gegenfinanzie-
rung gewählt – das räume ich ohne jede Einschränkung
ein – und eine Erhöhung der Versicherungsteuer und der
Tabaksteuer beschlossen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Rauchen Sie jetzt auch für den Frieden?)


Damit haben wir aber auch klar gemacht, dass wir das
Thema ernst nehmen. Wir werden das nicht mit Krediten
finanzieren, da die heutige Generation von der zusätzli-
chen Sicherheit profitiert, für die wir jetzt Haushaltsmit-
tel aufwenden.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das hätte früher Friedenspfeife geheißen!)


Der Bevölkerung lässt sich vermitteln, dass wir im nächs-
ten Jahr durch eine begrenzte Steuererhöhung 3 Milliar-
den DM bzw. 1,5Milliarden Euro für mehr Sicherheit auf-
bringen. Stellen Sie diese kleine Steuererhöhung bitte
einmal in Relation zu der Entlastung in Höhe von 45 Mil-
liarden DM im Rahmen der Einkommen- und Unterneh-
mensteuerreform des laufenden Jahres. Hier merken Sie,
dass wir im Saldo von keinerlei Steuermehrbelastung re-
den. Wir haben eine Steuerentlastung herbeigeführt; auch
das gehört zur Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Oswald Metzger
19934


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich komme zu meinem Schlussteil. Angesichts eines
bevorstehenden Wahljahres bin ich für Ehrlichkeit auch
hier im Bundestag. Die wirtschaftliche Situation ist in der
Tat so,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Miserabel!)

dass wir in Deutschland am Rande einer Rezession vor-
beischrammen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na!)

– Das ist so. Seien Sie ehrlich!

Andererseits ist die Trendwende innerhalb der US-
Wirtschaft bereits absehbar. Die Anleihenmärkte, die im-
mer ein guter Indikator der Konjunkturentwicklung sind,
drehen seit zweieinhalb Wochen ähnlich wie die Aktien-
märkte ins Plus. Am langen Ende steigen die Zinsen be-
reits wieder.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Hoffnungsschimmer Amerika!)


Die Zehnjahresanleihe als Benchmark, die Treasury, liegt
bereits um acht zehntel Prozentpunkte höher als vor zwei-
einhalb oder drei Wochen, als sie sich auf ihrem Tiefst-
stand befand.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Seien Sie vorsichtig! Sie könnten haftbar gemacht werden!)


Das signalisiert einen Turn-around der Ökonomie in der
wichtigsten Volkswirtschaft auf diesem Globus. Wenn
dieser Turn-around kommt, dann kommt er auch in den
europäischen Volkswirtschaften, darauf kann ich Ihnen
Brief und Siegel geben. Das könnte erst im zweiten Quar-
tal eintreten; es kann, wenn es günstig läuft, aber auch be-
reits im ersten Quartal der Fall sein.

Angesichts dessen hätten wir als Koalition nun das ma-
chen können, was Sie früher unter Theo Waigel in einer
solchen Situation gemacht hätten: Wir hätten von dem
Ziel abweichen können, die Nettokreditaufnahme kas-
kadenförmig zu reduzieren. Sie wären die Ersten gewe-
sen, die kritisiert hätten, wir könnten nicht mit Geld um-
gehen, das sei schon immer so gewesen, wir seien ja Rote
und Grüne.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das war schon immer so!)


Wir haben uns dazu entschlossen, die Nettokreditauf-
nahme beizubehalten. Mit einer bescheidenen Privatisie-
rungssumme von 2,7 Milliarden Euro verringern wir aber
den Druck auf die Nettokreditaufnahme und haben damit
die Chance, den Dammbruch nach dem Motto „Ist der Ruf
erst ruiniert, gehen wir gleich in die Vollen“ zu verhindern.
Wir haben finanzpolitisch Grund, solide zu bleiben. Wenn
sich die Konjunktur im nächsten Jahr entgegen Ihren Un-
kenrufen und auch entgegen unseren Erwartungen schnel-
ler zum Positiven wendet als wir jetzt unterstellen, haben
wir ferner die Chance, auf die Privatisierungseinnahmen
zum Ausgleich des Haushalts zu verzichten und auf den
Kurs zurückzukehren, den wir 1999 und 2000 hatten, als
Privatisierungseinnahmen ausschließlich in die Postunter-
stützungskasse zur Bezahlung von Beamtenpensionen und

Beihilfen oder in die Schuldentilgung flossen. Die Chance,
auf diesen Kurs zurückzukehren, haben wir nur, wenn wir
diese Reduzierung der Kreditaufnahme konsequent fort-
führen. Das bedeutet Glaubwürdigkeit. Wir wären be-
scheuert, jetzt auf Ihre Leimruten hereinzufallen und vor
dem Wahljahr die Pferde zu wechseln, weil Sie die Ersten
wären, die dann semantisch wieder einen Kurswechsel an-
mahnten.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Bald wäre es so weit gewesen!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Sie
müssen in der Finanzpolitik schon andere Kraftakte un-
ternehmen, um diese Koalition zu erschüttern, denn in
diesem Bereich sind wir außerordentlich konstant, kon-
servativ und solide.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Konstant abwärts! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wo denn?)


Ich möchte auch noch einige Punkte ansprechen, die
eher über den Tellerrand einer Legislaturperiode hinaus-
reichen. Politik muss man in Prozessen denken und nicht
nur vor dem Hintergrund der tagespolitischen Perspek-
tive. Als wir 1998 die Regierungsverantwortung übernah-
men, fanden wir vier große Reformarenen vor. Das waren
eine unsolide Finanzpolitik, eine nicht ausreichende Ren-
tenreform, das Fehlen einer Gesundheitsreform und einer
Reform des Arbeitsmarktes. Sie haben immer von Refor-
men geredet, aber keine gemacht.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die erleben wir jetzt gerade!)


Bei Ihnen lag die Zahl der Arbeitslosen schon einmal bei
fast 5 Millionen. Das dürfen Sie nicht vergessen, auch
wenn Sie die Zahl selber nicht in den Mund nehmen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Kanzler hat doch gesagt, woran er gemessen werden will!)


Auch ich möchte diesen Vergleich hier nicht anstellen,
weil das immer ein Spiel mit Einzelschicksalen vieler
Hunderttausend und Millionen Menschen bedeutet.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Akzeptieren Sie den Maßstab des Bundeskanzlers!)


Ich meine, in der politischen Argumentation sollte man
immer auch an die Betroffenen denken und sich hier nicht
nur gegenseitig Zahlen an die Köpfe werfen.


(Beifall des Abg. Hans Georg Wagner [SPD])

Wir brauchen in dieser Gesellschaft eine Reform des

Arbeitsmarktes, die beispielsweise Arbeitslosen- und So-
zialhilfe in einem Sicherungssystem zusammenlegt. Paral-
lel dazu müssen wir eine Gemeindefinanzreform durch-
führen,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)


damit die Gemeinden nicht das Gefühl haben, sie bekä-
men die Arbeitslosenhilfe aus dem Bundeshaushalt vor
ihre kommunalen Kämmereien geworfen. Dazu brauchen




Oswald Metzger

19935


(C)



(D)



(A)



(B)


wir eine größtmögliche Übereinstimmung auch in der po-
litischen Arena Deutschlands. Den Bundesrat brauchen
wir dazu.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie nicht mehr!)


Hand aufs Herz, verdammt – es regt mich immer auf,
wenn so geredet wird –: In einem Wahljahr wird eine sol-
che Reform doch schon allein deshalb nicht stattfinden,
weil die Opposition der Regierung in dieser Zeit keine
Strukturreform gönnt.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Wir sind doch keine Blockierer wie Lafontaine, Schröder und Eichel!)


Das war schon immer so und das wird auch jetzt nicht an-
ders sein.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Eine ganz faule Ausrede!)


Beim Thema Gesundheit ist es genau das Gleiche. Das
ist von der sozialen Befindlichkeit der Bevölkerung her
sogar noch das wesentlich schwierigere Thema. Niemand
darf das Gefühl haben, dass er nach einer Strukturreform
dann, wenn er krank ist, sozusagen aufgrund seines eige-
nen Vermögens darüber entscheiden muss, ob er sich die
Operation leisten kann oder nicht. Diese Angst haben die
Leute im Hinterkopf, wenn in der Gesundheitspolitik von
Eigenverantwortung die Rede ist.

Trotzdem brauchen wir uns nichts vorzumachen: Im
Gesundheitsbereich sind Reformen und ist Transparenz
auf der Leistungserbringerseite notwendig.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Weiter, weiter!)

Ich sehe nicht ein – das sage ich Ihnen ganz deutlich –,
dass beispielsweise die gesetzlich Versicherten nicht wis-
sen, was man für sie abrechnet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie zahlen Beiträge. Sie wissen auf Mark und Pfennig,
was sie pro Monat bezahlen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hätten Sie schon längst machen können! Weiter!)


Ähnlich wie in anderen Bereichen – jeder bekommt Lie-
ferscheine und Rechnungen zu sehen, wenn er etwas be-
zahlen soll – soll auch für die Ärzteschaft eine solche Ver-
pflichtung bestehen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Warum machen Sie es nicht? – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Dann machen Sie es doch!)


Es ist mit Sicherheit logisch, dass auch in der Gesund-
heitspolitik auf der Versichertenseite über Begriffe wie
Eigenverantwortung diskutiert werden muss.


(Zuruf von der FDP: Das wurde immer abgelehnt!)


Das gehört zur Wahrheit. Wir können es uns nicht leisten,
im nächsten Jahr, auch wenn es ein Wahljahr ist, an die-
sen Problemen unserer Gesellschaft vorbeizugucken.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das macht ihr doch seit drei Jahren! Seit drei Jahren guckt ihr vorbei! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Weil ihr vorbeigeguckt habt, hat eure Frau Fischer gehen müssen!)


Ich bin überzeugt, dass diese Koalition die Kraft und
den Mut hat, nicht nur diese Legislaturperiode mit An-
stand durchzustehen, sondern auch über das Jahr 2002 hi-
naus eine Reformagenda aufzuzeigen. Wir werden bei den
Wählerinnen und Wählern für solche politischen Kon-
zepte werben können, auch im nächsten Jahr. Ich freue
mich schon auf den Ideenwettbewerb. Ich freue mich
schon darauf zu erleben, wie manche von Ihnen unter ver-
meintlich populistischer Betrachtungsweise eines Wahl-
kampfs plötzlich das Gegenteil von dem behaupten, was
Sie, wenn sie in Tutzing oder anderswo nachdenklich re-
den, so gern als Reformnotwendigkeit formulieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie reden, als wenn Sie die Partei schon gewechselt hätten! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Schluss war nicht mehr gut! – Zuruf des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Rezzo Schlauch, Kauder war schon immer so. Der ist nicht zu ändern. Das muss man akzeptieren. (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: „Kauderwelsch“!)


Quintessenz: Dass diese Koalition auch nach vier Jah-
ren Regierungszeit als Rückgrat ihrer Finanzpolitik eine
solide Haushaltspolitik vorzeigen kann und die Be-
währungsprobe dieser soliden Haushaltspolitik auch in
wirtschaftspolitisch schwerer See bestehen kann, zeigt
der Etat des Jahres 2002. Außerdem haben wir im Bereich
der Sozialstaatsreform mit der Rentenreform eine ganz
wichtige Entscheidung in dieser Legislaturperiode getrof-
fen, die man nicht unterschätzen darf.

Deshalb ist es notwendig, uns innerhalb der Koalition
klar zu machen: Die Reformen in dieser Republik gehen
weiter. Wir müssen der Bevölkerung vermitteln, dass Re-
formpolitik sozusagen auch die richtige Zeit braucht. Man
wird in einem Wahljahr – das weiß jeder Kommentator;
da brauchen Sie nur die Presse zu lesen – nicht große ge-
sellschaftspolitische Reformen machen. Unabhängig da-
von wird man die Konzepte diskutieren und damit sozu-
sagen auch zur Abstimmung an der Wahlbörse stellen.
Diese Wahlbörse im nächsten Jahr brauchen wir als Sozi-
aldemokraten und als Grüne, glaube ich, nicht zu scheuen.
Wir werden daran arbeiten, dass diese Solidität nach den
außenpolitischen Diskussionen der letzten zweieinhalb
Monate auch weiterhin Geschäftsgrundlage unseres Re-
gierungshandelns bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der FDP: Das wird schwer!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420301200
Für die PDS-Fraktion
erteile ich der Kollegin Dr. Christa Luft das Wort.




Oswald Metzger
19936


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1420301300
Frau Präsidentin! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Kollege Metzger, im Volks-
mund heißt es schon – das möchte ich nur sagen, weil Sie
eben die Reformpolitik so gelobt haben –: Wenn das Wort
„Reform“ fällt, dann halt dir die Taschen zu. Das ist das,
was bei vielen Menschen inzwischen ankommt.


(Beifall bei der PDS – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Volk formuliert einfacher! – Zuruf von der SPD: Das war bei Kohl so!)


Angesichts des Streits darüber, ob wir uns „schon“ in
einer Rezession befinden oder „noch nicht“, auch über
Defizitquoten usw., frage ich mich, was wohl die Zu-
schauer – seien es Arbeitslose oder Jugendliche ohne Aus-
bildungsplatz – von dieser Diskussion bisher mitgenom-
men haben. Was nützt dieser Streit einem Handwerks-
meister, dessen Firma vor der Pleite steht? Was nützt er ei-
nem Beschäftigten bei Bombardier in Halle, der kurz vor
der Entlassung steht, obwohl dieses Unternehmen üppige
Fördergelder erhalten hat, eine Bestandsgarantie bei Ar-
beitsplätzen bis zum Jahre 2004 abgegeben hat und diesen
Standort dennoch jetzt schließen will. Diejenigen, die uns
zuschauen, haben große Probleme mit dem, was sich hier
bisher vollzogen hat.


(Beifall bei der PDS)

„Abbau von Jobs an vielen Stellen“, „Handwerk stürzt

in den Keller“, „Arbeitslosigkeit in Berlin und Branden-
burg deutlich gestiegen“, „Das selbst gemachte Elend“
usw. – das sind nur wenige aktuelle Schlagzeilen aus
großen Tageszeitungen. Die Arbeitsmarktlage ist im
letzten Jahr dieser Legislaturperiode, im vierten Jahr von
Rot-Grün, eine Katastrophe. Das gilt für die neuen Bun-
desländer im Besonderen, zunehmend aber auch für die
alten Bundesländer. Vielleicht wäre der Bundeskanzler
gar nicht schlecht beraten, wenn er einmal zu den Ergeb-
nissen seiner Politik auf diesem Gebiet die Vertrauens-
frage stellen würde.


(Beifall bei der PDS)

Es zeigt sich abermals, wie inkonsequent und wie we-

nig zielführend die Politik von Rot-Grün zur Bekämpfung
des gesellschaftlichen Hauptübels, der Massenarbeitslo-
sigkeit, ist. Alle paar Monate wirft man etwas Neues in die
Debatte. Jetzt soll die Schwarzarbeit plötzlich bekämpft
werden. Wir sind nicht dagegen, im Gegenteil. Es ist nur
reichlich spät; denn Unternehmen, die sich durch Zahlung
von Dumpinglöhnen eine goldene Nase verdient haben,
sind durch die Steuerreform inzwischen zusätzlich entlas-
tet worden. Das ist doch widersinnig.


(Beifall bei der PDS)

Nun soll mithilfe des Job-Aqtiv-Gesetzes die Leihar-

beit erleichtert werden. Umso unverständlicher ist, wes-
halb dann nicht endlich energische Maßnahmen ergriffen
werden, um das Überstundenunwesen in diesem Lande zu
begrenzen.


(Beifall bei der PDS)

Betrachten wir das Für und Wider in der Diskussion

um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. In manchen ost-

deutschen Regionen beträgt die Arbeitslosigkeit 30 bis
40 Prozent und weit und breit sind keine Unternehmen
vorhanden, die Arbeitsuchende in den ersten Arbeits-
markt aufnehmen. Eine Diskussion um Streichung oder
Kürzung dieser Maßnahmen ist vor diesem Hintergrund
einfach absurd. Sollen denn Mobilitätsprämien die ein-
zige Antwort sein? Das kann doch wohl nicht sein!


(Beifall bei der PDS)

Warum wird nicht ein Teil der Mittel endlich für aktive

Arbeitsmarktpolitik, beispielsweise im Pflegebereich
oder im Bereich der Jugendarbeit, eingesetzt? In diesen
Bereichen liegt zuhauf ungetane Arbeit, die wir im Inte-
resse des Gemeinwesens angehen sollten. Dies ist bitter
nötig. Auf diese Weise könnte zusätzliches Steuerauf-
kommen generiert werden. Es stellen sich Fragen über
Fragen.

Die Ankündigung, die Zahl der Arbeitslosen auf
3,5 Millionen im Jahre 2002 zu reduzieren, ist nicht das
einzige gebrochene Versprechen des Kanzlers. Zu den ge-
brochenen Versprechen des Kanzlers gehört auch, dass
der Osten in Wahrheit nicht zur Chefsache geworden ist.


(Beifall bei der PDS)

Kollege Wagner, für die neuen Bundesländer sind – wir be-
grüßen das – in verschiedenen Einzelplänen Aufstockun-
gen vorgesehen. Ich möchte hervorheben, dass das auch
auf das hartnäckige Engagement meiner Fraktion in den
verschiedensten Fachausschüssen und im Haushaltsaus-
schuss zurückgeht.


(Beifall bei der PDS)

Das betrifft unter anderem auch das von Ihnen ausdrück-
lich hervorgehobene Netzwerkmanagement Ost. Sie kön-
nen anhand der Eingangsdaten der Anträge nachprüfen,
wer die Initiative ergriffen hat und wie lange es gedauert
hat, bis die Koalition endlich zu einem Ergebnis kam.

Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass es nicht in
Ordnung ist, wenn in einer solchen Debatte der Eindruck
erweckt wird, als ob sich die PDS nur noch mit Bundes-
wehreinsätzen außerhalb unserer Grenzen befasst. Diese
Frage ist für uns zwar außerordentlich wichtig und wir
werden uns auch weiterhin kritisch damit auseinander set-
zen; aber wir haben gerade in den letzten Monaten in der
praktischen politischen Arbeit an vielen Fronten dazu bei-
getragen, dass sich etwas zum Wohle des Gemeinwesens
bewegt.


(Beifall bei der PDS)

Wenn man danach fragt, welchen Beitrag nun der

Haushalt 2002 zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
leisten wird, fällt die Antwort negativ aus. Vom Haushalt
gehen sogar negative Wirkungen auf die Beschäftigungs-
lage aus, weil die öffentlichen Investitionen sinken. Da-
mit werden noch weniger private Investitionen ange-
stoßen. Die Investitionsquote in der Bundesrepublik
Deutschland beträgt inzwischen ganze 1,8 Prozent. Das
ist gegenüber einem EU-Durchschnitt von 2,5 Prozent
wahrlich kein Ruhmesblatt.

Regierungsmitglieder und Koalitionsfraktionen wei-
sen nun Forderungen nach konjunkturbelebenden Maß-
nahmen zurück. Sie folgen bislang brav dem Kanzler, der






(C)



(D)



(A)



(B)


die Politik der ruhigen Hand verordnet hat. Dabei nimmt
die Unruhe in den eigenen Reihen sehr wohl zu, wie man
in manchen Talkshows abends inzwischen erkennen kann,
und tatsächlich ist Handeln jetzt notwendig. Wer den
Konjunkturabschwung zu spät bekämpft, den bestrafen
Rezession und steigende Arbeitslosigkeit. Das erleben wir
gerade in diesen Monaten, in diesen Wochen, in diesen
Tagen, weil viel zu lange gezögert worden ist.

Vom Bund fordern wir eine Stimulierung der öffent-
lichen Nachfrage durch eine Investitionsspritze für die
Kommunen, die diese für notwendige Infrastrukturmaß-
nahmen dringend brauchen,


(Beifall bei der PDS)

denn die Kassen der Kommunen sind gerade durch die
Steuerreform von Rot-Grün noch einmal besonders be-
troffen. Dort sind riesige Löcher gerissen worden.

Wir fordern eine Aufstockung des Stadtumbaupro-
gramms Ost und Infrastrukturmaßnahmen in den Grenz-
regionen zu den EU-Beitrittsländern. Finanziert werden
kann das durch Vorgriff auf für künftige Jahre vorgese-
hene Maßnahmen. Wenn heute ein Vorgriff erfolgt, wird
das in künftigen Jahren zu einer Entlastung führen, aber
wir hätten jetzt den Vorteil davon.

Nachdem das Hauptziel von Rot-Grün, die Massen-
arbeitslosigkeit spürbar abzubauen, verfehlt wird, avan-
ciert ein anderes Ziel zum überragenden Gebot der
Haushaltspolitik, nämlich der Abbau der jährlichen Neu-
verschuldung. Wir haben uns häufig genug dazu platziert.
Das ist ohne Frage ein wichtiges gesellschaftliches
Thema. Aber obwohl die Eckdaten des Haushalts massiv
verändert werden, Steuereinnahmen beträchtlich sinken
und die Kosten für die Arbeitslosigkeit beträchtlich stei-
gen, bleibt als einziges Eckdatum in diesem Haushalt die
vorgesehene Neuverschuldung unverändert.

Man könnte sagen, das sei eine Meisterleistung von
Rot-Grün, aber dieses Prädikat würde der Vorgang nur
verdienen, wenn gesellschaftlich unsinnige Ausgaben ge-
strichen oder gekürzt worden wären. Ich nenne als Bei-
spiele die öffentliches Geld aufzehrende Gesellschaft für
Entwicklung, Beschaffung und Betrieb der Bundeswehr,
deren Geschäftsführerin inzwischen wegen Erfolglosig-
keit zurückgetreten ist.


(Beifall bei der PDS)

Jetzt wäre die Zeit, die gesamte Gesellschaft in Konkurs
gehen zu lassen. Ich nenne den Vergütungszuschlag für
die skandalumwitterte Bundesbaugesellschaft. Ich frage,
weshalb man das Missmanagement bei der EXPO in Be-
zug auf die Verursacher so folgenlos lassen kann.


(Beifall bei der PDS)

Warum wird Steuergeld in dreistelliger Millionenhöhe
einfach so herübergereicht? Das gibt es nirgendwo anders,
aber hier in diesem Haushalt funktioniert das so.

Statt solche Ausgaben zu vermeiden, wird zum zusätz-
lichen Verkauf von Bundesvermögen gegriffen. Mit soli-
der Haushaltspolitik hat das nichts zu tun, zumal Sie, Herr
Kollege Metzger, durch das Parken von Bundesanteilen
bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau auch nur auf Pump
leben. Da ist doch auch noch nichts real veräußert und nie-
mand weiß, zu welchen Erlösen das einmal führen wird.

Übrigens können die meisten Kommunen ein solches
Vorgehen, wie der Bund es sich leistet, nämlich Vermögen
veräußern um Haushaltslöcher zu decken, nicht nach-
ahmen, weil sie gar kein Vermögen mehr haben. Die Pra-
xis auf Bundesebene ist also auch kein Vorbild für das,
was Länder und Kommunen machen können.

Bei aller Bedeutung, die einer rückläufigen Netto-
kreditaufnahme im Interesse künftiger Generationen
zukommt, darf sie nicht zum Selbstzweck werden. Der
Ausverkauf öffentlichen Vermögens zum Stopfen von
Haushaltslöchern ist von der Wirkung auf unsere Kinder
und Enkelkinder her nicht anders zu bewerten als auf-
gehäufte Schulden.


(Beifall bei der PDS)

Beides begrenzt die Einflussmöglichkeiten, die Manövrier-
möglichkeiten der öffentlichen Hand im Gemeinwohl-
interesse. Wir stellen daher heute den Antrag, auf die über
den Haushaltsentwurf hinausgehenden Verkäufe öffent-
lichen Vermögens zu verzichten. Herr Austermann, nach
Ihrer massiven Kritik am Privatisierungskurs der Bundes-
regierung könnten Sie, könnte Ihre Fraktion unserem
diesbezüglichen Antrag eigentlich zustimmen.

Wer die Neuverschuldung dauerhaft abbauen will,
muss zusätzliche Einnahmequellen erschließen. Das He-
raussparen aus Defiziten ist keine Erfolg versprechende
Strategie. Als solche zusätzlichen Einnahmequellen kom-
men aus unserer Sicht infrage: die energische Bekämp-
fung des Umsatzsteuerbetruges, die volle Besteuerung
von Spekulationsgewinnen, die Rücknahme der Steuer-
freiheit für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesell-
schaften und die Einführung eines progressiven Körper-
schaftsteuersatzes.

Wenn jetzt gerufen wird: „Der PDS fällt nichts ande-
res ein als Steuererhöhungen“, dann sage ich: Nein. Wir
fordern zum Beispiel schon lange in diesem Hause, für
Unternehmen, die arbeitsintensive Dienstleistungen er-
bringen – darunter Reparaturleistungen –, den Mehrwert-
steuersatz auf 7 Prozent zu begrenzen. Das würde vielen
Handwerksbetrieben das Überleben sichern. Das würde
wieder Nachfrage nach Handwerksleistungen schaffen.


(Beifall bei der PDS)

Übrigens machen das andere europäische Länder schon
erfolgreich.

Wir fordern, für Kleinunternehmen mit einem Jahres-
umsatz bis zu 1 Million DM die Umsatzsteuerabführung
an das Finanzamt erst fällig werden zu lassen, wenn die
Rechnung bezahlt, und nicht, wenn sie ausgestellt ist. Das
würde Zigtausenden von ihnen das Überleben sichern und
den Beschäftigten den Arbeitsplatz erhalten.

Wie aktuell, wie dringlich solche Forderungen sind,
lässt sich ermessen, wenn man den diesjährigen Pleiten-
rekord in Handwerk und Gewerbe vor Augen hat: allein
33 000 Unternehmensinsolvenzen in diesem Jahr.

Nein, auf die eigentlichen Probleme in dieser Gesell-
schaft reagiert dieser Haushalt leider nicht.


(Beifall bei der PDS – Manfred Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)





Dr. Christa Luft
19938


(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420301400
Nun erteile ich das
Wort dem Finanzminister, Hans Eichel.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420301500
Frau Prä-
sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Las-
sen Sie mich bitte am Beginn kurz sagen, dass ich meinem
Vorvorvorgänger im Amte, Herrn Kollegen Stoltenberg,
der in der vergangenen Woche verstorben ist – ich bin ihm
nicht sehr oft begegnet; wenn wir uns politisch begegnet
wären, hätten wir uns möglicherweise auch gestritten –,
hohen Respekt für sein großes Engagement für eine solide
Finanzpolitik in diesem Lande zolle. Das sollten wir,
wenn wir ihn gemeinsam zu Grabe tragen, deutlich ma-
chen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der FDP sowie bei Abgeordneten der PDS)


Meine Damen und Herren, in der Tat ist es eine wirt-
schaftlich schwierige Zeit. In der Tat ist es dieses Jahr
ganz anders als im vorigen Jahr, als wir den Haushaltsplan
für das Jahr 2001 in diesem Plenum diskutierten und
verabschiedeten. Der vorliegende Haushalt ist auf Kante
genäht. Er enthält keine zusätzlichen Reserven. Es macht
überhaupt keinen Sinn, um diesen Sachverhalt auch nur
einen Augenblick herumzureden. Ein Finanzminister, der
um die Wirklichkeit herumredet, hat schon gegen die Lob-
bygruppen, die in diesem Lande vorzugsweise Ausgaben-
gruppen sind, verloren. Das gilt auf allen Rängen und übe-
rall in diesem Lande.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist natürlich sehr viel schwieriger, in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten einen Haushaltsplan aufzustellen. Vor
einem Jahr waren alle Konjunkturprognosen für dieses
Jahr oberhalb von 2,8 Prozent.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr richtig!)

Unsere eigene Grundlage waren 2 ¾ Prozent, was, wie Sie
wissen, da wir nicht auf die Dezimalstelle hinter dem
Komma genau schätzen – diese Scheingenauigkeit macht
sowieso keinen Sinn –, zwischen 2,6 und 2,9 Prozent be-
deutet hätte. Gekommen ist es, wie Sie wissen, ganz an-
ders. Wir müssen in diesem Jahr mit 2 Prozent weniger
Wachstum rechnen, als wir vor einem Jahr an dieser Stelle
gehofft und guten Glaubens in Hinsicht auf alle Pro-
gnosen aller Sachverständigen, aller Wirtschaftsinstitute,
aller internationaler Finanzinstitutionen angenommen ha-
ben. Die Geschichte der Wirtschaftsprognosen ist die Ge-
schichte ihrer kompletten Irrtümer.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie werden umso genauer, je mehr sie von der Prognose
der Zukunft in die Beschreibung der Vergangenheit über-
gehen. So verhält es sich auch in diesem Jahr.

Deswegen will ich zuerst einiges bezüglich des Haus-
haltsplanes für dieses Jahr festhalten. Herr Kollege
Austermann, Sie übertreffen sich immer wieder selbst:


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das unterscheidet uns beide!)


einmal im völligen Überzeichnen noch möglicher Ein-
nahmen. Noch im Februar haben Sie mich aufgefordert,
ich sollte einen Nachtragshaushalt aufstellen, um nur all
die riesigen Mehreinnahmen, die ich alle versteckt hätte,
einzusammeln. Das war im Februar dieses Jahres. Relativ
kurz danach haben Sie dann einen Turn-around vollzogen,
von da an ging es genau umgekehrt, so auch heute wieder.
Ich kann Ihnen auch jetzt Entwarnung geben: Ich werde
nicht in den Haushaltsausschuss kommen


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Was?)

und eine Ausweitung der Kreditlinie beantragen. Es
spricht alles dafür, dass wir relativ nahe – ich bin mit
meiner Formulierung vorsichtig – beim Abschluss des
Haushaltes 2001 trotz der Minderung des Wachstums um
ganze 2 Prozent und der damit verbundenen Steuer-
einnahmeausfälle und der höheren Ausgaben am Arbeits-
markt an dem sein werden, was wir vor einem Jahr im
Deutschen Bundestag beschlossen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist nun nicht allein Verdienst der Bundesregierung
und all derer, die sich um einen vernünftigen Vollzug
bemühen, sondern wir haben auch ein bisschen Glück ge-
habt. Auch das gehört dazu. Es ist beim Haushalt immer
so, dass Schwarzmalen alleine, Herr Austermann, obwohl
Ihnen die Farbe nahe liegen mag, keinen Sinn macht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt immer auch positive Entwicklungen, diese wird es
auch im nächsten Jahr geben, neben den vielen und größer
gewordenen Risiken. Es hat überhaupt keinen Zweck, um
diesen Sachverhalt herumzureden. Deswegen wird das
Haushaltsjahr 2001 konsequent im Rahmen des Konsoli-
dierungskurses dieser Bundesregierung liegen, wie wir
ihn im Sommer 1999 mit dem Zukunftsprogramm 2000
beschlossen haben.


(Manfred Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Und die Arbeitslosigkeit steigt und steigt!)


Übrigens sage ich Ihnen ausdrücklich: Es werden auch die
Investitionen ganz überwiegend und fast vollständig ab-
fließen.

Auch das Problem mit der Bahn ist gelöst. Damit wir
uns darüber völlig klar sind, halte ich fest: Herr Mehdorn
hat gegenüber meinem Staatssekretär erklärt, dass alle
Aufträge für das Jahr 2001 vergeben sind, das heißt, ich
spare auch da keine Mittel ein, sondern muss sie vielmehr
am Ende hinzufügen. Das ist die einzige Konsequenz, da
inzwischen auch schon ein Teil der Aufträge für 2002 ver-
geben ist. Genau das haben wir gewollt. Somit haben wir
nicht auf der Bremse gestanden, vielmehr haben wir in der
Tat eine trilaterale Vereinbarung mit der Deutschen Bahn
geschlossen. Ich kann gut verstehen, dass in meinem Haus
gesagt wurde, dass die Mittel erst freigegeben werden,
wenn wir uns über alle finanziellen Konditionen einig
sind; ich habe aber sofort, als ich das erfahren habe, die-
ses Vorgehen gestoppt, nämlich am 2. Februar; am 6. Fe-
bruar waren alle Freigabeanträge des Bundesverkehrs-
ministeriums, die die Bahn betrafen, von unserer Seite
entsperrt. Es gab also überhaupt keine Probleme.






(C)



(D)



(A)



(B)


So gut ich es verstehen kann, dass man sich wünscht,
dass der Finanzminister eine Reservekasse hat, so muss
ich doch sagen, dass wir das nicht wollen und angesichts
der derzeitigen konjunkturellen Lage die Mittel für Inves-
titionen in den Haushalt einstellen, damit sie abfließen
und wirksam werden. Ich hoffe, dass das nicht nur das
Finanzministerium macht, sondern alle dies tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun will ich zunächst über die jetzige Situation reden.
Sie haben – Herr Rexrodt hat das gemacht, Herr
Austermann nicht, weil er möglicherweise ahnt, was
kommt – die Schlusslichtdebatte angefangen, indem sie
behaupteten, dass Deutschland beim Wirtschaftswachs-
tum in Europa das Schlusslicht sei.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Von der Lokomotive zur roten Laterne! So ist es!)


– Passen Sie einmal auf, das ist ganz schwierig. Diese
Debatte hätte ich an Ihrer Stelle nicht angefangen.

Ich habe mir einmal vom Jahr 1981 bis heute diesen
Sachverhalt in ein entsprechendes Diagramm eintragen
lassen und werde es Ihnen zustellen lassen, damit Sie alle
das haben. Grün steht da für Westdeutschland und Ocker-
farben steht dann für die Bundesrepublik Deutschland
nach der Wiedervereinigung. Daraus können Sie ganz er-
staunliche Sachverhalte ablesen, meine Damen und Her-
ren. In den von Ihnen so gerühmten 80er-Jahren – darüber
gehe ich schnell hinweg – haben Sie 1983 und 1984 ge-
rade einmal den siebten Platz von 15 europäischen Län-
dern erreicht.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ist auch die Inflationsrate darauf?)


1985 fällt Deutschland auf Platz 13 zurück und pendelt
die restlichen 80er-Jahre auf Platz 12 und Platz 13.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Sie sind in der Zeile verrutscht!)


Wir lagen gerade einmal zwei Jahre richtig oben – wäh-
rend des Wiedervereinigungsbooms in den Jahren
1990/91 lagen wir jeweils auf Platz zwei –, dann ging es
auch schon wieder herunter. Im Jahre 1992 gab es einen
steilen Abstieg. Im Jahre 1996 haben Sie den letzten Platz
in der Europäischen Union erreicht.


(Zurufe von der SPD: Aha!)

Herr Rexrodt, wer war in diesen Jahren Wirtschafts-

minister? Wer von Ihren Kollegen war da Wirtschaftsmi-
nister?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In dem ganzen Zeitraum, über den ich berichtet habe, wa-
ren Mitglieder Ihrer Partei – zwischendurch auch Sie, der
Mister Wirtschaft – Wirtschaftsminister der Bundesrepu-
blikDeutschland.Mankann sichdieNamennicht sogenau
merken, weil dieWirtschaftsminister so oft wechselten.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo ist eigentlich Ihrer?)


Kommen wir einmal – das ist hoch spannend – auf das
Jahr 1995 zu sprechen. In diesem Jahr befand sich West-
deutschland auf dem letzten Platz. Das war eine besonders
dramatische Entwicklung. Man kann diese Entwicklung
noch weiter zurückverfolgen: Im Jahre 1993 lagen wir auf
dem vorletzten Platz. Mit anderen Worten: Wenn Sie die
Schlusslichtdebatte führen wollen, dann müssen wir
zunächst einmal über Ihre Schlusslichter reden. Davon
gibt es bei Ihnen viel mehr als bei uns.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie sind an der Regierung und nicht wir! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie wollten es doch besser machen!)


Wir sind das erste Mal wieder an den Durchschnitt
– Sie lagen im Übrigen immer unter dem Durchschnitt der
Europäischen Union – im Jahre 2000 herangekommen. In
diesem Jahr haben wir im Wirtschaftswachstum wieder
gleichgezogen mit dem Vereinigten Königreich. Wir la-
gen vor Italien und nur knapp hinter Frankreich. Unsere
Messlatte müssen die Großen in Europa sein.


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Petra Bläss)

Ich komme nun zu einem Problem, das ich nachher bei

der Beschäftigungsentwicklung ein bisschen aufblättern
werde, nämlich zum Problem Bauwirtschaft. Was steckt
hinter diesem Tableau? Das ist eine ganz einfache, aber
auch höchst dramatische Veranstaltung. Herr Rexrodt, in
einem Punkt stimme ich Ihnen zu, auch wenn Sie immer
das Gegenteil behaupten: Zu den Kosten der Wiederver-
einigung und zu den Kosten des Aufbaus Ost – über Ein-
zelheiten will ich nicht streiten – bekennen wir uns nach-
drücklich. Aber wir bekennen uns nicht zu Ihrer Art der
Finanzierung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Unglaublich! Fangen Sie nicht an zu weinen! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/ CSU]: Das war doch ohne Alternative!)


– Dazu sage ich Ihnen nachher etwas. – Was hat Sie ge-
ritten, einen großen Teil der Finanzierung auf die Sozial-
versicherungssysteme abzuwälzen? Daher rührt doch
die Steigerung der Sozialversicherungsbeiträge.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Und jetzt?)

Was hat Sie geritten, in diesem Maße in die Verschuldung
hineinzugehen und damit künftige Generationen zu be-
lasten?

Ja, wir hatten einen anderen Vorschlag; Sie werden
sich daran erinnern können. Im Jahre 1989 haben nicht
nur die Sozialdemokraten und nicht nur die Gewerk-
schaften, sondern auch große Teile der Wirtschaft gesagt:
Lasst die letzte Stufe der Einkommensteuerreform – sie
trat pünktlich zum Bundestagswahlkampf 1990 in
Kraft – weg! Wir brauchen dieses Geld – es waren
25 Milliarden DM aus der letzten Stufe der stoltenberg-
schen Steuerreform –


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das war wenigstens eine Entlastung!)





Bundesminister Hans Eichel
19940


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für die Kosten, die jetzt bei der Wiedervereinigung
Deutschlands entstehen. Unser Vorschlag war: Lasst uns
die Finanzierung solide machen!


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was behaupten Sie denn da? – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das kann überhaupt nicht stimmen!)


Sie können also nicht behaupten, es hätte zu der Zeit keine
Alternative zu Ihrem finanzpolitischen Kurs gegeben.
Ihre Art der Finanzierung war ein fundamentaler Fehler.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Haben Sie vor dem 9. November 1989 an die Wiedervereinigung geglaubt?)


Damit sind wir bei dem Thema, auf welche Weise Sie
den Aufbau Ost privat finanziert durchgeführt haben. Da
liegt das zentrale Problem hinsichtlich des Wirtschafts-
wachstums. Sie haben nämlich mit den Sonderabschrei-
bungen für den Aufbau Ost – diese haben übrigens in den
Jahren 1996/97 zum Verfall der Steuereinnahmen geführt;
Sie mussten Ihren Fehler mit großem Erschrecken erken-
nen und ihn mit unserer Unterstützung korrigieren –
zweierlei bewirkt: erstens einen völlig überzogenen Ka-
pazitätsaufbau der Bauwirtschaft und zweitens ein riesi-
ges Maß an Fehlallokationen von Kapital, die wir heute
dadurch bezahlen, dass wir Wohnraum in den ostdeut-
schen Ländern abreißen müssen. Das ist die Situation, für
die Sie mit Ihrer nicht durchdachten Aufbaupolitik im
Osten verantwortlich sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wer saß denn damals im Bundesrat? – JochenKonrad Fromme [CDU/CSU]: Wie haben Sie denn im Bundesrat gestimmt?)


Das hätte man, wie Sie wissen, viel klüger machen
können. Unser Vorschlag damals hieß nicht – das sage ich,
damit auch in diesem Punkt die Alternative klar ist – Son-
derabschreibungen. Wir wollten das nicht, weil wir der
Überzeugung waren, dass diese nur die Bezieher großer
Einkommen geltend machen konnten, die es im Osten
aber überhaupt nicht gab. Unser Vorschlag hieß vielmehr:
Lasst uns das über Zulagen machen! Die hätten nämlich
alle unabhängig von ihrem Einkommen in Anspruch neh-
men können. Dann wäre der Aufbau Ost ein privates Ver-
mögensbildungsprogramm Ost geworden und kein Ver-
mögensbildungsprogramm der Besserverdienenden im
Westen. Das war unsere Konzeption für den Aufbau Ost.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Das ist alles im Protokoll nachzulesen, wenn das bezweifelt wird! – Friedrich Merz [CDU/ CSU]: Das ist der alte Klassenkämpfer, der alte Sozialist! – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Es ist eine unglaubliche Leistung, dass der Minister eine halbe Stunde ein Blatt hoch halten kann!)


Was steckt hinter dem Abstieg? Dahinter steckt das
Einstampfen der Überkapazitäten, die Sie geschaffen ha-
ben. Das eigentliche Problem ist: Im vergangenen Jahr hat

allein die Krise im Baubereich dazu geführt, dass das
Wachstum um 0,8 Prozent geringer ausgefallen ist. Ohne
diese Krise hätten wir ein Wachstum von 3,8 Prozent und
wären damit eindeutig an der Spitze aller großen Länder
in der Europäischen Union gelegen. Das ist die Situation,
mit der wir es zu tun haben. Ausdrücklich sage ich – im
Übrigen hat das auch der BDI, wie Sie wissen, errechnet –:
Für den Osten ist die Lage noch dramatischer. Denn im
vorigen Jahr gab es einen Wachstumsverlust von 2 Pro-
zent. Statt 1,1 wäre ohne diese Krise ein Wachstum von
3,1 Prozent möglich gewesen.


(Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: Kommen Sie einmal zum Haushalt 2002!)


Der BDI hat noch dramatischere Zahlen für dieses Jahr er-
rechnet. Die neuesten Statistiken zeigen aber auch, dass
wir in diesem Bereich jetzt zur Bodenbildung kommen.
Dieser Teil einer verfehlten Art des Aufbaus Ost, wie Sie
ihn vorgenommen haben, wird demnächst aus unseren
Konjunkturdiskussionen verschwinden.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So etwas Armseliges als Finanzminister hat es noch nie gegeben! – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist nur peinlich!)


Was haben wir vorgefunden? Im Jahre 1998 einen
Haushalt mit einer Verschuldung von 28,8 Milliar-
den Euro bzw. 56,4 Milliarden DM.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Jetzt kommt wieder die alte Leier!)


Dann haben Sie noch Privatisierungserlöse in Höhe von
20 Milliarden DM eingesetzt. Das mussten Sie, weil Sie
anderenfalls einen verfassungswidrigen Haushalt vorge-
legt hätten,


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Reden Sie doch einmal über Ihren Haushalt!)


so wie alle Ihre Haushalte seit 1996 verfassungswidrig im
Vollzug waren.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da hätten Sie die 10 Milliarden gar nicht in Anspruch zu nehmen brauchen!)


– Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen. Es wird noch
spannend.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Jetzt kommen wir einmal zum Vergleich des Haushalts

1998, also des letzten der vorigen Wahlperiode, mit dem
Haushalt 2002, mit demjenigen, der in dieser Woche zur
Verabschiedung ansteht. Zuerst einmal ist festzuhalten:
Herr Rexrodt, die Konsolidierung ist entgegen all dem, was
Sie behaupten, über die Ausgabenseite bewerkstelligt wor-
den. Denn 1998 – das gehörte übrigens zu Ihren Tricks –
waren die Postunterstützungskassen – dies nur als Bei-
spiel – und eine Reihe anderer Dinge überhaupt nicht Be-
standteil des Haushalts.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Ja! So ist es!)

Das heißt, wir mussten erst einmal alle bestehenden
Schattenhaushalte in den Haushalt einordnen.




Bundesminister Hans Eichel

19941


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Wenn man das tut, dann sieht die Ausgabensituation
folgendermaßen aus: Sie hatten in 1998 Ausgaben von
228,7 Milliarden Euro. Wir haben im Jahre 2002 – dabei
rechne ich die Mittel für das Investitionsfördergesetz ein;
die Mittel, die durch eine Bilanzverkürzung nicht auf der
Ausgabenseite angesetzt werden, sondern im Sinne eines
Einnahmeverzichts berücksichtigt werden, will ich der
Fairness halber zu Ihren Gunsten einrechnen,


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Herr Poß schaut schon ganz betreten! Der ist völlig entsetzt!)


und zwar anders, als Sie das früher bei den Kindererzie-
hungszeiten oder beim Kindergeld getan haben –, berei-
nigte Ausgaben – um vergleichen zu können – in Höhe
von 219,3Milliarden Euro. Das heißt, wir haben nunmehr
im vierten Jahr in Folge geringere Ausgaben, als Sie es im
letzten Jahr Ihrer politischen Verantwortung gehabt ha-
ben. Wenn das keine Konsolidierung über die Ausgaben-
seite ist, was ist dann Konsolidierung über die Ausgaben-
seite?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn ich dann die NKA und zusätzlich die Priva-
tisierungserlöse in Höhe von 2,75 Milliarden Euro, die
wir einstellen, hinzurechne – das hat Herr Metzger zu
Recht schon deutlich gemacht –, dann ist ein Konsolidie-
rungserfolg von 30 Milliarden DM in diesen vier Jahren
zu verzeichnen. Wenn wir diese Politik nicht eingeleitet
hätten, dann müssten wir heute erklären, dass wir den Eu-
ropäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt brechen, weil
wir bereits deutlich über das Kriterium der 3 Prozent Neu-
verschuldung, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, lie-
gen würden.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das werden Sie am Jahresende sein!)


Dann hätten Sie den anderen Europäern den Europäischen
Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgedrückt und
Deutschland wäre das erste Land gewesen, das diesen
Pakt bricht. Können Sie sich eine solche Politik überhaupt
vorstellen? Sie hätten sie gemacht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Sie werden ihn brechen!)


Deswegen ist zunächst einmal festzuhalten: Wir haben
eingegriffen und eine Situation geschaffen, mit der wir
heute, also auch in schwieriger Zeit, umgehen können.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Gar nichts haben Sie gemacht!)


– Mein Gott, sind Sie unruhig! Es kommt noch mehr!
Wir haben doch nicht nur einen Konsolidierungserfolg

von 30 Milliarden DM zu verzeichnen. In diesem Bun-
deshaushalt stecken Steuerentlastungen in Höhe von
25 Milliarden Euro im Vergleich zum Haushalt 1998, den
Sie zu verantworten hatten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Davon merkt nur keiner was!)


Das macht bereits rund 80 Milliarden DM an Umstruktu-
rierungen im Haushalt.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Aber ihr habt die Falschen entlastet!)


Am Ende dieser Wahlperiode – zum Beispiel das ist in
diesen 25 Milliarden Euro enthalten – wird eine vierköp-
fige Familie 1 920 DM netto mehr Kindergeld haben.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das zocken Sie durch die Ökosteuer wieder ab!)


Das ist für eine Verkäuferin das 13. Monatsgehalt. Auch
das ist Teil dieser Bilanz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lothar Mark [SPD]: Das ist Familienpolitik!)


Außerdem ist es so, dass der Handwerksmeister und
der Einzelhändler am Ende dieser Wahlperiode de facto
keine Gewerbesteuer mehr zahlen müssen. 50 Jahre lang
hat der deutsche Mittelstand das gefordert, von dieser
Bundesregierung unter Rot-Grün hat er es bekommen. Sie
haben das nie geschafft!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Und über die AfA-Tabelle holt ihr es wieder rein!)


In den Steuerentlastungen in diesem Haushalt steckt
eine Absenkung des Eingangssteuersatzes von 25,9 Pro-
zent – das war Ihr Haushalt 1998 – auf 19,9 Prozent. In
diesem Haushalt steckt auch eine Erhöhung des Grund-
freibetrages von damals 12 300 DM auf jetzt 14 100 DM.

Das alles – das sage ich jetzt an die PDS gewandt, weil
sie es angesprochen hat – sind konkrete soziale Maßnah-
men zur Verbesserung der Situation der Bezieher kleiner
Einkommen und der Familien. Das ist unsere Politik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Roland Claus [PDS])


In diesem Haushalt stecken auch – anders, als Sie be-
haupten – mehr Investitionen als 1998.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wie bitte?)

Ich rate, dass wir uns im Haushaltsausschuss gelegentlich
ein bisschen genauer über das Thema Investitionen unter-
halten. Denn in diesen Investitionen – Herr Metzger hat es
Ihnen vorgerechnet – stecken mehr Mittel für den
Straßenbau, für den Gleiswegebau, für den Verkehr ins-
gesamt. Die wirklichen Investitionen sind höher als vor-
her.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Woher soll das kommen?)


Das Investitionsförderungsgesetz haben wir übrigens
gestern noch einmal im Finanzplanungsrat beraten. Tun
Sie bitte Ihren eigenen Finanzministern in den ostdeut-
schen Ländern nicht Unrecht. Sie wollen, dass alles nach
wie vor investiv eingesetzt wird. Sie haben nur eine Bitte:
Sie wollen in den ostdeutschen Ländern selber entschei-
den können. Deswegen sind wir der Vorstellung gefolgt,




Bundesminister Hans Eichel
19942


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die Investitionsfördermittel in Sonder-Bundesergän-
zungszuweisungen umzuwandeln, was nichts anderes
heißt als eine Stärkung der Entscheidungskompetenz der
ostdeutschen Länder. Das ist ein kleiner, aber wichtiger
Schritt auf dem Weg zu mehr föderaler Aktivität in
Deutschland und das finde ich vernünftig. Das sollten Sie
nicht denunzieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In diesem Haushalt steckt eine Erhöhung des For-
schungsetats gegenüber dem 98er-Haushalt um 15,5 Pro-
zent. Dabei ist das ausgelagerte BAföG gar nicht einge-
rechnet, dann sind es sogar 20 Prozent.


(Lothar Mark [SPD]: Hört! Hört!)

Das ist eine zukunftsgerichtete Investition.

Es sind auch 2 Milliarden DM für das JUMP-Pro-
gramm enthalten. 332 000 Jugendliche, Herr Rexrodt,
haben es inzwischen in Anspruch genommen. Wir haben
auch erreicht, dass 40 000 zusätzliche Ausbildungsplätze
entstanden sind, was Sie nie erreicht haben. In den letzten
beiden Jahren war das Ausbildungsplatzangebot in
Deutschland höher als die Nachfrage. Wir haben die Be-
nachteiligung junger Leute abgebaut. Wir haben regionale
Probleme, das stimmt; aber wir haben zum ersten Mal
wieder einen Ausgleich und in der Bilanz sogar einen
Überschuss geschafft.

Darin steckt natürlich auch die Rentenreform. Dazu
will ich Ihnen etwas sagen. Dieses Thema hat auf dem eu-
ropäischen Kontinent unter den Großen nur Deutschland
angepackt und bewältigt – Frankreich nicht, Italien nicht
und Spanien nicht. Sie werden das alle noch tun müssen.
Die bedeutende strukturelle Entscheidung war, dass wir
neben die umlagefinanzierte Rente eine zusätzliche, pri-
vat finanzierte Vorsorge stellen, die wir übrigens bei den
kleineren Einkommen stärker fördern, als es durch den
Arbeitgeberbeitrag geschehen wäre. Darauf muss ich hin-
weisen. Deswegen ist das, was wir an dieser Stelle tun,
auch sozial gerechtfertigt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Rexrodt, Sie beklagen die höheren Bundeszu-
schüsse zur Rentenversicherung. Ich komme noch einmal
darauf zurück, dass wir uns dem Problem der alternden
Gesellschaft werden stellen müssen.


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Sag ich doch!)

Auch Sie haben das getan. Deswegen rate ich immer wie-
der dazu, dass wir nur über das streiten, was man ange-
sichts des Handelns streitig stellen kann. Sie haben die
Mehrwertsteuer um 1 Prozent erhöht. Wir haben das un-
terstützt, um zu verhindern, dass der Rentenversiche-
rungsbeitrag von 20,3 Prozent auf über 21 Prozent steigt.
Das haben wir noch vor der Bundestagswahl gemacht; die
Erhöhung ist zum 1.April 1998 in Kraft getreten. Der ein-
zige Unterschied ist, dass Sie eine allgemeine Verbrauch-
steuer und wir eine spezielle Verbrauchsteuer erhoben ha-
ben. Darüber können Sie streiten, aber mehr steckt nicht
dahinter.

Es ist übrigens richtig, an dieser Stelle die Steuerfinan-
zierung zu verstärken, weil wir damit zwei Dinge errei-
chen: Wir stabilisieren die Rentenversicherung und – das
ist die Wahrheit – wir subventionieren die Beiträge, weil
– darin sind wir uns einig – zu hohe Lohnnebenkosten
falsch sind.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie schwächen auf diese Art und Weise die finanzielle Kraft!)


Wir haben nicht den Fehler gemacht, die Gesund-
heitsreform erst am Ende dieser Wahlperiode zu präsen-
tieren. Wir haben es am Beginn getan und Sie haben sie
seinerzeit im Bundesrat blockiert. Deswegen wird Frau
Kollegin Schmidt ganz am Anfang der nächsten Wahlpe-
riode das Thema wieder ansprechen. Hoffentlich werden
Sie – so wie beim vorigen Mal – dann nicht alles gleich
wieder blockieren.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie haben alles rückgängig gemacht! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da kann man nur sagen: Schuster, bleib bei deinem Leisten!)


Das Antiterrorpaket ist enthalten. Wer allerdings be-
hauptet, dass die kleine Erhöhung der Tabak- und der Ver-
sicherungsteuer irgendeine konjunkturelle Bedeutung
habe,


(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Ein falsches Signal!)


der – da kann man sich nur an den Kopf fassen – kann das
wohl nicht wirklich ernst gemeint haben.

Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem
entscheidenden Punkt, nämlich der Arbeitslosigkeit.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Ja, dazu möchten wir etwas hören! Dass war die Messlatte!)


Zunächst einmal möchte ich festhalten: Am Ende dieser
Wahlperiode dieses Bundestages sind alle Daten für die
Familien, die Arbeitnehmer und die Unternehmen


(Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: Schlechter als vorher!)


– soweit es den öffentlichen Haushalt betrifft – weitaus
besser, als Sie am Ende der letzten Wahlperiode des Bun-
destages gewesen sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Gesundbeterei! Nicht wirklichkeitsbezogen!)


Das heißt, dass wir in einer sehr schwierigen Lage weit-
aus bessere Rahmenbedingungen haben. Das ist der Sach-
verhalt


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das sieht Ihr Vorgänger anders!)


Meine Damen und Herren, nun komme ich zur Be-
schäftigung: In der Bilanz weisen wir 1,2 Millionen so-
zialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr auf.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nicht einen Arbeitsplatz mehr!)





Bundesminister Hans Eichel

19943


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Es ist wahr, dass die Entwicklung im Moment zum Still-
stand gekommen ist. Noch im dritten Quartal hatten wir
einen zusätzlichen Aufbau von 19 000 Stellen. Seit unse-
rem Regierungsantritt gibt es – bis jetzt – 1,2 Millionen
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr.


(Gudrun Kopp [FDP]: Schwarzarbeit!)

Auch wenn davon ein Teil wieder verloren geht, werden
wir den allergrößten Teil behalten. Im nächsten Septem-
ber wird unsere Bilanz ein ganz starkes Plus in der
Beschäftigung ausweisen. Dies gilt für den Zeitraum ab
Anfang der Wahlperiode – bzw. dem Ende Ihrer Regie-
rungszeit – bis zu unserer Wahl im September nächsten
Jahres. Genauso wird es sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dass dabei die Arbeitslosigkeit nicht so zurückgegan-
gen ist, wie wir es gerne gewollt hätten, ist gänzlich un-
bestreitbar. Der Rekordhalter sind und bleiben aber Sie;
denn bei Ihnen gab es im Februar – das ist immer der Mo-
nat mit der höchsten Arbeitslosigkeit – 1998 4,83 Milli-
onen Arbeitslose. Die Arbeitslosenzahl im Februar nächs-
ten Jahres wird mit Gewissheit eine halbe Million und
deutlich mehr darunter liegen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Nachdem die Statistik verändert wurde! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auch wieder ein Trick!)


Auch das ist wahr. Das heißt, dass in Deutschland das
erste Mal nach dem Krieg die Sockelarbeitslosigkeit nach
einer wirtschaftlichen Krise deutlich niedriger sein wird
als vorher.


(Zuruf von der FDP: Eine peinliche Bilanz!)

Bis dahin galt das Gesetz, dass man aus jeder Krise mit ei-
ner höheren Arbeitslosigkeit herauskommt. Es ist das
erste Mal, dass dieses Gesetz nicht mehr gilt. Wir haben
nicht so viel erreicht, wie wir wollten, aber wir haben eine
deutlich bessere Politik betrieben, als Sie sie in Ihren
16 Jahren jemals zuwege gebracht haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nach dem alten Strickmuster! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Er hat seinen Zettelkasten aufgemacht! – Zuruf von der FDP: Das ist der blanke Zynismus!)


Im Übrigen wissen wir auch alle, woran es liegt.
Schauen Sie sich einmal Europa an. Auch diese Daten
werde ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen.


(Lachen bei der CDU/CSU)

– Sie werden sich schon mit Fakten beschäftigen müssen,
statt mit Sprüchen, die Sie sich ausgedacht haben und zu
denen Ihre Werbeagenturen Ihnen gesagt haben, dass sie
sehr wirkungsvoll seien. – Faktum ist ein Abbau beim
Bau. Faktum ist auch, dass es in der DDR eine nicht
wettbewerbsfähige Wirtschaft gab; die großen Indus-
triebetriebe gingen, nachdem Sie über Nacht dem Wett-
bewerb der Weltwirtschaft ausgesetzt wurden, kaputt. Das

werfe ich Ihnen übrigens nicht vor. Das war politisch gar
nicht zu vermeiden. Die Osterweiterung der Europäischen
Union werden wir so aber nicht durchführen. Wir werden
die Grenzen erst öffnen, wenn es in Polen und in den an-
deren Ländern eine wettbewerbsfähige Wirtschaft gibt.
Diesen Anpassungsschock, der in Deutschland unver-
meidlich war, wollen wir dort nicht wieder erleben.

Ich komme zum öffentlichen Dienst und zu dem, was
im Wesentlichen Folge der alten SED-Herrschaft ist: Es
gibt einen völlig überbesetzten öffentlichen Dienst.


(Lachen bei der PDS)

Das ist eine der großen Wachstumsbremsen in den ost-
deutschen Ländern.


(Zuruf von der FDP: Das war der erste richtige Satz!)


Sie wissen selber: Dort, wo Sie in der Regierung sind oder
wo Sie die Regierung mittragen, bauen Sie sie auch ab.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie bauen den Filz aber aus!)


Deswegen sollten Sie die Ehrlichkeit haben, das an dieser
Stelle auch zu sagen.

Wenn ich mir den Wachstumssektor und die Dienstleis-
tungen ansehe, dann erkenne ich, dass Deutschland über
dem Durchschnitt der Europäischen Union liegt. Der Zu-
wachs an Zukunftsarbeitsplätzen ist bei uns weitaus höher
als in allen anderen großen Ländern der Europäischen
Union. Das ist unsere Bilanz.

Ich will eines einräumen: Das eignet sich im Moment
schwer für Schlagworte. Meine Damen und Herren, es ist
aber weitaus besser als das, was Sie in Ihrer Zeit zuwege
gebracht haben.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


Das Jahr 2002, das schwierig wird, wird ein weitaus bes-
seres Jahr sein als das Jahr 1998, in dem Sie zu Recht aus
der Regierung abgewählt worden sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


Konsolidierung heißt – das kann man an diesem Haus-
halt sehen –, weniger Schulden zu machen. Konsolidie-
rung heißt, den Bürgern und den Unternehmen mehr Geld
für Nachfrage und Investitionen in der Tasche zu lassen.
Konsolidierung heißt auch, den Haushalt auf die Zukunft
auszurichten, statt mit ihm vergangene Schulden zu fi-
nanzieren. Das ist es, was wir mit unserer Haushaltspoli-
tik geschafft haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dies wirkt natürlich auch konjunkturell. Wir betreiben
keine Konjunkturpolitik – darauf habe ich gerade hinge-
wiesen und dies will ich noch einmal deutlich machen –,
aber unser Haushalt wirkt zugunsten der Konjunktur.
Er beinhaltet zum allerersten Mal einen verlässlichen
finanzpolitischen Kurs, weil per Gesetz Steuersenkun-
gen bereits für zwei Wahlperioden verankert sind. Und




Bundesminister Hans Eichel
19944


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(A)



(B)


das ist das Beste, was für die Investitionsbereitschaft von
Bürgern und Unternehmen überhaupt gemacht werden
kann; denn sie müssen langfristig wissen, worauf sie sich
verlassen können.

Eine solide Ausgabenwirtschaft, die alleine die Garan-
tie dafür ist, dass nicht wieder richtig in den Steuer-
erhöhungstopf gegriffen werden muss, ist die zweite
verlässliche Planke unseres Haushalts.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Die dritte Planke ist die Verbesserung der Ausgabenstruk-
tur. Sie haben uns doch die Schulden und die damit ver-
bundenen hohen Zinsen hinterlassen. Gleich hinter den
Ausgaben für die Renten, was Sie, Herr Rexrodt, immer
kritisieren, findet sich doch der Block „Zinsen“ mit mehr
als 20 Prozent des Haushaltes. Es gibt in Deutschland kei-
nen Haushalt, der so überschuldet ist wie der Bundes-
haushalt und deswegen so wenig Spielraum für Zukunfts-
investitionen lässt. Das ist Ihr Erbe, an dem wir zu
knabbern haben und das wir abarbeiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In diesem Haushalt sind für das Jahr 2002 Steuerent-
lastungen von fast 19 Milliarden DM festgeschrieben.
Ein Teil wird aus der Steuerreform 2000 kassenwirksam;
dies haben wir dieses Jahr eingeleitet und dies wird im
nächsten Jahr zu echten Entlastungen führen. Hinzu
kommt die Erhöhung des Kindergeldes; das sind über
5 Milliarden DM. Die AfA-Tabellenwerden sich auswir-
ken, ebenso weitere ergriffene Maßnahmen. Es geht ins-
gesamt um knapp 19 Milliarden DM bzw. fast 0,5 Prozent
des Bruttoinlandsproduktes und damit um eine Absen-
kung der Steuerquote. – Im Übrigen sind die Entlastungen
so hoch, wie es die Wirtschaftsforschungsinstitute ihrer-
seits gefordert haben, ohne dass sie aber zur Kenntnis ge-
nommen haben, dass dies durch diesen Haushalt ge-
schieht.

Neu ist das Projekt „Stadtumbau Ost“. Dieses Inves-
titionsprogramm wird voll durch die Zinsersparnisse, die
wir aufgrund der Schuldentilgung durch die Erlöse aus
den Versteigerungen der UMTS-Lizenzen erzielt haben,
finanziert. Zu nennen ist auch, was wir im Bereich der
KfW und durch unsere Ausgabenprogramme machen.

Schließlich gehört hinzu – das ist auch Teil unserer Fi-
nanzpolitik –, dass der Osten selber mit dem Solidar-
pakt II von jetzt an gerechnet für fast 20 Jahre Planungs-
sicherheit für die Schließung der Infrastrukturlücke hat.
Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass wir die Be-
träge so hoch angesetzt haben und dass wir so langfristig
planen. Diese Kritik des Bundesrechnungshofes halte ich
aber für falsch. Es ist doch gerade umgekehrt: Eine lang-
fristige Planung schafft Sicherheit. Das ist die einzige Ga-
rantie dafür, dass es mit dem Aufbau Ost weitergeht. Das
ist ein wesentliches Ergebnis dieser Politik.


(Beifall bei der SPD)

Ich nenne auch das Job-Aqtiv-Programm. Ab dem

1. Januar wird es eine große Vermittlungsinitiative geben.
In den Arbeitsämtern stehen zusätzlich 3 000 Vermittler,
also ein Drittel mehr als bisher, zur Verfügung; denn es

gibt neben der hohen Arbeitslosigkeit 400 000 freie Stel-
len. Wenn die Wirtschaft Recht hat, und auch der Kollege
Riester, dann sind es sogar 1,5 Millionen. Diese freien
Stellen müssen uns aber bekannt sein. Dann können wir
alles tun, damit diejenigen, die keine Arbeit haben, dort-
hin vermittelt werden. Jedenfalls wird die Arbeitsverwal-
tung, die in unserer Verantwortung steht, hier ihr Mög-
lichstes tun.

Kurzum: Wir legen uns krumm, um alles für den Ab-
bau der Arbeitslosigkeit und somit den Anstieg der Be-
schäftigung zu tun. Die Weltwirtschaft kann die Wirt-
schaft eines einzelnen Landes nicht aushebeln. Das ist
eine Illusion und die Menschen in diesem Land wissen
dies. Mit dieser Propaganda werden Sie keinen Erfolg
haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen: Wir „sparen“ keiner abflauenden Kon-
junktur hinterher; das wäre in der Tat ein fundamentaler
Fehler. Die automatischen Stabilisatoren entfalten ihre
Wirkung. Dies würde ich aber viel beruhigter sagen, wenn
wir eine bessere Haushaltssituation hätten. Wir haben sie
aber nicht. Hätten Sie 1995/96 mit der Konsolidierung
begonnen, die wir 1999 eingeleitet haben, dann könnten
wir diese Situation beruhigter angehen, als das gegenwär-
tig der Fall ist. Das ist wohl richtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zu Ihren Vorschlägen muss man nicht mehr viel sa-
gen. Es waren die klassischen: Schulden machen. Dies ist
etwas, was Sie zuverlässig beherrschen. Dies haben Sie
zuverlässig auch immer wieder in Ihren Programmen ste-
hen. Sie haben keine Einsparvorschläge, sondern nur Aus-
gabenvorschläge gemacht, sogar noch zusätzliche Sub-
ventionen geplant. Denn um was handelt es sich sonst,
wenn man bei der Landwirtschaft noch einmal etwas
drauflegt – um einmal ein Beispiel zu nennen –, wenn
nicht um Subventionen? Das ist übrigens das genaue Ge-
genteil dessen, was wir in der WTO und in der Europä-
ischen Union tatsächlich machen müssen.

Außerdem haben Sie vorgeschlagen, die Steuerreform
vorzuziehen. Hier gab es übrigens einen kläglichen Rück-
marsch. Frau Merkel ist heute nicht da.


(Joachim Poß [SPD]: Frau Merkel hat sich vorsichtshalber zurückgezogen!)


Wenn ich mir das Zehnpunkteprogramm ansehe, stelle ich
fest: Angefangen hat es mit dem Vorschlag, alle Stufen
von 2005 auf 2002 vorzuziehen. Dann hat Herr Stoiber
dazu gesagt – es war Frau Merkel richtig anzusehen, wie
konsterniert sie war –, dies sei wohl doch nicht zu bezah-
len. Man könne dies also nicht machen, sondern allenfalls
eine Stufe vorziehen. Heute heißt es dazu: „CSU rudert
bei Steuerreform zurück!“

Gestern fand die Sitzung des Finanzplanungsrates
statt. Von den acht Finanzministern, die Ihrer Partei an-
gehören, waren fünf da. Dass Herr Faltlhauser nicht ge-
kommen ist, kann ich verstehen. Denn angesichts der Ver-
sprechungen von Herrn Stoiber würde er vielleicht im




Bundesminister Hans Eichel

19945


(C)



(D)



(A)



(B)


Finanzplanungsrat gefragt, wie das denn in die Planungen
der öffentliche Haushalte passe. Die meisten anderen wa-
ren aber da.

Ich sage Ihnen eines: Niemand hat von irgendwelchen
Steuersenkungen gesprochen. Sie haben im Gegenteil
vielmehr versucht, die Debatte ganz schnell von der Fi-
nanzpolitik weg in eine andere Richtung zu lenken. Sie
haben auch ausdrücklich gesagt, dass wir den Konsoli-
dierungskurs konsequent fortsetzen müssen. Das haben
übrigens alle 16 unterschrieben.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha, sehr interessant! – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! Die sind ja ganz ruhig da drüben!)


Das ist sogar – falls das jemandem entgangen sein sollte –
Wochen vorher verabredet und gestern einstimmig so be-
schlossen worden. Das waren alle Länderfinanzminister.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Sehr vernünftige Leute! – Zurufe von der CDU/CSU)


Ich frage mich, welche Debatten Sie hier eigentlich
führen. Jeder Finanzminister könnte sogar – es traut sich
nur keiner, weil er dann seinen Ruf verliert – im Bundes-
rat einen Antrag stellen: Ablehnung gesichert. Auf die
Frage, was Ihr Konzept sonst noch zu bieten hat, gibt es
nur eine Antwort: Nichts!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich sage noch eines – allerdings ist Herr Brüderle heute
nicht da –: Auf die Idee, dass die Finanzämter, statt Geld
für unsere gemeinsamen öffentlichen Belange einzutrei-
ben, zukünftig Schecks ausstellen sollen,


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist genial!)


muss ein liberaler Politiker, der immer sagt, der Staat solle
sich raushalten, erst einmal kommen!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Typische Schnapsidee! – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat bei Grimms Märchen nachgelesen!)


Dazu gehört noch die tolle Vorstellung, dass der Bund die
Verluste, die dadurch entstehen, dass die Aktienkurse sin-
ken, ausgleichen soll.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiter so! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Jetzt sind sie endlich aufgewacht! – Gegenruf des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und ihr schlaft ein! – JochenKonrad Fromme [CDU/CSU]: Das ist auch eine Rede zum Einschlafen!)


Das war schon eine beachtliche Leistung. Ich kann ver-
stehen, dass Herr Brüderle heute nicht gekommen ist.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Das müssen wir zurückweisen!)


Maastricht-Kriterien:Herr Brüderle war der einzige,
der es gewagt hat, zu sagen, diese Kriterien könne man
auch verletzen. An dieser Stelle wird es allerdings ernst,
denn dies ist etwas, was niemand verantworten kann. Hier
bin ich mit dem Kollegen Waigel, der jetzt nicht mehr da
ist, dies aber deutlich gesagt hat, einverstanden. Denn wer
das einmal zulässt – und dann auch noch von der größten
Volkswirtschaft in der Europäischen Union –, der wird
lange rudern müssen, bis unsere gemeinsame Währung an
den internationalen Kapitalmärkten wieder Boden unter
die Füße bekommt. Das geht aber nicht. Da hört der Spaß
gänzlich auf.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie würden sich wundern, wenn Sie einmal über Ihre
eigene Europatauglichkeit nachdenken würden. Wo sind
Sie eigentlich hingekommen, nachdem sich Helmut Kohl
manchmal gewiss etwas zu großzügig mit dem Geld, aber
ansonsten intensiv um Europa gekümmert hat?


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen!)


Wo sind Sie eigentlich hingekommen, dass Ihnen das
vollkommen wurscht geworden ist? Angesichts Ihrer Vor-
schläge gilt das auch dafür, was aus dem Europäischen
Stabilitäts- und Wachstumspakt, was aus der Glaubwür-
digkeit der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, was
aus der Glaubwürdigkeit der Koordinierung der Finanz-
politiken wird.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Reden Sie doch nicht so daher! Das ist doch Unfug!)


Wo sind Sie eigentlich hingekommen, wenn Ihnen das
völlig gleichgültig ist?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo ist denn eigentlich Ihr großer Europäer Fischer?)


Ich freue mich doch – ich sage das ausdrücklich –, dass
einer in der Wirtschaft die Frage der Solidität richtig hoch
gehalten hat: Herr Braun. Wir sind nicht immer einer
Meinung, aber ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen – Sie
haben das heute noch einmal gesagt –: Ich bin für einen
Konsolidierungskurs. Wer A sagt, muss auch B sagen.
Dann kann man nicht noch die Steuerreform weiter vor-
ziehen. Das eine und das andere passen nicht zusammen.
Das gilt auch für manches, was Sie in einer einzigen Rede
unterbringen, meine Damen und Herren.

Es wird nicht dabei bleiben. Wir werden viel zu tun ha-
ben. Wir sind große Schritte mit unseren Strukturrefor-
men in der Steuerreform, in der Haushaltskonsolidierung,
in der Rentenreform, in der Reform der Pensionen des öf-
fentlichen Dienstes gegangen. Hier können Sie noch zu-
stimmen, wenn ich das richtig im Kopf habe. Sie ist noch
nicht durch den Bundestag gegangen. Ich bin auf Ihr Ver-
halten sehr gespannt.

Sie werfen uns vor, auf der Ausgabenseite nicht zu
konsolidieren. Jedes Mal aber, wenn wir das tun und dafür
Prügel in Form von Demonstrationen einstecken, dann




Bundesminister Hans Eichel
19946


(C)



(D)



(A)



(B)


stellen Sie sich auf die andere Seite und hetzen gegen uns.
Sie sagen, dass wir den Beamten etwas wegnehmen, ob-
wohl wir nur das übertragen, was wir in der sozialen Ren-
tenversicherung bereits haben. Das ist ein ziemlich schä-
biges Spiel und das Ende jeder Glaubwürdigkeit Ihrer
Finanzpolitik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden weiter arbeiten müssen. Das werden wir
auch tun, damit hier überhaupt keine Zweifel bestehen:
mit der Gesundheitsreform, der Zusammenführung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die Walter Riester für den
Anfang der nächsten Wahlperiode angekündigt hat, der
Gemeindefinanzreform, die nicht dazu führt, dass der
Bund mehr Geld gibt,


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Warum machen Sie es denn nicht? Sie wollten es doch in dieser Legislaturperiode machen! Sie haben doch drei Jahre nichts getan!)


sondern dazu, dass die Gemeinden stetigere Einnahmen
haben und keine prozyklische Finanzpolitik machen. Da-
rauf wird es ankommen. Weiter werden wir offensiv in
den europäischen Binnenmarkt – Finanzdienstleistungen,
Energiemarkt und andere Bereiche – hineingehen. Glei-
ches gilt für die Stärkung des Welthandels durch die
WTO.

Auf den Staat alleine kommt es nicht an. Dieser macht
unheimlich viel.


(Zuruf von der CDU/CSU: Er macht gar nichts!)


Dafür legen wir uns krumm. Aber es sind auch ein paar
andere an der Reihe. Bei der Lohnpolitik, die in Deutsch-
land bisher sehr vernünftig gelaufen ist, habe ich keinen
Anlass, anzunehmen, dass das künftig anders sein wird.
Zum anderen sage ich ausdrücklich: Es ist fantasielos, in
einer solchen Situation über einen größeren Stellenabbau
nachzudenken, statt zum Beispiel wie VW zu versuchen,
durch Einführung anderer Arbeitszeitmodelle keine Leute
zu entlassen; denn der nächste Aufschwung kommt in je-
dem Falle. Dann wird man froh sein, wenn man verdiente
und qualifizierte Leute hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch die Geldpolitik spielt ihren Part. Sie spielt ihn
nur, weil die Fiskalpolitik mit dem Konsolidierungskurs
glaubwürdig bleibt. Die Europäische Zentralbank hätte
keinen Moment daran gedacht, die Zinsen zu senken,
wenn sie nicht die Gewissheit hätte, dass wir glaubwürdig
auf Konsolidierungskurs bleiben.

Es gibt neben allen negativen Signalen, die ich keinen
Moment bestreiten will und deren Zahl im Moment
größer wird, auch positive Signale. Aber es ist auch eine
Frage, wie wir uns dazu stellen: Nehmen wir die positiven
Signale überhaupt nicht zur Kenntnis oder versuchen wir,
sie zu kommunizieren? Wer den Ölpreis von vor einem
Jahr mit dem von heute vergleicht, der merkt, dass es da-
mals zu einem großen Kaufkraftentzug kam und jetzt al-

leine der gesunkene Ölpreis zu einem eigenen Konjunk-
turprogramm führt.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja und? Das waren doch nicht Sie! Was stecken Sie sich denn da für Federn an den Hut?)


Wer sich die Preissteigerungsrate und ihren Rückgang
ansieht, der wird feststellen, dass wir bei den Verbrau-
cherpreisen inzwischen bei 1,4 Prozent sind. Das ist die
Wirklichkeit. Das heißt, hier kann die Steuerreform ihren
Teil bewirken. Die Kapitalkosten sind niedrig. Bei der
Einschätzung der Situation muss man zwar vorsichtig
sein, aber die Stimmung auf den Aktienmärkten ist nicht
negativ.

Wenn ich mir den Autoabsatz im Oktober ansehe – wir
waren bis zum 11. September beim Autoabsatz auf einem
stetigen Erholungskurs –, dann kann ich ein Plus von
9,6 Prozent beim Absatz im Oktober im Vergleich zum
Vorjahresmonat erkennen. Das ist in der Tat ein gewalti-
ger Erfolg.

Es gibt also auch positive Zeichen. Der Turn-around
wird kommen. Keiner weiß zwar genau, wann dies sein
wird, aber alle rechnen damit, dass das nächste Jahr bes-
ser als dieses wird.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir sind auf ei-
nem guten Kurs. Wir sind damit am Ende


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie sind am Ende! – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages in einer
weitaus besseren Situation als Sie, als Sie 1998 zu Recht
abgewählt worden sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen stellen wir uns mit großem Vertrauen dem
Wählervotum im September des nächsten Jahres.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Besser früher!)

Sie werden weitere vier Jahre auf den Oppositionsbänken
zubringen müssen, weil Sie bisher nichts gelernt haben.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das war Hans Guckindieluft!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420301600
Für die Fraktion der
CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Peter Rauen.


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1420301700
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Herr Finanzminister Eichel, Sie haben über
vieles geredet, aber nur sehr wenig über Ihren eigenen
Haushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben zu einem Trick gegriffen: Wenn man selbst

nichts mehr zu bieten hat, dann beginnt man, die Vorgän-
gerregierung zu beschimpfen und Statistiken aus den
80er-Jahren hochzuhalten. Herr Eichel, ich sage Ihnen in
aller Klarheit: Sie haben zu Recht Minister Stoltenberg
gewürdigt. Fakt ist: Er hat die Neuverschuldung von




Bundesminister Hans Eichel

19947


(C)



(D)



(A)



(B)


55Milliarden DM, die er 1982 übernommen hat, bis 1989
auf 9 Milliarden DM zurückgeführt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Fakt ist: Minister Stoltenberg hat von 1986 bis 1989 die
größte Steuerreform – gemessen am Bruttoinlandspro-
dukt – durchgeführt, die es in Deutschland je gegeben hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Fakt ist, dass unter der Regierung Kohl von 1983 bis 1989
in den alten Bundesländern 3 Millionen neue sozialversi-
cherungspflichtige Arbeitsverhältnisse entstanden sind.
Davon sind Sie weit entfernt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben eben beklagt, dass 1994 bis 1996 nicht mit

der Konsolidierung begonnen worden sei. Sie wissen ge-
nau, dass Finanzminister Waigel in den Jahren von 1995
bis 1998 mit Steuerrückgängen von insgesamt 68 Milliar-
den DM im Vergleich zu 1994 fertig werden musste. Da-
mals wurde über die Ausgaben konsolidiert. Demgegen-
über haben Sie von 1998 an in den folgenden vier Jahren
mit einem Steueraufwuchs von insgesamt 97 Milliar-
den DM zu rechnen, aufgrund dessen Sie die Chance für
eine wirkliche Konsolidierung gehabt hätten, die Sie aber
nicht ergriffen haben.

Ich möchte den Kollegen Metzger – er ist gerade nicht
hier –, der gesagt hat, dass er für Ehrlichkeit sei, ermah-
nen, auch die Wahrheit zu sagen. Er hat hier ausgeführt,
dass in den Jahren 1995 bis 1998 für 141 Milliarden Euro
neue Schulden gemacht worden seien, während es von
1999 bis 2002 nur 38 Milliarden Euro gewesen seien.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Falsch!)

Das ist die blanke Unwahrheit. Die Wahrheit ist, dass in
den Jahren 1995 bis 1998 für 125 Milliarden Euro neue
Schulden gemacht worden sind, während es in dem Zeit-
raum von 1999 bis 2002 91 Milliarden Euro sein werden.

Wenn Sie beklagen, dass mit der Konsolidierung nicht
schon früher begonnen worden ist, dann muss ich Ihnen
sagen: Sie wissen doch, warum es damals Steuerminder-
einnahmen gab. Der Grund dafür waren die Sonderab-
schreibungen für die deutsche Einheit; in den neuen Bun-
desländern sollte investiert werden. Sie wissen doch, dass
damals viele Finanzämter aufgrund dieser Sonderab-
schreibungen mehr Steuern zurücküberwiesen haben, als
sie eingenommen hatten. Sie als Finanzminister, gerade
wenn Sie auf Stoltenberg abheben, sollten dies mit aller
Klarheit darstellen und nicht versuchen, einen falschen
Eindruck zu erwecken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Eichel, Sie haben das Ziel vorgegeben, die Staats-

finanzen zu konsolidieren. Das ehrt Sie. Das hat Ihnen ei-
nen guten Ruf eingebracht. Nur, wenn man sich Ihre ei-
genen Zahlen anschaut, dann stellt man fest, dass das, was
Sie bis jetzt vorzuweisen haben, mehr als dürftig ist.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Der Lack ist ab!)


Sie haben einen Steueraufwuchs von fast 49 Milliar-
den DM in vier Jahren zu verzeichnen. Trotzdem verrin-

gern Sie die Nettoneuverschuldung nur um lächerliche
15,4 Milliarden DM – nicht mehr und nicht weniger. Zah-
len lügen nicht. Diese Zahlen stehen in Ihrem Haushalt.
Aber viel bedenklicher ist die Tatsache, dass Sie von 1998
bis 2002 die Investitionen um 9,5 Milliarden DM kürzen.
Wenn ich daran denke, dass Sie auch noch die Zinserträge
aus den UMTS-Erlösen investiv zur Verfügung haben,
dann muss ich feststellen: Sie haben lediglich zulasten der
Steuerzahler – indem Sie diesen immer mehr Steuern aus
der Tasche gezogen haben – und zulasten der Investiti-
onen – es wird keine mehr geben – konsolidiert. Damit
wird die Zukunft verspielt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Unter dem Strich bleibt von Ihrer Konsolidierung nichts
mehr übrig. Das ist die nackte Tatsache, die sich aus Ihren
eigenen Zahlen in den Bundeshaushalten ergibt.

Im europäischen Vergleich hat Deutschland einen
beispiellosen Niedergang im Hinblick auf die wirtschaft-
liche Entwicklung erlebt. Drei Jahre Rot-Grün haben in
der Tat genügt, Deutschland sozusagen stabil auf den letz-
ten Platz in Europa zu führen. Nicht nur bei Wachstum
und Beschäftigung sind wir Letzter; auch bei der Neuver-
schuldung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, sind wir
auf dem letzten Platz angelangt. Ausgerechnet das Mus-
terland für Stabilität läuft Gefahr, im nächsten Jahr ein
wichtiges Kriterium für eine stabile europäische Währung
nicht zu erreichen. Wer hätte das vor wenigen Jahren ge-
dacht, als Deutschland die Kriterien für eine stabile
Währung in Europa durchgesetzt hat?


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Eichel, hier nützt kein Schimpfen auf die Vorgän-

gerregierungen. Das ist Ihre Finanzpolitik. Hören Sie end-
lich auf, die Schuld auf die Vorgängerregierung zu schie-
ben! Sie regieren seit drei Jahren; ich berichte über Ihre
Finanzdaten.


(Erika Lotz [SPD]: 1,6 Billionen DM Schulden lassen sich nicht so leicht wegdrücken! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das kann man nicht in drei Jahren abbauen!)


Das Spiegelbild der schlechten Wirtschafts-, Finanz-
und Sozialpolitik der Schröder-Regierung ist der Ar-
beitsmarkt in Deutschland. Herr Eichel, auf Ihrem Par-
teitag haben Sie völlig zu Recht gesagt, der Arbeitsmarkt
sei die Achillesferse dieser Regierung. Schröder wollte
bei seinem Regierungsantritt an seinen Erfolgen in der Ar-
beitsmarktpolitik gemessen werden. Angesichts der Tat-
sache, dass in den letzten drei Jahren in jedem Jahr
215 000 mehr alte Menschen aus dem Erwerbsleben aus-
geschieden sind, als junge Menschen hinzukamen, war
das Ziel, die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen zu
reduzieren, ohnehin schon mehr als bescheiden. Aber
selbst dieses bescheidene Ziel werden Sie im Jahr 2002
um 500 000 verfehlen.

Vergleicht man die Zahlen von 1998 und 2001 – ich
vergleiche keine Birnen mit Äpfeln –, kommt man zu fol-
gendem Ergebnis: Wir hatten im Oktober 1998 3 892 000
Arbeitslose, im Oktober 2001 3 726 000. Das sind zwar
166 000 weniger; wahr ist aber, dass mittlerweile rund




Peter Rauen
19948


(C)



(D)



(A)



(B)


190 000 über 58-Jährige in der Statistik nicht mehr mit-
gezählt wurden, die 1998 noch mitgezählt worden sind.


(Zurufe von der CDU/CSU): Aha!)

Das heißt, dass die Arbeitslosigkeit zwischen Oktober
1998 und Oktober 2001 zugenommen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: So ist die Wahrheit!)


Schaut man sich die Entwicklung dieses Jahres an, so
stellt man fest, dass seit Januar die Zahl der Arbeitslosen
von Monat zu Monat saisonbereinigt anstieg. Seit August
liegt auch die absolute Zahl der Arbeitslosen höher als im
Vorjahresmonat, zuletzt im Oktober um 114 000.

Herr Eichel, Sie haben eben wieder erzählt, niemand
könne Ihnen die 1,2 Millionen Beschäftigten nehmen. Ihr
Arbeitsminister Riester erzählt denselben Stuss.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Das hat doch nur damit zu tun, dass heute die 630-Mark-
Jobs mitgezählt werden, die früher nie mitgezählt worden
sind. Das ist das Faktum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bundesminister Eichel: Das ist doch Unsinn!)


Ich weiß gar nicht, zu welchem Zweck Sie sich in jedem
Jahr ein Sachverständigengutachten anfertigen lassen,
wenn Sie nicht lesen, was darin steht.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das stimmt doch alles nicht!)


Bereits vor über einem Jahr wurde dort festgestellt,
dass der Anstieg des Beschäftigungsvolumens in
Deutschland zum Stillstand gekommen sei. In dem neuen
Gutachten – ich hoffe, Sie haben es gelesen – steht, dass
das Arbeitsvolumen um 1 Prozent zurückgegangen ist.
Das bedeutet, dass in diesem Jahr in Deutschland
600 Millionen Stunden weniger gearbeitet worden sind.
Aber nur für die Stunden, die die Menschen arbeiten, wer-
den Steuern und Abgaben bezahlt. Hierin liegt der tiefere
Grund dafür, dass nicht nur die Steuereinnahmen wegbre-
chen, sondern auch die sozialen Sicherungssysteme ein
Einnahmenproblem haben und deshalb die Beiträge auf
breiter Front erhöht werden müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist schon beschämend, wie stiekum versucht wird

– Herr Schröder ist jetzt nicht mehr anwesend –, für die
jetzige Misere außenwirtschaftliche Gründe ins Feld zu
führen, wobei auch ein bisschen auf den 11. September
abgehoben wird.


(Hans Eichel, Bundesminister: Davon habe ich kein Wort gesagt!)


– Ja, aber bei „Was nun, Herr Schröder?“ hat der Kanzler
ganz geschickt versucht, dem breiten Publikum zu sugge-
rieren, die Terroranschläge und die wirtschaftliche Situa-
tion in Amerika hätten etwas mit der Misere bei uns zu
tun. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist
der Fall: Der außenwirtschaftliche Einfluss ist nach wie
vor so groß, dass das Statistische Bundesamt im dritten
Quartal 2001 feststellen konnte, der starke Export trage

das Wachstum in Deutschland, während die Wirtschaft
ohne diesen starken Export insgesamt um 1,2 Prozent
zurückgegangen wäre.

Diejenigen Firmen, die von der Binnenkonjunktur in
Deutschland abhängen und keinen Anteil am Export ha-
ben, mussten im dritten Quartal gegenüber dem Ver-
gleichszeitraum 2000 einen Rückgang ihres wirtschaft-
lichen Ergebnisses um 1,5 Prozent hinnehmen. Die
Folgen sind unübersehbar. Wir werden in diesem Jahr mit
33 000 Insolvenzen die größte Zahl von Firmenpleiten
seit dem Ölpreisschock Anfang der 70er-Jahre zu ver-
zeichnen haben. Das ist die Realität.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Da hat aber die SPD regiert!)


Es wird nicht deutlich genug gesagt, dass darüber hi-
naus noch 8 000 bis 10 000 Betriebe in diesem Jahr still
liquidiert werden,


(Hans Georg Wagner [SPD]: Weil sie keinen Nachfolger finden!)


weil entweder kein Nachfolger vorhanden ist oder weil
sich das Geschäft nicht mehr lohnt. Diese Realität ist das
Ergebnis Ihrer verfehlten Wirtschaftspolitik.

Die Gründe für die desolate Situation in der Wirtschaft
und auf dem Arbeitsmarkt liegen nicht außerhalb unserer
Grenzen. Sie liegen in der verfehlten Wirtschafts-, Fi-
nanz- und Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung –
in nichts anderem.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Eichel, die Steuerreform haben Sie in den Sand

gesetzt. Ich habe Ihnen hier im Mai 2000 gesagt: Wer eine
Steuerreform zugunsten der Kapitalgesellschaften und
gegen Mittelstand und Arbeitnehmer in Deutschland
macht, der wird auf dem Arbeitsmarkt brutal scheitern.
Genau dies erleben wir jetzt. Sie haben die Philosophie
von Lafontaine übernommen, Unternehmen zu entlasten,
nicht aber Unternehmer. Ich sage Ihnen zum wiederholten
Male: Wer Unternehmer nicht entlasten will, der will auch
Arbeitnehmer nicht entlasten,


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Das ist falsch, was Sie sagen! Das wissen Sie auch!)


denn beide haben den gleichen Einkommensteuertarif.
Man muss wirklich die letzte Steuerschätzung zur

Kenntnis nehmen. Danach bricht die Körperschaftsteuer
von 45 Milliarden DM auf 5 Milliarden DM weg, wäh-
rend die Lohnsteuer erstaunlicherweise stabil bleibt.


(Joachim Poß [SPD]: Ja, weil Sie sie ausgehöhlt haben!)


Mir hat der hessische Finanzminister Weimar vor we-
nigen Tagen gesagt – Hessen sollte Ihnen ja ein Begriff
sein –,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

dass in diesem Bundesland im Jahr 2001 die Zunahme bei
der Lohnsteuer größer ist als die gesamte Einnahme bei
der Körperschaftsteuer. Das ist die Realität und zeigt im
Kern, was ich Ihnen mehrfach sagte, Herr Eichel – Sie
haben es auch nie widerlegen können –: Ihre größte




Peter Rauen

19949


(C)



(D)



(A)



(B)


Steuerreform aller Zeiten ist ein Betrug an der Mathema-
tik. Sie haben dem Tarif 2005 Preise von 1999 überge-
stülpt. Ein Arbeitnehmer, der von 2001 bis 2005 nur
2,5 Prozent Lohnerhöhung bekommen haben wird, wird
im Jahr 2005 trotz dieser Reform prozentual mehr Steu-
ern zahlen als im Jahr 2001.


(Hans Eichel, Bundesminister: Falsch! – JochenKonrad Fromme [CDU/CSU]: So ist es!)


– Nein, Sie haben dem nie widersprechen können. Herr
Eichel, Adam Riese können Sie nicht überlisten. Das ist
einfach zu überprüfen. Deshalb können Sie das nicht wi-
derlegen.

Das zeigt sich auch bei den jetzt vorliegenden Steuer-
schätzungen. Für die Menschen ergibt sich keine Ent-
lastung. Herr Eichel, eine Steuerreform, die einerseits
entlastet – das wurde eben schon von den Kollegen
Austermann und Rexrodt gesagt –,


(Joachim Poß [SPD]: Deshalb wird es auch nicht wahrer!)


die andererseits aber so aussieht, dass durch die Ökosteuer
den Leuten das Geld sofort wieder aus der Tasche gezo-
gen wird,


(Zuruf von der CDU/CSU: Sogar mehr!)

kann auf dem Arbeitsmarkt keine Wirkung haben. Damit
geht Kaufkraft verloren. Die Menschen können insgesamt
nicht mehr Geld ausgeben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg-Otto Spiller [SPD]: Sie können nicht rechnen, Herr Rauen!)


– Wenn Sie mir sagen, ich könne nicht rechnen, dann
nehme ich das gar nicht mehr ernst.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das kann man nicht mehr ernst nehmen!)


Ich habe bei Ihnen so viel Beratungsresistenz erlebt, dass
der Versuch zwecklos ist, Ihnen das beizubringen, weil
Sie es ohnehin nicht einsehen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie versuchen weiterhin permanent, die Menschen
über die wahren Gründe hinwegzutäuschen. Da sagte der
Umweltminister vor wenigen Tagen, die Höhe der Sozi-
alversicherungsbeiträge habe bei Übernahme der Re-
gierung durch Rot-Grün bei 44 Prozent gelegen. Das
stimmt nicht. Wir hatten 1998 Sozialversicherungs-
beiträge in Höhe von 41,9 Prozent. Da die Krankenkassen
die Beiträge jetzt erhöhen müssen, werden die Sozial-
versicherungsbeiträge im Jahr 2002 insgesamt 41,3 Pro-
zent betragen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: So ist es!)


Das heißt: Es gibt lediglich einen Rückgang um 0,6 Pro-
zentpunkte.


(Nicolette Kressl [SPD]: Bei Ihnen sind sie immer gestiegen, jedes Jahr!)


– Nein. Den Leuten ist es doch egal, wofür die Abzüge
sind, ob für die Rentenversicherung, die Krankenver-
sicherung, die Pflegeversicherung oder die Arbeitslosen-
versicherung.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Es ist schon ein Unterschied, ob es vom eigenen Geld kommt oder aus anderen Töpfen!)


Ich stelle fest: Sie haben in den letzten fünf Jahren ledig-
lich einen Rückgang um 0,6 Prozentpunkte erreicht. Ein
Beitragsprozentpunkt entspricht 16,9 Milliarden DM.
0,6 Prozentpunkte entsprechen 10,14 Milliarden DM. Das
ist die Erleichterung; das ist wahr. Aber mit der nächsten
Stufe der Ökosteuer – Sie lassen die Ökosteuer im Januar
wiedersteigen–undeinschließlichMehrwertsteuerwerden
Sie den Leuten 35Milliarden DM aus der Tasche ziehen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


Das heißt: Sie ziehen den Leuten 25Milliarden DM Kauf-
kraft aus der Tasche. Das ist die Realität.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: 6 Milliarden!)


Und dabei erzählen Sie uns noch permanent das Märchen,
Sie hätten die Lohnnebenkosten gesenkt. Das ist ein Witz
für jeden, der das solide betrachtet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Schlimmste ist: Sie könnten so viele Dinge tun, die

nichts kosten würden. Aber Ihnen einen Rat zu geben hat
ja keinen Zweck. Zum Vorziehen der nächsten Stufe der
Steuerreform sage ich gleich noch etwas. OECD, Inter-
nationaler Währungsfonds, EU raten uns seit Jahren, end-
lich einmal unseren Arbeitsmarkt zu deregulieren.


(Konrad Gilges [SPD]: Immer zulasten der Arbeitnehmer! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er ist gerade wach geworden! Er schläft aber gleich wieder ein!)


Ich empfehle Ihnen, das Gutachten des Sachverständi-
genrates zu lesen. Ich darf zitieren, was in diesem Gut-
achten – das ist ein im Auftrag der Regierung erstelltes
Gutachten – steht:

Am schwersten fällt der Bundesregierung das Um-
denken und Umsteuern bei der Gestaltung der
Arbeitsmarktordnung. Sie kann sich offenbar nicht
vorstellen, dass man es mit den Regulierungen auch
übertreiben kann.

So der Sachverständigenrat im November 2001.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, was haben Sie alles an

Zementierungen vorgenommen? Ich nenne nur einmal
630-DM-Jobs, Scheinselbstständigkeit, Ausweitung des
Kündigungsschutzes, Einschränkung befristeter Arbeits-
verhältnisse, Wiedereinführung der uneingeschränkten
Lohnfortzahlung, Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit und
nicht zuletzt Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





Peter Rauen
19950


(C)



(D)



(A)



(B)


Das alles sind Regulierungen, die Sie rückgängig machen
könnten, ohne dass es einen Pfennig kosten würde.

Herr Eichel, was ich bei Ihnen nie verstanden habe, ist
Ihre rein buchhalterische Sicht der Dinge.


(Zuruf von der CDU/CSU: Buchhalter sind keine Menschen!)


Sie sind ein Mensch, der nicht volkswirtschaftlich denken
kann.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber Sie, Kollege Rauen!?)


Sie haben uns immer gesagt: Wenn wir die Steuerreform
so machen, wie ihr sie wollt, dann können wir sie nicht be-
zahlen. – Was erleben wir in diesem Jahr? Plötzlich müs-
sen Bund, Länder und Gemeinden aufgrund eines völlig
wegbrechenden Wirtschaftswachstums 2001 und 2002
mit 31 Milliarden DM weniger auskommen, weil schlicht
und einfach Ihre miserable Wirtschafts-, Finanz-, Steuer-
und Arbeitsmarktpolitik in diese chaotische Situation ge-
führt hat.

Wie billig wäre es gewesen, vorausschauend die Un-
ternehmer und die Arbeitnehmer rechtzeitig zu entlasten
und nicht erst im Jahr 2005! Da bekommen sie lediglich
das zurück, was die kalte Progression, das Zusammen-
wirken von Inflation und Progression, ihnen vorher weg-
genommen hat.

Meine Damen und Herren, wir fordern weiterhin, die
Steuerreform vorzuziehen.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Aufgrund des finanzpolitischen Dilemmas, in das Ihre Po-
litik uns gebracht hat, haben wir uns entschieden, Ihnen
jetzt nur noch vorzuschlagen, die Steuerreform 2003 auf
2002 vorzuziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Ganze würde 15 Milliarden DM kosten. Davon ent-
fielen 5 Milliarden DM auf den Bund.

Herr Eichel, ich sage Ihnen: Die Arbeitnehmer haben
in den letzten Jahren trotz Steuerreform und trotz mäßiger
Lohnerhöhung Kaufkraftverluste hinnehmen müssen;
höhere Energiekosten haben ihnen die Kaufkraft entzo-
gen, die sie gebraucht hätten.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Der Rauen fährt Dienstwagen! Der weiß nicht, was Benzin kostet!)


Wenn wir den Tarifpartnern nicht durch eine Steuer-
entlastung die Chance geben, im nächsten Jahr zu mode-
raten Tarifabschlüssen zu kommen, dann, so fürchte ich,
geraten wir in eine Lohn-Preis-Spirale, wie sie schlimmer
nicht sein könnte und wie wir sie volkswirtschaftlich in
keinster Weise gebrauchen können. Nehmen Sie deshalb
das, was ich sage, ernst!

Fürmich ist nicht die Frage entscheidend, obwir uns die
Steuerreform unter fiskalischen Gesichtspunkten leisten
können. Fürmich ist die Frage entscheidend, obwir es uns

leisten können, sie nicht durchzuführen. Diese Unterlas-
sungkönnteeineTarifsituationzurFolgehaben,diesehrne-
gative volkswirtschaftlicheAuswirkungenmit sich bringt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine 20-minütige Redezeit ist abgelaufen; ich muss

leider zum Ende kommen.

(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Jawohl, Sie sind am Ende, Herr Rauen!)

– Ich durfte nicht, wie der Finanzminister, 40 Minuten
sprechen.

Herr Eichel, ich habe den Eindruck, dass Ihre Bera-
tungsresistenz unverändert fortbesteht. Daher gibt es aus
meiner Sicht nur ein Konjunkturprogramm: eine neue Re-
gierung im September nächsten Jahres.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420301800
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich jetzt dem Kollegen Oswald Metzger
das Wort.


Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420301900

Kollege Rauen, als ich nicht im Saal war, haben Sie mich
– das wurde mir zugetragen – der Unehrlichkeit geziehen.
Das kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Deshalb
werde ich gleich diejenige Zahl verifizieren, die ich zuvor
als Beweis für die Solidität unserer Regierung im Hin-
blick auf die Saldenbilanz – es geht um die vier Jahre
Schwarz-Gelb von 1995 bis 1998 und um die vier Jahre
Rot-Grün von 1999 bis 2002 – genannt habe.

Meine Zahlen stimmen. Sie haben schlicht und ein-
fach bestimmte Sondervermögen – beispielsweise Bun-
deseisenbahnvermögen, Erblastentilgungsfonds, Fonds
„Deutsche Einheit“, Verstromungsfonds – unterschlagen.
Ich habe mich auf eine Statistik vom Ende des Jahres 1994
bezogen, die unter Theo Waigel erstellt worden ist. Da-
mals lag der Schuldenstand des Bundes inklusive Sonder-
vermögen bei 744,7 Milliarden Euro. Vier Jahre vorher
waren es 603,6 Milliarden Euro. Das macht summa
summarum einen Schuldenzuwachs von 141,1 Milli-
arden Euro. Das entspricht 23,4 Prozent. Genau die Zahl
habe ich genannt.

Ich nutze die Gelegenheit, die Vergleichszahl zu wie-
derholen – dann steht es auch im Protokoll wiederholt
richtig –: Der Zuwachs der Verschuldung lag in unserer
Regierungszeit bei 38,6 Milliarden DM. Berücksichtigt
man die so genannte UMTS-Tilgung, liegt der Verschul-
dungszuwachs bei 5,2 Prozent. Berücksichtigt man die so
genannte UMTS-Tilgung nicht – damit käme man Ihnen
entgegen –, dann liegt der Verschuldungszuwachs bei
12 Prozent. Nicht mehr und nicht weniger habe ich be-
hauptet. Die von mir genannten Zahlen sind reell und be-
lastbar.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)





Peter Rauen

19951


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420302000
Zur Erwiderung er-
teile ich jetzt das Wort dem Kollegen Peter Rauen.


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1420302100
Herr Metzger, ich habe so
schnell die Zahlen nicht zur Hand. Sie müssen die aufge-
führte Nettoneuverschuldung der Jahre von 1995 bis 1998
solide addieren. Dasselbe müssen Sie mit der aufgeführ-
ten Nettoneuverschuldung der Jahre von 1999 bis 2002
tun. Wenn Sie so vorgehen, dann kommen Sie zu demsel-
ben Ergebnis, das ich hier vorgetragen habe.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie das, was mit „Sondervermögen“ verrechnet

wird, ins Feld führen, dann müssen Sie auch das berück-
sichtigen, was der KollegeAustermann schon heute Mor-
gen gesagt hat: In den Jahren von 1995 bis 1998 lagen die
Privatisierungserlöse bei rund 25,3MilliardenDMunddie
Privatisierungserlöse einschließlich der Einnahmen durch
die Versteigerung der UMTS-Lizenzen in den Jahren von
1999 bis 2002 werden bei 165 Milliarden DM liegen.

Das ist kein Seminar. Hier hören viele Menschen zu,
die all diese Rechnungen nicht kapieren und nur verwirrt
werden. Wenn Sie sagen, die haben so viel Schulden ge-
macht und wir haben so viel weniger Schulden gemacht,
dann ist das einfach unsolide. So darf man einfach nicht
vorgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die nackte Wahrheit!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420302200
Wir fahren in der
regulären Debatte fort. Nächste Rednerin ist die Kollegin
Franziska Eichstädt-Bohlig für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollegen! Ich habe fast drei Stunden sehr aufmerksam zu-
gehört. Ich bin erst seit einem Dreivierteljahr Mitglied des
Haushaltsausschusses. Ich fühle mich da ein Stück weit
als Lehrling. Was die Redebeiträge der Opposition an-
geht, hat mich die heutige Debatte etwas erschreckt.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Nicht nur Sie!)

Ich habe Schönfärberei in Bezug auf das, was passiert

ist, als die vorherige Koalition die Regierungsverantwor-
tung trug, gehört. Sie haben Schaumschlägerei in Bezug
auf das praktiziert, wovon Sie glauben, dass es in Zukunft
überhaupt zu machen sei. Ich habe keinen einzigen
konstruktiven Vorschlag gehört, der machbar ist. In Be-
zug auf die Wirtschaftsentwicklung haben Sie Schwarz-
malerei betrieben. Wenn man dem Minister nach seiner
Rede vorwirft, er könne nicht volkswirtschaftlich denken,
dann ist das wirklich schon fast wie unangenehmes
Schafsgeblöke. Ich glaube wirklich, Sie müssten der
Ernsthaftigkeit der Debatte ein bisschen gerechter wer-
den, als Sie das bisher getan haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn ich die Dinge richtig verstanden habe, dann ha-
ben wir – das ist das Erste – keine Rezession, sondern ein
geringeres Wachstum als vorausberechnet. Wir sind
schon an der Schwelle einer Wachstumsschwäche, aber
nicht in der Rezession. Ich halte es für unverantwortlich,
wenn wir Politiker gegenüber den Bürgern durch
Schwarzmalerei hier eine Rezession herbeireden. Damit
tun wir niemandem etwas Gutes und das darf weder die
Opposition noch die Koalitionsseite machen. Ich halte
das für wirklich unverantwortlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Aber man muss erst einmal eine vernünftige Analyse machen!)


Das Zweite: Wir haben – das trifft zu – Probleme mit
der Arbeitslosigkeit, die deutlich mehr angestiegen ist,
als wir alle es gehofft hatten. Aber ich möchte auch hier
ein Stück Ehrlichkeit haben. Ich sitze hier in vielen De-
batten, und obwohl eigentlich klar ist, dass in einer Markt-
wirtschaft die Wirtschaft die Arbeitsplätze schafft,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Der Bundeskanzler hat das ja anders angekündigt!)


wird jetzt so getan, als wären wir in einer Planwirtschaft,
als müsste die Arbeitsplatzfrage von oben qua Dekret ge-
klärt werden, als müssten hier die Arbeitsplätze aus dem
Hut gezaubert werden. Ich glaube, damit werden wir die-
sem schwierigen Problem auch nicht gerecht. Auch da
werbe ich dafür, dass die Opposition etwas nachdenkli-
cher wird, als sie das bis zur Stunde gezeigt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt: Ich muss sagen, ich verstehe es im-

mer noch nicht. Sie wollen, dass wir durch Vorziehen der
nächsten Stufe der Steuerreform die Steuern weiter sen-
ken, obwohl niemand weiß, woher das Geld dafür kom-
men soll. Gleichzeitig wollen Sie, dass wir die Ausgaben
zur Stimulation der Konjunktur steigern, insbesondere
die Investitionsausgaben, obwohl Sie auch nicht sagen
können, woher Sie das Geld dazu nehmen wollen. Außer-
dem hat Herr Austermann – da musste ich sogar mein Ma-
nuskript korrigieren – nicht nur versprochen, er würde die
Nettokreditaufnahme noch halten, sondern auch ver-
sprochen, er könnte sie senken. Da kann ich nur sagen:
Bingo, herzlichen Glückwunsch! Wie Sie diese Quadratur
des Kreises hinkriegen wollen, verstehe ich wirklich beim
besten Willen nicht. Ich erwarte nach wie vor von einer
Opposition, dass sie mit Daten und Zahlen und mit unse-
rer Haushalts- und Verschuldungslage sehr ernsthaft um-
geht und den Bürgern keine falschen populistischen Ver-
sprechungen macht, wie Sie das hier jetzt stundenlang
getan haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Um wie viel senken Sie denn die Rentenversicherungsbeiträge?)


Dann versprechen Sie auch, Sie könnten gleichzeitig
die Ökosteuer nicht nur aussetzen, sondern sie nach
Möglichkeit noch rückgängig machen, Sie könnten die
Sozialversicherungsbeiträge senken und hätten damit






(C)



(D)



(A)



(B)


alles im Griff. Sie müssen mal langsam das Einmaleins
lernen, das unsereins in der Schule gelernt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Austermann hat sich noch so weit verstiegen und
gesagt, das, was Rot-Grün mache, sei keine Konsolidie-
rungspolitik, sondern er könnte hier eine nachhaltige Fi-
nanzpolitik einbringen; er könnte den künftigen Genera-
tionen versprechen, dass in Zukunft die Schulden sinken.
Ich habe wirklich nicht verstanden, Herr Kollege
Austermann,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das glaube ich gern!)


wie Sie das eigentlich wahr machen wollen. Mir ist nicht
klar, was Sie eigentlich vorschlagen. Sie sollten hier nicht
nur ständig Kritik üben, sondern auch sagen, was Sie
wirklich machen wollen. Daraus bin ich nicht schlau ge-
worden. Vielleicht schaffen Sie es ja noch einmal, uns das
zu erklären. Ich hatte das Gefühl, dass das, was Sie uns
hier empfehlen wollen, ziemlich kraus und konfus ist.

Lassen Sie mich eines noch konkret schildern. Kolle-
gin Luft hat gesagt, man solle die Ausgaben der künftigen
Zeit zur Stärkung der Investitionskraft vorziehen. Das
haben Sie ja auch ständig gefordert. Ich habe mir noch
einmal herausgeholt, was Sie seinerzeit mit den Straßen-
bauinvestitionen gemacht haben, die Sie damals durch
private Vorfinanzierung realisieren wollten, was zulas-
ten unserer jetzigen Investitionskraft geht. Ich möchte Ih-
nen die Zahlen noch einmal vortragen. Wir haben heute
Lasten aus der privaten Vorfinanzierung von Autobahn-
bauprojekten und Straßenbauprojekten in Höhe von
7,5 Milliarden Euro, und von diesen 7,5 Milliarden sind
4,5 Milliarden echte Bauinvestitionen und 3 Milliarden
Vorfinanzierungskosten, die wir alle mitfinanzieren müs-
sen. Da wir von Ihnen einen riesigen Schuldenberg geerbt
haben, müssen wir die Schulden jetzt durch neue Kredit-
aufnahme abbezahlen. Das heißt, wir zahlen die Finan-
zierungskosten zweimal, einmal durch eigene Kreditauf-
nahme und einmal durch die Kreditaufnahme der
Vorfinanzierung.

Wenn Sie uns jetzt vorwerfen, wir hätten nicht mehr
Spielraum zur Stärkung der Investitionskraft, dann kann
ich Ihnen anhand dieses Beispiels ganz genau sagen: Pri-
vates Vorfinanzieren und Vorziehen von Investitionen, die
späteren Generationen und Haushalten zugute kommen
sollen, ist eine unsolide Politik. Sie haben die unsolide Po-
litik betrieben und werfen uns heute vor, wir hätten nicht
mehr Geld für Investitionen. Das müssten Sie sich wirk-
lich einmal überlegen. Gucken Sie sich Ihre eigene Haus-
haltspolitik von damals an!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch Ihre Vorwürfe im Hinblick auf das, was beim
Bürger im Portemonnaie bleibt, sind falsch. Es ist völlig
falsch, immer zu behaupten, die Ökosteuer habe sämtli-
che anderen Positionen geschluckt. Das stimmt überhaupt
nicht. Wir haben Steuern gesenkt. Wir haben das Wohn-
geld erhöht. Wir haben das BAföG erhöht. Wir haben das
Kindergeld deutlich erhöht. Wir haben eine Reihe von

Transferleistungen stabilisiert und punktuell erhöht. Da
können Sie doch nicht sagen, wir hätten nicht die Kauf-
kraft der Bürger gesteigert.

Wir wollen insbesondere die Kaufkraft der Bürger mit
kleinem Portemonnaie steigern und haben dies auch ge-
tan. Das ist sehr wichtig. Denn dort kann die Binnen-
nachfrage wachsen. Ansonsten müssen wir einfach sehen,
dass wir eine Wohlstandsökonomie haben, wo der Bin-
nenmarkt in hohem Maße gesättigt und die Nachfrage
nicht beliebig steigerbar ist. Das Wachstum kann nicht
einfach im Innenbereich angekurbelt werden, sondern ist
überwiegend auf den Exportbereich angewiesen.

Wir haben gerade im parlamentarischen Verfahren die
Investitionskraft sehr wohl noch einmal ein Stück weit ge-
genüber der Regierungsvorlage gesteigert. Beim Markt-
einführungsprogramm haben wir noch einmal 100 Milli-
onen Euro aufgesattelt. Wir haben die Mittel für die
Energieforschung gesteigert. Wir haben die Mittelstands-
förderung gerade auch für Ostdeutschland gestärkt und
stabilisiert. Das gilt auch für die sonstige Forschung in
Ostdeutschland im Wirtschaftsetat.

Wir investieren 20,8 Milliarden in die Verkehrsinfra-
struktur. Ich sage Ihnen ganz klar: Wer meint, man könne
durch Verlagerung von Investitionen von der Bahn auf
die Straße die Investitionskraft steigern, unterliegt
schlicht einem Irrtum. Wir brauchen die Gelder gerade bei
der Bahn.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Die muss sie aber auch ausgeben!)


Bei der Bahn werden auch mehr Arbeitsplätze gebunden.
Im Straßenbau haben wir ausreichend Gelder. Pflastern
Sie doch nicht ganz Deutschland zu, sondern lassen Sie
uns die Gelder dort einsetzen, wo es von der Umweltver-
antwortung und vom Klimaschutz her sinnvoll und nötig
ist und wo unsere Bürger sie auch brauchen, damit die
Bahn wieder pünktlich fährt und auch die Fläche ver-
nünftig erschließt! Fordern Sie nicht falsche Investitio-
nen! Wir wollen die Mittel umweltverträglich und sinn-
voll einsetzen und nicht Investitionen um ihrer selbst
willen stärken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andere Punkte sind schon genannt worden, gerade der

Stadtumbau Ost. Es ist, wie Minister Eichel erklärt hat,
schon absurd, dass Sie durch eine falsche Stimulation von
Wirtschaftsimpulsen und durch Überentwicklung der
Bauwirtschaft im Osten dazu beigetragen haben, dass wir
den Stadtumbau Ost und auch so harte Maßnahmen wie
Abrisse wieder fördern und finanzieren müssen. Das ist
absurd, und von daher wollen wir auf keinen Fall eine
Konjunkturpolitik, die Fehlallokationen mit sich bringt.
Vielmehr wollen wir sehr genau darauf schauen, dass die
Maßnahmen, die wir durchführen, sinnvoll, gesellschaft-
lich nötig und ökologisch zukunftsfähig sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben den Stadtumbau Ost und die Städtebauför-

derung wieder gestärkt. Wir haben die „soziale Stadt“
gestärkt. Wir haben wieder den sozialen Wohnungsbau
gestärkt, wobei wir – außer in Ballungsräumen wie Mün-
chen, Stuttgart, Frankfurt – nicht so sehr an den Neubau




Franziska Eichstädt-Bohlig

19953


(C)



(D)



(A)



(B)


denken, sondern an die Aufgabe der Bestandserneuerung,
die der soziale Wohnungsbau in einer Reihe von Städten
dringend braucht, damit wir keine soziale Schieflage in
einzelnen Stadtquartieren bekommen.

Wir haben auch im Bereich Agrarwende ganz deutli-
che Zeichen gesetzt. Wir stärken den Verbraucherschutz.
Wir haben das Förderprogramm für ökologische Modell-
projekte und ein Förderprogramm für den Umbau von
Ställen auf artgerechte Tierhaltung auf den Weg gebracht.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das belebt die Konjunktur! Legehennen!)


Gerade im ländlichen Raum wird also mit unserer Haus-
haltskonzeption aktiv investiert. Das wird sowohl der
Bauwirtschaft als auch der Landwirtschaft gut tun.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Kurzum: Wir haben dem Haushalt einige grüne Im-
pulse gegeben. Darauf sind wir sehr stolz. Wir lassen uns
aber durch Sie in keiner Weise vom Konsoli-
dierungskurs abbringen. Denn er ist die Voraussetzung
für zukunftsfähige Haushaltspolitik. Wir haben noch ei-
nen schwierigen Weg vor uns. Er ist durch die Kon-
junkturentwicklung durchaus nicht leichter geworden;
das behauptet hier niemand. Diesen Konsolidierungskurs
werden wir im Interesse der folgenden Generationen fort-
führen. Wir machen keine unverantwortliche Haushalts-
politik allein mit Blick auf den nächsten Wahltermin, son-
dern eine verantwortliche für die Zukunft und für unsere
Kinder.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Gesundbeterei macht ihr, sonst nichts!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420302300
Das Wort für die FDP-
Fraktion hat jetzt der Kollege Jürgen Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1420302400
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Wenn es richtig ist, dass der Bun-
deshaushalt das Schicksalsbuch der Nation ist, dann
– das wird jedem sofort klar – sieht angesichts des Bundes-
haushaltes 2002 das Schicksal der deutschen Nation sehr
düster aus.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Ihr wolltet schon unsere Leute!)


Ich habe außerordentlich bedauert – es ist ja mehrfach da-
rauf hingewiesen worden, dass es die letzte Haushaltsde-
batte der rot-grünen Koalition ist –, dass nicht einmal der
Bundesfinanzminister, nachdem es schon die Redner der
Koalition nicht gemacht haben, eine Bilanz der Haus-
haltspolitik der rot-grünen Koalition gezogen hat. Dass
er das vermieden hat, kann ich sehr gut verstehen, aber
man soll uns dann nicht Vorwürfe machen, wenn wir
Kritik üben und für den Finanzminister diese Bilanz auf-
stellen. Diese Bilanz ist ja ausgesprochen schlecht. Das
haben wir vorhin auch an der Rede des Bundesfinanz-
ministers gemerkt. Der Bundesfinanzminister hat sich

doch nur noch auf die Funktion eines Buchhalters der Na-
tion zurückgezogen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dies ist korrekt!)


Seine Zettelwirtschaft, die er uns hier präsentierte, hat ge-
nau gezeigt, dass er Buchhalter der Nation und nicht mehr
sein will. Er handelt nicht mehr als Politiker, sondern nur
noch als Buchhalter;


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lydia Westrich [SPD]: Buch oder Zettel?)


denn – das ist doch ganz klar – von diesem Haushalt ge-
hen keine Impulse für die kommende Zeit aus und in ihm
werden keine konjunkturfördernden Maßnahmen ergrif-
fen. Von diesem Bundeshaushalt kann man keine Signale
erwarten, die sich positiv auf die Konjunktur auswirken.

Herr Bundesfinanzminister, gerade von Ihnen – das
müssen Sie sich schon vorhalten lassen – erwarten wir po-
sitive Signale für die Konjunktur. Sie sind eben nicht nur
Buchhalter. Warum – das müssen wir fragen – hat denn
1998 Ihr Vorgänger als Bundesfinanzminister, Oskar
Lafontaine, große Bereiche dem Wirtschaftsministerium
weggenommen und dem Finanzministerium zugeschla-
gen?


(Lydia Westrich [SPD]: Wie war das mit dem Markt?)


Das hat doch Gründe. Das Wirtschaftsministerium ist to-
tal amputiert. Ich mache dem Wirtschaftsminister keinen
Vorwurf, dass er heute nicht da ist. Er hat nichts mehr zu
sagen und ist zum „Gruß-August“ dieser Nation degra-
diert worden.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das macht er aber gut!)


Sie aber sind derjenige, der für die Konjunktur zuständig
ist. An dieser Einsicht mangelt es erheblich. Sie haben
sich heute nur noch als Buchhalter präsentiert.

Mein Kollege Rexrodt hat es vorhin schon gesagt
– dass Sie nicht mehr darauf eingegangen sind, kann ich
ja verstehen –: Der Bundeskanzler hat uns doch aufgefor-
dert – nicht von uns ging es aus –, ihn an den Arbeits-
losenzahlen zu messen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Und zwar wiederholt!)


Nun tun wir das und Sie sind beleidigt. Das darf doch
nicht wahr sein.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wo, Herr Bundesfinanzminister, befinden sich in Ihrem
Haushalt die positiven Signale für die Konjunktur in
Deutschland? Ich sage zwar, dass Sie nur Buchhalter sind,


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sie sollten die Buchhalter nicht laufend beleidigen!)


dennoch verkünden Sie auch hin und wieder etwas aus
Ihrem Ministerium. Ich will das einmal an einer wörtli-
chen Aussage deutlich machen:

Das Bundesfinanzministerium räumte ein, dass die
Risiken für die Konjunktur größer geworden seien.




Franziska Eichstädt-Bohlig
19954


(C)



(D)



(A)



(B)


Darauf beschränken Sie sich. Aber wo sind denn Ihre Vor-
schläge und Ihre Maßnahmen, auf deren Basis Sie uns sa-
gen können, dass sich im kommenden Jahr die Konjunk-
tur besser entwickeln werde und die Arbeitslosenzahlen
sinken werden? Hierzu haben Sie keine Vorschläge ge-
macht. Sie üben sich zwar in Gesundbeterei, wobei ich Ih-
nen das Beten noch nicht einmal zutraue,


(Hans Eichel, Bundesminister: Herr Koppelin, das war daneben!)


aber wirklich heraus kommt nichts. Uns hingegen werfen
Sie Schwarzmalerei vor. Wir können uns ja noch nicht
einmal mit Ihnen messen, weil Sie hier gar keine Vor-
schläge machen, Herr Minister Eichel. Da helfen auch
Ihre Zurufe nichts.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, auf den
meine Kollegin Vorrednerin, deren Aussagen übrigens de-
nen des Bundesfinanzministeriums widersprechen, auf-
merksam gemacht hat: Als Gründe für die schwache Kon-
junktur nennt der Finanzminister natürlich das Ausland.
Das ist jetzt sehr beliebt. Den 11. September hat er zwar
heute nicht genannt, aber dieses Datum ist ja in dieser Ko-
alition neuerdings sehr beliebt; alles hat irgendwie mit
dem 11. September zu tun, so hätte danach die Nachfrage
aus dem Ausland nachgelassen. Jetzt kommt das Interes-
sante für die Grünen: Der Bundesfinanzminister sagt,
Nachwirkungen der Energieverteuerung hätten zu einer
deutlichen Abschwächung der realen Kaufkraft der priva-
ten Haushalte geführt und dadurch den privaten Konsum
belastet. Das ist eine Aussage des Bundesfinanzministe-
riums. Das haben auch wir immer gesagt, Sie aber kriti-
sieren das als Schwarzmalerei. Aus Ihrer Sicht macht er
das ja auch. Insofern bestätigen Sie, Herr Bundesfinanz-
minister, das, was wir früher gesagt haben.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie viel Entlastung wir dem gegenübergestellt haben, wollen Sie nicht hören!)


Dass Sie dann noch zusätzlich die Steuern anheben
– ich nenne Tabak- und Versicherungsteuer –, führt
mich allerdings zu einer Feststellung: Dass Sie nicht in
der Lage sind, aus diesem Bundeshaushalt 3 Milliarden
DM für ein Antiterrorpaket zu erbringen, zeigt doch,
dass Sie mit diesem Bundeshaushalt gestalterisch über-
haupt nicht wirken. Sie müssen die Steuern erhöhen. Ihr
Problem ist doch, dass Ihnen nichts anderes eingefallen
ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das kommt mir so bekannt vor. Das ist wahrscheinlich eine
Idee Ihres Staatssekretärs Overhaus gewesen. Das kennen
wir aus unserer Koalition; da hatte er ebenfalls nur noch
solche Ideen. Viel ist davon nicht übrig geblieben.

Diejenigen aus der Wirtschaft, die darauf gewartet ha-
ben, welche Impulse Ihre Rede bringt, sind bitter ent-
täuscht worden, Herr Finanzminister.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!)

Da Sie vorhin gesagt haben, der Haushalt wirke auf die
Konjunktur, muss ich einräumen: Das ist im Prinzip rich-

tig. Aber Ihr Haushalt wirkt nicht auf die Konjunktur, son-
dern er erwürgt sie.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Was haben Sie uns versprochen? – Sie haben uns ver-

sprochen, die Lage der Staatsfinanzen zu verbessern. Sie
haben uns versprochen, die Arbeitslosenzahl zu senken.
Sie haben uns versprochen, eine zukunftsorientierte
Haushaltspolitik zu machen, die Prioritäten setzen sollte.
Nichts davon ist geschehen. Das ist die Bilanz, die wir
heute ziehen müssen. Wir messen Sie an Ihren Verspre-
chen. Kommen Sie also nicht damit an, was wir in unse-
rer Koalition alles gemacht oder nicht gemacht haben.

Ich erkläre in Richtung meiner Kolleginnen und Kol-
legen vom Bündnis 90/Die Grünen: Angesichts Ihrer
Beiträge muss ich sagen, dass Sie doch gar nichts mehr zu
melden haben. Sie haben Ihre Duftnoten im Haushalt
nicht gesetzt. Das wundert mich übrigens nicht. An dieser
Stelle werde ich doch noch ein Zitat von Gerhard
Schröder los. Es stammt aus dem „Stern“ kurz vor der
Bundestagswahl; vielleicht kennen Sie es. Es gab ein
Streitgespräch zwischen Schröder und Fischer – die Kol-
legin Andrea Fischer hat diese Politik von Schröder im
Kabinett anschließend selbst erlebt –, in dem Schröder
sagte:

In einer rot-grünen Konstellation muss klar sein: Der
Größere ist der Koch, der Kleinere ist der Kellner.
Dies nicht zu akzeptieren ist eine typische Form grü-
ner Überheblichkeit.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagen Sie denn über den Haushalt?)


So weit Gerhard Schröder. Danach richtet er sich. Des-
wegen können Sie überhaupt keine Duftnoten setzen.

Dann haben uns der Bundesfinanzminister, aber auch
der Bundesverteidigungsminister erzählt, es gebe beim
Verteidigungsminister eine Gelddruckmaschine, nämlich
die GEBB. Toll, es wurden uns Einnahmen in Milliar-
denhöhe versprochen. Es ist aber nichts geschehen. Die
Geschäftsführerin hat trotz des hohen Gehalts inzwischen
das Handtuch geworfen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dann wird der nächste gescheiterte Ministerpräsident abgefunden!)


Da wird man ganz nachdenklich. Ich sage Ihnen, Herr
B
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420302500
Anscheinend macht
die GEBB noch einen Sinn, nämlich zur Versorgung abge-
wählter Bürgermeister beispielsweise aus Hamburg.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Die läuten eine neue „Runde“ ein!)


Das kann allerdings nicht der Sinn der GEBB sein. Sie
sollten daher unserem Antrag in dieser Woche zustimmen
und die GEBB abschaffen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





Jürgen Koppelin

19955


(C)



(D)



(A)



(B)


Dann kommt die alte Mär und die alte Leier sowohl
von den Grünen als auch vom Finanzminister, was sie für
Wohltaten verteilt haben. Sie sagen in diesem Zusam-
menhang, dass Sie zum Beispiel das Kindergeld erhöht
haben. Das ist zwar wahr. Aber haben Sie einmal mit den-
jenigen gesprochen, denen Sie die Freibeträge gestrichen
haben und die jetzt viel weniger in der Tasche haben?
Nennen Sie doch mal den Prozentsatz der Kindergeldbe-
zieher, denen Sie etwas weggenommen haben! Für fast
40 Prozent der Betroffenen haben Sie die Freibeträge so
gestrichen, dass sie am Ende weniger haben. Das ist Ihre
Bilanz, und die Menschen wissen das.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deswegen war ich vorhin nicht traurig, dass Sie Ihre Re-
dezeit weit überzogen haben, Herr Bundesfinanzminister.
Meinetwegen könnten Sie hier drei Stunden reden. Mein
Eindruck ist, dass uns das nur Wählerstimmen bringt.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Herr Bundesfinanzminister, Sie haben viel verspro-
chen, aber nichts gehalten. Mein Kollege Rexrodt hat es
vorhin schon angedeutet – ich will es noch einmal deut-
lich sagen –: Ihre Aufgabe ist es – nicht allein in Deutsch-
land; wir sind im vereinten Europa –, innerhalb der Euro-
päischen Union mit den anderen zuständigen Ministern
darüber zu sprechen, wie man in Europa gemeinsam ein
Programm auflegen kann, damit die Konjunktur angekur-
belt wird. Das wäre wichtig für Europa insgesamt. Das ist
jedenfalls unsere Auffassung.

Mein Kollege Rexrodt hat vorhin gesagt, Sie, Herr
Minister, hätten viel Vorschusslorbeeren bekommen, als
Sie Ihr Amt antraten, und auch in der Zeit darauf.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420302600
Apropos Zeit, Herr
Kollege Koppelin: Ihre Redezeit ist abgelaufen.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1420302700
Ich komme zum Schluss. –
Es ist wahr, dass Sie viel Vorschusslorbeeren bekommen
haben. Nur, Herr Minister, mein Eindruck ist, Sie haben
sich zu lange auf diesen Vorschusslorbeeren ausgeruht.
Wer sich auf Lorbeeren ausruht, der hat diese Lorbeeren
an der falschen Körperstelle.

Vielen Dank für Ihre Geduld.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420302800
Jetzt spricht die Kol-
legin Heidemarie Ehlert für die PDS-Fraktion.


Heidemarie Ehlert (PDS):
Rede ID: ID1420302900
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Sie hatten eben gerade gehört, dass
der Haushalt 2002 Kochrezepte braucht. Wo sind diese
Kochrezepte? Ich vermisse Einsparvorschläge und Vor-
schläge zu Umverteilungen oder zu Einnahmenerhöhun-
gen. Dazu hat die PDS-Fraktion viele Anträge einge-
bracht. Sie haben in dieser Woche noch die Chance,
diesen Anträgen zuzustimmen.


(Beifall bei der PDS)


Nicht zustimmen können wir allerdings dem heute un-
terbreiteten Vorschlag, der weitere Steuerausfälle von
15 Milliarden DM nach sich ziehen würde. Darunter lei-
den die Kommunen.Wir hören schon jetzt, dass viele ei-
nen Sparkommissar beantragt haben. Ich denke also, dass
wir diesen Vorschlag nicht mittragen können.

Aber was wollen wir mit unseren Umverteilungsvor-
schlägen erreichen? Wir wollen weder Zinsen zahlen
noch die Mittel für den Verteidigungshaushalt aufstocken.
Nein, in erster Linie sollen sie für soziale Sicherheit,
existenzsichernde Arbeitsplätze und Bildungschancen
für alle sorgen.


(Beifall bei der PDS – Zuruf von der CDU/CSU: Davon müsst ihr gerade reden!)


Die Steuerreform hat in den vergangenen Jahren weder
zu mehr Arbeitsplätzen noch zu mehr Steuern geführt.
Selbst dort, wo Steuern gezahlt werden müssten, verzich-
tet der Finanzminister großzügig, so wie in dem Fall des
bayerischen Rüstungskonzerns Diehl. Die zuständige Be-
triebsprüferin wurde von der Oberfinanzdirektion Nürn-
berg angewiesen, die Beteiligungen der Diehl-Gesell-
schafter als Privatvermögen anzuerkennen. Das kommt
dem Verzicht auf 60 Millionen DM Steuern gleich und
wird auch noch vom Bundesamt für Finanzen abgesegnet.
Das ist ein Skandal!


(Beifall bei der PDS)

Wozu brauchen wir dann noch ein Finanzamt oder Steu-
ergesetze, wenn der Finanzminister bestimmt, ob Gesetze
anzuwenden sind oder nicht?

Bayern hat aber auch gezeigt, dass durch den Einsatz
von mehr Betriebsprüfern auch ein Mehr an Steuerein-
nahmen möglich ist. Wir fordern nicht erst seit heute in-
tensivere Betriebsprüfungen bei Großunternehmen und
Banken sowie eine bessere personelle und technische
Ausstattung der Finanzämter, um Einnahmeausfälle in
Milliardenhöhe zu verhindern.

Wir fordern auch eine konsequente Bekämpfung der
Umsatzsteuerhinterziehung. Bereits seit fünf Jahren
macht der Bundesrechnungshof auf den wachsenden Um-
satzsteuerbetrug und auf damit verbundene Steuerausfälle
in zweistelliger Milliardenhöhe aufmerksam. Auch in der
Europäischen Union wird es zum Volkssport, Umsätze zu
verschleiern und Vorsteuern zu erschleichen. Hier muss
man schon von organisiertem Verbrechen sprechen. Es ist
höchste Zeit, dass dagegen endlich etwas getan wird.


(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren von der Koalition, als im

Frühjahr dieses Jahres der Bericht des Bundesrechnungs-
hofes dazu vorlag, wollten wir das noch gemeinsam ange-
hen, und zwar mit einem interfraktionellen Antrag. Das
war dann irgendwann leider vergessen.Das alleswäre halb
so schlimm, wenn jetzt der Vorschlag der Regierung ziel-
genau und ausreichend wäre. Aber leider ist dem nicht so.

Eine Reihe von Problemen sind nicht nur aus unserer
Sicht unzureichend geklärt. Nehmen wir nur einmal den
Punkt „Sicherheitsleistung“. Abgesehen davon, dass es
wohl fraglich ist, ob ein Existenzgründer eine solche in




Jürgen Koppelin
19956


(C)



(D)



(A)



(B)


Form einer Bankbürgschaft vorlegen kann, wird die Fest-
legung der Höhe der Sicherheitsleistung dem einzelnen
Beamten des Finanzamtes überlassen. Für äußerst proble-
matisch halte ich, dass Unternehmen eine Sicherheitsleis-
tung für einen gesetzlichen Anspruch, nämlich die Um-
satzsteuererstattung, nur deshalb vorweisen müssen, weil
die Finanzämter aufgrund der Personalausstattung nicht
in der Lage sind, zeitnah zu prüfen.

Damit bin ich gleich beim nächsten Punkt: Wir können
Gesetze beschließen, wie wir wollen; aber wir brauchen
auch die Menschen dazu, die sie letztendlich umsetzen.
Eine Bundessteuerfahndung würde sich rechnen. Ge-
rade die dezentrale Verwaltung der Umsatzsteuer verführt
zum Betrug. Ob die Haftung für schuldhaft nicht abge-
führte Steuern das Problem lösen wird, ist auch noch aus-
zudiskutieren. Das Anliegen ist klar: So genannte
Karussellgeschäfte sollen verhindert werden, indem ein
Unternehmer, der Waren erhält und seine Rechnung zahlt,
dafür haftet, dass der Verkäufer auch wirklich die Um-
satzsteuer zahlt. Bildlich übersetzt bedeutet das: Sie ge-
hen auf den Markt, kaufen ein Kilo Äpfel und haften da-
mit dafür, dass der Verkäufer auch seine Standgebühren
gezahlt hat.

Hauptproblem ist und bleibt, dass sich weder die Re-
gierung noch die Europäische Union so richtig traut, das
Übel bei der Wurzel zu packen und das geltende Mehr-
wertsteuersystem infrage zu stellen. Es gibt eine Viel-
zahl von Vorschlägen zur Vereinfachung der Besteuerung.
Ich verweise hier nur auf den Vorschlag der Steuerbefrei-
ung von Umsätzen zwischen den Unternehmen, den der
rheinland-pfälzische Finanzminister gemacht hat. Sie hät-
ten natürlich auch die Möglichkeit gehabt, damals unse-
rem Antrag zur Bekämpfung der sinkenden Zahlungsmo-
ral durch eine Änderung des Umsatzsteuerrechtes oder,
einfacher gesagt, zur Erweiterung der Ist-Besteuerung zu-
zustimmen. Dann wären wir schon einen Schritt weiter.

Umsatzsteuerbetrug kann nur durch eine grundsätzli-
che Änderung weitestgehend vermieden werden. Alles
andere ist lediglich Schadensbegrenzung. Haushaltskon-
solidierung heißt nicht nur sparen oder neue Steuern er-
finden, sondern heißt, die Steuern, die gesetzlich gezahlt
werden müssen, auch entsprechend einzunehmen. Des-
halb bitte ich Sie, unserem Entschließungsantrag zu-
zustimmen.


(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420303000
Nächster Redner ist
der Kollege Hans Urbaniak für die Fraktion der SPD.


Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1420303100
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Ich will mich kurz befassen mit der Einnahmenseite
des Haushaltes, mit der Verschuldung, die mit immerhin
1,5 Billionen DM als Hinterlassenschaft der alten Regie-
rung auf uns lastet, mit der Konsolidierung, dem Konso-
lidierungsbeitrag insbesondere des Bundesfinanzminis-
ters für seinen eigenen Haushalt, mit den Subventionen,
die in der Tendenz bis 1998 stark anstiegen und nun er-
heblich sinken, und mit den administrativen Maßnahmen,

die auf einen modernen Staat, eine schlagkräftige Verwal-
tung und die Nutzung der ganzen technischen Neuerun-
gen bezogen sind, die insbesondere im Bereich der
Steuererfassung eingeführt werden müssen.

Es steht hier natürlich die Verkürzung bei der Um-
satzsteuer im Vordergrund. Wir haben ein Steuerverkür-
zungsbekämpfungsgesetz auf den Weg gebracht, das in
dieser Woche hier verabschiedet werden wird. Wir wis-
sen, dass das Potenzial in seiner Größenordnung nicht be-
schrieben werden kann; es sind Schätzungen. Aber dem
Fiskus entgehen über 20 Milliarden DM, 10,2 Mil-
liarden Euro. Diese Zahl wurde vom Landesfinanzminis-
ter von Baden-Württemberg geschätzt.

Das ist eine gewaltige Summe; das wissen Sie. Nun
handelt die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister.
Wir haben dafür 28 neue Planstellen geschaffen. Es ist
also nicht so, wie hier gesagt wurde, dass kein Personal
eingestellt würde; das Gegenteil ist richtig.


(Beifall bei der SPD)

Durch das Gesetz werden die Betrugsmaßnahmen, die
hier alle schon erläutert worden sind, besser erfasst und
schärfer bekämpft werden können.

Der Bundesrechnungshof – das sage ich an die Oppo-
sition auf der rechten Seite gewandt; Sie haben ja damals
regiert – hat Sie 1996 aufgefordert, Maßnahmen gegen
den Umsatzsteuerbetrug zu ergreifen, Gesetze zu schaf-
fen, Personal einzustellen. Das Ergebnis: Sie haben die
Mahnung des Bundesrechnungshofes in den Wind ge-
schlagen; Sie haben nichts getan. Erst mit Eichel sind
Maßnahmen ergriffen worden. Mit dem neuen Gesetz
wird jetzt die Bekämpfung eingeleitet werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage das, weil dies eine Tatsache ist und weil Sie sich
das selber, wie wir im Ruhrgebiet sagen, an die Backe kle-
ben müssen, richtig kräftig, damit Sie sich das immer
merken.

Der nächste Punkt, der im Rahmen unserer Beratung
eine Rolle spielt, ist die Strukturentwicklung der Bun-
desfinanzverwaltung. Wir wollen zukunftsträchtige,
moderne Strukturen schaffen. Haushaltswirtschaftlich ge-
sehen wollen wir im Finanzplan für den Zeitraum bis
2003 350 Millionen Euro berücksichtigen und im Finanz-
plan ab 2004 200 Millionen Euro einsparen.

Neben der Strukturentwicklung und der Neuorganisa-
tion der Zollverwaltung, von der wir sagen können, dass
sie sozial verträglich durchgeführt worden ist, muss man
sich auf die Erweiterung der Europäischen Union ein-
stellen; denn es ist natürlich davon auszugehen, dass die
östlichen Länder und Republiken darauf drängen, der Eu-
ropäischen Union beizutreten. Darauf muss man die Zoll-
organisation ausrichten. Dies ist geschehen. Wenn es so
weit ist, müssen vor allen Dingen sehr effektive, mobile
Gruppen, die in der Lage sind, der Betrugsbekämpfung
und den Maßnahmen, die sich als notwendig erweisen,
gerecht zu werden, eingesetzt werden. Zu diesem Zweck
haben wir die 37 Hauptzollämter und die Zollämter neu
organisiert. Für mich war wichtig, dass wir das für die




Heidemarie Ehlert

19957


(C)



(D)



(A)



(B)


Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, sozial ver-
träglich durchsetzen konnten. Unser Vorbild war die Si-
tuation im westlichen Bereich der Bundesrepublik
Deutschland. Dort musste das – beispielsweise zwischen
Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland – bei der
Verschweißung zur Europäischen Union ebenfalls ge-
macht werden.

Schließlich wird die Allfinanzaufsicht angepackt.
Man wird hier noch einen relativ schweren Weg gehen
müssen, weil sich große Institutionen wehren. Wir versu-
chen, einen Konsens herbeizuführen. Deshalb haben wir
auch die Ausgaben für die Ämter, die jetzt die Aufsicht
führen, noch nicht auf Null setzen können. Wir haben den
Zeitraum verlängert, weil wir davon ausgehen, dass die
Allfinanzaufsicht am 1. April bzw. 1. Mai gegründet wer-
den kann. Dafür haben wir die notwendigen Maßnahmen
getroffen. Die Kolleginnen und Kollegen konnten sich in
England, den USA, Japan und Singapur davon überzeu-
gen, wie sich dort die Maßnahmen, die sich aus der Allfi-
nanz ergeben, entwickeln und wie man dort vorankommt.

Es gibt einen Punkt, der mir sehr große Sorgen berei-
tet, das ist die Fiscus GmbH, die der Finanzminister ins
Leben rufen wird. Wir wollen die technischen Möglich-
keiten nutzen, um auf der Einnahmenseite die Maßnah-
men gerechter, schneller und effektiver zu treffen, sodass
wir sehr schnell alles in Ordnung bringen können. Leider
stelle ich fest, dass Bayern am 15. November dagegen war
und sich ausgeklinkt hat. Das ist ganz schlecht.

Der Subventionsbericht ist überzeugend. Die Anzahl
der Subventionen ist in der Tendenz abnehmend. Dem
Kollegen Austermann sage ich:


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Helau!)

Im Mai 2001 haben wir über den Nachtragshaushalt de-
battiert. Es wurde – unter anderem durch Sie – ein Antrag
eingereicht. Alle Experten haben gesagt – ich habe sie
sehr deutlich befragt; Sie können das im Protokoll nach-
lesen –: Ein Nachtragshaushalt ist nicht nötig. – So ist es
mit Ihren Prognosen: Für die Presse sind sie immer
schlagkräftig; für die Finanzwirtschaft taugen Sie aber
überhaupt nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben 100-prozentig gestimmt, und zwar auf eine Mark genau!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420303200
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht jetzt der Kollege Hans Jochen Henke.


Hans Jochen Henke (CDU):
Rede ID: ID1420303300
Kolleginnen und
Kollegen! Herr Minister Eichel, Sie haben sich im We-
sentlichen an der Rede orientiert, die Sie vor zweieinhalb
Monaten, am 11. September, gehalten haben. Auch am
11. September war Ihre Rede zum großen Teil rückwärts
gewandt; sie hat sich mit der Vergangenheit beschäftigt.
Wir wollen Sie nicht fragen, obwohl wir allen Anlass hät-
ten, wie in der Zeit von 1990 bis 1998 die Situation in
Hessen war.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dass wir
in genau diesem Zeitraum mit dem Institut der Europä-
ischen Zentralbank und mit den Maastricht-Kriterien die
entscheidenden Voraussetzungen und Grundlagen für
eine zukunftsorientierte, stabile und konsolidierte Ent-
wicklung geschaffen haben.

Herr Minister Eichel, Sie sind im Grunde ein Mann, der
auf seriöse Daten und belastbare Zahlen Wert legt und
diese immer in den Vordergrund stellt. Ich möchte Sie
gerne fragen: Stimmt es, dass Sie Ende des Jahres 1998
20 Milliarden DM an Privatisierungserlösen in das
Haushaltsjahr 1999 übernommen haben


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Aber nur widerwillig!)


und deshalb die Zahlen, die Sie als Bilanz der Politik der
alten Bundesregierung sowohl hinsichtlich der Verschul-
dung als auch hinsichtlich der Liquidität angeführt haben,
eigentlich unseriös sind? Diese Privatisierungserlöse
spiegeln sich auch in diesem Haushalt wider.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


Ich habe Sie bereits im Haushaltsausschuss danach ge-
fragt und keine Antwort darauf erhalten. Ich frage Sie des-
halb noch einmal, diesmal öffentlich, vor dem Plenum
und den Zuhörerinnen und Zuhörern. Ich suche vergeb-
lich nach Ihren Steuerentlastungen in der Saldierung. Wo
finden sich denn diese 45 Milliarden DM bzw. 25 Milli-
arden Euro? Ich finde sie nicht. Wir haben die Antwort
aber vorhin vom Kollegen Peter Rauen bekommen: Die
großen Unternehmen werden bei der Körperschaft-
steuer um 40 Milliarden DM entlastet, während die klei-
nen bluten; denn die Belastungen durch die Ökosteuerer-
höhung und die Verbrauchsteuererhöhungen mit
dynamisierter Tendenz trägt letztendlich der kleine Mann.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Alle Erfolgsparameter Ihrer Regierungszeit bzw., um

in Fußballtermini zu sprechen, der Spielzeit von Rot-Grün
stehen im Wesentlichen fest. Wachstum: Fehlanzeige, Ar-
beitsmarktentwicklung: Fehlanzeige, soziale Symme-
trie – das habe ich gerade angeführt –: Fehlanzeige. Ein-
ziger Erfolgsparameter ist der Hoffnungsträger Hans
Eichel, der Stabilisator und Konsolidierer, obwohl, werter
Herr Eichel, die Konsolidierungsziele von Anfang an
außerordentlich zurückhaltend, ja bescheiden ausgelegt
waren, und zwar sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für
die Neuverschuldung. Über eine Legislaturperiode hin-
weg die Zahl der Arbeitslosen netto um wenige Hundert-
tausend zurückzuführen – über die Situation am Arbeits-
markt habe ich schon Ausführungen machen dürfen – ist
nämlich eigentlich kein Ziel; dies ist weniger, als unter
günstigen Rahmenbedingungen möglich sein müsste.

Noch schwieriger stellt sich in der Analyse und Be-
wertung die Behandlung der Neuverschuldungsthematik
dar. Ihre Politik im Rahmen der Neuverschuldung war ei-
gentlich durchgängig von dem Vertrauen auf eine Schön-
wetterperiode geprägt, einer Periode mit stetem Wachs-
tum, mit steigenden Steuereinnahmen und mit
rückläufigen Belastungen im Bereich der Rentenversi-




Hans-Eberhard Urbaniak
19958


(C)



(D)



(A)



(B)


cherung und der Arbeitsmarktpolitik. Für das, was
tatsächlich eingetreten ist, nämlich eine Verschärfung am
Arbeitsmarkt und ein Nullwachstum – ich lasse einmal
dahingestellt, ob es nun eine Phase der Rezession ist oder
nicht –, haben Sie zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner
Weise Vorsorge getroffen.

Der Kollege Rauen hat zu Recht darauf hingewiesen,
dass Sie es waren, der alle Erfolgsparameter, die vorge-
geben waren, außer Kraft gesetzt hat, dass Sie es waren,
der die wirtschaftspolitische Grundsatzabteilung vom
Wirtschaftsministerium in das Finanzministerium geholt
hat, und zwar nur wegen eines einzigen Zwecks: Sie woll-
ten sie der Haushalts- und Fiskalpolitik unterordnen und
damit eine eigenständige Wirtschafts- und Strukturpo-
litik nicht mehr ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wollten Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit
überwinden. Das Gegenteil ist passiert. Sie sind in einer
Aufschwungsphase angetreten und sind jetzt mitten in ei-
ner Abschwungsphase. Verantwortlich dafür ist Ihre
Haushalts- und Finanzpolitik.

Statt konsumtive Ausgaben auf den Prüfstand zu stel-
len, hat der angeblich um Zukunftschancen bemühte
Minister bei den öffentlichen Investitionen, im Bildungs-
bereich und bei der Forschungsförderung im Vergleich
zur Sozialproduktentwicklung eigentlich nicht zugelegt.
Er hat die Ausgaben auch nicht stabilisiert, sondern
gekürzt.

Ihr einseitiger und ausnahmsloser Erfolgsparameter,
Herr Minister Eichel, ist die Rückführung der Neuver-
schuldung.Wenn man dieses zentrale Element einer kri-
tischen Würdigung unterzieht, fällt auf, dass am Ende die-
ser Legislaturperiode nach Ihren eigenen Planungen und
Realisierungsschritten für den Zeithorizont von 1998 bis
2002 – einschließlich der Ära Lafontaine – die Rück-
führung der Nettoneuverschuldung gerade einmal ein Vo-
lumen von insgesamt 5 Milliarden Euro haben wird.

Insgesamt planen Sie für den Zeithorizont 2003 bis
2005 eine jährliche Rückführung der Neuverschuldung
um eine Summe, die dem entspricht, was Sie in den Jah-
ren 1998 bis 2002 insgesamt geleistet haben. Die Rück-
führung um 10 Milliarden DM in der Zeit von 1998 bis
2002 ist Ihnen außerordentlich schwer gefallen. Sie errei-
chen diese marginale Größe im Jahre 2002 überhaupt nur
unter Anwendung von Rechentricks.

1998 hatten Sie unglaublich günstige Rahmenbedin-
gungen: Wachstum, rückläufige Arbeitslosenzahlen, Ent-
lastung bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Trotzdem haben Sie in der folgenden Zeit zu massiven
Steuererhöhungen greifen müssen. Entgegen Ihren eige-
nen Ankündigungen und Versprechungen haben Sie
außerdem in großem Umfang Privatisierungserlöse akti-
vieren und zum Haushaltsausgleich einsetzen müssen und
auch eingesetzt.

Sie haben vorhin gesagt, dass Sie sehr zuversichtlich
seien, dass Sie den Haushalt 2001 glatt abschließen wür-
den. Dies bezweifle ich, weil Sie dabei für dieses wie für
das nächste Jahr von viel zu günstigen Annahmedaten für
die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung ausgehen.

Sollte es Ihnen trotzdem und wider Erwarten gelingen,
wird dies nur mit einem zusätzlichen Trick, den im
Grunde alle Fachleute, den der Bundesrechnungshof und
den Sie eigentlich selbst verteufelt haben, von dem aber
Sie gar nicht mehr reden, möglich sein: Indem Sie näm-
lich Privatisierungserlöse aus dem Treuhandvermögen
einsetzen. 1998 haben Sie ein Treuhandvermögen in Höhe
von 20 Milliarden DM übernommen. Ende dieses Jahres
haben Sie nur noch 8 Milliarden DM in dieser Kasse, die
gar nicht im Bundeshaushalt, sondern außerhalb des Bun-
deshaushalts geführt wird. Sie werden diese Mittel heran-
ziehen, um Ihren Haushalt im Ergebnis rechnerisch aus-
zugleichen.

Dies alles machen Sie, Herr Minister Eichel, obwohl
Sie besser als jeder andere wissen, in welch schwierige Si-
tuation wir mit den Postunterstützungskassen und Pen-
sionslasten und -verpflichtungen kommen werden. Sie
waren derjenige, der gesagt hat, man dürfe keine Mittel
mehr aus diesen Postprivatisierungserlösen zur Haus-
haltsdeckung nehmen. Sie haben auch angekündigt, dass
es sie ab dem Jahre 2000 nicht mehr geben wird. Es hat
sie aber im Jahre 2001 gegeben und es wird sie auch im
Jahre 2002 und darüber hinaus geben. In diesem Bereich
sind ab dem nächsten Jahr nur noch Beträge in zweistelli-
ger Milliardenhöhe erforderlich, und zwar über die Ge-
samtverpflichtungsdauer mit einem Gesamtvolumen von
mehr als 1 Billion DM. Wenn man in Relation dazu setzt,
wohin sich der Wert dieser Postnachfolgeunternehmun-
gen auch und gerade im Lichte von UMTS-Versteigerun-
gen bewegt hat, zeigt sich die ganze Dramatik und Dyna-
mik. Jede weitere Mark, die in Haushaltsdeckungsmittel
fließt, Herr Minister Eichel, ist eigentlich unverantwort-
lich.

Aber es ist noch viel dramatischer. Darin, dass Sie für
den Bereich der Rentenkasse zur Abdeckung der Ausga-
ben für den Arbeitsmarkt 200 Milliarden DM oder
100 Milliarden Euro eingesetzt haben und dabei sowohl
für das nächste Jahr, erst recht aber mittelfristig von viel
zu günstigen Annahmen ausgehen, zeigt sich die Explosi-
vität Ihrer Haushaltsrechnungen und Ihrer Haushaltsent-
wicklung.

100 000 Arbeitslose kosten Sie 1Milliarde DM. Sie ge-
hen für das nächste Jahr nach wie vor von viel zu günsti-
gen Annahmen aus. Über 2003 und den Rest der mittel-
fristigen Finanzplanung, Herr Minister Eichel, habe ich in
Ihren Ausführungen kein Wort gehört. Die Wähler wollen
im Hinblick auf das Wahldatum 22. September 2002 und
den Zeitraum darüber hinaus aber wissen, welche Vor-
stellungen die Regierung hat.

Die Regierung wird dieses Thema zehn Monate lang
tabuisieren, und zwar aus guten Gründen. Nichts von
ihren Annahmen stimmt: Die Nettoneuverschuldung wird
nicht zurückgeführt werden können, die Zinslasten wer-
den steigen, die Ausgaben für die Rentenkassen und die
Aufwendungen für den Arbeitsmarkt werden dramatisch
zunehmen.

Was allerdings nicht steigen, sondern weiter rückläufig
sein wird, sind die Ausgaben in Zukunftsinvestitionen.
Deshalb sind die Vorwürfe, die von der veröffentlichten
Meinung kommen, berechtigt; denn wie kein anderer




Hans Jochen Henke

19959


(C)



(D)



(A)



(B)


Minister hat Minister Eichel die wesentlichen Aufgaben
des Wirtschafts- und Finanzministers in einer Hand zu-
sammengeführt. Politik macht er nur nach den Maßstäben
von haushälterischen und fiskalischen Elementen und
Kriterien. Das rächt sich jetzt. Der Rechnungshof, der
Steuerzahlerbund und viele Gutachter drücken Ihnen das
entsprechend in das Wachs: keine Risikovorsorge.

Sie haben vorhin gesagt: Die Summe der Prognosen ist
die Summe der Irrtümer. Ich frage Sie: Wenn das so ist
und Sie entsprechende Erfahrungen gemacht haben, wo
ist dann Ihre Vorsorge für die Zukunft, Herr Minister
Eichel?


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sehe dafür in Ihrem Haushalt keine Mark. Sie haben
Wechsel auf die Zukunft gezogen, die nicht einlösbar sein
werden. Kein Haushalt war jemals so angespannt. Zu kei-
nem Zeitpunkt war das Einnahmenniveau aufgrund von
Steuern und Abgaben so hoch und die Ausgabenlast so
enorm wie heute. 2002 wird sie um 50 Milliarden DM
höher als 1998 liegen. 1998 war sie um 40Milliarden DM
niedriger als 1993. Das ist die Realität, Herr Minister
Eichel.

Die Frage, die man am Schluss stellen müsste, lautet:
Was nun, Herr Minister? Ihre Bilanz und nicht die der Op-
position steht hier zur Diskussion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420303400
Das Wort für die SPD-
Fraktion hat die Kollegin Lydia Westrich.


Lydia Westrich (SPD):
Rede ID: ID1420303500
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Eine ganze Woche lang reden wir über
Geld und vor allem über das Geldausgeben. Herr Henke
hat dies mit markigen Worten deutlich gemacht. Wir müs-
sen ein paar Minuten über das Geldeinnehmen reden. Es
geht um Milliardenbeiträge, die dem Staat jährlich verlo-
ren gehen, wenn wir dem nicht endlich einen Riegel vor-
schieben.


(Beifall bei der SPD)

Wir debattieren hier darüber, wie wir das Geld ehrli-

cher Steuerzahler am sinnvollsten ausgeben. Dabei ist die
Umsatzsteuer eine der bedeutendsten Einnahmequellen
von Bund, Ländern und Gemeinden. Sie hat nicht nur we-
gen der flauen Wirtschaftskonjunktur gravierende Ein-
brüche zu verzeichnen. Umsatzsteuer- und Vorsteuer-
betrügereien haben in den letzten Jahren in einem Maße
zugenommen, dass wir verpflichtet sind, schnell und kon-
sequent zu handeln.

Wir alle haben den Wegfall der Binnenmarktgrenzen in
der EU begrüßt. Der freie Handel floriert. Wir werden das
weiter unterstützen. Aber seit der Öffnung der innerge-
meinschaftlichen Grenzen zum 1. Januar 1993 und dem
Wegfall der Kontrolle der Warenbewegungen sind leider
viele kriminelle Kräfte am Werk. Zunehmend werden
Steuerbetrugsmodelle bekannt, die die Umsatzsteuer in
ungeahnter Höhe in die Hände organisierter, krimineller
Banden spielen.

Die Tätergruppen für den Umsatzsteuerbetrug haben
ausgefeilte Techniken entwickelt, um die Steuerbefreiung
bei innergemeinschaftlichen Lieferungen auszunutzen.
Diese Betrugsmethode ist besonders gefährlich, weil von
einer kleinen Tätergruppe innerhalb kurzer Zeit in einem
einzigen Fall ein enormer Steuerschaden in mehreren EU-
Staaten angerichtet werden kann.

Besonders betrugsanfällig sind kleinvolumige, schnell
und einfach zu beförderndeWaren mit hohemWertschöp-
fungspotenzial, wie Computerprozessoren, Edelmetalle,
Mobiltelefone oder auch Autos und schwedischer Lachs.
Da dieseWaren dann billig – ohne denAufschlag durch die
Mehrwertsteuer – in denHandel kommen, ist es keinWun-
der, dass zum Beispiel die Firma Ericsson Mobiltelefone
Brandbriefe an die Steuerfahndung schreibt. Durch die
angesprochenen Machenschaften entgeht nicht nur dem
Staat eineMengeGeld.Auch steuerehrlicheUnternehmen
werden in ihremWettbewerb empfindlich behindert.


(Beifall bei der SPD)

Die Firma Ericsson schreibt, dass sie nicht nur in der
Wahrnehmung der Interessen ihrer eigenen Firma auf die
Betrügereien aufmerksam mache, sondern auch als
„Staatsbürger“, dessen Interesse es sei, Schaden von uns
allen abzuwenden. Die Sorge der Firma gilt auch ihren
Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze durch diese kriminellen
Machenschaften in hohem Maße gefährdet sind.

Steuergerechtigkeit ist ein hohes Gut. Wir sind es un-
seren Bürgerinnen und Bürgern schuldig, dass wir unsere
liberalen Steuersysteme nicht durch kriminelle Banden
aushöhlen lassen; denn die Zeche zahlen ansonsten wie-
der einmal die Ehrlichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb müssen wir das Kind auch beim Namen nennen:
Steuerhinterziehung ist keine Ordnungswidrigkeit. Sie
ist ein Verbrechen. So wird es auch im Steuerverkür-
zungsbekämpfungsgesetz stehen.

Viele sehen – das spukt noch immer in den Köpfen
herum – den Betrug am Staat als Kavaliersdelikt. Gerade
in einer freien sozialen Marktwirtschaft darf das nicht ge-
duldet werden. Hier geht es um Arbeitsplatzverluste,
Wettbewerbsverzerrungen für unsere Unternehmen und
Anreize für eine unerschöpfliche kriminelle Energie, die
wir, wenn wir nicht handeln, anziehen. Wir brauchen des-
halb konsequente Gesetzesvorschriften, die den Betrüge-
reien Einhalt gebieten. Das Ziel teilen alle Parteien hier im
Haus. Aber, Herr Fromme, es geht nicht nur um die An-
wendung und die konsequente Umsetzung von Gesetzes-
vorschriften. Vielmehr geht es auch um Gesetzesvor-
schriften, die als Instrumente zur Betrugsbekämpfung
tatsächlich wirken.

Selbst der Finanzminister von Baden-Württemberg
schreibt: Eine wirksame Bekämpfung des Umsatzsteuer-
betrugs kann nur bundesweit erfolgen. Er weist auf seine
Vorschläge zur Verbesserung der Betrugsbekämpfung
hin, wie Erstattung gegen Bankbürgschaft und Nutzung
des Instruments der unangekündigten Nachschau.

All diese Vorschläge verwirklichen wir mit dem vorlie-
genden Gesetzespaket, das Sie von der CDU/CSU und der




Hans Jochen Henke
19960


(C)



(D)



(A)



(B)


FDP wieder einmal ablehnen werden. Aber ich sage Ih-
nen: Mit der Ablehnung des vorliegenden Gesetzes stel-
len Sie quasi Blankoschecks genau den kriminellen Ele-
menten aus, die Sie mit uns zusammen eigentlich
bekämpfen wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn die Deutsche Steuer-Gewerkschaft sagt, dass es
wesentlich einfacher und mit wesentlich geringerem Ri-
siko verbunden sei, sich beim Finanzamt durch Vorsteu-
erbetrug Geld zu beschaffen, als eine Bank zu überfallen,
und niemand widerspricht, dann ist es höchste Zeit, effek-
tive Kontrollbestimmungen durchzusetzen. Sie wissen,
worum es geht. Wir werden Vorsteuererstattungen im Ein-
vernehmen mit dem Steuerpflichtigen mit Sicherheitsleis-
tungen verbinden. Damit verkürzen wir langwierige Prü-
fungszeiten für die Unternehmen und erhöhen damit ihre
Liquidität.

Zu den Haftungstatbeständen: Unternehmer, die sich in
Kenntnis der kriminellen Machenschaften ihrer Partner in
Karussellgeschäfte verwickeln lassen, werden in An-
spruch genommen. Wir werden durch die Einführung
monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen dafür sor-
gen, dass zeitnahe Informationen der Steuerverwaltung
und auch jungen Firmen, für die solche Informationen im
Hinblick auf ihre Geschäftsentwicklung wichtig sind, zur
Verfügung stehen. Dadurch lassen sich auch Scheinfir-
men besser erkennen. Aber das genügt noch nicht. Wir
werden deshalb auch das Instrument der unangemeldeten
Nachschau einführen, damit die Steuerbehörden der kri-
minellen Energie mit ihren ausgefeilten Techniken besser
entgegentreten können. Erst dadurch wird es möglich
werden, speziell kurzlebige betrügerische Firmen, die
noch nicht auffällig waren, zu identifizieren.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
sollten unsere Vorhaben – Sie haben es lange verschlampt,
entsprechende Maßnahmen auf den Weg zu bringen – un-
terstützen, damit wir die Einnahmen des Staates sichern
und damit wir das wirtschaftsfreundliche Klima, das wir
in der Bundesrepublik geschaffen haben, erhalten können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420303600
Frau Kollegin, Sie
müssen bitte zum Schluss kommen.


Lydia Westrich (SPD):
Rede ID: ID1420303700
Das Gesetz ist dringend not-
wendig. Es darf nicht länger hinausgezögert werden. Ich
bitte Sie zuzustimmen; denn zu einer soliden Haushalts-
politik gehört es, alle Geldquellen auszuschöpfen und
Schlupflöcher zu stopfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420303800
Jetzt spricht die Kol-
legin Susanne Jaffke für die Fraktion der CDU/CSU.


Susanne Jaffke (CDU):
Rede ID: ID1420303900
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da es sich bei diesem
Haushalt um den letzten Haushalt dieser Legislaturperi-
ode handelt, möchte ich besonders auf das Thema neue
Bundesländer eingehen. Wie hier allgemein bekannt ist,
ist der Bundesfinanzminister für alle Bundesbeteiligun-
gen zuständig. In dieser Zuständigkeit hat er auch Verant-
wortung für die Treuhandanstalt und deren Nachfolge-
unternehmen getragen. Im Laufe der Jahre seit 1990 hat
diese Tätigkeit oftmals in öffentlicher Kritik gestanden.
Seit 1998 aber wird man das Gefühl nicht los, dass die
Bundesregierung diesen Bereich mit Missachtung straft.

Daher möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass
mit den Haushalten 2001 und 2002 die Bundesanstalt für
vereinigungsbedingte Sondervermögen de facto aufgelöst
ist und die Kontrolle der einmal geschlossenen Verträge
auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau übertragen wurde.
Diese Aufgaben sind also als erledigt anzusehen.

Zu den beim Bundesfinanzminister verbliebenen Un-
ternehmen zählen zum Beispiel die EWN, die Energie-
werke Nord in Greifswald. Dieses Unternehmen hat sehr
erfolgreich technisches Know-how beim Rückbau der
Kernkraftwerke vom Tschernobyl-Typ in der ehemaligen
DDR gesammelt. Wir hoffen, dass dieses technische
Know-how inZukunft auch international anwendbarwird.

Ein zweites Unternehmen, das dem Bundesfinanzmi-
nisterium gehört, ist die BVVG, die Bodenverwertungs-
und -verwaltungsgesellschaft. Sie ist für die Vermarktung
der land- und forstwirtschaftlichen Flächen zuständig, die
mit dem Einigungsvertrag dem Staatsvermögen der Bun-
desrepublik zugefallen sind. Nach vielerlei juristischen
Überprüfungen hat die BVVG nun damit beginnen kön-
nen, die Grundstücke nach dem Entschädigungs- und
Ausgleichsleistungsgesetz zu vermarkten. Hierbei bleibt
zu hoffen, dass der eingeschlagene Weg einer Vermark-
tung in wirtschaftliche Strukturen weiterhin beschritten
werden kann.

Dies betone ich deshalb, weil die Bundesregierung
hier wohl in einem Konflikt steckt: Auf der einen Seite un-
terstützt das Bundesfinanzministerium wirtschaftliche
Betriebsgrößen in den neuen Bundesländern durch Flä-
chenverkäufe; auf der anderen Seite möchte die Bundes-
agrarministerin bei Betriebsgrößen eher „Kuschel- und
Streicheleinheiten“ zur Grundlage ihrer Landwirtschafts-
politik machen. Ein solcher Konflikt ist nur schwer auf-
zulösen. Aber wir hoffen, dass für die neuen Bundeslän-
der wirtschaftliche Strukturen erhalten bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein weiteres dem Bundesfinanzministerium zugeord-

netes Treuhandnachfolgeunternehmen ist die LMBV, die
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungs-
gesellschaft. Sie befasst sich mit der Sanierung der Berg-
baualtflächen. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit
mit den Belegenheitsländern Thüringen, Sachsen, Sach-
sen-Anhalt und Brandenburg. Zu diesem Zwecke gibt es
so genannte Verwaltungsabkommen, deren zweites im
Jahre 2002 ausläuft. Im Moment wird über das dritte Ver-
waltungsabkommen verhandelt. Ich hoffe, dass die Bun-
desländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und




Lydia Westrich

19961


(C)



(D)



(A)



(B)


Brandenburg ihre zu Recht vorgebrachten Forderungen
durchsetzen können, den Bund auch für die nächsten
Jahre in die Verantwortung zu nehmen. Dabei handelt es
sich um noch nicht quantifizierbare Risiken, die durch die
nun anstehende Anhebung der Grundwasserspiegel in den
sanierten Gebieten auf uns zukommen. Leider kann man
sich aber auch hier des Eindruckes nicht erwehren, dass
der Bund nur schwer dazu zu bewegen ist, seinen finanzi-
ellen Verpflichtungen nachzukommen.

Eines der strukturpolitisch wichtigsten Unternehmen
ist die TLG, die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft. Ihr
sind seinerzeit alle nicht betriebsnotwendigen Gewerbe-
immobilien und Wohnungen zugeordnet worden. Diese
sollen saniert, vermarktet und weiterhin im Bestand ge-
halten werden. Auch dieses Unternehmen hat sich mitt-
lerweile in den neuen Bundesländern einen guten Ruf er-
worben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum habe ich eben
all diese Bereich hier noch einmal vorgestellt? – Weil seit
vier Jahren etwas Unglaubliches passiert: Während es zu
Zeiten der CDU/CSU-geführten Bundesregierung mit
dem Bundesfinanzminister Dr. Waigel ganz selbstver-
ständlich war, dass alle Unternehmen für ihre wirtschaft-
lichen Aktivitäten mit genügend Liquidität ausgestattet
waren, zieht diese Bundesregierung seit 1999 die vorhan-
dene Liquidität kontinuierlich ab.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört, hört!)


Wenn diese Unternehmen ihren gesetzlichen Auftrag, un-
ternehmerisch tätig zu sein, erfüllen sollen, müssen sie an
den freien Kapitalmarkt gehen und sich über Kredite Li-
quidität verschaffen.

Der Bundesrechnungshof hat dieses Vorgehen in ei-
nem Bericht massiv gerügt. Nun muss die zu Unrecht
entzogene Liquidität zurückgeführt werden. Verhandelt
wird wohl auch darüber, aber in der Praxis ist leider nicht
zu erkennen, dass die Bundesregierung ihrer Verpflich-
tung gegenüber diesen Unternehmen nachkommen will.
Irgendwie erinnert mich das an das wirtschaftliche Sys-
tem, welches in einem Teil der jetzigen Bundesrepublik
Deutschland bis 1989/90 gang und gäbe war, nämlich in
der ehemaligen DDR. Dass diese Strategie so schlei-
chend für alle Unternehmen mit Bundesbeteiligung an-
gewendet wird, ist bedrückend, aber besonders ärgerlich
ist es eben im Hinblick auf den damit bewiesenen Aus-
stieg aus dem Aufbau Ost.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang vor allem

auf die Situation am Wohnungs- und Grundstücks-
markt eingehen. Ich halte es für unerträglich, dass im Ka-
pitel 0807 – Bundesvermögensverwaltung – die Haus-
haltsvermerke bezüglich der verbilligten Abgabe von
Liegenschaften mit sozialer Zweckbindung – wie Kran-
kenhäuser, Sozialwohnungen, Obdachlosenheime und
Studentenwohnheime – abgeschafft wurden.

Ganz besonders bezeichnend finde ich auch, dass ent-
sprechend den noch bestehenden Haushaltsvermerken
diejenigen militärischen Liegenschaften, die nach dem

14. Juni 2000 aus dem Ressortvermögen des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung freigegeben wurden oder
werden, unter keinen Umständen mehr preisverbilligt ab-
gegeben werden dürfen. Für die neuen Bundesländer, be-
sonders für Mecklenburg-Vorpommern und hier für die
Standorte Eggesin und Basepohl, ist das mehr als eine
Ohrfeige. Wer glaubt, dass sich die vielen fehlenden Mil-
liarden des Bundeshaushaltes in naher Zukunft hier fin-
den lassen, der irrt gewaltig.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Die wissen doch gar nicht, wo das liegt!)


Weiterhin sehe ich diese Bundesregierung in der Ver-
antwortung bezüglich ihres Eigentums an Plattenbau-
wohnungen. Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig – jetzt ist sie
leider nicht da; sie ist vorhin darauf eingegangen –, in den
neuen Bundesländern sind nicht zu viele Wohnungen er-
richtet worden. In den neuen Bundesländern sind Woh-
nungen saniert worden. Seit 1989 haben sich die Bedin-
gungen dafür, dass junge Menschen dort bleiben können,
so dramatisch verschlechtert, dass sie alle weggehen und
die Wohnungen leer stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Dabei ist es unverschämt, dass die von diesem umfang-
reichen Wohnungsleerstand geplagten kommunalen Woh-
nungsgesellschaften nun auch noch vom Bund die Plat-
tenbauwohnungen für teures Geld kaufen sollen, um sie
dann auf eigene Kosten abreißen zu lassen. Ich erwarte,
dass der Bund seine Pflichten wahrnimmt und dies mit
seiner Finanzkraft selbst erledigt. Meine diesbezüglichen
Anfragen im Berichterstattergespräch ergaben aber, dass
sich der Bund außerstande sieht, hierfür Verantwortung zu
übernehmen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur zwei
Zahlen nennen. Die Ausgaben des Bundeshaushaltes
2002 für die Gemeinschaftsaufgabe Ost – ich nenne sie
jetzt noch einmal in D-Mark, weil viele Menschen noch
in dieser Währung denken – sind mit 20,5Milliarden DM,
was 10,4 Milliarden Euro entspricht, geringer als die Ein-
nahmen aus dem Solizuschlag, die 22,3 Milliarden DM
bzw. 11,4 Milliarden Euro betragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte bewerten Sie
selbst diese gelebte Verantwortung für den Aufbau Ost!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf die Neu-

strukturierung der Bundesfinanzverwaltung einge-
hen, die der Finanzminister vorgelegt hat.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er ist schon wieder weg!)


– Aber ich denke, er wird es von seinen Mitarbeitern, die
ja noch im Plenum sitzen, zugetragen bekommen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Die hören auch nicht zu!)


Ich formuliere es folgendermaßen: Der beamtete
Staatssekretär Dr. Overhaus hat mit brachialer Gewalt
eine Neustrukturierung der Bundesfinanzverwaltung un-
ter Finanzminister Theo Waigel begonnen und sie unter




Susanne Jaffke
19962


(C)



(D)



(A)



(B)


Finanzminister Hans Eichel zu Ende geführt. Sie ist mit-
nichten an die Erfordernisse der Globalisierung und die
mit ihr verbundenen modernen Maßstäbe sowie an die
neuen Herausforderungen seit dem 11. September ange-
passt worden.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters)


Wenn man sich mit den Zöllnern über die Praxiserpro-
bung der neu eingeführten Systeme, zum Beispiel über
ATLAS – Automatisiertes Tarifierungs- und Lokales Ab-
fertigungssystem – sowie darüber unterhält, wie diese
neuen Systeme, die ja Personal und Kosten einsparen sol-
len, in Zukunft funktionieren sollen, dann lachen sie nur.
Man hat vergessen, die Scanner anzuschaffen, mit denen
die handschriftlich ausgefertigten Zollbegleitformulare
eingelesen werden könnten. Jeder Zöllner wird also für
die Erfassung eines entsprechenden Dokuments 20 Minu-
ten länger brauchen. Die Betriebe weigern sich zu Recht,
die neue EDV-Erfassung bei sich einzuführen, wenn sie
nicht vorher durch das Bundesfinanzministerium unter-
stützt werden. Viele mittelständische Betriebe sollen ge-
zwungen werden, vom Finanzministerium eine Software
zu kaufen, also dafür Geld auszugeben, um dann für das
Finanzministerium zusätzliche bürokratische Arbeit zu
leisten. Das kann es nicht sein!

So sieht der gesamte Bundeshaushalt aus: Bürokratie
ohne Ende, Entlastung keine. Dafür braucht der Finanz-
minister jede Menge Geld. Wir haben Alternativvor-
schläge gemacht. Diesem Haushalt kann man nicht
zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420304000
Das Wort
hat der Kollege Jörg-Otto Spiller für die Fraktion der
SPD.


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1420304100
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! „Für Stetigkeit – gegen Ak-
tionismus“ – unter diese Überschrift hat der Sachverstän-
digenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung sein diesjähriges Gutachten gestellt. Wir
fühlen uns durch diesen Appell bestätigt.


(Beifall bei der SPD)

Der Sachverständigenrat schreibt:
Nach Einschätzung des Sachverständigenrats ist die
wahrscheinlichste Entwicklung im Jahre 2002, dass
sich die außenwirtschaftliche Lage aufhellt und vor-
handene positive binnenwirtschaftliche Rahmenbe-
dingungen wieder Wirkung entfalten.

Im Weiteren heißt es:
In der Finanzpolitik wurde mit der Steuerreform und
einer glaubhaften Haushaltskonsolidierung der rich-
tige Weg eingeschlagen. Der Konsolidierungskurs
muss fortgesetzt werden, um eine auf Dauer tragbare
Finanzlage der öffentlichen Hand zu gewährleisten.

Auch die Steuerreform findet in dem Gutachten lo-
bende Erwähnung:

Die Steuerreform 2000 hat durch die fühlbar gesun-
kenen Steuersätze der Einkommensteuer und der
Körperschaftsteuer die Leistungsanreize dauerhaft
erhöht und damit die Voraussetzung für mehr wirt-
schaftliche Dynamik gesetzt. Sie hat aber auch die
Wirtschaftssubjekte deutlich entlastet und für sich
genommen die konjunkturelle Entwicklung in die-
sem Jahr angeregt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen den Text weiterlesen!)


Mehr kann man sich von Gutachtern nicht erhoffen.
Von der Union und auch von der FDP ist – eigentlich

zur Überraschung derjenigen, die sie kennen – gefordert
worden, alle möglichen Konjunkturprogramme aufzu-
legen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sagen Sie mal eine Forderung, die wir aufgestellt haben!)


In Ihrer Fraktion, Herr Merz, gibt es offenbar eine An-
sammlung von Neukeynesianern.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Unfug, was Sie da sagen!)


Ob das Sinn macht oder nicht, scheint Sie aber auch nicht
sonderlich zu berühren. Der Sachverständigenrat weist
jedenfalls völlig zu Recht auf Folgendes hin: Die kon-
junkturelle Situation ist dadurch gekennzeichnet – was
selten der Fall ist –, dass in den drei großen Wirtschafts-
regionen dieser Welt, in den USA, in Japan und in der Eu-
ropäischen Union, gleichzeitig ein Konjunkturabschwung
stattgefunden hat. Es ist überhaupt nicht verwunderlich,
dass sich das bei einer so stark außenwirtschaftlich ver-
flochtenen Volkswirtschaft wie der deutschen in besonde-
rer Weise in der konjunkturellen Entwicklung nieder-
schlägt. Eine Debatte unter dem Stichwort „Schlusslicht“
ist völlig fehl am Platze.


(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es wäre ja schön, wenn wir

den Spielraum für eine stärkere Konjunkturbelebung
auch durch Instrumente der Finanzpolitik hätten. Da ha-
ben Sie nur leider die Hinterlassenschaft der Regierung
Kohl vergessen. 1998 hat die Kohl-Regierung dem Bund
Schulden in Höhe von 1,45 Billionen DM hinterlassen.
Das waren im Vergleich zum Regierungsantritt von
Helmut Kohl im Jahre 1982 genau 1 100 Milliarden DM
zusätzliche Schulden. In Zahlen heißt das: 1982 hatten
wir 350 Milliarden DM und 1998 1 450 Milliarden DM
Schulden.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Mein Gott, haben die das hochgetrieben! – Jürgen Koppelin [FDP]: Wie viel Schulden hatte Hessen?)


Es wird die Legende verbreitet, das sei im Wesentli-
chen durch die Wiedervereinigung verursacht worden –
Pustekuchen, nichts da! Wenn man die Ära Kohl in zwei
gleiche Abschnitte aufteilt, dann stellt man fest, dass sich




Susanne Jaffke

19963


(C)



(D)



(A)



(B)


der Schuldenberg von 1982 bis 1990 von 350 auf 700Mil-
liarden DM verdoppelt und von 1990 bis 1998 nochmals
verdoppelt hat. Das ist eine Kontinuität des Schuldenma-
chens. Sie sollten aufhören, diese unfromme Legende zu
propagieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Übrigen muss eines betont werden: Wenn Bundes-

finanzminister Eichel mit Unterstützung der Koalition
nicht diesen strikten Konsolidierungskurs fahren würde,
dann wäre die Europäische Zentralbank – da bin ich mir
sicher – nicht in der Lage gewesen, eine konsequente
Zinssenkungspolitik zu betreiben. Das muss man vor dem
konjunkturellen Hintergrund sehen.

Eine weitere Hinterlassenschaft von Ihnen war 1998
ein verwüstetes Steuerrecht. Das hat uns ebenfalls Kum-
mer bereitet und wir haben an der Beseitigung der Schä-
den gearbeitet. Sie haben unter Ihrer Herrschaft den guten
alten Grundsatz der Besteuerung, dass starke Schultern
mehr als schwache zu tragen haben, in das Gegenteil ver-
kehrt; denn Sie haben Deutschland mit einer Vielzahl von
Sonderregelungen zu einem Dorado für Abschreibungs-
künstler gemacht.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was quaken Sie da für einen Stuss?)


Wir haben auf diesem Gebiet Korrekturen vorgenommen,
Schlupflöcher geschlossen und das kaufmännische Rech-
nungswesen in Deutschland wiederhergestellt. Wir sind
zur marktwirtschaftlichen Ordnung zurückgekehrt, die
dazu führt, dass Investitionsentscheidungen nicht an Ver-
lustzuschreibungen, sondern an Gewinnerwartungen ori-
entiert werden.


(Beifall bei der SPD)

Das hat uns den Spielraumgegeben, durchTarifsenkun-

gen in der Lohn- und Einkommensteuer es den Leis-
tungsträgerinnen und Leistungsträgern in Deutschland
– das sind Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmernundnatürlichauchviele tüchtigeHandwerkerund
Selbstständige in der ganzen Republik – zu ermöglichen,
mehr von ihrer erwirtschafteten Leistung zu behalten.

Vergleichen wir beispielsweise die steuerliche Belas-
tung einer Familie und das Kindergeld, das sie heute be-
zieht, mit der steuerlichen Belastung und dem Kindergeld,
das sie 1998 bezogen hat.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Vergessen Sie die Freibeträge nicht!)


– Herr Kollege Koppelin, eine Durchschnittsfamilie
– zwei Kinder und 5 000 DM brutto – hat heute 250 DM
mehr im Monat als 1998 zur Verfügung.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Und wie viel mehr Ökosteuer? – Jürgen Koppelin [FDP]: Das stimmt nicht!)


Das resultiert daraus, dass wir die Steuern gesenkt und das
Kindergeld erhöht haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Koppelin [FDP]: Merkt das die Familie?)


Außerdem haben wir eine Unternehmensteuerreform
durchgesetzt, die in Deutschland wieder Dynamik ermög-
licht.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Schlimm ist, der glaubt das auch! – Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist denn die Dynamik? Absturzdynamik!)


Trotz Ihrer ständigen Wiederholungen muss ich es noch
einmal richtig stellen: Es ist der Versuch der Irreführung,
immer wieder zu behaupten, dass Mittelständler, dass Per-
sonenunternehmen – durch unsere Steuerreform ist genau
das Gegenteil eingetreten – schlechter als Kapitalgesell-
schaften behandelt werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Wirklichkeit! Das ist die Steuerwirklichkeit!)


– Erzählen Sie das ruhig weiter. Ihnen wird dann al-
lerdings keiner mehr glauben; denn im Gegensatz zu
Ihnen können die meisten Mittelständler in Deutschland
rechnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420304200
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Hansgeorg Hauser für die Fraktion
der CDU/CSU.

Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) (CDU/
CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegin-
nen und Kollegen! Nach der gnadenlosen Schörnfär-
berrede des Finanzministers, die wir soeben hören
konnten und die sich nahtlos an die Traumtänzerrede
auf dem Parteitag angeschlossen hat, ist es ganz gut,
wenn man einmal eine Stimme aus dem Ausland zu
Wort kommen lässt. Die „Neue Zürcher Zeitung“
schreibt am 23. November – das war am vergangenen
Freitag – unter der Überschrift „Wachstumsstopp in
Deutschland“:

Der Bummelzug der deutschen Konjunktur steht seit
einem halben Jahr still. Wenn nicht die Außenwirt-
schaft

– Herr Spiller, hören Sie gut zu –
und in einem weit geringeren Umfang auch der
Inlandskonsum die rückläufige Investitionsbereit-
schaft kompensiert hätten, wäre er sogar zurück ge-
rollt. Vor 2002 wird er die Fahrt kaum wieder auf-
nehmen.

Deutschland ist Schlusslicht in der EU, da helfen auch
die Gesundbetereien des Herrn Finanzministers nichts.
Deutschland wird mit der Defizitquote zum Negativbei-
spiel. Deutschland fällt als Wachstumsmotor in Europa
aus. Das bekommen nicht nur unsere westlichen
Handelspartner zu spüren, sondern vor allem auch die
EU-Erweiterungskandidaten. Wir konnten uns in der
letzten Woche am Beispiel Ungarn und Slowenien davon
überzeugen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in
diesen Ländern außerordentlich stark gebremst wird.
Das könnte den Erweiterungsfahrplan erheblich in Ge-
fahr bringen.




Jörg-Otto Spiller
19964


(C)



(D)



(A)



(B)


Meine Damen und Herren, die Hinweise auf Refor-
men, die Sie immer wieder bringen, sind vollkommen ab-
surd. Weder auf dem Arbeitsmarkt noch im Gesundheits-
bereich ist etwas geschehen. Weder die Rentenreform
noch die Steuerreform haben den Namen „Reform“ über-
haupt verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Steuerreform sollte eine Maßnahme zur Förde-
rung von Wachstum und Beschäftigung sein. Sie för-
derte aber lediglich die Steuerliteratur, die neue Re-
korde erreichte. Die eklatante Benachteiligung der
Einzelunternehmen und der Personengesellschaften
ist trotz einiger Korrekturen bis heute nicht beseitigt.
Dass eine sozialdemokratisch geführte Regierung Milli-
ardengeschenke an Konzerne, Banken und Versicherun-
gen verteilt und kleine Aktionäre höher besteuert als
bisher, entlarvt das ewige Gefasel von Gerechtigkeit
schlagartig.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Konstruktion des Halbeinkünfteverfahrens begüns-

tigt im Übrigen deutlich die Besteuerung der Erträge aus
Beteiligungen im Ausland. Damit werden sicherlich keine
Arbeitsplätze im Inland geschaffen.

Auch der von den rot-grünen Regierungsfraktionen er-
hoffte konjunkturelle Stimulierungseffekt dieser Steuer-
reform sei bislang wirkungslos verpufft, schreibt die
„Neue Zürcher Zeitung“. Ich zitiere:

Dies vermag insofern nicht zu erstaunen, als ja die
Erhöhung der Energiebesteuerung – die in Deutsch-
land fälschlicherweise „Ökosteuer“ genannt wird –
und die „stille Steuerprogression“ bei der Einkom-
mensteuer einen Gegenpol zur fiskalischen Entlas-
tung gebildet haben.

Die Steuererhöhungen gehen weiter. Die nächste Stufe
ist die Erhöhung der Energiebesteuerung, die Anhebung
der Versicherungsteuer, die Erhöhung der Tabaksteuer in
zwei Stufen in den Jahren 2002 und 2003.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Preistreiberpolitik!)


Dazu kommt die unerträgliche Zunahme der bürokrati-
schen Belastungen, Bevormundungen und Gängelungen
der Unternehmen. Das heute zu beschließende so ge-
nannte Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz ist ein
typisches Beispiel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Im Erfinden von Namen sind Sie schon immer großar-

tig gewesen. Es sind großartige Überschriften, aber der
Inhalt ist ganz platt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn es künftig bei einem Unternehmer klingelt,
muss es nicht unbedingt der Postmann sein. Es kann
auch der freundliche Beamte vom Finanzamt sein, der
sich völlig unangemeldet und ohne Prüfungsanordnung
einen Eindruck über die räumlichen Verhältnisse – so

heißt es im Gesetz –, das tatsächlich eingesetzte Perso-
nal und den üblichen Geschäftsbetrieb verschaffen will.
Wenn es sich bei dem Betrieb aber um eine so genannte
Drei-Buchstaben-Firma handelt, die internationale Ge-
schäfte betreibt, deren Sitz in einem typischen Wohnge-
biet liegt, deren Geschäftsführer zufällig schon ziemlich
alt ist und deren Steuerberater seine Kanzlei nicht im
Nahbereich der Firma hat, bleibt die Unternehmung
möglicherweise im Raster der so genannten Arbeitsein-
heit Umsatzsteuerprüfung des Bundesamtes für Finan-
zen hängen, das verstärkt Sonderprüfungen tätigen will
und sich dabei auch des neuen Instruments der Nach-
schau bedienen kann.

Der Prüfer setzt sich, weil er schon einmal vor Ort
ist, an den Computer und wirft nach vorheriger Einwei-
sung durch den Unternehmer – auch das haben Sie ihm
zusätzlich zu den ganzen steuerlichen Aufzeichnungen,
die er machen muss, neuerdings zugemutet – einen
Blick in die Buchhaltung des Betriebs. Dabei fallen ihm
größere Aufwendungen beispielsweise für Geschäfts-
reisen und Bewirtungen auf. Schon erklärt der Prüfer
dem verdutzten Unternehmer, dass die getroffenen Fest-
stellungen Anlass zu einer Außenprüfung im Sinne des
§ 193 der Abgabenordnung gäben. Eine vorherige
Prüfungsanordnung ist dazu nicht mehr erforderlich.
Ein schriftlicher Hinweis auf den Übergang zur Außen-
prüfung ist ausreichend. Die Chance zu einer strafbe-
freienden Selbstanzeige, die bei einer Außenprüfung
auch noch nach Erhalt der Prüfungsanordnung bis zum
Erscheinen des Prüfers möglich ist, ist damit nicht mehr
gegeben. Sie schränken ganz deutlich die Rechtsfreiheit
der Bürger ein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ein Verbot der Verwertung getroffener Feststellungen
ist ausdrücklich ausgeschlossen. Auch das ist eine gravie-
rende Neuheit. Das hat nichts mit Umsatzsteuerbetrugs-
bekämpfung zu tun. Vielmehr treffen Sie den steuerehr-
lichen Unternehmer, der künftig erheblich weniger
Rechte hat als bisher.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Detlev von Larcher [SPD]: Das ist Quatsch!)


Ziel des vorliegenden Gesetzes ist die Bekämpfung
des Umsatzsteuerbetrugs, wobei ein besonderes Augen-
merk auf Betrügereien bei der Vorsteuererstattung
und so genannten Karussellgeschäften gelegt wurde.
Der steuerehrliche Unternehmer sollte davon nicht be-
troffen werden; das sagen Sie ausdrücklich. Tatsache ist
aber etwas ganz anderes. Mit den neu geschaffenen In-
strumenten der Sicherheitsleistung, der Haftung und der
Umsatzsteuernachschau wird gerade der normale Un-
ternehmer konfrontiert und in seinen Geschäften behin-
dert.

Wenn es richtig ist, dass Karussellbetrügereien vor al-
lem im europäischen Binnenmarkt stattfinden, dann soll-
ten sich die gesetzlichen Maßnahmen auf diese Sachver-
halte konzentrieren. 90 Prozent der kleinen und mittleren
Betriebe in Deutschland sind in erster Linie lokal und




Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)


19965


(C)



(D)



(A)



(B)


regional tätig. Aber auch sie werden von diesem neuen
Gesetz betroffen.

Geradezu mittelstandsfeindlich ist die neue Regelung
über die Sicherheitsleistung.


(Detlev von Larcher [SPD]: Das ist auch nicht wahr!)


Wenn größere Vorsteuererstattungen künftig von einer Si-
cherheitsleistung abhängig gemacht werden, dann bringt
dies eine Einschränkung des Kreditrahmens und zusätz-
liche Kosten mit sich. Es ist bedauerlich, dass die
Koalitionsfraktionen nicht bereit waren, eine Relativie-
rung der Sicherheitsleistung durch Einschränkungen
zeitlicher Art oder Einführung von Untergrenzen zu ak-
zeptieren.

Eine außerordentlich gravierende Veränderung kommt
durch die Einführung eines § 370 a der Abgabenordnung
in das Steuerstrafrecht. Dieser neue Straftatbestand heißt
„gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterzie-
hung“. Durch das vorgesehene Mindeststrafmaß von ei-
nem Jahr wird die Tat als Verbrechen eingeordnet, mit der
Begründung, dass sie dadurch ohne weiteres in den Vor-
tatenkatalog des § 261 des Strafgesetzbuches fällt.


(Detlev von Larcher [SPD]: Was ist daran falsch?)


Sowohl der Deutsche Anwaltverein als auch die Bundes-
steuerberaterkammer – Herr Meyer, ich möchte Sie bitten,
die Bundessteuerberaterkammer noch einmal genau zu in-
formieren; Sie haben sie nämlich falsch informiert, das
hat man hinterher festgestellt – wenden sich entschieden
gegen eine derartige Änderung der bestehenden Rechts-
lage, da sie die Rechtsberatung des Steuerbürgers in un-
verhältnismäßiger Weise in einer Vielzahl von Besteue-
rungs-, Steuerstreit- und auch Steuerstrafverfahren
beeinträchtigt bzw. unmöglich macht.


(Detlev von Larcher [SPD]: Das ist nicht richtig!)


Einem Mörder gestehen Sie jederzeit einen Wahlverteidi-
ger zu; hier sagen Sie: Der kann sich ja einen Pflichtver-
teidiger besorgen. – Sie haben hier ein unglaubliches
Rechtsverständnis an den Tag gelegt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Detlev von Larcher [SPD]: Sie wollen Steuerstraftäter schützen!)


Meine Damen und Herren, es ist unbestritten, dass wir
etwas gegen Umsatzsteuerbetrügereien tun müssen.


(Detlev von Larcher [SPD]: Na also!)

Aber gesetzliche Regelungen nach der Rasenmäherme-
thode sind hier absolut unangebracht.


(Detlev von Larcher [SPD]: Ich höre keine Belege!)


In das Gesetz kommen auch Tatbestände hinein, die
mit der Bekämpfung von Betrug bei der Umsatzsteuer
überhaupt nichts zu tun haben, nämlich die Versagung der
steuerlichen Anerkennung der Organschaft von Lebens-
und Sachversicherungen. In einer Nacht-und-Nebel-

Aktion hat man diese Vorschrift eingefügt. Man will hier
vermeiden, dass Lücken, die durch das Halbeinkünfte-
verfahren entstanden sind, durch steuerliche Gestaltungs-
möglichkeiten bei den Versicherungen entsprechend ge-
nutzt werden. Das haben Sie den Versicherungen versagt.
Die Versicherungsnehmer werden die Zeche dafür bezah-
len müssen.

Die Zeitungen schreiben, Minister Eichel würde
schweren Wochen entgegengehen. Tatsache ist, dass er
vor den Scherben seiner Politik steht


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Detlev von Larcher [SPD]: Das möchten Sie gerne!)


und dass sich sein Nimbus als Sparkommissar in Luft auf-
gelöst hat. Herr Minister, Sie werden einen Abgang wie in
Hessen machen, aber die Folgen werden wir alle in
Deutschland tragen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420304300
Ich schließe
die Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zu Ein-
zelplan 08 – Bundesministerium der Finanzen – in der
Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 08 in
der Ausschussfassung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Einzelplan 08 ist mit den Stimmen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
der anderen Fraktionen angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 32 – Bundesschuld –
in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Gegen-
probe! – Enthaltungen? – Der Einzelplan 32 ist mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der anderen
Fraktionen angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 60 – Allgemeine Fi-
nanzverwaltung – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen
Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.
Zunächst Abstimmung über den Änderungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/7582. Wer
stimmt dafür? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Än-
derungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bünd-
nis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsan-
trag der Fraktion der PDS auf der Drucksache 14/7578.
Hierzu ist namentliche Abstimmung verlangt.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen be-
setzt? – Es tut mir Leid, ich kann die Abstimmung noch
nicht eröffnen, weil noch nicht alle Urnen besetzt sind. –
Darf ich fragen, ob die Urne rechts von mir mit Schrift-
führern besetzt ist? – Das ist der Fall.

Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine

Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung.




Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)

19966


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der nament-
lichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.

Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir stimmen nun-
mehr über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/7575 ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS ab-
gelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7579? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Auch dieser Änderungsantrag ist mit den
Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS ab-
gelehnt.

Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.


(Unterbrechung von 15.33 bis 15.39 Uhr)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420304400
Die unter-
brochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergeb-
nis der namentlichen Abstimmung über den Änderungs-
antrag der Fraktion der PDS zu Einzelplan 60 auf Druck-
sache 14/7578 bekannt: Abgegebene Stimmen 592. Mit
Ja haben gestimmt 27, mit Nein haben gestimmt 565,
keine Enthaltungen. Der Änderungsantrag ist somit ab-
gelehnt.




Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters

19967


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 592;
davon

ja: 28
nein: 564

Ja
PDS
Monika Balt
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf

Nein
SPD
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier

Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese

Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit

Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)





Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
19968


(C)



(D)



(A)



(B)


Franz Müntefering
Volker Neumann (Bramsche)

Gerhard Neumann (Gotha)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel

Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Dr. Frank Schmidt

(Weilburg)


Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren

Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen

(Wiesloch)


Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Jürgen Wieczorek (Böhlen)


(Duisburg)


Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese (Hannover)

Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Waltraud Wolff

(Wolmirstedt)


Heidemarie Wright
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann

Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler (Bruchsal)

Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Dankward Buwitt
Cajus Caesar
Manfred Carstens (Emstek)

Peter H. Carstensen

(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E. Fischer

(Karlsruhe-Land)


Klaus Francke
Dr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund

Horst Günther (Duisburg)

Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein

Gottfried Haschke

(Großhennersdorf )


Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser (Bonn)

Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach)


Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)


Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid)


Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erwin Marschewski

(Recklinghausen)


Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)


Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzel-
plan 60 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 60 ist
mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
gegen die Stimmen der anderen Fraktionen angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 20, Bundesrech-
nungshof, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 20 ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt I. 8, Abstimmung über den
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes, Drucksachen
14/6883 und 14/7470. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf in der Ausschussfassung unter der neuen Be-
zeichnung „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von
Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und zur Ände-

rung anderer Steuergesetze“ zustimmen wollen, um das
Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stim-
men von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der
Fraktion der PDS angenommen.

Somit kommen wir zur
dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zu-
stimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit der gleichen Stimmenmehrheit wie in der zweiten
Beratung angenommen.

Abstimmung über die Entschließungsanträge zum
Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz. Wer stimmt für




Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters

19969


(C)



(D)



(A)



(B)


Bernd Neumann (Bremen)

Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch

(Wiesbaden)


Dr. Klaus Rose
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Dr. Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Andreas Schmidt (Mülheim)

Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Dr. Erika Schuchardt

Wolfgang Schulhoff
Gerhard Schulz
Diethard Schütze (Berlin)

Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling

Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Dr. Theodor Waigel
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss)

Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

Margareta Wolf (Frankfurt)


FDP
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun

(Augsburg)


Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Fraktionslose
Abgeordnete
Christa Lörcher

den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
der Drucksache 14/7550?


(Detlev von Larcher [SPD]: Kann man ja gar nicht!)


– Man kann alles, Herr Kollege von Larcher, wenn man
nur will.


(Heiterkeit bei der SPD)

Man kann auch dagegen stimmen. Wer das möchte, den
bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Enthaltungen? – Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der PDS abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf der Drucksache 14/7551. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ent-
schließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der PDS abgelehnt.

Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Druck-
sache 14/7552. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit
den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS ab-
gelehnt.

Tagesordnungspunkt I. 9. Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 14/6748 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.

Tagesordnungspunkt I. 10, Beschlussempfehlung des
Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der
CDU/CSU mit dem Titel „Nachtragshaushalt zur Korrek-
tur der Entwicklung der Bundesfinanzen vorlegen“,
Drucksache 14/6339. Der Ausschuss empfiehlt, den An-
trag auf Drucksache 14/5449 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der CDU/CSU
angenommen.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkte I. 11 und I. 12
auf:
I. 11 Einzelplan 07

Bundesministerium der Justiz
– Drucksachen 14/7307, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Carsten Schneider
Albrecht Feibel
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Werner Hoyer
Heidemarie Ehlert

I. 12 Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
– Drucksache 17/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Carsten Schneider
Albrecht Feibel

Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Das Haus ist damit
einverstanden.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort zunächst
dem Kollegen Albrecht Feibel für die Fraktion der
CDU/CSU.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1420304500
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Eine bedeutende Schnittstelle zwi-
schen Justiz und Wirtschaft ist das deutsche Patent- und
Markenwesen. Funktioniert es, ist es eine wichtige Unter-
stützung für die Wirtschaft, für Wachstum, für Neuan-
siedlungen, für Arbeitsplätze. Funktioniert das Patent-
und Markenwesen nicht oder nicht ausreichend, gibt es
Staus und Verzögerungen bei der Erteilung von Patenten
und der Eintragung von Marken. Dies wirkt sich negativ
auf unsere wirtschaftliche Entwicklung aus.

Unbestritten gibt es gegenüber unserer letzten Haus-
haltsberatung Fortschritte beim Deutschen Patent- und
Markenamt. Dazu zählen die räumliche Verbesserung
und die Ausstattung mit moderner IT-Technik. Aber all
das reicht nicht aus. Wenn sich zwei hoch qualifizierte
Fachkräfte nach wie vor einen Computer teilen müssen,


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Unerhört!)

so ist dies ein untragbarer Zustand. Das größte Problem
– trotz einiger Verbesserungen – sind immer noch die un-
zureichenden Personalverhältnisse des Deutschen Patent-
und Markenamtes. So wurden die Prüferstellen – im Jahre
2000 betrugen sie noch 600 – im Jahre 2001, also in die-
sem Jahr, um ganze zehn Prüfer auf 610 erhöht. Es fehlen
also weiterhin 50 bis 100 Fachkräfte, um den jeweils am
Jahresende aufgelaufenen Stau von 120 000 Patentanträ-
gen abzubauen und eine zeitnahe Bearbeitung der Anträge
sicherzustellen. Das ist ein Zustand, der im Zeitalter im-
mer schnellerer Entwicklungen geradezu wie eine ange-
zogene Handbremse für den Fortschritt und für neue Er-
findungen wirkt.

Im Haushaltsplan 2002 hat die Bundesregierung zwar
eine weitere Personalaufstockung vorgesehen; diese ist
aber zu gering, wenn man die per Saldo verbleibenden
Netto-Personalaufstockungen errechnet. Andererseits
sind mehr als 30 Stellen bis 2006 befristet, also mit einem
kw-Vermerk versehen. Man muss die Frage stellen: Was
kommt, wenn diese Stellen wieder wegfallen? Dabei
muss man auch einrechnen, dass die Ausbildung dieser
Prüfer einen bestimmten Zeitraum in Anspruch nimmt. Es
bleiben dann vielleicht noch zwei bis drei Jahre, in denen
diese Fachkräfte wirklich tätig werden können.

Ein weiteres Problem wird sich bezogen auf die
Raumausstattung ergeben. Wenn man zusätzliches Perso-
nal einstellt, muss man sicherlich auch für die notwendi-
gen Räume sorgen. Dazu habe ich von der Justizministe-
rin noch nichts gehört.

Bei der Beurteilung der Zustände beim DPMA darf
nicht vergessen werden, dass sich das Patent- und Mar-
kenamt – einschließlich des Patentgerichts – selbst finan-




Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
19970


(C)



(D)



(A)



(B)


ziert, das heißt, dass die Gebühren ausreichen, um die an-
fallenden Sach- und Personalkosten abzudecken. Insofern
ist das Verhalten der Bundesregierung, dass man nämlich
das Patent- und Markenamt nicht ausreichend mit Perso-
nal ausstattet, überhaupt nicht zu verstehen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fällt Ihnen jetzt auf! Als Sie regiert haben, haben Sie es übersehen! – Gegenruf des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU]: Ihr regiert doch schon seit drei Jahren!)


Meine Damen und Herren, die derzeitige wirtschaftli-
che Entwicklung ist unbefriedigend. Das wirkt sich auch
auf die Beschäftigungssituation aus. Das Wirtschafts-
wachstum wird in diesem Jahr nur 0,7 Prozent erreichen.
Der laufende Haushalt 2001 basiert aber auf einer An-
nahme von 2,75 Prozent.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist eine Illusion der Regierung!)


Jeder Prozentpunkt weniger bedeutet rund 10 Milli-
arden DM weniger Steuereinnahmen. Für 2002 ist keine
Besserung zu erwarten. Die Europäische Union prognos-
tiziert weiterhin nur ein Wirtschaftswachstum von
0,7 Prozent.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist auch eine Hoffnung!)


Damit befinden wir uns im europäischen Ranking hinter
Griechenland mit 3,5 Prozent, Spanien mit 2 Prozent,
Frankreich mit 1,5 Prozent und Italien mit 1,3 Prozent.
Trotz dieser Erwartungen hat der Bundesfinanzminister in
seinem Haushalt ein Wirtschaftswachstum von 1,25 Pro-
zent für das Jahr 2002 angenommen. Das ist realitätsfern
und verantwortungslos.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Genau!)

Trotz anders lautender Versprechungen des Kanzlers

steigt die Zahl der Menschen ohne Beschäftigung stetig an.
Von einer Reduzierung der Arbeitslosenzahl auf 3,5 Milli-
onen kann nicht die Rede sein. Mehr Arbeitslose bedeuten
aber auch höhere Ausgaben. Pro 100 000 zusätzliche Ar-
beitslose wird der Bundeshaushalt mit 3 Milliarden DM
belastet. Wenn es also zusätzlich 500 000 Arbeitslose gibt,
steigen die Ausgaben um 15 Milliarden DM an.

Auch das in diesen Tagen bekannt gewordene Schei-
tern der GEBB, der Gesellschaft für Entwicklung, Be-
schaffung und Betrieb, Ihres untauglichen Versuchs der
Privatisierung von Teilen der Bundeswehr, führt dazu,
dass Mittel fehlen. Die 2 Milliarden, die für diesen Be-
reich im Haushalt eingerechnet sind, werden sich nicht
realisieren lassen. Die GEBB ist von ihrer Struktur her
völlig falsch angelegt und wird auch mit einer anderen
Person an der Spitze nicht zum Erfolg führen.


(Joachim Stünker [SPD]: Wovon reden Sie? – Alfred Hartenbach [SPD]: Thema verfehlt!)


Dieses unsägliche Unternehmen wird nur Geld kosten,
aber keine Erlöse erzielen, die für die neuen großen Auf-
gaben der Bundeswehr so dringend gebraucht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Alfred Hartenbach [SPD]: Wir sind beim Justizhaushalt! Das bezieht sich auf den Verteidigungshaushalt!)


– Es ist mir klar, dass Sie das nicht hören wollen, Herr
Kollege. Aber das hängt zusammen. Wir reden über den
Haushalt und dabei stellen wir fest, dass die Grundlage
nicht stimmt. Ihre Annahmen sind unrealistisch; sie sind
den neuen Entwicklungen und Erkenntnissen nicht ange-
passt worden. Solche Tatsachen darf ein verantwortungs-
bewusster Bundesfinanzminister nicht ignorieren. An-
sonsten wird er zum haushaltspolitischen Falschmünzer.

Die Justizministerin ist gefordert, ihren Beitrag zu ei-
ner besseren wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten.
Darum müssen Sie, Frau Kollegin, den Stau beim DPMA
kurzfristig auflösen und dafür Sorge tragen, dass dieses
Amt voll funktionsfähig ist. Sie können ruhig applaudie-
ren; denn dies ist eine Aufgabe, die wahrgenommen wer-
den muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Stocken Sie die Zahl der Stellen auf, damit der Stau beim
Patentamt aufgelöst wird und die Markenanmeldungen
nicht ewig auf Bearbeitung warten müssen! Dazu reichen
die derzeitigen Ansätze nicht aus. Es darf aber keinesfalls
dazu kommen, dass, wie im letzten Jahr, Stellen verspro-
chen, aber nicht eingerichtet werden. Das dient weder Ih-
rer Glaubwürdigkeit, Frau Justizministerin, noch der Sa-
che selbst.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir kritisieren einen weiteren Punkt, und zwar die un-

gerechte Entschädigung von Opfern extremistischer Ge-
walt. Die Regierung scheint auf dem linken Auge blind zu
sein; denn auch 2002 werden nur Opfer rechtsextremisti-
scher Gewalt entschädigt. Das lehnt die CDU/CSU-Frak-
tion ab. Wenn Opfer entschädigt werden, dann bitte alle
gleichermaßen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nun hätte ich eigentlich eine Frage an den Herrn Bun-
desfinanzminister; er ist aber leider nicht da. Er hat vor-
hin in seiner Rede wieder einmal verkündet, wie hoch die
Steuerentlastungen für die Bundesbürger sein werden.
In diesem Punkt besteht meines Erachtens Aufklärungs-
bedarf. Ich denke aber, dass der Staatssekretär dieses An-
liegen weitergeben wird.

Der Bundesfinanzminister wird nicht müde, landauf,
landab den Bürgern zu erzählen, sie würden immer weni-
ger Steuern zahlen. Dies stimmt aber nicht. Ein Blick in
die mittelfristige Finanzplanung zeigt, dass die Bundes-
bürger von 1998 – das war der letzte Haushalt des Bun-
desfinanzministers Waigel – bis 2005 gewaltig mehr an
Steuern zahlen müssen. Bis zum Jahr 2005 werden es
mehr als 100 Milliarden DM sein, wenn Sie denn – diese
Einschränkung muss ich machen – bis dahin regieren.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Davon gehen wir nicht aus!)


Sie versprechen außerdem ab dem Jahr 2005 eine Entlas-
tung in Höhe von 60 Milliarden DM. Diese haben Sie bis
dahin längst, und zwar noch mit einem gewaltigen Zu-
schlag, von den Steuerzahlern kassiert.




Albrecht Feibel

19971


(C)



(D)



(A)



(B)


H
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420304600
1998 betrugen die Steuer-
einnahmen 341,5Milliarden DM. Im Jahr 2005 werden es
nach Ihrer Finanzplanung 445,7 Milliarden DM sein.

Hinzu kommt, dass diese Steuerbelastung natürlich Gift
für die wirtschaftliche Entwicklung ist und dass damit dem
Problem, das wir in diesen Tagen haben – Stichwort: Wirt-
schaftswachstum und sprudelnde Steuerquellen –, nicht
abgeholfen werden kann.

Den Einzelplan 07 lehnen wir aus den genannten Grün-
den, aber auch aus dem Grund der wunderbaren Vermeh-
rung der Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit ab. Diese sind
in zwei Jahren um mehr als 50 Prozent gestiegen.


(Susanne Jaffke [CDU/CSU]: Verfassungswidrig!)


Das lässt darauf schließen, dass hier Vorsorge für den be-
vorstehenden Wahlkampf getroffen wird. Deshalb werden
wir den Einzelplan 07 ablehnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alfred Hartenbach [SPD]: Das wussten wir vorher!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420304700
Für die
SPD-Fraktion spricht der Kollege Carsten Schneider.


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1420304800
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Im Übrigen beraten wir heute
den Einzelplan 07 – Justiz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sprechen aber nicht nur über das Jahr 2002. Ich
möchte vielmehr die Gelegenheit nutzen, ein wenig
zurückzublicken und über die vergangene Legislaturperi-
ode Bilanz zu ziehen.

Die Bilanz dieser Jahre ist ausgezeichnet. Die Ent-
wicklung des Justizhaushalts ist dabei geradezu ein Pa-
radebeispiel für den Paradigmenwechsel von einer nur
verwaltenden hin zu einer aktiven, innovativen, aber auch
sozialen Haushaltspolitik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: Von welcher Justiz sprechen Sie denn?)


Der Justizhaushalt hat einerseits seinen Beitrag zur Kon-
solidierung der Staatsfinanzen geleistet, wie er anderer-
seits wirtschafts- und gesellschaftspolitische Akzente ge-
setzt hat. Damit ist der Justizhaushalt exemplarisch für die
Politik der Bundesregierung in den letzten guten Jahren.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Was Sie machen, ist das Pfeifen im Walde!)


Dank der harten Hand unseres Finanzministers und der
Koalitionsfraktionen ist es gelungen, die rasant steigende
Staatsverschuldung zu drosseln und Vernunft walten zu
lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Vernünftige Politik heißt erstens, die Bürgerinnen und
Bürger von Steuern und Abgaben zu entlasten,


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben uns vorgemacht, wie das geht!)


zweitens, die Staatsausgaben sukzessive zurückzuführen
und den Freiraum der Bürger zu erhöhen, und drittens,
Kernaufgaben durch den Staat zu erfüllen und dort, wo
es möglich und sinnvoll ist, privater Initiative Platz zu
geben.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Deutschland ist das Land mit der höchsten Steuerbelastung!)


Unsere Haushaltspolitik ist vernünftig, weil wir eine
gerechte, eine generationengerechte Politik betreiben.


(Beifall bei der SPD – Norbert Geis [CDU/ CSU]: Auf welchem Stern leben Sie eigentlich?)


Unsere Politik ist vernünftig, weil soziale Gerechtigkeit
Maßstab unseres Handelns ist. Ob BAföG-Reform, Kin-
dergeld oder Steuerreform – wir sind die einzige Partei,
die einen Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Effizienz
und sozialer Gerechtigkeit schafft.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Ich denke, wir machen den Justizhaushalt!)


Diese Leitlinien sind sowohl am Gesamthaushalt als
auch am Justizhaushalt erkennbar. Die Ausgaben des Jus-
tizhaushaltes für 2002 sinken gegenüber dem Ansatz für
2001 um 2 Millionen Euro auf 346 Millionen Euro. Sie
sind damit um 8 Millionen Euro niedriger als 1998. Auch
hieran, am Justizhaushalt, sehen Sie, dass wir die Ausga-
benseite konsolidiert haben.

Auch beim Personal hat der Justizhaushalt seinen
Konsolidierungsanteil geleistet. Der Personalbestand
sank seit 1998 um 1,5 Prozent. Gleichzeitig – das ver-
deutlicht unsere Politik – stieg der Personalbestad beim
ebenso viel beschworenen Deutschen Patent- und Mar-
kenamt um knapp 5 Prozent. Allein die Zahl der Patent-
prüfer steigt bis zum Jahre 2002 um gut ein Fünftel. Jah-
relang ist das Patent- und Markenamt durch Ihre Partei,
Kollege Feibel – ich nehme Sie aus, Sie waren damals
nicht im Parlament –, vernachlässigt worden, ist die Wirt-
schaft letztendlich mit Füßen getreten worden.


(Beifall bei der SPD – Norbert Geis [CDU/ CSU]: Das stimmt erstens nicht und zweitens regieren Sie schon seit drei Jahren!)


Wir haben diesen Trend umgekehrt und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Auch die IT-Ausgaben des DPMA haben sich seit

1998 verdoppelt. Nächstes Jahr werden hierfür 22 Milli-
onen Euro eingestellt.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Weiß das der Feibel auch? – Gegenruf des Abg. Norbert Geis [CDU/ CSU]: Keine unsachlichen Zwischenrufe!)


– Wenn er es nachlesen kann, schon. – Obwohl wir hier
viel unternommen haben und die Erledigungszahlen der




Albrecht Feibel
19972


(C)



(D)



(A)



(B)


einzelnen Prüfer stark gestiegen sind, wofür ich mich bei
den Prüfern besonders bedanken möchte, verzeichnen wir
immer noch ein Anwachsen des Bestandes. Das zeigt
exemplarisch, dass die Folgen der jahrelangen Vernach-
lässigung eben nicht über Nacht behoben werden können.
Patentprüfer fallen nicht vom Himmel, sondern müssen
ausgebildet werden. Der Markt für diese ist sehr eng. Der
Schaden Ihres Handelns bzw. Ihrer Untätigkeit wird da-
durch umso gravierender.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich noch ein Wort zum Standort Jena des
DPMA sagen. Wir werden nächstes Jahr in der Marken-
abteilung des DPMA 30 neue Stellen, davon 20 Marken-
prüfer, besetzen. Die Stärkung des Standorts Jena liegt mir
sehr am Herzen. Ich freue mich, dass wir innerhalb des
Parlaments zusammen mit der Regierung zu der Lösung
gekommen sind, dass alle neuen Stellen zukünftig in
ebendieser Stadt angesiedelt werden, die somit eine Stär-
kung erfährt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte noch auf einen weiteren Bereich des Jus-
tizhaushaltes eingehen, der mir sehr am Herzen liegt. Das
ist der Kampf gegen Rechtsextremismus. Auch wenn
glücklicherweise bei dem Brandanschlag auf ein
Asylbewerberheim in der vergangenen Woche im Kreis
Augsburg kein Mensch zu Schaden kam, so zeigt dies
doch, dass die rechtsextreme Gefahr nach wie vor vor-
handen ist. Es ist sogar zu befürchten, dass bei einer
unreflektierten Beurteilung der Ereignisse vom 11. Sep-
tember Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu-
nehmen.

Wir hatten daher für 2001 beim Generalbundesanwalt
einen Hilfsfonds für Opfer rechtsextremistischer Über-
griffe von 5 Millionen Euro veranschlagt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gab damals heftigen Streit darüber – Herr Kollege
Feibel, Sie haben das eben noch einmal ausgeführt –, ob
man diesen Fonds auf Opfer rechtsextremistischer Gewalt
einschränken sollte. Meiner Meinung nach ist es beson-
ders wichtig und auch herauszustreichen, dass wir diese
besondere Art von Gewalt, die derzeit existent ist – Sie
können im Bericht nachlesen, dass es zurzeit keine Gefahr
von Linksextremisten, sondern von Rechtsextremisten
gibt –, ächten, bekämpfen und den Opfern unsere Solida-
rität deutlich machen. Unsere Politik macht damit klar:
Wir geben Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus
und Antisemitismus keine Chance.

Die bisherige Bilanz der sozialdemokratischen Finanz-
und Haushaltspolitik ist gut, weil sie verlässlich, voraus-
schauend und ehrlich ist. Der Haushalt für das Wahljahr
steigt wie geplant um 1,6 Prozent. 1998, im letzten Jahr
Ihrer Regierung, hatte er einen Anstieg von 3,4 Prozent.
Sie haben damals den untauglichen Versuch unternom-

men, mit AB-Maßnahmen im Osten die Wahl für sich zu
gewinnen. Das hat Ihnen nichts genützt.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Ihnen nützt gar nichts mehr!)


Wir machen solche unredlichen Dinge nicht. Wir haben
das nicht nötig, weil sie falsch sind, weil wir den Wähle-
rinnen und Wählern nichts vorgaukeln wollen und weil
wir eine Finanz- und Haushaltspolitik betreiben, die ver-
lässlich und ökonomisch sinnvoll ist.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: 1,7 Millionen in AB-Maßnahmen!)


Deshalb halte ich nichts von Strohfeuerprogrammen,
die immer wieder von der Opposition gefordert werden.
Sie kosten einmal eben 40 Milliarden DM bzw. 20 Milli-
arden Euro. Woher dieses Geld kommen soll, ist nicht
klar. Solche Politik ist unseriös. Überdies schadet sie der
inneren Einheit Deutschlands.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das schadet der inneren Einheit nicht!)


Dadurch entsteht der Eindruck, der Osten sei ein Fass
ohne Boden. Das ist er aber nicht.

Richtig und für die neuen Länder nützlich ist dagegen
das Verhandlungsergebnis zum Solidarpakt II. Ich glaube,
dass wir die Bedeutung dieses Abschlusses vor der Som-
merpause erst in einigen Jahren abschätzen können. Ich
bin froh, dass wir dieses wichtige Thema vor der Som-
merpause vom Eis haben und damit den neuen Ländern
eine langfristige Planungssicherheit über 20 Jahre geben.
Ich möchte dabei ganz besonders dem Bundeskanzler
danken.

Lassen Sie mich zum Abschluss einen Blick in die
nächste Legislaturperiode werfen. Der Finanzminister hat
den Pfad klar abgesteckt. Für das Jahr 2006 wird Hans
Eichel einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wir als
Parlament werden ihn beschließen. Die Festlegung auf
diesen Zeitplan ist eine finanzpolitische Meisterleistung,
die Herr Waigel nie ins Kalkül fasste, geschweige denn
durchsetzen konnte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das glauben Sie ja selber nicht!)


Wir werden daher auch in der kommenden Wahlperiode
diesen Zeitplan beibehalten. Gleiches gilt für den Stufen-
plan der Steuerreform.

Da die Finanzpolitiker der Union immer das Vorziehen
der nächsten Stufe unserer Steuerreform fordern, erklären
Sie mir doch bitte einmal: Wieso wollen Sie diese Steu-
erreform vorziehen, gegen die Sie gestimmt haben und
gegen die Sie immerzu wettern? So schlecht kann sie doch
nicht sein, wenn Sie sie sogar noch früher als vorgesehen
haben wollen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir wollen die wichtigen Teile haben, die wir selbst auch vorgeschlagen haben!)





Carsten Schneider

19973


(C)



(D)



(A)



(B)


Außerdem sind es doch Ihre Länderfinanzminister, die
immer wieder auf die Bremse treten, wenn es um höhere
Entlastungen durch die Steuerreform geht. Diese wissen
genau, wie es um die Länderhaushalte bestellt ist. Sie sind
nicht in der Lage, in ihren Haushalten eine Ausgabenkon-
solidierung durchzuführen und Strukturreformen anzu-
gehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben noch gar nicht erfasst, was wir vorhaben!)


Ich rate den Finanz- und Haushaltspolitikern der
Opposition, lieber ihren Steuerfachleuten in den Ländern
und Kommunen zuzuhören. Die Stadtkämmerin von Er-
furt liegt mir schon jetzt wegen ausbleibender Steuerein-
nahmen in den Ohren. Wie wollen Sie denen dann noch
höhere Steuerausfälle plausibel machen? Wer soll die Ze-
che bezahlen, wenn nicht wieder die zukünftige Genera-
tion? Eine solche Politik ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Die Gewerbesteuerumlagen ändern! Das haben Sie offenbar noch gar nicht gerafft! – Zuruf von der PDS: Vermögensteuer!)


So sehr ich die Entscheidung zum Länderfinanzaus-
gleich und zum Solidarpakt II auch begrüße, so sehr
möchte ich davor warnen, das Ergebnis als das Nonplus-
ultra des bundesdeutschen Föderalismus zu sehen. Ich
sehe das Ergebnis quasi als finanzpolitisches Fundament
einer föderalistischen Renaissance. Der europäische Inte-
grations- und Vertiefungsprozess darf uns die Augen vor
den eigenen hausgemachten föderalen Problemen nicht
verschließen. Wir sollten daher die kommende Wahlperi-
ode zur Periode der Reform des Föderalismus machen.
Föderalismus heißt dezentrale, durchschaubare Ver-
antwortung und flexible Entscheidungsfähigkeit. Es geht
nicht nur um die Aufteilung von Geld, sondern auch um
eine klar abgrenzbare Aufteilung der Aufgaben. Das, was
wir in den nächsten vier Jahren schaffen müssten, ist eine
klare Zuordnung der Verantwortung und eine durchge-
hende Anwendung des Subsidiaritätsprinzips. Wir müss-
ten außerdem mehr Mut für einen dennoch solidarischen
Wettbewerb aufbringen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Was machen Sie denn in der Justiz?)


Der Föderalismus muss seine beiden Grundfunktionen
wieder erfüllen: Er soll klare Verantwortung nah an die
Bürgerinnen und Bürger bringen und er muss unter-
schiedliche politische Lösungsentwürfe ermöglichen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das sind Allgemeinplätze, Herr Kollege!)


Zum Schluss meiner Rede möchte ich den Kollegin-
nen und Kollegen Berichterstattern herzlich für die
konstruktive Zusammenarbeit danken, ebenso der Minis-
terin, dem Staatssekretär sowie den Beamten des Haus-
haltsreferats.

Im Haushaltsausschuss gilt vor allem, bei Entschei-
dungen in die Zukunft zu blicken und dabei realistisch zu
sein. Wenn ich realistisch in die Zukunft blicke, dann

stelle ich fest, dass wir weitere vier Jahre mit der jetzigen
Ministerin vor uns haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420304900
Für die
FDP-Fraktion spricht der Kollege Rainer Funke.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Ruhig bleiben, Herr Funke!)



Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1420305000
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ein funktionierendes Justizwesen ist für un-
sere Gesellschaftsordnung, für das Vertrauen der Bevöl-
kerung in unseren Rechtsstaat und damit für unsere
Demokratie unerlässlich. Insoweit begrüßt die FDP, dass
bei den Haushaltskürzungen im Justizbereich des Bundes
und auch zunehmend in dem der Länder die Rasen-
mähermethode nicht mehr angewandt wird.


(Beifall bei der FDP)

Zwar ist der Justizpersonalhaushalt des Bundes ver-
gleichsweise gering. Die oberen Bundesgerichte sind je-
doch für die Einheitlichkeit unserer Rechtsprechung und
damit für den Bestand unserer Rechtsordnung von he-
rausragender Bedeutung. Ich kann daher die Bundesjus-
tizministerin nur darin unterstützen, sich gegen unspezifi-
zierte Haushaltskürzungen in diesem Bereich zu wehren.

Wir würden die Justizministerin auch darin unterstüt-
zen, wenn sie sich dagegen wehren würde, dass Geset-
zesmaterien, die ursprünglich in ihrem Hause ressortiert
waren, von anderen Häusern in Anspruch genommen
werden.


(Beifall bei der FDP)

Ich will als konkretes Beispiel das Übernahmegesetz er-
wähnen, bei dessen Beratung das Bundesfinanzministe-
rium die Federführung beansprucht hat, obwohl wesentli-
che Fragen des Aktienrechts betroffen sind. Mit großem
Erfolg hat das Bundesjustizministerium an der Corporate-
Governance-Arbeitsgruppe unter Professor Baums teilge-
nommen und gute Vorschläge entwickelt, die hoffentlich
bald Gesetz werden können. Das Übernahmegesetz kon-
terkariert dagegen diese erfolgreichen Beratungen und
führt dazu, dass Aktionäre durch Vorstand und Aufsichts-
rat und auch durch entsprechende Vorratsbeschlüsse der
Hauptversammlung quasi enteignet werden. Dies führt
zur Schwächung des deutschen Kapitalmarkts,


(Walter Hirche [FDP]: Zwangsverkalkung der Wirtschaft ist das!)


während die Corporate-Governance-Arbeitsgruppe unter
Professor Baums zur Kapitalmarktöffnung beitragen will.
Hier weiß offensichtlich die eine Hand nicht, was die an-
dere tut. Ich bin sicher, dass die Bundesjustizministerin,
hätte sie denn aufgepasst, dies nicht gebilligt hätte. Aber
so ist es in der Tat an der Justizministerin vorbeigelaufen.

Das Bundesjustizministerium war unter allen Bundes-
justizministern und Bundesjustizministerinnen ein Hort
unserer Rechtsordnung. Dabei wurde auch darauf geach-




Carsten Schneider
19974


(C)



(D)



(A)



(B)


tet, dass eine ordnungsgemäße parlamentarische Bera-
tung der Gesetzesvorlagen sichergestellt wurde.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

Leider müssen wir uns zum wiederholten Male, Frau Mi-
nisterin, darüber beklagen, dass aufgrund des von Ihnen
gesetzten Zeitdrucks sinnvolle Beratungen erschwert
werden, um es einmal hanseatisch und zurückhaltend aus-
zudrücken.

Ich erwähne nur zwei Beispiele aus dieser Woche; an-
dere Beispiele sind leider Legion und von uns mehrfach
vorgetragen worden. In dieser Woche sollte eine Nachfol-
geregelung zu § 12 des Fernmeldeanlagengesetzes, also
die Telefonüberwachung, beschlossen werden.


(Joachim Stünker [SPD]: § 12 a, Herr Funke!)

Seit Jahren, Herr Kollege, wird hierüber diskutiert.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird immer besser! – Gegenruf des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU]: Dem Ströbele fällt jeden Tag etwas Neues zu diesem Thema ein!)


Die Geltung des § 12 ist mehrfach verlängert worden.
Jetzt, wenige Tage vor Ablauf der Frist am 31. Dezember
dieses Jahres, sollte heute in einer Sondersitzung des
Rechtsausschusses hierüber beraten werden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu haben wir noch eine ganze Woche Zeit!)


Auf Druck der Grünen ist die Beratung wieder abgesetzt
worden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung, Herr Kollege!)


Dies führt dazu, dass wir auch in der letzten Sitzung die-
ses Jahres dieses Gesetz nicht mehr ordnungsgemäß bera-
ten können. Insbesondere können wir auch keine An-
hörung durchführen, falls wir eine solche für richtig
hielten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wäre ja auch nicht notwendig!)


– Das glauben Sie.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Anhörung hätten Sie heute beantragen können!)


Sie wollen hier doch die Leute nur unter Druck setzen. So
kann man mit dem Parlament nicht umgehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es geht darum, dass die Kolleginnen und Kollegen im
Rechtsausschuss und natürlich auch das Plenum ord-
nungsgemäß beraten können. Das stellen Sie leider nicht
mehr sicher.

Dies geht sogar noch weiter: Der junge Kollege
Schneider hat eben gerade den Föderalismus gepriesen.
Ich preise ihn auch. Aber was Sie mit dem Bundesrat ma-
chen, ist ganz schlimm. Der Bundesrat hat keine Mög-

lichkeit mehr, das Gesetz rechtzeitig zu beraten. Er soll es
noch in der letzten Sitzungswoche dieses Jahres be-
schließen, kann vorher aber nicht einmal ernsthaft den
Vermittlungsausschuss anrufen. So gehen Sie mit dem
Bundesrat um!


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das Gesetz ist doch schon lange fertig! – Alfred Hartenbach [SPD]: Das Gesetz kennt er schon eine ganze Weile!)


– Nein, was in den Beratungen zwischen Ihnen und den
Grünen herauskommen wird, weiß der Bundesrat bis
heute nicht. Das wissen auch wir nicht. Auch Ihnen ist be-
kannt, dass hier eine Hängepartie gegeben ist, die dazu
führt, dass wir nicht mehr ordnungsgemäß beraten kön-
nen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU])


Ähnlich verhält es sich leider auch beim Urheberver-
tragsrecht, das jetzt in zügigster Weise durchgepeitscht
werden soll.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Das können Sie doch mittlerweile auswendig, Herr Funke, so oft haben wir miteinander geredet!)


– Lieber Herr Kollege Hartenbach, der ursprüngliche Ent-
wurf der Bundesregierung geriet kräftig in die Kritik,
woraufhin der Gesetzentwurf in der letzten Woche in
14 Punkten geändert wurde.

Wir haben im Berichterstattergespräch erörtert, dass
dieser Gesetzentwurf grundlegend geändert wird. Eine
gründliche Beratung dieser Änderungen mit den betroffe-
nen Organisationen und Verbänden der Urheber und Ver-
werter ist aber durch den Zeitdruck, unter den sich die
Bundesjustizministerin ohne Not selbst gesetzt hat, nicht
mehr gewährleistet. Ich appelliere daher an die Ministe-
rin, auch dem Parlament genügend Zeit für die Beratun-
gen zu geben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Andere Gesetze werden unnötig lange nicht angegan-

gen. Ich nenne nur das materielle Stiftungsrecht und die
Novellierung der Juristenausbildung.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mal zu schnell, mal zu langsam!)


Hier sollte die Justizministerin, die nun einmal über § 5
des Deutschen Richtergesetzes eine ausreichende Geset-
zesgrundlage dazu hat, initiativ werden, damit unsere
jungen Juristen eine noch bessere Ausbildung erfahren
können.

Lassen Sie mich abschließend versichern, dass sich die
FDP als Rechtsstaatspartei der Fortentwicklung unserer
Rechtsordnung immer engagiert annehmen wird. Bei ent-
sprechenden Vorhaben werden wir das Ministerium kon-
struktiv begleiten. Den Mitarbeitern des Bundesjustizmi-
nisteriums sage ich für ihre engagierte und sachkundige
Zuarbeit im Namen meiner Fraktion aufrichtig Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





Rainer Funke

19975


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420305100
Ich erteile
dem Kollegen Volker Beck das Wort. Er spricht für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420305200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der rechts-
politische Reformmotor ist in diesem Jahr so richtig auf
Touren gekommen. Man hört es von Herrn Funke: Die
Opposition schwitzt, weil sie den Reformeifer von Rot-
Grün nicht mehr richtig bewältigen kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Norbert Geis [CDU/CSU]: Den blinden Eifer!)


Sehr geschätzter Kollege, beim Urhebervertragsrecht
können Sie sich wirklich nicht über mangelnde Beratun-
gen im Ausschuss beklagen. Wir hatten eine Anhörung,
wir hatten Berichterstattergespräche. Wir werden diese
intensive Beratung mit einer Berichterstatteranhörung
fortsetzen.

Auch hinsichtlich der Nachfolgeregelung zum § 12 des
Fernmeldeanlagengesetzes werden Ihre Träume wahr
werden. Wir werden diese Regelung noch in diesem Jahr
verabschieden und rechtzeitig im Gesetzblatt veröffent-
lichen. Bei den notwendigen Eingriffen in die Grund-
rechte schaffen wir es, diese immer zielgenauer und ver-
hältnismäßiger zu gestalten. Das ist etwas, was Ihnen als
ehemaliger Bürgerrechtspartei eigentlich gefallen müsste.
Das sollte eher auf Ihren Beifall denn auf Ihre Kritik
stoßen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schon jetzt lässt sich sagen: Das Jahr 2001 wird als das
Jahr der spektakulären rechtspolitischen Reformen in die
Geschichte eingehen. Wir haben die notwendigen Moder-
nisierungen – Justizreform, Schuldrechtsmodernisierung,
Mietrechtsreform, die Regelung zur eingetragenen Part-
nerschaft, das Gewaltschutzgesetz – nicht nur angekün-
digt, sondern wir haben sie auch durchgesetzt. Wir haben
in drei Jahren in der Rechtspolitik mehr zustande gebracht
als Schwarz-Gelb in den gesamten 16 Jahren seiner Re-
gierungsverantwortung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben geschlafen, sonst hätten Sie das nicht sagen können!)


Lassen Sie mich zu Beginn auf eine Gesetzgebung ein-
gehen, die uns alle beschäftigt, den Konsequenzen der
schrecklichen Anschläge vom 11. September geschuldet
ist und die innere Sicherheit in diesem Land betrifft. Mit
den Gesetzen der Sicherheitspakete I und II stellt die
Koalition eindrucksvoll unter Beweis, dass sie bei der
Terrorismusbekämpfung die richtige Balance gefunden
hat.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Oje! Das kommt darauf an, wer da balanciert!)


Das Gesetz ist ein austariertes, verhältnismäßiges Maß-
nahmenpaket. Es gewährleistet den Bürgern optimale

Sicherheit, ohne dabei Bürgerrechte und Datenschutz ab-
zubauen. Es beweist auch, dass man Sicherheitserforder-
nisse und die Wahrung von Freiheit und Rechtsstaatlich-
keit durchaus vereinbaren kann, wenn man sich anstrengt.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wo haben Sie sich denn angestrengt, Herr Beck? Sagen Sie das einmal!)


Ich warne davor, das grundsätzlich gelungene Bündel von
Maßnahmen jetzt mit Verschärfungen an der einen oder
anderen Stelle wieder aus der Balance zu bringen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Balance zwischen Rot und Grün, aber nicht zwischen den Interessen der Bevölkerung!)


Wer das will, wie wohl einige Ausschüsse des Bundesra-
tes angekündigt haben, der gefährdet eine zügige Verab-
schiedung dieses Gesetzes im Deutschen Bundestag. Da-
rüber muss man sich im Klaren sein. Wir brauchen im
Kampf gegen die Strukturen des internationalen Terroris-
mus keine langen Verzögerungen, keine wochen- und mo-
natelangen Beratungen zwischen den parlamentarischen
Gremien von Bundestag und Bundesrat. Das wäre in der
Tat verantwortungslos. Wir müssen diesbezüglich zügig
und entschlossen handeln.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Meine Damen und Herren, in dieser Haushaltsdebatte
geht es auch um die Kosten von Rechtsstaat und Jus-
tiz. Beinahe ein Standardsatz in den haushaltspolitischen
Reden zum Justizhaushalt lautet: Der Rechtsstaat ist eine
erstaunlich preisgünstige Veranstaltung. Die Anteile der
Justizhaushalte bei Bund und Ländern, gemessen am
Gesamthaushalt, sind immer sehr gering. Trotzdem ga-
rantieren sie die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger
vor staatlicher Willkür, vor nicht zielgerichteter Repres-
sion. Deshalb muss uns der Rechtsstaat auch etwas Wert
sein.

Wir brauchen einen umfassenden Sicherheitsbegriff,
der auch die Sicherheit vor ungerechtfertigten Eingriffen
in die Grundrechte einbezieht und die rechtsstaatlichen
Grundwerte hochhält: die Trennung von Polizei und Ge-
heimdiensten, das auch für den Beschuldigten faire Ver-
fahren, den Grundsatz, Eingriffe in die Rechte von Perso-
nen nur vorzunehmen, wenn sie verhältnismäßig sind,
und das Prinzip, den Datenschutz als Bürgerrecht und
Grundrecht und nicht als Täterschutz zu begreifen.

Es ist gut, dass diese Koalition diese Orientierung in
der Rechtspolitik und in der Sicherheitspolitik gleicher-
maßen wahrt.

Meine Damen und Herren, auf nahezu allen Gebieten
der Justizpolitik kann diese Koalition auf eine eindrucks-
volle Erfolgsbilanz verweisen. Unsere Reformpolitik
zielt auf die Modernisierung der Justiz, auf die Stärkung
der Stellung von Rechtsuchenden und Verbrauchern, auf
den Schutz der Schwachen durch Recht und auf Maßnah-
men gegen die Diskriminierung von benachteiligten
Gruppen in unserer Gesellschaft.






(C)



(D)



(A)



(B)


Mit der Schuldrechtsreform haben wir unser Bürger-
liches Gesetzbuch endlich für das 21. Jahrhundert fit ge-
macht.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Und für Europa! – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das wird sich erst noch zeigen!)


Damit werden wir auf dem internationalen Parkett bei den
Verhandlungen für ein europäisches Zivilgesetzbuch wie-
der ernst genommen. Es war richtig und gut, dass wir uns
im Verfahren gegen die Verschleppungsabsichten der
Opposition gestellt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist ja Zynismus, was Sie da machen! Sie waren bei den Beratungen gar nicht richtig anwesend! – Zuruf von der FDP: Der hatte Wichtigeres zu tun!)


So präsentieren wir den Bürgerinnen und Bürgern unser
komplettes BGB ab 2002 in einem neuen und modernen
Gewand. Profitieren werden davon vor allem die Ver-
braucherinnen und Verbraucher. Sie werden bis in das
kleinste Alltagsgeschäft hinein ihre verbesserte Rechts-
position zu spüren bekommen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das werden sie schon spüren!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposi-
tion, wäre es nach Ihnen gegangen, müssten wir unseren
Bürgern jetzt jedes Jahr ein neues BGB zumuten. Gut,
dass uns diese Ergänzungslieferungen erspart bleiben!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das müssen wir erst noch abwarten, Herr Beck!)


Ab 2002 verbessert sich auch mit der eigentlichen Jus-
tizreform, der Modernisierung des Zivilprozesses, die
Rechtsposition der Rechtsuchenden in unserem Land.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist ja ins Wasser gefallen! Das wissen Sie!)


Sie werden künftig zügiger und besser zu ihrem Recht
kommen. Ich bin sicher: Die Stärkung der Eingangsin-
stanz wird für die Justiz einen Akzeptanzschub zur Folge
haben. Ich bin auch davon überzeugt: Die Maßnahmen
werden sich in der Praxis bewähren, sodass sich hoffent-
lich bald alle Länder auch zu einer einheitlichen Beru-
fungsinstanz beim OLG durchringen werden.

Auch im Verwaltungsprozess haben wir den Rechts-
schutz der Bürgerinnen und Bürger wieder verbessert. Die
Vorgängerregierung hatte mit ihrer 6. VwGO-Novelle den
Rechtsschutz der Bürger weit zurückgefahren. Wir haben
das rückgängig gemacht und die Rechtsmittel sowie ihre
Zulassungsvoraussetzungen ausgeweitet. Das war bitter
notwendig; denn gerade da, wo es um das Verhältnis zwi-
schen Bürgern und Staat geht, müssen wir umfassenden
Rechtsschutz gewährleisten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben Ihr eigenes Gesetz nicht gelesen!)


Die rot-grüne Koalition stärkt auch auf dem Gebiet der
Rechtspolitik die Stellung der Schwachen in dieser
Gesellschaft. Das ist die soziale Dimension der Rechts-
politik.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Ich höre!)

In wenigen Tagen, am 1. Dezember, wird sich für die vie-
len Überschuldeten in diesem Land die Situation deutlich
verbessern. Wir haben die Insolvenzordnung so verän-
dert, dass sie überschuldeten Verbrauchern endlich eine
reale Chance auf ein schuldenfreies Leben eröffnet. Mit
der Abkürzung der so genannten Wohlverhaltensperiode
auf sechs Jahre und mit der Stundung der Prozesskosten
erleichtern wir den Menschen den Weg aus der Schul-
denfalle und zurück in die Gesellschaft, zurück in das
Wirtschaftsleben. Erst jetzt lässt sich die Reform der
Insolvenzordnung von 1999 mit Fug und Recht als
echte Reform bezeichnen. Die Arbeitsgemeinschaft der
Schuldnerberatungsverbände ist uns für diese überfällige
Reparatur zu Recht sehr dankbar.

Auch die Anhebung der Pfändungsfreigrenzen ist
praktischer Schutz der Schwachen durch Recht. Wir stel-
len sicher, dass ein erwerbstätiger Schuldner trotz Pfän-
dung künftig mehr im Geldbeutel behält, als wenn er die
Arbeit aufgibt und nur Sozialhilfe bezieht. Das ist ja wohl
eine sinnvolle sozialpolitische Maßnahme.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der Reform des Schadensersatzrechtswerden wir
den Menschen helfen, ihre Schadensersatzansprüche
durchzusetzen. Hier besteht besonders im Bereich des
Arzneimittelschadensrechts erheblicher Reformbedarf.
Der Skandal um Lipobay oder der HIV-Blutskandal in den
80er-Jahren haben gezeigt, dass es für die Betroffenen, die
nachweislich geschädigt sind, oft sehr schwer ist, ihre An-
sprüche auch tatsächlich durchzusetzen. Wir ergreifen die
notwendigen Maßnahmen.

Mit dem Gewaltschutzgesetz ist uns ein weiterer Mei-
lenstein gelungen. Wir haben die rechtliche Stellung von
Frauen und Kindern als den typischen Opfern von häusli-
cher Gewalt erheblich gestärkt. Wir ermöglichen den Ge-
schlagenen, in ihrer Wohnung zu bleiben und dort vor
weiteren Übergriffen des Partners geschützt zu sein. Nicht
der Geschlagene muss gehen, sondern der Schläger. Auch
das ist Schutz der Schwachen durch Recht.

Unsere Koalition hat im Prostitutionsgesetz dafür ge-
sorgt, dass sich diese Gesellschaft von der Doppelmoral,
wie sie auf dem Rücken der Prostituierten ausgetragen
wird, verabschiedet.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist immer noch im Vermittlungsausschuss! Das ist so miserabel, dass es das Justizministerium nur mit spitzen Fingern anfasst!)


Die Frauen und Männer, die in diesem Bereich arbeiten,
haben – unabhängig davon, wie das der Einzelne mora-
lisch bewertet – einen Rechtsanspruch auf ihren Lohn für
ihre Tätigkeit und ein Recht auf soziale Sicherung im
Rahmen unserer Sozialversicherungssysteme erhalten.




Volker Beck (Köln)


19977


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir werden nach dem Barrierefreiheitsgesetz für Be-
hinderte und dem Lebenspartnerschaftsgesetz für Homo-
sexuelle auch mit einem zivilrechtlichen Antidiskriminie-
rungsgesetz den Menschen, die in unserer Gesellschaft
immer noch diskriminiert werden, rechtliche Instrumen-
tarien an die Hand geben, um sich gegen Diskriminierung
wirkungsvoll zu wehren. Ich bin sicher: Nach dem ein-
drucksvollen Reformprogramm der letzten drei Jahre
wird es uns ein Leichtes sein, die Wählerinnen und
Wähler im nächsten Jahr zu überzeugen, dass die gute Ar-
beit unbedingt von dieser Koalition fortgesetzt werden
muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Traumtänzerei! – Walter Hirche [FDP]: Das hat man in Hamburg schon gesehen! – Rainer Funke [FDP]: Dann werden Sie die 20. Wahl verlieren!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420305300
Die Kolle-
gin Dr. Evelyn Kenzler spricht für die Fraktion der PDS.


Dr. Evelyn Kenzler (PDS):
Rede ID: ID1420305400
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Zum Bundesverfassungsge-
richt möchte ich aufgrund der sehr kurzen Zeit nur so viel
sagen: Auch wenn mich das Urteil aus Karlsruhe zu unse-
rem Organstreitverfahren „Neue NATO-Strategie“ in der
letzten Woche nicht überzeugt hat und das Gericht nicht
im Zweifel für das Parlament entschieden hat, macht
meine Fraktion ihr Abstimmungsverhalten natürlich nicht
davon abhängig, sondern stimmt dem Einzelplan Bundes-
verfassungsgericht zu. Trotz einiger Einwände stimmen
wir auch dem Einzelplan BMJ zu.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist gut!)

Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu. Der

Bundeshaushalt 2002 ist insofern für den Endspurt der
Bundesregierung und der rot-grünen Koalition bei ihrem
großen Vorhaben, den Reformstau in der Rechtspolitik
aufzulösen, besonders wichtig. Bis zu den Ereignissen des
11. September war ich der Meinung, dass die Regierung
ihrem Ziel „mehr Rechtsstaatlichkeit und mehr sozial-
staatliche Demokratie in der Rechtspolitik“ – ich betone:
in der Rechtspolitik – ein Stück näher gekommen ist.
Heute sehe ich jedoch insbesondere in der Terrorismus-
gesetzgebung einen herben Rückschlag.

Frau Ministerin, Sie sind in der Rechtspolitik in der Tat
vorangekommen. Ich konnte einiges unterstützen. Meine
Fraktion und ich haben uns in einer Reihe von Vorhaben,
wie bei der Änderung der Insolvenzordnung, der Anhe-
bung der Pfändungsfreigrenzen oder der Mietrechtsre-
form, aktiv eingebracht. Dass wir oftmals entschiedenere
Reformfortschritte vorgeschlagen haben, ist dokumen-
tiert. Manche Vorschläge von uns habe ich auch in Ihren
Gesetzentwürfen wiedergefunden. Andere Vorhaben, wie
die ZPO-Reform, konnten wir aufgrund der unterschied-
lichen konzeptionellen Ansätze nicht mittragen. Die Um-
setzung in der Rechtspraxis wird schon in Kürze der ent-
scheidende Gradmesser sein und entsprechende Defizite
aufzeigen.

Da mehrere tief greifende Reformen zeitgleich in Kraft
treten, sollte gerade im nächsten Jahr mehr Geld für die
Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben werden. An dieser Stelle
stehen wir in einem Widerspruch zur CDU. Die Bürge-
rinnen und Bürger müssten jetzt jedoch verstärkt über die-
jenigen Rechtsänderungen informiert werden, die sie
ganz unmittelbar betreffen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das machen die mit Öffentlichkeitsarbeit!)


Ich habe auch mehr Mittel für Forschungen und Untersu-
chungen erwartet; denn eine gute Rechtspolitik kommt
ohne fundierte Rechtstatsachenforschung und ohne Wirk-
samkeitsanalyse natürlich nicht aus.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich stehe ganz an Ihrer
Seite, wenn Sie versichern, es müsse endlich deutlich
werden, dass unser Recht auf der Seite der Schwächeren
steht.


(Beifall bei der PDS)

Bei jeder Anstrengung in dieser Richtung werden wir Sie
unterstützen. Doch allmählich wird der Blick der Regie-
rung schwächer, wenn es um die Schwachen geht. Ich er-
innere nur an die leidige Schuldrechtsanpassung. Ein ge-
rechter Interessenausgleich zwischen Eigentümern auf
der einen und Nutzern auf der anderen Seite ist für mich
noch nicht erkennbar.


(Beifall bei der PDS)

Seit der Vorlage des Eckpunktepapiers der SPD vom

März dieses Jahres habe ich auch nichts Offizielles mehr
zur angekündigten Volksgesetzgebung gehört. Ich frage
deshalb: Kommt sie noch oder kommt sie nicht mehr in
dieser Wahlperiode?


(Rainer Funke [FDP]: Kommt nicht!)

Nicht nur höchst bedauerlich, sondern geradezu pein-

lich ist die längst überfällige Aufhebung der nationalsozi-
alistischen Unrechtsurteile gegen Deserteure per Gesetz.


(Beifall bei der PDS)

Ich erspare mir hier jedes weitere Wort und hoffe mit
den Betroffenen, dass möglichst schnell noch etwas pas-
siert.

Zurück zum Haushaltsplan. Es freut mich, dass auf un-
seren Wunsch hin der Posten „Härteleistungen für Op-
fer rechtsextremistischer Übergriffe“ beim General-
bundesanwalt nun doch erhalten geblieben ist, wenn auch
gekürzt. Das ist ein wichtiges politisches Signal, sowohl
nach innen als auch nach außen.


(Beifall bei der PDS)

Zum Schluss noch ein paar Bemerkungen zu den so ge-

nannten Sicherheitspaketen. Hier haben das BMJ und
der Rechtsausschuss eine besondere Verantwortung, denn
es geht um die Frage der Verfassungsgemäßheit. Frau Mi-
nisterin, Sie haben hier zu Recht die sorgfältige juristische
Prüfung jedes einzelnen Vorschlags angemahnt. Ist er ge-
eignet, erforderlich und verhältnismäßig, um Terrorismus
tatsächlich zu bekämpfen? Sie haben nicht zuletzt mit
Ihrem Brief an Ihren Kollegen Innenminister Schily die
schlimmsten Giftzähne ziehen können, wie mein Kollege




Volker Beck (Köln)

19978


(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Funke gelegentlich zu sagen pflegt. Dennoch sehe
ich und sieht meine Fraktion mit großer Sorge, dass wir
auf einen Weg schwerwiegender Grundrechtseinschnitte
geraten sind, der uns, von wenigen Ausnahmen abgese-
hen, nicht wirksam vor terroristischen Anschlägen schüt-
zen wird.


(Beifall bei der PDS – Alfred Hartenbach [SPD]: Das werden wir sehen!)


Vielmehr werden wir Scheinsicherheit mit einem erheb-
lichen Verlust an Freiheit bezahlen. Kein Geringerer als
der Bundestagsvizepräsident a. D. Burkhard Hirsch hat
vor kurzem sogar die Frage gestellt, ob wir ein demokra-
tischer Rechtsstaat bleiben. Wir sollten nicht nur, wenn es
um die Vernichtung von Akten im Bundeskanzleramt
geht, auf seine Sachkenntnis Wert legen, sondern auch in
diesem wesentlich wichtigeren Punkt; denn hier wird eine
höchst problematische Zäsur zum bisherigen Verfas-
sungsverständnis eingeleitet.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420305500
Ich erteile
das Wort der Bundesjustizministerin, Frau Kollegin
Dr. Herta Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte bei dieser zweiten und dritten Lesung des
Bundesjustizhaushalts mit einem Dank beginnen, und
zwar mit einem Dank an alle, die bei seinem Zustande-
kommen geholfen haben. Es ist ein gelungener Haushalt,
der den sparsamen Umgang mit den Steuergeldern
ebenso einschließt wie die Förderung der innovativen
Rechtspolitik, zu der wir uns verpflichtet haben. Gleich-
zeitig wird er den Anforderungen gerecht, die die Ereig-
nisse des 11. September und danach uns aufgezwungen
haben.

Dieser Dank – lassen Sie mich das sagen – bezieht sich
natürlich zunächst auf die Kolleginnen und Kollegen des
Rechtsausschusses, soweit sie mitgeholfen haben – das
sind insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der Ko-
alition –, dann aber auch auf unsere Kolleginnen und Kol-
legen im Haushaltsausschuss. Aber ich schließe natürlich
auch – lassen Sie mich das an vorderer Stelle sagen – die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesministe-
riums der Justiz ein, die hervorragende Arbeit geleistet ha-
ben. Ich darf den Dank auch erstrecken auf die Kollegin-
nen und Kollegen aus dem Bundesministerium der Finan-
zen, die dabei geholfen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dies ist ein gelungener Haushalt. Sparsamkeit auf der
einen Seite und Förderung der Innovation, für die wir an-
getreten sind, auf der anderen Seite – diese Balance ist ge-
nau erreicht worden. Wir haben in der Tat – das ist ja auch
aus den Beiträgen der Redner der unterschiedlichen Op-
positionsfraktionen durchaus deutlich geworden – eine
ganze Menge erreicht.

Lassen Sie mich die fünf Schwerpunkte, um die es
uns ging und um die es uns geht, einfach noch einmal in

Erinnerung rufen. Da ist einmal die Bekämpfung der Ge-
walt und die Hilfe des Rechts und unserer staatlichen In-
stitutionen für Schwächere. Das ist ein ganz wichtiger
Punkt, an dem wir auch festhalten. Erziehung ja, Gewalt
nein. An diesem Punkt konnten Sie leider nicht mit-
machen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Weil wir eine bessere Lösung hatten!)


– Das ist ja bei der Opposition immer so. Die hat immer
Recht, Herr Geis.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir hatten sie doch in der letzten Legislaturperiode! Wir haben sie doch ein Jahr vorher erst gemacht!)


Aber Sie müssen dann in Gottes Namen halt auch mit-
stimmen;


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das können Sie nicht von mir erwarten!)


dann könnte ich auch Sie hier ausdrücklich loben. Ich
würde es gerade bei der Gewaltbekämpfung ja furchtbar
gerne tun.

Ich nenne weiter Täter-Opfer-Ausgleich, Insolvenz-
rechtsreform, notwendige Korrekturen bei den Pfän-
dungsfreigrenzen,


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das sind doch alles Ergänzungen, Frau Ministerin!)


Lebenspartnerschaften, Hilfe bei rechtsextremer Gewalt.
Übrigens – lassen Sie mich das noch einmal ganz kon-

kret sagen, lieber Kollege Feibel –: Ich finde, Sie sollten
Ihre politische Aussage hier nochmals überdenken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht einfach nicht an, dass man hier sagt: Wenn Hilfe
für Opfer, dann für alle. Drehen Sie es doch auf jeden Fall
bitte um: Auf jeden Fall bitte Hilfe für die Opfer rechts-
extremer Straftaten. Und dann helfen Sie uns auch noch
bei der Reform des Sanktionensystems, mit dem wir allen
Opfern von Kriminalität endlich das zukommen las-
sen wollen, worauf sie Anspruch haben. Das wäre genau
richtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420305600
Die Frau
Ministerin gestattet eine Zwischenfrage. Herr Kollege
Feibel, bitte schön.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1420305700
Frau Minister, warum
sind Sie eigentlich dagegen, dass alle Opfer jeglicher
Gewalt – rechtsextremistischer, linksextremistischer, re-
ligiös motivierter, krimineller Gewalt – in gleicher Weise
entschädigt und damit gleich behandelt werden? Was ist
der Grund, dass Sie nur die Opfer der rechtsextremis-
tischen Gewalt entschädigen?




Dr. Evelyn Kenzler

19979


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Lieber Herr Feibel, Sie wissen ganz genau, dass
das gar nicht zutrifft. Ich sage es Ihnen aber gerne noch
einmal und danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie die Frage
nochmals in den Raum gestellt haben. Selbstverständlich
gehört es in den ersten Schwerpunkt dieser rot-grünen
Bundesregierung und der Koalition, die sie trägt, dass
man insbesondere den Opfern von Straftatenmehr Hilfe
zukommen lässt.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Allen! – Walter Hirche [FDP]: Nicht nur einer Auswahl!)


Deshalb lade ich Sie ganz herzlich ein, bei der Reform des
Sanktionensystemes mitzumachen. Bisher habe ich das
noch nicht gehört.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Dann machen Sie doch mal! – Walter Hirche [FDP]: Warum keine Gleichbehandlung?)


Ich habe nur kritisiert, dass Sie gegen die Sofortentschä-
digung der Opfer der besonders scheußlichen, politisch
für unser Land und für die Menschen schädlichen rechts-
extremistischen Gewalt sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: So ein Quatsch! Das sollte man einem Opfer erzählen! – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das hatte einen ganz anderen Zusammenhang! – Walter Hirche [FDP]: Legalität statt Opportunität!)


Lassen Sie mich fortfahren. Unser zweiter Schwer-
punkt war und ist die Förderung der Menschenrechte.
Auch bei diesem Punkt haben wir immer gehört, Sie seien
dafür. Ich finde es sehr gut, dass wir es geschafft haben,
dass das Institut für Menschenrechte jetzt wirklich anfan-
gen kann zu arbeiten. Ich finde es gut, dass wir bei der
Förderung des Internationalen Strafgerichtshofs so weit
gekommen sind, dass bald die notwendige Anzahl von
Ratifikationsurkunden hinterlegt sein wird, sodass wir
auch hier auf internationaler Ebene zusammenarbeiten
können werden.

Ich denke, dass die internationale Rechtszusammen-
arbeit – sei es durch die Stiftung, die wir auf wirklich si-
chere Füße gestellt haben, sei es die Zusammenarbeit mit
der Türkei, sei es der Rechtsstaatsdialog mit China – ge-
nau in diese Richtung weist. Auch das wird durch diesen
Bundeshaushalt möglich. Das ist gut.

Dritter Schwerpunkt ist die europäische Zusammen-
arbeit, die wir mit der Grundrechte-Charta begonnen
haben. Das war eine Sache des gesamten Hauses. Aber
ich darf Sie daran erinnern: 1998, als wir die Regierung
übernommen haben – zwei Monate später haben wir
die europäische Präsidentschaft angetreten –, war
nichts vorbereitet. Wir hatten hervorragende Vorarbei-
ten aus der SPD-Fraktion, aus der Grünen-Fraktion,
aus der CDU/ CSU-Fraktion, aber es war nichts vorbe-
reitet. Wir haben das auf den Weg gebracht. Ich freue
mich darüber. Es ist ein Beitrag der rot-grünen Rechts-
politik im europäischen Bereich, dass wir jetzt die
nächsten Schritte gehen können, um die wichtige euro-
päische Grundrechte-Charta rechtsverbindlich in die

Verträge zu übernehmen und damit, wie der Bundes-
kanzler zusammen mit dem französischen Präsidenten
gesagt hat, die Verfassungsdiskussion für Europa,
die wir ja alle wollen, wieder einen Schritt weiter zu
treiben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Vierter Schwerpunkt: die Modernisierung des Rech-
tes.Auch da haben wir eine Menge erreicht, von der Ein-
führung der obligatorischen Schlichtung in § 15 a des Ein-
führungsgesetzes zur ZPO bis hin zur Modernisierung
von ZPO, Schuldrecht und Mietrecht. Bei allen diesen
Dingen hätten wir es natürlich gerne gehabt – lassen Sie
mich das noch einmal ausdrücklich sagen –, dass Sie nach
einer inhaltlichen Diskussion, in die die Opposition ent-
sprechend ihrer Rolle ihre Fragen eingebracht hätte, zu-
gestimmt hätten. Unter der Hand weiß man doch, dass
auch Sie der Meinung sind: Jawohl, das war überfällig
und es ist gut, dass das gemacht wird.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben den Vorschlag doch selbst gemacht! Wir haben doch zugestimmt!)


Meine Damen und Herren, verehrter, lieber Herr
Feibel, die Modernisierung des Patentwesens ist eines
meiner Lieblingsthemen. Wenn man sich anschaut, wie
Sie das Deutsche Patent- und Markenamt 1998 übergeben
haben, kommen nicht nur mir die Tränen. Sie haben ver-
gessen, zu erwähnen, dass wir seit 1993 einen Anstieg der
Patentanmeldungen und der Markenanmeldungen hatten.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Aber nicht so hoch wie heute!)


– Aber natürlich: 50 Prozent im Patentbereich, etwa
78 Prozent im Markenbereich.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Bei uns war der Überhang 60 000 bis 70 000! Bei Ihnen sind es 120 000!)


In derselben Zeit sind die Personalstellen in diesem Be-
reich um 16 Prozent zurückgefahren worden. Das werfe
ich nicht Ihnen persönlich vor, weil Sie damals noch nicht
im Parlament waren. Wenn Sie erwähnen, dass es bisher
noch nicht gelungen ist, für jeden einzelnen Patentprüfer
eine DEPATIS-Station einzurichten – übrigens wird der
Zugang jedem Patentprüfer möglich sein; das wissen aber
auch Sie –, dann darf ich Sie noch einmal an die Tatsache
erinnern, dass es 1998 noch nicht eine einzige DEPATIS-
Arbeitsstation gab und wir die Trendumkehr mithilfe der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Patent-
und Markenamtes und der Kolleginnen und Kollegen von
Rot-Grün im IT-Bereich, bei der Organisation und natür-
lich auch bei den Personalstellen vollzogen haben. Das
möchte ich hier deutlich betonen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Albrecht Feibel [CDU/ CSU]: Da stimme ich ausdrücklich zu, dass die viel geleistet haben!)


Diese Leistung hätten Sie gerne während Ihrer Regie-
rungszeit vollbracht, das will ich gar nicht ausschließen.






(C)



(D)



(A)



(B)


Sie haben es aber nicht geschafft. Ich darf nur noch ein-
mal daran erinnern, dass das Deutsche Patent- und Mar-
kenamt 106 zusätzliche Stellen bekommt.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: In diesem Jahr zehn Stellen!)


Meine Bitte an das ganze Haus ist es, diese Umorganisa-
tion, diese Modernisierungspolitik sowie die Förderung
der Informationstechnologie in diesem Bereich tatsäch-
lich mit zu unterstützen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich darf noch einmal daran erinnern, dass nicht Sie,
sondern wir es waren, die zur Förderung des Erfindergeis-
tes eine ganz wichtige Ressource, nämlich den Internet-
zugang zum Deutschen Patent- und Markenamt, erschlos-
sen haben. Das war viel Arbeit, nicht nur von mir. Bei
allen, die dabei mitgeholfen haben, bedanke ich mich
ganz herzlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, der mir
ganz wichtig ist. Ich habe die Innovationsseite dieses
Haushaltes betont. Wir haben noch eine Menge vor. Auch
dabei kann ich auf das zurückgreifen, was hier schon ge-
sagt wurde. Lassen Sie mich Ihnen, Herr Feibel, noch ein-
mal zu zwei Dingen, die Sie erwähnt haben, etwas sagen:
Ich habe schon gemerkt, dass es keine richtige Kritik war,
die Sie vorgebracht haben, sondern Sie jetzt etwas in den
Raum stellen mussten.


(Lachen bei der CDU/CSU)

– Ja, natürlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Seien Sie doch nicht so gnädig!)


Sie haben zum einen gesagt, dass ein Arbeitnehmer
heute weniger Geld zur Verfügung habe und mehr Steu-
ern zahlen müsse. Wenn Sie sich die Tabellen anschauen
würden – ich habe sie mir gerade noch einmal besorgt –,
dann würden Sie Folgendes feststellen: 1998 – ganz un-
streitig das letzte Jahr, in dem Sie die Bundesregierung
stellten –


(Alfred Hartenbach [SPD]: Allerletzte Jahr!)

lag das Durchschnittseinkommen – wir nehmen wie üb-
lich den allein verdienenden Arbeitnehmer mit zwei Kin-
dern, Steuerklasse III/II – bei 48 300 DM. Damals hat er
– wenn Sie zuhören würden, brauchte ich es nicht zwei-
mal zu sagen – 3 140 DM Steuern gezahlt. Im Jahre 2001
liegt der Durchschnittsverdienst für genau die gleiche
Gruppe bei 50 500DM, das heißt bei 2 200DM mehr, aber
er zahlt erheblich weniger Steuern, nämlich 2 302 DM.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Hört! Hört! – Norbert Geis [CDU/CSU]: Geht wieder in den Binnenmarkt zurück!)


Dieses jetzt einfach einmal zu den Zahlen.

Ihr zweiter Punkt betraf die Ausgaben für Öffentlich-
keitsarbeit, die Sie immer wieder kürzen wollen.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Haben Sie früher auch immer so gemacht!)


Dieses Argument hat vor zwei Jahren jedoch schon Ihr
Kollege und Vorgänger Henke gebracht, der genauso
sympathisch wie Sie ist. Dem habe ich damals gesagt,
dass er seinen Ansatz für die Öffentlichkeitsarbeit des
Verkehrsministeriums 1998 zehnmal so hoch angesetzt
hatte wie wir. Dieses, lieber Herr Feibel, sollten Sie sich
noch einmal anschauen. Unser Haushalt ist ein von
Sparsamkeit geprägter Haushalt, wir gehen gut mit unse-
ren Ressourcen um.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das ist doch keine Rechtfertigung! Sie müssen es sachlich rechtfertigen!)


Selbstverständlich – das machen wir schon seit einigen
Jahren – bringen wir das unter die Leute, was wir an Ver-
änderungen vorgesehen haben. Sie wären übrigens der
Erste, der uns ermahnen würde, mittels Öffentlichkeits-
arbeit diese Veränderungen auch darzustellen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie
ausdrücklich einladen, bei den Vorhaben, die jetzt noch
anstehen, wirklich mitzumachen. Sie, lieber Herr Funke,
wissen, dass ich Ihre Ratschläge, wenn Sie konstruktiv
und ernst gemeint sind, immer besonders gern berück-
sichtige. Dies trifft zum Beispiel auf das allgemeine Anti-
diskriminierungsgesetz, das Urhebervertragsrecht, die
Hilfe für die Opfer im Rahmen des Sanktionensystems,
das Schadensersatzänderungsgesetz, das Stiftungspri-
vatrecht und – merken Sie auf – auch auf die Juristenaus-
bildung zu. Auch da haben wir längst die Initiative ergrif-
fen, aber das wissen ja auch Sie. Nicht so gut ist aber, dass
dann, wenn wir etwas tun, die einen kommen und sagen,
es geschehe viel zu schnell. Wenn wir sagen: „Wir müs-
sen erst noch die Bund-Länder-Absprache wie zum Bei-
spiel beim Schadensersatzrechtsänderungsgesetz, beim
Stiftungsprivatrecht oder bei der Juristenausbildung ab-
warten“, dann sagen Sie, wir seien zu zögerlich. Ich weiß
aber, dass man es einer Opposition nicht immer recht ma-
chen kann; ich versuche es trotzdem.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das wissen Sie aus eigener Erfahrung!)


– Ihre Meinung, lieber Herr Geis, finde ich immer beson-
ders wichtig. Aber das wissen Sie aufgrund unserer ge-
genseitigen Sympathie schon längst.

Ich lade Sie ausdrücklich dazu ein, mit uns weiter zu
diskutieren. Wir werden unsere Vorhaben zügig und be-
sonnen weiter verfolgen. Sie werden weiterhin entschlos-
sen Opposition machen. Diese Aufteilung ist gut; sie ge-
fällt mir. So wollen wir es die nächsten fünf Jahre halten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen.
Seit den schrecklichen Suizid-Terroranschlägen vom
11. September gibt es neue Entwicklungen, die große He-
rausforderungen an die Justiz mit sich bringen. Auch dem
trägt dieser Haushalt Rechnung. Die neuen Herausfor-
derungen berücksichtigen wir dadurch, dass wir neue




Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin

19981


(C)



(D)



(A)



(B)


Stellen für den Generalbundesanwalt, für den Bundes-
gerichtshof und


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Für das Justizministerium!)


– natürlich auch dafür – für das Bundesministerium der
Justiz schaffen. Herr Feibel, ich habe diese Tatsache er-
wähnt, weil ich mich dafür auch bei Ihnen bedanken
wollte.


(Beifall des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU])


Ich finde das völlig angemessen. Lassen Sie es uns aber
nicht übertreiben!

Wir werden unsere innovative Rechtspolitik weiter
fortführen. Sie ist in unserem Haushaltsplan angelegt. Das
ist eine solide und gelungene Grundlage für die Reform-
politik, für die wir angetreten sind. Ich bedanke mich bei
allen, die dabei mit geholfen haben. Ich bedanke mich im
Übrigen auch bei der Opposition, soweit sie sich fair ver-
hält.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420305800
Zum Ab-
schluss dieser Debatte spricht nun der Kollege Nobert
Geis für die CDU/CSU-Fraktion.


Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1420305900
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ein Wort noch zu den
Entschädigungen. Es ist schon so, dass nur für die Opfer
rechtsextremistischer Gewalttaten Entschädigungen ge-
zahlt werden. Es ist völlig unverständlich, weshalb nicht
auch für alle anderen Opfer, die ebenso durch Gewalt ge-
schädigt worden sind, Entschädigungen vorgesehen sind.
Das ist und bleibt unverständlich. Darauf haben Sie, Frau
Ministerin, keine vernünftige Antwort gegeben; denn da-
rauf kann man keine vernünftige Antwort geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch des Abg. Carsten Schneider [SPD] – Walter Hirche [FDP]: Willkür ist das!)


Hinzu kommt, lieber Herr Schneider, dass die links-
extremistisch motivierte Gewalt und Kriminalität zahlen-
mäßig viel größer sind als die rechtsextremistisch moti-
vierte Gewalt und Kriminalität.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Wo denn? Aber nicht in Deutschland!)


– Um das zu erkennen, brauchen Sie nur in die Statistik zu
schauen.


(Carsten Schneider [SPD]: In welche?)

– Sie brauchen nur in die entsprechende Statistik über
Straftaten zu schauen. Darin können Sie diese Tatsache
bestätigt finden.


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Das ist der Witz des Jahrhunderts!)


Noch eine weitere Vorbemerkung. Frau Ministerin, an-
gesichts der geforderten Sparsamkeit muss man sagen:
Eine Erhöhung des Etats für Öffentlichkeitsarbeit von
2000 bis heute um 50 Prozent ist gewaltig. An dieser Tat-
sache kommen Sie nicht vorbei. Diese Erhöhung dient
doch nur dazu, Ihre manchmal sehr verunglückte Rechts-
politik in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Das
scheint auch notwendig zu sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht heute nicht darum, dass wir unseren Blick weit

in die Zukunft richten; denn was die nächste Legislatur-
periode angeht, werden wir ein Wort mitzureden haben.


(Zuruf von der SPD: Nein!)

Es geht vielmehr um eine Bestandsaufnahme und um ei-
nen Rückblick. Bei der Bestandsaufnahme, sehr verehrte
Frau Ministerin, geht es vor allem um die Frage – das er-
wartet die Bevölkerung von uns –, welchen Anteil die Jus-
tiz im Kampf gegen Kriminalität, gegen Terrorismus und
gegen Gewalt leistet. Da ist bei Ihnen aber Sendepause; da
kommt überhaupt nichts.


(Lothar Mark [SPD]: Sie wissen, dass das nicht stimmt!)


Die erste Geige hinsichtlich all dieser Fragen spielt
doch der Herr Innenminister, der gerade den Saal verlas-
sen hat. Man muss feststellen, dass Sie etwas blass dane-
ben stehen. Von Ihnen und von Ihrem Justizministerium
kommt kein vernünftiger Vorschlag hinsichtlich des
Kampfes gegen die internationale und organisierte Krimi-
nalität und vor allen Dingen hinsichtlich des Kampfes ge-
gen den Terrorismus für mehr innere Sicherheit. Da
kommt nichts von Ihnen. Entsprechende Maßnahmen er-
wartet aber die Bevölkerung von uns.


(Beifall bei der CDU/CSU – Alfred Hartenbach [SPD]: Aber Herr Geis!)


Das ist – und war es schon immer – ein wichtiger Auf-
trag an die Rechtspolitik. Die Rechtspolitik hat gerade in
diesen Fragen in der Vergangenheit immer einen ganz ent-
scheidenden Beitrag geleistet. Sie, verehrte Frau Ministe-
rin, leisten in dieser so wichtigen Frage, die die Bevölke-
rung von früh morgens bis spät abends beschäftigt, Ihren
Beitrag nicht. Das muss hier festgehalten werden.


(Widerspruch des Abg. Alfred Hartenbach [SPD])


– Lieber Herr Hartenbach, das Justizministerium scheint
doch eine Unterabteilung des Innenministeriums und kein
eigenständiges Ministerium zu sein. Wenn es anders wäre,
dann würden hier Vorschläge auf dem Tisch liegen.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Das war bei Ihnen so, bei Herrn Kanther!)


Nun möchte ich dazu beitragen, dass Sie sich etwas be-
ruhigen.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Werden S i e ein bisschen ruhiger, Herr Geis!)


Ich komme zu einem Thema, für das der Bund keine un-
mittelbare Zuständigkeit hat, das aber von entscheidender
Bedeutung ist und an dem natürlich auch dem Bund ge-




Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
19982


(C)



(D)



(A)



(B)


legen sein muss: Es geht um die Modernisierung der
Justiz,


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie alles behindert, was wir vorgeschlagen haben!)


und zwar insbesondere um die Modernisierung in all den
Amtsstuben der Justiz in den Ländern, die von SPD-Jus-
tizministern regiert werden. Da ist nämlich viel zu tun.
Die Amtsstuben sind manchmal so ausgestattet, als seien
die Einrichtungen auf dem Flohmarkt gekauft worden.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Moderne Kommunikationsmittel finden Sie dort nicht.
Darauf sollten Sie, Frau Ministerin, im Interesse der Ein-
heitlichkeit der Justiz im ganzen Land Ihr Augenmerk
lenken.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Berlin müssen wir erst einmal wieder einen Justizsenator schaffen! Sie haben ihn abgeschafft!)


Sie haben ein wichtiges Thema angesprochen: die obli-
gatorische Streitschlichtung. Sie wissen ganz genau,
dass dieses Thema insbesondere von uns aufgegriffen
worden ist. Es war in unserem Entwurf eines Gesetzes zur
ZPO-Reform enthalten. Wir haben die obligatorische
Streitschlichtung vorgezogen und haben zugestimmt. Das
müssen Sie doch wissen. Mit Ihnen bin ich der Auffassung:
Das ist ein wichtiges Instrument. Aber als Bundesjustiz-
ministerin sollten Sie darauf achten, dass es in den Ländern
auch umgesetzt wird. Daran mangelt es ausgerechnet wie-
der in den Ländern, die von SPD-Justizministerinnen und
SPD-Justizminister regiert werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Komisch!)

Bayern hat dieses Schlichtungsgesetz längst umgesetzt.
Ich meine, dass dies ein wirklich interessantes Instrument
ist. Denn dadurch könnten die Amtsgerichte erheblich
entlastet werden. Wir können dadurch einen Schritt zu ei-
ner neuen Rechtskultur vielleicht insofern machen, als die
in unteren Streitwertschichten streitenden Parteien die
Schlichtung in die Hand nehmen und versuchen, ihren
Streit selbst zu Ende zu bringen. Deswegen bitte ich
darum, dass die Umsetzung der obligatorischen Streit-
schlichtung von Ihnen mit Aufmerksamkeit beobachtet
wird.

Sie haben Recht: Sie haben versucht, die ZPO zu re-
formieren. Das war ein Schlag ins Wasser. Es ist nichts
übrig geblieben. Mit vereintem Widerstand des Richter-
bundes, des Anwaltvereines und der Opposition – das sei
in aller Bescheidenheit hinzugefügt – haben wir es
tatsächlich geschafft, das Schlimmste zu verhindern.

Die Experimentierklausel, mit der Sie die Möglich-
keit eröffnet haben, dass in einzelnen Ländern versucht
wird, die Rechtsmittelmöglichkeit bei den Oberlandes-
gerichten anzusiedeln, ist ein Flop.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Keiner experimentiert!)


Kein Land, nicht einmal die von Ihnen regierten Bundes-
länder bzw. die von Ihnen gestellten Justizministerinnen
und Justizminister, sind bereit, diese Experimentier-

klausel umzusetzen. Bislang hat noch kein einziges Land
trotz finanzieller Versprechungen – auch das sei hier ein-
mal gesagt – das, was Sie vorgeschlagen haben, umge-
setzt. Das beweist, dass diese Experimentierklausel – das
war ein Grund, weshalb wir am Ende nicht zugestimmt
haben –


(Alfred Hartenbach [SPD]: Nein, nein, das war nicht der Grund!)


ein Flop gewesen ist und überflüssig war.
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, das eines

der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben dieser Legis-
laturperiode – Frau Ministerin, ich kann ruhig ein wenig
warten, bis Sie Ihre Unterhaltung beendet haben, dann
werde ich fortfahren; ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit –


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht alles von Ihrer Redezeit ab!)


im Bereich der Justiz gewesen ist – das ist ohne Zweifel
richtig –, haben Sie in einem Galopp durch das Parlament
getrieben, sodass dies nur noch mit einer Missachtung des
Parlaments gleichgesetzt werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie wollen offenbar ohne das Parlament regieren. Das
Parlament ist für Sie ein notwendiges Übel. Am liebsten
handeln Sie ohne Parlament. Welches Demokratie-
verständnis ist das aber? Sie sind weit entfernt von einer
vernünftigen Zusammenarbeit zwischen Parlament und
Ihrem Ministerium.

Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist in diesen
Tagen verkündet worden. Die Zeit zwischen Verkündung
und In-Kraft-Treten am 1. Januar 2002 ist zu kurz. Die
rechtsberatenden Berufe können sich kaum auf dieses
Gesetz einstellen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal inhaltlich etwas! Das ist doch ein gutes Gesetz!)


Wir haben davor gewarnt. Warum haben Sie dieses wich-
tige Gesetz so spät in Angriff genommen? Warum haben
Sie es so spät vorgelegt? Vor ungefähr einem Jahr haben
Sie den Referentenentwurf verschickt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Ein Jahr haben Sie Zeit gehabt!)


– Den Referentenentwurf! Dieser Referentenentwurf ist
auf große Kritik gestoßen. Dann haben Sie den Gesetzent-
wurf vorgelegt, der ebenfalls auf große Kritik gestoßen ist.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was Inhaltliches!)


Die Zeit war zu kurz. Das Parlament braucht für ein so
wichtiges Gesetz einen längeren Zeitraum. Das haben Sie
missachtet. Das können wir Ihnen nicht als Verdienst an-
rechnen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber, Herr Geis, es bleibt doch ein gutes Gesetz!)





Norbert Geis

19983


(C)



(D)



(A)



(B)


Im Urhebervertragsrecht machen Sie unter Umständen
das Gleiche.

Mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch ein gutes Gesetz!)

haben Sie versucht, ein Stück Rechtsordnung in unse-
rem Land von Grund auf umzuwälzen. Wir werden uns
mit diesem Gesetz niemals abfinden, Herr Beck; wir
werden es, sobald wir die Möglichkeit haben, wieder
ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU – Alfred Hartenbach [SPD]: Das Gesetz ist nicht mehr umkehrbar!)


Ein Wort zur strafrechtlichen Seite des Unterneh-
mens. Ich habe schon eingangs gesagt: Die Justiz hat
bislang keinen vernünftigen Beitrag zum Kampf gegen
den Terrorismus geleistet. Das hat Folgen, auch für das
so genannte Sicherheitspaket. Es fehlt uns noch heute
ein entscheidender Vorschlag zur Kronzeugenrege-
lung.


(Hermann Bachmaier [SPD]: Den kriegen Sie noch!)


Seit zwei Jahren sagt man uns: Die Kronzeugenregelung
kommt. Ich weiß gar nicht, wovor Sie Angst haben. Vor
Herrn Beck brauchen Sie keine Angst zu haben; seit
Rostock macht er alles mit, Hauptsache, die Macht bleibt
erhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal die Frau Justizministerin, ob die das so sieht!)


Deswegen bitte ich Sie: Lassen Sie diesen Koalitionspart-
ner und legen Sie uns endlich eine vernünftige Kronzeu-
genregelung vor. Darum bitten wir. Wir haben eine vor-
gelegt, die Sie nicht akzeptieren wollen; aber es ist
wichtig, dass überhaupt eine vorgelegt wird.

Sie haben in Ihrem Sicherheitspaket auch keine Rege-
lung zum verdeckten Ermittler. Sagen Sie nicht, der ver-
deckte Ermittler hätte bei diesem Geflecht der Terroristen
in Deutschland keine Chance. Wir haben 32 000 islamis-
tische Extremisten mit verschiedenen Gruppierungen im
Land, die untereinander Verbindung haben. Das ist das
klassische Betätigungsfeld des verdeckten Ermittlers.
Hier liegt kein Vorschlag von Ihnen vor.

Es fehlt auch ein vernünftiger Vorschlag zu § 12 des
FAG-Nachfolgegesetzes. Dazu hat Herr Funke schon
Ausführungen gemacht. Außerdem fehlt – das will ich
zum Schluss sagen – noch immer ein vernünftiger Vor-
schlag zur Gewinnabschöpfung. Die Gewinnabschöp-
fung spielt gerade beim Terrorismus eine entscheidende
Rolle,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der CDU müssen die Gewinne abgeschöpft werden!)


weil wir dadurch die Bewegungsfreiheit der Terroristen
einschränken können. Wir haben Vorschläge gemacht, Sie
haben sie abgelehnt; aber das ist Ihre Masche.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Alfred Hartenbach [SPD]: Das war der alte Geis, wie wir ihn kennen! – Gegenruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Geis, der beißt!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420306000
Zu einer
Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Carsten
Schneider das Wort.


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1420306100
Herr Kollege Geis, Sie
haben in Ihrer Rede den Eindruck erweckt oder zumindest
die Aussage getroffen, dass es in Deutschland mehr links-
extremistische als rechtsextremistische Straftaten gebe.
Ich möchte hier für die Öffentlichkeit Folgendes klarstel-
len: Nach dem Bundesverfassungsschutzbericht 2000 gab
es 15 951 rechtsextremistisch motivierte Straftaten und
3 173 linksextremistisch motivierte Straftaten. Ich sage
nicht, dass 3 173 wenig ist, aber ich möchte Sie bitten, das
zur Kenntnis zu nehmen und aufgrund dessen unsere For-
derung zu verstehen, dass wir die rechtsextremistische
Gewalt, die eine besondere Gefährdung unserer öffent-
lichen Sicherheit darstellt, ächten, dass wir mit den Op-
fern besonders solidarisch sind und deswegen diesen
Fonds eingerichtet haben.


(Beifall bei der SPD – Walter Hirche [FDP]: Das ist ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1420306200
Ich schließe
die Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen. Einzelplan 07
– Bundesministerium der Justiz – in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen von
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stim-
men von CDU/CSU und FDP angenommen.

Einzelplan 19 – Bundesverfassungsgericht – in der
Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 19 ist einstim-
mig angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte I. 13 und I. 14 auf:
I. 13 Einzelplan 06

Bundesministerium des Innern
– Drucksachen 14/7306, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Werner Hoyer
Gunter Weißgerber
Lothar Mark
Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
Oswald Metzger
Dr. Christa Luft

I. 14 Einzelplan 33
Versorgung
– Drucksachen 14/6800, 14/7537 –




Norbert Geis
19984


(C)



(D)



(A)



(B)


Berichterstattung:
Abgeordnete Ewald Schurer
Josef Hollerith
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Heidemarie Ehlert

Zu Einzelplan 06 liegen ein Änderungsantrag
der Fraktion der FDP und drei Änderungsanträge sowie
ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS vor.
Über den Entschließungsantrag werden wir am Freitag
abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Das Haus ist
damit einverstanden. Es ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst dem
Kollegen Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(CDU/ CSU)

Es ist nicht leicht, im Schatten der Ereignisse von New
York und Washington das Thema innere Sicherheit anzu-
sprechen. – Der Herr Minister hat im Augenblick Pro-
bleme; vielleicht hört er zwischendurch einmal zu, weil es
ihn auch persönlich betrifft. – Die Attentate haben unsere
Welt verändert und die Opfer sowie alle Amerikaner ha-
ben unsere ungeteilte Solidarität und unser Mitgefühl.

Die wichtigste Aufgabe des Innenministers ist es, die
Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten. Angesichts
der neuen Herausforderungen ist es nicht so einfach,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung für den Haus-
halt 2002 pünktlich und akkurat einzureichen. Herr
Minister, ich komme nachher auch noch zu dem, was
mich ein wenig verärgert.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Der Bundeshaushalt 2002 zeigt, dass die Bundesregie-
rung jetzt von der Realität eingeholt wird und dass der Be-
reich der inneren Sicherheit sträflich vernachlässigt
wurde.


(Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Bleib bei der Wahrheit!)


Sie können sich sicherlich daran erinnern – auch meine
niedersächsischen Freunde wissen es –, dass ich im Haus-
haltsausschuss schon sehr frühzeitig Vorschläge – samt
Deckung – zum Einzelplan 06 eingebracht habe, die von
der Koalition leider nicht akzeptiert wurden. Stattdessen
wurde ein Antiterrorpaket vorgelegt. Dies stellt einen
schwachen Versuch der Bundesregierung dar, die not-
wendigen Maßnahmen zu ergreifen. Lieber Herr Minister,
leider wurde von Ihnen statt der versprochenen Kraft-
brühe eine Wassersuppe geliefert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)


Ich muss Innenminister Schily aber zumindest zuge-
stehen, dass er, bis er seinem Kanzler und den Grünen
hörig wurde, manchmal den Eindruck vermittelte – zu-

mindest in den Medien konnte man das verfolgen –, als ob
er Herrn Minister Beckstein noch rechts überholen wollte.


(Ulla Jelpke [PDS]: Ja! – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Die haben ihm die Festplatte von Kanther implantiert!)


Was versprochen wurde, gilt aber nicht mehr. Ich gehe da-
von aus, dass die Innenpolitiker nachher auf die Themen
Regelanfrage beim Verfassungsschutz, größere Befugnis
für Geheimdienste, Sammellager für ausreisepflichtige
Ausländer, deren Ausweisung vollzogen werden kann
usw. eingehen werden.

In Anbetracht der neuen Lage fordere ich die Vorlage
eines neuen Entwurfs des Einzelplans 06. Der jetzige Ent-
wurf muss überarbeitet werden und für die Prävention und
Abwehr von Terrorakten muss unser Land mehr Ressour-
cen bereitstellen. Wir müssen handeln und alles tun, um
eine mögliche Gefahr abzuwehren. Das Antiterrorpaket
alleine wird nicht reichen. Sie und die gesamte Bundesre-
gierung können davon ausgehen, dass Sie die Unterstüt-
zung der CDU/CSU bei dieser Arbeit erhalten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Es sei denn, die stellen wieder die Vertrauensfrage!)


Sie müssen aber auch bereit sein, Forderungen, die die
CDU/CSU erhebt, mit einzuarbeiten.

Ich mache jetzt einige aktuelle Bemerkungen zum Ein-
zelplan 06. Herr Minister, ich habe vorhin schon an-
gekündigt, dass es mich etwas verärgert hat, dass die letz-
ten Unterlagen für den Einzelplan 06 24 Stunden vor der
Bereinigungssitzung dem Haushaltsausschuss zugeleitet
worden sind. Es ging um das Antiterrorpaket, um die Mit-
tel, die Ihnen zusätzlich zur Verfügung stehen. Man hätte
dann allerdings der Bevölkerung in Deutschland auch sa-
gen müssen, dass die 3 Milliarden DM für das Antiterror-
paket sicherlich aus dem Haushalt von 480 Milliar-
den DM – jeder kann es sich ausrechnen; das sind noch
nicht einmal 1 Prozent – hätten erwirtschaftet werden
können. Das wird leider nicht gemacht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Karl Diller, Parl. Staatssekretär: Sollen wir sie den Bauern wegnehmen?)


– Herr Staatssekretär Diller, es ist heute Morgen zu dieser
Thematik schon von jemandem aus Ihren Reihen gesagt
worden, dass 80 Prozent des Geldes in der EU für die
Agrarpolitik ausgegeben würden. Sie sollten sich da also
etwas sorgfältiger informieren; dann werden Sie sicher-
lich zu anderen Zahlen kommen.

Herr Geis hat gerade die Öffentlichkeitsarbeit ange-
sprochen. Im Innenministerium ist es noch dramatischer.
Da wird der Haushalt für die Öffentlichkeitsarbeit – lie-
ber Herr Schily, vielleicht äußern Sie sich nachher einmal
dazu – von rund 450 000 Euro auf 890 000 Euro fast
verdoppelt. Man muss das mit der Summe vergleichen,
die diese Regierung für die Integration der Ausländer
ausgibt. Wissen Sie, wie viel dafür ausgegeben wird? Es
sind 1,5 Millionen Euro. Ich bitte Sie, lieber Herr Minis-
ter, nachher darauf einzugehen, wie man mit 1,5 Mil-
lionen Euro eine Integration der Ausländer vornehmen
soll. – Sie können ruhig den Kopf schütteln, Herr Schily.


(Bernd Reuter [SPD]: Was soll er denn sonst schütteln?)





Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters

19985


(C)



(D)



(A)



(B)


Im Bereich des BGS unterstützt die CDU/CSU die
Stellenhebungsprogramme.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lothar Mark [SPD]: Ja, das ist gut!)


Ich gehe davon aus, dass die FDP das sicherlich auch tun
wird, Herr Hoyer. Wichtig sind allerdings weiterhin die
AusbildungsowiedieBeschaffungvonmodernenGeräten.


(Lothar Mark [SPD]: Auch das ist gut!)

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und war 24 Stun-
den lang beim BGS in Frankfurt an der Oder. Gerade dort,
lieber Herr Minister, ist es sehr wichtig, dass die Wünsche
der Beamten des BGS in Teilbereichen etwas mehr
berücksichtigt werden, etwa bei der Unterbringung; denn
gerade in dem Bereich kann man einiges lernen. Wer ein-
mal in Frankfurt an der Oder gewesen ist und sich die Pro-
blematik vor Ort angeschaut hat, der weiß, wovon ich
rede.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


Beispielsweise wurden in der Nacht, als ich da war, in den
Zügen, die aus Moskau und Warschau ankamen, 2 Millio-
nen Zigaretten gefunden. Hier ist also eine weitere Bes-
serstellung unserer Beamten notwendig.

Ich habe einen Wunsch, Herr Innenminister: dass die
Luftsicherheitskontrollen nicht nur durch private, sondern
verstärkt auch durch BGS-Beamte durchgeführt werden,
da ich der Auffassung bin, dass die BGS-Beamten dafür
gut ausgebildet sind. Hinzu kommt auch noch die hun-
dertprozentige Gepäckkontrolle auf Flughäfen. Ich bitte
Sie, dabei darauf zu achten, dass bis zum Ende des Jah-
res 2002 die Metropole Frankfurt am Main – dort ist un-
ser größter Flughafen – berücksichtigt wird.

Etwas, was kein Mensch in der Bundesrepublik ver-
steht, ist die Neueinführung von INPOL(neu) im Bereich
des Bundeskriminalamtes. Wir als Haushälter haben mit
dem Innenminister und der Staatssekretärin viele Male
zusammen gesessen. Ich nenne hier bewußt keine Firmen,
die von Ihnen beauftragt wurden, das INPOL (neu) zu
konstruieren. Ich muss aber schon sagen, dass es beein-
druckend ist, dass man der deutschen Firmen 6 000 Seiten
Papier zur Verfügung stellt, um diese neue Aktion starten
zu können. Dies ist nicht Aufgabe unserer deutschen Un-
ternehmen. Ich hoffe, dass wir uns sehr kurzfristig zu-
sammensetzen und dass wir innerhalb der Bundesrepu-
blik ein INPOL (neu) bekommen, das dazu beitragen
wird, eine leistungsfähige Datenbank für das BKAund für
viele andere Bereiche – Sie vertreten in dieser Sache ja
auch die anderen Ministerien – bereitzustellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bei der Bereitschaftspolizei hat der Innenminister dank

des Terrorpakets 28 Millionen DM zugelegt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


– Ja, da kann man klatschen. Aber wenn Sie mit den Be-
troffenen in den Ländern sprechen – ich habe mit einigen
gesprochen –,


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Ich auch!)


dann werden Sie erfahren, dass deren Forderung ein biss-
chen höher gewesen ist.


(Lothar Mark [SPD]: Und die Forderungen der CDU/CSU sind sowieso nicht finanzierbar!)


Deshalb bitten wir um eine Nachbesserung in diesem Be-
reich um 40 Millionen und um 25 Millionen für das Tech-
nische Hilfswerk.

Man muss sagen, dass diese Terroraktionen leider auch
etwas Vorteilhaftes haben, nämlich dass der Etat des In-
nenministeriums in vielen Bereichen finanziell aufge-
stockt worden ist.

Ich habe noch eine Frage an den Innenminister. Im Be-
reich des Zivilschutzes stehen weitere 25 Millionen zur
Verfügung. Bin ich richtig informiert – zumindest habe
ich es in den Zeitungen lesen können –, dass der Bunker
bei Bonn wieder aktiviert werden soll? Ist das so? Viel-
leicht können Sie sich dazu äußern und der Öffentlichkeit
mitteilen, dass dies nicht der Fall ist.

Lassen Sie mich noch etwas zur Sportförderung sa-
gen. Sie sind wie ich auch ein begeisterter Sportler. Es ist
der Wunsch der CDU/CSU-Fraktion, diesen Haushalt
möglichst nicht schrumpfen zu lassen. Meine Behauptung
ist, dass unsere Sportler nicht nur eine Vorbildfunktion ha-
ben, sondern dass sie auch Diplomaten der Bundesrepu-
blik Deutschland im Ausland sind. Das betrifft nicht nur
den Hochleistungssport, sondern genauso den Behinder-
tensport sowie die Jugend und die Heranwachsenden. Ich
bin der Auffassung, dass bei Jugendlichen, die Sport trei-
ben, Gewalt und Kriminalität keine Rolle spielen.


(Beifall des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU])


Ich hoffe, dass Sie im Bereich der Sportförderung – zum
Beispiel in einem Nachtragshaushalt oder wo auch immer –
ein wenig nachhelfen. Ich denke hier insbesondere an die
Kollegen aus Ostdeutschland im Zusammenhang mit dem
Goldenen Plan.


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Das haben wir doch alles gut gemacht! – Lothar Mark [SPD]: Den haben wir wieder aufgestockt!)


– Herr Berichterstatter, nach vielen Gesprächen ist der
Etat ein wenig aufgestockt worden. Aber auch der Westen
erwartet etwas.

Ich hoffe, dass nicht das Gleiche wie beim Steuerpaket
passiert, dass zum Beispiel Leipzig und Berlin Gelder für
die Olympiastadien bekommen. Vielmehr sollten jetzt
Gelder in den Ministerien zur Verfügung gestellt werden,
bevor man irgendwelche Bundesländer auffordert, etwas
anderes zu tun, als sie derzeit planen. Ich gehe davon aus,
dass im Bereich der Sportförderung in Zukunft etwas Po-
sitives passiert.

Ansonsten muss ich klar und deutlich sagen: Da wir
große Änderungswünsche haben und diese abgelehnt
worden sind, lehnen wir den Haushalt so, wie er zurzeit
ist, Herr Minister Schily, ab.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und schließe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
19986


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420306300
Als
nächster Redner hat der Kollege Gunter Weißgerber von
der SPD-Fraktion das Wort.


Gunter Weißgerber (SPD):
Rede ID: ID1420306400
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Lieber „Charly“ von
Hammerstein, du möchtest den Einzelplan 06 noch ein-
mal erstellen. Er gefällt dir überhaupt nicht. Ich denke, du
hast den letzten Einzelplan von Minister Kanther vor Au-
gen gehabt, als du festgestellt hast, dass dieser noch ein-
mal neu gemacht werden muss; denn dieser ist schwer in
Ordnung.

Die 3 Milliarden DM für das Antiterrorpaket willst du
aus dem Gesamthaushalt einsparen. Auch darüber staune
ich. Alle Anträge, die von deiner Partei im Haushaltsaus-
schuss gestellt worden sind, beinhalten Erhöhungen um
mehrere Millionen DM, ohne dass ihr gesagt hättet, wo sie
herkommen sollen. Hier wolltet ihr auch nicht aus dem
Gesamthaushalt einsparen. Das Rezept funktioniert nicht.

Der BMI-Haushalt 2002 stellt ein weiteres Mal die
hohe Wertschätzung gegenüber dem sensiblen Sicher-
heitsbereich durch die rot-grüne Bundesregierung unter
Beweis. Innenminister Schily stehen im nächsten Jahr für
sein Haus rund 3,7 Milliarden Euro – mit den Mitteln aus
dem Antiterrorpaket sind es sogar rund 3,9 Milliarden
Euro – zur Verfügung.

Die Verbesserung der inneren Sicherheit und Haus-
haltskonsolidierung sind nur scheinbar ein Widerspruch.
Bei Minister Schily funktioniert das, was bei Kanther
nicht funktioniert hat: Seit der Regierungsübernahme er-
fuhren die Sicherheitsbereiche im Einzelplan 06 eine Aus-
gabensteigerung um 11 Prozent gegenüber Kanthers Si-
cherheitsplanung. Ich meine, dies ist ein eindrucksvoller
Nachweis dafür, wem die innere Sicherheit mehr am Her-
zen liegt. Der damaligen Koalition jedenfalls nicht.

Rund 60 Prozent der Einzelplanausgaben entfallen auf
den Sicherheitsbereich: Verfassungsschutz, BKA, Bun-
desamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Bun-
desgrenzschutz, Beschaffungen für die Bereitschaftspoli-
zeien der Länder. Davon entfallen 67 Prozent allein auf
Personalausgaben. Im Gesamteinzelplan liegt der Perso-
nalkostenanteil dagegen bei rund 56 Prozent.

Dabei ist es dem Innenminister bereits gelungen, im
gesamten Geschäftsbereich seit 1998 den Personalbe-
stand um insgesamt 14,6 Prozent zu reduzieren, und zwar
bei stetiger Verbesserung der Leistungen für die innere Si-
cherheit. Dies verdient Anerkennung.


(Beifall bei der SPD)

Auch im Haushalt 2002 wird das Hebungsprogramm

für den Bundesgrenzschutz fortgesetzt.

(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Immerhin!)


Weitere 1 208 Planstellen werden angehoben, was rund
3 200 Beförderungen bedeutet. Seit 1998 wurden durch
die neue Bundesregierung fast 11 900 Bundesgrenzbe-
amte befördert, also rund 30 Prozent des gesamten BGS-
Personals. Auch das verdient Würdigung. Natürlich weiß
ich, dass es wesentlich mehr Ansprüche gibt, aber ihre

Umsetzung kann nur schrittweise erfolgen. Was Kanther
an Defiziten hinterlassen hat, können wir nicht in wenigen
Jahren aufarbeiten.


(Beifall bei der SPD)

Wir werden die kantherschen Defizite konsequent ab-
bauen.

Im BKA bereitet INPOL (neu), die Fortentwicklung
des seit 1970 praktizierten INPOL-aktuell, Sorgen. Dies
ist jedoch nicht erst seit 1998 der Fall, Kollege von
Hammerstein. Der gesamte Prozess läuft seit 1992. Wir
müssen die kantherschen Weichenstellungen rückgängig
machen. Das KPMG-Gutachten, welches der Innenminis-
ter in Auftrag gab, hebt unter anderem auf die Vertragsge-
staltung ab, die die Wirtschaftlichkeitsinteressen des Bun-
des wenig berücksichtigt. Auch wird durch KPMG der im
August 1998 beschlossene technische Entwicklungsan-
satz von INPOL (neu) infrage gestellt. Das ist alles vor der
Regierungsübernahme von Rot-Grün an Weichenstellun-
gen geschehen.

Bundesminister Schily und seine Mannschaft werden
INPOL (neu) auf das richtige Gleis setzen. Der Haus-
haltsausschuss unterstützt dieses Vorhaben. Die hierzu be-
schlossene Sperre in Höhe von 1Million Euro sichert dem
Ausschuss die nötige Mitwirkung. Wir benötigen gerade
in der jetzigen, von Terrorismus geprägten Situation
INPOL (neu) dringend.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Werner Hoyer [FDP]: So ist es! – Ulla Jelpke [PDS]: Es sollte beerdigt werden!)


Die Leistungen des THW sind im Bundestag und in
der Öffentlichkeit unbestritten. Ob im Ausland oder in-
nerhalb der Bundesrepublik: Auf das THW, seine Mitar-
beiter und Mitstreiter ist immer Verlass.


(Beifall des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP])

Genauso kann sich das THW auf die Koalitionshaushälter
verlassen. Runde 25 Millionen Euro erhält das THW in
2002 zusätzlich. Wir haben einen ordentlichen Zuwachs
versprochen und mit dieser 25-prozentigen Steigerung
erkennbar unser Wort gehalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lothar Mark [SPD]: So wie wir grundsätzlich Wort halten!)


Nach der Regierungsübernahme 1998 gab der Haus-
haltsausschuss das Signal zur Evaluierung der Bundes-
zentrale für politische Bildung. Das Ergebnis kann sich
sehen lassen. Die Mühe hat sich gelohnt. Präsident Krüger
und seine Mannschaft haben einen hocheffizienten und
beweglichen Apparat entwickelt, der modernen An-
sprüchen an die politische Bildung gerecht wird und ak-
tuelle Entwicklungen zügig aufnimmt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Haushaltspolitiker sind qua Amt eigentlich keine Bil-
dungspolitiker. Dennoch musste der Ausschuss im Haus-
haltsverfahren quasi Bildungspolitik betreiben. Die






(C)



(D)



(A)



(B)


Ostsee-Akademie Travemünde, deren Träger die Pom-
mersche Landsmannschaft ist, sorgte in den letzten Jahren
für erhebliche Unruhe – Unruhe der politisch unangeneh-
men Art. Still und heimlich, manchmal auch laut und
unverschämt wurde an einem Richtungswechsel vom bis-
herigen Kurs der Aussöhnung mit Osteuropa hin zur Auf-
erstehung alter Geister gewerkelt. Konsensgespräche
zwischen der Landsmannschaft, der Regierung Schles-
wig-Holsteins und dem BMI verliefen aufgrund der star-
ren Haltung der Landsmannschaft im Sande. Selbst Haus-
haltssperren führten nicht zum Nachdenken.

Die Haushälter mussten handeln und der Entwicklung
einen Riegel vorschieben. Steuergelder werden jedenfalls
für unselige Entwicklungen nicht bereitgestellt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulla Jelpke [PDS]: Was heißt „unselig“?)


Im Haushalt 2002 wird deshalb die Ostsee-Akademie ab-
gewickelt und stattdessen die neugegründete Academia
Baltica, welche sich der Fortsetzung der ursprünglich po-
sitiven Arbeit der Ostsee-Akademie verschrieben hat,
gefördert.

Bei dieser Gelegenheit noch eine Anmerkung. Wir
führen seit Jahren die institutionelle Förderung von Zu-
wendungsempfängern zugunsten der Projektförderung
prinzipiell zurück. Das ist sachlich richtig. Schwierig
wird die Sache jedoch an dem Punkt, an dem nur noch
Projektförderung möglich ist. Perspektivische Lebenspla-
nung der Beschäftigten ist dann nicht mehr möglich. Auch
wird es schwerer werden, gute Leute für solch unsichere
Jobs zu bekommen. Wir sollten im gesamten Haus inten-
siv darüber nachdenken.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Richtig!)

Im Einzelplan 06 ressortiert die Unabhängige Kom-

mission zur Überprüfung des Parteivermögens der
DDR. Die PDS würde diesen Restposten gerne weg-
haben. Wir nicht.


(Dr. Christa Luft [PDS]: Welchen?)

– Die Unabhängige Kommission Parteivermögen.

Ich zitiere aus der Stellungnahme der Unabhängigen
Kommission vom 25. Oktober dieses Jahres:

Solange eine durch Hinweise erhärtete Wahrschein-
lichkeit besteht, dass es noch unentdecktes Partei-
vermögen gibt, müssen die Ermittlungen fortgesetzt
werden, um zu verhindern, dass die Inhaber dieses
Vermögens – in der Regel Treuhänder der SED – es
über Spenden an die PDS – vergleichbar der Geld-
wäsche – zurückfließen lassen. Diese Notwendigkeit
wird nicht dadurch gemindert, dass die PDS auf ihr
Altvermögen verzichtet und versichert hat, vollstän-
dig Auskunft über ihr Vermögen gegeben zu haben,
denn den SED-Treuhändern stehen ausreichend
Wege zur Verfügung, ihrer Parteiloyalität zu ge-
nügen, ohne die Partei zu Pflichtverstößen zu
veranlassen.

Dazu erübrigt sich jeder Kommentar. Denke ich aber an
die vielen Flugzeuge, die Transparente hinter sich herzie-

hen und damit ab und zu über das Land und die Städte
fliegen, dann wundere ich mich schon, woher die Truppe,
die PDS, eigentlich die Knete dafür hat.


(Beifall der Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Eckart von Klaeden [CDU/CSU] – Dr. Christa Luft [PDS]: Flugzeuge hat die auch?)


– Als es letztens in Leipzig eine große Demonstration ge-
gen Nazis gab – das war völlig richtig –, gab es auch ein
Flugzeug, das ein großes Transparent hinter sich herzog.
Das passiert immer wieder. Solche Aktionen kosten viel
Geld. Daher stellt man sich schon die Frage – das ist doch
ganz natürlich –: Woher kommt das Geld?

Insgesamt bringt die Arbeit der Unabhängigen Kom-
mission jährlich mehr Geld ein, als sie kostet. Das allein
rechtfertigt deren Fortbestand.


(Beifall des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU])


Als Leipziger bin ich froh, dass der Bundesinnenminis-
ter die Zusammenführung aller Stellen des Bundesamtes
für Kartografie und Geodäsie in Frankfurt am Main einer
neuerlichen Bewertung unterziehen ließ. Von dieser Stelle
aus wünsche ich ihm eine glückliche Hand bei seiner end-
gültigen Entscheidung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Bundestag und in der Öffentlichkeit wird über die
derzeitige Ressortierung der Mittel des Antiterrorpakets
im Einzelplan 60 verständlicherweise kontrovers disku-
tiert. Wir halten dennoch für 2002 an dieser Entscheidung
fest. Die Mittel sollen nicht der Erfüllung alter Ressort-
wünsche dienen, sondern allein den jetzt notwendigen
Antiterroraktivitäten zugute kommen. Als Innenhaushäl-
ter gehe ich selbstverständlich davon aus, dass die Mittel
im nächsten Haushalt im Einzelplan 06 plafondiert wer-
den.

Die Beratungen verliefen wie immer sachlich und in
großer Kollegialität. Dafür bedanke ich mich bei meinen
Berichterstatterkollegen und den jeweiligen Vertretern
der Bundesregierung, selbstverständlich auch beim
Bundesinnenminister.

Die Innenpolitik ist bei Rot-Grün in guten Händen. Sie
wird es dort auch über 2002 hinaus bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420306500
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Werner
Hoyer von der FDP-Fraktion.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1420306600
Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Nie waren Innen- und Außen-
politik so eng miteinander verwoben wie gegenwärtig.


(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)





GunterWeißgerber
19988


(C)



(D)



(A)



(B)


Das gilt selbst für eine solch epochale Situation wie die
am 9. November 1989 nicht. Auch damals befanden wir
uns mitten in den Haushaltsberatungen. Aber wir hatten
noch nicht einmal eine grobe Vorstellung davon, was das,
was sich damals anbahnte, eines Tages in Haushalts-
größen bedeuten könnte.


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Das ist wahr!)

Deswegen ist beim Haushalt 2002 alles anders im Ver-
gleich zu den Haushalten der vergangenen Jahre.

Als die Bundesregierung ihren Haushaltsentwurf be-
schloss, glaubte sie noch, die Bereiche der inneren und der
äußeren Sicherheit quasi zu Sparkassen des Bundeshaus-
halts machen zu können. Es ist schon erstaunlich, wer al-
les seit dem denkwürdigen 11. September sein Herz für
die Bundeswehr, die NATO, aber auch für die Polizei und
die Sicherheitsdienste entdeckt hat.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das kann man laut sagen! – Hans-Peter Kemper [SPD]: Wir hatten das schon immer!)


Spät, aber immerhin! Aber glaubwürdig wird das Ganze
erst dann, wenn es sich im konkreten Handeln nieder-
schlägt, das heißt auch bei den Haushaltsentscheidungen.

Übrigens gilt das besonders krass für die Nachrich-
tendienste. Lassen Sie mich dazu eine Anmerkung ma-
chen. Bis vor kurzem hörte man im Zusammenhang mit
BND, Verfassungsschutz und MAD nur solche Ausdrücke
wie „Schlapphut“, „Abbau“, „weitgehend überflüssig“
und Ähnliches.


(Zuruf von der SPD: Die Stellen habt ihr abgebaut!)


Nebenbei bemerkt: Welche Häme gab es erst, wenn es um
den Zivilschutz ging?

Der Bundestag kontrolliert die Nachrichtendienste
über das Parlamentarische Kontrollgremium und das Gre-
mium nach § 10 der Bundeshaushaltsordnung, das Ver-
trauensgremium. Diese Kontrolle ist gerade für uns Libe-
rale von essenzieller Bedeutung.


(Beifall bei der FDP)

Geheimdienste dürfen sich niemals verselbstständigen.
Die Gefahr ist immanent, und zwar völlig unabhängig von
irgendeinem Vorwurf gegen einzelne Personen. Deswe-
gen ist es wichtig, festzustellen – ich glaube, dass ich das
in Übereinstimmung mit meinen Kolleginnen und Kolle-
gen aus dem Gremium tun kann –: Erstens. Bei allen Ver-
säumnissen, die sich nach meiner Auffassung wohl alle
Geheimdienste dieser Welt anrechnen lassen müssen, ist
es wichtig zu wissen, dass der BND auch im Vergleich zu
anderen Diensten in der aktuellen Situation durchaus
keine schlechte Figur gemacht hat. Diejenigen von uns,
die einem der beiden Gremien angehören und daher logi-
scherweise nicht über das sprechen dürfen, was sie dort
erfahren, sollten dies festhalten; denn wir tragen hier eine
große Verantwortung für Rechtsstaatlichkeit auf der einen
Seite und für viel Steuerzahlergeld auf der anderen Seite.

Eine zweite Bemerkung ist für mich als Liberalen
ebenso wichtig: Die parlamentarische Kontrolle funktio-

niert. Nach allem, was an nach meiner Auffassung leicht-
fertiger Rhetorik in den letzten Jahren zu diesem Thema
gesagt worden ist, ist es wichtig, auch das festzuhalten.

Die FDP tritt für eine wirksame und entschlossene
Bekämpfung des nationalen wie des internationalen Ter-
rorismus ein. Deshalb haben wir auch den meisten Maß-
nahmen zugestimmt, die die Bundesregierung bereits
vorgelegt hat. Ich nenne die Abschaffung des Religions-
privilegs im Vereinsrecht und den neuen Straftatbestand
der Mitwirkung in einer ausländischen terroristischen
Vereinigung.

Zurückhaltender sind wir bei manchem, was sich im
Entwurf des Terrorismusbekämpfungsgesetzes findet. Er
enthält neben Maßnahmen, die unbestreitbar notwendig
sind, eine Reihe von Punkten, die noch einer sehr sorg-
fältigen Prüfung bedürfen. Als Beispiel nenne ich die Aus-
kunftsbefugnisse der Dienste gegenüber Banken, Post-
dienstleistern, Telekommunikationsunternehmen und
Fluggesellschaften.


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Die Fürsorge ist falsch, Herr Hoyer!)


Dasselbe gilt für die Frage der Referenzdatei bei der Auf-
nahme von biometrischen Daten in Pässen und Personal-
ausweisen. Darüber wird ebenso wie über den ausländer-
rechtlichen Teil des Gesetzentwurfs – ich denke hier
insbesondere an die gravierende Einschränkung des
Rechtsschutzes bei staatlichen Ausweisungsmaßnahmen –
noch zu reden sein.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ulla Jelpke [PDS])


Wir wollen uns dem nicht versperren, aber wir wollen
darüber sauber diskutieren. Bei diesen Themen ist ein er-
heblicher Beratungsbedarf vorhanden. Deshalb hat sich die
FDP immer für eine umfangreiche Anhörung zu diesem
zweiten Sicherheitspaket ausgesprochen, die Ende dieser
Woche auch stattfinden wird. So weit, so gut. Skandalös ist
dagegen, dass sich die Regierungsfraktionen bei der weite-
ren parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs
dem Diktat der Innenminister der Länder und des Bun-
desinnenministers gebeugt haben. Am 12. Dezember soll
der Innenausschuss in einer einzigen Sitzung abschließend
über das Vorhaben beraten. Zwei Tage später soll bereits die
zweite und dritte Lesung im Plenum stattfinden. Am
20. Dezember soll der Bundesrat sein abschließendes Vo-
tum abgeben. Wahrscheinlich wird bei der Beratung des In-
nenausschusses nicht einmal das Protokoll der Anhörung
vorliegen. Das nenne ich keine sorgfältige parlamentari-
sche Beratung, sondern einen beispiellosen Parforceritt, der
bei einem derart bedeutsamen Gesetzgebungsvorhaben al-
les andere als angemessen ist.


(Beifall bei der FDP und der PDS)

Ein ähnlich unverantwortliches Vorgehen haben die

Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss heute beim
Thema Beamtenversorgung erlebt.


(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie waren doch gar nicht dabei!)





Dr. Werner Hoyer

19989


(C)



(D)



(A)



(B)


– Nein, ich war nicht dabei. Ich arbeite in vielen Aus-
schüssen mit und kann nicht auch noch Mitglied des
Innenausschusses sein.


(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Hat Herr Stadler gepetzt?)


Aber hier reden wir über Innenpolitik. Ich diskutiere nicht
über dieses Thema im Stil der Erbsenzählerei, der uns
Haushältern immer gern vorgeworfen wird, sondern ich
diskutiere es politisch.

Beim Beamtenversorgungsänderungsgesetz handelt es
sich nach unserer Auffassung um einen Text, der nicht nur
falsch, sondern auch überflüssig ist. Darüber hinaus – das
hat heute der Rechtsausschuss festgestellt, dem ich auch
nicht angehöre; gleichwohl weiß ich, was dort gelaufen
ist – halten wir den Gesetzentwurf auch für verfassungs-
rechtlich hochbedenklich.

Meine Damen und Herren, zum einen haben die Ko-
alitionsfraktionen der letzten Legislaturperiode durch das
Dienstrechtsreformgesetz 1997 und das Versorgungs-
rechtsreformgesetz 1998 die Beamtenversorgung über
das Jahr 2020 hinaus gesichert. Viel ärgerlicher noch ist
für mich aber die Unredlichkeit der Argumentation, wie
wir sie heute Morgen auch wieder vom Finanzminister
hören konnten. Angeblich soll mit dem Gesetz soziale
Symmetrie erzielt werden. Aber die Absenkung des Ren-
tenniveaus im Rahmen der Rentenreform 2000 betrifft nur
die Grundversorgung, die hier anstehende Neufassung
hingegen die Vollversorgung. Eine erheblich geringere
Absenkung der Beamtenversorgung hätte also ausge-
reicht, um das vorgegebene Ziel zu erreichen.


(Beifall bei der FDP)

Diese Form einer Mogelpackung, diese Verletzung des

Vertrauensschutzes derer, die nach einem langen Arbeits-
leben für diesen Dienstherren jetzt nicht mehr ausweichen
können, haben bei vielen Betroffenen Frust und Zorn her-
vorgerufen und gestern so viele Polizisten und Soldaten
auf dem Gendarmenmarkt zusammengeführt. Ich melde
im Übrigen auch verfassungsrechtliche Bedenken zum ei-
nen wegen des Vertrauensschutzes und zum anderen we-
gen der das Alimentationsprinzip verletzenden Auswir-
kungen vor allem bei der Witwenversorgung an.

Zurück zum Etat 2002: Diesmal ist wirklich alles an-
ders, denn natürlich wurde der Regierungsentwurf durch
das Antiterrorpaket noch entscheidend verändert, ohne
dass sich das im Einzelplan von Herrn Schily nieder-
schlagen würde. Das schmerzt viele Betroffene in den
verschiedenen Ressorts und in den Fachausschüssen. Ich
halte es trotzdem für richtig und vertretbar, denn man
muss als Haushälter bei diesen Dingen einfach miss-
trauisch sein. Was da so alles unter der Überschrift „Anti-
terrorpaket“ verkauft wird, geht teilweise wirklich nicht
mehr auf die berühmte Kuhhaut.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Exakt so ist es!)


Vieles ist durchsetzbar und möglich geworden, was oh-
nehin erforderlich gewesen wäre und jetzt endlich durch-
gesetzt werden kann, was aber mit Terrorbekämpfung nun
wirklich nichts zu tun hat.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Oder will jemand behaupten, wie es so manche „Kriegs-
gewinnler“ hier tun, dass die zusätzlichen Laptops bei der
Zollverwaltung nicht auch sonst erforderlich gewesen
wären? Oder will jemand sagen, dass die Verbesserung
der Situation an den Grenzübergängen zu Polen nicht
auch sonst notwendig gewesen wäre? Meine Damen und
Herren, diese Aufzählung könnte man verlängern. Hier
sollte der Haushälter vorsichtig sein. Es sollte genau ge-
prüft werden, welche dieser Maßnahmen – –


(Zuruf des Bundesministers Otto Schily)

– Sie haben nichts mit dem Zoll zu tun, aber diese Kritik
gilt für das gesamte Antiterrorpaket. Ich kann aus Ihrem
Bereich genauso viel aus der Ausstattung des Bundes-
grenzschutzes nennen. Das wäre überhaupt kein Problem,
Herr Schily.


(Otto Schily, Bundesminister: Wo denn?)

– Geben Sie mir 20 Minuten mehr. Dann könnte ich Ihnen
das ganz genau auflisten. Sie wissen doch ganz genau,
dass ich es Ihnen im Ausschuss aufgelistet habe.

Meine Damen und Herren, folgende Feststellung ist
wichtig: Wir haben in diesen Fragen ein erhebliches
Handlungs- und Vollzugsdefizit. Es ist viel größer als das
Defizit hinsichtlich der Gesetzgebung. Es kann durch das
Antiterrorpaket ein klein wenig gemildert werden, was im
normalen Haushaltsverfahren nicht möglich gewesen
wäre und bezüglich dessen Sie sich innerhalb der Haus-
haltsberatungen der Bundesregierung auch nicht durchge-
setzt hatten.

Man muss genau überprüfen, was dauerhaft erforder-
lich ist – dies wird man im nächsten Jahr endgültig in den
Einzelplan 06 einstellen müssen –, was vorübergehend er-
forderlich war und jetzt abgearbeitet ist und was auch aus
Gründen, die nicht mit der Terrorismusbekämpfung zu
tun haben, erforderlich ist und eingesetzt werden sollte
und – schließlich – was sich erledigt hat. Diese Differen-
zierung war so kurzfristig nicht zu leisten. Deswegen habe
ich auch für die Etatisierung im Einzelplan 60 plädiert.

Einer der größten Schwachpunkte in Ihrem Etat sind
seit Jahren die Stellenkürzungen nach dem Rasenmäher-
prinzip im Verwaltungsbereich der Sicherheitsorgane,
insbesondere bei BGS und BKA. Das hat katastrophale
Auswirkungen. Nach wie vor ist in Deutschland insge-
samt eine fünfstellige Anzahl von Polizeivollzugsbeam-
ten – der Bund ist zu 20 Prozent daran beteiligt – mit Ver-
waltungstätigkeiten belastet. Das führt mittlerweile zu
ganz erheblichen Defiziten im Vollzugsbereich. Wir ver-
suchen seit nunmehr vier Jahren, dies abzubauen. Ich
habe es viermal vorgetragen; ich hole mir jetzt ein weite-
res Mal eine blutige Nase, obwohl mir alle Kolleginnen
und Kollegen in den Fachdebatten immer bestätigen, ich
hätte Recht. Das merken die Betroffenen mittlerweile
auch. Sie haben in diesem Punkt ein riesiges Glaubwür-
digkeitsproblem, Herr Minister.

Das vielleicht größte Haushaltsrisiko – Kollege von
Hammerstein hat es angesprochen – Ihres Etats liegt in
zwei ebenso gigantischen wie dringlichen Projekten im
Kommunikationsbereich, nämlich INPOl (neu) und digi-
taler Funk. Das bestehende INPOL-neu-System ist ein
Vierteljahrhundert alt, die Software ist veraltet, die Ver-




Dr. Werner Hoyer
19990


(C)



(D)



(A)



(B)


träge laufen aus, das Nachfolgesystem ist mehr als drin-
gend erforderlich. In den letzten Wochen ist klar gewor-
den, dass das Projekt möglicherweise kurz vor dem Schei-
tern steht, weil es aufgrund völlig überzogener
Anforderungen der Bedarfsträger aus 16 Landespolizeien
und der Nutzer aus dem Bereich des Bundes so nicht rea-
lisierbar ist.


(Zuruf der Abg. Ute Vogt [Pforzheim] [SPD])

– Ich streite mich überhaupt nicht über die Frage der
Schuld. Ich stelle die Fragen nach dem Projektmanage-
ment zu diesem Projekt,


(Zuruf der Abg. Ute Vogt [Pforzheim] [SPD])

und zwar nicht nur, verehrte Frau Kollegin, im Bereich
der Polizeivollzugsbehörden. Ich halte es für unfair, aus-
schließlich eine Polizeibehörde des Bundes im Regen ste-
hen zu lassen. Hier haben offensichtlich nicht nur das Pro-
jektmanagement und das Finanzcontrolling im BKA
gefehlt, sondern auch die Fachaufsicht im Bundesminis-
terium des Innern. Das muss sich der Bundesminister
schon anrechnen lassen.


(Zuruf von der SPD)

– Von mir aus bei Kanther, aber jetzt reden wir seit über
drei Jahren von Minister Schily.

Es steht fest, dass wir das System brauchen, wie auch
Kollege Weißgerber zu Recht sagte, wahrscheinlich in ab-
gespeckter Form. Es steht ebenso fest, dass der Bun-
desinnenminister bis Ostern wissen muss, was er will.
Vermutlich ist bereits ein dreistelliger Millionenbetrag in
den Sand gesetzt worden.

Ich spreche das Thema digitaler Funk hier nur an, da-
mit nicht in Vergessenheit gerät, dass hier das nächste
Fiasko ähnlicher Dimension droht. Auch dieses System ist
dringend erforderlich. Hierbei kommen zum Bund-Län-
der-Problem Schwierigkeiten bei der europäischen Zu-
sammenarbeit hinzu, auf die frühzeitig aufmerksam ge-
macht werden soll.

Ich habe nicht mehr die Zeit, ausführlich auf das Zu-
wanderungsgesetz einzugehen. Ich begrüße es, dass sich
die Bundesregierung und die Koalition bewegen. Das
könnte uns auch aus der unseligen Situation befreien, eine
Greencard-Regelung nach der anderen zu bekommen.
Wir sind bereit, daran konstruktiv mitzuwirken.


(Beifall der Abg. Sabine LeutheusserSchnarrenberger [FDP] sowie bei Abgeordneten der SPD)


Entscheidende Kriterien sind: Aufnahmefähigkeit, Inte-
gration und, nebenbei bemerkt, eine möglichst unbüro-
kratische Regelung bei der Arbeitsmarktzuwanderung.


(Beifall bei der FDP)

Ich hoffe, dass die Union ihre internen Qualen bald

überwinden und an diesem Gesetzgebungswerk auch
konstruktiv mitarbeiten wird.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit sollte man nicht rechnen! – Zuruf von der CDU/CSU: Macht euch nicht unsere Gedanken!)


Ich habe das Gefühl, dass zwischen Totalablehnung und
Bekenntnis zur Zusammenarbeit noch Raum für einen
Funken Hoffnung bleibt, obwohl die Drohung mit einer
Bürgerbefragung zu diesem Thema einen nicht gerade
hoffnungsvoll stimmen kann. Ich hoffe, dass Sie das noch
einmal sehr sorgfältig überdenken.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was haben Sie gegen Bürgerbeteiligung?)


– Lieber Kollege, ich habe nichts gegen mehr Bürgerbe-
teiligung. Ich habe aber etwas dagegen, wenn das Thema
Bürgerbeteiligung immer nur dann mobilisiert wird, wenn
es einem gerade in den Kram passt, aber dann abgelehnt
wird, wenn es möglicherweise Ergebnisse zeitigen
könnte, die einem nicht passen.


(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, dass

ich mich zunächst auf Bemerkungen als FDP-Berichter-
statter beschränkt habe. Als Hauptberichterstatter möchte
ich aber auch nicht versäumen, mich bei den Kolleginnen
und Kollegen herzlich für die sehr gute Zusammenarbeit
zu bedanken. Im Haushaltsausschuss ist ja das Ange-
nehme, dass man als Opposition hin und wieder – für den
Innenbereich gilt das allemal – das Erfolgserlebnis hat,
dass Anregungen nicht von vornherein abgebügelt wer-
den und dass man gemeinsam zu Entscheidungen kommt,
so in der uns allen nicht leicht gefallenen Sperre bei
INPOL (neu), in der Frage der Einrichtung eines Fonds
für die Unterstützung von DDR-Dopingopfern oder in
ähnlichen Fragen. Da bin ich für die Zusammenarbeit aus-
gesprochen dankbar. Ich schließe in diesen Dank die
Haushaltsabteilung und das ganze Haus ein. Sie haben uns
bei unserer Arbeit gut unterstützt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420306700
Als
nächster Redner hat der Kollege Cem Özdemir vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420306800
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Hoyer


(Zuruf von der CDU/CSU: „Dr. Hoyer“! So viel Zeit muss sein!)


– ich korrigiere: Dr. Hoyer – hat bereits darauf hingewie-
sen, dass nach dem 11. September die innere und die
äußere Sicherheit kaum noch voneinander getrennt wer-
den können. Wir alle haben nach dem 11. September zur
Kenntnis nehmen müssen, dass wir von international or-
ganisierten nicht staatlichen Organisationen bedroht sind.
Ein neue Form der Konfrontation und Bedrohung mit mo-
dernster Technik kommt auf unsere Gesellschaften zu.
Die alten Konfrontationen, wie wir sie kennen, die Kriege
zwischen Staaten, werden hoffentlich der Vergangenheit
angehören; nichtsdestotrotz sind wir von dieser neuen Ge-
fahr bedroht und das macht auch vor der Innenpolitik der
Bundesrepublik Deutschland keinen Halt. Wir haben es in
der Vergangenheit hier schon mehrfach diskutiert.




Dr. Werner Hoyer

19991


(C)



(D)



(A)



(B)


Allerdings hat die Debatte um die innere Sicherheit
und um die Sicherheitspakete gezeigt, wie wichtig es ist,
dass wir in diesen Tagen eine Bundesregierung haben, die
in der Frage der Sicherheitspolitik und der Sicherheitspa-
kete eine klare bürgerrechtliche Handschrift hat.


(Lachen bei Abgeordneten der PDS)

Alle Eingriffe in Freiheitsrechte müssen mit dem Si-
cherheitsgewinn, der dadurch entsteht, abgewogen wer-
den. Ich glaube, dass uns die Balance gegenwärtig gut ge-
lungen ist. Wir müssen darauf achten, dass sie uns auch in
Zukunft so gut gelingt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulla Jelpke [PDS]: Hoffentlich nicht!)


Die Notwendigkeit der Wachsamkeit zeigt sich, wenn
man sich in diesen Tagen die Stellungnahme des Bun-
desrates zum Sicherheitspaket einmal genau durchliest.
Es ist eine sehr bemerkenswerte Allianz zwischen Ham-
burg und Bayern entstanden. Das scheint die neue Connec-
tion im Bundesrat zu sein. Ich finde es ganz bemerkens-
wert, dass Herr Schill die CSU ganz offensichtlich so
gnadenlos kopieren möchte, dass das eine Art Nordallianz
der CSU in Hamburg wird.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Und ihr habt die Talibansteuer eingeführt!)


– Genau.
Wenn man sich die Maßnahmen einmal im Einzelnen

anschaut, dann stellt man fest, dass da vom Grundkonsens
des Grundgesetzes nicht mehr sehr viel übrig bleibt. Ein
Ausländer soll künftig bereits bei Verdacht, Terrorist zu
sein, ausgewiesen werden können. Wenn man den Plänen
aus Hamburg und aus Bayern folgt, wird die Unschulds-
vermutung quasi abgeschafft. Aber auch das, was Sie den
Sicherheitsdiensten an weiteren Befugnissen geben wol-
len – über das hinaus, was wir bereits im Sicherheitspaket
vorhaben –, verbunden mit einer weiteren Einschränkung
der Kontrollbefugnisse, geht weit über das hinaus, was
notwendig und mit unserer Grundordnung verträglich ist.
Damit, meine Kolleginnen und Kollegen von der Union,
geben Sie gerade das auf, was Sie, wie wir alle, doch ver-
teidigen wollen, nämlich die offene Gesellschaft. Frei-
heitsrechte der Bürgerinnen und Bürger müssen gerade in
der offenen Gesellschaft besonders stark sein.

Ich finde es ferner sehr bemerkenswert, dass die Union
in Hamburg gemeinsam mit ihrem neuen Freund, Herrn
Schill, einen sehr wesentlichen Beitrag zur inneren Si-
cherheit darin sieht, dass sie für 8 Millionen DM – ich
wiederhole: für 8 Millionen DM – neue Uniformen ganz
in Blau einführt.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Wir können die Grünen einfach nicht mehr sehen!)


Wenn das Ihr Beitrag zur inneren Sicherheit ist, dann kann
man die Union auch auf diesem Gebiet nicht mehr ernst
nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein Blick über die Grenzen der Bundesrepublik
Deutschland hinaus lohnt sich. Auch dort ist nicht alles
Gold, was glänzt. Ich denke beispielsweise an die Maß-
nahmen – darüber konnten wir in diesen Tagen lesen –, die
Großbritannien beabsichtigt, nämlich Verdächtige ohne
gerichtliche Überprüfung auf unbestimmte Zeit gefangen
zu halten. Damit kündigt Großbritannien die Habeas-Cor-
pus-Akte auf. Man muss sich das einmal vorstellen: Das
Land der Magna Charta verabschiedet sich von justiziel-
len Rechten. Ich kann das nicht verstehen. Ich hoffe, dass
sich in Großbritannien diejenigen Kräfte durchsetzen
werden, die dieses Vorgehen ebenfalls nicht für richtig er-
achten.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sozialistische Internationale!)


Auch ein Blick in die USA – einer unserer wichtigsten
Bündnispartner – ruft bei uns aufgrund der Maßnahmen,
die dort getroffen werden, Besorgnis hervor. Ich denke
beispielsweise an die jüngste Ankündigung, dass geheime
Militärgerichte Personen sollen verurteilen dürfen, die
wegen Terrorismus angeklagt sind. Das ist meines Erach-
tens in höchstem Maße bedenklich. Auch ein Mensch, der
schlimmste Verbrechen begangen hat – ich hoffe, dass wir
uns in diesem Punkt einig sind –, hat das Recht auf einen
fairen Prozess. Er muss vor Gericht gestellt und bestraft
werden. Das steht außer Frage. Dennoch hat er das Recht
auf einen fairen Prozess in Ländern wie den unseren, die
wir angetreten sind, die Demokratie zu verteidigen. Dabei
geht es auch um die demokratischen Rechte derer, die
unsere Demokratie infrage stellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den USAdürfen Ausländer, die des Terrorismus ver-

dächtigt werden, ebenfalls ohne richterliche Überprüfung
gefangen gehalten werden. Auch dadurch ist die offene
Gesellschaft in Gefahr.


(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Reden Sie jetzt über deutsche Innenpolitik?)


Ich erinnere an die ersten Debatten, die wir geführt ha-
ben, nachdem Bin Laden diesen schrecklichen, feigen An-
griff auf die USA verübt hat. Wir, die Mitglieder aller
Fraktionen, haben hier gesagt, dass Bin Laden nicht sieg-
reich sein darf. Wir haben festgestellt, dass wir nicht mit
dafür sorgen dürfen, dass Bin Laden sein Ziel, nämlich
unsere offenen Gesellschaften zu verändern, erreicht, in-
dem wir selbst die offene Gesellschaft erschüttern. Diese
Gesellschaften sind stark und stabil. Sie haben sich in
Jahrzehnten bewährt. Darum werden wir diesen Verbre-
chern den Gefallen nicht tun, dass wir unsere Freiheits-
rechte aufgeben. Wir werden diese Rechte vielmehr gegen
Gefahren von innen wie von außen verteidigen.


(Beifall des Abg. Sebastian Edathy [SPD])

Aus Bayern hören wir von Herrn Stoiber die Ankündi-

gung, möglicherweise Unterschriften gegen das neue Zu-
wanderungsgesetz, das die Bundesregierung auf den
Weg bringen möchte, zu sammeln. Ich möchte mich zu
der Debatte, zu der sich bereits der Innenminister und an-
dere geäußert haben, ob die Union das „hohe C“ zu Recht
oder zu Unrecht trägt, nicht äußern. Ich glaube, dass mir




Cem Özdemir
19992


(C)



(D)



(A)



(B)


als gebürtigem Muslim ein Urteil dazu nicht zusteht. Das
sage ich mit allem Respekt.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Jawohl!)

Ich möchte jedoch folgende Frage stellen: Was, bitte

schön, ist falsch daran, wenn die Bundesregierung, unter-
stützt von vielen aus der Union, beispielsweise von Frau
Süssmuth, künftig dafür sorgen möchte, dass alle, die zu
uns ins Land kommen, einen verbindlichen Sprach- und
Orientierungskurs absolvieren? Was ist daran falsch?
Über fehlende Sprach- und Orientierungskenntnisse be-
klagen sich doch Lehrer, Eltern und viele Bürgerinnen
und Bürger.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Deshalb sind wir doch nicht gegen das Gesetz, Herr Özdemir!)


Wir müssen dagegen vorgehen, dass die Sprachkenntnisse
abnehmen. Unterstützen Sie uns doch dabei, dass wir al-
len, die zu uns ins Land kommen, einen Sprachkurs an-
bieten.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Unterstützen Sie uns aber auch dabei – auch hier kann ich
Sie nicht verstehen –, die Bedürfnisse unserer Wirtschaft
auf diesem Gebiet – in eingeschränkter Form – zu berück-
sichtigen, wenn wir Hochqualifizierten den Zuzug in die
Bundesrepublik Deutschland ermöglichen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an die Debatte
über die Einführung der Greencard. Es waren auch andere
Stimmen aus Ihren Reihen zu hören. Auch in diesem
Punkt kann ich Ihre Politik nicht verstehen. Genauso we-
nig kann ich verstehen, dass Sie dagegen opponieren, dass
Frauen aus Ländern, in denen sie grausam unterdrückt
werden – wir kämpfen gemeinsam gegenAfghanistan, ein
Land, in dem die Frauenrechte bis vor kurzem grausam
unterdrückt worden sind –, bei uns einen sicheren Auf-
enthaltstitel erhalten. Was daran falsch sein soll, habe ich
nicht verstanden. Ich bin mir sicher, die Frauen in Ihrer
Fraktion verstehen es auch nicht. Ich bitte Sie, auch auf
diesem Gebiet Ihre Bedenken zurückzustellen und uns zu
helfen, dass das für unser Land Notwendige gemacht
wird. Stellen Sie bitte in dieser Frage Ihre Parteiinteres-
sen nicht vor die Interessen der Bundesrepublik Deutsch-
land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Kollege Marschewski hat sich ja nun schon auf
Großbritannien als Vorbild berufen, auf Großbritannien,
das den Notstand ausgerufen hat und die Europäische
Menschenrechtskonvention in einzelnen Punkten aus-
setzen bzw. davon abweichen möchte. Ich halte die Euro-
päische Menschenrechtskonvention für eine Errungen-
schaft Europas. Gerade in schweren Zeiten müssen die
Menschenrechte bestätigt und verteidigt werden.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
neben dem Bereich der Terrorismusbekämpfung, der

zweifelsohne wichtig ist und auch einen wichtigen Stel-
lenwert in der Innenpolitik einnimmt, die anderen Felder
nicht vergessen. Ich bin froh, dass einige Kollegen vorher
schon darauf eingegangen sind, dass die Innenpolitik auch
aus anderen Feldern besteht.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, weil ja morgen der
zehnte Jahrestag der Birthler-Behörde, wie wir sie heute
nennen, begangen wird, daran zu erinnern, dass das Stasi-
Unterlagen-Gesetz uns wieder eingeholt hat. Wir haben
uns jüngst hier damit beschäftigt und werden uns auch in
Zukunft damit beschäftigen. Der Innenausschuss wird
eine Anhörung dazu machen, es gab verschiedene Treffen,
auch die Berichterstatter beschäftigen sich mit diesem
Thema seit einiger Zeit. Ich glaube, dass wir alle gemein-
sam – hier sitzen ja noch einige Kollegen, die vor zehn
Jahren bei der Beschlussfassung über dieses Gesetz dabei
waren –, aufgefordert sind, eine ausgewogene neue Rege-
lung auf den Weg zu bringen, die genau definiert, wer Be-
troffener nach dem Gesetz ist. Dabei muss eines klar sein:
Täter dürfen nicht geschützt werden. Das Gesetz muss
und wird auch in Zukunft ein Ärgernis bleiben für die
falschen Propheten des Schlussstrichs, die meinen, dass
zehn Jahre nach Einführung dieses Gesetzes der Bedarf
nicht mehr besteht und wir diese Akten schließen können.
Wir werden diese Akten nicht schließen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Bravo! – Sehr richtig!)


Das sind wir all denen schuldig, die die friedliche Revo-
lution in den neuen Ländern möglich gemacht


(Zuruf von der CDU/CSU: Da hat er Recht!)

und sich dafür eingesetzt haben, dass wir heute in einem
Parlament sitzen,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU)


in dem Kolleginnen und Kollegen aus allen Teilen der
Bundesrepublik Deutschland sich gemeinsam Abgeord-
nete des Deutschen Bundestages nennen dürfen. Das gilt
allerdings auch für Personen der Zeitgeschichte. Deren
Akten müssen unter Auslassung alles Privaten für For-
schung und Publizistik nutzbar bleiben. Auch hier sind
wir uns einig. Das hat nichts zu tun mit Untersuchungs-
ausschüssen und anderen Dingen. Ich glaube, wenn man
das klarstellt, kann auch in dem aktuellen Fall, der disku-
tiert wird, eine Lösung gefunden werden, die mehrheits-
fähig ist.


(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich bei der Gelegenheit – ich finde, es
gehört einfach zu einer solchen Debatte über Stasi-Unter-
lagen – auch noch ein Wort zu Herrn Walter Kaczmarczyk
aus der PDS sagen, der in diesen Tagen eine gewisse
Berühmtheit erlangt hat. Die PDS, die sich in diesen Ta-
gen ja nun als moderne Friedenspartei geriert und übri-
gens mit der größten Offiziersdichte in ihren Reihen ar-
beitet, hat als Mitglied einen Walter Kaczmarczyk, der
Doppelverdiener ist und der als Grenzoffizier der DDR
wegen Beihilfe bestraft wurde. Ich glaube, das drückt sehr
viel aus. Ich würde die PDS-Kolleginnen und -Kollegen




Cem Özdemir

19993


(C)



(D)



(A)



(B)


auffordern – Sie haben ja nachher die Gelegenheit –, sich
auch zu diesem Bereich zu äußern.


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Schon mal was von Kollektivhaftung gehört? – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Und Herr Holter legt immer so dicke Essensrechungen vor!)


Ich finde, das gehört zu dieser Debatte dazu.

(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: PDS-Menschen sind nicht automatisch bessere Menschen! Das sind genau solche Leute wie andere auch!)


– Sie haben ja die Gelegenheit, Frau Kollegin, nachher
in der Debatte darauf einzugehen und dieses richtig zu
stellen.

Ein besonderes Anliegen der Innenpolitik sind die pri-
vaten Sicherheitsdienste. In diesem Punkt haben wir In-
nenpolitiker in der Debatte manchmal andere Ansichten
als unsere Wirtschaftspolitiker. Ich möchte die Gelegen-
heit nutzen, zumindest im Namen der Mehrheit des Hau-
ses, vielleicht sogar im Namen der Innenpolitiker des ge-
samten Hauses, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die
Neuregelung für die privaten Sicherheitsdienste so vorge-
nommen werden muss, dass wir zu einem Mehr an Si-
cherheit kommen. Wir wollen nicht die Situation haben,
dass wir die Bewacher quasi noch fürchten müssen. Vo-
raussetzung dafür ist, dass die Bewacher angemessen und
angemessen lange ausgebildet werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir wollen keine bewaffneten Rambos auf der Straße,
sondern die Beschäftigten der Sicherheitsdienste müssen
ihre Rechte kennen und dürfen ihre Pflichten dabei nicht
vergessen.

Zum Schluss noch ein Punkt, den wir schon mehrfach
genannt haben, der aber leider von der Agenda noch
nicht abgearbeitet wurde, übrigens auch nicht von der
Agenda der Koalitionsvereinbarung. Ich rede von der di-
rekten Demokratie. Wir haben das Thema in unter-
schiedlichen Konstellationen mehrfach besprochen. Ich
glaube, dass der Zeitpunkt gekommen ist, dass auch die-
ses Haus sich mit einem Gesetzesvorhaben der direkten
Demokratie beschäftigt. Die Koalition hat sich hier weit-
gehend verständigt. Ich appelliere von diesem Pult aus
aber noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen von
der Union, sich nicht länger der direkten Demokratie zu
verschließen. Nur Mut! Es lohnt sich, die Bevölkerung
zu fragen. Es gibt keine Veranlassung, das Volk zu fürch-
ten. Es gibt viele in Ihren Reihen, die Ideen haben, was
man alles der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen
könnte.

Ich kann nur den Appell an Sie richten: Wenn Sie
tatsächlich der Meinung sind, dass das Volk gefragt wer-
den sollte, dann ermöglichen Sie uns die gesetzlichen
Grundlagen dafür! Lassen Sie uns ein sauberes, faires
dreistufiges Verfahren der direkten Demokratie einführen.
Dann können Ihre Punkte, unsere Punkte und andere
Punkte dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Ich
glaube, dass das Parlament und die Demokratie insgesamt
gewinnen würden, wenn wir neben der Möglichkeit, alle

vier Jahre ein Kreuz zu machen, zusätzlich direktdemo-
kratische Elemente einführten. In Bayern haben Sie damit
über die Fraktionsgrenzen hinweg gute Erfahrungen ge-
macht. Ich kann nicht verstehen, dass das, was in Bayern
gut ist, im Bund schlecht sein soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Sport
gehört zur Innenpolitik. Diese Regierung hat klar ge-
macht, wie wichtig ihr der Sport ist. Weil meine Redezeit
gleich um ist, will ich nur zwei Punkte nennen.

Wir haben 2 Millionen Euro für die Opfer des DDR-
Dopings zur Verfügung gestellt. Ich glaube, angesichts
der schrecklichen Nachrichten von Menschen, die ein
zum Teil wirklich schlimmes Schicksal hinter sich haben,
ist das sehr gut angelegtes Geld.

Ein Punkt, der meiner Fraktion sehr wichtig ist: Der
Sportetat wurde nicht gekürzt. Auch der „Goldene Plan
Ost“ für Sportstätten wird fortgesetzt. Als Grüner freue
ich mich ganz besonders darüber, dass dabei eine grüne
Handschrift erkennbar ist, nämlich bei den ökologischen
Sportstätten.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wieso? Gibt es mehr Rasenplätze oder was?)


– Es gibt nicht nur mehr Rasen, Herr Kollege Koschyk.
Die Sportstätten werden von dieser Regierung künftig
ökologisch ausgebaut.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wie geht denn das?)


Umweltverträgliche Baustoffe werden eingesetzt. Ener-
gie wird bei Sportstätten künftig stärker geschont. Sie se-
hen: Sport und Umweltschutz müssen kein Widerspruch
sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Kniehohe Bergwiesen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420306900
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Ulla Jelpke von der
PDS-Fraktion das Wort.


(Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein [CDU/ CSU]: Mit Mütze auf? Ist das erlaubt in diesem Hause?)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1420307000
Es ist erlaubt. – Herr Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege
Özdemir, ich habe den Eindruck,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist keine Mütze, sondern eine revolutionäres Bekleidungsutensil!)


dass Sie als frustrierter Politiker, der sich gerade zu einer
Kriegspartei bekennen muss,


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


hier jetzt versuchen, die PDS als moderne Antikriegspar-
tei zu bezeichnen. Ich würde Ihnen vorschlagen: Strei-
chen Sie das „moderne“! Gucken Sie sich die Entwick-




Cem Özdemir
19994


(C)



(D)



(A)



(B)


lung der PDS an! Dann wissen Sie, dass diese Partei schon
lange Antikriegspolitik macht.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Jetzt erkenne ich es! Das ist eine militärische Kopfbedeckung! Ein Barett!)


Sie haben hier versucht, den Haushalt schönzureden.
Wenn Sie davon sprechen, dass dieser Haushalt die Ba-
lance von Freiheit und Sicherheit wahre, dann wissen Sie
ganz genau, genauso gut wie ich, dass das überhaupt nicht
der Fall ist.

Ich möchte einfach nur darauf aufmerksam machen,
dass wenige Tage, bevor dieser Haushalt hier zur Diskus-
sion stand, die Regierungsparteien dafür gesorgt haben,
dass noch weniger für BAföG ausgegeben wird und dass
für Ausbildungsplätze, für Jugendliche und für Rentner
ebenfalls weniger Gelder zur Verfügung stehen. Es ist
heute schon klar, dass sowohl die Kosten des Krieges als
auch die Kosten des Kampfes gegen den Terrorismus
von den sozial Schwachen in diesem Land getragen wer-
den sollen.

Meine Damen und Herren, die Debatte, die wir darüber
im Innenausschuss gehabt haben, hat gezeigt, dass völlig
kritiklos Mehrausgaben von rund 500 Millionen DM ver-
anschlagt werden. Dieses Geld hat der Innenminister zu-
sätzlich zur Verfügung. Wir haben nicht eine einzige
Gefahrenanalyse vorgelegt bekommen. Erst recht wurde
nicht – was viele Politiker und Politikerinnen in diesem
Land gefordert haben – jede Ausgabe sehr genau hinter-
fragt, vor allem im Hinblick auf ihre Effektivität, wie man
es gerade in einer Zeit der wirtschaftlichen Krise tun muss.
Diese Debatte zu führen war im Innenausschuss überhaupt
nicht möglich. Wer weiß, wie unvollständige Anträge und
Materialien erst unmittelbar zu den Beratungen vorgele-
gen haben, weiß, wie schwer es war, über diese Effekti-
vitätsfragen tatsächlich zu diskutieren.

Es liegen Anträge vor, 100Millionen DM mehr für den
Zivil- und Katastrophenschutz, für die Förderung des in-
terreligiösen Dialogs und der politischen Bildung und
Aufklärung auszugeben. Diese Anträge halten wir für ver-
nünftig, wenn auch nicht für ausreichend. Die PDS hat zu
diesen Punkten eigene Anträge vorgelegt.

Genauso selbstverständlich sollte es eigentlich sein,
dass der Bund die Mittel für die Hauptstadtsicherung
– auch dazu haben wir einen Antrag vorgelegt – aus sei-
nem eigenen Etat zahlt und nicht das Land Berlin damit
belastet.

Meine Damen und Herren, es hätte viele Möglichkei-
ten gegeben, im Innenhaushalt Umschichtungen vorzu-
nehmen. Ich möchte daran erinnern – entsprechende An-
träge haben wir ebenfalls vorgelegt –, dass Einsparungen
bei den Vertriebenenverbänden, bei den immensen Kos-
ten der Abschiebung von Flüchtlingen und nicht zuletzt
auch bei den Etats für die Geheimdienste möglich gewe-
sen wären. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situa-
tion müssen sehr genau die Dinge hinterfragt werden, die
zum Kampf gegen den Terrorismus beschlossen werden.

Der Bundesgrenzschutz – das ist mein nächster
Schwerpunkt – wird in diesem Jahr gigantisch aufgerüs-

tet: 38 000 Planstellen gibt es bereits, 2 000 neue sollen
jetzt hinzukommen. Das bedeutet einen Etat von 340Mil-
lionen DM. Das sind mehr als 10 Prozent Steigerung ge-
genüber dem letzten Jahr. Noch vor einigen Monaten ha-
ben die Beschäftigten des Bundesgrenzschutzes zu Recht
über ihre Aufgabenstellung diskutiert und ihre Zukunft
hinterfragt. Wir alle wissen: Die Osterweiterung kommt
und die Kontrollaufgaben an den Ostgrenzen werden
künftig wegfallen. Von daher ist diese Erhöhung über-
haupt nicht nachvollziehbar.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass bei den
Kontrollen des Bundesgrenzschutzes in Zügen und Bahn-
höfen, die sich vor allen Dingen gegen Flüchtlinge rich-
ten, immer wieder Übergriffe gegen Flüchtlinge statt-
gefunden haben; gerade Flüchtlings- und Menschen-
rechtsorganisationen kritisieren, dass es hier zu rassisti-
schen Übergriffen kommt und der Bundesgrenzschutz
seine Trefferquote vor allen Dingen dadurch erzielt, dass
er Flüchtlinge, die die Residenzpflicht verletzt haben,
ausfindig macht bzw. sie entsprechend verfolgt.

Unglaubwürdig für uns ist auch die Politik, die Innen-
minister Schily im Bereich der Flugsicherheit zur De-
batte stellt. Auf der einen Seite werden weiterhin Bundes-
grenzschutzbeamte von der Flughafensicherung abge-
zogen. Auf der anderen Seite werden die Ausgaben für
private Sicherheitsfirmen aufgestockt, die übrigens häu-
fig mit befristeten Arbeitsverträgen arbeiten und für Bil-
liglohnjobs bekannt sind. Eine solche Sicherung des Luft-
verkehrs führt unserer Meinung nach zu Lohndrückerei
und Sozialabbau im Flughafenbereich. Das machen wir
nicht mit.


(Beifall bei der PDS)

Für das Bundeskriminalamt wollen Sie 160 Milli-

onen DM mehr ausgeben; das entspricht einer 30-pro-
zentigen Erhöhung des Etats. 244 Planstellen sollen
zusätzlich geschaffen werden. Hier ist schon das
INPOL-neu-System angesprochen worden. Dieses Da-
tenfahndungssystem hat den Steuerzahler in der Tat schon
über 100 Millionen DM gekostet. Jetzt ist es, wie hier
schon gesagt wurde, veraltet und wird aller Wahrschein-
lichkeit nach gar nicht weiter ausgebaut, sondern es wird
wahrscheinlich ein neues System angeschafft, das eben-
falls wieder sehr viel Geld kostet. An dieser Stelle möchte
ich hinzufügen, dass das Bundesinnenministerium bis
heute die Misswirtschaft im BKA nicht aufgeklärt hat.
Hier muss endlich Klartext geredet werden, wieso so viele
Millionen bisher in der Institution BKAverplempert wor-
den sind.

Im Haushalt lese ich auch, dass das BKA zukünftig
zehn Panzer für 2,7 Millionen Euro erhalten soll. Ich wie-
derhole: Es steht dort „Panzer“, nicht „gepanzerte Fahr-
zeuge“, wie manche Vertreter des Innenministeriums der
Presse weismachen wollten. Ich frage Sie jedenfalls hier
– Herr Schily kann mir darauf vielleicht eine Antwort ge-
ben –: Wozu braucht das BKA Panzer?

Ein weiterer wichtiger Bereich ist das Bundesamt
für Verfassungsschutz. Es soll im nächsten Jahr
269 Millionen DM bekommen, also 30 Millionen DM
mehr als im vergangenen Jahr. Ich möchte hier in aller
Klarheit sagen, dass es gerade die Geheimdienste am




Ulla Jelpke

19995


(C)



(D)



(A)



(B)


allerwenigsten verdient hätten, für ihre Tätigkeiten be-
lohnt zu werden; denn im Zusammenhang mit der Ter-
rorismusaufklärung muss man feststellen, dass es in der
Vergangenheit weder von deutschen noch von amerika-
nischen Geheimdiensten Hinweise auf die Anschläge
gegeben hat. Das Gegenteil ist der Fall: Die Geheim-
dienste haben sehr dazu beigetragen, dass die Taliban
und Bin Laden zu dem geworden sind, was sie heute
sind. Es kann einfach nicht sein, dass Geheimdienste für
Tätigkeiten belohnt werden, die sie keineswegs effektiv
ausgeführt haben.

Insgesamt ist zu bemerken: Der größte Teil der Mehr-
ausgaben für den Bundesgrenzschutz, für das BKA und
für den Verfassungsschutz wird von der Regierung damit
begründet, dass sich diese Ausgaben aus dem neuen Anti-
terrorpaket ergeben. Ich frage den Innenminister: Wie ist
es eigentlich möglich, im Haushalt Ausgaben für Maß-
nahmen einzustellen und haushaltstechnisch zu verarbei-
ten – konkret das Antiterrorpaket –, die vom Parlament
überhaupt noch nicht verabschiedet wurden? Das zeigt,
dass sich der Innenminister nicht gerade durch eine sehr
seriöse Haushaltsführung auszeichnet.

Zum Stichwort Rechtsextremismus. Ich muss fest-
stellen, dass die Zahl der Straftaten in diesem Bereich kei-
neswegs zurückgegangen ist. Trotzdem wird auch hier
weiterhin bagatellisiert und verharmlost. Ich möchte in
diesem Zusammenhang an den Antrag erinnern, der von
der SPD, den Grünen, der FDP und der PDS verabschie-
det worden ist. Davon ist aber bis jetzt nicht ein einziger
Punkt in der Praxis umgesetzt worden. Die PDS hat hierzu
Haushaltsanträge gestellt, zum Beispiel zur unabhängigen
Beobachtungsstelle für den Kampf gegen den Rechtsex-
tremismus und zu einer umfassenden Studie über den
Rechtsextremismus in der Bevölkerung. Wir sind der
Meinung, dass daraus entsprechende Maßnahmen resul-
tieren könnten, damit Straftaten und Gewalt endlich ein
Ende haben.

Nichts von alledem ist beschlossen worden. Die SPD
und die Grünen wissen ganz genau, dass es vor allem der
Innenminister selbst ist, der die Umsetzung dieser An-
träge verhindert. Es wurde allenfalls ein kleines Bonbon
für die Fraktion der Grünen und der SPD ausgeteilt, in-
dem man das Civitas-Programm aufgestockt hat. Das ist
zwar zweifellos ein wichtiger Erfolg. Aber das reicht bei
weitem nicht aus.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420307100
Frau Kol-
legin Jelpke, kommen Sie bitte zum Schluss.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1420307200
Ja. – Zum Schluss möchte ich auf
die Integrationspolitik zu sprechen kommen. Es ist wirk-
lich eine Farce: 1,5 Millionen DM sollen für die Integra-
tion von Ausländern, aber 30Millionen DM sollen für Ab-
schiebung der Flüchtlinge, Ausreisezentren und ähnliche
repressive Maßnahmen zur Abstimmung gestellt und aus-
gegeben werden. Integration kann man nicht nur fordern,
sondern man muss sie auch praktisch umsetzen. Dazu

gehört die Bereitstellung entsprechender Mittel, die eine
Integrationspolitik ermöglichen.

Danke.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420307300
Das Wort
hat jetzt der Bundesinnenminister Otto Schily.


(von der SPD mit Beifall begrüßt)

Herren Kollegen! Die Markenzeichen der Bundesregie-
rung sind die folgenden: die Stärkung der inneren Sicher-
heit und damit der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger,
die Stärkung des Rechtsstaates und die Stärkung des Zu-
sammenhalts in der Gesellschaft. Das findet sich auch in
den Haushaltszahlen wieder.

Ich möchte es in der gleichen Weise wie meine Frau
Kollegin Däubler-Gmelin handhaben und mich zunächst
erst einmal bei den Haushältern bedanken, die in wirklich
sehr konstruktiven Beratungen dazu beigetragen haben,
dass das Bundesministerium des Innern und die ihm zu-
geordneten Sicherheitsinstitutionen mit den notwendigen
Sach- und Personalmitteln ausgestattet werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Dank richtet sich selbstverständlich auch an die Mit-
glieder des Innenausschusses und an das Bundesfinanz-
ministerium, das in diesen Fragen sehr konstruktiv mit
uns zusammengearbeitet hat.

Auch das will ich in gleicher Weise wie meine Kolle-
gin handhaben: Ein besonderer Dank geht an die Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, die auch
dafür gesorgt haben, dass dieser Haushalt beizeiten zu-
stande kommen konnte.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Das war es dann auch mit den Gemeinsamkeiten!)


Meine Damen und Herren, wir könnten heute einige
Beratungen vorwegnehmen, die uns erwarten, zum Bei-
spiel die Beratung über die Antiterrorgesetzgebung. Im
Plenum haben wir schon darüber gesprochen. Wir befin-
den uns jetzt in Gesprächen mit den Länderinnenminis-
tern und den Vertretern im Bundesrat. Ich glaube, es ist
heute nicht der Tag, darauf einzugehen.

Ich will Ihnen aber nicht vorenthalten, dass wir mit den
Landesregierungen selbstverständlich auch über kon-
struktive Anregungen, die aus diesem Kreise hier kom-
men, sprechen. Da spielt für mich die politische Farbe
nicht die entscheidende Rolle. Entscheidend ist vielmehr,
ob es sich um sachlich gebotene und sachlich begründbare
Anregungen handelt. Wir werden sie danach prüfen und
gegebenenfalls verwerfen. Das ist doch ein ganz vernünf-
tiger und richtiger Maßstab.

Ich will heute auch nicht die Gelegenheit wahrnehmen,
über ein anderes Projekt, über das Zuwanderungsrecht,
das aktuell zur Diskussion steht, zu sprechen. Wir sind der
Meinung, dass diejenigen, die ihr Mandat verantwortlich




Ulla Jelpke
19996


(C)



(D)



(A)



(B)


handhaben – damit meine ich sowohl die Abgeordneten
des Bundestages als auch die Vertreter des Bundesrates –,
die Beschäftigung mit dieser Frage nicht als parteitakti-
sches Manöver verstehen sollten. Sie sollten vielmehr an-
hand sachlicher Fragen den vorliegenden Gesetzentwurf
prüfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr gut, Herr Minister! Sie meinen uns! Sehr gut!)


Hier ist ja an dem Haushaltstitel, der für die Öffent-
lichkeitsarbeit vorgesehen ist, Kritik geübt worden. So
viele Mittel für Öffentlichkeitsarbeit, die ich bräuchte, um
den Unsinn, den Sie über den Inhalt des Zuwanderungs-
gesetzes verbreiten, in der Öffentlichkeit zu widerlegen,
könnte ich Ihnen gar nicht abverlangen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Zuwanderungsgesetz dient der Begrenzung und
Steuerung der Zuwanderung. Ich habe noch die Worte von
Frau Merkel im Ohr, die den einen oder anderen Sachver-
halt tadelte. Nur, all das, was sie beklagt, geschieht auf der
Grundlage des geltenden Rechtes. Deshalb besteht Verän-
derungsbedarf. Sie sollten sich wieder der Beschäftigung
mit den Sachfragen zuwenden. Ich bin sehr optimistisch.
Denn Sie haben auch in Ihren Reihen vernünftige
Persönlichkeiten – das ist gut und schön –, mit denen man
sprechen kann. Deshalb wird es uns gelingen, zu einer
guten Entscheidung zu kommen.

Was die humanitären Fragen angeht, sollten wir nicht
mit irgendwelchen Schablonen arbeiten. Ein Beispiel
möchte ich herausgreifen: die geschlechtsspezifische
Verfolgung. Es muss möglich sein, ein 15-jähriges pakis-
tanisches Mädchen, das zu uns gekommen ist und das,
wenn wir es in sein Heimatland zurückschicken würden,
dort gesteinigt würde, weil es sich wie in Deutschland üb-
lich verhalten hat, was den dortigen Vorstellungen, wie
man sich als junges Mädchen verhalten sollte, nicht ent-
spricht, hier zu behalten. Niemand kann verantworten,
dass ein solches junges Mädchen in sein Heimatland zu-
rückgeschickt wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Abschiebeschutz! – Abg. Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420307400
Herr Bun-
desminister, erlauben Sie – –


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420307500
Bitte schön,
Herr Marschewski.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420307600
Das Wort
erteilt der Präsident, Herr Bundesminister.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420307700
Sie haben
doch gerade gefragt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420307800
Ich frage
Sie, ob Sie dies zulassen. Wenn Sie dies zulassen, dann
gebe ich Herrn Marschewski das Wort.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420307900
Herr Präsi-
dent, ich habe Ihre Frage geahnt und sage jetzt: Gerne
nehme ich eine Frage des Kollegen Marschewski ent-
gegen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420308000
Herr
Marschewski, bitte schön.


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1420308100

Herr Bundesinnenminister, sind Sie mit mir der Meinung,


(Zurufe von der SPD: Nein!)

dass dieser von Ihnen geschilderte traurige Fall auch nach
derzeit bestehendem deutschen Recht so geregelt würde,
dass dieses Mädchen natürlich nicht in ihre Heimat
zurückmüsste?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420308200
Herr
Marschewski, da haben Sie insofern Recht,


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

als nach dem heute geltenden § 53 Abs. 6 des Ausländer-
gesetzes in der Tat nicht abgeschoben würde. Aber dieses
Mädchen hätte nur einen Duldungs- und keinen verlässli-
chen Rechtsstatus. Die Drohung der eventuellen Rück-
kehr würde bestehen bleiben. Sie hätte dadurch einen
enormen psychischen Druck auszuhalten. Das müssen wir
beseitigen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Herr Marschewski – wenn ich das noch sagen darf –,
gerade die Schicksale der auf dem Balkan Traumatisier-
ten, die nach schrecklichsten Erfahrungen zu uns gekom-
men sind, die mehrfach Vergewaltigungen und Folter er-
litten und sich in Folterlagern befunden haben, habe ich
vor Augen. Es ist uns gelungen – dafür bedanke ich mich
bei den Länderinnenministern –, diesen Menschen durch
eine „Vereinbarung“ – ich habe mich dafür sehr lange ein-
setzen müssen – einen verlässlichen Aufenthaltsstatus in
Form einer Aufenthaltsbefugnis zu geben. Warum wollen
Sie das nicht in Zukunft generell regeln, damit wir nicht
lange verhandeln und die Menschen nicht über Jahre ei-
ner solchen Bedrohung, die übrigens auch die Heilung
von traumatischen Erfahrungen erschwert, aussetzen
müssen? Warum sollen wir das nicht in Zukunft verläss-
lich regeln? Das entspräche dem humanitären und mora-
lischen Niveau dieser Gesellschaft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420308300
Herr Bun-
desminister, erlauben Sie zwei weitere Zwischenfragen,




Bundesminister Otto Schily

19997


(C)



(D)



(A)



(B)


einmal von Herrn Marschewski und einmal vom Kollegen
Wiefelspütz?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420308400
Bitte schön.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420308500
Ich würde
aber bitten, dann keine Zwischenfragen mehr zu stellen.


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1420308600

Herr Bundesinnenminister, sind Sie mit mir der Auffas-
sung, dass Ihre Darstellung dem deutschen Volk gegen-
über zunächst den Eindruck erweckte, dass dieses
Mädchen nach Hause zurückmuss,


(Susanne Kastner [SPD]: Albern!)

und sind Sie weiterhin mit mir der Auffassung, dass eine
Duldung erteilt wird, aus der auf Dauer eine be-
standskräftige Aufenthaltsgenehmigung entstehen kann,
wenn wir das rechtlich wollen und wenn die Ausländer-
behörden das wollen, und dass dieses Mädchen nicht der
Gefahr unterliegt, dauernd in Angst zu leben und in ihr
Heimatland zurückgehen zu müssen?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420308700
Herr Kollege
Marschewski, zunächst einmal muss ich Sie darauf hin-
weisen – Sie sind ja ein Kollege mit langjähriger Erfah-
rung und guten Kenntnissen im Ausländerrecht –,


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Das merkt man doch nicht!)


dass die Duldung kein Aufenthaltstitel ist, sondern nur
eine, wenn Sie so wollen, Aussetzung des Vollzuges der
Ausweisungsentscheidung. Insofern liegen Sie in Ihrer
Beurteilung falsch. Ich glaube, dass wir, wenn wir es ge-
nau durchdenken, auf dem richtigen Wege sind.

Übrigens ist das keine Asylentscheidung.

(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Das ist ja wohl klar!)


Es wird nur ein verlässlicher Rechtsstatus hergestellt. –
Vielen Dank für Ihre Fragen, Herr Marschewski.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420308800
Kollege
Wiefelspütz, bitte schön.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1420308900
Herr Bundesinnenminis-
ter, können Sie uns vor dem Hintergrund des bedauerns-
werten Falls der jungen Frau, den Sie angesprochen ha-
ben, vielleicht sagen, ob mein Eindruck richtig ist, dass
der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, CDU,
in dieser Frage zu denselben Ergebnissen und zu demsel-
ben Vorschlag kommt wie der Bundesinnenminister, oder
gibt es da Unterschiede?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420309000
Mir ist be-
richtet worden – ich kann das nur so darstellen –, dass
Herr Ministerpräsident Müller, der ja als Vorsitzender

einer Zuwanderungskommission der CDU dafür verant-
wortlich ist, in der CDU ein sehr gutes Papier zustande
gebracht zu haben – das muss ich immer wieder hervor-
heben –, in einer öffentlichen Versammlung gesagt hat,
man müsse dem Rat der Kirchen folgen, auch bei der
Frage der nicht staatlichen Verfolgung und der ge-
schlechtsspezifischen Verfolgung zu neuen, verlässlichen
Regelungen zu kommen. Dem haben wir entsprochen.
Deswegen sollte bei der Frage eines Kompromisses in Be-
zug auf die Zuwanderung nicht eine solche Hürde aufge-
baut werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen – wenn ich das, Herr Kollege Wiefelspütz,
noch zu Ihrer Frage sagen darf – ist es ja so: Herr Minis-
terpräsident Müller gehört der CDU an, die durch ihre Na-
menswahl sehr deutlich zum Ausdruck bringt – bleiben
Sie ruhig stehen, Herr Kollege Wiefelspütz; das ist noch
immer die Antwort auf Ihre Frage und so ist doch der par-
lamentarische Brauch –,


(Heiterkeit – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Schily lässt Wiefelspütz strammstehen!)


dass sie sich zugute hält – Herr Özdemir hat ja gesagt, das
sei nicht seine Zuständigkeit, aber die CDU legt großen
Wert darauf –, in sehr intensiver Beziehung zu den beiden
großen christlichen Kirchen zu stehen. Auch ich als Kir-
chenminister lege großen Wert auf den Rat der Kirchen.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Donnerwetter! Kardinal Schily! „Kirchenminister“! Kardinal Otto!)


Ich war ja gerade im Petersdom in Rom bei einer Heilig-
sprechung, nicht bei meiner eigenen, aber der der Seligen
Crescentia. Deshalb empfehle ich Ihnen doch, den Rat der
Kirchen bei diesen Fragen stärker zu beachten.


(Beifall bei den Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420309100
Herr Bun-
desminister, Fragen sollen kurz beantwortet werden. Ich
bitte darum.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420309200
Ich bedanke
mich.

Ich will mich heute zu den gesetzgeberischen Maß-
nahmen nicht so stark auslassen. Dazu besteht bei ande-
ren Plenardebatten Gelegenheit. Aber ich finde, dass der
Kollege Stadler bei früherer Gelegenheit zu Recht darauf
hingewiesen hat, dass man nicht nur an gesetzgeberische
Maßnahmen, sondern auch an den Gesetzesvollzug den-
ken muss. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht: Wenn der
Gesetzesvollzug richtig stattfinden soll, muss man dafür
sorgen, dass die entsprechenden Institutionen ausreichend
mit Personal und Sachmitteln ausgestattet werden.

Bezogen auf die gesetzgeberischen Maßnahmen will
ich ganz generell sagen, dass wir auf Bedachtsamkeit und
Sorgfalt durchaus Wert legen sollten; denn die Rechtsnor-
men – das ist, wie ich glaube, ein ganz wichtiger Hin-
weis – müssen auch dem Rechtsgefühl der Menschen ent-




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
19998


(C)



(D)



(A)



(B)


sprechen. Das heißt, dass die Akzeptanz der Rechtsnor-
men von großem Wert ist. Wenn sie das nicht sind und wir
eine Rechtsnorm beschließen – wir sind Mitglieder der
Gesetzgebungskörperschaft –, die die Menschen nicht ak-
zeptieren, dann funktioniert sie auch nicht. Deshalb ist das
so wichtig.

Herr Hoyer, ich war etwas erstaunt über Ihre Aus-
führungen bezüglich der Haushaltsmittel. Sie haben be-
hauptet, dass wir uns bei den Mitteln für die innere Si-
cherheit sozusagen als „Sparkassen“ bedient hätten. Das
ist schlichtweg falsch. Sie sind mir doch als jemand be-
kannt, der die Haushaltszahlen sehr genau liest.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Eben!)

Deshalb bitte ich Sie, noch einmal nachzulesen. Dann er-
kennen Sie – das kann Ihnen ja nicht verborgen geblieben
sein –, dass wir in den Jahren, in denen wir regieren, die
Mittel für die innere Sicherheit kontinuierlich erhöht
haben. Die Anhebung beträgt über 11 Prozent. Das ist, ge-
rade unter den Bedingungen der Haushaltskonsolidie-
rung, die wir bewerkstelligen müssen


(Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Und auch wollen!)


und an der sich auch der Innenminister solidarisch betei-
ligen muss, ein gutes Ergebnis. Sie sind auch nicht ganz
unschuldig daran, dass wir das machen müssen.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Oh ja, das ist klar!)


Wir haben einen überschuldeten Haushalt übernommen.
Wegen der Überschuldung hätten wir die Erbschaft ei-
gentlich ablehnen müssen. Das ging nun leider nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Warum habt ihr es nicht getan?)


Jetzt wird der Haushalt konsolidiert und wir müssen uns
daran beteiligen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ihr hättet ja die Wiedervereinigung zurückgeben können!)


Trotzdem haben wir die Mittel um 11 Prozent angehoben.
Sie haben den Zivilschutz erwähnt. Ich denke, Sie soll-

ten nicht übersehen, dass Sie die Aufwendungen für den
Zivilschutz in den zurückliegenden Jahren um 200 Milli-
onen DM gesenkt haben.


(Wieland Sorge [SPD]: Sehr richtig!)

Herr Hoyer, wir sollten fair miteinander umgehen: Ich
glaube, dass wir uns alle dabei geirrt haben. Bei diesem
Thema fand ich Herrn Stoiber ehrlicher. Ich habe es noch
im Ohr. Es war zwar nur im stillen Kämmerlein, aber im
Kreise der Ministerpräsidenten und gegenüber dem Bun-
deskanzler war er wenigstens ehrlich. Er hat gesagt, dass
sich dabei alle geirrt haben, dass alle dachten, die Kon-
frontation sei zu Ende und deshalb die Mittel abgebaut
worden sind. Ich bin genauso ehrlich und sage, dass wir
das erst einmal eine Weile fortgesetzt haben. Wir sollten
uns gegenseitig nichts vormachen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Einverstanden!)


Ich nehme allerdings für uns in Anspruch, dass wir die-
sen Fehler nicht erst am 11. September erkannt haben,
sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Wir haben gesagt, dass wir das Steuer an der Stelle he-
rumreißen müssen. Wir haben das getan. Sonst hätten wir
den Ländern die 650 Fahrzeuge für den Zivilschutz jetzt
nicht zur Verfügung stellen können; darunter befinden
sich 340 ABC-Erkundungsfahrzeuge und eine ganze
Reihe von Dekontaminierungs- und Sanitätsfahrzeugen.
Sonst wäre es uns nicht gelungen, in diesen Tagen ein sa-
tellitengestütztes Warnsystem operabel werden zu lassen
und das deutsche Notfallinformationssystem zu etablie-
ren. Das alles ist schon geschehen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Aber bis zum 11. September ging es beim THW bergab!)


Ich sage nicht, dass deshalb die Aufgaben schon erfüllt
sind. Das sagt niemand. Wir waren aber nicht untätig.
Jetzt stocken wir die Mittel weiter auf.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich lasse nicht durchgehen, dass die Länder immer da-
nach fragen, was denn der Bund mache. Ich bin – zusam-
men mit einigen Innenministern der Länder – der Mei-
nung, dass die scharfe Abgrenzung zwischen
Katastrophen- und Zivilschutz nicht mehr aktuell ist. Das
bedeutet aber nicht, dass sich die Länder aus der Verant-
wortung verabschieden können. Der Katastrophen-
schutz liegt schwerpunktmäßig in ihrer Verantwortung.
Sie müssen das ihre dazu beitragen. Lassen Sie uns da
nicht schwarzer Peter spielen, sondern gemeinsam nach
Lösungen suchen. Ich finde es durchaus positiv, dass das
im Kreise der Innenminister auch geschieht.

Es ist hier schon mehrfach angesprochen worden – des-
halb brauche ich darauf nicht viele Wort zu verwenden –,
dass wir beim Bundesgrenzschutz ganz erhebliche Perso-
nalveränderungen mit Stellenhebungen und Beförderun-
gen vorgenommen haben. Wenn Sie die Gesamtzahl von
fast 16 000 Beförderungen in der Zeit von 1999 bis Ende
2002 vor Augen haben, dann müssen Sie anerkennen, dass
das eine wirklich großartige Leistung ist. Bei den Stellen-
hebungen kommen wir auf eine Verdopplung im
Jahre 1999 und eine Verdreifachung im Jahre 2000. Wir
setzen dieses Programm jetzt fort, sodass wir die Struk-
turverbesserungen beim Bundesgrenzschutz, die die alte
Regierung erst für 2010 vorgesehen hat, bereits im
Jahr 2003 bzw. 2004 erreicht haben werden. Ich glaube,
daran kann man erkennen, in welcher Weise wir uns für
die innere Sicherheit engagieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Hoyer, Sie haben die Frage der Ausstattung zum
Beispiel des Bundeskriminalamtes mit Verwaltungsper-
sonal angesprochen, die uns allen geläufig ist. Das ist si-
cherlich nicht erfreulich; das will auch niemand leugnen.
Aber mit den linearen Stellenkürzungen um 1,5 Prozent




Bundesminister Otto Schily

19999


(C)



(D)



(A)



(B)


haben Sie in Ihrer Regierungszeit angefangen. Leider
wird das noch immer fortgesetzt. Gleichwohl haben wir
jetzt im Rahmen des Antiterrorpaketes im Bereich des
Bundeskriminalamtes für eine bessere Ausstattung mit
Verwaltungspersonal gesorgt. Es werden 470 Planstellen
im Verwaltungsbereich geschaffen. Das steht in einem ge-
wissen Widerspruch zu den linearen Stellenkürzungen um
1,5 Prozent. Das muss in der Zukunft bereinigt werden;
das ist uns diesmal nicht gelungen. Ich wäre dankbar,
wenn wir beim nächsten Mal noch einmal darüber bera-
ten würden; der Kollege Weißgerber hat sich freundli-
cherweise dafür eingesetzt.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Der ist sowieso genau meiner Meinung!)


Aber immerhin: Unter dem Strich haben wir eine bessere
Ausstattung mit Verwaltungspersonal, als es bisher der
Fall war.

Von mehreren Seiten sind die Integrationsmaßnah-
men angesprochen worden. Darüber werden wir bei an-
derer Gelegenheit, im Rahmen des Zuwanderungsgeset-
zes, noch zu sprechen haben. Sie erwecken aber natürlich
einen völlig falschen Eindruck – ich glaube, es war Herr
von Hammerstein –, wenn Sie auf die 1,5 Millionen ver-
weisen.


(Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein [CDU/CSU]: Das steht aber drin!)


– Ja, das steht in meinem Haushalt, Herr von
Hammerstein. Sie wissen aber, dass für die Integration im
Rahmen der Bundesregierung mehrere Ressorts zuständig
sind. Sie erwecken hier einen völlig falschen Eindruck.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich hätte die 400 Millionen ja gerne komplett in meinem
Haushalt; es ist aber nun einmal so, dass hier mehrere
Ressorts die Verantwortung tragen. Wenn Sie die entspre-
chenden Haushaltstitel beim Ministerium für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend sowie beim Ministerium für
Arbeit und Soziales mit berücksichtigen, dann kommen
Sie auf eine runde Summe von 400 Millionen, die wir für
Integration einsetzen.

Was die Spezialaufgabe der Integration von Aussied-
lern angeht – das sage ich zu Herrn Koschyk –, so haben
wir die Integrationsmaßnahmen hier ganz erheblich ver-
stärkt. Wir haben allerdings auch einige Investitionen – ir-
gendwo in der Ferne – gekürzt. Sie können die Investiti-
onsruinen gerne besichtigen. Da haben wir dem
schlechten Geld nicht noch gutes Geld hinterher gewor-
fen. Das ist auch richtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich freue mich sehr über die freundlichen Worte an die
Adresse der Bundeszentrale für politische Bildung. Ich
glaube, dass gerade diese Bundeszentrale hervorragende
Arbeit leistet. Bei der Gelegenheit gratuliere ich auch
ihrem Präsidenten, Thomas Krüger, zur Verleihung des
Bundesverdienstkreuzes. Er hat es verdient.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will noch zwei Bemerkungen zu INPOL (neu)

machen. Herrn Marschewski und anderen, die sich dazu
vielleicht noch äußern werden oder sich dazu schon
geäußert haben, möchte ich sagen: Das ist ein sehr
schwieriges Gemeinschaftsprojekt von Bund und Län-
dern, gar keine Frage. Die positiven Auskünfte, die uns
alle zunächst einmal beflügelt haben, haben sich zum Teil
als nicht tragfähig erwiesen. Daraus mache ich gar kei-
nen Hehl. Den Zug auf die Schiene gesetzt haben aller-
dings andere. Darüber will ich jetzt den Mantel der
Barmherzigkeit breiten, weil ich nichts davon halte, hier
irgendjemandem die Schuld oder die Verantwortung
dafür zuzuschieben. Wir müssen dieses Problem lösen.
Das ist ein außerordentlich ehrgeiziges Projekt mit einer
höchst modernen Technik.

Vielleicht haben sich einige mit den Anforderungen an
das, was dieses System leisten soll, etwas übernommen.
Das kann sein. Darüber müssen wir reden. Hier stehen ei-
nige in der Verantwortung. Wir müssen das Problem aber
zukunftsorientiert lösen. Wir sind dabei und ich bin zu-
versichtlich, dass wir dies in Zusammenarbeit zwischen
Ländern und Bund schaffen. Darüber, ob alle für die Lei-
tung dieses Projekts gewählten Konstruktionen ideal wa-
ren, will ich hier nicht diskutieren. Dazu haben wir bei an-
derer Gelegenheit die Möglichkeit.

Eines will ich hier aber sehr deutlich zum Ausdruck
bringen: Die Behauptungen, die zum Teil im Umlauf sind,
weil nämlich dieses System jetzt in Schwierigkeiten
stecke, gebe es ein Defizit bei der inneren Sicherheit, sind
schlicht falsch.


(Ulla Jelpke [PDS]: Warum brauchen wir das System überhaupt?)


Abgesehen davon, dass dieses System auch nach der Pla-
nung heute überhaupt noch nicht operabel sein sollte, son-
dern dies erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen
war, arbeitet das System INPOL-aktuell absolut einwand-
frei. Insofern gibt es dort keine Einbußen.

Weiterhin ist das Projekt zur Einführung eines digita-
len Funknetzes angesprochen worden. Auch dies ist ein
schwieriges Unterfangen. Wir werden uns darum sehr in-
tensiv zu kümmern haben. Es ist eine Investition, die in
die Milliarden geht. Daher ist an dieser Stelle besondere
Sorgfalt geboten.

Wir werden in dieser Woche auch noch Gelegenheit
haben, zu der Reform der Beamtenversorgung Stellung
zu nehmen. Deshalb will ich darauf nicht im Detail ein-
gehen. Ich warne aber davor, dieses Thema polemisch
auszubeuten. Dass mich hier ein Vorwurf trifft, ist nicht
sehr gerecht, denn das Problem liegt in erster Linie bei
den Ländern. Der Bund könnte sich, wenn er sich verant-
wortungslos verhalten wollte, zurücklehnen und sagen:
Ich lasse alles laufen. Wir würden dabei sogar Profit für
den Bundeshaushalt machen. Aber die Länder kämen in
gewaltige Schwierigkeiten. Deshalb empfehle ich Ihnen
allen die Lektüre des Versorgungsberichts. Darüber müs-
sen wir noch einmal gründlich reden. Wenn Sie diesen
sorgfältig lesen, werden Sie sehen, in welche Schwierig-
keiten die Länder ohne den Bund kämen. Deshalb sollte
an der Stelle Polemik schweigen.




Bundesminister Otto Schily
20000


(C)



(D)



(A)



(B)


Im Übrigen möchte ich es als großen Erfolg feiern,
dass wir bei der Zusatzversorgung zu einem sehr guten,
vernünftigen und tragfähigen Ergebnis gekommen sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte es an dieser Stelle nicht versäumen, meiner
Staatssekretärin Zypries ein besonderes Lob für ihre Ar-
beit auszusprechen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich will am Schluss etwas
zu einem Themenbereich sagen, der für uns sehr wichtig
ist. Das ist neben dem entschlossenen Einsatz von repres-
siven Maßnahmen die Prävention. Dies gilt übrigens für
alle Bereiche, auch für den Terrorismus. Alles das, was
wir jetzt machen – auch in dem Gesetzespaket –, dient der
Vorbeugung terroristischer Aktivitäten. Ich bin mir übri-
gens auch mit meinem Kollegen John Ashcroft einig, dass
Schwerpunkt unserer Bemühungen sein muss, solche
schrecklichen Verbrechen, wie sie in New York und Wa-
shington stattgefunden haben, in Zukunft zu verhindern.
Deswegen ist alles richtig, was wir dafür einsetzen.


(Beifall bei der SPD)

Das gilt aber auch für die allgemeine Kriminalität. Ich

bin dem Bundespräsidenten sehr dankbar, dass er vor we-
nigen Tagen die Sitzung des Kuratoriums und des Vor-
standes des Deutschen Forums für Kriminalprävention
eröffnet hat. Diese haben ein sehr ehrgeiziges Programm
für Kriminalprävention in Spezialbereichen und auch in
allgemeinen Bereichen vorgelegt. Daran können wir se-
hen, welche Ergebnisse an der Stelle möglich sind. Dies
gilt auch für die Gewaltkriminalität von Jugendlichen.
Dort gibt es zum Teil positive Entwicklungen, die man in
einem größeren Zusammenhang sehen muss, so zum Bei-
spiel, wenn Gewalt in der Erziehung zurückgedrängt
wird. Hier sollten wir sehr genau hinschauen. Dann haben
wir auch positive Ergebnisse zu erwarten.

Ich bin am Ende meiner Redezeit angelangt. Deshalb
will ich mit einem Wort Senecas schließen:

Am sicher Gegründeten und Unüberwindlichen übt
der Angreifer seine Kraft nur zum eigenen Schaden.

Dies ist ein Ratschlag an die nachfolgenden Redner der
Opposition.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420309300
Das Wort
hat jetzt der Kollege Wolfgang Bosbach von der
CDU/CSU-Fraktion.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1420309400
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schily, das, was
Sie gerade gemacht haben, ist nicht in Ordnung. Sie ha-
ben die Geschichte von dem 15-jährigen Mädchen, dem
in Pakistan die Steinigung droht, nur erzählt, um die Öf-

fentlichkeit glauben zu machen, das geltende Recht würde
keine Schutzmöglichkeiten bieten.


(Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Er hat die Frage von Herrn Marschewski klar beantwortet!)


– Lieber Günter, du hast jetzt Pause.
Genau Sie waren es, der bis vor wenigen Tagen gesagt

hat, dass das deutsche Recht keine Schutzlücken kenne.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn der Kollege Marschewski nicht die Frage ge-
stellt hätte, ob die Rechtslage nicht falsch wiedergegeben
würde, dann hätten Sie dies nicht zugegeben. Sie haben
gesagt, dieses Mädchen würde immer mit der Drohung le-
ben, dass sie zurückgeschickt werden könnte. Dann haben
Sie den Satz abgebrochen und eine völlig andere Ge-
schichte erzählt. Der Satz hätte, richtig fortgeführt, enden
müssen: wenn die Gefahr für Leib und Leben nicht mehr
besteht. Genau das sieht das geltende Asylrecht vor. Sie
wollen doch einführen, dass kontinuierlich nach drei Jah-
ren überprüft wird, ob eine Gefahr für Leib und Leben
noch besteht oder nicht. Das, was Sie erzählt haben, ist
grober Unfug.


(Beifall bei der CDU/CSU – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Ein Verwaltungsoberinspektor ist das!)


Wenn Sie ein solch schwaches Argument brauchen, um
Ihre Zuwanderungspolitik in der Öffentlichkeit zu ver-
kaufen, dann ist die Politik, die dahinter steht, mit Sicher-
heit noch schwächer. Es gibt eine unübersehbare Diskre-
panz zwischen dem, was Sie sagen, und dem, was Sie tun,
zwischen den vollmundigen Ankündigungen einerseits
und den dürftigen Ergebnissen andererseits. Dazu kommt
die mangelnde Bereitschaft oder Fähigkeit, die Entschei-
dungen zu treffen, die dringend notwendig sind, um die
Sicherheit unseres Landes dauerhaft zu stärken. Entschei-
dend sind nicht Ihre starken Worte, sondern entscheidend
sind Ihre schwachen Taten.

Während die Bundesjustizministerin in der Disziplin
Zurückrudern geradezu beeindruckende Fähigkeiten zeigt
– wäre Zurückrudern eine olympische Disziplin, bräuchte
Ihre Kollegin keine Gegner zu fürchten –, wechseln Sie
Ihre Meinungen so schnell, dass man Mühe hat, festzu-
stellen, welche Meinung Sie gerade in diesem Augenblick
vertreten. Das ist ein Beweis dafür, dass es an überzeu-
genden Konzepten und auch an einem klaren Kurs fehlt.

November 1998 Originalton Otto Schily:
Die Grenzen der Belastbarkeit durch Zuwanderung
sind überschritten. Auch ein Zuwanderungsgesetz
kann daran nichts ändern, denn die darin festzule-
gende Zuwanderungsquote müsste auf null gesetzt
werden.

Im Klartext: Sie hatten damals die Auffassung, dass
Deutschland durch den nach wie vor anhaltenden Zuwan-
derungsdruck eine Last trägt, die das Land auf Dauer nicht
tragen kann. Das ist richtig. Deswegen ist es unbegreiflich
und unverantwortlich, dass Sie jetzt einen Gesetzentwurf




Bundesminister Otto Schily

20001


(C)



(D)



(A)



(B)


vorlegen, der nicht zu einer Reduzierung der Zuwande-
rung, sondern zu deren Ausweitung führen wird.

Zwar trägt das Werk die Überschrift „Steuerung und
Begrenzung der Zuwanderung“. Der Inhalt besagt aber
etwas ganz anderes.


(Zuruf von der CDU/CSU: Etikettenschwindel!)


Der Gesetzentwurf enthält im Hinblick auf Zuwande-
rungsmöglichkeiten gegenüber dem geltenden Recht
keine einzige Einschränkung. Er sieht aber erweiterte
Bleiberechte aus humanitären Gründen und neue Zuwan-
derungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für ausländi-
sche Arbeitnehmer vor. Dies geschieht vor dem Hinter-
grund von schon jetzt 4 Millionen registrierten
Arbeitslosen. Mit verdeckter Arbeitslosigkeit sind es weit
über 5,5 Millionen, Tendenz steigend. Dabei ist der Anteil
der ausländischen Arbeitslosen doppelt so hoch wie ihr
Anteil an der Bevölkerung.

Warum sagen Sie den Bürgern nicht die Wahrheit?
Warum sagen Sie nicht klipp und klar, dass Sie keine Re-
duzierung, sondern eine Ausweitung der Zuwanderung
wollen und dass dies auch in Ihrem Gesetzentwurf steht?
Es steht zwar nicht obendrauf, aber mittendrin. Dort heißt
es ausdrücklich, dass eine Begrenzung der Zuwanderung
nicht länger im öffentlichen Interesse unseres Landes lie-
gen soll.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Nicht nur der Gesetzentwurf ist nicht akzeptabel. Nicht

akzeptabel ist auch, dass die Bundesregierung der Bevöl-
kerung beim Thema Zuwanderung nicht sagen will, wo-
hin die Reise geht. Zunächst geben Sie den Forderungen
der Grünen nach erweiterten Bleiberechten nach, obwohl
Sie bis vor kurzem immer noch richtigerweise gesagt ha-
ben, dass das deutsche Recht keine Schutzlücken kennt.
Dann haben Sie den Repräsentanten der Wirtschaft zuge-
sagt, deren Wunsch nach verstärkter Zuwanderung aus-
ländischer Arbeitnehmer auf den deutschen Arbeitsmarkt
zu erfüllen. Und dann erklären Sie der erstaunten Bevöl-
kerung, dass beides zusammen im Ergebnis zu weniger
Zuwanderung nach Deutschland führen wird. Das glaubt
Ihnen kein Mensch. Wir glauben es Ihnen erst recht nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieser Regierung geht es um die Ausweitung der oh-

nehin schon großen Zuwanderung nach Deutschland. Ge-
nau das ist die Politik, die CDU und CSU nicht wollen,
und mit uns auch nicht die breite Mehrheit der Bevölke-
rung. Sie können zwar diese Politik mit Ihrer Mehrheit im
Deutschen Bundestag durchsetzen. Aber wer in den
ebenso wichtigen wie sensiblen Bereichen Ausländer-
politik, Asylrecht und Integration falsche Entscheidungen
trifft und Politik gegen die Bevölkerung macht, der scha-
det den Interessen des Landes und der wird scheitern.

Auch in puncto innere Sicherheit geschieht nicht das,
was eigentlich geschehen müsste. Hier bleiben Ihre Taten
nicht nur weit hinter Ihren Ankündigungen, sondern auch
hinter dem zurück, was für eine wirksame Bekämpfung
des Terrorismus unabdingbar notwendig ist. Durch den
neuen § 129 b StGB wird nunmehr auch mit Strafe be-

droht, wer Auslandsterrorismus unterstützt. Aber wenn
der Verfassungsschutz solche Terroristen abhören will,
dann ist das nur erlaubt, wenn jemand eine Katalogstraftat
nach dem G-10-Gesetz plant, begeht oder begangen hat.
In diesem Katalog fehlt ausgerechnet der neue § 129 b des
Strafgesetzbuchs.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der kann doch gar nicht drinstehen! Den gab es noch nicht!)


Das ist entweder Absicht oder ein Versehen. Das soll aber
nicht geändert werden, Herr Ströbele. Das sieht der neue
Gesetzentwurf nicht vor.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


– Eben weil es Quatsch ist – da haben Sie Recht –, geißeln
wir das von dieser Stelle aus.

Warum sollen die neuen Befugnisse für den Verfas-
sungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst nur
bei sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen
Tätigkeiten gelten, nicht jedoch, wenn „nur“ die freiheit-
lich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik
Deutschland gefährdet ist? Das ergibt doch keinen Sinn.
Nach Ihrem Gesetzentwurf müssten wir Ausländer selbst
dann einreisen lassen, wenn vieles darauf hindeutet, dass
sie sich extremistisch oder sogar terroristisch betätigen
wollen.


(Otto Schily, Bundesminister: Sie irren!)

Der Verdacht reicht nach dem, was Sie vorschlagen, nicht
aus, solchen Ausländern die Einreise zu verweigern.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)


Bereits das Vorliegen hinreichend konkreter Verdachts-
momente für die Gefährlichkeit muss doch genügen, um
einem Ausländer die Einreise in das Bundesgebiet zu
verweigern.


(Beifall bei der CDU/CSU – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Leider alles richtig!)


Unter Sicherheitsgesichtspunkten muss man den Interes-
sen Deutschlands und der hier lebenden Bevölkerung im-
mer Vorrang vor den Interessen des verdächtigen Auslän-
ders einräumen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Bauen Sie doch nicht einen Popanz auf, Herr Bosbach!)


Herr Schily, gelegentlich muss man in einer Koalition
Kompromisse schließen. Das mussten auch wir früher.
Für uns ist und bleibt es jedoch unerträglich, dass Sie bei
der notwendigen Bekämpfung des internationalen Terro-
rismus Kompromisse mit den Grünen zulasten der Si-
cherheit unseres Landes und der Bürger geschlossen ha-
ben.


(Otto Schily, Bundesminister: Schwachsinn!)





Wolfgang Bosbach
20002


(C)



(D)



(A)



(B)


Unerträglich ist auch Ihr Umgang mit den Angehörigen
des öffentlichen Dienstes, insbesondere mit den Soldaten,
den Polizisten und allen anderen Beamten, die gestern in
Berlin gegen Ihre unsozialen und ungerechten Pläne zur
Neuregelung derAltersversorgung – genauer gesagt: zu
deren Reduzierung – demonstriert haben. Auch die An-
gehörigen des öffentlichen Dienstes, deren Organisati-
onen und auch wir wissen, dass alle Alterssicherungssys-
teme auf den Prüfstand gestellt werden müssen, auch die
der Beamten. Aber dabei muss es gerecht und sozialver-
träglich zugehen. Genau das ist nicht der Fall.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Rentenreform wurde gerade nicht, wie von Ihnen ver-
sprochen, wirkungsgleich und systemkonform übertra-
gen. Vielmehr werden den Beamten, den Soldaten und
den Richtern Sonderlasten auferlegt, ohne dass deren
Vorleistungen – ich nenne nur die Stichwörter „Versor-
gungsabschlag“ und „Versorgungsrücklage“ – angemes-
sen berücksichtigt worden sind.

Noch vor wenigen Tagen haben dies neun von zehn
Sachverständigen bei der Anhörung des Innenausschusses
bestätigt. Neun von zehn! Soweit erinnerlich, waren Sie,
Herr Minister, nicht dabei. Dann lassen Sie sich bitte von
dieser Anhörung berichten. Auch die von Rot-Grün gela-
denen Experten haben nichts anderes gesagt. Der zehnte
meinte allerdings, die Regierung solle wenigstens ihre
Begründung ändern und zugeben, dass es nicht um eine
Reform der Alterssicherungssysteme, sondern um das
Kassemachen gehe. Der zehnte war also ehrlich. Dann
seien auch Sie es: Wechseln Sie wenigstens Ihre Be-
gründung aus und geben Sie zu, dass Sie Kasse machen
wollen!

Um nur kein einziges Argument der Sachverständigen
berücksichtigen zu müssen und um jede weitere öffentli-
che Debatte zu verhindern, soll der Gesetzentwurf mit
atemberaubender Geschwindigkeit noch in dieser Woche
durch das Parlament gebracht werden.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sondersitzung!)


Diese harte und völlig kompromisslose Haltung hätten
wir uns von Ihnen beim Kampf gegen die Kriminalität
und den Terrorismus gewünscht. Hier ist sie völlig fehl am
Platze.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch alles dummes Zeug!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420309500
Als

(Amberg)


Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! In meinen Ausführungen beschränke ich mich auf
den Einzelplan 33, Versorgung. In ihm sind die Ausgaben
für die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes,
der Soldaten der Bundeswehr und ihrer Hinterbliebenen
sowie einer Reihe anderer konkretgesetzlich normierter

Personen veranschlagt. Die im Einzelplan 33 ausgebrach-
ten Ausgaben beruhen auf Rechtspflichten.

Die Beamtenversorgung steht aber vor den gleichen
Problemen wie andere Alterssicherungssysteme. Die all-
gemeine demographische Entwicklung in Deutschland
führt zu einem raschen Anstieg der Ausgaben für die Be-
amtenversorgung. Das hängt zum einen bekanntlich mit
der stetig wachsenden Lebenserwartung zusammen. Für
die nächsten 30 Jahre wird mit einer weiteren Steigerung
von zwei Lebensjahren gerechnet, was ja durchaus er-
freulich ist.

Zum anderen bewegt sich das durchschnittliche Ruhe-
eintrittsalter in den letzten Jahren konstant auf niedrigem
Niveau. Auch aufgrund der hohen Zahl der Frühpensio-
nierungen liegt es zurzeit bei circa 59 Jahren. Diese bei-
den Faktoren zusammen führen zu erheblichen Steigerun-
gen der Versorgungsleistungen; das ist auch bekannt.

Eine gewisse Brisanz bekommt die Frage der Versor-
gung, wenn man sich die Tatsache vor Augen hält, dass
die durchschnittliche Pensionslaufzeit derzeit bei rund
20 Jahren liegt. Sie ist gegenüber früherer Zeit also er-
freulicherweise ebenfalls erheblich angewachsen. Hinzu
kommt der so genannte „Versorgungsberg“ als Folge der
Ausweitung des öffentlichen Dienstes in den 60er- und
70er-Jahren. Die Pensionsaufwendungen von Bund, Län-
dern und Gemeinden werden deshalb von heute bis zum
Jahr 2030 auf das Dreieinhalbfache ansteigen, nämlich
von rund 43 Milliarden DM auf dann rund 150 Milliar-
den DM bzw. 75 Milliarden Euro. Aus alledem ergibt sich
ein erhebliches Finanzproblem.

Den Regierungsfraktionen ist daran gelegen, die Be-
amtenversorgung ebenso wie die Rentenversicherung
zukunftsfähig zu erhalten. Danach soll die bereits be-
schlossene Rentenreform durch das Versorgungs-
änderungsgesetz 2001 wirkungsgleich auf die Beamten-
versorgung übertragen werden. Details hierzu kann ich
mir an dieser Stelle ersparen; dies wird Gegenstand der
Plenardebatte sein, die wohl am Freitag stattfinden
wird.

An dieser Stelle aber bleibt anzumerken, dass sich be-
reits durch die Einführung der Versorgungsrücklage ab
1999 allein im Bundeshaushalt bis 2002 Einsparungen in
Höhe von 261Millionen DM ergeben werden. In den Fol-
gejahren bis 2010 ergibt die Abflachung des Versor-
gungsniveaus aufgrund des Versorgungsänderungsgeset-
zes 2001 voraussichtlich Einsparungen von insgesamt
12 Milliarden DM bei Bund, Ländern und Gemeinden.
Aufseiten des Bundes stehen dann 2,112 Milliarden DM
zu Buche, bei den Ländern 8,691 Milliarden DM. Die
Nutznießer der Reform sind also in erster Linie die Län-
der. Dies sollte dort auch Beachtung finden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Hälfte der Einsparungen durch die Versorgungsni-
veauabflachung wird der Versorgungsrücklage zugeführt.
Sie verbleibt zugunsten der Versorgungssicherheit der Be-
amten quasi „im Topf“, wird also dem System der Beam-
tenversorgung nicht entzogen und dient dessen zukunfts-
fähiger Absicherung.




Wolfgang Bosbach

20003


(C)



(D)



(A)



(B)


Dem werden aber kostensteigernde Maßnahmen durch
die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge von
aktiven Beamten, Richtern und Soldaten gegenüberste-
hen. Hieraus ergeben sich durch Steuermindereinnahmen
im gleichen Zeitraum Belastungen von insgesamt über
9,3 Milliarden DM, allein beim Bund von 4,203 Milliar-
den DM. Er trägt in der Gesamtbetrachtung hier die
Hauptlast.

Es zeigt sich, dass die Bundesregierung ziel- und zu-
kunftsorientiert das System der Beamtenversorgung
durch maßvolle Modifizierungen sichert und darüber hi-
naus noch äußerst verantwortungsbewusst und länder-
freundlich agiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420309600
Als
nächster Redner hat der Kollege Lothar Mark von der
SPD-Fraktion das Wort.


Lothar Mark (SPD):
Rede ID: ID1420309700
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen! Liebe Kollegen! Ich werde über den Sport sprechen.


(Beifall der Abg. Dagmar Freitag [SPD] und des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Danke.
Wir haben dem Sport wieder die Funktion zugewiesen,

die ihm in unserer Gesellschaft zusteht, nämlich eine
Querschnittsfunktion. Gesundheitspolitik, Sozialpolitik
und Integrationspolitik spielen hierbei zusammen. Gerade
für die Integrationspolitik hat der Sport in der heutigen
Zeit eine besondere Bedeutung; denn im Sport lernt man
Fairness, toleranten Umgang und gewaltfreies Kräfte-
messen. Dies ist notwendig, um fremdenfeindlichen Ten-
denzen entgegenzutreten.

Wir haben die Mittel für den Sport gegenüber dem Re-
gierungsentwurf geringfügig erhöht, um diesen Zielen
besser zu entsprechen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir fordern aber auch die Bundesländer auf, mehr für den
Sport zu tun, insbesondere für den Schulsport. Ich denke
hierbei an die dritte Sportstunde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben die Mittel für einige Bereiche erhöht. Unter
anderem ist der Goldene Plan Ost wiederum mit 29 Mil-
lionen DM ausgestattet. Zusätzlich sind Verpflichtungser-
mächtigungen vorhanden, sodass die Sportstätten im
Osten weiter auf Vordermann gebracht werden können. Es
ist zum großen Teil in Vergessenheit geraten, dass wir für
das Olympiastadion in Berlin und für das Zentralstadion
in Leipzig im Haushalt immerhin noch 76 Millionen Euro
ausweisen und damit dazu beitragen, dass die Fußball-
weltmeisterschaft auch in Ostdeutschland stattfinden
kann.


(Friedhelm Julius Beucher [SPD]: Sehr wahr!)


Den Ansatz für den Sportstättenbau für den Hochleis-
tungssport haben wir um immerhin 0,7 Millionen Euro
auf 18,8 Millionen Euro erhöht, weil bekannt ist, dass
auch in Westdeutschland verstärkt Defizite im Sportstät-
tenbau vorhanden sind.

Ferner weise ich darauf hin, dass bei den zentralen
Maßnahmen ebenfalls eine maßvolle Erhöhung um
2,3 Millionen Euro erfolgt ist, weil wir erkannt haben,
dass es in den letzten Jahren eine Erhöhung der Zahl der
olympischen Disziplinen gegeben hat und wir bei der
Nachwuchsförderung, beim Leistungssport und beim
leistungsbezogenen Behindertensport einiges zulegen
müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die nationale Dopingagentur wurde bereits erwähnt.

Hierfür sind im Haushalt 10 Millionen etatisiert.

(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist ein bisschen knapp!)

Wir hoffen, dass hierfür zusätzliche Gelder aus der Wirt-
schaft eingeworben werden können.

Ähnliches muss man hinsichtlich der Errichtung des
Fonds zur Entschädigung der DDR-Dopingopfer sagen,
die Herr Dr. Hoyer erwähnte. Wir mussten diese Mittel al-
lerdings sperren, weil noch viele Fragen zu klären sind,
aber wir wollten ein deutliches Zeichen setzen. Hierzu
müssen klare Kriterien erarbeitet und die rechtliche
Grundlage erst noch geschaffen werden. Es ist aber auch
anzumerken, dass diese Entscheidung eigentlich überfäl-
lig war,


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP])


denn von der Wiedervereinigung bis 1998 ist in dieser
Richtung überhaupt nichts passiert.


(Zuruf von der SPD: Das hätte schon Honecker machen müssen! – Gegenruf von der SPD: Der war doch selber gedopt!)


Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die jüngste
Anhörung im Sportausschuss zum Thema „Bessere Rah-
menbedingungen für Sportvereine“ ergab, dass die Anhe-
bung der Übungsleiterpauschale von 2 400 DM auf
3 600 DM ein richtiger Schritt war.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Personenkreis der davon Betroffenen sollte erweitert
werden. Die neue Regelung der Sozialversicherungsträ-
ger zur Selbstständigkeit von Übungsleitern wurde
ebenso als richtig eingestuft wie die Regelung der 630-
Mark-Jobs, allerdings mit der Einschränkung – das sage
ich fairerweise dazu –, dass mann im Sport die Auffassung
vertritt, dass nach wie vor zu viel Bürokratie dabei ist.


(Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Die haben wir doch abgebaut!)


Schließlich wurde begrüßt, dass die Möglichkeit ge-
schaffen wurde, bei Sportvereinen und Sportverbänden
präventive Gesundheitsmaßnahmen durchzuführen, weil




Helmut Wilhelm (Amberg)

20004


(C)



(D)



(A)



(B)


dies die Krankenkassen in Zukunft entlasten wird und so-
mit volkswirtschaftlich vertretbar ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass in den
Kommunen einiges in ihrer Einstellung zum Sport geän-
dert werden muss. Wir hier können natürlich keine Vor-
schriften machen, aber Anregungen geben. Wir befinden
uns im Sport insgesamt in einer Umbauphase. Individua-
lisierung und Kommerzialisierung nehmen genauso zu
wie die gewerblichen Sportangebote. Trotzdem ist festzu-
halten, dass sich das ehrenamtliche Engagement weder
quantitativ noch qualitativ in einer Krise befindet; es geht
um die mangelnde Wertschätzung der Betroffenen. Mit
den Erhöhungen entsprechend unserer Initiative tragen
wir zu einer Aufwertung bei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass wir glückli-
cherweise die Veränderung bei den Olympiastützpunk-
ten zurücknehmen konnten, weil es neue Überlegungen
gibt. Es bleibt aber trotz alledem festzuhalten, dass der
Spitzensport weiterhin effizienter gestaltet werden muss
und dass auch über das eine oder andere Konzept neu
nachgedacht werden muss. Wir sind zu dieser Diskussion
bereit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegen-
den Sportetat machen wir deutlich: Sportpolitik ist für uns
Gesellschaftspolitik – in unseren Tagen wichtiger denn je.
Der Sport ist bei Bundesinnenminister Otto Schily und bei
der Regierungskoalition in besten Händen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das stimmt!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420309800
Als
nächster Redner hat der Kollege Erwin Marschewski von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1420309900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Feststellung, dass der terroristische Anschlag auf die
USAdie Welt verändert hat, trifft die Wahrheit nicht voll-
ständig. Im Etat des Bundesinnenministers jedenfalls hat
sich gegenüber dem Regierungsentwurf vom Sommer zu
wenig verändert. Inhaltlich und haushaltstechnisch – Herr
Schily, lassen Sie mich dies so drastisch sagen – ist der
Einzelplan noch von der Leichtigkeit des Sommers, nicht
aber von der notwendigen Ernsthaftigkeit des September
geprägt.


(Sebastian Edathy [SPD]: Was reden Sie da?)

1,5 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen sollten für
mehr Sicherheit sorgen, aber nur ein Sechstel davon steht
für die innere Sicherheit bereit, leider nicht zur direkten
Verfügung des Bundesinnenministers. Ich befürchte, dass
die Bekämpfung des Terrors, einem Strohfeuer gleich,
bald wieder anderen Schwerpunkten weichen wird.

Herr Minister, Ihr Haushaltsgerüst war schon im Som-
mer nicht tragfähig. Sie haben eben nicht unsere Politik
der Effizienzsteigerung fortgesetzt, sondern sind einen
anderen Weg gegangen.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel, Herr Schily. Für die Be-
reitschaftspolizei in den Ländern wollten Sie mittelfristig
überhaupt keine Mittel mehr zur Verfügung stellen. Auch
wenn Sie jetzt die Kürzungen rückgängig machen, so
bleibt doch festzuhalten: Es waren Kürzungen von 60 Pro-
zent geplant, Herr Bundesinnenminister. Das ist nicht gut
so, meine Damen und Herren!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein nächstes Beispiel. Beim Bundesgrenzschutz sollte

sogar die Zahl der Polizeivollzugsbeamten sinken – ge-
ring nur, aber immerhin – und die Auswirkungen sind
dramatisch. Zum Beispiel schlägt die Gewerkschaft der
Polizei in meiner Heimatstadt Recklinghausen Alarm. Sie
spricht dort vom Ausverkauf der inneren Sicherheit.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Dort reicht das Personal der BGS-Bahnpolizeiwache für
den Schutz der Bevölkerung tatsächlich nicht mehr. Im
Bundesbahngrenzschutzbezirk Essen sind 60 Prozent der
Wachen bereits komplett geschlossen worden. Herr Bun-
desinnenminister, das ist nicht in Ordnung.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Unterschied zwischen Worten und Taten!)


In der „Welt“ steht, sie hätten – die dort genannte Zahl
wird wohl stimmen; andernfalls wird sich der Minister
gleich zu Wort melden – die Leitungsebene spürbar auf-
gebläht. Die „Welt“ zählte am 19. November 47 Stellen
gegenüber 31 Stellen im Jahr 1998. Herr Bundesinnenmi-
nister, innere Sicherheit verlangt mehr als bloße Worte.
Sie müssen die an Sie gerichteten Forderungen erfüllen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Erwin, Erwin!)


Die tatsächliche Gesetzesausführung – darauf hat mein
Kollege Max Stadler immer wieder hingewiesen – wird
behindert und erschwert. Ich habe mehrfach die Forde-
rung vorgetragen, endlich die strategische Fernmelde-
kontrolle bedarfsgerecht zu verbessern. Wir hätten die
Chance, Terroristen, die über Lichtwellenleiter Gespräche
führen, abzuhören. Wann wird dies endlich getan? Warum
haben Sie bei der Einführung des polizeilichen Fahn-
dungscomputersystems INPOL (neu) versagt? Meine
Kollegin Bonitz und ich glauben, dass die 17 Millionen
– ich weiß gar nicht, ob der Staatssekretär D-Mark oder
Euro meint – nicht ausreichen werden, Herr Schily.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch vorher begründet worden!)


In aller Ruhe möchte ich auf ein weiteres Beispiel hin-
weisen. Was ist mit der Einführung des Fingerabdruck-
systems Eurodac, das zum Zwecke der Kontrolle von
Asylbewerbern geschaffen wurde? Seine Einführung
wurde zwar beschlossen, aber nicht vollzogen.




Lothar Mark

20005


(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Bundesinnenminister, Sie wissen ganz genau,
dass Atta und der aus Tschechien ausgewiesene Geheim-
dienstchef Iraks Al-Ani die Einschleusung von Terroris-
ten als Asylbewerber geplant und durchgeführt haben. Ich
sage Ihnen: Wäre Eurodac in Betrieb, wäre zumindest
eine Aufdeckung dieses Gesetzesverstoßes möglich ge-
wesen. Wann wird Eurodac eingeführt, Herr Bundesin-
nenminister?


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der war vorher in keiner Datei! In welcher Datei waren die denn vorher?)


– Herr Ströbele, Sie als Garant der inneren Sicherheit, das
ist wirklich ein Fest für mich. Das muss ich heute sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie nicht eine andere Platte auflegen?)


Herr Bundesinnenminister, so werden Sie die innere
Sicherheit in unserem Lande nicht gewährleisten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist einfach nicht wahr, was Sie erzählen!)


Kollegen der SPD, warum waren Sie im Ausschuss da-
gegen, den Personalbestand im Polizeivollzugsdienst des
Bundes bedarfsgerecht auszubauen? Warum waren Sie,
Günter Graf, dagegen, die Ausstattung der Polizeibeamten
mit Unterziehschutzwesten – es geht um die Fürsorge-
pflicht gegenüber den Beamten – zu verbessern? Warum
haben Sie abgelehnt, die Zivilverteidigungsplanung be-
darfsgerecht zu verbessern, was nötig wäre, meine Damen
und Herren der SPD?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420310000
Herr Kol-
lege Marschewski, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Otto Schily?


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1420310100

Gern, natürlich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420310200
Herr
Schily, bitte schön.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420310300
Herr Kollege Marschewski, Sie
haben Eurodac angesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass das
Eurodac-Verfahren bereits während der deutschen Präsi-
dentschaft abgeschlossen wurde? Sie wissen, dass diese
Präsidentschaft in die erste Hälfte des Jahres 1999 fiel.
Die alte Bundesregierung hat nichts dergleichen zustande
gebracht. Wissen Sie, dass der Grund für die fehlende
Operabilität dieses Systems ein Streit ist, den nicht
Deutschland, sondern Frankreich zu vertreten hat? Frank-
reich vertritt die Auffassung, es dürfe nur ein Fingerab-
druck genommen und kein Abrollverfahren durchgeführt
werden. Ist Ihnen dieser Sachverhalt bekannt? Halten Sie
es für richtig, der Bundesregierung die Verantwortung
dafür zuzuschieben?


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1420310400

Herr Bundesinnenminister, dieser Sachverhalt ist mir
natürlich bekannt. Das wissen Sie.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Sie wissen auch, dass Eurodac noch nicht eingeführt wor-
den ist. Sie haben mir im Innenausschuss gesagt, das gehe
wirklich nicht. Eurodac muss eingeführt werden. Da sind
wir einer Meinung. Wer anders als Sie – die Opposition
etwa, der Bosbach oder der Marschewski? – muss Druck
machen? Sie sitzen am Hebel und müssen Druck machen,
damit dieses System wirklich greift und wir an die Terro-
risten herankommen, Herr Schily. Das ist das Problem.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420310500
Herr Kol-
lege Marschewski, erlauben Sie eine zweite Zwi-
schenfrage?


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1420310600

Bitte schön, ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420310700
Bitte
schön, Herr Schily.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420310800
Herr Kollege Marschewski, ist Ih-
nen bekannt – Sie haben den Namen Atta in dem Zusam-
menhang erwähnt –, dass sich das Eurodac-Verfahren auf
Asylbewerber und auf illegal sich in Deutschland oder in
anderen Ländern aufhaltende Personen bezieht


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


und mit dem Fall Atta insofern nichts zu tun hat? Ist Ihnen
das bekannt?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hier wird richtig gelogen! – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bewusst in die Irre geführt!)



Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1420310900

Ich habe bisher geglaubt, der Bundesinnenminister höre
immer zu. Das hat er bisher immer getan. Ich habe gesagt,
Herr Schily, dass Herr Atta und Iraks Geheimdienstchef
Al-Ani die Einschleusung von Terroristen als Asylbewer-
ber geplant und durchgeführt haben. Es ist eine Sauerei,
dass wir nichts dagegen machen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie spielen mit falschen Karten! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Mit solchen Halbwahrheiten wird hier Politik gemacht!)


Meine Damen und Herren, warum haben Sie es im In-
nenausschuss abgelehnt, die Zivilverteidigungsplanung
bedarfsgerecht zu verbessern? Ich sage Ihnen: Die Zivil-
und Katastrophenschutzplanung muss ein Schwerpunkt
unserer Innenpolitik werden. Gerade in dem Bereich gibt




Erwin Marschewski (Recklinghausen)

20006


(C)



(D)



(A)



(B)


es eine ganze Menge Fragen. Da wären Sie wieder an der
Reihe, Herr Bundesinnenminister.

Frage eins: Was wollen Sie tun gegen die Freisetzung
von Chemikalien, von Krankheitserregern, von biologi-
schen oder gar atomaren Kampfmitteln?

Frage zwei: Sind wir gerüstet gegen die Wirkung star-
ker elektromagnetischer Felder oder gegen das Ausschal-
ten unserer Kommunikationsstränge?

Frage drei: Sie haben durch die Presse publizieren las-
sen, dass eine Warnlücke geschlossen worden sei. Wann
treffen Sie endlich die technischen Voraussetzungen, da-
mit sich zum Beispiel Radio- und Fernsehgeräte automa-
tisch einschalten, um die Menschen vor Ort zu informie-
ren, nicht nur die Rundfunk- und Fernsehanstalten? Wann
geschieht das?


(Otto Schily, Bundesminister: Wir sind dabei!)

– Ja, Sie hatten über eineinhalb Jahre einen Versuch lau-
fen, der nun beendet ist. Das ist doch das Problem: Solche
Dinge müssen verbreitet werden, damit die Leute wirklich
gewarnt werden.

Die Schutzkommission beim Innenministerium – das
ist doch Ihre Kommission, Herr Schily, nicht meine! – hat
wörtlich gesagt, in den Kernbereichen des Zivilschutzes
seien nach wie vor erhebliche Gefahrenpotenziale. Das
war Ihre Kommission; ich habe nur die Informationen.

Ich glaube nicht, Herr Schily, dass durch die Auflösung
des Bundesamtes für Zivilschutz und durch die generell
stiefmütterliche Behandlung des Kastastrophenschutzes
in unserem Land in der Vergangenheit die richtigen Sig-
nale gesetzt worden sind. Nehmen Sie die Warnung und
Mahnung Ihrer Kommission ernst und schaffen Sie eine
tragfähige Neuregelung der Maßnahmen des Zivil- und
Katastrophenschutzes. Sie müssen die freiwilligen Helfer
motivieren, statt sie, wie es derzeit geschieht, zu entmuti-
gen.


( V o r s i t z Vizepräsidentin Petra Bläss)

Dasselbe gilt für den öffentlichen Dienst. Sie haben

gesagt, wir sollten die Geschehnisse nicht ausnutzen. Wir
sind in unserer Fraktion – Wolfgang Bosbach hat es vor-
hin gesagt – für eine Gleichbehandlung von Pensionen
und Renten. Es darf aber keine Sonderopfer der Beamten
geben, Herr Minister.


(Otto Schily, Bundesminister: Gibt es auch nicht!)


– Die gibt es sehr wohl. Sie planen mit Ihrer Gesetz-
gebung Sonderopfer.

Ich wiederhole noch einmal das, was Wolfgang
Bosbach gesagt hat, weil es eindringlich werden muss. In
der Anhörung haben nahezu alle Sachverständigen ge-
sagt, das Vorhaben sei ungerecht, das sei mit heißer Nadel
gestrickt. Es wird durch den Ausschuss durchgepaukt.
Heute hat der Innenausschuss beraten und nicht einmal
das Votum des Rechtsausschusses abwarten können. Die
Vorsitzende hat abstimmen lassen, obwohl sie wusste,
dass der Rechtsausschuss einstimmig, mit den Stimmen
aller Fraktionen, gesagt hat: Es ist ausreichend Zeit. Wir

müssen warten. Wir müssen darüber beraten. – Trotzdem
wurde dort ein entsprechender Beschluss gefasst.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist ein Ding! – weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Skandalös!)


Jetzt höre ich, morgen gebe es wieder eine Sondersitzung
von Innenausschuss und Rechtsausschuss. Das alles ist
mit heißer Nadel gestrickt, Herr Minister.

Der gestrige 25 000-fache Protest von Polizisten und
Soldaten sollte Ihnen nun wirklich zu denken geben. Die
Ä
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420311000
Er hat gesagt, die Be-
amten müssten „endlich die eigene Käseglocke verlas-
sen“. Das sagen Sie einmal den Polizeibeamten, das sagen
Sie angesichts der jetzigen Situation in unserem Land ein-
mal den Soldaten, Herr Bundesinnenminister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Polizeibeamten sind auf der gestrigen Demonstra-

tion dafür eingetreten, Sie sollten – Zitat – „die innere und
äußere Sicherheit nicht kaputt sparen“. Sie wissen doch
auch: Alle Maßnahmen laufen ins Leere, wenn diejeni-
gen, die letzten Endes den Kopf dafür hinhalten müssen,
durch Kürzungsmaßnahmen immer stärker betroffen
sind. Herr Bundesinnenminister, Sie sind kein Förderer
und kein Verteidiger des öffentlichen Dienstes. Das aber
wäre gerade jetzt nötig, insbesondere in Bezug auf die Be-
amten im einfachen und im mittleren Dienst.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das wir im Innen-
ausschuss vor ein paar Tagen diskutiert haben. Es geht um
die so genannten Justizwachtmeister. Diese Leute müssen
ihre „Kundschaft“, das heißt Gangster, in den Gerichts-
saal und wieder in die Zelle zurückbringen, auch thailän-
dische Kickboxer. Sie bekommen 2 800 DM brutto.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Marschewski, waren Sie schon einmal in einem Gericht?)


Unsere Fraktion hat beantragt, den Leuten 70 DM im Mo-
nat mehr zu geben. Sie haben dies abgelehnt. Das ist un-
akzeptabel. Das ist auch unsozial, meine Damen und Her-
ren von der SPD.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Minister, Sie sind kein Förderer und kein Verteidiger
des öffentlichen Dienstes.

Sie sind auch keiner, der Zuwanderung nach Deutsch-
land begrenzt. Ihr Zuwanderungsgesetz wird die Zu-
wanderung ungesteuert, zigtausendfach ermöglichen. Es
kommen nicht diejenigen, die die Wirtschaft braucht. Ich
weiß aus Gesprächen vor Ort, was auch Sozialdemokraten
sagen, wenn sie über dieses Gesetz informiert werden – bei
4 Millionen Arbeitslosen. Aber Koalitionstreue ist Ihnen
wohl wichtiger als alles andere.

Herr Minister, die Zuwanderung wird noch größer,
wenn das Asylrecht europäisch verändert und damit auf
den Kopf gestellt werden sollte. Ihr Zuwanderungsgesetz
ist wirklich ein Zuwanderungsgesetz und kein Gesetz der




Erwin Marschewski (Recklinghausen)


20007


(C)



(D)



(A)



(B)


Zuwanderungsbegrenzung. Deswegen können wir es zu-
mindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht mittragen.

Was den Kampf gegen Kriminalität und was „law and
order“ anbetrifft, die Sie, Herr Minister, in Blair-Begeis-
terung auf Ihrem Nürnberger Parteitag zur neusozialde-
mokratischen Tugend erklärt haben, gebe ich Ihnen einen
Ratschlag: Realisieren Sie alles, was Sie ankündigen!
Dann haben Sie das erste Schrittchen, aber wirklich nur
das, in Richtung „law and order“ getan. Wenn Sie das ge-
tan haben, dann – davon bin ich überzeugt – ist Ihnen der
stürmische Beifall der Grünen und der Linken in Ihrer
Partei sicher.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420311100
Das Wort hat jetzt der
Kollege Dieter Wiefelspütz für die SPD-Fraktion.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1420311200
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die von der Koalition verant-
wortete Innenpolitik ist in allen wesentlichen Bereichen
längst zu einem Qualitätsmerkmal sozialdemokratischer
und grüner Politik im Deutschen Bundestag geworden.


(Beifall bei der SPD)

Nach vielen Jahren des Stillstandes, verursacht durch eine
frühere Bundesregierung, gibt es seit drei Jahren eine In-
nenpolitik, die von Entschlossenheit, von Verantwortung
und von Reformpolitik mit Augenmaß geprägt ist,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Von hektischer Unruhe! – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ankündigungen! Viele Worte, wenig Taten!)


aber auch von Kontinuität, wo es angebracht ist.
Diese Innenpolitik hat auch ein Gesicht, ein Profil und

einen Namen. Die Rede ist vom Innenminister, Otto
Schily,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

nicht immer ganz pflegeleicht, zum Glück auch noch
nicht in irgendeinen Gnadenstand der katholischen Kirche
erhoben,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das kommt noch!)


aber überzeugend und leistungsstark. Das macht Ihnen
gerade Probleme. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das
müssen Sie zugeben, wenn Sie ehrlich sind.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben Ihnen das letzte Kompetenzfeld, das Sie ge-
glaubt hatten gepachtet zu haben, das Kompetenzfeld
der inneren Sicherheit, weggenommen. Deswegen sind
Sie so nervös.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Deswegen gibt es solche Diskussionsbeiträge wie von
dem Kollegen Bosbach. – Wo ist er denn eigentlich? Wer
hier redet, sollte bitte schön bis zum Ende der Debatte da-
bei sein.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das gilt auch für den Herrn Bundesminister!)


Deswegen gibt es solche Debattenbeiträge wie den von
dem Kollegen Marschewski, die bestenfalls haarscharf
neben der Sache sind,


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Na! Na!)


statt in den Wettbewerb um die besseren Lösungen im Be-
reich der Innenpolitik einzutreten.

Die aufgeregte Reaktion aus den Staatskanzleien in
Hessen und Bayern hat dieselbe Begründung. Man hat
Sorge, dass nun auch die Innenpolitik ein Glanzpunkt so-
zialdemokratischer und grüner Politik ist. Das war viel-
leicht nicht immer so. Aber seit einiger Zeit kommt das
immer besser rüber.


(Martin Hohmann [CDU/CSU]: Reines Wunschdenken!)


– Herr Hohmann, auch in Fulda begreift man das lang-
sam. – Man wird nervös und hektisch und fängt an, das
Parlament und die Öffentlichkeit ganz grob und fehlerhaft
zu informieren, billige Polemik zu üben und – das sage ich
noch einmal – bestenfalls an der Sache vorbeizureden,
statt hier um bessere Lösungen in wichtigen Fragen, die
uns alle berühren, zu ringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Sie müssen diese Behauptungen auch belegen! – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Dann belegen Sie das doch einmal, dann mal ein Beweis!)


Ich sage noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen:
Die innere Sicherheit ist längst zu einem Gütesiegel rot-
grüner Regierungspolitik geworden. Deswegen sind Sie
ja so nervös. Wir haben in kürzester Zeit umfassende Si-
cherheitspakete geschnürt und Gesetze auf den Weg ge-
bracht. Nie zuvor ist es gelungen, in kürzester Zeit über
500Millionen DM im Bereich der inneren Sicherheit sau-
ber finanziert lockerzumachen.


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Durch Steuererhöhungen! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Steuererhöhungen!)


– Ja, natürlich! Alles, was wir hier an Geld ausgeben,
muss doch finanziert sein. Wollen Sie Schulden machen?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bei allem Respekt für diese Maßnahmen bin ich dafür,
dass sie sauber finanziert werden. Wir haben auch intern
darüber diskutiert, wie man das macht. Wollen Sie das auf
Pump machen? Wollen Sie da mogeln?


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Klares Nein!)





Erwin Marschewski (Recklinghausen)

20008


(C)



(D)



(A)



(B)


Da muss man dann in der Tat vor die Öffentlichkeit treten
und sagen: Jawohl, innere Sicherheit kostet auch Geld.
Deshalb müssen die Summen, die hierfür aufgebracht
werden müssen, sauber finanziert werden – nicht durch
Luftnummern, Luftbuchungen oder zusätzliche Schulden.
Wo ist denn da die Alternative?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben auch bei diesen Haushaltsberatungen – das
gilt nicht nur für die Union, sondern auch für andere Op-
positionsparteien – erneut die unseriöse Politik betrieben,
kostenträchtige Anträge zu stellen, ohne einen
Finanzierungsvorschlag zu machen. Das ist, Frau Bonitz,
nicht seriös.


(Beifall bei der SPD)

Erklären Sie uns einmal, wie Sie es rechtfertigen, kosten-
trächtige Änderungsanträge zum Haushalt zu stellen,
ohne auch nur einen Halbsatz oder ein Komma darauf zu
verwenden, wo das Geld für die Finanzierung solcher
Änderungsanträge herkommen soll.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420311300
Herr Kollege
Wiefelspütz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kolle-
gin Bonitz?


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1420311400
Bitte schön, aber stellen
Sie sich darauf ein, dass ich sehr lange antworten werde,
Frau Bonitz.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das sind wir ja gewohnt vom Innenminister!)


– Vom Bundesinnenminister lernen heißt siegen lernen.
Also, Frau Bonitz, Sie haben das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Heißt stehen lernen!)



Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1420311500
Ich bleibe immerhin ste-
hen, Herr Kollege. – Herr Wiefelspütz, darf ich daraus,
dass Sie hier von sauberer Finanzierung sprechen,
schließen, dass die zusätzlichen Gelder, die aufgrund der
Steuererhöhungen in zukünftigen Haushaltsjahren verein-
nahmt werden, generell auch für mehr Sicherheit ausge-
geben werden?


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1420311600
Ja, aber selbstverständ-
lich. Wir werden das gemeinsam, Frau Bonitz, nachprü-
fen. Das ist nämlich unsere Pflicht als Parlamentarier. Wir
haben das Haushaltsrecht und werden uns sehr intensiv
darum kümmern. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür,
dass in der Eile nicht das erreicht worden ist, was der Bun-
desinnenminister, sein Staatssekretär, Sie und die SPD-
Bundestagsfraktion wollen. Wir hätten das nämlich ei-
gentlich am liebsten schon jetzt im Einzelplan 06
verankert.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Warum habt ihr das denn nicht geschafft?)


Das war so rasch nicht möglich, auch deswegen nicht,
weil Ihre Leute im Haushaltsausschuss das nicht anders
wollten.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)


Wir werden das aber Schritt für Schritt in den Bereich
des Haushalts des Innenministeriums überführen, weil es
selbstverständlich gute Gründe dafür gibt, zum Beispiel
im Hinblick auf Personal. Wer heute einen jungen
Bundesgrenzschützer einstellt, Frau Philipp, muss dafür
Sorge tragen, dass auch in 10 oder 15 Jahren das Geld für
seine Bezahlung da ist. Dieses können Sie nicht über den
Einzelplan 60 sicherstellen und daher muss das im Ein-
zelplan 06 etatisiert werden. Als diejenigen, die für innere
Sicherheit Verantwortung tragen, werden wir das gemein-
sam mit dem Teil der Bundesregierung, der für innere Si-
cherheit zuständig ist, durchsetzen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Sie nehmen 6 Milliarden DM ein und setzen nur 3 Milliarden DM an!)


Schon im nächsten Haushalt werden Sie die entspre-
chenden Auswirkungen feststellen. Ich bitte sehr darum,
dass wir das in dem Stil wie kürzlich im Innenausschuss
umsetzen. Oder wollen Sie aus diesem Bündnis der Ver-
nunft in Bezug auf die Etatisierung von Ausgaben für die
innere Sicherheit ausbrechen? Ich denke, wir sind da auf
einem sehr vernünftigen Weg. Der Bundesinnenminister
hat jedenfalls unsere Unterstützung, wenn er sich darum
bemüht, dass dieses Geld nicht nur dieses eine Mal, son-
dern auch in künftigen Jahren ausgegeben werden kann,
und zwar in der Verantwortung des Bundesinnen-
ministeriums; also für innenpolitische Aufgaben, Herr
Diller, zur Verfügung steht. Das ist geordnete Haushalts-
führung. Dass es nach dem 11. September kaum anders zu
bewerkstelligen war, als es jetzt geschehen ist, dafür habe
ich durchaus großes Verständnis.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Das war eine präzise Antwort!)


– Lieber Herr Marschewski, das hätten Sie nicht anders
gemacht. Allerdings muss man sagen: Sie haben es nie
verstanden, innerhalb kürzester Zeit 500 Millionen DM
für die innere Sicherheit bereitzustellen. Das ist eine Leis-
tung dieser Bundesregierung.


(Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Sie müssen es ordnungsgemäß verbuchen!)


Es tut mir Leid, Ihnen vorhalten zu müssen, dass Sie dazu
nicht in der Lage waren. Auch jeder Fachmann räumt ein,
dass die Koalition von CDU/CSU und FDP noch nicht
einmal ansatzweise das zustande gebracht hat, was wir im
Rahmen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes zustande
gebracht haben, und zwar mit Ströbele!


(Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU])


– Auf den Kollegen Ströbele lasse ich nichts kommen.
Auch ihm ist das Thema der inneren Sicherheit wichtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





DieterWiefelspütz

20009


(C)



(D)



(A)



(B)


Ehre, wem Ehre gebührt: Mit dem Kollegen
Marschewski habe ich eine sehr weit reichende G-10-No-
velle vereinbart, der Sie zugestimmt haben, Herr
Marschewski, weil es eine gute Sache war. An dieser
Stelle war der Kollege Ströbele ein sehr hilfreicher, sach-
verständiger und hartnäckiger Verhandlungspartner.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Ströbele als BND-Chef!)


Die Verhandlungen haben zu vernünftigen Ergebnissen
geführt.

Es tut mir Leid, sagen zu müssen, dass Sie so etwas nie
zustande gebracht haben. Sie haben nur ein Gesetz auf den
Weg gebracht, das vom Bundesverfassungsgericht kas-
siert worden ist. Wir haben es reparieren müssen und es
bei dieser Gelegenheit verbessert. In diesem Zusammen-
hang hat sich der Herr Kollege Ströbele sehr wohl Ver-
dienste um die Rechtsgeschichte erworben. Das muss
doch einmal erwähnt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja peinlich!)


Wir haben festzustellen: Die Bürgerinnen und Bürger
müssen sich nicht für ihren Anspruch auf innere Sicher-
heit entschuldigen. Es ist ein legitimer Anspruch der Bür-
ger an den Staat. Dafür ist der Staat da. Wofür sonst soll
er da sein? Innere Sicherheit gehört zu seiner Kernkom-
petenz. Es ist gut, dass wir alle das inzwischen begriffen
haben. Entsprechende Maßnahmen müssen deshalb her-
unterbuchstabiert werden.

Allerdings darf es in diesem Zusammenhang keine Ge-
spensterdebatten geben. Wir brauchen die innere Sicher-
heit nicht neu zu erfinden. Herr Uhl, auch in Bayern er-
findet man das Rad nicht neu. Wir brauchen keine
Militarisierung der Innenpolitik.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Wir brauchen keine Militarisierung der inneren Sicherheit
und keine neuen Behörden. – Herr Koschyk, warum sind
Sie so müde?


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Weil ich Ihnen zuhören muss!)


Warum gähnen Sie bei einer solch interessanten Debatte?
Es ist eine Zumutung, Ihnen zuzuschauen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Gehen Sie rechtzeitig ins Bett! – Wir wollen auch nicht
neue Behörden erfinden und ein neues Bundessicherheits-
amt aufbauen, sondern bestehende Strukturen stärken.
Herr Koschyk, warum machen Sie solche Vorschläge? Es
geht doch darum, bewährte Strukturen zu stärken. Aber es
geht nicht darum, Scheindebatten zu führen.

Deswegen stocken wir bei der Personal- und Sachaus-
stattung von allen relevanten Sicherheitsbehörden auf:

beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Bundes-
nachrichtendienst und beim Bundeskriminalamt, dessen
Zentralstellenkompetenz gestärkt werden soll. Wir stär-
ken diese Behörden in ihrer Kompetenz, indem wir die
Personal- und auch die Sachausstattung verbessern. Das
bringt eine Sicherheitsdividende für uns alle. Wir sollten
deswegen gemeinsam handeln. Gegen solch einen ver-
nünftigen Kurs kann doch kein vernünftiger Mensch et-
was einzuwenden haben.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nur weil die Maßnahme von Rot-Grün vorgeschlagen
wird, muss sie doch nicht automatisch schlecht sein. Ich
bitte Sie also sehr, sachlich zu bleiben.

Deutschland ist ein sehr freies, sehr sicheres und
weltoffenes Land. Daran soll sich auch in Zukunft nichts
ändern. Wir haben alle begriffen, dass Sicherheit und Frei-
heit ebenso wenig Gegensätze sind wie effektive Verbre-
chensbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit. Nach unseren
Grundsätzen gehören Verbrechensbekämpfung, Terroris-
musbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit definitiv immer
zusammen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Eben!)

Ich sage auch sehr freimütig: Innere Sicherheit ist kein

Monopol des Bundes. Dieser Meinung ist auch der Bun-
desinnenminister. Innere Sicherheit schaffen wir, Bund und
Länder, gemeinsam. Dafür haben wir eine außerordentlich
fähige Innenministerkonferenz, die segensreich arbeitet.

Ich will aber sehr deutlich sagen: Wir prüfen gerne,
welche Vorschläge jetzt zu dem Entwurf eines Terroris-
musbekämpfungsgesetzes aus dem Bereich der Länder
kommen. Es wird fair geprüft. Ich bitte aber sehr um Ver-
ständnis: Das, was wir für rechtsstaatliche Errungen-
schaften halten, das werden wir nicht zur Disposition stel-
len; das sage ich für die SPD-Bundestagsfraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Befristung von Gesetzen ist nicht nur im Bereich
von Terrorismusbekämpfung wichtig. Dieses Instrument
sollten wir auch in anderen Bereichen viel häufiger nutzen.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Nach ein paar Jahren sollten wir schauen, ob es sachlich
richtig war, ein Gesetz beschlossen zu haben. Dann kann
man die Gültigkeit eines Gesetzes verlängern.


(Beifall bei der SPD, beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Wenn wir die Veranlassung sehen, zusätzliche Befug-
nisse und Kompetenzen für Nachrichtendienste zu schaf-
fen – lieber Herr Ströbele, Nachrichtendienste sind not-
wendig; das sollten Sie sich merken –,


(Heiterkeit bei der SPD und der FDP – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Geheimdienste!)


dann müssen wir zusätzliche parlamentarische Kontrollen
bei den Gremien einbauen, die dafür zuständig sind. Das




DieterWiefelspütz
20010


(C)



(D)



(A)



(B)


gebietet das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit; anderes ist
für uns nicht verhandlungsfähig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man für Nachrichtendienste ist – sie werden in der
Welt, so wie sie ist, auch in Zukunft notwendig sein –,
dann brauchen wir eine umfassende parlamentarische
Kontrolle. Das scheint mir unstreitig zu sein. Darüber sind
wir nicht bereit zu diskutieren. Das ist für uns essenzielle
Rechtsstaatlichkeit.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Dies ist unstreitig!)


Darüber hinaus gibt es beispielsweise den Vorschlag,
die Landesverfassungsschutzämter genauso zu stellen wie
das Bundesamt für Verfassungsschutz. Darüber muss
nach meiner Auffassung gesprochen werden können. Da
kann es keine Schieflage geben. Aber dann muss auch da-
rüber gesprochen werden, Herr Uhl, dass in Bayern bzw.
in München die gleichen Mechanismen für die Kontrolle
von Diensten gelten, wie das hier in Berlin der Fall ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer bestreitet das?)


Also bleiben Sie da bitte auf dem gleichen Niveau, was
die rechtsstaatlichen Sicherungen angeht!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich noch kurz etwas – selbst 14 Minuten
Redezeit gehen fürchterlich schnell vorbei –


(Lothar Mark [SPD]: Was soll ich mit meinen sechs Minuten sagen?)


zu dem Bereich der Zuwanderung sagen: Ich bin von der
Rede des Kollegen Bosbach sehr enttäuscht. Man könnte
auch sagen: verärgert; aber das will ich nicht sein.


(Zuruf von der CDU/CSU: Über den Gesetzentwurf!)


Denn zum wiederholten Male – man redet sich den Mund
fusselig – wird die Öffentlichkeit falsch informiert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lothar Mark [SPD]: Wider besseres Wissen!)


Ich will es noch einmal versuchen: Dieses Land braucht
ein Zuwanderungsgesetz. Dieses Land braucht ein Ge-
setz, um die Zuwanderung im Interesse dieses Landes zu
steuern und um in den kommenden Jahren die Zuwande-
rung auch zu reduzieren. Wir brauchen ein Gesetz, um in
diesem Land mehr Integration zu schaffen.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Nennen Sie einmal Beispiele! Wo denn?)


Das ist doch Konsens. Sie haben immer bezweifelt, dass
Rot-Grün sich einigen wird. Wir haben Ihnen immer ge-
sagt: Warten Sie es ab! – Wir haben uns geeinigt. Das ist
in einer Koalition nicht immer ganz einfach.


(Zuruf von der CDU/CSU: Der Preis war zu hoch!)


Jetzt beginnt der parlamentarische Prozess. Reden Sie mit
uns! Aber sprechen Sie nicht mit falscher Zunge, sondern
im Interesse dieses Landes – und bitte sachgerecht!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich finde es unverschämt, was zum Teil abläuft. Man
könnte Ihnen das CSU-Programm in Sachen Zuwande-
rung vorlegen, Herr Uhl, und Sie würden dem nicht zu-
stimmen.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


In der Staatskanzlei in München ist ein klares Nein ge-
sprochen worden, weil man sich das Pulver trocken hal-
ten will. Ich finde es schändlich, dass Sie in einer Sache
von nationalem Interesse nicht zum Gespräch bereit sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zum Glück gibt es ja den einen oder anderen im Be-
reich der Union, der das vielleicht anders sehen könnte,


(Zuruf von der CDU/CSU: Woher wissen Sie denn das?)


wie beispielsweise Herrn Müller, den ich persönlich sehr
schätze, vielleicht auch Herrn Schönbohm. Warum sollte
Herr Schönbohm nicht belegen wollen, dass ich mich hin-
sichtlich seiner Haltung immer geirrt habe? Also, bitte
schön: Er wird die Gelegenheit zu einer sachlichen De-
batte haben.

Ich sage Ihnen sehr deutlich: Ein Gesetz wird nur dann
zustande kommen, wenn sich auch legitime Interessen der
Union und der FDP wiederfinden. Das finde ich im Übri-
gen sehr gut; denn es ist ein Gesetz für ganz Deutschland
und muss für die Zukunft passend sein.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Es passt nicht mit den Grünen zusammen! Das ist das Problem!)


– Was haben Sie denn gegen die Grünen? Sie sind eine Re-
gierungspartei. – Der Gesetzentwurf von Otto Schily, der
im Kabinett verabschiedet worden ist, ist kein rein rot-
grüner Gesetzentwurf. Das muss doch einmal so gesagt
werden! In diesem Gesetzentwurf sind auch zahlreiche
Positionen der FDP und der Union wiederzufinden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420311700
Herr Kollege
Wiefelspütz, ich muss Sie leider an die Zeit erinnern.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1420311800
Ich komme sofort zum
Schluss. – Reden Sie mit uns darüber. Die heutige Debatte
und Ihre Debattenbeiträge machen sehr deutlich, dass es
zu dieser rot-grünen Innenpolitik zum Glück keine Alter-
native gibt.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Na ja!)


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





DieterWiefelspütz

20011


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(A)



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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420311900
Der letzte Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Hartmut Koschyk für die
Fraktion der CDU/CSU.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Jetzt kommt die Alternative!)



Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1420312000
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr
Wiefelspütz, Ihre Rede hatte für mich zwei Elemente:
zum einen Heldenverehrungsepos für den Bundesinnen-
minister und zum anderen Ihre Zuwendung zu Herrn
Ströbele – Erfahrungen einer rot-grünen Selbsterfah-
rungsgruppe, die versucht, ein Stück gewonnene Gemein-
samkeit um des Machterhalts willen mit Zähnen und
Klauen zu verteidigen.

Ich möchte zwei, drei Punkte ansprechen, die Sie in Ih-
rer Rede genannt haben, lieber Herr Wiefelspütz. Die Prä-
sidentin des Bundesrechnungshofs hat bei der Vorstellung
ihres Jahresprüfberichts für das Jahr 2000 zu Recht ge-
sagt, dass es ein Armutszeugnis sei, wenn eine Regierung
wegen 3 Milliarden DM für ein Antiterrorpaket Steuern
erhöhen müsse. Das seien 0,6 Prozent des Haushalts und
es sei ein Armutszeugnis, wenn man dieses Geld nicht im
Haushalt selber erwirtschafte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Recht hat die Präsidentin des Bundesrechnungshofs!


(Lothar Mark [SPD]: Das steht ihr nicht zu! Das ist eine politische Entscheidung!)


Lieber Herr Wiefelspütz, Sie brauchen nicht zu versu-
chen, Herrn Müller hier für sich zu vereinnahmen. Die In-
nenpolitiker unserer Fraktion haben nach derVorlage Ihres
Paketes, Herr Minister Schily, eine sehr umfassende Aus-
sprache mit Herrn Ministerpräsident Müller gehabt. Herr
Müller hat dort gesagt, was er auch öffentlich gesagt hat,
nämlich dass das, was Sie, Herr Minister Schily, vorgelegt
haben, für ihn in keiner Weise zustimmungsfähig sei,


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Das hat er auch im Fernsehen gesagt! Das ist völlig richtig! Völlig d’accord!)


weil es zu mehr und nicht zu weniger Zuwanderung
nach Deutschland führe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich finde Ihre Aussage ein Stück unredlich. Ich glaube

nicht, Herr Minister Schily, dass Sie wirklich Partner-
schaft wollen und wirklich um die Zustimmung von Herrn
Ministerpräsident Müller und der Union werben, wenn
Sie denjenigen, um dessen Zustimmung Sie werben,
falsch zitieren und unter Vorspiegelung falscher Tatsa-
chen zu vereinnahmen versuchen. Das ist unfair und des-
halb hat es keinen Sinn, darauf zu hoffen, dass wir Ihnen
hier auf den Leim gehen.


(Widerspruch bei der SPD)

Wenn Sie sich nicht bewegen und Ihr unzureichendes An-
gebot, das tatsächlich zu mehr und nicht zu weniger Zu-
wanderung nach Deutschland führt, nicht verändern, wird
es überhaupt keine Möglichkeit für eine Zustimmung der
Union geben.

Ich merke bei dieser Debatte auch, dass viele neue und
richtige Akzente, die Sie, auch im Haushalt 2002, in der
inneren Sicherheit setzen, letztendlich in vielen Bereichen
nicht voll durchdacht sind. Ich will das nur am Beispiel
der Stellenmehrungen für den Bundesgrenzschutz deut-
lich machen.

Sie führen jetzt in erheblicher Zahl Neueinstellungen
durch. Aber jeder Fachmann sagt Ihnen wie auch uns, ob
im Hauptpersonalrat oder bei den Gewerkschaften, dass
die Kapazitäten der Fort- und Ausbildung beim
Bundesgrenzschutz, deren Ausbau seit 1998 nur stockend
und sehr schleppend vorangekommen ist, für die neue
Lage nicht ausreichen. Wir haben diese neue Aus- und
Fortbildungsstruktur geschaffen und Sie haben seit 1998
nichts getan, um sie weiter fortzuentwickeln.


(Otto Schily, Bundesminister: Das stimmt überhaupt nicht!)


Das werden Sie jetzt spüren, weil die Ausbildungskapa-
zitäten nicht ausreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Man müsste jetzt auch darüber nachdenken, Herr

Minister Schily, wie man schnell wirkende Personal-
maßnahmen entfaltet; denn die Neueinstellungen, die
Sie nun vornehmen, werden erst in vier bis fünf Jahren
wirken. Denken Sie doch bitte einmal darüber nach, den
so genannten grenzpolizeilichen Unterstützungskräften


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Ja, den GUKs!)


das Angebot zu machen, in den mittleren Polizeivollzugs-
dienst zu gehen.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Machen Sie endlich ernst mit der Entlastung der Polizei-
vollzugsbeamten von polizeifremden Aufgaben und set-
zen Sie das Programm zur Umwandlung dieser Stellen in
Verwaltungsstellen um! Wir begrüßen, dass im Haushalt
doch das eine oder andere geschehen ist.

Herr Minister, Sie sollten nicht immer nur mit Zah-
len prahlen, sondern auch einmal hören, was Ihnen
vom Hauptpersonalrat und von den Gewerkschaften
gesagt wird. Die vorgenommenen Stellenanhebungen
reichen nicht aus, um ein weiteres Ausbluten durch die
Gefahr, dass die Mitarbeiter zu den Länderpolizeien
gehen, weil die Tätigkeit und die Besoldung im BGS
nicht mehr als attraktiv genug empfunden werden, zu
verhindern. Das alles sind Dinge, die Sie sich vorhal-
ten lassen müssen. Man sollte sich auch nicht so selbst-
gerecht vor das Parlament stellen und sagen, dass das,
was gemacht wurde, das Nonplusultra sei und es nichts
Besseres gebe.

Herr Wiefelspütz, ich habe es bedauert, dass Sie sich
mit keinem unserer Anträge – es handelte sich um sehr
substanzielle Anträge zum Thema BGS –


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


im Innenausschuss auch nur ein wenig – ich will es so sa-
gen – ernsthaft auseinander gesetzt haben.






(C)



(D)



(A)



(B)


Man muss auch einmal sagen, dass das ganze Haus-
haltsberatungsverfahren im Innenausschuss ein Skandal
war.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Sehr wahr! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Es war eine Zumutung!)


Es hat sehr lange gedauert, bis wir beratungsfähige Vor-
lagen erhalten haben, sodass sich die Kolleginnen und
Kollegen im Innenausschuss vor allem auch mit den Maß-
nahmen im Antiterrorpaket sachgerecht auseinander-
setzen konnten. Das war ein Skandal. Ich glaube, dass
man den notwendigen überparteilichen Konsens bei der
inneren Sicherheit nicht erreichen kann, wenn man sie als
geheime Kommandosache betreibt und Angst davor hat,
dass sich die Union zeitgerecht und substanziell mit Ihren
Vorschläge auseinandersetzt.

Ich will auch noch etwas zum Thema INPOL(neu) sa-
gen. Ich glaube, dass hier das Bild falsch ist, andere hätten
das auf den Zug gesetzt. Vor einem Jahr habe ich
– auch aufgrund von Hinweisen von Fachleuten; auch aus
den Ländern – in der Haushaltsdebatte auf die Probleme
bei INPOL (neu) hingewiesen. Lesen Sie einmal nach,
was Sie dazu gesagt haben! Sie haben es bagatellisiert.

Am 4.April dieses Jahres haben wir im Innenausschuss
darüber gesprochen. Sie haben auch dort so getan, als sei
alles in bester Ordnung. Wenn Sie schon bei dem Bild
bleiben wollen, dass andere dies auf den Zug gesetzt ha-
ben, dann muss ich sagen, dass Sie den Zug in den letzten
zwei Jahren schön weiter gewinkt und auf das falsche
Gleis haben fahren lassen. Sie haben die Notbremse nicht
rechtzeitig gezogen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie müssen sich vorwerfen lassen, dass Sie vor einem Jahr
Warnungen hier im Parlament während der Haushalts-
debatte überhaupt nicht beachtet haben.

Insgesamt gesehen wollen wir nicht verkennen, dass
einiges zur Stärkung der inneren Sicherheit auf den Weg
gebracht worden ist. Das Bild, das unser Kollege
„Charly“ von Hammerstein am Anfang gebraucht hat,
dass wir eine kräftige Brühe erwartet und nur eine Was-
sersuppe vorgesetzt bekommen haben, ist aber richtig.
Deshalb werden wir dem Haushalt nicht zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420312100
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen.
Zunächst kommen wir zum Einzelplan 06, Bundes-

ministerium des Innern, in der Ausschussfassung. Hierzu
liegen vier Änderungsanträge vor, über die wir zuerst ab-
stimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 14/7577? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist gegen die Stim-
men der FDP-Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion und der
PDS-Fraktion abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7580? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.

Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7583. Wer stimmt dafür? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Auch dieser Ände-
rungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion ab-
gelehnt.

Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/7593. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abge-
lehnt.

Schließlich und endlich kommen wir zur Abstimmung
über den Einzelplanung 06 in der Ausschussfassung. Wer
stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Einzelplan 06 ist gegen die Stimmen der CDU/CSU-
Fraktion, der FDP-Fraktion und der PDS-Fraktion ange-
nommen.

Wir kommen jetzt noch zur Abstimmung über den Ein-
zelplan 33, Versorgung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 33 ist gegen
die Stimmen der PDS-Fraktion angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 15 auf:
I. 15 Einzelplan 17

Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
– Drucksachen 14/7316, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Antje-Marie Steen
Dr. Michael Luther
Antje Hermenau
Jürgen Koppelin
Heidemarie Ehlert

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die

Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die
CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Dr. Michael Luther. –
Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die uns jetzt lei-
der verlassen müssen, dies relativ schnell zu tun, und die-
jenigen, die der Debatte weiter folgen, jetzt Platz zu neh-
men, damit Kollege Luther mit der entsprechenden
Aufmerksamkeit rechnen kann. Danke.

Herr Dr. Luther, bitte.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1420312200
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt der
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend ist bekanntermaßen ein Haushalt mit einem kleinen
Volumen. Trotzdem glaube ich, dass dieses Bundesmi-
nisterium eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe
hat. Es ist sozusagen das Gewissen für die Familien, die




Hartmut Koschyk

20013


(C)



(D)



(A)



(B)


Senioren, die Frauen und die Jugend. Deshalb muss man
fragen: Mit welchen Impulsen, mit welchen Initiativen
wird die Bundesministerin dieser Aufgabe gerecht? Fragt
man die Menschen im Land, dann wird man nicht viel er-
fahren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die kennen die Ministerin doch gar nicht!)


Ich möchte wetten, viele Menschen im Land wissen noch
nicht einmal, wie die Ministerin heißt.

Lassen Sie mich auf einige wenige Schwerpunkte ein-
gehen, die man im Haushalt trotzdem zu setzen versucht
hat. Als erstes komme ich zu dem Punkt, der mich beson-
ders bewegt – ich habe das auch in den Haushaltsberatun-
gen deutlich gemacht –: Das ist der Wunsch, insbesondere
den Rechtsradikalismus in den neuen Bundesländern
zu bekämpfen. Dieser Titel unterstellt, dass es Rechtsra-
dikalismus nur in den neuen Bundesländern gäbe. Das ist
schlecht für die neuen Bundesländer und zudem falsch.
Noch viel schlimmer ist, wie die Bundesministerin, wie
das Haus diesen Haushaltstitel im Deutschen Bundestag
begründet hat. Ich will das zitieren. Ich habe das schon in
Haushaltsausschuss gesagt.


(Dieter Dzewas [SPD]: Davon, dass Sie es wiederholen, wird es auch nicht besser!)


Das macht aber das Denken der Ministerin deutlich. Es
wird vom Fehlen jeglicher demokratischer Traditionen
auf dem Gebiet der neuen „Länder“ gesprochen – hier
denke ich an die Herbstrevolution und an die neue Volks-
kammer, die dann gewählt worden ist – oder von der
„vollkommen unbearbeiteten Geschichte des nationalso-
zialistischen Genozids an den Juden“. Im Geschichtsun-
terricht der DDR wurde sicherlich vieles unterlassen und
vieles falsch gesagt; man kann aber nicht behaupten, dass
über den Nationalsozialismus nicht geredet worden sei.

Noch viel schlimmer ist eine andere Unterstellung. In
dem Papier des Ministeriums wird behauptet, dass es
„strukturell äußerst fremdenfeindliche Verhältnisse in der
DDR“ und damit in der Fortsetzung dieses Gedankens
jetzt in den neuen Bundesländern gäbe. Man stelle sich
das einmal vor und lasse sich das auf der Zunge zergehen!
Wenn in der Öffentlichkeit von „strukturell äußerst frem-
denfeindlichen Verhältnissen“ geredet wird und wenn ich
dort das zu erwarten habe, was die Bundesministerin
denkt, welche Investoren will ich dann noch in die neuen
Bundesländer bewegen?

Sie haben dieses Papier in den Haushaltsberatungen,
Gott sei Dank, zurückgezogen. Eigentlich hätten Sie aber
anders reagieren müssen. Sie hätten nicht nur das Papier
zurückziehen müssen, Sie hätten auch diesen Haushalts-
titel zurückziehen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich empfehle Ihnen, einmal eine Analyse über dieses

Thema zu lesen. In der Beilage zur Wochenzeitung „Das
Parlament“ vom 9. November 2001 – wenn Sie das nicht
haben sollten, kann ich es Ihnen gerne geben – ist ein Bei-
trag vonWalter Friedrich zu lesen. Er hat sehr deutlich ana-
lysiert, dass es eben nicht an der DDR lag, dass wir heute
strukturelle Probleme auf diesem Gebiet haben, sondern

dass es am Strukturwandlungsprozess liegt, der nach dem
Zusammenbruch der DDR, nach der friedlichen Herbstre-
volution, unvermeidlich war. Das bedeutet, dass man mit
anderenMaßnahmen reagierenmuss, wennman demPhä-
nomen etwas entgegensetzen will. Die logische Schluss-
folgerung einer solchen Analyse wäre nämlich, dass man
viel mehr tun müsste, um denAufbau Ost voranzubringen
und die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Machen wir doch!)

Sie als Bundesregierung unternehmen etwas gegen Ju-

gendarbeitslosigkeit. Sie zahlen nämlich eine Abwande-
rungsprämie für junge Menschen, die dann Arbeit in den
alten Bundesländern finden sollen, und verstärken gleich-
zeitig – aber das haben Sie vielleicht noch gar nicht ge-
merkt – die strukturellen Probleme, die Sie selber bekla-
gen. Sie machen genau das Falsche. Zum Schluss
bezeichnen Sie noch mit Ihrer Aussage, dass Sie den
Rechtsradikalismus in den neuen Bundesländern bekämp-
fen wollen, die neuen Bundesländer generell als rechts-
radikal.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit hat die Ministerin ihren Beitrag geleistet, um

von einem Aufschwung Ost zu einem Abschwung Ost zu
kommen. Zumindest das ist dieser Bundesregierung ge-
lungen. Als Lobbyist für die Jugend in den neuen Bun-
desländern haben Sie demzufolge völlig versagt.

Zweites Thema: Deutsch-Polnisches Jugendwerk.
Auch dies liegt mir besonders am Herzen.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Uns auch!)

Die Aussöhnung von Deutschen und Polen ist ein Thema,
das 40 Jahre lang nicht behandelt worden ist. Diese ist
jetzt auf den Weg gebracht worden. Das Deutsch-Franzö-
sische Jugendwerk hat hier Vorbildliches geleistet, dient
als Vorbild und sollte auf das Deutsch-Polnische Jugend-
werk übertragen werden.

Aber: Der Bundeskanzler hat am 18. Juni dieses Jahres
zugesagt, dass die Bundesregierung 1 Million DM mehr
für das Deutsch-Polnische Jugendwerk ausgeben will.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Das machen wir auch!)


Im Haushaltsentwurf war diese Million nicht zu finden.

(Dieter Dzewas [SPD]: Worüber sprechen wir denn jetzt?)

Dann hat uns der polnische Botschafter, Dr. Kranz, in ei-
nem Brandbrief seine Sorge darüber zum Ausdruck ge-
bracht, ob man sich an diese Zusage nicht erinnert, und
mitgeteilt, die Polen hätten ihre Hausaufgaben gemacht
und 6,3 Millionen DM bereitgestellt.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Darum geht es doch gar nicht! Das wissen Sie doch auch!)


Erst in der Haushaltsberatung ist die Zusage erfüllt wor-
den. Gleichzeitig aber haben Sie den Haushaltstitel quali-
fiziert gesperrt.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Sie wissen auch, warum!)


Da frage ich mich, was das soll.




Dr. Michael Luther
20014


(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn Sie gerade in dieser Frage Vertrauen fördern
wollen, dürfen Sie nicht hingehen, die Zusage, die der
Bundeskanzler – wahrscheinlich ohne Rücksprache mit
den Haushältern – in Polen gemacht hat, erfüllen und
gleichzeitig den Titel sperren. Wie soll da eine ernsthafte
Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerks stattfinden?
Ich meine, dass die Bundesministerin auch hier ihre Auf-
gabe nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt noch mehr Dinge, die ich als Haushälter an-

sprechen kann, so das Sprachkonzept für Zuwanderer.
Das für dieses Jahr zugesagte Sprachkonzept kommt die-
ses Jahr nicht zustande. Das ist wieder eine verpasste
Chance.

Ein weiteres Thema ist, dass der Zuschuss für die Be-
treuung von Spätaussiedlern, organisiert über Wohlfahrts-
verbände, Vertriebenenverbände usw., zurückgeht. Dies
sind wichtige Punkte, die notwendig sind, um die Inte-
gration – ein wichtiges Ziel in unserem Land – zu verbes-
sern. An diesen Punkten setzen Sie programmatisch keine
Schwerpunkte.

Das letzte Thema, das ich aus meiner Sicht ansprechen
möchte, ist das Erziehungsgeld. Ich möchte Ihnen sagen,
was der Reihe nach passiert ist: Der Haushaltsansatz be-
lief sich auf 3,52 Milliarden Euro. In der Einzelplanbera-
tung wurden 62Millionen Euro weniger eingestellt. Dann
gab es noch eine Bereinigungsvorlage, mit der nochmals
3,7 Millionen Euro weniger eingestellt wurden. Was
schließe ich daraus?


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dass weniger Kinder geboren werden!)


– Innerhalb von wenigen Wochen kommen Sie zu diesen
Erkenntnissen? Denn dies ist alles in wenigen Wochen
passiert.

In den Haushaltsberatungen frage ich: Haben Sie über-
haupt einmal Ihr Haushaltsreferat gefragt, ob es überhaupt
in der Lage ist, einen vernünftigen Haushalt aufzustellen.
Schließlich wollten Sie es zweimal ändern. Auf der ande-
ren Seite sind dadurch 62 Millionen Euro frei geworden.
Sie müssen ja auch die Programme, so zum Beispiel zur
Bekämpfung des Rechtsradikalismus, finanzieren. Dieses
Geld ist dann dort eingestellt worden. Ist es etwa als eine
Finanzierungsreserve begriffen worden, um letztendlich
Ihre Spielwiesen an Programmen finanzieren zu helfen,


(Dieter Dzewas [SPD]: „Spielwiese“ ist vielleicht nicht angemessen! Damit hat es wenig zu tun!)


um Ihre Klientel, die Sie im Wahljahr 2002 beruhigen
wollen, entsprechend beruhigen zu können? Das ist die
Frage, die ich an dieser Stelle in den Raum stellen möchte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundesminis-
terium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sollte für
diese Gruppen eintreten, sollte Initiativen ergreifen, um
letztendlich das gesellschaftspolitische Gewissen dar-
zustellen. Der Haushalt 2002 tut dies nicht. Wir können
dem Haushalt nicht zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420312300
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Antje-Marie Steen.


Antje-Marie Steen (SPD):
Rede ID: ID1420312400
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Luther, in gewohnter
gemeinsamer Arbeit, die wir geleistet haben, werde ich
Ihnen zu Ihren einzelnen Fragen, die Sie gestellt haben,
im Laufe meiner Rede Antwort geben.

Mit dem Entwurf des Einzelplans 17 für das Haus-
haltsjahr 2002 setzen wir auch im dritten Jahr unserer Re-
gierungsverantwortung den Haushaltskonsolidierungs-
kurs, aber auch den Abbau des Reformstaus fort, den wir
bei der Regierungsübernahme vorgefunden haben.


(Beifall bei der SPD – Ina Lenke [FDP]: Sie bauen da etwas auf, nicht ab!)


Besonders der Bereich der Familien-, Frauen- und Ju-
gendpolitik war durch Stillstand und Mittelkürzung ge-
prägt. Wir messen der Familienpolitik einen zentralen
Stellenwert in der Gesellschaft bei.


(Ina Lenke [FDP]: Wir auch!)

und wir handeln danach. So sehen wir im Jahr 2002 im
Rahmen der Familienförderung eine Steuersenkung von
2,5 Milliarden Euro vor, die Familien mit Kindern weiter
entlasten wird.


(Ina Lenke [FDP]: Mit Gegenfinanzierung!)

Die familienpolitischen Leistungen finden nicht nur

im Einzelplan 17 Ausdruck, sondern – daran möchte ich
Sie erinnern – haben zusätzlich durch das Familienleis-
tungsgesetz, die Neufassung der Elternzeit, die deutliche
Erhöhung des Kindergeldes, die bessere Berücksichti-
gung von Erziehungszeiten bei der Rente, die BAföG-
Aufstockung


(Ina Lenke [FDP]: BAföG aufstocken und weniger Freibeträge für Studenten! Geben und nehmen!)


und die Wohngeldregelung einen wesentlichen Sprung
nach vorn gemacht. Allein die steuerlichen Auswirkungen
familienpolitischer Maßnahmen werden in 2002 insge-
samt 52,3 Milliarden Euro für die Familienförderung aus-
machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zur Erinnerung: 1997 waren es gerade einmal 39 Mil-
liarden Euro.


(Ina Lenke [FDP]: Sie sollten sich von Ihrem Referenten nicht so einseitig informieren lassen!)


Seit ihrem Antritt im Jahre 1998 wird die rot-grüne Bun-
desregierung die familienpolitischen Leistungen und
Steuerleichterungen bis zum Jahr 2002 somit um rund
12,3 Milliarden Euro erhöht haben. Wir verbessern
Rahmenbedingungen, anstatt den Deckmantel eines, wie
Sie es gerne wollen, CDU-Familiengeldes auszubreiten.
Damit machen Sie es sich wirklich zu einfach, liebe Kol-
leginnen und Kollegen der CDU. Uns fehlen Ihre




Dr. Michael Luther

20015


(C)



(D)



(A)



(B)


Deckungsvorschläge, wie die Ausgaben in Höhe von circa
30,7 Milliarden Euro finanziert werden sollen. Oder wol-
len Sie weiter das von Ihnen praktizierte Verfahren der
Neuverschuldung ausweiten?


(Dieter Dzewas [SPD]: Schulden machen! So ist das bei denen!)


Wir als Koalition bleiben besser bei unserer Familienför-
derung, die bereits heute für die Familien wirksam wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für uns ist eine Politik der sozialen Ausgewogenheit
wichtig. Diese spiegelt sich besonders in Kap. 1702, also
den Allgemeinen Bewilligungen, wider. Umso erfreuli-
cher ist es, dass hier keine Einschnitte erfolgten und dass
es insgesamt sogar zu einer wesentlichen Schwerpunkt-
setzung durch Umschichtungen in Höhe von 35 Milli-
onen Euro kam. Hinter diesem Titel stehen die Politikbe-
reiche, die man zu Recht als ein rot-grünes Herzstück
bezeichnen kann: eine zukunftsorientierte Politik für die
Jugendlichen, eine Politik zur Entlastung der Familien,
eine moderne Gleichstellungspolitik


(Ina Lenke [FDP]: Was Sie so modern nennen!)


und eine Politik, die die Zivilgesellschaft stärkt.
Der ursprüngliche Ansatz für das Erziehungsgeld in

2002 – Herr Dr. Luther hat das eben schon gesagt – wird
trotz verbesserter Voraussetzungen, die wir bereits im
letzten Jahr geschaffen haben, für den Bezug von Erzie-
hungsgeld nicht voll ausgeschöpft werden, weil unter an-
derem die Geburtenrate weiter rückläufig ist.


(Ina Lenke [FDP]: Woran liegt denn das? – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Am Bundeskanzler!)


– Ich will es Ihnen gerne erklären.

(Ina Lenke [FDP]: In Frankreich gibt es einen Babyboom!)

Das verdeutlicht, dass nicht nur finanzielle Anreize für die
Lebensplanung junger Familien vorrangig sind, sondern
insgesamt soziale und gesellschaftliche Verbesserungen
erforderlich werden, um ihnen die Entscheidung für Kin-
der zu erleichtern.


(Beifall bei der SPD)

Benachteiligt sind Familien in der Vereinbarkeit von

Beruf undKindererziehungnachwie vor durch dengroßen
Fehlbedarf an ganztätigen Betreuungsangeboten wie Kin-
dergärten, Horten, Krippen oder Ganztagsschulen.


(Ina Lenke [FDP]: Aha!)

Es bleibt aber im Verantwortungsbereich der Länder, für
eine bessere Infrastruktur bei den Betreuungsangeboten
zu sorgen.


(Beifall bei der SPD)

Die Bundesregierung nimmt Jugendliche als Partner

ernst. Das verdeutlicht sie mit dem Regierungsprogramm

„Chancen im Wandel“ und der „Bundesinitiative Beteili-
gungsbewegung“. Mit dem ressortübergreifenden Zehn-
punkteprogramm verpflichtet sich die Bundesregierung
zu einer aktiveren Jugendpolitik. Das hätte ich mir in den
vergangenen Jahren von Ihnen gewünscht.


(Beifall bei der SPD)

Zu Recht kann man sagen, dass dieser Haushaltsentwurf
im Zeichen der Jugend steht. So erfährt gerade die Titel-
gruppe im Bereich der Jugendpolitik für 2002 eine deut-
liche Erhöhung von 56,5Millionen Euro gegenüber 2001.
Das sind für das ganze Kapitel insgesamt 23,7 Prozent
mehr. Ich denke, das ist eine Leistung, die sich sehen las-
sen kann. Wir haben auch die entsprechende Motivation,
diese Leistung deutlich zu machen.

Bereits für 2001 haben wir angesichts des er-
schreckend anwachsenden Potenzials gewaltbereiter und
fremdenfeindlich gesinnter Jugendlicher ein Sonder-
programm gegen Gewalt und Rechtsextremismus aus
Sondermitteln aufgelegt. Der vorliegende Entwurf enthält
jetzt einen eigenen Titel in Höhe von 10 Millionen Euro,
um das ursprünglich nur einjährig ausgelegte Programm
„Jugend für Demokratie und Toleranz“ zu verstetigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Außerdem können in Zukunft aus diesem Titel auch klei-
nere lokale Netzwerke gefördert werden.

Ähnlich erfolgreich erwiesen sich die Modellprojekte
„Civitas-Initiativen gegen Rechtsextremismus und für die
Beratung von Opfern rechtsextremer Gewalttaten in den
neuen Bundesländern“. Herr Kollege Luther, entgegen Ih-
rer Kritik, ein Programm extra nur für die neuen Bundes-
länder würde eine Negativwirkung auslösen und die
neuen Länder stigmatisieren, sind die Mittel aus diesen
Programmen sehr schnell abgeflossen und umgesetzt
worden. Civitas hat sich besonders auf die Stärkung der
zivilgesellschaftlichen Strukturen im Gemeinwesen kon-
zentriert. Das können wir alle doch nur begrüßen. Um der
großen Nachfrage Rechnung zu tragen und die Fortset-
zung der Maßnahmen zu sichern, wird der Ansatz für
diese beiden Programme um jeweils 2,5 Millionen Euro
erhöht, damit also verdoppelt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unberührt kann uns nicht lassen, dass noch immer eine
starke Abwanderung von Jugendlichen aus den neuen
Bundesländern stattfindet. Diese Entwicklung stellt viele
Regionen in Ostdeutschland vor große Probleme. Wir
möchten mit dem Wettbewerb „Jugend bleibt!“ zu einer
Ideenbörse anregen, wie größere Chancen für die Jugend-
lichen vor Ort hinsichtlich der Verbesserung der Attrak-
tivität ihrer Region entwickelt werden können. Wir
versprechen Jugendlichen zwar keine blühenden Land-
schaften. Aber wir wollen sie ermuntern, zusammen mit
Wirtschaft und Politik vor Ort neue Perspektiven zu
entwickeln.

Nicht nur neue Modelle und Projekte stehen auf unse-
rer Agenda, sondern auch die Verstetigung und Eva-
luierung erfolgreicher Maßnahmen. Zu diesen gehört das




Antje-Marie Steen
20016


(C)



(D)



(A)



(B)


Programm „Entwicklung und Chancen junger Menschen
in sozialen Brennpunkten in Städten und ländlichen Räu-
men“, dessen Ansatz von 1,5Millionen Euro auf 11,5Mil-
lionen Euro erhöht wird. Es werden also 10 Millionen
Euro draufgelegt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es lohnt sich, die Bilanz der bisherigen Maßnahmen, die
aus diesem Programm finanziert werden, anzusehen. Uns
ist es als Koalition allerdings wichtig, dass zu den bereits
bestehenden Maßnahmen neue und zusätzliche Angebote
gemacht werden können, die bisher nicht im Maßnah-
menkatalog waren.

Außerordentlich erfreulich ist, denke ich, das große
Engagement junger Menschen im Rahmen der Freiwilli-
gendienste. Mit der angestrebten Novellierung der ge-
setzlichen Bestimmungen für die Freiwilligendienste sol-
len die Einsatzfelder für das freiwillige soziale Jahr und
das freiwillige ökologische Jahr neu geregelt und um zu-
sätzliche Bereiche wie zum Beispiel Kultur, Sport und
Denkmalpflege erweitert werden. Zusätzlich spielen die
Flexibilisierung der Dauer des Dienstes, die Ausweitung
auch auf das außereuropäische Ausland und die Änderung
des Mindestalters sowie die Ausstellung eines Zeugnisses
mit Aufnahme berufsqualifizierender Elemente eine
große Rolle. Im Haushalt 2002 sind die Haushaltsmittel
von 11,1Millionen Euro um 5Millionen Euro aufgestockt
worden, damit auch auf die zu erwartende erhöhte Nach-
frage reagiert werden kann.

Nachdem wir bereits in den Vorjahren im Zivildienst
eine Verkürzung der Dienstzeit auf zehn Monate und eine
Angleichung des Soldes für die Zivildienstleistenden vor-
genommen haben, scheint mir die Öffnung bzw. die
mögliche Verzahnung der Zivildienstableistung bei Frei-
willigendiensten interessant und auch ein Angebot an die-
jenigen zu sein, die Zivildienst leisten wollen. Anstelle
des Zivildienstes können also anerkannte Kriegsdienst-
verweigerer auch ein freiwilliges soziales oder ein ökolo-
gisches Jahr neuerer Prägung ableisten.


(Ina Lenke [FDP]: Das kommt aber gerade noch rechtzeitig und auch nur abgespeckt!)


Ich begrüße das sehr, da sich damit das Aufgabenspek-
trum für jüngere engagierte Menschen deutlich erweitert.

Nur wer die Sprache beherrscht, kann als Aussiedler,
Ausländer, Flüchtling oder Asylsuchender in der Gesell-
schaft Fuß fassen. Ich freue mich, dass die Diskussion
über das Sprachkonzept abgeschlossen ist und es sich
auf dem Wege der Umsetzung befindet. Mit der Neu-
strukturierung der Sprachförderung, die den individuellen
Bedarf in den Mittelpunkt stellt, werden wir ab 2003 ei-
ner größeren Nachfrage nach dem Erwerb der deutschen
Sprache nachkommen können. Wir gehen davon aus, dass
bis zu diesem Zeitpunkt auch das neue Zuwanderungsge-
setz greifen wird, sodass das reformierte Sprachkonzept
ein wichtiger Baustein in einem umfassenden Integrati-
onskonzept sein kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um besondere Elemente aus diesem Gesamtkonzept
schon im Jahre 2002 modellhaft erproben zu können, stel-
len wir für dieses Haushaltsjahr zusätzlich 5 Millio-
nen Euro zu den bisherigen Haushaltsmitteln von
141,6 Millionen Euro ein.

Neben dem Spracherwerb sollen aber auch sozial-
pädagogische Begleitung und Hilfestellung angeboten
werden, um den Erfolg des Integrationsprozesses zu er-
höhen. Selbstverständlich gehört für uns auch eineKinder-
betreuung während der Teilnahme an Sprachkursen dazu.

Im Interesse eines zusammenwachsenden Europas
sind der Austausch und das gegenseitige Kennenlernen
der Kinder und Jugendlichen über die Grenzen hinweg ein
unschätzbarer Faktor.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Arbeit zum Beispiel der Jugendwerke mit Frank-
reich und Polen, aber auch andere Formen multinationa-
ler Begegnung sind unverzichtbare Elemente auf dem
Weg zur Völkerverständigung.


(Klaus Haupt [FDP]: Richtig!)

Exemplarisch verbinden wir mit dem Haushalt 2002 die-
sen europäischen Gedanken ganz nachdrücklich durch
eine Verstärkung der Mittel für das Deutsch-Polnische Ju-
gendwerk um insgesamt 500 000 Euro im Vergleich zu
2001. Ich hoffe, dass der Kollege Dr. Luther nun beruhigt
ist, dass wir hier keine Kürzung vornehmen. Zu den Haus-
haltsvermerken möchte ich mich nicht äußern. Sie kennen
den Grund dafür genau. Das hat nichts damit zu tun, dass
die Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes einge-
schränkt oder in ihrem Wert gemindert werden soll.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden nicht nur
über Gleichstellung und Chancengleichheit von Män-
nern und Frauen, sondern wir haben mit dem Gleich-
stellungsdurchsetzungsgesetz im öffentlichen Dienst und
dem Betriebsverfassungsgesetz wesentliche Maßnahmen
in der Frauen- und Familienpolitik in Angriff genommen.


(Ina Lenke [FDP]: Das war der Fehler!)

Mit der Vereinbarung über Chancengleichheit, die die
Bundesregierung am 2. Juli mit den Spitzenverbänden der
deutschen Wirtschaft getroffen hat, haben wir eine gute
Arbeitsgrundlage, um bessere gleichstellungspolitische,
aber auch familienfreundliche Rahmenbedingungen in
der Privatwirtschaft zu schaffen. Sie sieht die Formulie-
rung verbindlicher und überprüfbarer Zielsetzungen zur
Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor. Die SPD-Frak-
tion und sicherlich auch die Fraktion der Grünen wird sehr
genau prüfen, ob die Eigeninitiative der Privatwirtschaft
ausreicht. Anderenfalls behalten wir uns vor, eine gesetz-
liche Regelung vorzulegen.


(Beifall bei der SPD – Ina Lenke [FDP]: Das wollten Sie schon in diesem Jahr!)


LiebeKolleginnen undKollegen, dies ist der letzte Ent-
wurf des Einzelplans 17, den ich Ihnen als Hauptbericht-
erstatterin heute vorlege und zur Beschlussfassung emp-




Antje-Marie Steen

20017


(C)



(D)



(A)



(B)


fehle. Ich werde dem nächsten Bundestag nicht mehr an-
gehören. Deshalb möchte ich die Gelegenheit zu einem
Dank nutzen. Zunächst danke ich meinen Kolleginnen
und Kollegen Mitberichterstattern für die gute und kon-
struktive Zusammenarbeit. In diesen Dank schließe ich
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums
ein, besonders aber „mein“ Haushaltsressort unter der be-
währten Leitung von Herrn Nücken. Sie alle haben mir
meine Aufgabe erleichtert – eine Aufgabe, in deren Mit-
telpunkt die Familie als Kern desGemeinwesens steht und
die für meine politische Arbeit immer ganz wichtig war.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im ganzen Hause)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420312500
Wir hoffen aber alle,
dass dies noch nicht Ihre letze Rede war, sondern dass wir
Sie hier noch einige Male hören können.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Das war meine letzte Rede zu einem Haushaltsentwurf!)


Jetzt spricht die Kollegin Ina Lenke für die FDP-Frak-
tion.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1420312600
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Wir beraten, wie Frau Steen gesagt hat, zum
letzten Mal von dieser Regierung den Einzelplan 17 des
Familien- und Frauenministeriums.


(Beifall bei der FDP – Antje-Marie Steen [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!)


Gemessen an den großartigen Ankündigungen von 1998,
als Frau Steen den ersten Haushalt eingebracht hatte, ha-
ben Sie drei Jahre lang kleine Brötchen gebacken. Wie
schön Sie das Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft
verpackt haben, zeigt, dass Sie aus der Mücke einen Ele-
fanten gemacht und dasDefizit zumErfolg hochgelobt ha-
ben. Wer sich da auskennt, weiß, dass das ganz anders ist.


(Beifall bei der FDP – Irmingard ScheweGerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir warten noch auf die Unterstützung der FDP!)


Meine Damen und Herren, in der Frauenpolitik haben
Sie Gesetze produziert, besonders neue Schutzgesetze für
Frauen. Ich sage Ihnen: Das sind Bumerang-Gesetze,


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Denen hat die FDP zugestimmt!)


die den Frauen mehr Schaden als Nutzen bringen werden:
Das Gesetz zum Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit wird
zur Folge haben, dass bei der Einstellung künftig Männer
bevorzugt werden, da sie in geringerem Maße als junge
Frauen nach einem halben Jahr Anstellung Teilzeit in An-
spruch nehmen. Der heutige Kommentar in der „Frank-
furter Allgemeinen Zeitung“ zeigt die Richtung auf und
belegt, dass dieses Gesetz wie ein Bumerang wirken wird.

Auch die Senkung des Schwellenwertes beim Kündi-
gungsschutz ist ein Einstellungshindernis besonders in
kleinen Betrieben.


(Klaus Haupt [FDP]: Richtig!)


Wer mehr als fünf Mitarbeiter einstellt, muss sich bei
Kündigungen vom Staat hineinreden lassen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


– Natürlich, das ist eine frauen- und familienpolitische
Debatte. Genau um die Vereinbarkeit von Familie und Be-
ruf geht es.


(Beifall bei der FDP)

Ich sage Ihnen: Junge, qualifizierte Frauen wollen

keine Schutzzäune, die sie letztlich davon ausgrenzen,
dass sich der Unternehmer dafür entscheidet, sie einzu-
stellen.


(Beifall bei der FDP)

Erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik für Frauen zielt auf
einen deregulierten Arbeitsmarkt und eine liberale Mittel-
standspolitik, die Lust auf Personaleinstellungen macht.

Rot-Grün hat uns in Europa hinsichtlich des Wirt-
schaftswachstums auf einen der letzten Plätze verwiesen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Auf den letzten Platz!)


Die Arbeitslosenrate steigt. Auch Sie sagen doch, dass die
Leidtragenden höherer Arbeitslosigkeit die Frauen sind.
Hier liegen die großen Versäumnisse der rot-grünen Re-
gierung.


(Zuruf von der SPD: Wie war es denn 1998?)

Sie verkünden einen neuen Aufbruch in der Frauenpolitik.
Durch diese Bumeranggesetze haben Sie meines Erach-
tens eine Bauchlandung geschafft.


(Beifall bei der FDP)

Besonders schön hat der Bundeskanzler die Wichtig-

keit Ihres Ressorts in dieser Koalitionsregierung auf den
Punkt gebracht.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ach so, Sie wollen nicht hören, was der Bundeskanzler
auf dem Parteitag gesagt hat? Ich kann es Ihnen gern vor-
tragen.

Während Sie, Frau Bergmann, Gender Mainstrea-
ming zum Durchbruch verhelfen wollen, erklärt Ihr Bun-
deskanzler mal so nebenher, wie es geht. In aller Ruhe
führt er auf Ihrem Parteitag aus, dass er Gender
Mainstreaming als Begriff doch etwas sperrig finde. Da-
mit erteilt er Ihren politischen Vorstellungen meines Er-
achtens eine Generalabsage. Das macht er im frauenpoli-
tischen Bereich besonders gern. Hat er nicht einmal von
„Familienpolitik und sonstigem Gedöns“ gesprochen? In-
sofern haben Sie bei Ihrem Kanzler noch Nachholbedarf.

Meine Damen und Herren, wegen des Bundesverfas-
sungsgerichtsurteils von 1998 mussten Sie nachlegen.


(Dieter Dzewas [SPD]: Das stimmt nachweislich nicht! Das ist unglaublich!)


Sie haben das nicht freiwillig gemacht. Sie blieben aber
für Familien an der unteren Grenze. Es kam noch besser.




Antje-Marie Steen
20018


(C)



(D)



(A)



(B)


Das zweite Familienfördergesetz, von dem Sie so lobend
gesprochen haben, hat eine Kindergelderhöhung von
30 DM gebracht, die die Familien auch noch selbst finan-
zieren mussten, denn es hat Umschichtungen von Familie
zu Familie je nach deren Struktur gegeben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Den Familien wurde der Haushaltsfreibetrag für Allein-
erziehende gestrichen. Ebenso wurden ordentliche sozial-
versicherungspflichtige Arbeitsplätze im Haushalt durch
die Streichung des ach so beschimpfenswerten Dienst-
mädchenprivilegs gestrichen. Ebenso haben Sie den Aus-
bildungsfreibetrag für Kinder, die auswärts studieren, zu-
sammengestrichen.

Ihre Familienpolitik, wie sie sich in diesem und in an-
deren Gesetzen niederschlägt, ist nur ein Verschiebebahn-
hof. Wenn Sie sich den Leitantrag der SPD zu ihrem Par-
teitag richtig durchlesen, dann erkennen Sie, dass Sie
zum Bereich der Kinderbetreuung keine Aussage getrof-
fen haben. Hier höre ich von Frau Steen, dass Sie das al-
les auf die Kommunen und auf die Länder abschieben.


(Zuruf von der SPD)

– Sicher sind Sie dafür zuständig. Aber Frau Bergmann
hat zu Beginn der Legislaturperiode versprochen, dass sie
auf diesem Gebiet etwas tun wird. Diese Zusage hat sie
nicht eingehalten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich will noch einmal kurz auf die Grünen eingehen. Ich

muss ihnen ein Lob zollen. Auf dem Parteitag der SPD ist
die Familienpolitik ein bisschen nach hinten gerückt
worden.


(Christel Humme [SPD]: Das stimmt nicht!)

Im krassen Gegensatz dazu steht der Koalitionspartner.
Die Grünen hatten auch gerade einen Parteitag. Sie hatten
mehr mit dem Umfallen zu tun, als dass sie etwas für die
Familienpolitik tun konnten.


(Dieter Dzewas [SPD]: Meine Güte!)

Das war kein Thema auf deren Parteitag.

Meine Damen und Herren, ich will noch etwas zu un-
seren Vorstellungen von Vereinbarkeit von Familie und
Beruf sagen.


(Christel Humme [SPD]: Jetzt warte ich auf die Vorstellungen der FDP!)


Wir sehen diese als zentrales Ziel liberaler Frauen- und
Familienpolitik an. Das allerwichtigste sind Angebote an
flexibleren staatlichen und privaten Kinderbetreu-
ungsmöglichkeiten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In dieser Hinsicht haben Sie in dieser Legislaturperiode
nichts unternommen. Wir haben unsere Forderungen in
den von uns in dieser Zeit eingebrachten Anträgen deut-
lich gemacht.

Ich komme nun zum Thema Zivildienst, der mir im-
mer ein Anliegen war. Sie schrecken auch beim Zivil-

dienst vor sozialen Ungerechtigkeiten nicht zurück. Die
Ansprüche der Zivildienstleistenden in der Rentenversi-
cherung haben Sie gekürzt. Sie haben auch das Weih-
nachtsgeld für die Zivildienstleistenden, die ja länger die-
nen – das wissen Sie ganz genau –, gekürzt.


(Dieter Dzewas [SPD]: Die Dienstzeit haben wir auch verkürzt!)


Sie haben es versäumt, die Öffentlichkeit darauf auf-
merksam zu machen, dass es beim Zivildienst eine Ableis-
tung in Teilen gibt, nämlich sieben plus drei Monate. Da-
von habe ich von dieser Regierung und auch von den
Regierungsfraktionen nichts gehört.

Eine Ihrer schwerwiegendsten Fehlleistungen dieser
Legislaturperiode ist für mich, dass ein Gesamtkonzept
für die Freiwilligendienste – ich meine nicht die abge-
speckte Version, die Sie in der nächsten oder übernächsten
Woche vorlegen werden – fehlt.

Es ist schon ein Hammer – das ist das Zweite –, eine
Greencard für Pflegekräfte einzuführen, statt ein nach-
haltiges Zukunftskonzept in diesem Bereich zu ent-
wickeln.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Das ist eine blamable Antwort auf das Erfordernis von
Konzepten, die wir in einer alternden Gesellschaft von ei-
ner Bundesregierung erwarten.

Ich hätte gern noch etwas zu der Integration auslän-
discher Jugendlicher gesagt. Ich hätte gern noch etwas
zum deutsch-russischen Jugendwerk gesagt. Für all das
setzt sich mein Kollege Haupt ein.


(Klaus Haupt [FDP]: Mit heißem Herzen!)

Aber eines will ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, noch sagen: Wir wollen uns für Frauen- und Famili-
enpolitik in der Bundesrepublik einsetzen – aber mit libe-
ralen Konzepten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420312700
Nächster Redner ist
der Kollege Christian Simmert für die Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen.


Christian Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420312800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liberale Konzepte zur Förderung von Frauen
auf dem Arbeitsmarkt lassen sich weder durch das Lust-
prinzip, wie Sie das gerade genannt haben, noch durch ei-
nen deregulierten Arbeitsmarkt realisieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Realisieren lassen sie sich so, wie die Bundesregierung es
tut, nämlich durch eine kluge und sehr gut überlegte
Steuerung, wie das zum Beispiel im Bereich der Teilzeit-
arbeit oder auch in anderen Bereichen geschieht. – Das
nur zu dem Punkt von Ihnen, Frau Lenke.




Ina Lenke

20019


(C)



(D)



(A)



(B)


Was die Erhöhung des Kindergeldes angeht – 80 DM
in dieser Legislaturperiode –, so sind die Leistungen der
Bundesregierung erheblich. Das sollten auch Sie von der
FDP zur Kenntnis nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Aber nur für die ersten beiden Kinder! – Ina Lenke [FDP]: Sagen Sie was zum Zivildienst, den Sie abschaffen wollten, und zur Wehrpflicht!)


Wir haben im Bereich der Jugend- und Familienpolitik
über die Erhöhung einiger Ansätze klare Akzente gesetzt.
Ziel dieser Politik ist aus grüner Sicht eine eindeutige
Stärkung der Zivilgesellschaft.

Die „Berliner Zeitung“ hat im Juli dieses Jahres von
186 rassistischen Vorfällen und Übergriffen an Branden-
burger Schulen berichtet. Das ist alarmierend. Hier zeigt
sich, dass Rechtsextremismus und Rassismus nicht
durchgängig die konsequente Ablehnung erfahren, die
notwendig wäre. Wir müssen erkennen, dass es nicht aus-
reicht, die bessere Argumentation zu haben. Einfache Lö-
sungen oder Patentrezepte gegen diese gefährliche gesell-
schaftliche Entwicklung gibt es nicht. Hier sind vielmehr
kontinuierliches Engagement der Gesellschaft und auch
eine Fortsetzung der Anstrengungen gefragt, die die Bun-
desregierung im letzten Sommer begonnen hat. Es sind
gerade die kleinen Initiativen und Projekte vor Ort, die
konkrete erfolgreiche Arbeit gegen Rechtsextremismus
leisten. Sie werden durch das Programm „Civitas“
zukünftig mit 2,5 Millionen Euro mehr gefördert. Ich bin
froh darüber, dass die Bundesregierung hier einen klaren
Weg gefunden hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dass die Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten
besondere Hilfe benötigen, versteht sich von selbst. Des-
halb wird der Etat für die Beratung und Betreuung dieser
Menschen auch um 2,5 Millionen Euro erhöht.

Die rot-grüne Bundesregierung sieht sich darüber hi-
naus in der Pflicht, weitere Maßnahmen gegen Gewalt
und Rechtsextremismus zu finanzieren. Dafür stehen
10 Millionen Euro zur Verfügung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser konkrete Ein-
satz der Bundesregierung zeigt, dass wir für die demokra-
tischen Grundlagen unserer Gesellschaft einstehen. Es
gehört zu den Aufgaben der Politik, Minderheiten zu
schützen und den gleichberechtigten, respektvollen Um-
gang mit allen Menschen zu sichern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Hierzu gehört für Bündnis 90/Die Grünen auch die
Förderung der Integration junger Zuwanderinnen und
Zuwanderer. Nachdem in dieser Legislaturperiode nun
endlich – hoffentlich – klargestellt wird, dass Deutschland
ein Einwanderungsland ist, muss aus unserer Sicht auch
der Bereich der Integration verstärkt Berücksichtigung
finden. Dem kommt die Bundesregierung nach. Wir stel-
len für jugendliche Migrantinnen und Migranten 5Millio-

nen Euro zusätzlich zur Verfügung. Damit hier keine
Missverständnisse aufkommen: Die Maßnahmen zur
Sprachförderung werden vom Bundesministerium für Ar-
beit und Soziales mit circa 44 Millionen Euro zusätzlich
finanziert.


(Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Das ist das schlechte Gewissen!)


Stärkung der Zivilgesellschaft bedeutet aus grüner
Sicht aber auch Stärkung des freiwilligen Engagements,
gerade von jungen Menschen. Engagement in der Gesell-
schaft ist der soziale Kick der Demokratie. Mir ist es be-
sonders wichtig, dass wir noch in dieser Legislaturperiode
einen wichtigen Schritt hin zur Stärkung dieses Bereiches
tun. Mit der Novelle des Gesetzes zur Förderung eines
freiwilligen sozialen Jahres und der Novelle des Gesetzes
zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres ent-
wickeln wir die klaren gesetzlichen Grundlagen weiter,
die es Jugendlichen ermöglichen, sich ein Jahr lang im In-
und Ausland in sozialen, ökologischen, kulturellen, sport-
lichen und denkmalpflegerischen Bereichen zu engagie-
ren. Frau Lenke, ich empfehle Ihnen, den Gesetzentwurf
und dessen Novellierung zu lesen. Dann können wir uns
über die Konzepte unterhalten.


(Ina Lenke [FDP]: Den kriege ich erst heute! Ich habe lange telefonieren müssen, weil er mir nicht gegeben wurde! – Irmingard ScheweGerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ina, der ist im Internet!)


Reden Sie in diesem Punkt nicht so viel ins Blaue hinein!
Gerade der Ausbau der Freiwilligendienste bedeutet

aus grüner Sicht für Jugendliche verstärkt die Möglich-
keit, ihre soziale und interkulturelle Kompetenz zu stei-
gern. Mit einem Zeugnis im Anschluss an diesen Lern-
dienst wird diese wichtige Erfahrung in der Biografie der
Einzelnen belegbar und nachvollziehbar.

An dieser Stelle möchte ich besonders darauf hinwei-
sen, dass Jugendliche im Freiwilligendienst endlich kin-
dergeldberechtigt sind. Diese Verbesserung allein genügt
jedoch nicht; deshalb stellen wir zur Finanzierung der
Kosten für pädagogische Begleitung zusätzlich 5 Millio-
nen Euro bereit.

Die meisten Jugendlichen zeigen große Neugier auf
Europa. Ein wichtiges Instrument zur Förderung der in-
terkulturellen Kompetenz und zum Abbau von Vorurtei-
len ist ohne Zweifel der Jugendaustausch. Gerade im
Hinblick auf vorhandene Ängste vor der EU-Osterweite-
rung wird der Aufenthalt von Jugendlichen in den osteu-
ropäischen Nachbarländern der Bundesrepublik beson-
ders wichtig. Konkrete Erfahrungen sind immer mehr
wert als alle Erklärungen; deshalb wird im kommenden
Jahr der Betrag zum Deutsch-Polnischen Jugendwerk um
500000 Euro aufgestockt. Wie Sie sehen, fördern wir
konkrete Ansätze der Zivilgesellschaft, um sie zu stärken.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf einen Be-
reich eingehen, der mir persönlich und aus eigener Erfah-
rung sehr am Herzen liegt: der Zivildienst.


(Ina Lenke [FDP]: Ach nein!)





Christian Simmert
20020


(C)



(D)



(A)



(B)


– Frau Lenke, auch das werden Sie noch ertragen müssen.
Meine Redezeit ist aber gleich um. –Mit der weiteren Ver-
kürzung der Dienstzeit von 13 auf elf Monate nehmen die
Zivildienstleistenden eine Soldminderung in Kauf. Um
die Ungleichbehandlung gegenüber Wehrpflichtigen
nicht zu vergrößern, ist es uns jedoch wenigstens gelun-
gen, die Mobilitätspauschale anzugleichen. Mir persön-
lich reicht das nicht aus. Ich hätte gerne den einen oder an-
deren Verteidigungspolitiker vom Gegenteil überzeugt.
Aber Sie wissen ja, wie beratungsresistent der eine oder
andere Verteidigungspolitiker sein kann.


(Ina Lenke [FDP]: Bei uns nicht!)

Insgesamt jedoch bildet der Einzelplan 17 eine solide

Grundlage für die Arbeit der rot-grünen Bundesregierung
im nächsten Jahr. Wir werden dem Haushalt daher zu-
stimmen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420312900
Das Wort hat die Kol-
legin Monika Balt für die PDS-Fraktion.


Monika Balt (PDS):
Rede ID: ID1420313000
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Dieser Haushalt hat wirklich riesige Defizite.
Lassen Sie mich zuerst auf die Situation von Familien mit
behinderten Kindern zu sprechen kommen. In ihrem
„Berliner Memorandum“ verwiesen auch die vier großen
Fachverbände, die die Hilfen für Menschen mit geistiger
Behinderung bereitstellen, erst kürzlich auf die enormen
Belastungen, die auf Familien mit behinderten Ange-
hörigen zukommen.

Die PDS unterstützt mit allem Nachdruck die Forde-
rung dieser Fachverbände nach entbürokratisierten Bera-
tungsangeboten, nach familienunterstützenden Diensten,
nach integrativen Angeboten in Kindertagesstätten, Schu-
len, Bildungseinrichtungen und Vereinen.


(Beifall bei der PDS)

Wir wissen, dass bei Wahlangeboten, die ein möglichst
selbstbestimmtes Leben garantieren können, ein großer
Bedarf besteht.

An dieser Stelle stoßen wir auf die Realität des Bun-
deshaushalts: Die kommunalen Haushalte werden vom
Bund immer stärker belastet. Aber gerade die sozialen
Dienste, die vor Ort erbracht werden müssen, müssen
überwiegend von den Kommunen bezahlt werden.


(Dieter Dzewas [SPD]: Wo? An welcher Stelle? Ein bisschen konkreter!)


Während der Bedarf steigt, werden die Mittel eher weni-
ger. Wir fordern vom Bund ein finanziertes Leistungsge-
setz für Menschen mit Behinderungen.
Wir fordern, dass Nachteilsausgleiche aus der Einbindung
in die Sozialhilfe herausgelöst werden müssen. Damit
würde das Armutsrisiko für Familien mit behinderten An-
gehörigen entscheidend reduziert werden.


(Beifall bei der PDS)


Zum Bundeserziehungsgeldgesetz: Es sollte das
Kern- und das Glanzstück rot-grüner Familienpolitik wer-
den. Die zaghaften Änderungen haben aber die materielle
Situation von Familien mit Kleinkindern kaum verbes-
sert. Wir fordern die Bundesregierung auf: Wenn schon
dadurch eingespart wird, dass die Kinderzahl immer wei-
ter sinkt, dann lassen Sie die eingesparten Beträge we-
nigstens nicht einfach im Haushalt verschwinden.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Machen wir ja auch nicht!)


Verteilen Sie sie auf die Familien mit Kleinkindern und
verteilen Sie sie auf die Kommunen.

Ein nächster Punkt: Häusliche Alten- und Kranken-
pflege ist nach wie vor Frauensache. Das hat zur Folge,
dass Frauen nicht nur aufgrund von Kindererziehungs-
zeiten, sondern auch aufgrund ihrer Pflegeleistungen er-
hebliche berufliche Nachteile haben, vor allem wenn sie
nach pflegebedingten Unterbrechungen wieder in den Be-
ruf zurück wollen. Es ist ein Skandal, dass zum Beispiel
das neue Job-Aqtiv-Gesetz ausgerechnet Frauen, die ihre
Angehörigen pflegen, von der Beitragspflicht zur Ar-
beitslosenversicherung ausnimmt. Pflegezeiten müssen in
die Versicherungspflicht mit einbezogen werden.


(Beifall bei der PDS)

Ein anderer Punkt: Die Koalition hat den Frauen 1998

ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft ver-
sprochen. Nun gibt es kein Gesetz, noch nicht einmal eine
Selbstverpflichtung der Wirtschaft,


(Antje-Marie Steen [SPD]: Doch, natürlich!)

sondern eine Vereinbarung der Wirtschaftsverbände. Die
Verbände haben klargestellt, dass sie sich durch diese Ver-
einbarung zu nichts verpflichtet fühlen. Die PDS bleibt
dabei: Wir wollen ein verbindliches Gesetz mit klaren
Regelungen;


(Antje-Marie Steen [SPD]: Das werden wir schon machen, wenn die Burschen nicht spuren!)


denn nur dadurch wird sich bei der Gleichstellung etwas
bewegen.


(Beifall bei der PDS)

Ein Wort zur Kinder- und Jugendarbeit: Die Arbeit

der freien Träger der Jugendhilfe ist besonders in den
neuen Bundesländern bisher ausschließlich durch Förder-
maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit über ABM mög-
lich. Mit dem Auslaufen dieser Maßnahmen wird konti-
nuierliche Kinder- und Jugendarbeit gefährdet. Die
Kommunen sollen die Lasten tragen, aber die haben kein
Geld. Die Annahme unseres Antrages, einen Bundesfonds
zur Finanzierung kontinuierlicher und langfristiger Arbeit
im Kinder- und Jugendbereich einzurichten, der 15 Milli-
onen Euro umfassen sollte, würde einen Anschluss an die
Regelfinanzierung gewähren.


(Beifall bei der PDS)

Mir als Vorsitzender des Brandenburger Arbeitslosen-

verbandes liegen Vereine und Verbände natürlich beson-
ders am Herzen. Nach Auskunft des Ministeriums gibt es




Christian Simmert

20021


(C)



(D)



(A)



(B)


seit 1990 keine neuen Aufnahmen in die institutionelle
Förderung des Bundes. Dadurch erhält nicht ein einziger
ostdeutscher Verein eine institutionelle Förderung. Durch
Projekt- und Modellförderung ist aber keine pluralistische
Vereinsstruktur aufzubauen. Genau die ist für die soziale
und kulturelle Infrastruktur im Osten nötig.


(Dieter Dzewas [SPD]: Das ist nicht Sache des Bundes!)


Selbst unser Versuch, eine gezielte Projektförderung
der Volkssolidarität in den Haushalt 2002 aufzunehmen,
scheiterte mit der Begründung, dass das nicht landesweit
wirke.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Richtig!)

Diese hervorragende Arbeit für Zehntausende Senioren
wird einfach ignoriert. Mit diesem Haushalt beweisen Sie
erneut, wie weit Sie von der Realität entfernt sind.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas sagen. Heute
Nacht verstarb die ehemalige Brandenburger Sozialminis-
terin Regine Hildebrandt. Ihr Tod hat mich tief getroffen.
Ich habe mich seit elf Jahren gemeinsam mit Regine
Hildebrandt für die Situation der Erwerbslosen, insbeson-
dere der erwerbslosen Frauen, und der sozial Benach-
teiligten in Brandenburg eingesetzt. Ihr soziales Engage-
ment sollte für uns alle Verpflichtung sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420313100
Jetzt spricht die Kol-
legin Maria Eichhorn für die Fraktion der CDU/CSU.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1420313200
Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die rot-grüne
Regierungskoalition hatte in ihrer Koalitionsverein-
barung für den Politikbereich Familie, Senioren, Frauen
und Jugend versprochen – jetzt zitiere ich sie –:

Wir sorgen dafür, dass sich die wirtschaftliche und
soziale Lage der Familien spürbar verbessert.

(Dieter Dzewas [SPD]: Das haben wir einge halten!)

Der tatsächliche Stellenwert der Familienpolitik für

den Bundeskanzler offenbarte sich aber bereits mit der Ti-
tulierung des zuständigen Ministeriums als „Ministerium
für sonstiges Gedöns“. So sieht auch Ihre Bilanz aus,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dieter Dzewas [SPD]: Das hat aber langsam an Originalität verloren!)


Bei dem so genannten Zweiten Gesetz zur Familien-
förderung handelt es sich lediglich um eine Mindestum-
setzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Die Erhöhung des Kindergeldes um 30 DM für das erste
und zweite Kind ist völlig unzureichend.


(Dieter Dzewas [SPD]: Mit unzureichender Familienpolitik haben Sie viel Erfahrung!)


Dritte und weitere Kinder gibt es in Ihrer Politik nicht.

Eine erhebliche Verschlechterung ergibt sich für Al-
leinerziehende.


(Zurufe von der SPD)

– Ja, Sie werden unruhig, wenn man Ihnen die Wahrheit
sagt. –


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Haushaltsfreibetrag wird ab 2002 gekürzt und im
Jahre 2005 ganz entfallen. Die Bundesregierung hat keine
Auffangmöglichkeiten für den finanziellen Verlust ge-
schaffen. So sagte der Verband allein erziehender Mütter
und Väter bereits im Juni dieses Jahres, dass Alleinerzie-
hende bis zum Jahre 2005 ihre eigene Kindergeld-
erhöhung mit 1,8 Milliarden DM finanzieren. So ist die
Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dazu kommen die Ökosteuer und die Erhöhung der So-

zialabgaben, sodass vom Kindergeld überhaupt nichts
mehr übrig bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Christian Simmert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie ruhig: Der Euro halbiert das alles!)


– Das wollen Sie natürlich nicht hören. Das ist ganz klar.

(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Ökosteuer sorgt für Ihre Kinder!)


Aber lassen Sie es sich dann von der „Süddeutschen Zei-
tung“ sagen, die am 27. Juni dieses Jahres geschrieben
hat: „Kinderarmut hat unter Rot-Grün zugenommen“.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit dem Konzept der Familienoffensive der
CDU/CSU-Fraktion dagegen wollen wir die Kinder aus
der Sozialhilfe holen und einen gerechteren Ausgleich
zwischen Familien und Kinderlosen erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dieter Dzewas [SPD]: Wieder auf Pump!)


Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
tion, ich frage Sie: Wo bleiben denn Ihre konkreten Aus-
sagen? Frau Lenke hat es schon gesagt: Vom SPD-Partei-
tag hat man kaum etwas gehört, vom Grünen-Parteitag
ganz zu schweigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Eine kluge Frau!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre so ge-
nannte Rentenreform weist erhebliche Mängel auf. Sie
belastet überproportional die junge Generation, begüns-
tigt die Entstehung von Altersarmut und benachteiligt die
Rentnerinnen und Rentner durch Kürzungen aufgrund




Monika Balt
20022


(C)



(D)



(A)



(B)


willkürlicher Rechengrößen. Frauen sind die Verliererin-
nen der Reform.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Christel Humme [SPD]: Die Gewinnerinnen!)


Denn sie trifft die Niveauabsenkung doppelt: einmal in
der eigenen Rente und zum anderen durch die Kürzung
der Witwenrente.

Die Familien mit Kindern und die Geringverdiener
werden in der privaten Altersvorsorge völlig benachtei-
ligt. Sie werden doch nicht glauben, dass man mit
7,50 DM pro Kind und Monat eine wirkliche zusätzliche
Alterssicherung aufbauen kann.


(Dieter Dzewas [SPD]: Bei Ihnen war gar nichts vorgesehen!)


Den Satz „Jedes Kind ist gleich viel wert“ haben Sie bei
dieser Rentenreform außer Kraft gesetzt.


(Dieter Dzewas [SPD]: Bei Blüm war gar nichts vorgesehen! Nur demographischer Abschlag, sonst nichts!)


Meine Damen und Herren, Ihre Frauenpolitik ist
gleich null. Sie haben im Aktionsprogramm „Frau und
Beruf“ versprochen:

Wir werden verbindliche Regelungen zur Frauenför-
derung einführen, die auch in der Privatwirtschaft
Anwendung finden müssen.

Dies haben, Frau Bergmann, Ihre Kabinettskollegen ver-
hindert.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenn Sie uns unterstützt hätten, dann hätten wir das bestimmt durchgesetzt!)


Sie haben keine Maßnahmen entwickelt, die zu einer ef-
fektiven Gleichstellung führen. Der „Spiegel“ sagt zu
Recht: „Die SPD hat die Frauenbewegung für tot erklärt.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch in der Jugendpolitik haben Sie viel versprochen,

zum Beispiel den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Wie
sieht die Bilanz aus? Im Juli 2000 waren 18 817 Jugend-
liche unter 25 Jahren länger als ein Jahr arbeitslos. Über
2 000 waren sogar länger als zwei Jahre arbeitslos. Das
heißt also, Ihr Jugendsofortprogramm JUMP, das Sie im-
mer groß feiern, war ein völliger Flop.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Dieter Dzewas [SPD]: Nein, das ist beim besten Willen nicht wahr! Gehen Sie mal zu Ihrer Arbeitsverwaltung und fragen Sie nach!)


Jugendpolitik findet nicht statt. Die drängenden Pro-
bleme des Jugendschutzes und des Jugendmedien-
schutzes wurden von Ihnen in eine Bund-Länder-Arbeits-
gruppe wegdelegiert. Aber es ist doch unbestritten, dass
ein verstärkter Jugendmedienschutz dringend notwendig
wäre, um Kinder und Heranwachsende vor dem Konsum
gefährdender Medieninhalte zu bewahren.

Die lang angekündigte Reform des freiwilligen ökolo-
gischen und sozialen Jahres wird erst jetzt verwirklicht,
und das – Frau Lenke sagte es schon – nur in Ansätzen.

Der Zivildienst wurde gekürzt.

(Dieter Dzewas [SPD]: Ja!)


Über 160 Millionen DM wurden eingespart. Das heißt,
die Betreuung von kranken, alten und schwerbehinderten
Menschen wird immer schwieriger.


(Dieter Dzewas [SPD]: Das ist nicht Aufgabe des Zivildienstes, soziale Sicherstellung zu betreiben!)


Meine Damen und Herren, die Zahl der älteren Men-
schen steigt. Sie hatten versprochen, dass Sie die Chancen
der älteren Generation vermehren werden und die Chan-
cen, die sich aus dem längeren Leben der Bevölkerung er-
geben, nutzen wollen. Aber Ihre einzigen Leistungen im
Seniorenbereich sind das Heimgesetz und das Altenpfle-
gegesetz.


(Dieter Dzewas [SPD]: Ist doch schon einmal was! – Weitere Zurufe von der SPD)


Ihr Altenpflegegesetz führt nicht zu einer besseren Aus-
bildung, sondern zu einer schlechteren. So gewinnen Sie,
meine Damen und Herren, nicht die zusätzlichen Pflege-
kräfte, die wir dringend brauchen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich zitiere Frau Dr. Hoppe, die ja Fachfrau auf diesem Ge-
biet ist. Sie hat gesagt: Das Altenpflegegesetz ist in seiner
Zielrichtung gescheitert.

Seniorenpolitik kann sich nicht in Heimaufsicht und
Altenpflege erschöpfen. Wir müssen gerade jungen Alten
Chancen geben; diese benötigen dafür eine ausreichende
soziale Absicherung, die Sie aber durch Ihre Renten-
reform verhindert haben.

Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hatte an-
gekündigt, nicht alles anders, aber vieles besser zu ma-
chen. Ihre Bilanz in der Familien-, Senioren-, Frauen- und
Jugendpolitik ist kläglich. Wie in vielen anderen
Politikbereichen gilt hier genauso: viel versprochen,
kaum etwas gehalten.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: In drei Jahren mehr erreicht als Sie in 16!)


Deswegen werden wir diesen Haushalt ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420313300
Das Wort hat die Bun-
desministerin Christine Bergmann.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Eichhorn
und Herr Luther, so viel bewusste Fehlinformationen,


(Christian Simmert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Desinformation!)





Maria Eichhorn

20023


(C)



(D)



(A)



(B)


wie Sie hier geliefert haben, habe ich lange nicht mehr
gehört. Ich werde im Einzelnen noch darauf zu sprechen
kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In einer Sache haben Sie, Frau Eichhorn, natürlich
Recht: Wir haben gesagt, wir wollen die wirtschaftliche
und soziale Lage der Familien spürbar verbessern. Genau
das haben wir getan. Wir haben es nicht nur für die Fami-
lien, sondern auch für die Jugendlichen getan.


(Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Nichts haben Sie getan!)


– Hören Sie doch einmal zu. Das hören Sie nicht gerne,
aber so ist es.

Ich möchte auf die Grundsätze der Haushaltspolitik zu
sprechen kommen, weil in der Haushaltspolitik nämlich
deutlich wird, wie man mit den Zukunftschancen von Fa-
milien und den Jugendlichen umgeht.


(Beifall der Abg. Christel Humme [SPD])

Konsolidierung bedeutet eben nicht, auf Kosten der

nächsten Generation zu leben. Das wäre keine gute Fami-
lien- und Jugendpolitik.


(Beifall bei der SPD)

Trotz der konsequenten Haushaltskonsolidierung haben
wir natürlich im Haushalt 2002 deutliche Akzente gesetzt.


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Wo denn? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Ich komme jetzt auf den Bereich der Jugendpolitik zu
sprechen. Es ist schon gesagt worden, dass wir für diesen
Bereich mehr Geld vorsehen. Sie können ja vielleicht
noch rechnen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir vor
kurzem das erste Mal ein ressortübergreifendes Regie-
rungsprogramm für die Jugendpolitik mit dem Titel
„Chancen im Wandel“ auf den Tisch gelegt haben.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Christian Simmert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Da steht doch nichts drin!)


Damit schaffen wir verlässliche Rahmenbedingungen für
die Zukunft, es geht dabei um Chancen auf Arbeit und Bil-
dung. Wir fördern gezielt die Erziehung zu Demokratie.

Ich komme jetzt auch gleich zu dem Punkt Jugend-
arbeitslosigkeit, den Sie, Herr Luther, natürlich auch
Frau Eichhorn und andere angesprochen haben. Natür-
lich haben wir die Jugendarbeitslosigkeit kräftig zurück-
geführt. Schauen Sie sich doch einmal die Zahlen von
1998 an.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Dehnel [CDU/ CSU]: Was? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Wo denn?)


Natürlich führen wir das JUMP-Programm, für das wir
2 Milliarden DM zur Verfügung stellen, weiter fort. Wir
sind damit noch nicht zufrieden und wissen, in welchen

Regionen es noch hapert. Aber das erste Mal haben alle
Jugendlichen ein Ausbildungsangebot bekommen.


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Letzte Stelle in Europa!)


– Was regen Sie sich denn so auf? Hören Sie es sich doch
einmal an! – Wir haben in diesem Jahr eine positive Bi-
lanz.


(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass wir damit vor allen Dingen im Osten
noch Probleme haben,


(Klaus Haupt [FDP]: Kommen Sie einmal nach Sachsen!)


deswegen brauchen wir noch die Sonderprogramme.
Aber das haben wir geschafft. Es ist klar, dass wir damit
noch nicht zufrieden sind und noch mehr erreichen wol-
len. Aber das müssen Sie doch wenigstens einmal zur
Kenntnis nehmen, wenn Sie einigermaßen fair und sach-
lich an das Ganze herangehen.

Wir haben in dieses Programm, wie Sie wissen, die Er-
fahrungen, die wir mit der Ausweitung des Programms
„Entwicklung und Chancen für junge Menschen“ auf so-
ziale Brennpunkte gemacht haben, einfließen lassen, weil
wir wissen, dass es für manche Jugendliche nicht reicht,
wenn sie eine Chance bekommen. Sie brauchen auch eine
zweite, wenn es bei der ersten nicht geklappt hat. Wir wol-
len alle Jugendlichen mit auf den Weg nehmen. Deshalb
haben wir hier auch noch einmal Geld für diejenigen be-
reitgestellt, die neben dem Ausbildungsplatz oder der
Qualifizierung noch eine sozialpädagogische Betreuung
vor Ort brauchen. Ich bin froh, dass wir das gemacht
haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass wir gerade
nach dem 11. September den interkulturellen Dialog
verstärkt fördern müssen. Damit komme ich zu dem Be-
reich des internationalen Jugendaustausches. Es gibt
350 000 junge Menschen, die Jahr für Jahr an diesem Ju-
gendaustausch teilnehmen.

Herr Luther, wir haben im Bereich des Deutsch-Polni-
schen Jugendwerkes aufgestockt. Nun wollen wir uns
doch nicht dümmer machen, als wir sind. Auch Sie wol-
len das nicht, Herr Luther.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie wissen sehr genau, dass um 1Million DM aufgestockt
wurde. Ich rechne es Ihnen einmal ganz langsam vor, da-
mit Sie mitkommen: Eine Erhöhung um 500 000 DM war
im Haushalt schon vorgesehen. Dann gab es den Wunsch
nach einer weiteren Aufstockung. Wir sind immer dafür,
wenn es möglich ist. Diese Aufstockung war natürlich nur
im Rahmen des Haushaltsverfahrens möglich, weil der
Haushalt schon vorlag. Somit ergibt sich eine Steigerung
um insgesamt 1 Million DM. Ich halte es für sehr wichtig,
dass wir das geschafft haben.


(Beifall bei der SPD)





Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
20024


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir wissen, wie sehr sich Jugendliche in unterschied-
lichen Bereichen engagieren. Wir machen dieses Gerede
von den Jugendlichen, die auf nichts Bock haben, nicht
mit, weil wir wissen, wie groß ihr Engagement ist. Es ist
schon angesprochen worden, dass wir die Mittel für das
freiwillige soziale und das freiwillige ökologische Jahr
erhöhen, weil die Nachfrage größer ist als die Zahl der
Plätze. Wir werden das entsprechende Angebot erweitern.

Ich muss dazu noch eine Bemerkung machen. Frau
Eichhorn, Projekte im Bereich der Kultur und des Sports
laufen schon. Wir kommen jetzt mit dem Gesetz nach. Da-
bei wird es darum gehen – Herr Holetschek, ich glaube,
Sie haben es angesprochen –, dafür zu sorgen, dass die
außereuropäischen Freiwilligen nicht schlechter gestellt
werden. Hinzu kommen noch einige andere Verbesserun-
gen. Das sind doch wichtige Punkte.

Weil wir wollen, dass wir Politik nicht nur für, sondern
auch mit Jugendlichen machen, haben wir die Beteili-
gungsbewegung initiiert. Ich finde, es läuft prima. Es ist
aber auch klar: Wenn man mit Jugendlichen arbeitet, gibt
es auch den einen oder anderen Punkt, der zu Kritik An-
lass gibt. Es ist aber eine ganz wichtige Sache, dass sich
Jugendliche und Kinder angesprochen fühlen. Ich kann
Sie nur ermuntern, sich um die entsprechenden Projekte
zu kümmern.

Ganz besonders freue ich mich darüber – dafür möchte
ich allen Abgeordneten danken –, dass es gelungen ist, das
erfolgreiche Aktionsprogramm „Jugend für Toleranz und
Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeind-
lichkeit und Antisemitismus“ im gleichen Umfang wie
bisher weiterzuführen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dieses Programm brauchen wir. Wir machen damit deut-
lich, dass wir nicht nur reagieren, wenn Rechtsextremis-
mus und Ausländerfeindlichkeit in den Schlagzeilen sind.
Wir wissen nämlich, dass wir einen langen Atem brau-
chen.

Nun noch einmal zu Ihnen, Herr Luther. Man muss
ganz klar sagen, dass das, was Sie versucht haben, schä-
big war.


(Beifall bei der SPD)

Sie haben versucht, mir Äußerungen zu unterstellen, die
in einem Vermerk meines Hauses enthalten waren.


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Das habe ich gesagt!)


Sie haben versucht, darzustellen, dass es sich um meine
Meinung handele, obwohl ich das im Haushaltsausschuss
und im Haus selber klargestellt habe. So sollten wir nicht
miteinander umgehen.


(Beifall bei der SPD – Irmingard ScheweGerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso hat Herr Luther einen Vermerk dieses Hauses?)


Aber anscheinend ist Herrn Luther jedes Mittel recht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warum machen Sie es denn so?)


Ein Punkt ist auch klar: Natürlich sind Rechtsextre-
mismus und Ausländerfeindlichkeit nicht nur ein
Thema in den neuen Bundesländern. Ich denke, darüber
sind wir uns alle einig. Trotzdem gibt es in den neuen
Bundesländern besondere Probleme. Wir sollten deshalb
nicht so tun, als ob dies nicht so sei. Es hilft nämlich nicht,
den Kopf in den Sand zu stecken. Ich weiß ja, dass Sie ge-
gen das Civitas-Programm sind. Ich bin aber froh, dass
wir für dieses Programm mehr Geld zur Verfügung stel-
len. Herr Luther, sächsische Projekte werden in gleicher
Weise unterstützt. Auch in Sachsen gibt es sehr gute Pro-
jekte.

Wir können über die Ursachen des Rechtsextremismus
an einer anderen Stelle streiten. Ich habe mich aber ge-
wundert, dass Sie fast so tun, als ob die DDR eine Hoch-
burg der Demokratie gewesen sei. Ich habe es ein biss-
chen anders erlebt. Aber die Erfahrungen sind individuell
verschieden.

Noch ein weiterer Punkt aus dem Jugendbereich. Frau
Eichhorn, Sie sprechen dieses Thema immer an. Sie wis-
sen, dass Medienschutz und Jugendschutz Themen
sind, die nicht nur von der Bundesebene allein ausgeführt
werden können. Wir haben in diesem Bereich die Zu-
ständigkeit der Länder. Deshalb ist es ein mühsamer Pro-
zess. Im Dezember gibt es noch Beratungen. Wir hoffen,
dass wir entsprechende Maßnahmen noch auf den Weg
bringen können. Dafür sind alle Vorarbeiten geleistet
worden.

Wenn wir über die Familienpolitik reden, dann müssen
wir natürlich auch feststellen, dass wir die Familien ent-
lastet haben. Ihnen stehen im nächsten Jahr über 20 Mil-
liarden DM mehr zur Verfügung. Wenn das nicht eine
Menge Geld ist, dann weiß ich es nicht. Die Familien wis-
sen, dass sie sich auf uns verlassen können.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Die Familienkompetenz wird uns zugeschrieben, was Sie
so sehr ärgert.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


Die Menschen wissen ja, dass ihnen faule Versprechun-
gen in einer Größenordnung, die nicht zu finanzieren ist,
gar nicht helfen. Vielmehr brauchen sie ernsthafte Ver-
besserungen im finanziellen Bereich, aber auch bei den
Rahmenbedingungen.

Frau Lenke, wir haben uns nicht nur um die finanzielle
Besserstellung gekümmert, sondern auch um bessere
Rahmenbedingungen. Da sind natürlich das Elternzeitge-
setz und das Teilzeitgesetz ganz wichtig. Ich teile Ihre
Meinung in diesem Zusammenhang nicht. Ich war in den
letzten Monaten viel unterwegs – das habe ich hier schon
ein paar Mal erzählt – und habe das Teilzeitgesetz überall
mit angesprochen, auch in kleinen und größeren Betrie-
ben. Das ruiniert die Betriebe nicht.


(Ina Lenke [FDP]: „Ruiniert“ habe ich nicht gesagt! Es ist die Summe von Gesetzen, die zu einer hohen Arbeitslosigkeit führen! Ganz einfach!)





Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

20025


(C)



(D)



(A)



(B)


Denn die wenigsten arbeiten in Teilzeit. Im Moment wird
ja darüber debattiert, dass es dadurch keine Einstellungen
von Frauen mehr gibt.

Wir sollten uns gemeinsam darum kümmern, dass sich
in diesem Teilzeitbereich mehr Männer tummeln und dass
es die Möglichkeit der Teilzeitarbeit in Führungspositio-
nen gibt, damit das Negativimage der reduzierten Ar-
beitszeit beseitigt wird. Das hilft uns dann insgesamt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben etwas weiteres Wichtiges getan: Wir küm-
mern uns darum, Eltern in ihrer Erziehungskompetenz zu
unterstützen. Das ist sehr wichtig. Ich spreche hier das
Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung an. Wir ha-
ben viele Vor-Ort-Aktionen gemacht. Sie wollten das al-
les nicht. Sie waren gegen dieses Gesetz und hielten das
alles für nicht legitim. Aber ich sage Ihnen hier mit allem
Ernst: Wir haben die ersten Ergebnisse der Begleitunter-
suchungen auf dem Tisch. Diese sind – das freut mich be-
sonders – sehr positiv. Das heißt, das Gesetz ist bekannt,
und zwar nicht nur bei den Multiplikatorinnen und Multi-
plikatoren, sondern auch bei den Eltern. Es wird von den
Eltern akzeptiert.

Nicht alle Einstellungen haben sich gleich geändert;
das wissen auch wir. Aber wenn wir diesen Weg weiter
verfolgen, dann wird sich zeigen, dass man mit diesem
Gesetz, mit entsprechenden Kampagnen und mit viel Un-
terstützung ein anderes Erziehungsverhalten und andere
Leitbilder in der Gesellschaft installieren kann. Das ist
doch ein Erfolg! Wenn es uns gelingt, Gewalt in der Fa-
milie zu reduzieren, dann haben wir alle unseren Job gut
gemacht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Natürlich geht es hier auch um den Ausbau von
Betreuungseinrichtungen. Ich kann Ihnen, Frau Lenke,
nur sagen – darüber haben wir hier schon diskutiert –:
2 Milliarden DM sind den Ländern im Rahmen des Zwei-
ten Familienfördergesetzes mit dem Hinweis erlassen
worden, dieses Geld für die Kinderbetreuung vorzusehen.


(Ina Lenke [FDP]: Wo sind die Krippen? Sie wollten sich dafür einsetzen! Aber es hat keinen Erfolg gehabt!)


Aber dann müssen sie es natürlich auch tun.

(Beifall bei der SPD)


Ich möchte noch ein paar Sätze zum Bereich der
Gleichstellung sagen. Wir haben natürlich in der Gleich-
stellungspolitik eine Menge erreicht. Durch das Gleich-
stellungsdurchsetzungsgesetz gibt es einen Einstel-
lungswandel. Gender Mainstreaming kennt auch der
Bundeskanzler,


(Ina Lenke [FDP]: Dann reden Sie nicht mit mir! Dann reden Sie mit dem Kanzler!)


Sie alle von der Opposition vielleicht noch nicht. Es wird
in allen Bundesressorts umgesetzt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich wirkt die Vereinbarung im Bereich der Privat-
wirtschaft. Die Umsetzung werden wir hart kontrollieren.


(Ina Lenke [FDP]: Dieses Versprechen haben Sie gegenüber dem Bürger gebrochen!)


Sehr viele hier erklären immer, es zu bedauern, dass es
kein entsprechendes Gesetz gibt. Wenn Sie von vornhe-
rein mitgekämpft hätten, dann hätten wir sogar eines. Frau
Lenke, Frau Eichhorn, offensichtlich wollten Sie ja so et-
was.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was haben wir alles im Antigewaltbereich – da bin ich
wieder bei einem ganz ernsten Thema – zur Bekämpfung
von häuslicher Gewalt getan! Ich nenne jetzt nur das Ge-
waltschutzgesetz. Das ist ganz wichtig. Die Verabschie-
dung dieses Gesetztes war nur mit dieser Regierung mög-
lich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen eines: Ich hätte eigentlich erwartet, dass
auch Sie von der Opposition im Zusammenhang mit dem
Zuwanderungsgesetz solidarisch mit den Frauen sind und
sagen: Das Thema geschlechtsspezifische Verfolgung ist
ein gemeinsames Frauenthema.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe von Ihnen nichts gehört. Man kann nicht am Ge-
waltschutztag eine Erklärung dahin gehend abgeben, wie
toll man das alles gestalten möchte, und dann in diesem
Bereich nichts tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


An all diejenigen, die, wenn es um die Rente geht, noch
Nachhilfe brauchen, sage ich: Ich habe gerade gestern mit
meinem Kollegen, dem Arbeitsminister, einen Rentenrat-
geber für Frauen herausgegeben. Der ist wunderbar.


(Ina Lenke [FDP]: Die Broschüre, aber nicht der Inhalt!)


In dem kann man sich wunderbar informieren – Frau
Eichhorn, nehmen Sie diesen einmal zur Hand und lesen
Sie ihn durch; die Einzelheiten können wir jetzt hier nicht
alle herunterbeten –, was alles in dieser Rentenreform für
Frauen verbessert worden ist.

Ein allerletzter Punkt – denn das hat mich nun wirklich
geärgert, Frau Eichhorn, was Sie hier abgeliefert haben –:
Sie wissen genau, dass wir im Bereich der Seniorenpoli-
tik viel auf den Weg gebracht haben: auf der einen Seite
für aktive Senioren, und zwar bis hin zum europäischen
Volontariat. Auf der anderen Seite im Rahmen einer bun-
deseinheitlichen Altenpflegeausbildung natürlich auch
dort, wo Hilfe notwendig ist. Wenn Sie sich jetzt hier hin-
stellen und bedauern, dass dieses Pflegegesetz das nicht
leistet, muss ich sagen: Wenn wir es nur hätten!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
20026


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben ein gutes Gesetz beschlossen, das uns aus der
Pflegemisere heraushelfen würde, das den Beruf aufwer-
ten, attraktiver machen würde, uns eine ordentliche Aus-
bildung verschaffen würde. Aber Bayern hat dafür
gesorgt, dass das Gesetz jetzt beim Bundesverfassungs-
gericht liegt.


(Dieter Dzewas [SPD]: Pure Heuchelei!)

Deshalb ist das, was Sie hier sagen, wirklich ein ganz star-
kes Stück.

Dass wir, diese Regierung, es im Internationalen Jahr
der Freiwilligen endlich geschafft haben, dass Freiwilli-
genarbeit anerkannt wird, dass endlich einmal danke ge-
sagt wird für das, was viele Freiwillige tun – auch ich
spreche hier meinen Dank aus –, das ist doch etwas, was
wir uns als Leistung anrechnen können.

Ich habe ein gutes Gewissen angesichts dessen, was
wir geleistet haben. Wir werden das auch weiterhin tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420313400
Die letzte Rednerin in
dieser Debatte ist die Kollegin Dr. Maria Böhmer für die
CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1420313500
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin
Bergmann, Sie haben gesagt, Familien in Deutschland
gehe es besser. Da muss ich Ihnen sagen: Das ist der
größte Bluff aller Zeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Ich will es Ihnen einmal anhand dessen, was Ihr Fi-
nanzminister heute erklärt hat, vorrechnen. Er hat erklärt,
dass sich die Kindergelderhöhung durch die rot-grüne
Bundesregierung für eine Familie mit zwei Kindern im
Jahr auf einen Betrag von 1 920 DM summiere und dass
dies dem 13. Monatsgehalt einer Verkäuferin entspreche.
So weit, so gut; das stimmt. Aber er hat dann vergessen,
die Gegenrechnung aufzumachen.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt bestimmt die Ökosteuer!)


Die Gegenrechnung heißt, dass Familien von Ihnen im
Gegenzug kräftig zur Kasse gebeten werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ihnen liegen ja besonders die Alleinerziehenden am

Herzen. Auch wir haben ein deutliches Auge auf die Al-
leinerziehenden;


(Christel Humme [SPD]: Neuerdings!)

denn sie stehen in der allergrößten Gefahr, unter die Ar-
mutsschwelle zu rutschen. Deshalb muss man besonders
darauf achten, wie sich Ihre Beschlüsse bei den Alleiner-
ziehenden auswirken.

Für die Alleinerziehenden ist die Kindergelderhöhung
eine Nullnummer und unter dem Strich legen sie sogar
noch drauf; denn Sie haben den Haushaltsfreibetrag in
Höhe von 5 616 DM ersatzlos gestrichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christel Humme [SPD]: Falsch! Nicht ersatzlos!)


Diese Streichung entspricht einem Verlust von 2 000 DM
im Jahr und das ist das 13. Gehalt der Verkäuferin.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das betrifft nicht nur die einzelne Verkäuferin, das be-

trifft 18 Millionen Alleinerziehende in diesem Land.
18 Millionen Alleinerziehende haben Sie mit diesen Be-
schlüssen schlechter gestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christel Humme [SPD]: Das stimmt nicht!)


Die „taz“, deren Linie ja wahrlich nicht unsere ist, son-
dern eher Ihre, hat am 2. November getitelt: „Arme zah-
len mehr“. Das stimmt; das ist ein Skandal erster Klasse.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber Sie greifen nicht nur den Alleinerziehenden, Sie

greifen allen Familien ins Portemonnaie. Ich greife auf,
was die Kollegin Eichhorn gesagt hat: Es sind die Öko-
steuer und der Anstieg der Krankenkassenbeiträge, die die
Kindergelderhöhung voll auffressen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dieter Dzewas [SPD]: Ja, für welche Leute war das denn? Für die allein erziehende Verkäuferin?)


Aber nicht genug mit diesen Einschnitten. Sie haben
auch noch den Sonderausgabenabzug für die Haushalts-
kräfte im Privathaushalt gestrichen, 18 000 DM. Das ist
nur eine Neidaktion, die Sie hier durchgeführt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dieter Dzewas [SPD]: Was hat die Union denn konkret anzubieten? Wir hören bisher nichts!)


Was bedeutet das für die Familien? Ich will es Ihnen ein-
mal deutlich zeigen: Eichel drängt die Mütter an den Herd
zurück – so ist es nachzulesen. Das ist das Ergebnis Ihrer
Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dieter Dzewas [SPD]: Die Haushaltshilfe für die allein erziehende Verkäuferin! Meine Güte!)


Sollen Frauen und auch Männer, sollen die Familien
noch immerunterderDoppelbelastungvonBerufs-undFa-
milientätigkeit leiden? Sollen die Frauen, die im Haushalt
arbeiten, denn noch immer in der Schwarzarbeit bleiben?


(Ina Lenke [FDP]: Genau das ist es! Das geht in die Schwarzarbeit!)


Sind Sie denn nicht in der Lage, endlich einmal ein Kon-
zept vorzulegen, durch das wirklich sozialversicherungs-
pflichtige Arbeitsplätze im Privathaushalt geschaffen
werden?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

20027


(C)



(D)



(A)



(B)


Ihre Politik geht in der Tat an der Wirklichkeit von
Frauen und Familien vorbei, und das in eklatanter Art und
Weise. Sie sollten sich ein Beispiel an dem rheinland-pfäl-
zischen Sozialminister Gerster nehmen. Er hat gemerkt,
dass die Weichen falsch gestellt worden sind, und er ist
bemüht, für den Arbeitsplatz Privathaushalt neue Rege-
lungen zu schaffen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn das
bei Ihnen auf fruchtbaren Boden fallen würde; denn dann
würden die Familien im Land nicht mehr alleine dastehen.
Ich kann nur an Sie appellieren: Folgen Sie dem Beispiel
dieses SPD-Sozialministers und tun Sie etwas für die Ar-
beitskräfte im Privathaushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben an der Stelle, an der es darum geht, Familien

zu helfen, versagt. Vor allen Dingen haben Sie aber bei der
Alterssicherung von Frauen in unserem Land versagt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als Sie gestern den Rentenratgeber für Frauen vorgestellt
haben, hieß es, dass das, was es an Möglichkeiten gibt
– Sie haben eben davon gesprochen –, wunderbar ist. Ihr
Kollege Riester hat gesagt, dass das System der Begünsti-
gungen konkurrenzlos gut ist. Ich kann nur sagen: Das,
was hier geschieht, ist konkurrenzlos peinlich.


(Zuruf von der CDU/CSU: Selbst die SPDFrauen sagen dies!)


Frau Ministerin Bergmann, Sie haben sich bei der Aus-
einandersetzung um die Frage, wie Frauen bei der Rente
geholfen werden kann, nicht mit unterstützenden Worten
– geschweige denn mit Taten – gemeldet. Jetzt, da das
Kind in den Brunnen gefallen ist, stellen Sie einen Ren-
tenratgeber für Frauen vor. Das klingt in den Ohren der
Frauen wie Hohn.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dieter Dzewas [SPD]: Nein, das klingt nicht wie Hohn!)


Sie haben – das ist belegbar – für das Aus der Wit-
wenrente gestimmt. Im Januar ist die Witwenrente per
Gesetz zum Auslaufmodell deklariert worden. Wir haben
es Ihnen in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss
immer wieder vorgehalten.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dieter Dzewas [SPD]: Nicht für die bestehenden! Das sagen Sie wider besseres Wissen!)


In allerletzter Minute haben Sie dann auf Drängen der
Union, der Familien- und der Frauenverbände beigedreht.
Nur deshalb wird es auch in Zukunft in diesem Land eine
Witwenrente für Frauen, die sich der Aufgaben in der Fa-
milie gewidmet haben, geben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hildegard Wester [SPD]: Was denn nun, gibt es sie oder nicht? – Dieter Dzewas [SPD]: Die, die Kinder erziehen, stehen sich doch besser! Das wissen Sie doch, Frau Böhmer! Schauen Sie doch einmal ins Gesetz hinein!)


Schauen wir uns jetzt doch noch einmal einen Punkt
an, der Ihnen so sehr am Herzen liegt. Ich höre die ganze
Zeit, dass man mehr für die Kinderbetreuung und insbe-
sondere für die Ganztagsbetreuung tun müsse. Ich kann
nur sagen: Richtig so!


(Ina Lenke [FDP]: Ganz klar!)

Da muss mehr getan werden. Dies muss aber in der rich-
tigen Form geschehen und nicht dadurch, dass von einer
Familie zur anderen umgeschichtet wird.

Auf dem SPD-Bundesparteitag – ich habe es mir ange-
hört und vor allem auch durchgelesen – wurde angekün-
digt, dass Sie eine Umwandlung des Ehegattensplittings
planen.


(Dieter Dzewas [SPD]: Höchste Zeit!)

Diese Umwandlung des Ehegattensplittings würde – wenn
sie tatsächlich so käme – bedeuten, dass 2 Millionen Steu-
erpflichtige in Deutschland jährlich 1 500 DM weniger
bekämen.


(Zurufe von der SPD: Welche denn?)

Das ist Fakt. Es trifft vor allen Dingen nicht nur die kin-
derlosen Ehepaare, auf die Sie ja letztendlich zielen.
Überwiegend trifft es die Familien,


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Mit mehreren Kindern!)


in denen sich ein Elternteil – sei es die Mutter oder der Va-
ter – in erster Linie der Kindererziehung widmet und des-
halb auf die Erwerbstätigkeit verzichtet hat. Das ist
schlichtweg nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn das alles dazu dienen soll, die Ganztagsschulen

und die Ganztagsbetreuung in Deutschland auszubauen,
dann muss ich sagen, dass bei der SPD hier wieder das alte
System der Umverteilung stattfindet.


(Dieter Dzewas [SPD]: Selbst der bayerische Löwe will jetzt Ganztagsschulen!)


Das ist in keinster Weise gerecht gegenüber den Familien.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Vor einiger Zeit – es war am 7. November – habe ich
gelesen, dass Renate Schmidt, die in der SPD jetzt offen-
sichtlich für die Familienpolitik zuständig ist, mit Blick
auf den Handlungsbedarf bei der Kinderbetreuung gesagt
hat, dass der Süden das Schlusslicht in ganz Deutschland
ist.


(Dieter Dzewas [SPD]: Das ist auch so!)

Es lohnt sich, wieder einmal einen Blick auf die Landkarte
zu werfen und sich die Statistik anzuschauen. Ich kann nur
sagen: Da täuscht sich Frau Schmidt und sie täuscht die
Bürgerinnen und Bürger.


(Dieter Dzewas [SPD]: Nein, da täuscht sie sich nicht!)


Ich betrachte jetzt einmal ganz bewusst den Bereich
der Ganztagsschulen. In Baden-Württemberg – das liegt
bekanntermaßen im Süden – gibt es einen Anteil an Ganz-




Dr. Maria Böhmer
20028


(C)



(D)



(A)



(B)


tagsschulen – er ist nicht überwältigend hoch – von
6,8 Prozent. Wenn ich jetzt in den SPD-regierten Norden
schaue, dann sehe ich: In Bremen beträgt der Anteil
0,7 Prozent, in Schleswig-Holstein 1,3 Prozent und in
Niedersachsen 3 Prozent. Wer war denn in Niedersachsen
lange Ministerpräsident? Es ist doch der Name Schröder,
der sich mit diesem Misserfolg verbindet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ina Lenke [FDP]: Die ganzen Jahre war Schröder da!)


Da zeigt sich doch die Wahrheit. Es gibt eben einen Un-
terschied zwischen Reden und Handeln. Jetzt wundert es
mich auch nicht mehr, wenn Frau Simonis als Minister-
präsidentin in Schleswig-Holstein fordert, man müsse
auf Kindergelderhöhungen verzichten und dieses Geld
in die Kinderbetreuung stecken. Die SPD hat es bitter
nötig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Gleichstel-

lungsgesetz für die Wirtschaft sagen. Die SPD-Frauen
sind mit diesem Vorhaben kläglich gescheitert. Karin
Junker war so ehrlich, auf dem Bundesparteitag der SPD
zu sagen, dass Schröder dieses Wahlversprechen nicht
umgesetzt hat. Recht hat sie, kann ich da nur sagen. Der
DGB, der an dieser Stelle die ganze Zeit an der Seite der
SPD stand, hat jetzt Druck gemacht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420313600
Frau Kollegin
Böhmer, jetzt müssen Sie aber wirklich zum Schluss
kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1420313700
Ich danke Ihnen für
den Hinweis. – Ursula Engelen-Kefer hat gesagt, für spä-
testens 2003 fordere sie ein Gleichstellungsgesetz für die
Privatwirtschaft. Sie hat außerdem gesagt: „Nach 2003
haben wir dann hoffentlich eine Bundesregierung, die be-
reit ist, das umzusetzen“. Recht hat sie. Schluss mit Rot-
Grün, kann ich da nur sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD – Zuruf von der SPD: Das war peinlich!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420313800
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17
– Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend – in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Ände-
rungsantrag der Fraktion der PDS vor, über den wir zuerst
abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf
Drucksache 14/7581? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen
der PDS-Fraktion abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzel-
plan 17 ist gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, FDP und PDS angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Mittwoch, den 28. November 2001,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.