Protokoll:
14138

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 138

  • date_rangeDatum: 1. Dezember 2000

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:01 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Heinz Riesenhuber . . . . . . . . . . . . 13463 A Tagesordnungspunkt III (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksa- chen 14/4000, 14/4302) . . . . . . . . . . . 13459 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksachen 14/4001, 14/4301, 14/4524) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13459 A Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Drucksachen 14/4518, 14/521) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13459 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13459 C Siegrun Klemmer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13463 A Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13465 D Ulrike Flach F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13466 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 13468 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13469 B Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13471 D Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 13473 C Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13474 A Ulrike Flach F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13476 C Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU 13478 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13481 A Ulrike Flach F.D.P . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13481 D Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13482 C Haushaltsgesetz 2001 (Drucksachen 14/4522, 14/4523) . . . . . . . . . . 13486 C Tagesordnungspunkt IV: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksachen 14/4000, 14/4302, 14/4501 bis 14/4520, 14/4521, 14/4522, 14/4523) . . . . . . 13486 D Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU . . . . . . . . . . 13487 A Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13490 A Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 13494 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13496 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13499 B Hans Jochen Henke CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13500 D Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . . 13502 C Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 13505 D Namentliche Abstimmungen 13506 D, 13507 C, 13510 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . .13507 D, 13510 C, 13514 C Plenarprotokoll 14/138 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 138. Sitzung Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 I n h a l t : Tagesordnungspunkt V: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der sozialversiche- rungsrechtlichen Behandlung von einmalig ge- zahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungs-Neu- regelungsgesetz) (Drucksachen 14/4371, 14/4409, 14/4743, 14/4803) . . . . . . . . . . . . . . 13512 B Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 13513 A Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13516 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . 13518 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13519 A Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 13519 D Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 13520 D Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 13520 D Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13521 A Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13521 D Tagesordnungspunkt VI: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses (Drucksache 14/4722) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13522 D Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13523 A Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13524 B Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13527 A Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13527 D Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 13528 D Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13529 C Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13531 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . . . . . . . . . 13531 C Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13531 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13532 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 13533 A Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Heidi Knake- Werner (PDS) zur Abstimmung über den Än- derungsantrag der Fraktion der F.D.P. zu der zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts- gesetzes 2001 (Drucksache 14/4829) und zur Abstimmung über den Entwurf eines Ge- setzes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Drucksachen 14/4522 und 14/4523) . . . . . . . 13533 D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13534 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 Joachim Stünker 13532 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13533 (C) (D) (A) (B) Balt, Monika PDS 01.12.2000 Dr. Blank, CDU/CSU 01.12.2000 Joseph-Theodor Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 01.12.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 01.12.2000 Klaus Bulling-Schröter, Eva PDS 01.12.2000 Burchardt, Ursula SPD 01.12.2000 Caesar, Cajus CDU/CSU 01.12.2000 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 01.12.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 01.12.2000 Friedrich (Bayreuth), F.D.P. 01.12.2000 Horst Gehrcke, Wolfgang PDS 01.12.2000 Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 01.12.2000 Girisch, Georg CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Grehn, Klaus PDS 01.12.2000 Haack (Extertal), SPD 01.12.2000 Karl-Hermann Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 01.12.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 01.12.2000 DIE GRÜNEN Hiksch, Uwe PDS 01.12.2000 Homburger, Birgit F.D.P. 01.12.2000 Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 01.12.2000 Kelber, Ulrich SPD 01.12.2000 Kolbow, Walter SPD 01.12.2000 Lehn, Waltraud SPD 01.12.2000 Louven, Julius CDU/CSU 01.12.2000 Müller (Berlin), PDS 01.12.2000 Manfred Ostrowski, Christine PDS 01.12.2000 Pau, Petra PDS 01.12.2000 Pieper, Cornelia F.D.P. 01.12.2000 Rauen, Peter CDU/CSU 01.12.2000 Reiche, Katherina CDU/CSU 01.12.2000 Rühe, Volker CDU/CSU 01.12.2000 Schenk, Christina PDS 01.12.2000 Schily, Otto SPD 01.12.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 01.12.2000 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 01.12.2000 Andreas Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 01.12.2000 Schultz (Everswinkel), SPD 01.12.2000 Reinhard Simm, Erika SPD 01.12.2000 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Stadler, Max F.D.P. 01.12.2000 Dr. Freiherr von CDU/CSU 01.12.2000 Stetten, Wolfgang Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 01.12.2000 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 01.12.2000 Wiese (Hannover), SPD 01.12.2000 Heino Wissmann, Matthias CDU/CSU 01.12.2000 Wohlleben, Verena SPD 01.12.2000 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 01.12.2000 Margareta DIE GRÜNEN Wülfing, Elke CDU/CSU 01.12.2000 Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Heidi Knake-Werner (PDS) zurAbstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. zu der zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2001 (Druck- sache 14/4829) und zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Drucksachen 14/4522 und 14/4523) Für die PDS-Fraktion erkläre ich, dass wir irrtümlich bei der Abstimmung zum Haushaltsgesetz 2001 (Drucksache 14/4522 und 14/4523) sowie zum Änderungsantrag der FDP § 25 Abs. 2 Satz 1 HHG mit Enthaltung gestimmt haben. Das Votum der PDS-Fraktion lautet bei beiden Abstim- mungen Nein. entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 3 Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 30. November 2000 – den Antrag „Energiepreiserhöhung zurück- nehmen, Energiebesteuerung in Europa har- monisieren“ – Drucksache 14/293 –, – den Antrag „Rücknahme des „Steuerentlas- tungsgesetzes 1999/2000/2002“ des „Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform“ sowie des „Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse“ – Drucksache 14/536 – und – den Antrag „Diskriminierung von ‚Frauen bei- den Olympischen Spielen in Sydney 2000“ – Drucksache 14/2240 – zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Innenausschuss Drucksache 14/3428 Nr. 1.7 Finanzausschuss Drucksache 14/4170 Nr. 2.44 Drucksache 14/4170 Nr. 2.49 Drucksache 14/4170 Nr. 2.72 Drucksache 14/4170 Nr. 2.79 Drucksache 14/4170 Nr. 2.87 Drucksache 14/4309 Nr. 1.15 Drucksache 14/4309 Nr. 1.31 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/2952 Nr. 2.8 Drucksache 14/2952 Nr. 2.14 Drucksache 14/2952 Nr. 2.16 Drucksache 14/2952 Nr. 2.17 Drucksache 14/2952 Nr. 2.19 Drucksache 14/2952 Nr. 2.27 Drucksache 14/2952 Nr. 2.31 Drucksache 14/2952 Nr. 2.32 Drucksache 14/2952 Nr. 2.33 Drucksache 14/2952 Nr. 2.34 Drucksache 14/3050 Nr. 2.28 Drucksache 14/3050 Nr. 2.29 Drucksache 14/3050 Nr. 2.30 Drucksache 14/3050 Nr. 2.31 Drucksache 14/3723 Nr. 2.4 Drucksache 14/4170 Nr. 1.14 Drucksache 14/4170 Nr. 2.13 Drucksache 14/4170 Nr. 2.15 Drucksache 14/4170 Nr. 2.32 Drucksache 14/4170 Nr. 2.43 Drucksache 14/4170 Nr. 2.46 Drucksache 14/4170 Nr. 2.56 Drucksache 14/4170 Nr. 2.61 Drucksache 14/4170 Nr. 2.63 Drucksache 14/4170 Nr. 2.66 Drucksache 14/4170 Nr. 2.67 Drucksache 14/4170 Nr. 2.68 Drucksache 14/4170 Nr. 2.75 Drucksache 14/4170 Nr. 2.77 Drucksache 14/4170 Nr. 2.80 Drucksache 14/4170 Nr. 2.85 Drucksache 14/4170 Nr. 2.88 Drucksache 14/4170 Nr. 2.89 Drucksache 14/4170 Nr. 2.92 Drucksache 14/4309 Nr. 1.1 Drucksache 14/4309 Nr. 1.10 Drucksache 14/4309 Nr. 1.11 Drucksache 14/4309 Nr. 1.12 Drucksache 14/4309 Nr. 1.23 Drucksache 14/4309 Nr. 1.34 Drucksache 14/4309 Nr. 1.35 Drucksache 14/4309 Nr. 1.43 Drucksache 14/4309 Nr. 1.47 Drucksache 14/4309 Nr. 1.48 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/671 Nr. 2.32 Drucksache 14/1708 Nr. 2.1 Drucksache 14/1708 Nr. 2.2 Drucksache 14/1708 Nr. 2.4 Drucksache 14/1708 Nr. 2.10 Drucksache 14/1708 Nr. 2.14 Drucksache 14/1778 Nr. 2.1 Drucksache 14/1778 Nr. 2.8 Drucksache 14/1778 Nr. 2.9 Drucksache 14/2747 Nr. 2.16 Drucksache 14/2747 Nr. 2.41 Drucksache 14/2747 Nr. 2.42 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 14/3050 Nr. 2.25 Drucksache 14/3341 Nr. 2.28 Drucksache 14/3341 Nr. 2.38 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/4309 Nr. 1.30 Drucksache 14/4441 Nr. 1.5 Drucksache 14/4441 Nr. 1.18 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/3859 Nr. 1.1 Drucksache 14/3859 Nr. 2.1 Drucksache 14/3859 Nr. 2.9 Drucksache 14/3859 Nr. 2.12 Drucksache 14/4170 Nr. 2.59 Drucksache 14/4170 Nr. 2.62 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/4170 Nr. 1.2 Drucksache 14/4170 Nr. 2.2 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 14/3576 Nr. 1.4 Drucksache 14/3576 Nr. 1.5 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/4441 Nr. 1.8 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 200013534 (C) (D) (A) (B) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/3428 Nr. 2.17 Drucksache 14/4170 Nr. 1.7 Drucksache 14/4309 Nr. 1.8 Drucksache 14/4309 Nr. 1.27 Drucksache 14/3409 Nr. 1.46 Drucksache 14/4441 Nr. 1.24 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/4170 Nr. 2.65 Drucksache 14/4309 Nr. 1.39 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13535 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413800000
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, guten Morgen! Die Sitzung ist eröffnet.

Wir setzen die Haushaltsberatungen fort:
III. a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001


(Haushaltsgesetz 2001)

– Drucksachen 14/4000, 14/4302 –

(Erste Beratung 119. Sitzung)


b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004
– Drucksachen 14/4001, 14/4301, 14/4524 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Ich rufe auf:
III. 23 Einzelplan 30

Bundesministerium für Bildung und For-
schung
– Drucksachen 14/4518, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Siegrun Klemmer
Matthias Berninger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Christa Luft

Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, fünf Änderungsanträge der Fraktion der F.D.P.
und fünf Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor. Die
Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag einge-
bracht, über den wir später abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Steffen Kampeter das Wort.


Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1413800100
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Themen
der Bildungs- und Forschungspolitik gehören zu den
spannendsten, die wir in Deutschland am Anfang des
21. Jahrhunderts hier im Parlament diskutieren können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Noch nie hat sich Wissen in unserer Gesellschaft so
schnell angesammelt; noch nie ist Veränderung so rasch
vonstatten gegangen. Bildung ist der Schlüssel für die in-
dividuellen Lebenschancen und der Motor für die gesell-
schaftliche Entwicklung. Deshalb meint die CDU/CSU-
Fraktion, dass Bildungs- und Forschungspolitik heute im
Zentrum der politischen Aufmerksamkeit stehen müssen.
Ich hoffe, dass diese Debatte dazu einen Beitrag leistet.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sicher!)

Es gibt in Deutschland einen weitgehenden gesell-

schaftlichen und politischen Konsens darüber, dass die
gegenwärtigen Herausforderungen des globalen Wandels
neue Anstrengungen im Bildungsbereich nötig machen.
Das Leitbild der CDU/CSU ist dabei die lernende Gesell-
schaft.

Wir bejahen das Leistungsprinzip und setzen uns für
Chancengerechtigkeit ein. Wir wollen eine Gesellschaft,
in der sich jeder nach seinen Begabungen und Talenten
optimal entfalten kann. Dafür brauchen wir ein zukunfts-
orientiertes Bildungssystem, eine leistungsfähige For-
schungslandschaft, Offenheit für neue Technologien, ein
intaktes Hochschulwesen und eine umfassende Zukunfts-
orientierung unserer beruflichen Bildung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn wir heute über Bildung sprechen, reden wir nicht

über technokratische Konzepte. Wir Christdemokraten

13459


(C)



(D)



(A)



(B)


138. Sitzung

Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000

Beginn: 9.00 Uhr

sind davon überzeugt, dass Bildung nicht nur eine Sache
des Kopfes, sondern auch eine Sache des Herzens ist.
Deswegen sagen wir: Bildung geht nicht ohne Erziehung
und Erziehung geht nicht ohne Werte. Eine gute Werte-
erziehung ist die beste Vorsorge gegen Extremismus und
Gewalt in diesem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Über all diese Fragen würden wir gerne mit der Regie-

rung diskutieren und nach dem besten Weg für Deutsch-
land suchen. Wichtig ist vor allen Dingen, dass etwas pas-
siert. Aber in der vor wenigen Tagen unter der
Überschrift: „Zwei zu null für Bildung und Forschung“
vorgelegten Halbzeitbilanz von Ministerin Bulmahn
sehe ich – das ist enttäuschend – wenig Substanz für ei-
nen Dialog mit dieser Regierung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Reden Sie jetzt von sich oder von wem? Von welcher Substanz redet er?)


Nach Ihrer Selbsteinschätzung mögen Sie vielleicht
zwei zu null führen, Frau Bundesministerin; allerdings
haben Sie den politischen Bereich Bildung und Forschung
ins Abseits geführt und es ist beim Fußball nun einmal so,
dass die aus dem Abseits erzielten Tore nicht zählen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Erfolgsbilanz hat ein einfaches Strickmuster: Bis

zum Regierungswechsel war alles mies; mit Rot-Grün
kam dann strahlendes Licht in Bildung und Forschung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber welche Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion
– mit Ausnahme weniger Versprengter – glauben eigent-
lich noch, dass Bildung und Forschung in Deutschland
Chefsache sind oder gar ein Herzensanliegen der rot-grü-
nen Regierung?

Ich will deutlich sagen, dass wir keine Totalopposition
zu Ihrer Politik machen. Die Teilbereiche Ihrer Politik, die
die erfolgreiche Arbeit der Regierung Kohl und die Poli-
tik von Jürgen Rüttgers fortsetzen, stoßen in unserer Frak-
tion auf Zustimmung: Bio-Regio und Inno-Regio – Initia-
tive Rüttgers; Schulen ans Netz – Initiative Rüttgers;
Meister-BAföG – Initiative Rüttgers; Lehrstellengaran-
tie – Initiative Rüttgers; Wettbewerb zwischen For-
schungseinrichtungen – Initiative Rüttgers; Internationa-
lisierung des Hochschulwesens – Initiative Rüttgers;
Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses – auch
eine Idee der von Kohl geführten Regierung. Auf diesen
Feldern haben Sie unsere Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rückgang der Mittel – Initiative Rüttgers!)


Die Behauptungen, vor dem Regierungswechsel sei al-
les anders bzw. schlechter gewesen und jetzt sei alles bes-
ser geworden, sind schlicht und ergreifend falsch. Solche
Behauptungen entstammen dem politischen Phanta-
sialand. Sie haben keine wesentlich neuen Ideen in den
Bildungs- und Forschungsbereich eingebracht und des-
wegen beurteilen wir Ihre Politik, die über die Fortsetzung

der Initiativen von Rüttgers hinausgeht, ausgesprochen
kritisch. Auf den Feldern, auf denen Sie erfolgreich sind,
setzen Sie unsere Politik fort; bei all dem, was Sie neu an-
packen, bringen Sie viel Unfertiges, Ungares und vor al-
len Dingen selten politisch Erfolgreiches hervor.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die Bundesbildungsministerin ist nicht präsent in der

öffentlichen Bildungsdebatte, die Bundesforschungsmi-
nisterin ist nicht präsent in der öffentlichen Bioethik-De-
batte. Das Schlimmste: Wie alle Umfragen zeigen, kennt
kaum jemand in Deutschland die Bildungs- und For-
schungsministerin.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie heißt sie denn?)


Das Thema Bildung und Forschung hat in Deutschland ei-
nen großen Stellenwert; aber die Ministerin ist ganz un-
ten – ein schlimmer Befund für diese Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Dass das nicht nur innerhalb der CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion so gesehen wird, zeigt das publizistische
Echo auf Ihre Halbzeitbilanz, die durchweg negativ aus-
fällt: „Bildungspolitik ohne Profil“, so texteten die „VDI
Nachrichten“, „Viel Unfertiges und keinerlei Aufbruch-
stimmung“ die „Frankfurter Rundschau“ – nicht gerade
verdächtig, der CDU besonders nahe zu stehen – und die
„Wirtschafts Woche“ resümiert über Ihre Politik: „Ideen –
Mangelware“. Als Zusammenfassung dieses Bildes über
die Arbeit der Bundesregierung im Bereich Bildung und
Forschung kann festgehalten werden: keine neuen Ideen,
viele Ankündigungen, aber keine Ergebnisse.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Rot-Grün hat im Wahlkampf die Verdoppelung der Bil-

dungs- und Forschungsausgaben versprochen.

(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das auch eingehalten!)


Die Bundesbildungsministerin ist bei der Umsetzung die-
ses Versprechens eingeknickt. Sie haben wesentliche
Kompetenzen in der Technologieförderung an das Wirt-
schaftsministerium abgegeben und so an politischer Be-
deutung verloren. Angekündigt war eine Novelle zum
Meister-BAföG – bis heute umgesetzt: nichts; angekün-
digt war ein Verbot von Studiengebühren in Deutsch-
land – umgesetzt: nichts; angekündigt war eine Umlage
für nicht ausbildungsbereite Unternehmen – umgesetzt:
nichts; angekündigt war eine Dienstrechtsreform – umge-
setzt: nichts; angekündigt waren Laptops für alle Schüle-
rinnen und Schüler – umgesetzt: nichts. Die Liste Ihrer
Misserfolge ist so lang, dass man keinesfalls den Eindruck
gewinnen kann, als hätten Bildung und Forschung in Ih-
rer Regierung eine hohe Priorität.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Davon können Sie doch nur träumen!)


Dies wird auch deutlich, wenn man sich die Zahlen des
Haushalts einmal ansieht. Beispielsweise wurde behaup-
tet, auf der Projektförderung liege ein besonderer Schwer-

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punkt. Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache: Die
Bundesministerin muss Geldmittel in einer Größenord-
nung von knapp einer viertel Milliarde DM am Jahres-
ende bei Herrn Eichel abgeben. Dieses Geld muss vor al-
lem bei der Projektförderung eingespart werden und so
entlarvt sich Frau Bulmahn als reine Ankündigungsminis-
terin. Eine solche Politik kann nicht unsere Zustimmung
finden.

Mit der Fortführung der Bio-Regio-Initiative und der
nur teilweisen Übernahme des Unionsvorschlags für eine
Genom-Initiative haben Sie auch in diesem Bereich nur
politisches Stückwerk geliefert. Für eine seriöse und
nachhaltige Arbeit auf diesem Feld hat die Deutsche For-
schungsgemeinschaft einen Finanzbedarf von fünf mal
200 Millionen DM – also rund 1 Milliarde DM – für er-
forderlich gehalten. Sie dagegen haben gerade einmal drei
mal 100Millionen DM in Ihren Haushalt eingestellt. Dies
ist ein weiterer Beleg dafür, dass Sie auch auf dem wich-
tigen Feld der Genomforschung nur politisches Stück-
werk liefern. Sie verschwenden wichtige Zukunftschan-
cen für unser Land und das wird von uns kritisiert.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Einer der größten politischen Misserfolge dieser Re-

gierung der letzten Monate war die Verteilung der Gelder
aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Offensicht-
lich unabgestimmt und ohne jede politische Rücken-
deckung bei Koalition und Fraktion hatte das Bildungs-
ministerium den Bundesländern angekündigt, dass aus den
Zinseinsparungen infolge der Versteigerung der UMTS-
Lizenzen fünf Jahre lang pro Jahr 1,2 Milliarden DM zu-
sätzlich in Bildung und Forschung fließen würden, also
eine Gesamtsumme von 6 Milliarden DM.

Nach dieser nassforschen Ankündigung haben Sie sich,
Frau Ministerin, relativ rasch in der Wirklichkeit wieder-
gefunden. Aus den angekündigten 6 Milliarden DM wur-
de nichts. Sie wurden mit drei mal 600 Millionen DM
abgespeist. Wir mussten sogar die Haushaltsberatungen
für einige Wochen unterbrechen, damit Sie noch um poli-
tische Unterstützung für Ihr Vorhaben werben konnten.
Dies zeigt, wie wenig Unterstützung Sie tatsächlich in der
Regierung und der Koalition haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die Deutsche Bahn bekommt für ihre Modernisie-

rungsinvestitionen jedes Jahr 9 Milliarden DM vom Steu-
erzahler. Es ist Ihnen nicht gelungen, entsprechend ver-
gleichbare Größenordnungen für Bildung und Forschung
zu mobilisieren. Deshalb verwundert es auch nicht, dass
die linke „tageszeitung“ am 10. August 1999 zu Ihrer Per-
son gefragt hat: „Visionärin oder Quatschtante?“ Ich
stelle fest: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Sie als
Visionärin hier noch nicht erlebt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein wichti-
ger Punkt bei Bildung und Forschung ist der Hochschul-
bereich. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion tritt für mehr
Wettbewerb im Hochschulwesen ein. Wir können die
bürokratischen Verkrustungen in diesem Bereich nicht
weiter hinnehmen.


(Jörg Tauss [SPD]: Wie in Baden-Württemberg!)


Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die not-
wendigen Investitionen im Hochschulbereich von uns
ausreichend unterstützt werden. In den Haushaltsberatun-
gen haben wir deswegen eine Aufstockung der Investiti-
onsmittel im Hochschulbereich um rund 200 Milli-
onen DM beantragt. Dies haben Sie abgelehnt und damit
deutlich gemacht, dass Ihnen die politische Unterstützung
des Hochschulbaus nicht am Herzen liegt.

Auch beim BAföG sieht es ausgesprochen schlimm
aus. Seit Jahren kündigen Sie die große Trendwende bei
der Schüler- und Studentenförderung an. Die Trend-
wende, die Sie angekündigt haben, ist Ihnen keinesfalls
gelungen. Selbst die 20. BAföG-Novelle führt nicht zu
den erwarteten Mehrausgaben und einer Verbesserung der
Situation der Studierenden und Schüler. Die Struktur-
reform, also die große BAföG-Reform, ist auf die nächste
Legislaturperiode verschoben worden, wird also von ei-
ner CDU-geführten Bundesregierung durchgesetzt wer-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Da pfeift aber einer im Wald! Vor Weihnachten darf man auch mal Träume haben! – Weiterer Zuruf von der SPD: Aber der Weihnachtsmann war doch noch gar nicht da!)


Die Koalition macht beim BAföG genau das Gegenteil
von dem, was Sie ankündigen. Sie nimmt Ihnen bei der
Schüler- und Studentenförderung im nächsten Jahr
45 Millionen DM weg, weil Sie die Mittel, die nach Ihren
eigenen Bekundungen ausgesprochen gering sind, über-
haupt nicht ausgeben können. BAföG hat keine politische
Priorität. Wenn ich in diesen Tagen die Zeitungen lesen,
stelle ich auch fest: Diese Koalition hat für die Stu-
dentenförderung nicht einmal ein gemeinsames Konzept.
Auch hier: Fehlanzeige und keine Priorität für Bildung
und Forschung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kein glückliches
Händchen hat die Regierung auch bei der Neuordnung der
deutschen Forschungslandschaft. Das abschreckendste
Beispiel ist die Zusammenführung von Fraunhofer-Ge-
sellschaft und der Gesellschaft für Mathematik und Da-
tenverarbeitung. Was als ein gut gemeintes Projekt be-
gann, ist durch Ihre wenig professionelle politische
Begleitung von einer Heirat zwischen Gleichberechtigten
zu einer Zwangsfusion mit sehr viel Unruhe für alle Betei-
ligten geworden. Auch war es Ihnen in diesem Zusam-
menhang wichtiger, vor mehr als einem Jahr die Fusion zu
verkünden, als sich darum zu kümmern, dass sie auch
tatsächlich stattfindet. Dieses Verfahren rächt sich jetzt.
Der Scherbenhaufen, der von Ihnen hinterlassen wird,
muss von anderen abgearbeitet werden.

Ein weiteres Thema: In Sonntagsreden wird von der
Regierung immer die Gleichstellung von beruflicher und
akademischer Bildung gefordert. Ich freue mich, dass die
Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aufgegriffen
wird, in diesem Zusammenhang die Mittel für die Begab-
tenförderung im Handwerk aufzustocken und damit den
politischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
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Unsere weitere wichtige politische Initiative, die Fort-
entwicklung der Handwerksbildungszentren zu Kompe-
tenzzentren des Handwerks finanziell abzusichern, wurde
von der Koalition abgelehnt. Wir bedauern dies sehr, zu-
mal wir wissen, dass gerade das Handwerk sowohl im
Ausbildungsbereich als auch bei der Schaffung von Jobs
stets ein verlässlicher Partner der Politik war und Ihre Un-
terstützung verdient hätte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenig überlegt und kaum durchdacht erscheinen der

CDU/CSU die Aktivitäten der Bundesregierung im Be-
reich von Computertechnologie und Internet. Von dem
peinlichen und gebrochenen Versprechen, jedem Schüler
einen Laptop zu geben, habe ich bereits berichtet. Die
Green-Card-Initiative ist bei den deutschen Technologie-
und Kommunikationsunternehmen gescheitert. Vier Mo-
nate nach In-Kraft-Treten der Regelung ist der Anteil der
mit Green Card Beschäftigten sehr gering. Beispielsweise
sind von den 200 000 Mitarbeitern des Unternehmens Te-
lekom gerade einmal 20 über eine Green Card beschäftigt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie viel?)

– 20 von 200 000, Herr Kollege! – Sprachprobleme wer-
den als Haupthindernis für die Einstellung genannt. Hätte
man nicht vorher wissen können, dass Ausländer nicht
perfekt Deutsch sprechen? Hätte man nicht eine sinnvolle
Regelung schaffen können, durch die auch anderen Be-
reichen Rechnung getragen worden wäre?

Ich stelle fest: Für uns ist der Wettbewerb um die bes-
ten Köpfe nicht in erster Linie ein Problem des Auslän-
derrechts. Entscheidend, sozusagen der Schlüssel, ist viel-
mehr die Standortattraktivität Deutschlands für alle, für
Inländer wie für Ausländer.

Den Green-Card-Flop versucht die Bundesregierung
jetzt mit Geldgeschenken auszumerzen. 15Millionen DM
gibt der Wirtschaftsminister unter dem Motto „Internet
für alle“ aus. Damit sollen alle gesellschaftlichen Grup-
pen bürgernah und effizient – in diesem Sinne ist es zu-
mindest im Haushaltsgesetz formuliert – über den Um-
gang mit dem Internet informiert werden. Ich garantiere
Ihnen: Bevor der erste Förderantrag bewilligt ist, hat sich
das Internet so verändert, dass die Beamten im Ministe-
rium schon gar nicht mehr wissen, was da läuft. Ihre Ini-
tiative ist völlig unsinnig!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Auch in anderen Bereichen ist es nicht besser: Bei-
spielsweise ist die Einrichtung einer Notebook-Univer-
sity im Haushalt des Forschungsministeriums mit 50 Mil-
lionen DM etatisiert. Das ist Aktionismus ohne Plan und
Verstand. Ein Konzept ist keinesfalls zu erkennen.

Ich glaube nicht – das will ich an dieser Stelle aus-
führen –, dass diese Bonbons für Technologieunterneh-
men dem Standort Deutschland wesentlich helfen. Wer
wie die rot-grüne Regierung eine Steuerreform zulasten
der kleinen und mittelständischen Unternehmen und da-
mit zulasten der Technologieunternehmen durchgeführt

hat, der schadet der New Economy mehr, als er ihr mit
Pflästerchen helfen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer gerade kleine und mittelständische Technologie-
unternehmen in der Steuerpolitik benachteiligt, der macht
deutlich, dass seine Steuerpolitik innovations- und damit
arbeitsplatzfeindlich ist. Das kann man nicht damit aus-
gleichen, dass man hier einmal 1 Million oder da einmal
ein Programm organisiert. Eine grundlegende Problemlö-
sung wäre angebracht.

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung be-
absichtigt, im kommenden Jahr einen Betrag von rund
15 Milliarden DM auszugeben. Die CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion bedauert es, dass der politische Nutzen trotz
dieses anerkannt hohen Betrags außerordentlich gering
ist. Noch nie wurde im Bereich Bildung und Forschung
mit so viel Geld so wenig erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir halten die Schwerpunkte für falsch gesetzt und die
Politik für verfehlt. Die Amtsinhaberin hat abgewirt-
schaftet.

Unsere Anträge zu Bildung und Forschung mit einem
Volumen von etwa 1 Milliarde DM – Schwerpunktberei-
che sind Projektförderung, Hochschulbau und Genom-
initiative – wurden abgelehnt. Die Ausrichtung Ihrer Po-
litik insgesamt und die falsche Struktur dieses Haushalts
lassen uns daher zu dem Schluss kommen, diesen Etat ab-
zulehnen. Wir tun das mit großer Überzeugung.

Zum Abschluss meiner Rede will ich Ihnen deutlich
machen, dass wir Sie, Frau Ministerin, an einem Punkt
gerne unterstützen möchten, auch wenn wir Ihre Politik
insgesamt ablehnen: In diesen Tagen war in den Zeitun-
gen zu lesen, dass der Stadtbaurat Berlin-Mitte dem Bun-
desministerium für Bildung und Forschung untersagt hat,
die deutsche Flagge vor seinem Haus zu hissen. Ich muss
Ihnen sagen: Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung
halte ich es für eine Schweinerei, wenn ein PDS-Stadtrat
einer Bundesbehörde verbieten will, die Flagge des wie-
dervereinten Deutschlands vor ihrem Haus aufzuziehen,


(Hans Georg Wagner [SPD]: Auch die europäische!)


weil dort schon so viele andere Flaggenmasten stehen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Wir sagen Ihnen in dieser Angelegenheit unsere volle Un-
terstützung zu. Wir halten die Flagge Deutschlands für ein
gutes Symbol des wiedervereinten Deutschlands. Dieses
Land ist toll. Es wird nur zu mies regiert, und das nicht nur
im Bereich Bildung und Forschung.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413800200
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, der Kollege Dr. Riesenhuber feiert heute

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Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des ganzen Hau-
ses.


(Beifall)

Ich vermute, Herr Kollege, dass Sie dieser Debatte mit
großem Interesse und an mancher Stelle mit Verwunde-
rung folgen.


(Heiterkeit)

Jetzt hat die Kollegin Siegrun Klemmer, SPD-Frak-

tion, das Wort.


Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1413800300
Sehr geehrte Frau Präsi-
dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser
lauten morgendlichen Rede des Kollegen Kampeter will
ich mich bemühen, zu den haushaltspolitischen Realitäten
des Einzelplans 30 zurückzukehren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bildung und Wissenschaft sind die beste und wich-
tigste Investition in unsere Zukunft, in die Zukunft
jedes einzelnen Bürgers, in die Zukunft unserer
ganzen Gesellschaft.

Das hat Bundespräsident Johannes Rau am 14. Juli
2000 auf dem ersten Kongress des Forum Bildung in Ber-
lin gesagt. Weil die Regierungskoalition mit dem Bundes-
präsidenten ausdrücklich einer Meinung ist, zählt der Ein-
zelplan Bildung und Forschung eindeutig zu den
Gewinnern im Haushaltsaufstellungsverfahren für 2001.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das glauben Sie ja selbst nicht!)


Gewinner ist damit auch die deutsche Hochschul- und
Forschungslandschaft, sind die Studierenden und ist der
wissenschaftliche Nachwuchs.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir legen heute ei-
nen Einzelplan vor, dessen Plafond sich auf nahezu
16 Milliarden DM beläuft. Das sind 1,38 Milliarden DM
bzw. 9,5 Prozent mehr als im laufenden Haushaltsjahr.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bereits im Entwurf waren zusätzlich 780 Millionen DM
vorgesehen, was einem Aufwuchs von 5,3 Prozent ent-
sprochen hätte. Dank den aus den UMTS-Versteige-
rungserlösen resultierenden Zinsminderausgaben stehen
für Bildung und Forschung im Rahmen des bis zum Jahre
2003 befristeten Zukunftsinvestitionsprogramms 1,8 Mil-
liarden DM – das sind jährlich 600 Millionen DM mehr –
zur Verfügung.

Herr Kollege Kampeter, die Verwendung dieser aus
den Zinsminderausgaben resultierenden Mittel ist durch-
aus einvernehmlich zwischen dem BMBF und der Regie-
rungskoalition festgelegt worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Aha!)


Ich will mich heute vor allen Dingen auf die neuen Ak-
zente kaprizieren, weil ich die anderen Veränderungen be-

reits während der ersten Lesung angesprochen habe. Die
UMTS-Zinsersparnisse investieren wir in vier Bereiche.
Erstens heben wir die Zukunftsinitiative Hochschule
aus der Taufe, ein Projekt, das bis zum Jahr 2003 einen
Umfang von 1 Milliarden DM haben wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Zukunftsinitiative beinhaltet vier große Themenbe-
reiche.

Den ersten bildet das virtuelle Hochschulprojekt, das
die Qualität multimedialer Lehr- und Lernformen durch
den verstärkten Einsatz neuer Medien substanziell ver-
bessert. Aufbauend auf diesen multimedialen Lehrange-
boten wird es künftigen Studierenden möglich sein, ein
komplettes Studienangebot computergestützt und über
das Netz online wahrzunehmen. Darüber hinaus soll eine
Notebook-University ein Onlinestudium über ein lokales
Verbundnetz ermöglichen.

Ein weiterer Schritt in unseren Bemühungen, Deutsch-
land im Bereich der Informationstechnologien in der
weltweiten Spitze zu etablieren, ist die Gründung eines
Instituts für Informationstechnologie GMD-IT in St. Au-
gustin. Dieses Institut wird zur wachsenden Verzahnung
von Hochschulen und außeruniversitären Forschungsein-
richtungen beitragen.

Den zweiten Kern der Zukunftsinitiative Hochschule
stellt das Projekt zur Aufwertung des Wissenschaftsstand-
ortes Deutschland dar – Brain Gain statt Brain Drain.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was ist denn das?)


– Herr Kollege Kampeter, wenn Sie die semantischen
Spielchen wiederholen wollen, die Sie peinlicherweise im
Ausschuss getrieben haben, sage ich Ihnen: Wenn Sie das
nicht verstehen, haben Sie sich vielleicht den falschen
Ausschuss ausgesucht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])


Internationalität ist gerade im Wissenschafts- und For-
schungsbereich notwendige Voraussetzung, dabei über-
haupt minimal mitzureden.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das sagt jemand, der nicht rechnen kann!)


Diese Initiative soll die deutschen Wissenschaftseinrich-
tungen attraktiver für Spitzenforscher aus dem In- und
Ausland machen, indem sie zum Beispiel ihre Ausstattung
und ihre Mitarbeiter für Forschungsprojekte mitbringen
können. Darüber hinaus soll talentierter Nachwuchs mehr
Möglichkeiten zu eigenständiger Forschung haben, was
durch Ausbildungspartnerschaften zwischen in- und
ausländischen Hochschulen gefördert werden soll. Wir
korrigieren die Fehler, die die heutige Opposition
während ihrer wahrlich ausreichend langen Amtszeit be-
gangen hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Vizepräsidentin Anke Fuchs

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Da nützt es nichts, dass Sie sich, kaum aus der Regie-
rungsverantwortung entlassen, als eifrige Kreuzritter zur
Rettung der deutschen Wissenschaft und Forschung ex-
ponieren. Sie haben Fehlentwicklungen zu verantworten
und wir machen sie rückgängig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das ist sehr einfach, Frau Kollegin!)


Der dritte Teil betrifft die Forschungszentren an den
Hochschulen. Wir wollen den bisherigen Wettbewerbs-
nachteil deutscher Forschungszentren in einen Wettbe-
werbsvorteil ändern, indem wir Forschungszentren an
besonders leistungsfähigen Hochschulen mit Anschub-
finanzierung unterstützen und so die Voraussetzungen da-
für schaffen, dass Spitzenforscherinnen und -forscher
demnächst wieder in unserem Land bleiben, wo sie drin-
gend benötigt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das vierte Projekt ist ein bundesweites Netzwerk für
Patentierungen und Neugründungen. Wir schaffen so
die Möglichkeit, das vorhandene wissenschaftliche Po-
tenzial zeitnah in ökonomischen Profit umzusetzen.

Der zweite durch UMTS-Mittel geförderte Schwer-
punkt sieht die Schaffung eines nationalen Genomfor-
schungsnetzes vor. Keine andere Forschungsrichtung hat
in den vergangenen Jahren eine solche Dynamik erfahren
wie die Genomforschung. Noch 1990 ahnte niemand,
dass die Erbanlagen des Menschen bereits zehn Jahre spä-
ter nahezu vollständig entschlüsselt sein würden. Die
neuen Chancen, die diese Forschung bietet, sollen zum
Wohl unserer Bevölkerung aktiv nutzbar gemacht wer-
den. So genannte Volks- und Erbkrankheien – Alzheimer,
Krebs, Aids, Epilepsie und Demenz – können nur durch
ein höheres Tempo bei der Funktionsanalyse bekämpft
werden. Deshalb werden wir im kommenden Jahr
100 Millionen DM und weitere 250 Millionen DM für
2002 und 2003 in den Einzelplan 30 einstellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Addiert man alle Mittel, einschließlich der für die Pflan-
zengenomforschung, stehen bereits im kommenden Jahr
244 Millionen DM für die Genomforschung in Deutsch-
land zur Verfügung.

Es ist mir ein ganz persönliches Anliegen, zu erwäh-
nen, dass wir während der Haushaltsberatungen durchge-
setzt haben, den Anteil der Mittel für Forschungsprojekte
zu ethischen, sozialen und rechtlichen Fragen der Ge-
nomforschung und zum Diskurs mit der Öffentlichkeit
von 3 auf 5 Prozent anzuheben.


(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Wir sind uns gerade auf diesem relativ neuen For-

schungsgebiet der politischen Verantwortung bewusst,
die auch der Kanzler am Mittwoch dieser Woche mit sei-
nem Vorschlag einer großen parlamentarischen Debatte
zu diesem Thema aufgegriffen hat. Die gesamte Thema-
tik bewegt viele Menschen, nicht nur die, die auf Heilung
warten oder auf die Vermeidung schwerster Krankheiten

hoffen. Darum ist ein breiter gesellschaftlicher Dialog
nötig. Es ist begrüßenswert, dass das BMBF das Jahr 2001
als Jahr der Lebenswissenschaften initiiert hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die dritte Initiative kommt den neuen Bundesländern
zugute, in denen wir innovative regionale Wachstums-
kerne fördern werden. Wir knüpfen hier an ein anderes
von uns initiiertes Programm, den Inno-Regio-Wettbe-
werb, an. Der Zuspruch in den neuen Ländern zu diesem
Projekt war enorm. Er war derart positiv, dass es ange-
zeigt ist, hier entsprechend nachzulegen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In den kommenden drei Jahren stehen je 50 Milli-

onen DM für die Erschließung von Innovationspotenzia-
len und die Etablierung von Kompetenzzentren zur Ver-
fügung. Dieses Projekt ist beispielhaft für die Priorität, die
die neuen Bundesländer für uns besitzen. Wir tragen dazu
bei, eine hochmoderne Forschungsstruktur zu etablieren,
die innerhalb Europas deutlich konkurrenzfähig ist.

Beim vierten UMTS-Projekt nehmen wir uns der Be-
rufsschulen in Deutschland an. Die Situation der Berufs-
schulen ist Ihnen allen aus Ihren Wahlkreisen bekannt.
Meine Fraktion ist sich hier ihrer bundespolitischen Auf-
gabe bewusst. Wir wollen nicht auf der einen Seite ein So-
fortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und
für mehr Ausbildungsplätze anschieben, ohne auf der an-
deren Seite gleichzeitig die mediale Infrastruktur der
Berufsschulen zu verbessern. Sobald die nötige Verwal-
tungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ausgear-
beitet sein wird, stehen in den kommenden zwei Jahren
255 Millionen DM für eine Modernisierung der Ausstat-
tung bereit.

Der wesentliche Akzent neben diesem Zukunftsinves-
titionsprogramm ist die überfällige BAföG-Reform.Herr
Kollege Kampeter und liebe Bildungspolitiker und Bil-
dungspolitikerinnen der Opposition, da sollten Sie nicht
an unserer Reform herummäkeln und lamentieren, dass
das nicht genug sei,


(Uta Titze-Stecher [SPD]: Mitmachen!)

sondern Sie sollten sich schlicht und ergreifend vergegen-
wärtigen, wie das BAföG während Ihrer 16-jährigen Re-
gierungszeit deformiert worden ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Flach [F.D.P.]: Aber ihr wolltet es doch besser machen!)


1998 erhielten nur noch 340 000 Personen staatliche
Ausbildungsförderung, während es Anfang der 90er-Jah-
re noch 605 000 waren.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bei uns sind über 2 Milliarden DM ausgegeben worden! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie viel Geld war das denn?)


– Das werde ich Ihnen gleich erzählen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Siegrun Klemmer
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(B)


Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich mit dem Vor-
wurf des Kollegen Kampeter im gestrigen „Handelsblatt“
aufräumen, dass eine Trendwende beim BAföG bisher
nicht zu beobachten sei.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr gute Bemerkung!)


Dazu will ich Ihnen auf der rechten Seite des Hauses ein-
mal vortragen, wie sich Ihre Mittelansätze von 1991 bis
1998 entwickelt haben: 1991 waren es 2,5 Milliar-
den DM, 1993 2,2Milliarden DM, 1994 2Milliarden DM,
1995 1,8 Milliarden DM und 1997 1,5 Milliarden DM.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Tolle Steigerungsrate! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Lesen Sie doch einmal die Zahlen seit dem Regierungswechsel vor! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie ist es denn zurzeit? 900 Millionen!)


– Bleiben Sie ganz ruhig; ich komme gleich darauf zu
sprechen. – Dass damit auch ein kontinuierlicher Rück-
gang der Empfängerzahlen verbunden ist, das versteht
sich von selbst. Auch der an gleicher Stelle kritisierte Mit-
telabfluss für 1999 und 2000 bewegt sich mit 96 bzw. mit
93 Prozent im langjährigen Normalmaß.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Absolute Zahlen!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, erwarten Sie im
Ernst, dass die Studierenden nach diesen deprimierenden
Erfahrungen jetzt plötzlich die BAföG-Ämter erstürmen?
Das wird natürlich nicht der Fall sein. Es wird einer bun-
desweiten Informationskampagne bedürfen, um für eine
neuerliche Akzeptanz des BAföGs zu werben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nun korrigieren wir diese Fehlentwicklung und stellen
den Studierenden pünktlich zum Sommersemester 2001
alles in allem 1 Milliarde DM mehr zur Verfügung.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ach, zum Sommersemester erst?)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413800400
Frau Kollegin, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kampeter?


Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1413800500
Ich habe dem Kollegen
Kampeter das alles in mehreren Ausschussberatungen
ausführlich erläutert, andere auch. Ich glaube, dass er an
einer Aufklärung nicht interessiert ist. Das hat auch seine
Rede heute Morgen hier bewiesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Unsere BAföG-Reform wird den Anteil der Förde-
rungsempfänger an der Gesamtstudierendenzahl von
20 auf 25 Prozent erhöhen. Im Einzelnen beinhaltet die
Reform eine Reihe von nennenswerten Verbesserungen,
von denen ich nur kurz einige vortragen möchte: Die Be-
darfssätze erhöhen sich um durchschnittlich 6 Prozent,
der Höchstfördersatz sogar um 7,3 Prozent von 1 030 DM

auf 1 105 DM. Das Kindergeld wird bei der Berechnung
des Anspruchs nicht mehr auf das Einkommen angerech-
net. Die Förderleistungen in den alten und in den neuen
Ländern werden zehn Jahre nach der Wiedervereinigung
endlich vereinheitlicht. Wir führen eine Rückzahlungs-
obergrenze von 20 000 DM für die Gesamtdarlehensbe-
lastung ein. Das Studium in Deutschland und in der EU
wird gleichbehandelt.

Neben dem BAföG stocken wir, wie versprochen, die
Mittel für den Hochschulbau auf. Denn die Infrastruktur
an den deutschen Hochschulen ist von Ihnen jahrelang
sträflich vernachlässigt worden. Ich muss Sie daran erin-
nern, dass wir von Ihnen 1998 im Rahmen dieses Titel ei-
nen Ansatz von 1,8 Milliarden DM geerbt haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)

Wir waren es, die die Mittel für den Hochschulbau
zunächst auf 2 Milliarden DM und jetzt auf 2,215 Milli-
arden DM erhöht haben. Allerdings tragen wir eine von
Ihnen verursachte Altlast ab, um die Vorleistungen der
Bundesländer auszugleichen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weil einzelne Länder nicht mehr konnten!)


Dies tun wir in jährlichen Raten. Die Rate für 2001 haben
wir noch einmal um 65 Millionen DM angehoben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zur Förderung der IuK-Technologien, zur Erhöhung
der institutionellen und der Projektförderung und zu der
Selbstverständlichkeit – das will ich ausdrücklich beto-
nen –, mit der wir unseren internationalen Verpflichtun-
gen bei der Europäischen Weltraumorganisation nach-
kommen, habe ich anlässlich der Einbringung des
Haushaltes das Nötige gesagt.

Der Einzelplan 30 setzt ein dickes Ausrufezeichen. Bei
anhaltender konsequenter Haushaltskonsolidierung ha-
ben wir das Feld der Zukunftsbereiche Bildung und For-
schung bestens bestellt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Daher dürfte es Ihnen eigentlich nicht schwer fallen, ei-
nem Haushalt zuzustimmen, nach dem Sie sich während
Ihrer Regierungszeit alle zehn Finger geleckt hätten. Da-
rum bitte ich Sie: Stimmen Sie dem Einzelplan 30 in der
Ausschussfassung zu.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413800600
Jetzt hat der Kollege
Steffen Kampeter das Wort zu einer Kurzintervention.


Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1413800700
Frau Kollegin
Klemmer, Sie haben behauptet, beim BAföG sei alles bes-
ser, seitdem Sie regierten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will noch einmal kurz die Tatsachen feststellen: In den
90er-Jahren, also während der Regierungsverantwortung

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Siegrun Klemmer

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der CDU/CSU, lagen die BAföG-Ausgaben immer über
rund 2 Milliarden DM. Der diesbezügliche Haushalts-
ansatz liegt heute bei rund 1 Milliarde DM.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Hinzu kommen einige bei der Deutschen Ausgleichsbank
ausgelagerte Mittel. Ich stelle fest, dass für das BAföG
unter der Regierungsverantwortung der CDU/CSU mehr
Geld ausgegeben worden ist, als Sie derzeit hier veraus-
gaben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens stelle ich fest: Sie haben im Frühjahr 1999

angekündigt, dass Sie eine große BAföG-Struktur-
reform durchführen wollen, um an die Höhe der Ausga-
ben für BAföG während der Verantwortung christdemo-
kratischer Regierungschefs heranzukommen. Bis heute,
also Ende 2000, liegt kein entsprechender Gesetzentwurf
vor. Sie haben sich mit Ihrem Koalitionspartner nur darauf
einigen können, eine Mininovelle durchzuführen und die
strukturellen Veränderungen beim BAföG auf die nächste
Legislaturperiode zu verschieben.


(Lachen des Parl. Staatssekretärs WolfMichael Catenhusen)


Das sind die Tatsachen, über die Sie die Öffentlichkeit
falsch aufgeklärt haben und die ich deswegen gerade stel-
len musste.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413800800
Frau Kollegin
Klemmer, möchten Sie darauf antworten?


Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1413800900
Nein.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413801000
Dann erteile ich jetzt
das Wort der Kollegin Ulrike Flach für die F.D.P.-Frak-
tion.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1413801100
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Herr Kampeter, Sie haben gleich die Gele-
genheit, dem F.D.P.-Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir
sind auf Ihr Verhalten gespannt, es ist eine namentliche
Abstimmung.


(Beifall der Abg. Cornelia Pieper [F.D.P.])

Meine Damen und Herren, Etatberatungen nach zwei

Jahren einer Legislaturperiode haben immer einen beson-
deren Reiz. Sie lassen den roten Faden bildungspoliti-
scher Entscheidungen klarer erkennen und geben Gele-
genheit, Anspruch und Wirklichkeit zu vergleichen. Sie,
Frau Bulmahn, haben das auch getan. Wir haben vor we-
nigen Tagen Ihre Halbzeitbilanz mit dem wunderbaren Ti-
tel „2:0 für Bildung und Forschung“ übersandt bekom-
men.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist mutig, aber deutlich mit der rosaroten Brille ge-
sehen. Es ist Ihnen zwar ganz offensichtlich gelungen,
Treffer bei der Verteilung der Goldregensumme aus
der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Ihre Scheune
hineinzuleiten – dazu gratuliere ich Ihnen –,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Danke schön!)


aber Sie haben nicht einmal Abstaubertore beim Thema
Reformen erzielt.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Beim Halbzeitpfiff haben Sie sich von allen großen Re-

formvorhaben verabschiedet: Die angekündigte BAföG-
Strukturreform kommt nicht. Sie reparieren statt zu
reformieren. Die Reform des Hochschuldienstrechts
bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück. Ihre Com-
puteraktion im August ist bereits im Sommerloch ver-
schwunden – Herr Kampeter hat darauf hingewiesen –,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Weihnachtsmann kommt nicht!)


bei der Sie jedem Schüler einen Laptop versprochen ha-
ben. Davon sind ganze sechs Modellprojekte in Hamburg
übrig geblieben.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die Reform des Hochschulbauförderungsgesetzes

ist noch nicht einmal im Ansatz zu erkennen und – man
kann es nur immer wieder in Erinnerung rufen, schließ-
lich haben Sie damit die Wahl 1998 gewonnen – Sie woll-
ten in dieser Legislaturperiode die Investitionen in Bil-
dung und Forschung verdoppeln, Frau Bulmahn. Davon
sind Sie meilenweit entfernt.

Sie haben den Haushaltsansatz des BMBF in Ihrer Re-
gierungszeit um 12,4 Prozent gesteigert. Das ist schön,
aber, gut gebildet, wie wir alle sind, wissen wir, dass das
genau 87,6 Prozent am eigenen Anspruch vorbei ist.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, zur Reform des Hoch-

schuldienstrechts schreiben Sie in Ihrer Halbzeitbilanz:
Die Zeit ist reif für Veränderungen. Der jetzt stattfin-
dende Generationswechsel an den Hochschulen ist
eine Chance, die wir nutzen müssen.

Ja, dann nutzen Sie sie auch, Frau Bulmahn, zu einer
wirklichen Reform, wie die F.D.P. sie vorgelegt hat.


(Michael Müller [Düsseldorf)] [SPD]: Man

merkt es nur nicht!)

Setzen Sie Pflöcke: Schaffen Sie das Beamtentum an den
Hochschulen ab.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Stellen Sie Universitäten und Fachhochschulen gleich,
weiten Sie die leistungsbezogenen Elemente im Gehalt
aus, führen Sie die Juniorprofessuren ein, aber ohne die
bewährte Habilitation gleich gänzlich abzuschaffen, und
lösen Sie sich von Ihrer geradezu tödlichen Fixierung auf

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Steffen Kampeter
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die Kostenneutralität. Eine wirkliche Reform, Frau
Bulmahn, kostet Geld und ist mit kosmetischen Repara-
turen nicht zu schaffen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon wieder Schulden erhöhen!)


Das weiß man natürlich auch in Ihrer Fraktion, deswe-
gen war die Begeisterung – Frau Klemmer hat es soeben
vorgetragen – in Ihren eigenen Reihen über die Steigerung
der Mittel für den Hochschulbau nicht verwunderlich.
Sie stellen im Haushaltsjahr 2001 2,215 Milliarden DM
ein. Was heißt das aber in der Praxis? Viele Bundesländer,
besonders im Osten, können die 50-prozentige Kofinan-
zierung gar nicht erbringen. Entsprechend fließen die Mit-
tel in diese Länder überhaupt nicht ab. Dies muss man vor
dem Hintergrund des vom Wissenschaftsrat ermittelten
enormen Investitionsstaus gerade in Ostdeutschland se-
hen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Gewinner sind die westlichen Länder, nämlich Baden-
Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern.
Wenn Sie das nicht ändern, Frau Bulmahn, zementieren
Sie einen Hochschulbau der zwei Geschwindigkeiten.

Wir haben in unserem Antrag – es ist ein schöner
F.D.P.-Antrag – ein Hochschulsonderprogramm gefor-
dert, das die Kofinanzierung zugunsten der Länder ver-
schiebt.


(Jörg Tauss [SPD]: Ein prächtiger Antrag, nur nicht finanzierbar!)


Mit diesem Sonderprogramm knüpfen wir übrigens an die
alten möllemannschen Erfolgszeiten an, Herr Tauss.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Joachim Poß [SPD]: Herr Möllemann hatte auch immer solche Anträge!)


Der Bund muss sich stärker engagieren. Was haben Sie
getan? – Sie haben das abgelehnt.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Richtig! – Joachim Poß [SPD]: Die F.D.P. konnte noch nie mit Geld umgehen!)


Besonders enttäuscht hat mich allerdings Ihr Ein-
knicken beim BAföG. Mit der 21. Novelle sollte doch
eine Systemumstellung hin zu einer elternunabhängigen
Förderung und zu einer Veränderung des Verhältnisses
von Zuschuss und Darlehen für Geförderte aus einkom-
mensschwachen Familien erreicht werden. Nichts ist da-
raus geworden. Stattdessen haben Sie den Betrag in der
Spitze um 75 DM – das muss man sich einmal auf der
Zunge zergehen lassen – angehoben und die Freibeträge
gesenkt. Sie haben eben nicht den großen Wurf für eine
Absicherung unserer Studierenden gemacht, sondern nur
ein kleines Reparaturnovellchen auf die Schiene gebracht.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


Die F.D.P. hat einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.
Wir wollen eine einkommensunabhängige Grundförde-

rung von 500 DM, eine einkommensabhängige Ausbil-
dungsbeihilfe von maximal 350 DM und ein unverzinsli-
ches Darlehen von bis zu 750 DM. Diese Gelder sollen di-
rekt an die Studierenden ausgezahlt werden.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich freue mich, dass in den Reihen der CDU in dieser
Frage offensichtlich eine leichte Lockerung entsteht. Wir
werden gleich sehen, wer wie abstimmt.

Wir behandeln die Studierenden als mündige Erwach-
sene, die selbst über ihren Ausbildungsgang entscheiden.


(Beifall der Abg. Angela Marquardt [PDS])

Das soll nicht nur beim BAföG so sein. Das wollen wir

auch mit unserem Bildungsscheck-Modell. Denn Studie-
rende sind Kunden der Hochschulen. Das müssen wir, die
Politiker, organisatorisch untermauern. Jeder Abiturient
soll mit seinem Bildungsscheck an die Hochschule seiner
Wahl gehen dürfen. Dorthin sollen die Gelder fließen.
Dann müssen die Hochschulen um die Studierenden, die
Kunden, konkurrieren. Wettbewerb ist ein uraltes libera-
les Grundverständnis, beflügelt das Geschäft und hebt die
Qualität.


(Beifall bei der F.D.P.)

Ich bin froh, dass diese alte Händlerweisheit inzwi-

schen auch bei der Bund-Länder-Kommission und sogar
bei einem leibhaftigen Landesminister Gehör gefunden
hat. Die Damen und Herren von der CDU werden es ge-
nauso wie ich gelesen haben: Sachsens Wissenschaftsmi-
nister spricht sich neuerdings für ein Bildungsgutschein-
system aus. Ich hoffe, Sie unterstützen uns bei dieser
Reform.


(Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Kluger Mann! – Jörg Tauss [SPD]: Und der Herr Zöllner hat es erfunden!)


Lassen Sie mich noch einige Aspekte zum For-
schungsbereich ansprechen. In der Genomforschung und
in der Gesundheitsforschung haben Sie die Mittel erhöht,
die Projektmittel für die Genomforschung sogar um
300 Prozent. Wir begrüßen das und unterstützen Projekte
wie Bio-Chance und Bio-Profile. Wir sehen aber auch,
dass zum Beispiel bei der Gen- und Biotechnologie ein
Flaschenhals entsteht: eine erfreulich breit angelegte For-
schung mit einer durch politische Willkürmaßnahmen
verengten Anwendung.


(Dr. Ilja Seifert [PDS]: Was hat das mit Willkür zu tun?)


Die Minister Fischer und Trittin blockieren bei der
Gentechnik Ihre Anstrengungen, Frau Bulmahn. Während
Sie strahlend unter dem Weihnachtsbaum auf Ihre
Genommillionen schauen, rutscht Ihnen der Knecht
Ruprecht Jürgen Trittin mit einer Kampagne für gentech-
nikfreie Schokolade durch den Kamin.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Alles lustig, aber fern der Wahrheit!)


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Ulrike Flach

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Wir lange wollen Sie noch schweigend die Kapriolen Ih-
rer Kabinettskollegen mit ansehen?


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413801200
Frau Kollegin, es be-
steht der Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen
Seifert.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1413801300
Aber selbstverständlich.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413801400
Bitte sehr, Herr Kol-
lege.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1413801500
Sehr verehrte Frau Kollegin,
Sie reden gerade von dem Flaschenhals, den Sie bei der
Anwendung der Gentechnologie sehen. Erkennen Sie
aber nicht, dass das kein Flaschenhals, sondern einfach
Angst ist, die bei den Leuten real existiert? Denn was man
durch Gentechnologie einmal anfängt, kann man nicht
zurückholen. Sehen Sie nicht, dass diese Ängste durchaus
berechtigt sind, dass man erst einmal die ethischen Fragen
klären muss, bevor man anfangen kann, das alles umzu-
setzen oder etwas freizusetzen?


(Beifall bei der PDS)



Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1413801600
Selbstverständlich sehe ich
diese Ängste. Welcher Politiker würde die Angst der
Leute nicht erkennen? Selbstverständlich müssen wir, die
Politiker, darauf reagieren. Aber wir forschen in diesem
Bereich. Wenn etwas erforscht ist, müssen wir es auch an-
wenden können und dürfen uns nicht vor Angst irgendwo
in eine Ecke zurückziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist sehr einfach! Eine sehr komische Vorstellung von Ethik! Diesen Standpunkt halten Sie nicht durch!)


– Natürlich. Wenn etwas erforscht ist und zu einem posi-
tiven Ergebnis gekommen ist, kann ich das anwenden.


(Beifall bei der F.D.P. – Sigrun Klemmer [SPD]: Das ist etwas anderes! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das könen Sie noch so laut behaupten, das stehen Sie nicht durch!)


Wenn die von der Bundesregierung eingesetzte Kommis-
sion dies befürwortet, dann sollte das getan und nicht aus
ideologischen Gründen unterlaufen werden.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das ist aber etwas anderes!)


Das gleiche Spielchen erleben wir bei der Fusionsfor-
schung. Herr Fell plädiert für einen Ausstieg aus dem
Projekt ITER. Ich freue mich, dass unsere Nachbarländer
dieses Papier offensichtlich nicht gelesen haben, denn es
gab in Brüssel ein klares Signal für ITER; leider verbun-
den mit den üblichen Vorbehalten von Ihnen, Frau
Bulmahn. Ich bitte Sie sehr, an diesen Zweifeln nicht fest-

zuhalten. Es kommt jetzt darauf an, die Fusionsforschung
auch im 6. Europäischen Forschungsrahmenprogramm zu
verankern.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine herzliche Bitte an Sie lautet: Grenzen Sie sich
eindeutig von grüner Forschungsverhinderung ab. Das
betrifft die Fusionsforschung genauso wie die Nuklear-
forschung traditioneller Prägung. Sie kann eben nicht
darin bestehen – wie Herr Fell es so schön sagt –, nur noch
„Mindestkompetenz“ zu erhalten.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch schon viel!)


Gerade von einer Regierung, die den Kernkraftausstieg
beschlossen hat, ist zu erwarten, dass sie weiterhin Fach-
kräfte für den Rückbau und die Lagerung radioaktiver
Materialien ausbilden lässt. Bei einer kerntechnischen
Anlage ist es nicht damit getan, den Aus-Schalter zu
betätigen. Wir brauchen Fachleute. Es ist ein beängsti-
gendes Signal, dass an den Hochschulen immer weniger
Kerntechniker und Nuklearphysiker ausgebildet werden.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Walter Hirche [F.D.P.]: Dann gibt es Green Cards für Sicherheitsleute!)


Glaubwürdigkeit in der Politik wird auch an der Ein-
haltung von Zusagen gemessen. Sie haben den großen
Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen hinsichtlich
ihrer Etats jährliche Steigerungsraten von 5 Prozent ver-
sprochen. Wir halten in unseren Anträgen das, was Sie
versprochen haben, Frau Bulmahn; Sie tun es nicht.

Hinzu kommt eine Entwicklung bei den Großfor-
schungseinrichtungen, die wir mit großer Sorge be-
trachten. Hier möchte ich Sie als Nordrhein-Westfälin
ganz direkt ansprechen: Wie wäre es, wenn Sie Herrn
Clement einmal aufforderten, in Sankt Augustin mit nord-
rhein-westfälischen Mitteln einzuspringen, damit wir das
durchführen können, was Sie hier in Berlin losgetreten ha-
ben, nämlich eine Großforschungseinrichtungsfusion, die
offensichtlich ganz eifrig und schnell passiert ist, ohne der
ganzen Sache auf den Grund zu gehen und den Bereich
abzusichern, den wir als Schlüsseltechnologie für das
nächste Jahrhundert bezeichnen?


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Natürlich kommt von Ihnen immer: Eure Vorschläge

kosten viel Geld. Wo wollt ihr denn sparen? Lassen Sie es
mich zum Abschied ganz klar und deutlich sagen:


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Haben Sie „Abschied“ gesagt?)


Die F.D.P. will bei der Bildung nicht sparen.

(Beifall bei der F.D.P. und der PDS)


Bildung ist Freiheit und wer an Bildung spart, beschnei-
det die Freiheit künftiger Generationen.


(Beifall bei der F.D.P. und der PDS – Hans Georg Wagner [SPD]: Das stimmt! Das haben Sie 16 Jahre lang gemacht!)


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Wer an Bildung spart, wird später für Folgewirkungen
doppelt und dreifach bezahlen.


(Joachim Poß [SPD]: Wollen Sie nicht die Steuern senken?)


– Herr Poß, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass unsere
Bildungsminister nicht gespart haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Bitte?)

– Ich rede von den Liberalen, nicht von den anderen.


(Jörg Tauss [SPD]: Der Herr Laermann! Wie lange war der Herr Laermann im Amt? Sechs Wochen oder zwölf? – Joachim Poß [SPD]: Wenn Sie Steuern senken, wie wollen Sie dann alles finanzieren?)


Das, was Sie uns heute vorlegen, entspricht zwar den
Verkündigungserwartungen eines Medienkanzlers, Frau
Bulmahn, aber sicherlich nicht Ihrem eigenen Anspruch
– ich weiß, der ist hoch – und schon gar nicht dem, was
die Zukunft erfordert.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das war nicht zukunftsreif, das war rückwärts gewandt!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413801700
Jetzt hat der Kollege
Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der muss eigentlich nur sagen, was er immer in der Zeitung schreibt! Dann wird es eine Generalabrechnung mit der Regierung!)



Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413801800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir
haben gerade gehört, dass die F.D.P. bei der Bildung nicht
sparen will. Liebe Frau Kollegin, was wir Ihnen nicht
durchgehen lassen, ist, so zu tun, als hätten Sie in den
16 Jahren schwarz-gelber Regierungsverantwortung im
Bildungsbereich nicht gespart. Auch wenn Ihre Partei aus-
nahmsweise einmal nicht den Bildungsminister stellte,
haben Ihre Politiker sowohl das BAföG mit kaputtge-
macht als auch den Bildungsetat mit abschmelzen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Hierfür tragen Sie eine Mitverantwortung, aus der wir Sie
nicht entlassen werden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Warum haben uns die Leute dann eigentlich immer wieder gewählt?)


Der Kollege Kampeter hat hier eine Rede gehalten, die
relativ wenig Zahlen enthalten hat.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Gute Rede!)


Ich habe viel Verständnis für Ihre Gründe. Der Kollege
Kampeter ist der dienstälteste Berichterstatter für den Bil-
dungsbereich.


(Jörg Tauss [SPD]: Er hat aber nichts gelernt!)


Insofern wollen wir ihn einmal daran erinnern, was
während seiner Amtszeit so alles passiert ist.

Von 1993 bis 1998 ist der Bildungsetat um 4,6 Prozent
abgeschmolzen worden. Auch ohne Haushaltssanierung
ist der Bildungsetat unter der Verantwortung von Herrn
Kampeter zurückgegangen.


(Jörg Tauss [SPD]: Kampeter war das!)

Ich verstehe ja, dass Sie sich mit Ihren wegweisenden
Forderungen gegen Herrn Rüttgers nicht haben durchset-
zen können, aber so viel Redlichkeit gehört dazu, das
dann hier auch anzusprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Heißt das, dass Herr Kampeter unredlich ist?)


Seit 1998 ist der Bildungsetat, wenn man die BAföG-
Veränderungen, das heißt die Umbuchungen zur Aus-
gleichsbank, hinzuzählt, um 15 Prozent gewachsen. Ich
danke Herrn Kampeter, dass er uns dabei geholfen hat,
dass das passiert ist. Aber das ist ein Verdienst von Frau
Bulmahn und nicht von Herrn Rüttgers; das wollen wir
klar festhalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Kollege Austermann ist ja ein Meister darin, Zah-
len etwas schief darzustellen. Natürlich sind die BAföG-
Ausgaben in diesem Haushalt nominal niedriger als in den
früheren Haushalten. Aber der Hintergrund ist nicht etwa,
dass wir gespart hätten, sondern dass es eine strukturelle
Veränderung gab. Der Darlehensanteil des BAföG wurde
aus dem Bundeshaushalt herausgenommen und der Aus-
gleichsbank zugeordnet.


(Jörg Tauss [SPD]: Und hat zusätzliche Spielräume gebracht!)


Wenn Sie das alles zusammenrechnen

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Selbst dann kommen Sie nicht auf 2 Milliarden, Herr Berninger!)


und Ihren Referenten bitten, Sie demnächst besser zu in-
struieren, werden Sie feststellen, dass wir durch diese Ak-
tion mehr Spielräume für das BAföG geschaffen und nicht
beim BAföG gespart haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wann kommt denn die große BAföG-Reform nun endlich?)


Ich will damit sagen, dass es der rot-grünen Koalition
in den ersten zwei Jahren gelungen ist, die finanziellen
Spielräume für eine Bildungsreform zu schaffen. In den
nächsten zwei Jahren müssen wir darüber reden, diese fi-
nanziellen Spielräume zur Umsetzung der Bildungsre-
form auch tatsächlich zu nutzen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da sind wir aber mal gespannt!)


Ich fange an beim Thema BAföG. Es ist völlig richtig
und es ärgert uns alle, dass viele Studierende, die eigent-
lich BAföG-Empfänger hätten sein können, nicht zum

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BAföG-Amt gehen und BAföG nicht beantragen, obwohl
sie davon profitieren würden. Sie bekämen Zuschüsse, sie
bekämen zinsgünstige Kredite. Das heißt, sie würden,
wenn sie einen Förderantrag stellten, etwas davon haben.
Warum machen sie es nicht? Das BAföG hat an Image
verloren in dem Moment, als Herr Rüttgers begann, daran
herumzudoktern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dies ist der dritte Haushalt, in dem Sie es hätten ändern können, wenn es denn stimmen würde! Warum haben Sie es denn nicht geändert?)


Seit dem Tag, an dem Herr Rüttgers seinen Gesetzentwurf
eingebracht und den Darlehensanteil auf bankübliche
Darlehen umgestellt hat, ist das BAföG im absoluten
Steilflug nach unten.


(Jörg Tauss [SPD]: Wegen der Verzinsung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass wir

mit der BAföG-Reform, die wir vorgelegt haben, einen
Beitrag dazu leisten, dass es wieder attraktiver wird.
Warum?

Erstens. Es wird weniger bürokratisch. Wir sorgen
dafür, dass es leichter wird, einen BAföG-Antrag zu stel-
len, dass Schülerinnen und Schüler leichter nachvollzie-
hen können, wenn sie denn studieren wollen, wie viel An-
spruch sie beim BAföG haben.

Zweitens. Wir begrenzen die Darlehensbelastungen
nach oben. Das heißt, wir wollen den absoluten Schul-
denberg der Studierenden an dieser Stelle reduzieren.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es sollte doch schon längst in Kraft sein, Herr Berninger!)


– Dieser Gesetzentwurf hat das Kabinett passiert, er wird
auch den Deutschen Bundestag passieren, er wird auch
Zustimmung bei den Ländern finden. Das ist ein Schritt,
der das BAföG akzeptabler macht.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo ist das Bundesgesetzblatt, in dem das alles steht, was Sie ankündigen?)


– Der Kollege Kampeter kann mir gerne eine Zwi-
schenfrage stellen, sollte aber an dieser Stelle nicht dau-
ernd dazwischen blöken.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Im Frühjahr 1999 hat die Ministerin gesagt, dass das schon 1999 alles verabschiedet sein sollte!)


Nun hat hier jemand Platz genommen, zu dem ich auch
noch einen Satz sagen möchte, nämlich der Kollege
Hilsberg, der der Bildungsdebatte die ganze Zeit lauscht.
Stefan, du hast eine neue Position bekommen. Von dieser
Stelle aus wünsche ich dir alles Gute.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der ist ins Verkehrsministerium geflüchtet angesichts dieser Politik!)


Da ich weiß, dass du ein Anhänger des lebenslangen Ler-
nens bist und schon immer warst, glaube ich, dass du dich
auch in die neue Position als Staatssekretär im Verkehrs-
ministerium einarbeiten und dort Erfolge erzielen wirst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich muss es aber bedauern, dass du in der bildungspoliti-
schen Runde nicht mehr dabei ist. Das will ich an dieser
Stelle auch einmal sagen.

Wenn ich schon beim lebenslangen Lernen bin:

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Leider haben Sie noch nicht viel dazu gelernt, Herr Berninger!)


Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die CDU früher
bei der Bildung gespart hat, zusammen mit der F.D.P. Ich
freue mich aber darüber, lieber Herr Kollege Kampeter,
dass die CDU jetzt für das Bildungssparen ist, dass sie
einen Vorschlag unterstützt, den die Grünen in die Debatte
gebracht haben, nämlich Vorsorge von Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmern für Weiterbildung zu fördern, so
wie wir Bausparen gefördert haben.

Ich glaube, dass die rot-grüne Koalition – wenn die
CDU dabei ist, umso besser – hier ein gutes Instrument
einführen könnte, um gerade die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer mit einem geringen Einkommen, mit einem
Jahreseinkommen bei Verheirateten bis zu 70 000 DM,
besser zu fördern und um deren Anstrengungen, zum Bei-
spiel einen Internet-Führerschein zu machen oder eine
Sprache zu lernen, zu unterstützen, weil Bildung so wich-
tig ist wie ein Dach über dem Kopf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche mir, dass wir die zweite Hälfte der Legis-

laturperiode dazu nutzen, sowohl im Steuerrecht als auch
bei der Frage der Vermögensbildung dem Thema Bildung
stärker Geltung zu verschaffen,


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: So stark wie die gescheiterte BAföG-Reform?)


um so zusätzliche Spielräume für das lebenslange Lernen
zu schaffen.

Meine Damen und Herren, es ist vorhin gesagt worden,
die Politik von Herrn Rüttgers sei fortgesetzt worden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war nämlich eine gute Politik!)


Das hat mich wirklich erschreckt und erschüttert. Wir ha-
ben beim BAföG die Politik von Herrn Rüttgers nicht
fortgesetzt, sondern das Gegenteil gemacht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Berechtigt!)


Wir haben beim Hochschulbau geplünderte Kassen vor-
gefunden. Deswegen haben wir die Mittel dafür jedes Jahr
aufgestockt.

Kollegin Flach, Sie haben behauptet, die Länder Ba-
den-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz würden

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beim Hochschulbau das Geld abgreifen, das eigentlich in
die neuen Länder fließen sollte. Ich möchte Sie fragen:
Wer regiert denn da eigentlich? Wer greift das denn ab?


(Ulrike Flach [F.D.P.]: Es geht doch um das System!)


Die F.D.P. ist in allen drei Ländern noch in der Regie-
rungsverantwortung. Wenn Sie zulasten des Bundes ver-
schieben, dann werden diese Länder noch mehr Gelder
abziehen können und werden sich aus den Kassen für den
Hochschulbau bedienen, wie sie es schon unter Rüttgers
getan haben. Ich sage Ihnen ganz klar: Das machen wir
nicht mit. Wir wollen, dass die Mittel zwischen allen Län-
dern fair aufgeteilt werden und dass das aufhört, was Sie
eingeführt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Mit seiner Personalstrukturreform ist Herr Rüttgers
beim Bundesinnenminister abgeblitzt, dass es nur so ge-
kracht hat. Auch in diesem Bereich setzen wir die Politik
von Herrn Rüttgers nicht fort; vielmehr werden wir ein
modernes Dienstrecht für unsere Hochschulen einführen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wenn wir schon ein modernes Dienstrecht für die
Hochschulen einführen, dann sollten wir die Schulen da-
bei nicht vergessen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Alles nur Ankündigungen! Davon steht nichts im Gesetzblatt!)


Die konservative Regierung hat mit dem Bundesbesol-
dungsrecht über Jahre hinweg auch Schulpolitik gemacht.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Auch nur Ankündigungen! Davon steht nichts im Gesetzblatt!)


Sie hat zum Beispiel Beförderungen im Grundschul-
und im Hauptschulbereich verhindert. Die Aufgabe die-
ser Koalition ist, eine vernünftige Schulpolitik zu machen
und durch ein neues Besoldungsrecht die Leistungen der
Lehrerinnen und Lehrer gerade im Grundschul- und
Hauptschulbereich mehr anzuerkennen als bisher. Das
werden wir uns vornehmen. Wenn Sie von Ankündigun-
gen sprechen, dann sage ich Ihnen: Wir lassen uns am
Ende der Legislaturperiode messen. Ich verspreche Ihnen:
Es wird ein vernünftiges und modernes Dienstrecht für
die Hochschulen und – hoffentlich – auch für die Schulen
in Deutschland geben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Der Kollege Rüttgers hatte noch nicht einmal einen
Computer mit E-Mail-Anschluss in seinem Büro, als er
das Bildungsministerium verlassen hat.


(Heiterkeit bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Hätte auch nichts genutzt! Er hätte ihn nicht bedienen können! – Zuruf von der CDU/CSU: Herr Tauss, blasen Sie sich nicht so auf!)


Insofern bin ich froh, dass das Bildungsministerium jetzt
eine neue Politik macht, mit der das Internet, das für das
zukünftige Bildungswesen wichtig sein wird, stärker ge-
fördert wird.

Wir haben durchgesetzt, dass die Berufsschulen im IT-
Bereich besser ausgestattet werden. Die Berufsschulen
waren die Schulen, die bisher in diesem Bereich am
schlechtesten ausgestattet waren. Jetzt kommt es auf die
Länder an. Ich bin gespannt, ob sie Geld auf unser IT-
Förderprogramm drauflegen, damit wir es tatsächlich
schaffen, die Schulen, die bisher am schlechtesten ausge-
stattet waren und am Ende des Feldes waren, an die Spitze
zu bringen. Ich glaube, dass eine vernünftige IT-Ausstat-
tung der Berufsschulen wichtig ist und ein guter Beitrag
für eine moderne Berufsausbildung ist. Machen Sie mit
und unterstützen Sie uns dabei, anstatt das hier kleinzure-
den.

Ein weiteres Beispiel ist die so genannte Notebook-
universität. Es wird in Zukunft an jeder Universität Stu-
diengänge geben, in denen die Studierenden von Anfang
an ein Notebook haben und untereinander vernetzt sind.
Diese Studiengänge werden bald genauso wichtig sein
wie zum Beispiel mehrsprachige Studiengänge. Auch das
werden wir fördern. Unter Herrn Rüttgers gab es dafür
noch nicht einmal einen Ansatz.

Wir fördern ganz massiv die Vermittlung neuer Lern-
inhalte durch das Internet. Ich hatte in dieser Woche Ge-
legenheit, mir das Projekt eines virtuellen Studiengangs
im Bereich der Chemie anzuschauen. An einem solchen
Beispiel wird deutlich, dass das Internet auch in Deutsch-
land zur Vermittlung neuer Lerninhalte tatsächlich ge-
nutzt wird und dass Deutschland nicht hinterherläuft, son-
dern Spitze ist. All das sind Akzente, die wir mit unserem
Haushalt setzen. Ich meine, dass sich das lohnt und dass
die Union dem zustimmen sollte. Sie haben den Bildungs-
etat gekürzt. Wir erhöhen ihn und machen auch noch ver-
nünftige Politik. Das sollten Sie sich hinter die Ohren
schreiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413801900
Für die PDS-Fraktion
spricht nun die Kollegin Maritta Böttcher.


Maritta Böttcher (PDS):
Rede ID: ID1413802000
Sehr geehrte Frau Präsiden-
tin! Meine Damen und Herren! Herr Kampeter, als ich
Ihre Ausführungen gehört habe, habe ich mich zum wie-
derholten Male in diesem Hause gefragt: Was haben Sie
in den letzten Jahren eigentlich getan? Warum haben Sie
all diese Vorschläge, die Sie heute vorlegen, nicht längst
umgesetzt, anstatt jetzt die Bundesregierung zu kritisie-
ren?


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Die sitzen alle da drüben auf der anderen Seite!)


– Nicht dass wir uns falsch verstehen, lieber Herr Tauss.

(Lachen bei der SPD)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Matthias Berninger

13471


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich will mich nun mit dem Haushalt auseinander set-
zen und eingangs ein sehr deutliches Wort an Sie, Frau
Ministerin, richten. Wenn wir alle ehrlich sind, dann müs-
sen wir zugeben, dass die Aufstockung im Einzelplan 30
keineswegs in erster Linie das Ergebnis einer Setzung po-
litischer Prioritäten durch die Bundesregierung ist. Sie
wissen wie wir alle, dass die Versteigerung der UMTS-
Mobilfunklizenzen im Sommer unerwartet einen Betrag
in Höhe von rund 100 Millionen DM –


(Jörg Tauss [SPD]: 100 Milliarden!)

– Entschuldigung, 100 Milliarden DM; über Peanuts rede
ich später – in den Bundeshaushalt gespült hat. Das ist
mehr als ein Fünftel des gesamten Haushaltsvolumens.
Ihre politische Vorgabe lautet, diesen Betrag komplett zur
Schuldentilgung einzusetzen und zusätzliche politische
Vorhaben allenfalls aus den daraus resultierenden Zins-
ersparnissen zu finanzieren. Die PDS hat dies kritisiert;
ich will das heute nicht wiederholen.

Aber selbst von den rund 5 Milliarden DM an einge-
sparten Zinszahlungen kommen im Haushaltsjahr 2001
gerade einmal 600 Millionen DM, also nur ein gutes
Zehntel, im Bildungs- und Forschungsetat an. Dabei hat
noch am 21. September dieses Jahres Ihr Staatssekretär
Catenhusen erklärt, die Bundesregierung wolle über
1 Milliarde DM aus den eingesparten Zinszahlungen in
Bildung und Forschung investieren. Schon am 7. Novem-
ber war diese Milliarde auf 600 Millionen DM ge-
schrumpft. Investitionen in Beton statt in Köpfe – so
scheint die haushaltspolitische Devise der Bundesregie-
rung zu lauten.


(Beifall bei der PDS – Siegrun Klemmer [SPD]: Wie kommen Sie denn darauf?)


– Denken Sie nur an die umfangreichen Straßenbau-
vorhaben, Frau Klemmer.


(Jörg Tauss [SPD]: Die brauchen wir aber auch!)


Mit der häufig beschworenen Bildungsoffensive hat das
meiner Meinung nach wenig zu tun.

Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf geht ein
großes bildungspolitisches Versäumnis einher. Diesen
Vorwurf muss sich die Bundesregierung gefallen lassen.
Sie nimmt den erweiterten finanziellen Handlungsspiel-
raum eben nicht zum Anlass, zu einer qualitativen Er-
neuerung der Bildungs- und Wissenschaftspolitik zu
kommen.

Beispiel Hochschuldienstrecht: Völlig unverständ-
lich ist mir, warum sich Ihr Projekt einer Reform des
Hochschuldienstrechts in keiner Weise haushaltspolitisch
niederschlägt. Wir befinden uns inmitten eines umfassen-
den Generationswechsels in der Hochschullehrerschaft.
Die Dienstrechtsreform muss unmittelbar nach In-Kraft-
Treten auch wirklich umgesetzt werden. Aus diesem
Grund fordert die PDS heute, ein „Sonderprogramm Ju-
niorprofessuren“ in den Haushalt aufzunehmen.


(Beifall bei der PDS)

Damit kann die flächendeckende Einführung dieser neuen
zukunftsweisenden Personalkategorie realisiert werden,

ohne dass Nachwuchswissenschaftler über viele Jahre auf
das Freiwerden der bisherigen Assistentenstellen warten
müssen. Das dazugehörige inhaltliche Konzept für eine
Reform der Personalstruktur an Hochschulen und
Forschungseinrichtungen hat die PDS-Bundestagsfrak-
tion ja bereits im Juli 2000 vorgelegt.

Beispiel BAföG-Reform:Die PDS-Fraktion hat einen
Änderungsantrag vorgelegt, in dem vor allem eines deut-
lich gezeigt wird: Mit einem vergleichsweise bescheide-
nen Mehraufwand von 700 Millionen DM ließe sich
schon im kommenden Haushaltsjahr ein Einstieg in eine
wirkliche strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförde-
rung finanzieren. Es wäre möglich, allen Studentinnen
und Studenten bereits ab 1. April 2001 eine elternunab-
hängige Sockelförderung in Höhe von 500 DM monatlich
auszuzahlen, zusätzlich zu den von der Bundesregierung
geplanten Leistungsverbesserungen.


(Beifall bei der PDS)

Eine solche Strukturreform haben Sie selbst, Frau Minis-
terin, noch Anfang des Jahres versprochen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Darauf warten wir schon lange!)


Es gibt gute Gründe hierfür, wie Ihnen nicht nur die PDS-
Fraktion, sondern auch das Deutsche Studentenwerk und
die Hochschulrektorenkonferenz bestätigen können. Aber
wo kein Wille ist, ist eben auch kein Weg. Heute wollen
Sie davon nichts mehr wissen und versäumen die Chance
zu einem echten Quantensprung in der BAföG-Reform.

2:0 für Bildung und Forschung? Zwischen Bildung und
Forschung oder Forschung und Bildung? Forschung und
ein bisschen Bildung – so kann Ihr Programm wohl am
treffendsten charakterisiert werden. Auch hier stimmt die
Richtung nicht. Wie ist es sonst zu erklären, dass allein ein
Sechstel des Zukunftsinvestitionsprogrammes in die Ge-
nomforschung fließen soll? Dabei zeichnet sich der vor-
liegende Haushaltsentwurf ohnehin schon durch eine
massive Verstärkung der Förderung der Genforschung
aus; das geschieht im Rahmen von Haushaltstiteln wie
„Molekulare Medizin“ oder „Biotechnologie“. Ausgerech-
net in Zeiten der Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/
Die Grünen weist die Forschungsförderung des Bundes
eine historisch einmalige Prioritätensetzung zugunsten
der Genforschung und zulasten sozial-ökologischer For-
schung und, speziell in der Gesundheitsforschung, zulas-
ten ganzheitlicher und an Prävention orientierter For-
schungsansätze auf.


(Dr. Ilja Seifert [PDS]: Richtig!)

Auch mit Ihrer so genannten Zukunftsinitiative

Hochschule betreiben Sie, wie ich meine, einen Etiket-
tenschwindel. Ein Teil der hierfür vorgesehenen Gelder
fließt nämlich gar nicht den Hochschulen zu, sondern ist
für die außeruniversitäre Forschung bestimmt. Die „Zu-
kunftsinitiative Hochschule“ entpuppt sich als „Zukunfts-
initiative Forschung“, die auch an den Hochschulen, so-
weit die Programmmittel dort überhaupt ankommen, eine
Schieflage zugunsten der Forschung aufweist. Gewin-
nung von Spitzenwissenschaftlern, Verbesserung der For-
schungsinfrastruktur und Verwertungsoffensive – in all
diesen Bereichen besteht unbestreitbar Handlungsbedarf.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Maritta Böttcher
13472


(C)



(D)



(A)



(B)


Doch was kommt von Ihrem Zukunftsinvestitionspro-
gramm am Ende in Lehre, Unterricht und Studium, also in
den Hörsälen und Klassenzimmern an? Was passiert mit
den sanierungsbedürftigen Studentenwohnheimen in Ost-
deutschland, für deren Instandhaltung das Deutsche Stu-
dentenwerk ein Sonderprogramm gefordert hat? Nach der
Vision eines Laptops für jede Studentin und jeden Stu-
denten, für jede Schülerin und jeden Schüler traue ich
mich ja schon gar nicht mehr zu fragen.

Im Ergebnis muss man wohl mit Verlaub von Peanuts
sprechen, mit denen Bildung vorlieb nehmen muss.


(Beifall bei der PDS)

Dabei ist doch gerade Bildung eine der wichtigsten und
ertragreichsten Zukunftsinvestitionen, die unser Land
dringend braucht.

Meine Damen und Herren, wer sich über Peanuts be-
schwert, sollte von Kokosnüssen nicht schweigen. Dass
die Bildungspolitik in Ihrer Haushaltspolitik systematisch
unter die Räder kommt, ist das eine. Das andere ist das
Fass ohne Boden, mit dem Sie sich im Bereich der beruf-
lichen Bildung bereits abgefunden haben.

Wir haben mit der solidarischen Umlagefinanzierung
seit Jahren ein Konzept im Angebot, mit dem nach Ex-
pertenschätzungen rund 2 Milliarden DM Steuergelder
gespart werden könnten. Es ist schon bemerkenswert, wie
die Bundesregierung auf der einen Seite einen harschen
Sparkurs im Bildungsbereich fährt und auf der anderen
Seite generös darauf verzichtet, jene Unternehmen ange-
messen an der Finanzierung der Berufsbildung zu beteili-
gen, die sich um ihren Beitrag zur Ausbildung drücken.


(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-

tion, von einem Aufbruch für Innovation und Qualifika-
tion, wie er in der Koalitionsvereinbarung angekündigt
worden war, sind Sie auch mehr als zwei Jahre später noch
weit entfernt. Erschwerend ist Ihnen zur Last zu legen,
dass Sie auch die günstigen finanziellen Rahmenbedin-
gungen nicht für eine qualitative Weiterentwicklung Ihrer
Bildungs- und Wissenschaftspolitik nutzen.

Die PDS-Fraktion wird daher den vorgelegten Etat des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung ableh-
nen. Wir werden weiter dafür sorgen müssen, dass die
Bundesregierung den von ihrer Ministerin für Bildung
und Forschung beschworenen Mut zur Veränderung we-
nigstens in der zweiten Halbzeit ihrer Amtszeit aufbringt.

Abschließend noch ein Wort an die Damen und Herren
der Unionsfraktion.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)

Wenn Sie eine größere Aufstockung des Bundesanteils für
den Hochschulbau fordern, als sie die Bundesregierung
vorsieht, so haben Sie dafür meine Sympathie. Beant-
worten Sie mir aber bitte vorher zwei Fragen.

Wie steht es mit der Kofinanzierung der Länder, deren
finanzielle Leistungsfähigkeit durch die Steuerpolitik der
Regierung Kohl nachhaltig beschädigt wurde?

Fordern Sie in Ihrem Änderungsantrag nun eine Er-
höhung um 235 Millionen DM auf 2,45 Milliarden DM

oder eine Erhöhung um 285 Millionen DM auf 2,5 Milli-
arden DM? – Beides gleichzeitig geht nämlich nicht. Da-
rauf habe ich Sie schon im Ausschuss aufmerksam ge-
macht.

Die PDS-Fraktion kann derart unseriösen Haushalts-
anträgen natürlich nicht zustimmen, während wir dem
Antrag der F.D.P.-Fraktion zwar mit ein paar Bauch-
schmerzen, aber immerhin zustimmen,


(Beifall der Abg. Marita Sehn [F.D.P.])

weil er genau in die Richtung geht, die auch wir einschla-
gen.

Danke.

(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413802100
Das Wort hat nun die
Ministerin für Bildung und Forschung Edelgard
Bulmahn.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Für die Bundesregie-
rung haben Bildung und Forschung Priorität.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Ach?)


Ich freue mich, wenn viele Kolleginnen und Kollegen
auch aus den Oppositionsparteien dies mit unterstützen,
aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Regie-
rungskoalition und Opposition: Wir fordern nicht nur,
sondern wir handeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir erhöhen nämlich zum dritten Mal in Folge den Etat
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung,
allein in diesem Jahr um 9,5 Prozent gegenüber dem letz-
ten Jahr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kein anderes Ministerium, kein anderer Politikbereich hat
einen derartigen Zuwachs. Wir haben damit knapp
16 Milliarden DM zur Verfügung, und das heißt, dass
wir – verglichen mit dem letzten Jahr der Regierungsver-
antwortung der CDU, nämlich 1998 – von diesem Zeit-
punkt bis heute einschließlich BAföG 2,5 Milliarden DM
zusätzlich für Bildung und Forschung zur Verfügung
stellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie – daran will ich Sie schon noch erinnern, gerade
Sie, Herr Kampeter, weil Sie damals, 1994 bis 1998, auch
für diesen Haushalt verantwortlich waren – haben es da-
mals zugelassen, dass der Haushalt für Bildung und For-
schung um 700 Millionen DM gekürzt wurde.


(Jörg Tauss [SPD]: So ist es!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Maritta Böttcher

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(C)



(D)



(A)



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Das ist der große Unterschied. Wir erhöhen um 2,5 Mil-
liarden DM, Sie haben innerhalb von vier Jahren um
700Millionen DM gekürzt. Das ist der große Unterschied
in der Politik!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413802200
Frau Ministerin, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lensing?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Ja.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413802300
Bitte sehr.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1413802400
Frau Ministerin, sind
Sie bereit, der Wahrheit die Ehre zu geben,


(Jörg Tauss [SPD]: Klar! Immer!)

indem Sie anerkennen, dass der unverhoffte Geldsegen,
der im Moment die Regierung erreicht, nicht zuletzt der
Politik der Minister Waigel und Bötsch insofern zu ver-
danken ist,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Zurufe von der SPD: Oh!)


als diese beiden Herren gegen das erklärte Votum der
damaligen Landesfürsten Schröder und Eichel – zum Teil
geben sie es wohl zu – die Privatisierung im Post- und
Telekommunikationswesen durchgesetzt haben?

Vor diesem Hintergrund ist es sehr erstaunlich, dass für
den Bereich Bildung und Forschung jetzt 1,1 Milliar-
den DM, aber im Bereich Verkehrswesen für die Infra-
struktur über 3 Milliarden DM mehr fließen. Ich muss
also die Frage stellen, ob die Infrastruktur des Wissens
nicht sehr mangelhaft gefördert wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr gute Zwischenfrage!)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Herr Lensing, gerade weil wir davon
überzeugt sind, dass Wissen, Qualifikation und Ausbil-
dung das Wichtigste sind, das ein Mensch und die Ge-
sellschaft besitzen können, haben wir die Ausgaben für
Bildung und Forschung immens erhöht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Haushalt stieg seit 1998 um 2,5 Milliarden DM.
Wir erhöhen den Etat in diesem Jahr um 9,5 Prozent.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Warum antworten Sie eigentlich nicht auf die Frage des Kollegen Lensing? Sie haben doch selbst gegen die Privatisierung der Telekommunikation gestimmt!)


Stephan Hilsberg – ich freue mich auf die Zusammen-
arbeit mit ihm – muss in seiner Funktion als Staatssekre-

tär im Verkehrsministerium sagen, dass der Haushalt für
Verkehr leider nicht steigt. Mit den zusätzlichen Mitteln
wird nur erreicht, dass es keine größere Absenkung gibt
und der Plafond nur gehalten wird.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Redezeit müsste eigentlich weiterlaufen, weil das mit der Frage nichts zu tun hat!)


Wir setzen also mit dem Haushalt für den Bildungsbe-
reich das Signal, dass uns Bildung und Forschung beson-
ders wichtig sind. Im Gegensatz zur Opposition reden wir
nicht nur, sondern handeln. Das ist der entscheidende
Punkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
ich sehe durchaus Ihre Schwierigkeit, uns, wie Sie es mit
Ihren bildungspolitischen Leitsätzen versuchen, vom
führenden Platz zu vertreiben. Ich sage Ihnen klar, dass
ich Ihre Erfolgsaussichten so ähnlich einschätze wie beim
Wettrennen von Hase und Igel.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Frau Ministerin, es ist platt und mangelhaft souverän, so zu argumentieren!)


Sie haben hier wieder gefordert, die Bildungspolitik
müsse Priorität haben. Dieser Grundsatz ist bei uns, wie
ich eben erläutert habe, seit zwei Jahren praktische Poli-
tik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann mir ein Schmunzeln wirklich nicht verknei-
fen: Nachdem Sie über Jahre dieses Ressort vernachläs-
sigt und den Etat immer weiter heruntergefahren hatten,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir haben mit unserem Geld mehr erreicht als Sie! Wie kann so viel Geld so wenig bewirken, Frau Ministerin? – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie haben schwarzes Geld gehabt!)


dreht sich Ihre Politik in der Opposition – zumindest ver-
bal – um 180 Grad. Ich kann in Anspielung auf das eben
erwähnte Wettrennen nur sagen: Wir sind schon da.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber auch das ist klar: Ans Ziel kommt man nicht al-
lein durch den Einsatz großer Summen. Man muss auch
intelligente Strategien entwickeln.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das fehlt Ihnen! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja, daran fehlt es!)


Auch das lehrt uns die Geschichte von Hase und Igel. Ich
werde dazu noch einige Beispiele aus der Bildungs- und
Forschungspolitik anführen.

Unsere Erhöhung der Investitionen in Bildung und
Forschung hat insbesondere zwei Ziele:

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesministerin Edelgard Bulmahn
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(C)



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(A)



(B)


Erstens. Wir wollen die soziale Schieflage, die Sie,
meine Damen und Herren von der Opposition, zu verant-
worten und die Sie uns vererbt haben, beseitigen.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Zentrale Punkte für die Herstellung der Chancengleich-
heit sind unsere BAföG-Reform, die Investitionen in
berufliche Bildung, die Angleichung der Lebensver-
hältnisse in Ost und West sowie die Förderung von
Frauen. Mit diesen Initiativen, die wir gestartet haben,
schaffen wir ein tragfähiges Fundament für die gesamte
Gesellschaft. Wir erreichen damit weiterhin, dass wir das
gesamte Potenzial an Begabungen, das es in unserem
Land gibt, ausschöpfen und nicht brach liegen lassen, wie
es in den vergangenen Jahren der Fall war.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens: Ich habe Schluss gemacht mit der Förderpo-
litik nach dem Gießkannenprinzip und einer Förderphilo-
sophie nach dem Prinzip: „more of the same“ .


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist ja eine wagemutige Behauptung!)


Wir setzen Schwerpunkte

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die kennt aber keiner!)

und konzentrieren uns auf zentrale Zukunftsfelder, wie
zum Beispiel die Lebenswissenschaften, die Informa-
tionstechnologie, die Mikrosystemtechnik und die Nano-
technologie. Das sind die Forschungsfelder, auf die wir
uns konzentrieren müssen. Wir brauchen sie, damit unsere
Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt und unsere jungen
Leute Berufsperspektiven und -chancen haben. Genau das
leisten wir.


(Beifall bei der SPD)

Wir erhöhen damit unsere internationale Wettbewerbs-
fähigkeit und schaffen leistungsfähige Wirtschafts- und
Forschungsstrukturen.

Das sind keine vagen Absichtserklärungen, sondern
das haben wir umgesetzt. Wir haben Fakten geschaffen. In
der Fabel von Hase und Igel würde der Igel sagen: Wir
sind schon da; während Sie noch darüber reden und for-
dern.


(Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das bleibt platt, Frau Ministerin!)


Zunächst zur Chancengleichheit: Allein für die
BAföG-Reform mobilisieren wir 1 Milliarde DM pro
Jahr zusätzlich, um endlich soziale Gerechtigkeit herzu-
stellen. Frau Flach, Sie haben völlig Recht: Reformen
kosten Geld. Sie haben sie nie umgesetzt, aber wir tun das.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zu Ihnen, Herr Kampeter, kann ich leider nur sagen:
Sie sind der lebendige Beweis für Mängel beim mathe-
matischen Unterricht.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ich habe wahrscheinlich intensiveren Matheunterricht genossen als Sie!)


Denn wenn Sie sich die Haushaltszahlen anschauen, die
Sie als Haushälter kennen müssten, dann wüssten Sie,
dass für das BAföG im Jahre 1994 2,270 Milliarden DM
vorgesehen waren. 1998, im letzten Jahr Ihrer Regierung,
waren es noch 1,475 Milliarden DM. Das haben Sie mit
dem BAföG gemacht. Deshalb kann ich nur sagen: Bitte
Zahlen lesen und Zahlen verstehen!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans Georg Wagner [SPD]: Das können die nicht!)


Während Ihrer Regierungszeit haben Sie das BAföG
durch diese Kürzungen leider in Grund und Boden ge-
wirtschaftet,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wer regiert denn jetzt eigentlich? Sie können doch alles ändern, wenn Sie es wollen! Machen Sie es doch! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Wir regieren, Gott sei Dank!)


mit dem Ergebnis, dass die Zahl der BAföG-Geförderten
um sage und schreibe 44 Prozent gesunken ist.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo ist denn die große BAFÖG-Strukturreform?)


Für Sie ist Chancengleichheit nur noch ein Wort. Mit der
Reform der Ausbildungsförderung erhöhen wir die Frei-
beträge und Bedarfssätze, und zwar nicht nur, Frau Flach,
um 75 DM; da bitte ich, korrekt zu sein.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Damit können Sie vielleicht einen SPD-Sportverein überzeugen, aber doch nicht den Deutschen Bundestag!)


Wir erhöhen sie zusätzlich um 135 DM, weil wir das
Kindergeld nicht mehr gegenrechnen, wie Sie das getan
haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das heißt, nach Adam Riese handelt es sich um 210 DM.
Das ist die Realität. Ich bitte, wirklich einmal bei der
Wahrheit zu bleiben und nicht einfach falsche Dinge zu
behaupten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Mangelhaft souverän!)


– Nein, das ist Fakt. Herr Kampeter, wenn Sie noch nicht
einmal in der Lage sind, die Absenkung des BAföG von
2,270 Milliarden DM auf 1,475 Milliarden DM zuzu-
gestehen, sondern das als Erhöhung verkaufen wollen,
kann ich nur sagen: Das ist ein Mangel an Souveränität.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir erhöhen die Bedarfssätze.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413802500
Frau Ministerin, las-
sen Sie noch eine Zwischenfrage zu?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Ich lasse Zwischenfragen immer gern zu.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesministerin Edelgard Bulmahn

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(C)



(D)



(A)



(B)



Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1413802600
Sie lassen deswegen
die Zwischenfragen immer zu, weil Sie einige Fragen
überhaupt nicht beantworten, wie meine vorhin gestellte
Frage. Aber ich bin mutig genug, noch eine zweite Frage
zu stellen, in voller Erwartung, diesmal eine Antwort zu
erhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Zahlen, die genannt wurden, mögen alle ihren Wert

und Sinn haben.

(Jörg Tauss [SPD]: Aber die stimmen wenigstens!)

Aber können wir uns darauf verständigen, dass sie den
Studenten konkret überhaupt nichts nützen, weil unsere
Studenten seit über zwei Jahren darauf warten, dass sich
auch nur eine einzige Leistungsverbesserung ereignet? Im
Bereich des Meister-BAföG, auf das Sie sicher gleich
noch zu sprechen kommen, haben wir nach allem, was wir
hören, erst im Herbst nächsten Jahres eine Lösung zu er-
warten, weil es keine Abstimmungsmöglichkeiten zwi-
schen Ihrem Hause und dem des Wirtschaftsministers gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Ich stimme Ihnen nicht zu, Herr Lensing,
weil die BAföG-Reform zum 1.April des nächsten Jahres
in Kraft treten wird.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Steht noch nicht im Gesetzblatt!)


Ich will nur darauf hinweisen, dass die CDU diesen
Vorschlägen im Bundesrat zugestimmt hat. Von daher ist
es ein bisschen makaber, wenn Sie hier dagegen reden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die CDU/CSU-geführten Länder haben im Bundesrat
zugestimmt, sodass dieses Gesetz zum 1. April in Kraft
treten wird. Durch dieses Gesetz wird den Jugendlichen
eine erheblich bessere Unterstützung und Hilfestellung
gegeben; sie werden das ganz klar und deutlich spüren.

Herr Lensing, ich sage Ihnen eines: In diesem Punkt
würde ich mich wirklich freuen, wenn wir alle gemeinsam
unsere Kraft dafür einsetzten, das BAföG wieder zu dem
zu machen, was es einmal war. Es soll von den Jugend-
lichen und deren Familien als Hilfestellung gesehen und
auch in Anspruch genommen werden, die ermöglichen
soll, dass Jugendliche, denen keine goldene Kreditkarte in
die Wiege gelegt wurde, studieren und eine gute Ausbil-
dung erhalten können. Das muss unser gemeinsames An-
liegen sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das ist doch pure Klassenkampfrhetorik, aber kein BAFÖG-Konzept!)


Dieses Ziel ist erreichbar, und deshalb sollten wir ge-
meinsam dafür werben, sollten über das BAföG infor-
mieren und deutlich machen, dass diese BAföG-Reform
tatsächlich zur Wiederherstellung der Chancengleich-

heit – sowohl für die finanzschwächsten Familien als auch
für Familien mit mittlerem Einkommen – beiträgt, sodass
in Zukunft jeder studieren und eine gute Ausbildung er-
halten kann, und zwar auch dann, wenn die Familie über
ein geringes Einkommen verfügt oder mehrere Kinder
hat. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein und über die
Verwirklichung dieses Zieles würde ich mich freuen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden mit der Umsetzung dieses Zieles unserer
Verantwortung gerecht, die wir hier im Parlament haben.
Da Sie in den 90er-Jahren mit Ihrer Regierung Fehler ge-
macht haben, erwarte ich von Ihnen zumindest, dass Sie
bei der Umsetzung unseres Reformvorhabens jetzt
gemeinsam mit uns darangehen, die Situation wieder zu
verbessern. Das würde ich mir von Ihnen wünschen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413802700
Nun wünscht die Kol-
legin Flach das Wort zu einer Zwischenfrage.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Bitte schön.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1413802800
Frau Ministerin, wir sind uns
alle darin einig, eine elternunabhängige Förderung errei-
chen zu wollen. Sind Sie aber nicht mit mir auch darin ei-
nig, dass das, was Sie und auch Herr Berninger – auch in
Wahlkämpfen – immer gefordert haben, nämlich eine
grundlegende Strukturreform mit dem Ziel einer eltern-
unabhängigen Förderung, die auch unser Gesetzent-
wurf vorsieht, das ist, was Sie eigentlich wollten?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Nein, Frau Flach, in diesem Punkt bin ich
mit Ihnen nicht einer Meinung. Die von mir vorgelegten
Pläne einer BAföG-Reform wollen im Sinne einer grund-
legenden Strukturreform erreichen, dass rund 80 000 Ju-
gendliche aus Familien mit geringem oder mittlerem
Einkommen eine qualifizierte Ausbildung erhalten.
Gleichzeitig führen wir eine Internationalisierung des
BaföG ein; in Zukunft soll man ein Vollstudium im Aus-
land durchführen können, wenn man vorher bereits zwei
Semester in Deutschland studiert hatte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir schaffen mit dieser Reform eine Angleichung der
Verhältnisse in Ost und West, damit in Zukunft die Stu-
dierenden – auch wenn sie nicht wohlhabend sind – in den
Semesterferien nicht unbedingt jobben müssen, sondern
zum Beispiel auch ein Praktikum in einer Hightech-Firma
durchführen oder im Ausland studieren können. Wir er-
reichen mit dieser Strukturreform, dass künftig alle Stu-
dierenden – das ist für mich ein wichtiges Ziel – beim
Start in den Beruf einen karrierefähigen und konkurrenz-
fähigen Lebenslauf vorlegen können, und zwar unabhän-
gig vom Einkommen. Das zu erreichen ist eine wichtige
Aufgabe und ein wichtiges Ziel in einer Demokratie, und

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erst die Umsetzung dieses Ziels schafft tatsächlich Chan-
cengleichheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch die Misere auf dem Lehrstellenmarkt haben wir
bereits in vielen Regionen erfolgreich bekämpft. Zum ers-
ten Mal seit vielen Jahren werden mehr Ausbildungs-
plätze angeboten als nachgefragt. Junge Menschen, die
lernen wollen und können, haben eine gute Chance, einen
Ausbildungsplatz zu erhalten. Unsere Jugendlichen haben
damit wieder eine berufliche und private Perspektive. Al-
lerdings: Besonders in den neuen Bundesländern gibt es
noch immer einen Mangel an betrieblichen Ausbildungs-
plätzen. Deshalb werde ich den Kampf um mehr betrieb-
liche Ausbildungsplätze – gerade in den neuen Bundes-
ländern, wo wir sie dringend brauchen – nicht aufgeben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich werde auch das Ziel einer notwendigen Moderni-

sierung der Ausbildungsberufe sowie einer Schaffung
neuer Berufe nicht aus den Augen verlieren. Wir haben in-
zwischen mehr als 40 Ausbildungsberufe modernisiert.
Wir haben weiterhin mit den UMTS-Zinsgewinnen einen
Modernisierungsschub in den Berufsschulen ermöglicht,
den wir gerade für die Ausbildung in zukunftsträchtigen
Berufen einsetzen.


(Beifall bei der SPD)

Dann finanzieren wir den Anschluss im IT-Bereich, den
Sie verpasst haben. Dies ist, wie so vieles auf diesem Feld,
wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft,
aber auch für die Lebensperspektiven unserer Jugend-
lichen.

Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin kritisiert,
dass wir in der Bildung zu wenig machen. Ich halte das für
falsch. Wir haben mit unseren Vorschlägen und unseren
Programmen erreicht, dass in den Bildungseinrichtungen
neuer Schwung vorhanden ist.


(Beifall bei der SPD)

Die neuen Medien werden inzwischen in erheblich
größerem Maße eingesetzt. Das ist auch ein Ergebnis des
Programms „Schulen ans Netz“. Bis einschließlich 2001
werden wir alle Schulen an das Netz anschließen. Ich habe
das Programm für die Lernsoftware im Frühjahr dieses
Jahres gestartet. Denn ohne qualifizierte Inhalte nutzt
auch die Hardware nichts. Das ist völlig klar.


(Beifall bei der SPD)

Jetzt sind die Länder in der Pflicht, ihre Lehrer ent-

sprechend zu qualifizieren und fortzubilden. Wir müssen
gemeinsam mit der Wirtschaft, weil es aus öffentlichen
Kassen nicht allein zu finanzieren ist, dieses Ziel errei-
chen, indem wir bis zum Jahr 2006 eine flächendeckende
Ausstattung von Schulen mit PCs und mit Laptops si-
cherstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe vor-
hin gesagt, dass die Angleichung von Ost und West ein
weiteres wichtiges Ziel für die Chancengleichheit ist. Wir
haben mit der Initiative Inno-Regio und dem Ausbil-

dungsplatzprogramm Ost die richtigen Entscheidungen
getroffen, die richtigen Initiativen gestartet. Deshalb kann
man sagen: Auch bei dem Politikziel „Mehr Chancen für
die neuen Bundesländer“ gilt: Wir sind schon da. – So viel
zur Chancengleichheit.

Nun zu den Zukunftsfeldern in Wissenschaft und For-
schung. Die Lebenswissenschaftenwerden der wichtigs-
te Innovationsbereich im 21. Jahrhundert sein. Deshalb
steigern wir die Fördermittel in den Bereichen Biotech-
nologie, Gesundheits- und Medizinforschung, molekulare
Medizin und Genomforschung erheblich. Sie haben vor-
hin darauf hingewiesen. Diese Forschungsinvestitionen
sind aus zwei Gründen notwendig.

Erstens. Es sind die wichtigen Investitionen, mit denen
wir in Zukunft bessere Heilungsmöglichkeiten, bessere
Therapiemöglichkeiten für wichtige Krankheiten wie
Krebs, Alzheimer, Herz- und Kreislaufkrankheiten oder
auch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, über die wir in den
letzten Tagen hier sehr viel diskutiert haben, erhalten.
Ohne Investitionen in diese Bereiche werden wir nicht das
notwendige Wissen haben und keine Therapien ent-
wickeln. Deshalb ist das ein wichtiger Schwerpunkt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb war es für mich ein wichtiges Ziel, dass wir die
Mittel in diesem Bereich erheblich erhöhen. Sie haben zu
Recht gesagt, dass ich im Bereich der Genomforschung
die Mittel um 300 Prozent erhöht habe, und zwar mit dem
Ziel, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und
die Wirtschaft konkurrenzfähig zu halten.

Ich will einen zweiten Punkt nennen, die Informati-
ons- und Kommunikationstechnologien. Mit unserem
Programm Zukunftsinitiative Hochschule und den IuK-
Technologien machen wir unsere Hochschulen zukunfts-
fähig. Wir investieren in Gebäude und in modernste Ge-
räte, aber auch und vor allem in den Menschen. Allein
1,3 Milliarden DM investieren wir in die Förderung der
Nachwuchswissenschaftler. Das ist notwendig und rich-
tig. Wir haben Programme entwickelt, mit denen die
Hochschulen Zugang zu den neuen Medien bekommen.
Wir vernetzen über die neuen Medien unsere Hochschu-
len stärker mit der internationalen Wissenschaftswelt. Wir
vernetzen sie auch stärker untereinander und mit der
außeruniversitären Forschung, wie Max-Planck, wie
Fraunhofer, wie Helmholtz. Wir entwickeln mit diesen
Programmen Modelle für eine virtuelle Universität. Denn
nur eine intelligente Kombination von Präsenzuniversität
und virtueller Universität wird Deutschland einen Rang
als internationalen Wissenschaftsstandort sichern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist auf-
grund der langen Regierungszeit der jetzigen Opposition
noch immer ein weißer Fleck auf der längst existierenden
Hochschullandkarte des virtuellen globalen Dorfes. Wir
unterstützen unsere Hochschulen dabei, sich auf dieser
Landkarte zu positionieren, damit sie für unsere eigenen
und für ausländische Studierende attraktiv wird. Mit den
neuen Medien und der Entwicklung virtueller Hochschul-
projekte, mit der Entwicklung der Internationalisierung
der Hochschule und den zahlreichen Programmen für die
Förderung der Nachwuchswissenschaftler verbessern wir

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesministerin Edelgard Bulmahn

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nicht nur unsere Chancen im Wettbewerb um die intelli-
gentesten Köpfe, sondern schaffen auch modernste Mög-
lichkeiten der arbeitsbegleitenden Weiterbildung.

Lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Wir haben
Schritte vollzogen – ich erinnere an die Zusammenfüh-
rung von Fraunhofer-Gesellschaft und GMD –, mit denen
wir wichtige Forschungseinrichtungen auf eine neue Ba-
sis stellen. Damit schaffen wir eine wichtige Grundlage
dafür, Exzellenz in der Grundlagenforschung und Exzel-
lenz in der angewandten Forschung zu verbinden. Ergeb-
nisse aus diesem Bereich können somit schneller umge-
setzt werden.

Mit der interdisziplinären Ausrichtung von For-
schungszentren, die wir unterstützen und mit der zielori-
entierten Zusammenarbeit von Wissenschaft, von Wirt-
schaft, von Hochschulen, von Forschungsinstituten und
von ihren Partnern in der Industrie – dies spielt in unse-
ren Förderprogrammen eine wichtige Rolle – schaffen
wir die Voraussetzung dafür, dass Wissenschaft und For-
schung in der Bundesrepublik den höchsten Stellenwert
erhalten. Außerdem schaffen wir die Voraussetzung
dafür, dass die Ergebnisse von Wissenschaft und For-
schung zum Nutzen der Menschen, die in unserem Land
leben, schnell angewandt werden.

Ich ziehe folgendes Fazit: Während die Opposition
über Investitionen in Forschung und Bildung nur redet,
nehmen wir diese Investitionen tatsächlich vor.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413802900
Das Wort hat jetzt der
Kollege Dr. Gerhard Friedrich, CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Gerhard Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1413803000
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben
heute mehrfach, zuletzt von Frau Ministerin Bulmahn,
gehört, dass in den 90er-Jahren, so steht es auch in dem
Zweijahreszwischenbericht ihres Hauses, Rückschritt und
Stagnation in Deutschland herrschten. Nach dem Regie-
rungswechsel sei ein neuer, strahlender Stern aufgetaucht
und alles sei schlagartig besser geworden. Frau Ministe-
rin, das glauben Sie doch selbst nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Jörg Tauss [SPD]: Doch!)


Am Beispiel der Bildungspolitik will ich einmal auf-
zeigen, was in den letzten Jahren entschieden wurde und
was zurzeit entschieden wird. Vor der Wahl haben wir ge-
meinsam eine Hochschulreform verabschiedet. Ihr Vor-
gänger, Herr Minister Rüttgers, hat mit der Modernisie-
rung der beruflichen Bildung begonnen und die Schaffung
neuer Berufsbilder beschleunigt. Unter anderem deshalb
können Sie heute verkünden, dass 40 000 junge Menschen
in den neuen IT-Berufen ausgebildet werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir bestreiten nicht, dass Sie im Bereich der berufli-

chen Bildung die Maßnahmen Ihres Vorgängers fortsetzen

und gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden und mit
den Gewerkschaften fortentwickeln. Wir haben aber auch
in Erinnerung, dass Sie auf diesem Gebiet – das ist Ihnen
heute schon einmal vorgetragen worden – den zentralen
Vorschlag Ihrer Oppositionszeit beerdigt haben, nämlich
eine unsinnige Umlagefinanzierung für berufliche Aus-
bildungsplätze in der Wirtschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Beerdigt haben Sie auch einen zentralen Vorschlag Ih-

res Konzeptes für eine BAföG-Strukturreform, nämlich
das an die Studierenden direkt auszuzahlende Bildungs-
geld. Unabhängig vom Machtwort des Kanzlers hat uns

Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1413803100
Es ist schlicht
nicht finanzierbar. Das haben wir so schon in den Ver-
merken des Kollegen Rüttgers gelesen. Sie haben es nur
nicht geglaubt.

Deshalb wundert es mich nicht, Frau Ministerin, wenn
der Bundesrat Ihrer jetzigen BAföG-Reform im Großen
und Ganzen zustimmt. Sie basiert auf den Eckpunkten un-
serer Vorschläge. Der zentrale Punkt Ihres alten Konzep-
tes ist verschwunden. Aus diesem Grunde sagen wir nur
noch: Die BAföG-Reform kommt zu spät.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Der Kollege Kampeter hat mir neulich eine Unterlage
zur Verfügung gestellt, aus der hervorgeht, dass die Mit-
tel wahrscheinlich in einer Größenordnung von 10 Pro-
zent nicht abfließen. Das heißt, die Förderquote sinkt in-
zwischen wieder. Ihre Strukturreform – eine Reform „im
System“, wie wir sie immer wollten – kommt mindestens
ein halbes Jahr zu spät.

In der Zwischenbilanz lese ich, dass die jetzige Bun-
desregierung den entscheidenden Kurswechsel vorge-
nommen hat. Nach dem, was ich gerade vorgetragen habe,
kann man den Eindruck gewinnen, dass die SPD selbst in
einigen entscheidenden bildungspolitischen Punkten ei-
nen Kurswechsel vorgenommen hat. Das Gleiche stellen
wir übrigens auch auf Landesebene fest. Dort finden wir
immer weniger SPD-Politiker, die bereit sind, Gesamt-
schulen und Orientierungsstufen zu verteidigen. Einer Ih-
rer Ministerpräsidenten will die Orientierungsstufe sogar
abschaffen.

Leider können wir nicht bestätigen, dass die wichtig-
sten Hausaufgaben auf Bundesebene inzwischen erledigt
sind. Mein Kollege hat mit Zwischenfragen schon darauf
aufmerksam gemacht, dass wir auf eine Novelle, in der
die berufliche Aufstiegsfortbildung, das so genannte
Meister-BAföG, neu geregelt wird, dringend warten. Mit
Ihren Vorschlägen für ein neues Hochschuldienstrecht
sind Sie in ein schwieriges Fahrwasser geraten. Begeistert
sind offensichtlich nur die Finanzminister der Länder. Der
Hochschulverband und der Hochschullehrerbund kritisie-
ren viel zu niedrige Grundgehälter, die irgendwo bei der
Besoldung von Oberregierungsräten und Regierungsdi-
rektoren angesiedelt sind.


(Jörg Tauss [SPD]: Legt den Bayern mal drauf!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesministerin Edelgard Bulmahn
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– Sie haben völlig Recht, Herr Kollege Tauss. Wir haben
hervorragende Wissenschaftler in Bayern – dazu komme
ich später noch –, aber bei den von Ihnen angebotenen
Grundgehältern laufen sie uns davon. Ich verstehe über-
haupt nicht, dass man ein neues Programm finanzieren
will, um Spitzenwissenschaftler aus dem Ausland nach
Deutschland zu holen, was ja richtig ist, hier aber gleich-
zeitig so miese Grundgehälter angeboten werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Frau Ministerin, es ist nicht nur so, dass ich dies nur
kritisiere, weil ich Oppositionspolitiker bin. Wir sind in
Bayern und Baden-Württemberg bereit, mehr zu finan-
zieren, weil wir das hohe Niveau unserer Hochschulen
aufrechterhalten wollen.

Sie haben im Rahmen der Dienstrechtsreform vorge-
schlagen, die Qualifikationsphase des wissenschaftlichen
Nachwuchses zu verkürzen. Das ist ein guter Vorschlag;
denn die Qualifikation dauert zu lange, die Leute sind zu
lange abhängig, können zu spät selbstständig forschen
und lehren. Deshalb werden wir Ihren Vorschlag, die Ju-
niorprofessur einzuführen, unterstützen.


(Jörg Tauss [SPD]: Bayern auch?)

– Ja, Bayern auch. Aber was Bayern nicht machen wird,
Herr Tauss – da wird die Ministerin scheitern –, ist, die
Habilitation abzuschaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Dazu ist die Fächerkultur viel zu unterschiedlich.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!)


Ich hatte erst in der letzten Woche eine große Veran-
staltung mit den Professorinnen und Professoren meiner
eigenen Universität. Wir haben einen Weg aufgezeigt, wie
man auch über die Habilitation das Ziel erreichen kann,
Berufungen mit 35 Jahren durchzuführen.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist eine Mogelpackung!)


Man muss die heute überwiegend zweckentfremdeten
Stellen der wissenschaftliche Assistenten für Habilitan-
den reservieren und ihnen eine größere Selbstständigkeit
gegenüber dem Lehrstuhlinhaber einräumen.

Ich komme jetzt zum Geld. Frau Ministerin, ich werde
nicht behaupten, dass Rot-Grün bei der Finanzierung von
Bildung und Forschung total versagt; denn dann würden
mich die Leute nicht ganz ernst nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Wie Herrn Kampeter, den nimmt auch niemand mehr ernst!)


Sie aber haben dieses Problem: Ihre Ankündigungen, die
Ausgaben zu verdoppeln oder –nach der Wahl wurde hier
schon deutlich reduziert – wenigstens 1 Milliarde DM
jährlich draufzulegen, werden nicht mehr ernst genom-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ich habe mir die Haushaltsentwicklung des Einzel-
plans 30 – Bildung und Forschung – noch einmal ange-
schaut. Danach wird der Einzelplan bis zum Jahr 2003
gegenüber dem Ist des Jahres 1998 nur um 2,6 Milliar-
den DM aufgestockt. Dabei wollten Sie 5 Milliarden DM
zusätzlich für Bildung ausgeben. Auch der Wirtschafts-
minister hilft Ihnen nicht, die Bilanz aufzubessern. Er be-
handelt nämlich die Titel für Forschung und Technologie
besonders stiefmütterlich. Nach vielen Beschlüssen, jetzt
mehr in den Haushalt des Wirtschaftsministers zu geben,
beläuft sich das Plus – ich habe das nachgerechnet – ge-
genüber dem Stand von 1998 auf 150 Millionen DM. Das
ist wirklich jämmerlich. Es war offensichtlich ein Fehler
– da stimmen Sie mir wahrscheinlich zu –, Kompetenzen
in diesem Bereich an das Wirtschaftsministerium abzuge-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass Ihre Bilanz

in einigen Jahren noch schlechter ausschauen wird als die
Zahlen, die ich jetzt vorgetragen habe; denn eines Tages
werden Sie das Soll, also die geplanten Ausgaben, mit
dem Ist, den tatsächlichen Ausgaben, vergleichen müssen.


(Jörg Tauss [SPD]: Aber das Ist kommt an!)

Dieses Haus war schon im ersten Jahr, nämlich 1999,
überhaupt nicht in der Lage, das zusätzliche Geld auszu-
geben,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


und hat 236Millionen DM an den Finanzminister zurück-
gegeben.


(Jörg Tauss [SPD]: So einen Saustall habt ihr uns hinterlassen!)


Ich habe mir den Abfluss der Mittel in diesem Jahr ange-
schaut. Er ist ebenfalls zum Teil miserabel. Aber warten
wir einmal das Ergebnis ab. Ich fürchte, dass auch ein Teil
der jährlich zusätzlich veranschlagten 600Millionen DM,
die Sie aus den Zinsersparnissen erhalten, nicht abfließen
wird.

Es ist eigentlich eine ganz gute Idee, deutsche Spitzen-
forscher, die ins Ausland gegangen sind, zurückholen
bzw. ausländische Spitzenforscher zu uns holen zu wol-
len. Nun höre ich aber, die Mittel für Berufungen seien nur
auf drei Jahre befristet und die Verhandlungen seien
schwierig. Gehen Sie denn davon aus, dass die Forscher
in den USA auf ihren Koffern sitzen, um endlich nach
Deutschland berufen zu werden, um den Glanz unseres
Wissenschaftsstandortes zu erhöhen? Ich halte es für un-
realistisch, wenn Sie sagen, dass dieses sinnvolle Pro-
gramm schon im Jahr 2001 anlaufen kann.

Wir haben dem Bundesforschungsbericht entnommen,
dass die Dichte an Forschungs- und Entwicklungsperso-
nal in den neuen Bundesländern etwa halb so groß ist wie
bei uns in Westdeutschland. Deshalb sind wir durchaus
dafür, Wachstumskerne in den neuen Bundesländern zu
finanzieren. Aber Sie wollen immer um jeden Preis
schnell neue Programme, um die Presse mit neuen Ideen
zu füttern. Wir gehen davon aus, dass Ihre zuständigen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)


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Mitarbeiter im Herbst nächsten Jahres im Ministerium sit-
zen und nach Ausschreibung, Vorlage und Prüfung von
Konzepten händeringend Leute suchen werden, die in der
Lage sind, das Geld noch im Jahr 2001 auszugeben.

Es fehlt dieser Haushaltspolitik an Kontinuität. Man
kann die Mittel nur kontinuierlich nach oben entwickeln.
Bei Ihnen treten die Finanzminister abwechselnd aufs Gas
und auf die Bremse, und die Bildungsministerin ver-
schärft die Probleme dadurch, dass sie nicht prüft, wo
Geld schnell und wirksam ausgegeben werden kann, und
sich stattdessen nur bemüht, die Medien mit neuen Ideen
zu bedienen. Manchmal wird daraus gar nichts wie bei
den Laptops; das waren nur Schlagzeilen für einige Tage.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war ein Floptop! Ein Topflop!)


Der Kollege Hilsberg – dem auch ich herzlich zur Er-
nennung zum Staatssekretär gratuliere – hat als letzte Tat


(Jörg Tauss [SPD]: Was heißt „letzte Tat“? Die großen Taten kommen bei ihm erst noch!)


der „tageszeitung“, einer Berliner Zeitung, ein großes In-
terview gegeben, in dem er mitgeteilt hat, wie diese Bun-
desregierung aus den Zinsersparnissen durch die UMTS-
Milliarden jährlich 1,2 Milliarden DM mehr ausgeben
wird. Im Ankündigen sind Sie wirklich großartig. Deshalb
jubeln wir nur begrenzt, Frau Ministerin, wenn Sie, im
Gegensatz zum – nicht sehr starken – Verkehrsminister,
nur die Hälfte Ihrer Wunschliste durchgesetzt haben.

Wir haben im Fachausschuss und im Haushaltsaus-
schuss mehrere Vorschläge gemacht. Ich habe jetzt nicht
mehr die Zeit, alle zu erläutern, aber einige Punkte will ich
kurz aufgreifen.

Erstens. Die Regierung sagt zu Recht, sie müsste die
Projektmittel schneller erhöhen als die Mittel für die in-
stitutionelle Förderung. Bei der Projektförderung wer-
den die Mittel im Wettbewerb vergeben. Daher ist das völ-
lig richtig; wir billigen das. Wir meinen aber, dass man,
wenn man mehr Geld zur Verfügung hat, zunächst einmal
die globale Minderausgabe streichen sollte, weil diese nur
im Bereich der Projektförderung erwirtschaftet werden
kann.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Zweiter Punkt. Wo kann man Geld schnell und sinnvoll

ausgeben? Sie haben den Ansatz für den Hochschulbau
erhöht. Das ist gut; aber hier könnte man noch wesentlich
mehr machen. Den Unterlagen des Hauses von Frau Mi-
nisterin Bulmahn entnehme ich, dass der Bund zurzeit bei
den kleineren laufenden Projekten – die Vorfinanzierung
aus Bayern erwähne ich dabei gar nicht; die größeren
Brocken kommen, glaube ich, erst im Jahr 2004 oder spä-
ter als Rechnung nach Berlin – Schulden in Höhe von
etwa 1 Milliarde DM hat. Wir schlagen vor, diese Schul-
den schneller abzutragen.

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz hat uns
mitgeteilt, dass im Bereich der Großgeräte ein hoher
Reinvestitionsbedarf besteht. Da könnte man schnell und
sinnvoll Geld ausgeben.

Für die Genomforschung schlägt die Koalition ge-
meinsam mit der Ministerin eine Aufstockung der Mittel
um 100 Millionen DM vor. Wir haben bereits im letzten
Jahr 200 Millionen DM jährlich mehr beantragt, nicht
weil da unsere Fantasie mit uns durchgegangen wäre, son-
dern weil das dem Vorschlag der Deutschen Forschungs-
gemeinschaft entspricht. Da sind Ihre Ansätze zu niedrig.

Ich füge hinzu: Wir wollen das zusätzliche Geld nicht
nur für die Humangenomforschung einsetzen, sondern
auch für die Pflanzengenomforschung. Es ist festzustel-
len, dass in einem Teil der Bundesregierung und der Ko-
alition durchaus die Bereitschaft vorhanden ist, auch die-
sen Forschungsbereich zu fördern. Vielleicht wollen
unsere Bürgerinnen und Bürger das gar nicht; denn bei
uns gibt es genügend Lebensmittel. Aber für die Welt-
ernährung brauchen wir das Ganze dringend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Deshalb wiederhole ich: Auch die Pflanzengenomfor-
schung muss gestärkt werden.

Ich habe jetzt nur noch Zeit, auf das Märchen einzuge-
hen, dass gemäß Ihrem Zwischenbericht CDU und CSU
– wahrscheinlich meinen Sie auch die F.D.P. – nicht in der
Lage seien, Forschung und Technologie sinnvoll voranzu-
bringen und entsprechende Marktchancen zu nutzen. Ich
habe mir einmal den Bundesforschungsbericht 2000,
der aus Ihrem Hause stammt, angeschaut und finde dort
schöne Zahlen, die das widerlegen. Auf Seite 109 sind An-
gaben dahin gehend zu finden, wie groß in der Wirtschaft
der Umfang des Personals für Forschung und Entwick-
lung in den einzelnen deutschen Ländern ist. Dazu ist dort
zu lesen:

In den neuen und alten Ländern ergibt sich überein-
stimmend eine Konzentration auf die Länder im Sü-
den. Baden-Württemberg und Bayern vereinigen
mehr als die Hälfte des FuE-Personals der alten Län-
der auf sich. In den neuen Ländern arbeiten allein
45,6 Prozent der FuE-Beschäftigten in Sachsen,

– herzlichen Glückwunsch dem Kollegen Schmidt –
weitere 19,6 Prozent in Thüringen.

Dann habe ich mir angeschaut, wo das meiste Geld für
Forschung und Entwicklung ausgegeben wird: Baden-
Württemberg hat einen Bevölkerungsanteil von 12,7 Pro-
zent. Dort werden 23,5 Prozent aller in Deutschland für
FuE veranschlagten Mittel ausgegeben. Bayern hat einen
Bevölkerungsanteil von 14,8 Prozent. Dort werden
20 Prozent aller für FuE veranschlagten Mittel aus-
gegeben.

Frau Präsidentin, ich stelle deshalb abschließend fest:
Dort, wo die CDU oder die CSU regiert, fühlt sich die for-
schende Industrie, fühlen sich Wissenschaftler an Univer-
sitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen
besonders wohl.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)

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Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413803200
Ich erteile nun das
Wort dem Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die
Grünen.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413803300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Herr Kampeter, ich möchte eingangs auf das von Ih-
nen Erwähnte noch einmal zurückkommen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Meine Rede hat euch richtig in Unruhe versetzt!)


Sie haben die angeblichen Initiativen von Herrn Rüttgers
herausgestellt. Ich will Ihnen einmal die entscheidende
Initiative von Herrn Rüttgers in Erinnerung rufen: Das
war nämlich die jährliche Kürzung der in den Haushalt für
Bildung und Forschung eingestellten Mittel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dies haben wir nicht fortgeführt. Ganz im Gegenteil: Un-
ter Rot-Grün sind die Mittel von Jahr zu Jahr gestiegen.

In diesem Jahr – das möchte ich festhalten – können
wir ein wahres Weihnachtsfest feiern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Denn zu den bereits vorgesehenen Mittelerhöhungen des
Bundesforschungsministeriums um rund 800 Millionen
DM kommen in diesem Jahr im Rahmen der UMTS-
Zinsersparnisse noch weitere 700 Millionen DM hinzu.
Davon gehen 600 Millionen DM in das Bildungs- und
Forschungsministerium und 100 Millionen DM in das
Wirtschaftsministerium.

Aus Gründen der Zeit will ich mich auf zwei wichtige
Forschungsthemenbereiche beschränken, die im Haushalt
2001 besondere Akzente erfahren: Das ist die Energiefor-
schung und die Gesundheitsforschung.

Zur Energieforschung: Angesichts der großen Ener-
gieprobleme wie zum Beispiel Treibhauseffekt und Res-
sourcenverknappung ist es ein besonders wichtiger Er-
folg, dass die Mittel für die Energieforschung deutlich
angehoben werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


100 Millionen DM aus den UMTS-Zinsersparnissen wer-
den zusätzlich für die Energieforschung bereitgestellt.
Das BMBF erhöht in seinem Zuständigkeitsbereich die
Mittel um 7 Millionen DM. Im Landwirtschaftsministe-
rium kommt es in diesem Bereich zu weiteren Mitteler-
höhungen um 15 Millionen DM.

Mit 80 Millionen DM aus den UMTS-Zinsersparnissen
wird im Wirtschaftsministerium wichtigen Technologien
in diesem Bereich zum Durchbruch verholfen: der Brenn-
stoffzelle und den Offshorewindkraftanlagen. Die weite-
ren 20 Millionen DM stehen dem Umweltministerium zur
Verfügung. Die Schwerpunkte liegen auf der geothermi-
schen und der solarthermischen Stromerzeugung. Das,
Frau Flach, ist die Antwort auf Ihre Frage, ob wir uns noch
stärker in der Fusionsforschung engagieren sollten.

Sie haben uns Technikfeindlichkeit vorgeworfen. Dazu
möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Damit wer-
fen Sie indirekt unserem großen Partner, den USA, Tech-
nikfeindlichkeit vor; denn die USA haben sich schon vor
Jahren aus dem Projekt ITER zurückgezogen. Es ist also
keine besondere Position, die wir hier vertreten. Die USA
haben – das ist ganz aktuell – die Haushaltsmittel für die
Laserfusionsforschung gestoppt, weil – man höre und
staune – die Fusion wohl keine Zukunft hat und man nicht
erwartet, dass sie in vielleicht 50 Jahren etwas zur Ener-
gieversorgung beitragen wird. Nein, wir machen es an-
ders. Wir setzen auf Zukunftstechnologien, die keine Ri-
siken bergen und die uns bald von den Problemen befreien
können, die mit den nuklearen Technologien verbunden
sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413803400
Nun gibt es den
Wunsch nach einer Zwischenfrage von der Kollegin
Flach. Möchten Sie sie zulassen?


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413803500

Bitte.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413803600
Bitte sehr, Frau Kol-
legin.


(Jörg Tauss [SPD]: Ausschussvorsitzende haben immer das Wort! Die verehren wir geradezu!)



Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1413803700
Herr Fell, wie erklären Sie sich
die Aussage Ihrer Kollegin Hustedt vom gestrigen Tag,
dass sie auf Ihre Bemerkung, die Forschung werde be-
sonders zukunftsträchtig im Bereich Offshore und Geo-
thermik platziert und das sei eine gute Sache, wörtlich
sagte: Wir sind doch längst viel weiter, Herr Fell. Das ist
doch wirklich nicht mehr prickelnd, was Sie da vortragen.
– Gibt es da eventuell gewisse Diskrepanzen in Ihrer ei-
genen Fraktion?


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Er ist nicht auf der Höhe der Zeit!)



Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413803800
Ei-
gentlich verstehe ich Ihre Frage nicht. Wenn Sie mir zu-
gehört hätten, hätten Sie bemerkt, dass ich diese Bereiche
als wichtige Forschungsbereiche herausgestellt habe, für
die wir endlich mehr Geld ausgeben konnten; denn unter
der alten Regierung sind gerade im geothermischen und
solarthermischen Bereich die Mittel ständig gekürzt wor-
den. Wir haben sie in diesem Haushalt deutlich erhöht.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage war, ob es bei uns prikkelt!)


– Prickelnd ist es bei uns sowieso.
Ich komme nun zum zweiten wichtigen Forschungsbe-

reich, über den hier schon mehrfach diskutiert wurde: die
Gesundheitsforschung. Riesenhuber und Rüttgers haben
nie ein solches Gesundheitsforschungsprogramm auf den

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13481


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Weg gebracht, wie es jetzt Rot-Grün – wir haben es mit
einem hohen Mittelansatz ausgestattet – gemacht hat.

Insbesondere in den Bereichen der Genomforschung
und der Biotechnologie werden jetzt neue Akzente ge-
setzt. Hier sind erneut umfangreiche Mittelerhöhungen
von weit über 100 Millionen DM vorgesehen. Die Mittel
aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, die für den
Forschungsbereich vorgesehen sind, fließen der Gesund-
heitsforschung zu, was von Bündnis 90/Die Grünen be-
grüßt wird, da hier große Hoffnungen vorhanden sind.

Gentechnik in der Medizin bietet sowohl Chancen als
auch Risiken. Beides gilt es zu bewerten. Das steht im Ge-
gensatz zu dem, was Sie, Frau Flach, vorhin gesagt haben,
als Sie nur auf die Chancen hingewiesen haben. Sie schei-
nen die Risiken nicht zu kennen. Eine starke Gewichtung
liegt aus unserer Sicht aber genau auf der Risikofor-
schung.

Ebenfalls wichtig ist die Verstärkung der Erforschung
der sozialen, ethischen, rechtlichen, kulturellen, ökono-
mischen und technischen Folgen der Gentechnik. Hier
können wir bereits Vollzug melden: Wir werden in den
nächsten drei Jahren 5 Prozent der vorgesehenen Mittel
zur Erforschung der Risikovorsorge ausgeben. Das ist we-
sentlich mehr als international üblich.

Das wird auch dem Verbraucherschutz dienen; denn
genetisch verändertes Material in Lebensmitteln muss
aufgespürt werden. Es gilt herauszufinden, wie sich gene-
tisch veränderte Lebensmittel tatsächlich auswirken. Hier
ist Vorsorge wichtig, bevor wir ein BSE-ähnliches Pro-
blem durch gentechnisch veränderte Lebensmittel be-
kommen. Dafür betreiben wir die nötige Vorsorge.

Aber Bündnis 90/Die Grünen beschränken sich inner-
halb der Gentechnikforschung keineswegs auf die Risi-
kobetrachtung und auf ethische Diskurse. Dies hätte den
Verzicht auf wichtige Gestaltungsmöglichkeiten zur Fol-
ge. Bei der Genomforschung sollten die Schwerpunkte
auf die Bereiche konzentriert werden, bei denen die Chan-
cen besonders hoch und die Risiken möglichst niedrig
sind. Besondere Vorsicht ist überall dort angesagt, wo
veränderte Organismen freigesetzt werden.

Die Gentechnik bietet in der Medizin zusätzliche
Chancen. Diese liegen im Augenblick vor allem in der
Diagnostik. Langfristig sind auch Therapien denkbar.
Die Erforschung epigenetischer Prozesse kann zum Ver-
ständnis bei der Entstehung und Ausprägung von Volks-
krankheiten beitragen. Die genetische Erforschung von
Mikroorganismen kann es ermöglichen, auch Antibioti-
karesistenzen zu verstehen und zu beseitigen zu helfen.

Die Erhöhung der Mittel für Zukunftsinvestitionen und
die Schwerpunktsetzung auf Energie- und Gesundheits-
forschung zeigen auf, dass Rot-Grün wichtige Probleme
anpacken kann und auch anpackt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CDU/CSU und auch die F.D.P. ziehen es leider – zum
Schaden zukünftiger Generationen – immer vor, mit Po-
pulismus kurzfristig auf Wählerfang zu gehen.


(Jörg Tauss [SPD]: Die haben sie doch auch nicht, die Wähler! Nicht einmal das!)


Sollten Sie damit Erfolg haben, wäre das sicherlich zum
Nachteil für Bildung und Forschung, da der rot-grüne
Höhenflug damit beendet wäre.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413803900
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Jörg Tauss.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1413804000
Frau Präsidentin! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Natürlich wünsche auch ich meinem Vorgän-
ger, dem Kollegen Stephan Hilsberg, alles Gute. Ich biete
Ihnen allen eine gute Zusammenarbeit an. Aber – darauf
komme ich gleich noch zurück – es muss von Ihnen noch
ein bisschen mehr kommen, um eine Zusammenarbeit im
Sinne von Bildung und Forschung zu erreichen. Sonst
sind Sie kein Gesprächspartner.


(Beifall bei der SPD)

Wir behandeln heute den Haushalt für Bildung und

Forschung und damit den entscheidenden Zukunftsetat.
Nach nur zwei Jahren SPD-geführter Bundesregierung
– alle Rednerinnen und Redner haben darauf hingewie-
sen – gibt es das wichtige und richtige Signal, dass die
dringend notwendige Trendwende in der Bildungs- und
Forschungspolitik auch mit diesem Haushalt gelungen ist
und fortgeführt wird.

Wir erfahren gegenwärtig einen gewaltigen Umbruch
der modernen Gesellschaft zur Wissens- und Informati-
onsgesellschaft. Schon diese Bezeichnung sagt relativ
klar, dass Fragen der Aus- und Weiterbildung sowie die
der Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland in ei-
nem noch nicht absehbaren Zeitraum und Maß ständig an
Bedeutung gewinnen und entsprechend zunehmen. Wir
haben der Bildungs- und Forschungspolitik wieder einen
hohen Stellenwert eingeräumt und werden auch weiterhin
etwas dafür tun.


(Beifall bei der SPD)

Ich freue mich, dass wir zur Halbzeitbilanz zwei wich-

tige Botschaften einer tragfähigen und zukunftsfähigen
Bildungs- und Forschungspolitik verkünden können, auf
die ich im Einzelnen eingehen werde. Mit diesem Etat-
entwurf werden wichtige und richtige Weichenstellungen
vorgenommen. – die Bundesministerin hat darauf verwie-
sen –: Erstens. Die Zukunftsinvestitionen werden in ihrem
Gesamtvolumen deutlich erhöht. Zweitens. Die gesell-
schaftliche Bedeutung von Bildung und Forschung wird
in diesem Land wieder anerkannt – Ihnen ist vorzuwerfen,
dass das bei Ihnen nicht der Fall war –und die Hand-
lungsspielräume für eine zukunftsfähige Bildungs- und
Forschungspolitik werden nicht eingeengt – das hat nega-
tive Folgen –, sondern geöffnet. Das ist die Botschaft, die
von diesem Haushalt ausgeht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zur ersten Botschaft: Die Investitionen in Bildung und
Forschung in diesem Haushalt werden trotz der unum-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Hans-Josef Fell
13482


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gänglichen Haushaltskonsolidierung – diese war auf-
grund Ihrer Schuldenpolitik notwendig; dennoch haben
wir mit Hans Eichel gemeinsam viel erreicht – erneut und
damit zum dritten Mal seit der Regierungsübernahme
deutlich erhöht. Vielen Dank für diese wegweisende Poli-
tik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Um es noch konkreter zu sagen: Auch mithilfe des Fi-
nanzministers sind die Zeiten Ihres ständigen Raubbaus
an den Ausgaben für Bildung und Forschung vorbei. Für
diese Bundesregierung hat die Bildungs- und Forschungs-
politik Priorität.


(Beifall bei der SPD)

Sie haben durch den ständig sinkenden Etat für Bil-

dung und Forschung nicht nur die ökonomische sondern
auch die wissenschaftliche Zukunft unseres Landes – das
gilt auch für die F.D.P., Frau Flach; Sie waren Mitverur-
sacherin dieses Zustandes – leichtfertig aufs Spiel gesetzt.


(Zuruf von der F.D.P.: Immer auf die Kleinen!)

Dies wird durch die Tatsache belegt, dass wir heute Re-
gelungen wie die Green Card brauchen, um IT-Fachkräfte
ins Land zu holen bzw. im Land zu halten. Das ist eine un-
mittelbare Folge Ihrer Politik.


(Beifall bei der SPD)

Sie haben die Zukunft heranwachsender Generationen ge-
fährdet. In Ihrer Zeit ist doch der katastrophale Ingenieur-
mangel entstanden, den wir heute beklagen. Sie waren
technikfeindlich. Das ist die Botschaft, die von Ihren
Haushalten und Ihrer Politik ausgegangen ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir erhöhen nun die Zukunftsinvestitionen weiter. Der
Etat für Bildung und Forschung wird im Vergleich zum
Vorjahr – Sie haben es gehört – um knapp 10 Prozent auf-
gestockt. Sie haben ihn abgesenkt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Über den Witz müssen Sie selbst lachen!)


– Herr Kampeter, nehmen Sie doch bitte die Zahlen zur
Kenntnis. 1993 enthielt Ihr Etat 14,9 Milliarden DM.
1998, bei der Regierungsübernahme durch uns, waren im
Etat für Bildung und Forschung etwa 700 Millionen DM
niedriger.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie war es von 1994 bis 1996?)


Wie Sie hier von einer erfolgreichen Politik in der Ver-
gangenheit reden können, ist Ihr Geheimnis und wahr-
scheinlich auch das Geheimnis des im Übrigen außer von
Ihnen von niemandem vermissten Herrn Rüttgers.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wahrscheinlich haben Sie in der Gesamtschule Rechnen gelernt!)


Obwohl wir nach der Regierungsübernahme den Bil-
dungsetat erst einmal aufgestockt haben, wird er nun bei

rund 16Milliarden DM liegen. Das ist eine deutliche Stei-
gerung. Wer diese Steigerung nicht wahrnimmt, der kann
auch sagen: Die Erde ist eine Scheibe. Er kann sagen: Eins
plus eins ist nicht zwei, sondern vier. Herr Kampeter, der
Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel, Ihr Parteifreund,
den ich sehr schätze, hat einmal gemeint:


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der ist nicht mehr im Amt!)


Eins plus eins ist zwei, aber wenn Ihnen einer anbietet,
eins plus eins sei vier, dann greifen Sie zu und widerspre-
chen nicht, denn als Nächstes kommt er möglicherweise
und sagt, eins plus eins sei acht. – Ich denke, er hat bei die-
sem Ausspruch an Sie gedacht. Bei Ihnen allerdings
wären es vielleicht sogar minus zehn.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die jahrelange Abwärtsentwicklung wurde durch uns

nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt. Der Bundesminis-
terin ist für ihren unermüdlichen Einsatz dafür zu danken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Arme deutsche Gewerkschaftsbewegung bei einem solchen Vertreter! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ein richtiger Tausendsassa!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
Sie haben auf Ihrer Homepage – ich schaue mir abends
gelegentlich die CDU-Homepage an – ein CDU-Online-
spiel gestartet. Es ist immerhin gut, dass Sie jetzt wissen,
was online bedeutet. Sie haben dort die Frage gestellt, wie
denn der Bildungsminister heiße. Wer es wisse, könne
drei CDU-Überraschungspakete gewinnen. Dieser erfolg-
reiche Minister, meine sehr verehrten Damen und Herren,
auf den Sie offenbar so voller Neid schauen, dass Sie so-
gar Überraschungspakete aussetzen, ist eine Ministerin,
heißt Edelgard Bulmahn und sitzt dort auf der Regie-
rungsbank. Ich bitte Sie jetzt, die Überraschungspakete
bei mir im Büro abzuliefern. Hoffentlich ist kein
Schwarzgeld darin!


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Apropos Schwarzgeld: Wie ausgerechnet Sie in diesem
Land über Werte reden, ist schon ein Skandal an sich.


(Beifall bei der SPD)

Ein Staatssekretär von Ihnen, von der CSU, wird weltweit
von Interpol gesucht, ist auf der Flucht. Ist der vielleicht
in dem Überraschungspaket?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dies ist wohl unglaublich: Die CSU hat ihn nicht deshalb
ausgeschlossen, weil er auf der Flucht ist, sondern weil er
seinen Beitrag nicht mehr bezahlt hat. Und dann wollen
Sie den jungen Menschen in unserem Land Werte vermit-
teln?


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sagen Sie doch etwas zu den Themen der Veranstaltung!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Jörg Tauss

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Herr Merz spricht da noch von Moral. Das ist schon un-
glaublich!


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Zur Tagesordnung!)



(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters)


Da ich gerade bei Herrn Merz bin: Interessant an die-
sem Onlinespiel ist ein Satz. Die Überschrift lautet, Frau
Präsidentin – Entschuldigung: Herr Präsident –:


(Lachen bei der CDU/CSU)

Ganz Deutschland debattiert über Bildungspolitik. – Ich
wollte Ihnen das nur zeigen. Das ist wirklich in Ihrer Ho-
mepage.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413804100
Vielen
Dank. Aber sprechen Sie zu den Kollegen.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1413804200
Ganz Deutschland debattiert über
Bildungspolitik. Das ist richtig.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist kein Sprecher, das ist ein Clown!)


– Lieber Herr Kollege Kampeter, wenn Sie sich einmal
die Mühe machen, im Protokoll


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Kann der Tauss nicht einmal offline gehen?)


die im wahrsten Sinne des Wortes vorgestrige Rede Ihres
Fraktionsvorsitzenden in Replik auf den Bundeskanzler
nachzulesen, werden Sie merken: Ganz Deutschland dis-
kutiert über Bildungspolitik, nur Ihr Fraktionsvorsitzen-
der nicht. Obwohl der Kanzler sehr umfassend über Bil-
dung und Forschung geredet hat,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ging Herr Merz in seiner Haushaltsrede auf das Thema
mit keinem einzigen Wort ein. Dies ist ein schöner
Schwerpunkt, den Sie, meine sehr verehrten Damen und
Herren,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


bei einem Thema setzen, über das ganz Deutschland dis-
kutiert.

Wenigstens zur Forschungspolitik nannte Herr Merz
zwei Stichworte. Das Erste betraf die Erforschung des
menschlichen Genoms; gerade im Bereich der Gesund-
heitsforschung ein wichtiger Teil. Das machen wir. Es ist
ein Schwerpunkt unseres Programms, das die Ministerin
vorgestellt hat.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bei Tauss lieber nicht nachforschen!)


Das Zweite betraf das Thema BSE. Das ist ein wichti-
ges Thema, keine Frage. Hier forderte Herr Merz die Bun-
desregierung auf, dass sie jede Anstrengung zur Erfor-
schung der Zusammenhänge unternehmen solle. Dies
müssen wir jetzt etwas umfassender erklären.

Forschungspolitik ist nichts Kurzfristiges. Sie wissen
genau, dass seit Jahren für die Erforschung der Creutz-
feldt-Jakob-Variante nicht nur durch die Ministerin für
Bildung und Forschung die notwendigen Mittel bereitge-
stellt werden, sondern dass sich auch in anderen Ressorts
einiges tut. Dort werden Mittel für die Erforschung der Er-
reger, der Ausbreitungswege und der Inkubationszeit zur
Verfügung stehen. Die einzigen Punkte, die Ihnen einge-
fallen sind, sind von dieser Bundesregierung auf den Weg
gebracht und erledigt. Ich kann nur sagen: Auch dies ist
eine Bestätigung erfolgreicher Forschungspolitik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Hat Ihnen keiner gesagt, worum es heute geht?)


– Es geht um Bildung, das ist prima.
Sie haben sogar einen Bildungsparteitag gemacht, lie-

ber Kollege Austermann. Ich weiß nicht, ob Sie als
Delegierter dorthin gewählt wurden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war billig!)


Die „VDI Nachrichten“ des Vereins Deutscher Ingeni-
eure kommentierten Ihr mangelndes Interesse an diesem
Thema: Kaum war dieser Herr Meyer als Generalsekretär
gewählt, sind alle aus dem Saal gegangen und dann haben
ein paar über Bildung diskutiert.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da ist das Fernsehen eingeschaltet! Da sehen die Leute, was du da machst!)


Der Verein Deutscher Ingenieure – vielleicht noch ein
unverdächtiger Zeuge, wenn Sie schon auf uns nicht
hören – hat gesagt: Schlecht, wenn in der CDU das Thema
auf so wenig Diskussionsbereitschaft stoßen sollte wie bei
ihrem kleinen Parteitag. Ich füge hinzu: ein wahrhaft klei-
ner Parteitag.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Über 1 000 Änderungsanträge hat es da gegeben!)


Herr Merz hat gezeigt: Das CDU-Desinteresse an Bildung
ist in Ihrer Partei nicht nur auf Stuttgart begrenzt, sondern
auf ganz Deutschland übertragbar.


(Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie halten hier ja eine Büttenrede! Das hat mit seriöser Auseinandersetzung nichts zu tun!)


Auch die Grundsatzrede Ihrer Frau Merkel war dünn. Da
gab es dann noch ein bisschen 50er-Jahre, zum Beispiel
Kopfnoten als bewährtes Element der erziehenden
Schule,


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Die haben wir noch hier!)


aber mehr ist ihr nicht eingefallen. Sie haben Recht mit
der Feststellung: Ganz Deutschland diskutiert über Bil-
dung, nur Ihre Stimme hört man kaum.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Also, das hat mir noch keiner vorgeworfen, Herr Tauss!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Jörg Tauss
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Konzepte sucht man erst recht vergebens.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ein weiteres Signal, das mit diesem Haushalt einher-
geht, ist, dass wir die hohe gesellschaftliche Bedeutung
von Bildung und Forschung wieder anerkennen und dass
wir mit diesen Zukunftsinvestitionen den notwendigen
Handlungsspielraum für Bildung und Forschung wieder
öffnen.

Wir könnten auch ernsthaft über wirkliche Probleme
des Bildungswesens in unserem Land diskutieren, aber
nicht so, wie Sie es heute Morgen hier oder auf Ihren klei-
nen Parteitagen vorgeführt haben.

Mich erfüllt das Thema der beruflichen Bildung mit
großer Sorge. Das duale System – Betrieb und Berufs-
schule – bildet die meisten jungen Leute aus und macht
sie über viele Jahre hinweg in ihren Berufen zu qualifi-
zierten Fachleuten. Aber unübersehbar ist das duale Sys-
tem in einer tiefen Krise, es ist in einem Wandel begriffen.

Jeder dritte oder vierte Erwachsene wird nach einer
Untersuchung der Uni Rostock nach der Ausbildung
zunächst einmal arbeitslos. Die traditionelle Lehre wird
an vielen Stellen aufgeweicht, häufig durch private Aka-
demien, die mehr Durchlässigkeit hin zu weiterführenden
Bildungssystemen versprechen. Der ZVEI, der Zentral-
verband der elektrotechnischen Industrie, spricht von ei-
nem Wandel hin zu einer notwendigen Akademisierung
der Berufsausbildung.

Wir wollen und dürfen das duale System aber nicht zu
einer bildungspolitischen Restgröße verkommen lassen,
dessen Zustand sich gerade im schlechten Zustand der Be-
rufsschulen widerspiegelt. Deshalb tun wir alles, um die-
sen Zustand, soweit es in unserer Macht als Bund steht, zu
verbessern. Ich begrüße ausdrücklich das wichtige Zu-
kunftsinvestitionsprogramm für die Berufsschulen, Frau
Ministerin Bulmahn.


(Beifall bei der SPD)

225 Millionen DM in zwei Jahren, das ist eine tolle Ini-
tiative, genauso wie das JUMP-Programm, das Hun-
derttausenden junger Menschen wieder Hoffnung gege-
ben hat. Das wäre eine bildungspolitische Diskussion, der
Sie sich stellen sollten. Über eine halbe Million junge
Menschen wurden ohne Zukunftsperspektive in Berufs-
schulen geparkt, von Herrn Kohl und Ihnen allein gelas-
sen. Viele junge Menschen haben sich sogar der Schule
zunehmend verweigert, weil sie keine gesellschaftliche
Perspektive mehr für sich sahen, weil sie das Gefühl hat-
ten, in der Gesellschaft nicht gebraucht zu werden. Des-
halb haben wir JUMP und anderes auf den Weg gebracht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ihr Desinteresse an den jungen Menschen wird aber
nicht nur bei den benachteiligten Gruppen deutlich, son-
dern auch bei den Studierenden dieses Landes. Über die
Zahlen ist geredet worden. Sie können bei allen
Zahlenspielchen, die Sie hier betreiben – eins und eins ist
minus acht –, nicht darüber hinwegtäuschen, dass der
Rückgang der Zahl der Geförderten Ihre Erblast ist und

dass wir diesen Rückgang der Zahl der über BAföG Ge-
förderten nicht nur rückgängig gemacht haben, sondern
dass wir auch hier eine gegenteilige Entwicklung einge-
leitet haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben mit der fahrlässigen Zinsdebatte, die Sie auf den
Weg gebracht haben, das Vertrauen in das Instrument
BAföG doch erst einmal leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Mit der Dienstrechtsreform haben wir einige Initiati-
ven auf den Weg gebracht. Schauen Sie auf die For-
schungslandschaft. Meine Damen und Herren, gehen Sie
auf die parlamentarischen Abende. Egal, zu welchem Ver-
band Sie gehen, egal, in welchen Forschungsbereich Sie
gehen: Dort erleben Sie Aufbruchstimmung,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist aber eine virtuelle Aufbruchstimmung, die Sie da diagnostizieren!)


dort erleben Sie nicht kleinliche Kritik an dieser Regie-
rung. Sie erleben Lob für diese Regierung. Ich schlage Ih-
nen vor, sich dem ein bisschen anzuschließen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Redezeit ist vorüber. Ich hole dann bei Frau

Merkel, wie angekündigt, die CDU-Überraschungspakete
ab. Eine wirkliche Überraschung wäre das CDU-Überra-
schungspaket erst dann, wenn auch nur ein einziger
vernünftiger und ernst zu nehmender bildungs- und for-
schungspolitischer Ansatz darin zu finden wäre.

Da dies aber nicht der Fall ist, empfehle ich Ihnen ein-
fach, unserem Haushalt zuzustimmen und diese Bundesre-
gierung auf den Plätzen und Märkten für ihr Engagement
zu loben und außerdem Ihrem Fraktionsvorsitzenden ein
bisschen von dem näher zu bringen, was Bildung und For-
schung anbelangt. Da könnten Sie sich Verdienste erwer-
ben.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413804300
Ich schließe
die Aussprache.

Wir kommen nun zu einer Reihe von Abstimmungen.
Zunächst stimmen wir über die Änderungsanträge ab.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4790. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Än-
derungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei
Enthaltung von F.D.P. und PDS abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4791. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Än-
derungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis
wie zuvor abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Frak-
tion der F.D.P. auf Drucksache 14/4830. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Jörg Tauss

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(D)



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(B)


Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4831. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von F.D.P.
und PDS abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4832. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
men der Opposition abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4834. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die übri-
gen Stimmen des Hauses abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4824. Wer stimmt dafür? Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der
PDS abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4825. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4826. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor
abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4827. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4828. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4833. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
men von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS
abgelehnt.

Abstimmung über den Einzelplan 30 in der Ausschus-
sfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Lauer Beifall! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Ein bisschen Freude, Herr Kampeter, wäre jetzt angebracht!)


– Das Abstimmungsergebnis hing bestimmt mit der Rede
von Herrn Tauss zusammen.


(Heiterkeit – Beifall bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Schwere Überzeugungsarbeit!)


Ich rufe auf:
III. 24 Haushaltsgesetz 2001

– Drucksachen 14/4522, 14/4523 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Christa Luft

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir über einen Änderungsantrag der
Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4829 ab. Wer
stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von
F.D.P. und CDU/CSU bei Enthaltung der PDS abgelehnt.1)

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/
CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen.2)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Un-
terrichtung durch die Bundesregierung „Finanzplan des
Bundes 2000 bis 2004“, Drucksachen 14/4001, 14/4301
und 14/4524. Der Ausschuss empfiehlt Kenntnisnahme.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Keine Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist einstimmig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-
stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus-
haltsjahr 2001

(Haushaltsgesetz 2001)

– Drucksachen 14/4000, 14/4302, 14/4501 bis
14/4520, 14/4521, 14/4522, 14/4523 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
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(C)



(D)



(A)



(B)


1, 2) siehe Anlage 2

Es liegen sechs Entschließungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, sechs Entschließungsanträge der Fraktion der
F.D.P. und zwei Entschließungsanträge der Fraktion der
PDS vor. Über den Gesetzentwurf sowie zwei Ent-
schließungsanträge der Fraktion der F.D.P. und einen Ent-
schließungsantrag der Fraktion der PDS werden wir spä-
ter namentlich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Adolf Roth.

Adolf Roth (Gießen) (CDU/CSU) (von Abgeordneten
der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Be-
ginn der dritten Lesung des Bundeshaushaltes 2001 lassen
Sie mich zunächst in meiner Funktion als Vorsitzender des
Haushaltsausschusses die Gelegenheit wahrnehmen, all
unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausschuss-
sekretariat, in den Fraktionsarbeitsgruppen, in unseren
Büros, beim Bundesrechnungshof und in den Ministerien
ein herzliches Dankeschön für die konstruktive Zusam-
menarbeit unter schwierigen Bedingungen zu sagen.


(Beifall im ganzen Hause)

Wir haben den Haushalt 2001 termingerecht in der parla-
mentarischen Beratungsrunde abschließen können. Den
an der Stirnseite unseres Plenarsaales anwesenden tüchti-
gen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschuss-
sekretariats möchte ich meinen besonderen Dank und
meine Anerkennung aussprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der F.D.P. und der PDS)


Wir haben nach wochenlangen Berichterstatter-
gesprächen und Einzelberatungen am Ende über insge-
samt 1 240 parlamentarische Initiativen, Vorschläge der
Berichterstatter, Plus-Minus-Listen der Ministerien und
Ini-tiativen bis zur Bereinigungssitzung zu beraten und
abzustimmen gehabt. Wir haben es am Ende geschafft. Ich
denke, dass wir uns letztmalig den äußerst schwierigen
Arbeitsbedingungen in der Luisenstraße aussetzen muss-
ten und nach einem, wie ich hoffe, pünktlichen Umzug ins
Paul-Löbe-Haus


(Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Vielleicht gibt es einen Wassereinbruch!)


wieder eine attraktivere Arbeitsatmosphäre haben wer-
den.

Auf die Frage, wie wir das überhaupt hinbekommen
haben, kann ich nur antworten: Der Indianer kennt keinen
Schmerz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


Außerdem haben wir in der Rotstiftzone des Parlaments,
wie jeder weiß, auch eine besondere Streit- und Parla-
mentskultur. Wenn wir uns durch die Bereinigungssitzung
durchgekämpft haben, in der der letzte Krach beigelegt

und die letzten Auseinandersetzungen beendet werden
müssen, dann trinken wir zum Abschluss gemeinsam ei-
nen Schnaps und schauen uns auch wieder in die Augen.
So gehört es sich unter guten Haushaltspolitikern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


Meine Damen und Herren, jeder weiß, dass beim poli-
tischen Kampf um knappes Haushaltsgeld die viel be-
schworene Konsensdemokratie schnell an ihre Grenzen
stößt. Die Mehrheit wie die Minderheit im Haushaltsaus-
schuss – aus wohlbegründeter Tradition von einem Oppo-
sitionspolitiker geführt – müssen die klar definierte Posi-
tion des Parlaments gegenüber der Exekutive vertreten,
denn die Verfügung über die Finanzmittel unseres Staa-
tes obliegt der Bundesregierung nur im Bereich der poli-
tischen Initiative. Das Bewilligungsrecht und die Pflicht
zur Kontrolle liegen beim Parlament. Ich denke, wir ha-
ben allen Anlass, diese klare Kompetenzabgrenzung auch
zu verteidigen und sie durch niemanden aushöhlen zu las-
sen. Wir können uns keine Entparlamentarisierung der
Politik in Deutschland erlauben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.])


Für das Haushaltsjahr 2001 kann sich die Bundesre-
gierung ganz sicher nicht über mangelnde Generosität der
Koalitionäre im Haushaltsausschuss beklagen. Denn es ist
für mich nach langjähriger Arbeit im Haushaltsbereich
eine wirklich neue Erkenntnis, dass am Ende des parla-
mentarischen Verfahrens alle Einzelpläne der Ministe-
rien – also ohne Ausnahme – einen materiellen Aufwuchs
erfahren haben. Sie haben nicht nur die 5 Milliarden DM
kalkulatorische Zinsersparnis in Investitionen gelenkt,
sondern Sie haben noch deutlich mehr als 1 Milliarde DM
den Ressorts zusätzlich bewilligt. Das heißt, Sie haben
mehr bewilligt, als die Bundesregierung überhaupt beim
Parlament beantragt hatte.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sparen nennt man das!)


Sie mögen sagen, die Sparsamkeit von Rot-Grün
drückt sich in einer besonderen Großzügigkeit bei der
Verteilung aus. Aber dann stehen Sie bitte auch dazu, statt
wie die Kraftprotze der neuen Konsolidierungsepoche
durchs Parlament zu laufen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das, was geschehen ist, hat mit Sparsamkeit im Detail
herzlich wenig zu tun gehabt.

Damit wende ich mich an den Bundesfinanzminister:
Herr Eichel, Ihr Regierungsentwurf zum Bundeshaus-
halt 2001, den Sie im Juli im Kabinett zur Verabschiedung
gebracht haben, ist, wenn man ihn nüchtern bewertet, ein
reiner Routinehaushalt ohne neue politische Markierun-
gen gewesen.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Richtig! – Uta Titze-Stecher [SPD]: Das stimmt nicht!)


Er ist ein Fortschreibungshaushalt in einem engen Ge-
füge von Haushaltskennziffern und Entwicklungsreihen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters

13487


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(D)



(A)



(B)


Ich glaube, Sie haben das auch selber gemerkt, denn Sie
haben am Dienstag bei der Aussprache hier im Parlament
davon gesprochen, dass die unverhoffte Milliardenein-
nahme aus der Lizenzvergabe bei UMTS für Sie ein Zu-
fallsfund gewesen sei.

Das ist eine zutreffende Beschreibung. Sie wird auch
nicht dadurch relativiert, dass der Bundeskanzler am Mitt-
woch in der Aussprache hier im Parlament etwas verlegen
auf diese neue Semantik reagiert hat.

Ich glaube, es hätte überhaupt keine politische Akzen-
tuierung für das kommende Haushaltsjahr gegeben


(Hans Eichel, Bundesminister: Stimmt nicht!)

ohne diese nach der Veräußerung der UMTS-Lizenzen zu-
sätzlich bewilligten Milliarden.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Eine positive Erblast!)


Ich füge hinzu, Herr Minister Eichel: Sie profitieren
hier unverdientermaßen


(Hans Eichel, Bundesminister: Quatsch!)

vom Erfolg der früheren Bundesregierung,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

von der Reformpolitik im Bereich von Post und Telekom-
munikation. Diese Politik ist mit den Namen von Christian
Schwarz-Schilling und von Wolfgang Bötsch verbunden,
aber ganz gewiss nicht mit Ihrem Namen. Deshalb kassie-
ren Sie hier eine Dividende, die Ihnen nicht zusteht,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

im Gegenteil: Mit Ihrem Namen und mit dem Namen des
Bundeskanzlers ist die politische Absage an diese Libera-
lisierungspolitik und deren Bekämpfung verbunden ge-
wesen, denn Sie haben seinerzeit gegen die Privatisierung
im Bereich der Post gestimmt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bremser!)


Stehen Sie dazu!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Natürlich gehört die Verwendung dieser Zinserspar-
nisse im investiven Bereich zu den Optionen, die sich
aus der Entwicklung ergeben haben, aber ich weise da-
rauf hin: Die Deutsche Bundesbank und auch die Sach-
verständigen haben diesen Weg als den eher zweitbesten
eingestuft. Sie, Herr Eichel, haben am Dienstag dem Par-
lament gesagt, etwas anderes sei politisch nicht durch-
setzbar gewesen, etwa eine zusätzliche Schuldentilgung,
wie sie ja selbst in Teilen der Koalition ursprünglich be-
absichtigt gewesen war.

Ich glaube, Sie räumen damit ein, dass Sie die uner-
warteten UMTS-Einnahmen aus der Verlegenheit befreit
haben, selbst und aus eigener politischer Initiative einen
qualitativen Umbau der Haushaltsstruktur hin zu mehr in-
vestiven und zukunftsorientierten Ausgaben vorzuneh-
men. Das ist die Situation gewesen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn es zutrifft, dass der Kern des Haushaltes, den wir
heute nach dem Ende der parlamentarischen Beratungen
verabschieden, auf einem Zufallsfund auf der Einnahme-
seite basiert, dann kann ich nur sagen: Dieser Bundes-
haushalt ist ein Zufallsprodukt der Bundesregierung und
fügt sich in den Rahmen der Beliebigkeit Ihrer übrigen
Entscheidungen ein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen

Punkt hinzufügen. Ich glaube, dass die Sondertilgung für
die Erblastschulden und für die Verbindlichkeiten im Zu-
sammenhang mit der Währungsumstellung in Höhe von
100 Milliarden DM zu der Überlegung hätte führen müs-
sen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt für eine weitere Absen-
kung des Solidaritätszuschlages auf etwa 4 Prozent ge-
kommen ist. Bei den Beratungen zum Solidarpakt
1993/94, an denen Sie ja teilgenommen haben, ist der So-
lidaritätszuschlag dem Bund als ein befristeter Ausgleich
für


(Hans Eichel, Bundesminister: Aufbau Ost!)

den Schuldendienst nach der Übernahme der DDR-Schul-
denlast zugewiesen worden. Er hat mit dem Aufbau Ost,
wie Sie sehr wohl wissen, überhaupt nichts zu tun.


(Hans Eichel, Bundesminister: Völlig falsch!)

Er wird von den Steuerzahlern in Ost und West finanziert.
Das ist die Situation.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Minister Eichel, Sie sind jetzt eineinhalb Jahre im

Amt. Nach dem für Sie überraschenden Aufgabenwechsel
haben Sie in Berlin früher vertretene Positionen deutlich
korrigieren müssen. Das wirft Ihnen niemand vor. Aber
wir müssen Sie daran erinnern, dass Sie damals in den
90er-Jahren in Ihrer Funktion als Ministerpräsident – Sie
waren sozusagen das Gegengewicht im Bundesrat – ge-
gen die „Kaputtsparer“ in Bonn operiert haben.


(Hans Eichel, Bundesminister: Das ist falsch! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da hatte er noch die Spendierhosen an!)


Hätten Sie damals nicht so schamlos eine solche Ob-
struktions- und Blockadepolitik betrieben, wären wir in
Deutschland weiter, weil einige der Probleme, mit denen
auch Sie sich heute herumschlagen müssen, längst gelöst
wären.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich werfe Ihnen vor, dass Sie bis heute nicht zu einem

fairen Gesamturteil über die Finanzpolitik der 90er-Jahre
gekommen sind. Sie fuchteln bei jeder sich bietenden Ge-
legenheit mit Grafiken herum und argumentieren mit
endlosen Zahlenkolonnen gegen die damalige Politik. Ich
denke, das ist weder souverän noch sachgerecht. Sie wer-
den aber damit den Stolz der CDU/CSU und den Stolz der
Deutschen in Ost und West auf den Erfolg der Aufbauar-
beiten nach der glücklichen Wiedervereinigung nicht
schmälern können. Es wäre an der Zeit, dass Sie ein fai-
res Urteil über diese Politik wenigstens ansatzweise in das
Bild der Vergangenheit einfügen könnten.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Adolf Roth (Gießen)

13488


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(B)


Ich sage Ihnen noch einmal – wir werden diesen Stand-
punkt immer wiederholen –: 1982, zum Ende der SPD-ge-
führten Bundesregierung, betrug das staatliche Finanzie-
rungsdefizit in Deutschland 4,4 Prozent. Das entspräche in
heutigen Kategorien des Bruttoinlandsprodukts einer
Summe von 180Milliarden DM. Wir hatten bis zum Jahre
1989 dieses Finanzierungsdefizit in einen gesamtstaatli-
chen – kleinen – Überschuss verwandelt, der uns in die
Lage versetzt hat, die Lasten der Wiedervereinigung zu
meistern. Am Ende unserer Regierungszeit 1998 war das
Finanzierungsdefizit wieder auf 1,5 Prozent abgeschmol-
zen, also auf ein Drittel des Finanzierungsdefizits, das die
sozialdemokratische Bundesregierung 1982 hinterlassen
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir hatten die niedrigste Ausgabenquote des Bundes

und eine sinkende Staatsquote. Außerdem hatten wir die
niedrigste Steuerquote in unserer Geschichte. Alle diese
Punkte müssen in diesem Zusammenhang erwähnt wer-
den.

Wenn Sie heute beklagen, dass die Finanzierung des
Bundes eine Schieflage aufweist, dann muss ich sagen,
dass das zutreffend ist. Aber ich frage Sie hier erneut: Wen
wollen Sie eigentlich anklagen? Bei wem wollen Sie
Empörung hervorrufen? Sie waren doch als Koordinator
der SPD im Bundesrat höchstpersönlich maßgeblich da-
ran beteiligt, gegen die entsprechenden Entscheidungen
anzugehen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der Strippenzieher!)


Sie haben also die Konsequenzen selbst zu verantworten.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind, wie die Zahlen des Haushaltes ausweisen,
längst wieder in ruhigeres Fahrwasser gekommen. Die
Einnahmeseite hat sich kräftig verbessert. Wir haben
55 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen als 1998.

Zwischen 1998 und 2005 wird allein der Bund voraus-
sichtlich über 100 Milliarden DM zusätzlich Steuern ein-
nehmen. Gleichzeitig erzählen Sie den Leuten, im Jahre
2005 müssten sie 95 Milliarden DM weniger Steuern zah-
len als 1998. Wie Sie aus dieser Rechenformel eine poli-
tische, qualitative Aussage machen wollen, müssen Sie
dem deutschen Volk und dem Parlament erst noch erklä-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie reden oft und gern von Gerechtigkeit. Ich sage Ih-

nen: Die Willkürlichkeit Ihrer Steuerpolitik ist die subtils-
te Form der Ungerechtigkeit in unserem Land. Sie räumen
den großen Kapitalgesellschaften der Industrie bessere
Steuerbedingungen ein als den arbeitenden Menschen und
den persönlich haftenden Unternehmern des Mittelstan-
des. Das ist ein Skandal.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Angesichts dessen können wir nicht zur Tagesordnung

übergehen. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung für
sämtliche Arbeits- und Unternehmenseinkommen, unab-

hängig von der Rechtsform und unabhängig von Erzie-
lung und Verwendung dieser Einkommen – diese Frage
von Recht und Gerechtigkeit bleibt auf der Tagesordnung
der deutschen Politik. Wir werden uns spätestens im
nächsten oder übernächsten Jahr bei dieser Diskussion
wiederfinden.

Weltweit zeichnet sich heute ein grundlegender Mei-
nungswandel ab, den man als Abkehr vom staatlichen Ak-
tivismus und Wiederentdeckung marktwirtschaftlicher
Erfolgsprinzipien, gerade auch im Sinne einer effiziente-
ren Sozialordnung, beschreiben kann. Nach dem endgül-
tigen Fehlschlag sozialistischer ökonomischer Systeme
beginnt eine neue Phase der sozialen Marktwirtschaft.
Das ist das zentrale Programm der CDU/CSU als Oppo-
sition im Deutschen Bundestag.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Minister Eichel, Sie haben vor den Studenten der

Humboldt-Universität kürzlich die Ordnungsprinzipien
der sozialen Marktwirtschaft und die geistige Tradition
ihrer freiheitlichen Denker und Wegbereiter positiv her-
vorgehoben. Ich habe das mit Genugtuung zur Kenntnis
genommen; denn ich erinnere mich sehr wohl an den er-
bitterten Kampf in den 50er-Jahren gegen die Politik
Ludwig Erhards, wie er gerade von der SPD betrieben
worden ist.

Die haushaltspolitische Kurskorrektur von 1999 hätte
wahrscheinlich auch dann viele Menschen überrascht und
Aufmerksamkeit erregt, wenn sie nicht nur ein Befrei-
ungsschlag nach dem totalen Scheitern in der Amts-
führung Ihres Vorgängers, Oskar Lafontaine, gewesen
wäre. Herr Lafontaine mischt sich quasi täglich mit seiner
grollenden Kritik an Ihrer Amtsführung in die öffentliche
Diskussion ein, auch wenn er nicht einmal mehr bei sei-
ner kleinen Saar-SPD als Gutachter akzeptiert wird.

Zumindest ehrlich war er in einem Punkt: Er hat nie
weniger Staat gewollt. Aber sofern sich nach seinem Weg-
gang die Fassade Ihrer Politik verbessert hat, stellen sich
doch die Fragen: Haben wir heute eigentlich weniger Re-
gulierung? Haben wir weniger Staat? Haben wir weniger
Abgaben und Steuern? Diese Fragen werden Kernpunkte
der Auseinandersetzung in der Zukunft sein. Mit Grund-
satzerklärungen werden Sie diese Probleme nicht bewäl-
tigen. Sie haben einen langen, steinigen Weg vor sich;
auch im Hinblick darauf, dass Sie die von Ihnen verkün-
deten Grundsätze Ihrer Politik in Ihrer eigenen Fraktion
durchsetzen müssen.

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zeit drängt. Wir werden
mit dem Haushalt 2001 bei den grundlegenden Reformen
und insbesondere bei der Reform der Finanzverfassung in
Deutschland Chancen verspielen. Weil das so ist, können
wir dieser Politik kein politisches Vertrauen entgegen-
bringen. Wir lehnen diesen Bundeshaushalt 2001 in der
dritten Lesung ab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413804400
Ich gebe
dem Kollegen Joachim Poß für die SPD-Bundestagsfrak-
tion das Wort.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Adolf Roth (Gießen)


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Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1413804500
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Auch diese Haushaltswoche hat gezeigt: Die
Haushaltspolitik der Bundesregierung und der sie tragen-
den Fraktionen ist solide und zukunftsweisend.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie ist hier im Hohen Hause ohne Alternative.

(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Sie haben die Rede von Rexrodt noch nicht gehört!)

Herr Roth, wenn Sie ehrlich wären, müssten Sie zuge-

ben: Wenn Sie einen solchen Haushalt in Ihrer Verant-
wortung als haushaltspolitischer Sprecher in den letzten
Jahren jemals hätten vorlegen können, hätten Sie an die-
ser Stelle jubiliert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen merkte man Ihrer Rede auch an, wie schwer es
Ihnen gefallen ist, Ihre Ablehnung unseres Haushalts zu
begründen. Diese Haushaltswoche hat gezeigt: Die Zwi-
schenbilanz der Regierung Schröder ist überzeugend. In
dieser Woche ist deutlich geworden: Gewinner unserer
Politik sind vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer, Familien mit Kindern und der Mittelstand.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das Gegenteil ist deutlich geworden!)


Meine Damen und Herren von der Opposition, wie
schon bei der ersten Lesung des Haushalts haben Sie
keine ernsthafte haushaltspolitische Debatte geführt. Das
hat zwei Gründe:

Erstens. Sie wissen, dass der Bundeshaushalt 2001 im
Rahmen der Möglichkeiten und Gegebenheiten in Wahr-
heit ein gelungener Etat ist und dass es deshalb keine
grundsätzlichen Einwendungen dagegen gibt. Sie wissen
auch, dass es zu unserer Haushaltspolitik, die inzwischen
zum Markenzeichen dieser Koalition geworden ist, keine
sinnvolle Alternative gibt.

Zweitens. Sie wissen, dass Sie – das gilt insbesondere
für die Union –, in Ihrer derzeitigen Verfassung weder
die konzeptionelle noch die politische Kraft haben, eine
Alternative zu entwickeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie sind dabei, Ihre jüngste Vergangenheit zu bewältigen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen denn den Unsinn aufgeschrieben? Ich sage nur: Wettig-Danielmeier!)


Dabei sind Ihnen fast jedes Argument und jedes Mittel
recht. Der Parteienforscher Lösche sagt dazu:

Die CDU versucht – verlockt durch den Wahlsieg in
Hessen im Februar 1999 – immer noch, den beque-
meren Weg zu gehen. Sie will über die Mobilisierung
von Vorurteilen Wahlen gewinnen, statt eine alterna-
tive Programmatik zur Regierung zu entwickeln. Die

Partei ist innerlich zerrissen und hat bisher keinen
Konsens gefunden.

Das ist die Situation der Union.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Das hätten Sie gern!)


Die letzten drei langen Tage haben gezeigt: Die Haus-
haltspolitik der Koalition ist solide und verlässlich. Sie
löst die aktuellen Probleme, hat aber auch die Sicherung
der Zukunft und die Interessen der nachfolgenden
Generationen im Blick.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo ist bei diesem Mann die Nachdenklichkeit geblieben?)


Was haben Sie dem entgegenzusetzen? Insbesondere die
so genannten Hauptredner von CDU/CSU und F.D.P. ha-
ben nicht viel geboten, haben sich im Wesentlichen in
Halbwahrheiten, Unwahrheiten und bisweilen sogar in
absurden Gedankengängen verloren. Zu den absurden
Äußerungen zählt vor allem Ihre Behauptung – Herr Roth
hat sie gerade wiederholt –, die Koalition habe im Haus-
halt 2001 zu wenig gespart. Das ist wirklich abwegig.

In den parlamentarischen Beratungen ist es gelungen,
die Nettokreditaufnahme gegenüber dem Entwurf um
2,4 Milliarden DM auf 43,7 Milliarden DM zu senken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eine derart niedrige Nettokreditaufnahme ist Ihnen in den
90er-Jahren nur einmal, und zwar im Jahre 1992, gelun-
gen. Mit Ihren Einwänden spekulieren Sie also auf das
kurze Gedächtnis der Menschen. Ich will nur auf die letz-
ten drei Jahre, in denen Sie für die Nettokreditaufnahme
des Bundes verantwortlich waren, zurückblicken: 1996
haben Sie fast 80 Milliarden DM an Krediten aufge-
nommen, 1997 64 Milliarden DM und 1998 immer noch
über 56 Milliarden DM.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ging doch runter!)


Das waren nicht nur historisch hohe Neuverschuldungen;
in den Jahren 1996 und 1997, Herr Austermann, lag die
Nettokreditaufnahme zudem weit über der Höhe der
Investitionsausgaben. Sie haben damit die Kreditober-
grenze des Art. 115 Grundgesetz in zwei aufeinander fol-
genden Jahren nicht eingehalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und auch im Jahre 1998 haben Sie mit der Neuverschul-
dung lediglich um 690 Millionen DM unter den Investi-
tionen gelegen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja fast wie in Niedersachsen!)


Das heißt: Als wir die Regierungsverantwortung über-
nommen haben – das ist die historische Wahrheit –, muss-
ten wir zunächst die Verfassungsmäßigkeit der Haushalts-
aufstellung sicherstellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 200013490


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(D)



(A)



(B)


Das ist uns gelungen. Ab dem Jahre 1999 liegt, wie das
Grundgesetz es vorschreibt, die jährliche Kreditaufnahme
des Bundes erheblich unter den Investitionsausgaben. Da
wir die Nettokreditaufnahme kontinuierlich senken wer-
den, die Investitionen jedoch ihr Niveau behalten sollen,
wird diese Differenz immer größer werden. Das heißt, der
Art. 115 des Grundgesetzes ist unter unserer Regierung
kein Thema mehr. Damit verantworten wir eine Finanz-
politik, die eine ganz andere Qualität hat als Ihre Finanz-
politik, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das bringt mich zu einer anderen Behauptung, die Sie
wiederholt gemacht haben. Sie haben behauptet, Herr
Eichel und die Koalition insgesamt stünden nur deshalb
haushaltspolitisch so gut dar, weil sie von glücklichen
Umständen auf der Einnahmenseite, insbesondere bei den
Privatisierungserlösen profitierten.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: 120 Milliarden DM!)


– Ich rede nicht über UMTS, sondern über Ihre Behaup-
tung, die Sie zu den Privatisierungserlösen gemacht ha-
ben.

Bezeichnend für die Art und Weise, wie zum Beispiel
der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU, Herr
Austermann, mit Fakten umgeht, ist seine Behauptung:
Kein Finanzminister in Deutschland habe je mehr Priva-
tisierungserlöse erzielt als Bundesfinanzminister Eichel.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Richtig! 120 Milliarden DM!)


– Sie sagen jetzt noch: „Richtig!“ Herr Austermann,
1998 – in der Regierungszeit der Herren Kohl und Waigel;
also in Ihrer Regierungszeit, auch wenn Sie nicht regiert
haben, sondern im Parlament gestaltend mitgewirkt ha-
ben – gab es Einnahmen aufgrund von Beteiligungsver-
äußerungen und von Rückflüssen von Kapitaleinlagen,
also Privatisierungserlösen, von 22,6 Milliarden DM.
Dem gegenüber betragen die Privatisierungserlöse 2001
nur 15,6 Milliarden DM. Dies ist, wie es Ihre Art ist, Herr
Austermann, wieder einmal eine Falschaussage.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: UMTS hat er völlig vergessen! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das war aber schwach!)


Mit diesen Privatisierungserlösen finanzieren wir das
Vorziehen der dritten Stufe des Steuerentlastungsgesetzes
von 2002 auf 2001. Das ist im Interesse von den Bezie-
hern kleiner und mittlerer Einkommen und auch solide,
weil ein einmaliger Vorgang. Auch das unterscheidet uns
im Übrigen: Wir tun etwas zur steuerlichen Entlastung
und finanzieren diese Entlastung solide. Sie haben in den
90er-Jahren nicht ein Steuerkonzept vorgelegt, das auch
nur annähernd solide finanziert war. Das unterscheidet
uns wesentlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Was war 1997?)


Wenn einige von Ihnen behaupten, die Regierungsko-
alition habe nicht gespart, dann zeigen Sie nur, dass Sie
ein kurzes Gedächtnis haben. Es ist gerade ein Jahr her,
dass fast jeder Berufsstand – auch jene, die vorher noch
nichts mit Demonstrationen zu tun hatten – vor dem Bran-
denburger Tor gestanden und gegen die umfangreichen
Sparpläne von Koalition und Regierung protestiert hat.
Wer von uns erinnert sich nicht an die manchmal bitter-
bösen Briefe, die wir bekommen haben, weil wir quer
über den gesamten Bundeshaushalt und quer über alle Po-
litikbereiche finanzielle Mittel eingespart und abgebaut
haben? Sie wissen das doch noch. Sie haben doch bei ei-
nigen Demonstrationen – ich werfe Ihnen das gar nicht
vor – kräftig mitgemacht. Auch für einige von Ihnen war
das ein neues Erlebnis.

Wer uns vor diesem Hintergrund mangelndes Sparen
und mangelndes Konsolidieren vorwirft, bastelt sich die
Welt so, wie er sie haben will und wie er es politisch für
opportun hält. Herr Austermann, Herr Merz, aber auch
Herr Rauen: In dieser Hinsicht unterscheiden Sie sich in
nichts von Ihrem früheren Bundeskanzler Dr. Helmut
Kohl, dessen Realitätsverständnis man letzthin wieder
einmal bei der Vorstellung seines Tagebuches staunend
zur Kenntnis nehmen konnte.


(Peter Dreßen [SPD]: Das war aber höflich formuliert)


– Ja, das war sehr höflich formuliert. Ich habe mir extra
vorgenommen, heute Morgen besonders höflich zu sein.

Ihre Kritik, wir würden zu wenig sparen, wird völlig
unglaubwürdig, wenn man sich Ihr Abstimmungsverhal-
ten in den Beratungen des Haushaltsausschusses und hier
im Plenum – zu den Änderungsanträgen, über die wir ab-
gestimmt haben – ansieht. Wenn man sich die Forderun-
gen Ihrer Fachpolitiker anschaut, so stellt man fest, dass
es kaum einen Bereich gibt, in dem Sie nicht opportunis-
tisch draufsatteln wollen: mehr Geld für die Bauern, mehr
Geld für die Beamten, mehr Geld für den Straßenbau,
mehr Geld für die Bundeswehr. Man kann diese Reihe be-
liebig fortsetzen. Nur: Solange Sie keinen sinnvollen
Finanzierungsvorschlag machen – bisher haben Sie das
nicht –, sind solche Forderungen wohlfeil. Sie überzeugen
noch nicht einmal diejenigen, die von Ihrer Politik be-
günstigt werden sollen.

Eine allgemeine Aussage machen Sie – Sie werden sie
sicherlich gleich wiederholen –, indem Sie behaupten,
man müsse bei den konsumtiven Ausgaben mehr sparen
und dafür die Investitionen erhöhen. Doch was sind
– auch manche Wissenschaftler benutzen diesen Begriff
leichthin – „konsumtive Ausgaben“? Was sind konsum-
tive Ausgaben im Bundeshaushalt? Da ist das Erzie-
hungsgeld, da ist das Wohngeld: Wollen Sie das abschaf-
fen? – Da ist das BaföG: Noch heute Morgen haben Sie
eine weitere Erhöhung gefordert, obwohl wir in dieser
Hinsicht schon eine Menge gemacht haben.


(Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Eine Reform wollen wir!)


Das sind konsumtive Ausgaben. – Oder Arbeitslosengeld
oder die Arbeitslosenhilfe: Wollen Sie die abschaffen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Joachim Poß

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(C)



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(A)



(B)


Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposi-
tion, an diese Leistungen herangehen wollen, dann sagen
Sie das den Bürgerinnen und Bürgern, damit sie wissen,
woran sie bei Ihnen wirklich sind. Wer mehr sparen will,
der muss genau sagen, wo er sparen will.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Allgemeine Floskeln helfen nicht weiter. Die Wahrheit ist
immer konkret.

Konsumtiv ist auch der gesamte Bereich der Alters-
sicherungsleistungen aus dem Bundeshaushalt, also
nicht nur die Zuschüsse an die Rentenversicherungsträ-
ger, sondern zum Beispiel auch die Ausgaben für die Al-
terssicherung der Landwirte und die Versorgungsleistun-
gen für Beamte, die beim Bund beschäftigt sind. Wenn Sie
an diesen Stellen abbauen wollen, dann sagen Sie das
doch bitte den Rentnern, den Landwirten und den Beam-
ten. Aber auf der einen Seite sozusagen eine neue soziale
Melodie anzustimmen und uns – wie gestern – eine un-
soziale Politik vorzuwerfen


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mit Recht!)


und auf der anderen Seite den Abbau von konsumtiven
Leistungen zu fordern, das geht nicht auf und das lassen
wir Ihnen nicht durchgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was Sie hier zum Thema Rente von sich geben, zeigt
Ihre vollkommene Konzeptionslosigkeit und auch eine
mangelnde Abstimmung in der Union. Walter Riester hat
sich monatelang bemüht, Ihnen entgegenzukommen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: „Bemüht“ kann man sagen! Er war stets bemüht! Das ist schon das Abschlusszeugnis für den Minister!)


Wie ist Ihre Reaktion? Zunächst waren Sie bereit, die
schwierige, aber dennoch unabdingbare Reform der Al-
terssicherung mit uns zusammen anzugehen. Herr Merz
bekundet verbal noch immer, dass er dazu bereit ist. In
Wirklichkeit aber wollen Sie aus rein taktischen Erwä-
gungen zusammen mit uns keine Lösung mehr finden,
egal, was Herr Merz uns hier weismachen will.

Interessant ist auch die Art und Weise Ihrer Argumen-
tation. Sie sagen, wir berücksichtigten in der Rentenfrage
zu wenig die Interessen der jungen Generation,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Genau!)

bei uns stiegen die Beiträge zu stark und die späteren Ren-
tenleistungen für die heutigen jungen Leute seien zu nied-
rig. Was wollen Sie nun? Wollen Sie noch niedrigere
Beiträge für die Generation der derzeitigen Beitragszah-
ler als von uns vorgesehen? Wenn das Ihre Absicht ist,
dann müssten Sie aufgrund der daraus folgenden geringe-
ren Beitragseinnahmen in den Rentenkassen den heutigen
Rentnern weniger Geld auszahlen. Wenn Sie das wollen,
dann sagen Sie den Rentnern, dass das die Konsequenz
ist. Oder wollen Sie zur Kompensation einen höheren
Bundeszuschuss?


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Um wie viel Prozent sind die Renten in diesem Jahr erhöht worden? Inflationsausgleich!)


Nur, wie würde sich das mit der von Ihnen eingeforderten
stärkeren Haushaltskonsolidierung vertragen? Außerdem
wären damit mehr konsumtive Ausgaben verbunden;
diese aber wollen Sie senken.

Des Weiteren werfen Sie uns vor, dass wir das Ren-
tenniveau zu stark absenken. Ein höheres Rentenniveau
verlangt aber logischerweise mehr Einnahmen in den
Rentenkassen. Also sind auch in diesem Fall höhere
Beiträge oder ein höherer Bundeszuschuss notwendig,
was Sie wiederum ablehnen. Man sieht also: Auch in die-
ser Argumentation steckt nichts als Konzeptionslosigkeit
und Widersprüchlichkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das bisher Gesagte beweist: Sie versuchen bei jeder
Gelegenheit, die wahren Sachverhalte zu verschleiern.
Vor allem CDU und CSU setzen so darauf, dass es ihnen
gelingt, von ihrer konzeptionellen, aber auch personellen
Schwäche abzulenken. Den Grad an Realitätsferne, den
Sie mittlerweile erreicht haben, zeigt übrigens auch die
Tatsache, dass Sie gegen die grundlegende Wahrnehmung
der Bürgerinnen und Bürger anreden. Gerade der Bun-
desfinanzminister Hans Eichel steht bei den Bürgerinnen
und Bürgern, und zwar zu Recht, für den Erfolg der Bun-
desregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
Unsere Haushalts- und Finanzpolitik steht für Solidität,
für Verlässlichkeit und für Zukunftsorientierung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Wann?)


Wir konsolidieren den Haushalt Schritt für Schritt und
Jahr für Jahr. Aber gleichzeitig lassen wir die Menschen
nicht allein. Wir verbessern die soziale Situation für viele.
Wir haben in den letzten beiden Jahren viel zur Wieder-
herstellung der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland
getan,meine Damen und Herren. Vielleicht haben wir ei-
nen Fehler gemacht: Wir haben zu wenig darüber geredet.
Aber diesen Fehler werden wir noch korrigieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Barbara Höll [PDS]: Davon wird es auch nicht besser!)


– Etwas für die soziale Gerechtigkeit zu tun ist etwas an-
deres als die Sozialdemagogie, die von der PDS kommt –
um das zur Unterscheidung auch einmal klarzumachen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Barbara Höll [PDS]: Na, na, na!)


Wir müssen in diesem Parlament einmal für programma-
tische und inhaltliche Schärfe sorgen, damit den Bürgern
die Unterschiede wirklich klar werden zwischen verant-
wortungsbewusster Politik, die gleichzeitig sozialgerecht
ist, und hemmungslosem Populismus, wie wir ihn hier
von rechts und von links erleben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Rosel Neuhäuser [PDS]: Das ist doch unglaublich!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Joachim Poß
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Deswegen sagen wir, dass konsumtive Ausgaben im
Haushalt nach wie vor ihre Berechtigung haben. Außer-
dem sind wir sehr wohl der Meinung, dass gerade in Zei-
ten, in denen dauerhafte Arbeitsplätze immer seltener
werden und berufliche Perspektiven für jeden Einzelnen
immer schwieriger zu planen sind, eine verlässliche fi-
nanzielle Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit
unbedingt vonnöten ist. Arbeitsmarktausgaben, seien sie
passiv oder aktiv, müssen – das ist die Grundaussage –
auch weiterhin auf hohem Niveau erhalten bleiben,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

auch wenn, so füge ich hinzu, beständig überlegt werden
muss – und das machen wir –, ob man ihren Einsatz nicht
effizienter und zielführender gestalten kann. Aber beides
steht nicht im Gegensatz zueinander.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist natürlich richtig, dass die Struktur des Bundes-

haushalts noch mehr in Richtung Zukunftsgestaltung ver-
bessert werden muss. Aber auch das geht ja seriöserweise
nur schrittweise; denn der entscheidende Zusammenhang
heißt hier:


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber man muss damit anfangen!)


mit den Zinsausgaben herunter, mit den Investitionen
herauf! So haben wir es mit den UMTS-Versteigerungs-
erlösen gemacht: 5 Milliarden DM Zinsersparnisse auf-
grund von Schuldentilgung haben wir zu 5Milliarden DM
zusätzlichen Zukunftsinvestitionen gemacht. Das ist un-
ser Konzept auch für die zukünftige Haushaltspolitik.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: 3,9 Milliarden DM!)


Herr Rauen sprach am Dienstag von einem gewaltigen
Investitionsstau in Deutschland. Wer hat denn hier
16 Jahre lang regiert? Wer hat denn die offensichtlichen
Infrastrukturprobleme – nicht nur bei der Bahn – zu ver-
antworten? Verkehrswege, Bauten und Kanäle verfallen
doch nicht von heute auf morgen; sie können allerdings
auch nicht von heute auf morgen wieder saniert bzw. auf-
gebaut werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für diese Bewältigung der Erbschaft brauchen wir leider
noch mehrere Legislaturperioden. Das ist die Wahrheit,
meine Damen und Herren, und das werden wir den Bür-
gern auch in aller Deutlichkeit vermitteln. Was Ihre Erb-
schaft wirklich bedeutet und dass das nicht über Nacht be-
wältigt werden kann, ist eigentlich noch gar nicht ins
Bewusstsein gedrungen.

Eine weitere Behauptung, die genauso falsch ist, ist
in dieser Woche wiederholt worden: Wir würden die Bür-
ger in Wirklichkeit steuerlich gar nicht entlasten. Aber
selbst Herr Rauen musste zugeben, dass, wenn jemand
5 500 DM brutto verdient, er im nächsten Jahr um
1 026 DM entlastet wird. Dann sagt Herr Rauen – das geht
nun wirklich nicht –: Die Menschen haben von diesen

Entlastungen nichts, weil das Geld durch die Folgen des
Energiepreisanstiegs aufgezehrt werde.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Es ist möglich, dass es diese Fälle gibt. Aber geht der Ener-
giepreisanstieg auf politische Maßnahmen zurück? Der
Energiepreisanstieg geht doch – entgegen den Behaup-
tungen bei der Bauern- und Dummenfängerei, die Sie be-
treiben – zum allergrößten Teil auf die Erdölproduzenten
und Erdölhändler zurück. Inzwischen wissen die Bürge-
rinnen und Bürger das auch – trotz der Kampagne, die Sie
heute wieder gestartet haben. Deswegen werden Ihre An-
tiökosteuerkampagnen Sie keinen Schritt weiterbringen;
denn trotz Ökosteuer wird sich die Abgaben- und Steu-
erquote in den nächsten Jahren verringern. Gleiches gilt
auch für die Staatsquote.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Abgabenquote steigt!)


Das gilt im Übrigen gerade für den Mittelstand, denn von
den über 90Milliarden DM Steuerentlastung profitiert der
Mittelstand mit 30Milliarden DM. Die Großunternehmen
werden mit 2 Milliarden DM sogar leicht belastet. Wir ha-
ben etwas geändert, was die Bürger über Jahre geärgert
hat und was Sie, insbesondere die F.D.P., durch Klientel-
politik herbeigeführt haben, nämlich dass sich Millionäre
arm rechnen konnten. Jetzt können sie das nicht mehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch mit dieser groben Ungerechtigkeit haben wir
Schluss gemacht.

Im Übrigen muss man sich von der Vorstellung lösen,
ein Mittelständler unterliege in der Regel dem Einkom-
mensteuerspitzensatz. Alle empirischen Untersuchungen
zeigen, dass sich der Mittelstand überwiegend nicht aus
überdurchschnittlichen Verdienern zusammensetzt. Von
den rund 3 Millionen Unternehmen in diesem Lande wei-
sen rund 1,7 Millionen Unternehmen einen Gewinn von
unter 50 000 DM aus. Das heißt, insbesondere sie profi-
tieren von unserer Erhöhung des Grundfreibetrages um
2 000 DM und von der Senkung des Eingangssteuersatzes
um 10 Prozent. Diejenigen, die oberhalb dieses Bereichs
liegen, profitieren von der pauschalierten Anrechnung der
Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld. Damit
haben wir etwas gemacht, was vom gewerblichen Mittel-
stand seit Jahrzehnten gefordert wurde.

Deswegen kann ich hier zum Abschluss voller Über-
zeugung sagen: Wir verantworten eine Politik, von der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Familien mit Kin-
dern und der Mittelstand wirklich profitiert haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im nächsten Jahr wird das noch sichtbarer werden als in
der Vergangenheit.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Joachim Poß

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Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413804600
Für die
F.D.P.-Fraktion spricht der Kollege Dr. Günter Rexrodt.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jetzt wird einiges zurechtgerückt!)



Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1413804700
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es ist guter Brauch, zu Beginn der
Schlussrunde zunächst einmal den Mitarbeitern des
Haushaltsausschusses sowie den Mitarbeitern der Abge-
ordneten, der Ministerien und des Bundesrechnungshofs
für die Arbeit, die sie in den letzten Wochen geleistet ha-
ben, zu danken.


(Beifall im ganzen Hause)

Ich bin immer fasziniert, was insbesondere im Haus-

haltsausschuss geleistet wird. Ich ersticke oft in der Fülle
des Papiers. Ich komme damit nicht klar und beneide im-
mer den Ausschussvorsitzenden, der die Papiere so wohl
geordnet hat. Ich bin da fast immer im Chaos, aber das ist
Ihnen zu verdanken.


(Joachim Poß [SPD]: Das war ja leider in Ihrer Ministerzeit auch schon so, Herr Rexrodt!)


Herr Poß, Sie haben eben vorgetragen, Sie wollten, um
den Bürgern die Dinge einmal vor Augen zu führen, ein
Stück Schärfe in die Diskussion bringen. Ich frage mich,
nachdem ich Ihren Beitrag gehört habe, ob die Schärfe im
Tonfall in Übereinstimmung mit der Schärfe des Argu-
ments steht.


(Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. der CDU/CSU und der PDS – Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Schöner kann man das nicht ausdrücken!)


Darüber lasse ich die Bürger draußen ihr Urteil fällen,
Herr Poß.

In der Schlussrunde möchte ich feststellen: Der Kurs
der Schuldenabbaupolitik ist richtig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deutschland befindet sich damit im Geleitzug der großen
Industriestaaten. Es ist dem Finanzminister zugute zu hal-
ten, dass er die enormen Einnahmezuwächse – Herr Poß,
dazu gehören natürlich auch die Erlöse aus der Versteige-
rung der UMTS-Linzenzen – nicht benutzt, um die Be-
gehrlichkeiten der Ressorts zu bedienen, sondern dass da-
mit die Schulden abgebaut werden.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist eine Politik, die wir unterstützen.
Allerdings halte ich es für neben der Sache liegend,

diesen Haushalt 2001 als einen Sparhaushalt zu bezeich-
nen. Die Ausgabenseite wurde nicht konsolidiert. Herr
Lafontaine hatte im Jahre 1999 den Haushalt gegenüber
dem des Vorjahres um 20 Milliarden DM aufgeblasen.
Nun davon einige wenige Milliarden zurückzuführen, um
dann ab 2002 wieder kräftig draufzusatteln, hat mit einem

Sparkurs nichts zu tun. Sie haben Ihre Schularbeiten nicht
gemacht.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die rot-grüne Koalition hat sich in dieser Haushaltsde-

batte bemüht, sich das Mäntelchen des Reformers um-
zuhängen. Ich kann das aus verschiedenen Gründen nicht
akzeptieren.

Zunächst einmal hat es Herr Eichel in dieser Debatte
– ich erinnere mich an seine Rede am Dienstag – fertig ge-
bracht, die Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts im
Deutschland der 90er-Jahre den heutigen Wachstumsraten
gegenüberzustellen. Er hat das auch in Bezug auf den Ar-
beitsmarkt getan: Die positiven Abweichungen, die es da
gebe, seien natürlich ein Verdienst der rot-grünen Koa-
lition gewesen.

Faktum ist – das sollten die Menschen wissen –, dass
die Konjunkturdaten in den 90er-Jahren in allen europä-
ischen Ländern schlechter waren als heute. Über die
Gründe dafür haben wir oft genug diskutiert. Die kon-
junkturelle Wende, die zu deutlichen Wachstumssteige-
rungen und zu positiven Folgen in Bezug auf das Brutto-
sozialprodukt geführt hat, und die Wende auf dem
Arbeitsmarkt wurden 1998 herbeigeführt. Das hat Kol-
lege Eichel einfach unterschlagen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Faktum ist, dass Deutschland heute im Hinblick auf

den Wachstumsprozess, obwohl die Wachstumsraten, ab-
solut gesehen, höher sind, im europäischen Vergleich zu-
sammen mit Italien das Schlusslicht in Europa darstellt.


(Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Leider, leider!)

Auch das wurde einfach vergessen. Das sollten die Men-
schen aber wissen. Man kann in diesem Zusammenhang
nicht mit absoluten Zahlen arbeiten; das ist irreführend
und unredlich.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Koalition spricht von ei-

ner Auflösung des Reformstaus. Tatsache ist, dass Rot-
Grün damals in der Oppositionsrolle alle wichtigen Re-
formen bekämpft und die wichtigste von ihnen, die
Reform des Einkommen- und Körperschaftsteuer-
rechts, verhindert hat. Ich gestehe Ihnen ausdrücklich
zu – denn ich will eine faire Rede halten –, dass es nun-
mehr bei den direkten Steuern zu einer Reform gekom-
men ist. Die ist zwar weniger mittelstandsfreundlich als
notwendig und geht am Ziel der Steuervereinfachung vor-
bei. Aber sie führt zu einer Entlastung und gibt der Wirt-
schaft Impulse. Dort wird sie auch positiv aufgenommen.
Das ist Ihr Verdienst; das sage ich hier ganz klar.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich mir Ihre anderen Reformvorhaben ansehe

– Herr Poß, meine Damen und Herren von der Koalition,
Sie sagen doch, Sie hätten den Reformstau aufgelöst –,
stelle ich bei den Steuern als dem ersten Bereich fest: Die
von Ihnen eingeführte unselige Ökosteuer ist vom Ansatz
her verfehlt. Dies hat verheerende Folgen gerade für die
Bezieher kleiner Einkommen und für den Mittelstand.
Das wird Ihr Waterloo werden; das habe ich hier schon
einmal gesagt; ich wiederhole das.

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(B)


Die Rentenreform – das ist der zweite Bereich – ist
zum Dauerärgernis geworden. Begonnen hatten Sie da-
mit, eine Komponente der Leistungskorrektur abzuschaf-
fen, die Sie jetzt mit einer anderen Überschrift wieder ein-
führen müssen. Ihr Reformentwurf ist noch immer zu
kompliziert und an vielen entscheidenden Stellen un-
zulänglich, insbesondere dann, wenn es darum geht, die
private Altersvorsorge zu fördern. Ganz wichtige Berei-
che werden aus der Förderung herausgenommen. Diese
Reform ist im Ansatz verfehlt.

Der dritte Bereich ist die Gesundheitsreform. So wie
es aussieht, wird sie gegen die Wand gefahren. Das Kon-
zept stimmt nicht; alle Beteiligten verweigern sich.

Im vierten Bereich, im Arbeitsrecht, einem der großen
Reformbereiche, gibt es eine Kette von Ungereimtheiten
und Ärgernissen. Das beginnt mit dem 630-Mark-Gesetz
sowie mit dem verunglückten Gesetz zur Scheinselbst-
ständigkeit und endet beim Gesetz zur Teilzeitarbeit und
zu befristeten Arbeitsverhältnissen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch eine gute Sache!)


Teilzeit wird dadurch eher verhindert. Denn Ihr dies-
bezügliches Gesetz ist kompliziert, ellenlang, kaum ver-
ständlich sowie mit Ausnahmeregelungen und un-
bestimmten Rechtsbegriffen gespickt, wie das für
überhaupt alles gilt, was aus dem Bereich Riester kommt.
Es ist kaum lesbar, kaum verständlich und kaum anwend-
bar. Fragen Sie doch einmal die Arbeitsrichter, wie sie
dieses Vorhaben beurteilen.

Ein weiterer Bereich ist die Energiepolitik – dabei
lasse ich die 30-jährige Garantie für den Betrieb von
Kernkraftwerken außen vor –: Durch falsche Fördersys-
teme und falsche Fördersätze bei den erneuerbaren Ener-
gien sowie beim ungebremsten Ausbau der Kraft-Wärme-
Kopplung werden sage und schreibe 40 Prozent des
gerade einmal liberalisierten Marktes rereguliert, also
wieder in die Regulierung zurückgeführt. Die Kraft-
werkswirtschaft fasst sich an den Kopf. Die Verbraucher
werden das bezahlen müssen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ist das eine gelungene Reformpolitik, meine Damen und
Herren? – Das ist das Gegenteil!

Ich möchte auch auf das Justizministerium, das anson-
sten gar nicht so sehr im Mittelpunkt steht, zu sprechen
kommen: Die Justizministerin will das Mietrecht am
Markt vorbei reformieren. Sie verfolgt die Reform des
Zivilprozessrechts in einer Weise, dass die beteiligten
Kreise das überhaupt nicht mehr nachvollziehen können.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])

Es hat noch nie so viel Ärger über ein Justizressort
gegeben, wie das gegenwärtig der Fall ist, und zwar aus
unterschiedlichen Gründen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Däubler-Gmelin geht in einer fast sektiererischen
Weise vor. Unsere schwäbischen Mitbürger haben ja viele
gute Eigenschaften aber man sagt ihnen nach, es gebe
unter ihnen zuweilen ein Sektierertum. Was die Jus-
tizministerin tut, ist sektiererisch.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will jetzt nicht auf die Bundeswehr eingehen, bei
der Notoperationen gesucht werden, um die Reform
durchzuführen, die wir alle wollen, und vieles andere
mehr. Stattdessen will ich noch ein paar Bemerkungen zu
einigen Kuriositäten der Etatpolitik im Detail machen.

Ich beginne mit der Subventionierung der Steinkohle.
Sie, Herr Kollege Wagner, haben uns jahrelang den Vor-
wurf gemacht, wir würden bestehende Verträge nicht ein-
halten. Dabei war gar nichts anderes passiert, als dass wir
die Modalitäten der Zahlungen von öffentlicher Seite an
die Unternehmen mit deren Liquiditätsbedarf in Einklang
gebracht haben, und zwar immer im Einvernehmen mit
den Unternehmen.

Damals wurde gesagt, das sei Wortbruch. Der Kollege
Wagner ist, wenn er darüber gesprochen hat, immer na-
hezu kollabiert, und der Kollege Urbaniak hat regelmäßig
Tränen vor Rührung und Entsetzen in den Augen gehabt.


(Beifall bei der F.D.P.)

Heute machen Sie nichts anderes – frank, fröhlich, frei –,
aber heute ist das die hohe Kunst der Finanzpolitik. Es ist
nichts anderes als bei uns. Was haben wir hier für Debat-
ten geführt!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Jetzt möchte ich, allerdings nur kurz, die EXPO an-

sprechen.

(Zurufe von der SPD)


– Ich stehe zur EXPO, ich fand sie gut. Aber sie wurde von
vielen, auch aus Ihren Reihen, kaputtgeredet.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Darum geht es hier jetzt aber nicht. Ich will wissen, wer
die Defizite trägt.


(Beifall bei der F.D.P.)

Bund und Niedersachsen jeweils zur Hälfte, wie verein-
bart, oder gibt es aus nahe liegenden Gründen Trick-
sereien zugunsten des Landes Niedersachsen? Das darf
nicht sein. Das hat mit dem Inhalt der EXPO nichts zu tun.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Kuhhandel!)


Ein Wort zur Studienförderung:Was sind die Fakten?
Sie haben die Höchstsätze beim BAföG von 1 030DM auf
1 100 DM erhöht. Daneben führen Sie eine Rückzah-
lungsgrenze in Höhe von 20 000 DM ein. Darüber kann
man reden, aber eine richtungsweisende Reform ist das
nicht.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Günter Rexrodt

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(B)


Schauen Sie sich unser BAföG-Modell an; wir wollen
eine strukturelle Veränderung, eine elternunabhängige
Förderung. Dafür muss Geld in die Hand genommen wer-
den, deshalb haben wir einen entsprechenden Antrag
gestellt.


(Beifall bei der F.D.P.)

Sie haben viel zu wenig gemacht und Sie haben es

nicht richtig gemacht, wie immer.

(Hans Georg Wagner [SPD]: Sie haben gar nichts gemacht! – Dirk Niebel [F.D.P.]: Sie wollen nur nicht, dass junge Menschen von ihren Eltern unabhängig werden!)


Denn Sie meinen, Sie seien im Besitz der absoluten
Wahrheit. Sie wollen Volksbeglückung, aber nicht an die
wirklichen Wurzeln herangehen.

Ich habe leider aus Zeitgründen nicht mehr die Mög-
lichkeit, auf die Bahnreform einzugehen. Wenn Sie da
nicht umschalten, wird das Ganze ein Fass ohne Boden.

Ich sage das alles nur mit Blick darauf, dass trotz einer
guten Grundausrichtung der Haushalts- und Finanzpolitik
bezüglich des Schuldenabbaus die eigentlichen Probleme
auf der Ausgabenseite nicht angepackt werden. Hier wird
nur herumgedoktert und herumgeschustert, aber es gibt
kein wirkliches Konzept. Deutschland wird in schwerer
Zeit, wenn die Einnahmenzuwächse bei einer schwachen
Konjunktur und weniger Privatisierungserlösen geringer
ausfallen, keine Reserven haben. Sie haben noch nicht ge-
lernt, mit dem Haushalt angemessen umzugehen.


(Beifall bei der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413804800
Herr Kol-
lege Rexrodt, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1413804900
Der Haushalt ist auf der
einen Seite gut, auf der anderen Seite aber ist er kein High-
light, er ist eher Magerkost. Wir werden Sie daran messen,
ob Sie die Ausgabenseite gestalten können. Noch gibt es
dafür keine Anzeichen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413805000
Für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin
Antje Hermenau.


Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413805100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mit
meiner eigentlichen Rede beginne, möchte ich vor allen
Dingen den Mitarbeitern des Haushaltsausschusssekreta-
riats danken, die bis spät in die Nacht hinein alle Papiere
vervielfältigt, sortiert und weggeräumt haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Für all diejenigen, die nicht wissen, wer das ist, sage ich:
Das sind die Leute, die bescheiden ganz hinten in der letz-

ten Reihe Platz genommen haben. Das sind die wahren
Helden der Nachtschicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Herr Rexrodt, Sie haben gerade ein Beispiel dafür ge-
geben, dass auch eine ruhig vorgetragene Rede nichts
Wahres enthalten muss. Ich denke daran, wie Sie versucht
haben, durch Wiederholungen etwas als wahr darzustel-
len, was nicht wahr ist.

Sehen wir uns einmal an, was im Jahre 1999 wirklich
passiert ist, als eine Notbremsung gemacht werdenmusste,
weil es zu einem Budgetaufwuchs kam. Sie wissen,
warum es dazu gekommen ist. Die Postunterstützungs-
kassen waren nicht ordentlich eingestellt. Es gab eine
Ökosteuerreform, die für die Rentenkassen einen Durch-
laufposten geschaffen hat, aber keine Ausgaben-
vermehrung bedeutete. Wir haben den Bundeszuschuss an
die Bundesanstalt für Arbeit ordentlich und solide einge-
stellt. Auch die Zuweisungen an die Länder Bremen und
Saarland haben wir solide eingestellt. Ebenso haben wir
die Gewährleistungen korrigiert. Darüber müssten Sie als
Ex-Wirtschaftsminister eigentlich Bescheid wissen. Es
ging zum Beispiel um das Russland-Geschäft, um das es
damals sehr schlecht stand.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für nicht ange-
messen, hier zu behaupten, wir hätten einen Ausgaben-
aufwuchs produziert, den wir jetzt mit Mühe zurückneh-
men müssten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Haushalt für das Jahr 2001, über den wir jetzt re-
den, ist der erste wirklich rot-grüne Haushalt, der die ei-
gene Handschrift deutlich erkennen lässt, und zwar in vie-
len systematischen Fragen und nicht nur bei den
Ausgaben und Kürzungen. In seiner ganzen Substanz ist
er qualitativ und quantitativ der erste rot-grüne Haushalt.
An ihm lassen wir uns gerne messen. Ich habe überhaupt
kein Problem damit, dass Sie versuchen, ihn als Maßstab
unseres Handelns zu sehen. Der Haushalt ist eine Grund-
lage, an der wir uns gerne messen lassen.

Schauen wir einmal auf die harten Beurteilungskrite-
ren, zunächst auf die Nettokreditaufnahme. Sie ist im
Vergleich zum Regierungsentwurf noch einmal abgesenkt
worden. Wir wollten – das haben wir bei den Haushalts-
beratungen gesagt – unter die 45-Milliarden-DM-Grenze
kommen. Das haben wir souverän geschafft. Ich bin in-
zwischen gar nicht mehr so sicher, ob der Herr Finanzmi-
nister Eichel nicht auf die Idee kommen wird, im Haus-
haltsvollzug die von uns vorgegebene Grenze der
Nettokreditaufnahme noch ein wenig zu unterbieten.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Mit Sicherheit!)

Ich habe ihn in „Verdacht“, dass er versuchen wird, dies
als einen sportlichen Wettkampf aufzufassen.

Wenn man sich einmal anschaut, was die mittelfristige
waigelsche Finanzplanung bei der Nettokreditaufnahme

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Günter Rexrodt
13496


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für 2001 vorgesehen hätte, stellen wir fest, dass wir bei
53 Milliarden DM lägen. Wir liegen bei 43 Milliar-
den DM, also 10 Milliarden DM weniger.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein zweites hartes Beurteilungskriterium – ein wirkli-
cher Eckpfeiler für jeden soliden Haushalt – ist die Inves-
titionsquote.Natürlich hätten wir uns alle gewünscht, sie
noch höher zu setzen; das bestreitet in diesem Hause kein
Mensch. Der Punkt ist eher der, dass man es in den Haus-
haltsberatungen geschafft hat, die Investitionen fast wie-
der auf 60 Milliarden DM anzuheben. Obwohl wir sparen
müssen, haben wir es geschafft, eine solide Investi-
tionsquote vorzulegen, die mitnichten unter dem Durch-
schnitt der Vorjahre liegt. Ich bin der Auffassung, dass es
gelungen ist, sowohl zu sparen als auch zu gestalten. Die
ganze Sache hat Augenmaß. Es gibt hier keinen Grund
zum Poltern.


(Beifall des Abg. Hans Georg Wagner [SPD])

Schauen Sie sich das Gesamtvolumen des Haushaltes

an. Auch dabei haben die Haushälter insgesamt noch ein-
mal gespart, circa 1,4 Milliarden DM.

Sie finden hier die drei Eckpfeiler eines soliden Haus-
haltes: eine abgesenkte Nettoneuverschuldung, eine
höhere Investitionsquote und ein abgesenktes Ausgabevo-
lumen. Ich sehe überhaupt nicht, wofür wir uns schämen
müssten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dieser Haushalt ist einer der ersten, der wirklich bere-
chenbar ist. In die Haushaltspolitik der Bundesrepublik
Deutschland ist Berechenbarkeit eingezogen. Ich erin-
nere mich noch an das Jahr 1997 und an die Positionen un-
ter dem damaligen Finanzminister Waigel. Ich weiß noch,
wie damals die Ist-Ausgaben, die er für das Jahr 1997 vor-
gesehen hatte, dramatisch gesunken sind, während die
Nettoneuverschuldung, die er vornehmen musste, drama-
tisch nach oben gegangen ist. Woran lag das? Ihre eigene
Steuerbasis ist erodiert; die Steuereinnahmen sind Ihnen
weggebrochen. Das hat etwas damit zu tun, dass die Haus-
halts- und Finanzpolitik damals nicht berechenbar und so-
lide gestaltet war. Der Haushalt, über den wir jetzt reden,
ist solide und berechenbar. Weil er sauber und solide ver-
anschlagt ist, gehe ich davon aus, dass die Ist-Zahlen dem
entsprechen, was wir als Soll formuliert haben. Das halte
ich für einen großen Erfolg.

Schauen wir uns noch ein paar der Punkte an, um die
es in diesem Haushalt geht. Es geht zum Beispiel um die
Rentenfinanzierung. Für die Rente sind Mehrausgaben
von 22 Milliarden DM vorgesehen, die von Bundesseite
geschultert werden müssen. Sie sind mit der Ökosteuer
solide gegenfinanziert. Darüber gibt es eine große Dis-
kussion – das kann man schon so sagen –, aber haushalts-
technisch ist das vollkommen solide.

Sehen wir uns einmal an, was nach dem Blüm-Modell
passiert wäre. Vergleichen wir einmal, wo die Bundesre-
publik Deutschland stünde, wenn noch immer Herr
Waigel in jeder Haushaltsdebatte die falschen Zahlen mit

seiner dröhnenden Stimme überdecken würde. Wir hätten
nach dem Blüm-Modell und dem Waigel-Ansatz einen
Rentenversicherungsbeitrag von 20,4 Prozent. Das muss
man einmal klar sagen. Bei einem Durchschnittseinkom-
men in Höhe von 4 500 DM pro Monat würde das bedeu-
ten, dass die Leute alleine wegen der Rentenversiche-
rungsbeiträge im Jahr circa 380 DM weniger hätten.

Sehen Sie sich einmal an, was noch hätte passieren
müssen. Sie hätten damals die Mehrwertsteuer um min-
destens 1,5 Prozent anheben müssen, um den Beitragssatz
für die Rentenversicherung unter 20 Prozent zu halten.
Dies hätte alles über unserem Haupt geschwebt. Diese
Debatte hätte ich hören mögen!

Sehen wir uns die Ausgaben für den Arbeitsmarkt an.
Wir haben in der Diskussion versucht, diese besonders zu
bewerten. Es war nicht einfach, mit einer Volkspartei wie
der SPD mit ihrem entsprechenden Profil bezüglich des
Arbeitsmarktes auf der einen Seite Sparmaßnahmen
durchzusetzen und auf der anderen Seite eine aktive Ar-
beitsmarktpolitik zu gestalten. Die SPD hat einen Groß-
teil der anfänglichen Entrüstung und des Unverständnis-
ses in der Bevölkerung beigelegt. Das ist unserem großen
Koalitionspartner hoch anzurechen; dies muss man ein-
mal so deutlich sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich bin inzwischen der Auffassung, dass es gelungen
ist, dass die Koalition trotz dieser wirklich harten Zeit
jetzt gut dasteht. Es ist uns gelungen, glaubhaft zu ma-
chen, dass wir nicht vorhaben, die Ausgaben für die Ar-
beitsmarktpolitik zu reduzieren, nur um den Haushalt zu
konsolidieren. Es ist möglich gewesen, solider und gründ-
licher zu berechnen. Das halte ich für einen großen Fort-
schritt. Dies hat auch viel mit dem Auf-sich-Nehmen von
schwierigen politischen Debatten zu tun. Dies haben wir
gemacht.

Sehen wir uns zum Beispiel den Wehretat an. Viel-
leicht bin ich als Frau oder vielleicht auch als Grüne – das
kann alles sein – prinzipiell anderer Auffassung. Ich fand
es schon amüsant, wie sich die Männer hier um die Flug-
zeuge, Panzer und Hubschrauber gekloppt haben. Es war
geradezu wie Weihnachten.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich bin der Meinung, dass man dann, wenn man einen
Haushalt langfristig konsolidieren will, den Bereich mit
den dritthöchsten Ausgaben nicht ausnehmen kann, egal
wie hübsch die Hubschrauber aussehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es kann nicht sein, dass wir bei den Sozialausgaben
sparen, dass wir versuchen, die Zinszahlungen zu re-
duzieren, aber den Wehretat nicht antasten. Das ist nicht
möglich.

Sehen wir uns einmal die gestalterischen Potenziale
dieses Haushaltes an. Wir haben eine Reihe von – das sage
ich jetzt als Grüne – ökologischen Investitionen auf den

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Weg gebracht, die auch langfristig wirken werden und
unseren Anspruch an eine nachhaltige Finanz- und auch
Verkehrspolitik erfüllen werden. Ich denke hierbei an die
2 Milliarden DM für die Schienensanierung im Eisen-
bahnnetz, an die 400 Millionen DM für die Altbausa-
nierung, an die zusätzlichen 100MillionenDM bei Energie-
forschungsmitteln und auch an die zusätzlichen 100 Mil-
lionen DM für das Markteinführungsprogramm für rege-
nerative Energien. Das sind ökologische Investitionen in
die Zukunft. Ich glaube, dass man sich damit nicht nur se-
hen lassen kann, sondern dass wir darauf auch stolz sein
können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Langsam zeichnet es sich ab: Sparen macht durchaus
Sinn. Wir bekommen langsam ein Gefühl für Gestaltungs-
spielräume, die sich für die Bundesrepublik Deutschland
für die Zukunft und hier insbesondere für die nachfolgen-
den Generationen auftun. Das heißt nicht, dass wir mit
dem Sparen aufhören können. Nicht, dass jetzt irgendje-
mand der Meinung ist, es werde alles ganz leicht. Das wird
es nicht sein.

Wir hatten ja in diesem Jahr – Herr Roth, hier gebe ich
Ihnen durchaus Recht – etwas günstigere Umstände auf-
grund der durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen erziel-
ten Erlöse; das ist einfach so. Man muss sich aber nicht
neidisch daneben stellen und sagen: Wenn ihr diese nicht
gehabt hättet, hättet ihr nichts auf den Weg gebracht. Ent-
scheidend ist doch, ob man das wie wir mit Augenmaß
behandelt. Wir haben nicht das Füllhorn ausgeschüttet,
sondern haben wieder an die Zukunft gedacht und Schul-
den getilgt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem ist es uns gelungen, parallel eine Reihe von
notwendigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Ich halte
das für eine sehr gehaltvolle, mit Augenmaß vollzogene
Maßnahme. Hier gibt es überhaupt nichts zu poltern.

Ich erinnere mich, dass die CDU/CSU gar nicht wuss-
te, was sie eigentlich mit dem erzielten Geld machen will.
Die Liste derjenigen, die sich dazu geäußert haben,
reichte von Austermann bis Merz. Der eine sprach davon,
dass man das Geld nehmen solle, um die Ausgaben zu er-
höhen; hier war von Sparpolitik keine Rede mehr. Der an-
dere sprach davon, dass man auch noch die Zinserlöse in
die Tilgung stecken solle. Da herrschte eine ziemliche
Konfusion. Es gab in der CDU/CSU keinen einheitlichen
Kurs, während die Koalition von Anfang an wusste, was
zu tun ist.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das hat man in der Bereinigungssitzung gemerkt!)


Es gab eine klare Linie. Es galt, die Schulden zu tilgen.
Das haben wir gemacht. 100 Milliarden DM sind in die
Tilgung geflossen. Durch die Zinsersparnisse haben wir
jetzt einen gewissen Gestaltungsspielraum bei den In-
vestitionen. Ich halte das für eine sehr vernünftige Opera-
tion.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


In dieser Haushaltsberatung ist aufgefallen, dass so-
wohl die F.D.P. als auch die PDS entschieden differen-
zierter als die große Oppositionsfraktion der CDU/CSU
zu einer ganzen Reihe von Einzelplänen und auch in der
Generaldebatte Stellung genommen haben. Dies muss
man einmal konstatieren. Das heißt, ganz so schlimm und
verrucht kann der Haushalt nicht sein, sonst wäre eine dif-
ferenzierte Stellungnahme nicht möglich.

Gehen wir einmal auf die undifferenzierten Vorwürfe
ein, die hier gemacht wurden. Dauernd wird gesagt, wir
würden nicht richtig sparen.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Ja, das stimmt!)

Ich sagte eben schon: Wenn Herr Waigel noch am Ruder
wäre, wäre nach seiner Finanzplanung die Nettoneuver-
schuldung um 10 Milliarden DM höher; um das einmal
klar zu sagen.

Ich erinnere mich, dass das Jahr 1996 als Vergleich vor-
gebracht worden ist. Es wurde gesagt, da habe man unter der
CDU/CSU-geführten Koalition sehr deutlich eingespart. Es
ging um 20 Milliarden DM. Das war ein Umbuchungs-
trick. Auf der Ausgabenseite wurde eine Steuerminder-
einnahme formuliert, und dann sah es so aus, als ob die
Ausgaben gesunken wären. Das hat mit Sparen aber über-
haupt nichts zu tun; Geld wurde nicht eingespart. Mit sol-
chen Vergleichen, wie Sie sie hier bemüht haben, haben
Sie bewiesen, dass Sie die Hoheit auf dem Feld der Fi-
nanz- und Steuerpolitik eindeutig verloren haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: An wen denn wohl?)


Sie haben auch noch einmal die Investitionsquote
bemüht, deren Niveau Ihnen zu niedrig sei. Ich habe hier
frank und frei zugegeben, dass man sich auch eine höhere
wünschen könnte. Man kann halt nicht alles auf einmal
machen; das muss man mit Ruhe ertragen können. Aber
nach Waigels mittelfristiger Finanzplanung läge die Inves-
titionsquote jetzt bei 11,8 Prozent, während wir 12,2 Pro-
zent bereitgestellt haben. Ich denke, wir können Ihre Kri-
tik in Ruhe wegstecken.

Ich glaube, dass Sie, meine Damen und Herren von der
CDU/CSU, in der Opposition angekommen sind. Man
muss sich nur Ihre Änderungsanträge ansehen. Sie haben
in der Generaldebatte ständig darauf hingewiesen, dass
man mehr sparen müsse, und dann kommen Sie in den
Debatten über die Einzeletats mit ganz vielen nicht or-
dentlich gegenfinanzierten Änderungsanträgen, die Mehr-
ausgaben in Höhe von circa 8 Milliarden DM bedeuten
würden. Wenn Sie mich fragen, ist das ein undifferenzier-
tes Vorgehen, das keine Systematik erkennen lässt. Dazu
sage ich Ihnen: Gratulation, Sie sind in den Anfangsgrün-
den der Opposition angekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es wurde darauf rekurriert – das finde ich gar nicht so
falsch –, dass die Dinge unter Stoltenberg vielleicht an-
ders gelaufen wären – anders als unter Waigel bestimmt.
Ich erinnere mich, dass wir schon einmal eine Debatte
darüber geführt haben, welche Verdienste sich der ehe-

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malige Finanzminister Stoltenberg erworben hat. Es fällt
mir nicht schwer zu sagen, dass ich denke: Er war damals
ein recht guter Finanzminister; das ist überhaupt kein Pro-
blem.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der beste!)


Ich glaube auch, dass er den Weg in die deutsche Einheit
entschieden solider finanziert hätte, als es der nachfol-
gende Finanzminister Waigel getan hat. Davon bin ich
überzeugt, und das kann ich Ihnen auch gern einmal dar-
legen.

Als im Frühjahr 1989 der Wechsel von Stoltenberg auf
Waigel erfolgte, war die Wende in der Deutschen Demo-
kratischen Republik noch nicht klar absehbar. Trotzdem
begann mit dem Erarbeiten des Haushaltsentwurfs für das
Folgejahr ein starker Aufwuchs bei der Nettoneuver-
schuldung. Das heißt, die Finanzpolitik wurde bereits im
Frühjahr 1989, ein halbes Jahr vor der Wende und der
deutschen Einheit, von Kohl und Waigel verändert: hin zu
mehr Schulden und mehr Ausgaben. Das hatte etwas da-
mit zu tun, dass man fürchtete, die Bundestagswahl zu
verlieren. Vor diesem Hintergrund sich ständig mit der
deutschen Einheit herausreden zu wollen, das fällt mir nur
noch auf die Nerven.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie, wenn Sie
sich selber für sehr gute Finanz- und Haushaltspolitiker
halten, dem Haushalt für das Jahr 2001 nicht zustimmen
wollen. Das bleibt für mich unverständlich. Ich habe der
Debatte in dieser Woche mit einiger Fassungslosigkeit
zuhören müssen. Vielleicht wird im Laufe der Jahre das
Diskussionsniveau der CDU/CSU-Fraktion differenzierter.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413805200
Ich gebe das
Wort der Kollegin Dr. Christa Luft für die Fraktion der
PDS.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1413805300
Herr Präsident! Verehrte Kol-
leginnen und Kollegen! Nach dieser einwöchigen Rede-
schlacht möchte man eigentlich mit Goethes Faust ausru-
fen: „Hier steh‘ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als
wie zuvor.“


(Beifall bei der PDS)

Wenn ich resümiere, dann stelle ich fest, dass in dieser

Woche seit Dienstag Behauptungen hin- und herge-
schleudert worden sind; es gab eine Art Pingpongspiel.
Ich vermisse Nachdenklichkeit, Erkenntnisgewinn und
irgendeine Veränderung an diesem Haushalt, die wir viel-
leicht im Laufe dieser Woche noch zustande gebracht hät-
ten. Daher werden wir ihm in seiner Gänze auch nicht zu-
stimmen – aber nicht, Herr Kollege Poß – er ist wohl im
Moment nicht im Saal –, wegen einer vermeintlichen So-
zialdemagogie, die Sie bei der PDS glaubten orten zu

müssen. Ich kann Ihnen nur raten: Fügen Sie dem verba-
len Missgriff von Herrn Merz jetzt nicht einen neuen
hinzu!


(Beifall bei der PDS)

Das Niederschmetterndste für all jene, die – wenn sie

denn durchgehalten haben – die ganze Debatte verfolgt
haben, war aber wohl, dass CDU/CSU und F.D.P., wären
sie heute an der Regierung, vermutlich vieles von dem,
was die neue Koalition gemacht hat, auch gemacht hätten.
Die SPD und die Bündnisgrünen hätten das, was sie heute
als Regierungsfraktionen mit Inbrunst verteidigen, zu
ihren Oppositionszeiten gewiss mit scharfem Protest
zurückgewiesen und als Sozialraub bezeichnet.


(Beifall bei der PDS)

Ich finde, wir muten der Öffentlichkeit da allerhand zu.
Die Orientierung wird immer schwieriger.

Was hat sich in dieser Woche alles ereignet? Manchem
war es äußerst wichtig, zu klären, ob sich Finanzminister
Eichel zu Recht oder zu Unrecht als Sparkommissar be-
zeichnen darf. Ich denke, das interessiert in diesem Land
niemanden. Wichtig ist doch, wo und wofür gespart wird.


(Beifall bei der PDS)

Vom Sparwillen der Koalition war beispielsweise im
Verteidigungsetat nichts zu spüren.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Nein, Jäger 90!)

Da wollte die CDU/CSU sogar noch draufsatteln.

Den Steuerverschwendungshinweisen des Bundes-
rechnungshofes wurde viel zu wenig nachgegangen.
Wenn man diesen Hinweisen stärker gefolgt wäre, dann
hätte man noch andere Finanzierungsquellen entdeckt.

Mitten in der Woche wurde uns mitgeteilt, dass sich die
Fraktionsspitzen von SPD und Bündnisgrünen darauf ge-
einigt haben, dass der Bund so mir nichts, dir nichts zwei
Drittel des EXPO-Defizits übernimmt. Im Haushalt steht
das noch ganz anders, und zwar ohne dass geklärt worden
wäre, wer für die bei der EXPO entstandene Finanzmisere
verantwortlich ist.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Angesichts des Tempos, mit dem beispielsweise – ich
nenne nur dieses eine Beispiel – das EXPO-Problem
gelöst wird, empört es geradezu, dass die Lösung anderer
Probleme, über die seit Jahren debattiert wird, auf die
lange Bank geschoben wird, Problemfälle, in denen es um
berechtigte soziale Ansprüche von Menschen und nicht
durch Fehlkalkulationen verursachte Defizite bei be-
stimmten Institutionen geht. Ich meine zum Beispiel die
Gewährung von Anpassungsgeld für Untertageberg-
leute in den neuen Ländern,


(Beifall bei der PDS)

die ähnlich wie die westdeutschen Steinkohlekumpels
durch Strukturkrisen unschuldig ihre Arbeit verloren
haben bzw. noch verlieren werden. Bereits 1996, also
noch zu Zeiten der früheren Koalition, und 1999, also zu
Zeiten der jetzigen Koalition, haben wir das im Deutschen
Bundestag per Antrag thematisiert – leider erfolglos. In

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diesem Jahr haben wir dieses Thema mehrfach in den
Ausschusssitzungen angesprochen und dazu Anträge
gestellt. Mit fadenscheinigen und hinhaltenden Argu-
menten sind unsere Anträge beschieden worden. Es wurde
zwar persönliche Sympathie für unser Anliegen geäußert,
aber mit persönlichen Sympathiebekundungen können
die Kumpels ihre Probleme nicht lösen. Sie brauchen tat-
sächlich praktische Lösungen.


(Beifall bei der PDS)

Nachdem jetzt so viel persönliche Sympathie geäußert
worden ist – alle Haushaltsausschussmitglieder der F.D.P.
haben unserem Antrag zugestimmt –, zähle ich jetzt
darauf, dass wir das Problem alsbald gemeinsam lösen
können.


(Beifall bei der PDS)

Regierung und Koalitionsfraktionen rühmten sich in

der Haushaltsdebatte, den Reformstau aufgelöst zu ha-
ben: Steuerreform vorangebracht, Gesundheitsreform
durchgeführt, Rentenreform vorbereitet und Haushalts-
konsolidierung vorangebracht. Ich finde, wenn der aufge-
löste Reformstau alles ist, was Sie vorzuweisen haben,
dann ist das noch lange kein Gütesiegel für Ihre Politik,
wenn nicht gleichzeitig die sozialen Wirkungen in Gänze
bilanziert werden. Die mehrfach in dieser Woche den Fa-
milien mit niedrigen und mittleren Einkommen vorge-
rechneten Entlastungen durch die Steuerreform werden
doch durch höhere Hort- und Kitagebühren, durch stei-
gende Versicherungsbeiträge, steigende Verkehrstarife,
steigende Heizkosten und durch Zuzahlungen für Ge-
sundheitsleistungen oft mehr als kompensiert. Das ist die
Wahrheit!


(Beifall bei der PDS)

Hätten Sie beispielsweise das steuerfreie Existenzmini-
mum rascher angehoben, wie wir das gefordert haben,
und hätten Sie dafür den Spitzensteuersatz weniger stark
gesenkt, dann hätten Sie der Volkswohlfahrt insgesamt
mehr gedient.


(Beifall bei der PDS)

Wie soll den 20- bis 40-jährigen jungen Leuten, die

schon länger arbeitslos sind und kaum Aussicht auf Aus-
übung einer existenzsichernden Arbeit haben, denn, wie
es Herr Riester wünscht, die private Altersvorsorge
schmackhaft gemacht werden? Das geht doch irgendwie
nicht zusammen.

Unter den Bedingungen voranschreitender Globalisie-
rung gebührt gerade auch den Kommunen eine Stärkung,
damit die Menschen dort, wo sie wohnen, das Gefühl be-
kommen, geborgen zu sein und gebraucht zu werden.


(Beifall bei der PDS)

Wie geht das denn mit der Tatsache zusammen, dass die
rot-grüne Steuerreform den finanziellen Spielraum von
Ländern und Kommunen weiter einengt? 2001 werden
die Länder 19 Milliarden DM weniger Steuern einneh-
men. Diese Mindereinnahmen werden durch konjunktur-
bedingte Mehreinnahmen nicht wettgemacht. Die Länder
werden darauf mit Kürzungen der Zuweisungen an die
Gemeinden reagieren. Dadurch kommt es zu der absurden

Situation, dass sich der Bund zwar wegen gestiegener In-
vestitionsausgaben auf die Schulter klopfen kann, die
Länder und Kommunen aber kein Geld mehr haben,


(Zuruf von der PDS: Unerhört!)

um Schulen, Kitas oder Altenheime zu sanieren.


(Beifall bei der PDS)

Diese Situation ist absurd.

Zu fragen bleibt auch, warum der Reformstau auf an-
deren Gebieten nicht zum Nachdenken anregt. Wann end-
lich wird die Schere zwischen Verteilung und Belastung
von Einkommen und Vermögen ernsthaft thematisiert?
Wir warten immer noch darauf, dass Sie Ihre Ankündi-
gung, die Erbschaftsteuer zu novellieren, erfüllen. Auch
unter Rot-Grün wächst leider die Kluft zwischen Arm und
Reich. Mit der Teilhabe am Haben und Sagen, wie es der
Kanzler gefordert hat – grundsätzlich kann man ihm da
nur Recht geben –, sieht es leider bei vielen Menschen
noch sehr mau aus.

Wann wird damit begonnen, den Berg an gesellschaft-
lich notwendigen Tätigkeiten, zum Beispiel im Bereich
der Kinder- und Jugendarbeit, im Bereich humaner
Dienstleistungen, die heute kaum entlohnt werden, durch
entsprechende Finanzierungsmodelle schrittweise zu ei-
ner vollwertigen Erwerbsarbeit umzugestalten? In diesen
Bereichen sind doch Verkrustungen entstanden, die auf-
gelöst werden müssen. Stattdessen macht Rot-Grün die
Senkung der Nettokreditaufnahme sozusagen zu einem
Glaubensbekenntnis. Wir wissen um die Schulden- und
Zinslast, die auf die jungen Generationen zukommt. Aber
auch ungelöste ökonomische, soziale und ökologische
Probleme belasten künftige Generationen.


(Glocke des Präsidenten)

– Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Mein Resümee der Arbeit im Haushaltsausschuss lau-
tet: Es gab dort viel Schatten, aber auch viel, was mich ge-
freut hat. In guter Erinnerung habe ich die in der Regel
straffe Debattenführung, ein in der Regel sachliches
Klima und kollegiales Verhältnis und vor allem die Hilfs-
bereitschaft und die stete Umsicht der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im Sekretariat des Haushaltsausschusses.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dafür bedanke ich mich sehr herzlich im Namen meiner
Fraktion.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413805400
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Hans Jochen Henke für die
CDU/CSU-Fraktion.


Hans Jochen Henke (CDU):
Rede ID: ID1413805500
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus den Ausführungen
der Kollegin Hermenau und des Kollegen Poß hätte man
den Eindruck gewinnen können, als ob wir es hier mit ei-

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Dr. Christa Luft
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nem Jahrhundertwerk zu tun haben, dessen Wirkung weit
über diese Legislaturperiode hinausreicht. Tatsache ist,
dass der uns vorliegende Haushaltsentwurf in einigen Be-
reichen durchaus solide ist und Ansätze zur Konsolidie-
rung bietet. Das möchten wir gar nicht in Zweifel ziehen.
Diese Ansätze und sehr viel mehr hätte in dieser Legisla-
turperiode auch eine christdemokratische Regierung
erreichen können; denn die Rahmenbedingungen waren
– ich darf das noch einmal unterstreichen – im Gegensatz
zu dem, was hier ausgeführt wurde, so günstig wie nie.
Kein Finanzminister hatte so traumhafte Ausgangs-
voraussetzungen wie Minister Eichel.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Wenn ich Ihre Politik an den lauten und vollmundigen
Ankündigungen und Versprechungen wie zum Beispiel,
die Steuer- und Abgabenlast der Bürger zu senken und das
Steuerrecht nachhaltig zu vereinfachen, messe, dann muss
ich feststellen, dass hier wie in vielen anderen Bereichen
Ankündigungen und Wirklichkeit weit auseinander klaf-
fen.

Ihr jetzt vorgelegter Haushalt, Frau Kollegin Hermenau,
ist nicht der erste, der unter rot-grüner Verantwortung zu-
stande kommt, sondern es ist der dritte.


(Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der erste eigene! Das wissen Sie auch!)


Er müsste eigentlich den Höhepunkt in dieser Legislatur-
periode markieren; denn auf den nächsten Haushalt fallen
bereits die Schatten des Wahljahres 2002.

Wenn ich das, was Sie in Koalitionsvereinbarungen
und vor der Wahl angekündigt haben, an der Wirklichkeit
messe, dann muss ich in aller Bescheidenheit und Zurück-
haltung darauf hinweisen, dass Sie jedenfalls eines mit Si-
cherheit nicht gemacht haben: Vereinfacht haben Sie an
keiner Stelle irgendetwas; aber verkompliziert und ver-
bürokratisiert haben Sie an vielen Stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Was Reformbereitschaft generell und Reformen im

Steuer- und Abgabenrecht speziell anlangt, so ist durch
das, was Sie Reformen nennen, eigentlich alles mit jedem
Schritt komplizierter geworden. Eine so genannte Reform
hat in vielen Fällen ihre eigene Reform quasi zwangsläu-
fig nach sich gezogen.

Als ein Beispiel dafür, wie Sie im Zusammenhang mit
diesem Thema mit der Wirtschaft umgegangen sind und
umgehen, Herr Finanzminister Eichel, nenne ich nur noch
einmal die AfA-Tabellen. 3,5 Milliarden DM wollten Sie
gegenfinanzieren, 13 Milliarden DM waren es dann nach
den Listen Ihres Hauses tatsächlich. Der BDI ist Ihnen al-
lerdings rechtzeitig auf die Schliche gekommen. Das
schafft kein Vertrauen im Umgang zwischen Politik und
Wirtschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie gängeln die Leistungsträger weiter und die Bezie-

her kleinerer Einkommen werden mit dem, was Sie jetzt
als Reformen vorgelegt haben und umsetzen werden, al-

lenfalls ein Nullsummenspiel erleben. Ihr Zahlenwerk,
Herr Minister Eichel, ist auch bei konservativ veran-
schlagten Hochrechnungen, was die Entwicklung der
Steuereinnahmen anlangt, für die nächsten Jahre bis 2004
zu optimistisch. Es wären mehr als 60 Milliarden DM zu-
sätzlich zu veranschlagen. Wenn man die bereits zwischen
1997 und 2000 vereinnahmten zusätzlichen 60 Milliar-
den DM berücksichtigt, sind dies in der Summe sage und
schreibe 120 Milliarden DM mehr.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Der Staat kassiert weiter und weiter. Am Ende Ihres Fi-

nanzplanungszeitraumes werden die jährlichen Abgaben-
und Steuerbelastungen in diesem Land für die Bürger bei
rund 1 Billion DM angelangt sein.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Die Steuer- und Abgabenlast werden Sie nach Ihrer ei-
genen mittelfristigen Finanzplanung konstant bei einer
Quote von über 54 Prozent stabilisieren. Da frage ich
mich: Wo sind die Reformen,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!)

wo sind die Entlastungen, wo sind die Absenkungen bei
Steuern und Abgaben für die Bürger und die Wirtschaft?


(Beifall bei der CDU/CSU)

Unser Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz hatte sehr
Recht, als er vor wenigen Tagen hier in diesem Hause fest-
stellte: Mit Ihnen und Ihrer Politik werden in den nächs-
ten Jahren die Menschen leider ärmer.

Auf der anderen Seite waren die Ausgaben des Bundes
noch nie so hoch wie in diesem Jahr; sie erreichen histo-
risch einmalige Größenordnungen in der Geschichte der
Bundesrepublik. Nächstes Jahr gibt es eine marginale
Veränderung nach unten, die eigentlich nicht ins Gewicht
fällt, und dieses, obwohl Privatisierungen bei der Treu-
hand mit einer Art Nebenhaushalt abgewiegelt werden
und obwohl Sie Kosten in Höhe von 10 Milliarden DM
vom Haushalt auf die Sozialversicherung schieben.

Jawohl, der neu gewählte BDI-Präsident Rogowski,
ein wirklich unabhängiger wie besonnener und obendrein
noch schwäbischer Kopf,


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der F.D.P.)


hat Recht, wenn er in dieser Woche forderte: Geben Sie
uns unsere Freiheit wieder!


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Aber was tun Sie stattdessen? Sie werden in wenigen
Wochen die Ökosteuer erneut anheben und Sie werden
dies in den nächsten Jahren konsequent fortsetzen; Sie
werden dank steigender Inflation und dank kalter Pro-
gression weiter abkassieren, anstatt über einen offenen
Arbeitsmarkt, ein modernisiertes Sozialsystem und eine
zukunftsfähige Gesundheitspolitik notwendige und nach-
haltige Impulse zu setzen und den Haushalt für die Zu-
kunft zu entlasten.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Hans Jochen Henke

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Nachhaltige Reformen kommen nicht voran. Oswald
Metzger hat einmal mehr treffend seine Sorge ausge-
drückt, dass aus Angst vor dem nächsten Bundestags-
wahlkampf die notwendigen Schritte unterbleiben könn-
ten. Recht hat der Mann! Mehr Mut, meine Damen und
Herren!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wie wollen Sie denn die Europäische Union sozusagen

vom deutschen Bremsklotz befreien? Sollten wir nicht
endlich dafür sorgen, dass wir die rote Laterne beim Wirt-
schaftswachstum in der Gemeinschaft abgeben können?

Für mehr Stabilität und Vertrauen will sich die Bun-
desregierung nun überraschenderweise mit einer völlig
neuen Initiative einsetzen, nämlich mit der von ihr initi-
ierten Stiftung „Geld und Währung“, die aus dem Mil-
liardenerlös einer D-Mark-Goldmünze finanziert werden
soll. Ich denke, mit einer D-Mark als Goldmünze kann
man zwar sicherlich die Erinnerung an unsere stabile
Mark wach halten;


(Beifall bei der CDU/CSU)

aber man muss feststellen, dass Vertrauen in den Euro und
Vertrauen in eine stabile Politik nicht durch eine Stiftung,
sondern nur durch eine vertrauenstiftende Politik ge-
schaffen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.])


Lieber Kollege Poß, ich streite mit Ihnen nicht darüber,
in welchem Jahr größere Privatisierungserlöse verein-
nahmt worden sind. Tatsache ist: Sie haben bis auf den
heutigen Tag überhaupt kein neues Projekt auf den Weg
gebracht. Ich stelle im Zusammenhang mit dem Verkauf
der Eisenbahnerwohnungen nur fest: Solange wir regiert
haben, waren die japanischen Geschäftsparner für Sie
schlechte Japaner. Nun verkaufen Sie die Eisenbahner-
wohnungen und plötzlich sind sie für Sie gute Japaner ge-
worden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Rot-Grün bleibt trotz aller medienorientieren Ankün-

digungen und Denkansätze einer überkommenden, dirigis-
tischen, konservativen und ideologischen Politik mit den
entsprechenden Instrumenten nachhaltig verhaftet. Wie
fragte vor wenigen Tagen der es wirklich gut meinende
und kooperationswillige Arbeitgeberpräsident Hundt:
„Haben die Juristen des Arbeitsministeriums eigentlich
noch alle Tassen im Schrank?“

Statt mutiger, innovations-, investitions- und zukunfts-
fähiger Reformschritte bescheren Sie uns eine Regulie-
rungsliste, –


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413805600
Herr Kol-
lege Henke, bitte kommen Sie zum Schluss.


Hans Jochen Henke (CDU):
Rede ID: ID1413805700
– die vom Rechts-
anspruch auf Teilzeitarbeit über das Zwangspfand für Ein-
wegflaschen und Mietrecht bis zur Gleichberechtigungs-
bürokratie in den Betrieben reicht.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413805800
Herr Kol-
lege, ich muss Sie jetzt nachdrücklich bitten, zum Schluss
zu kommen.


Hans Jochen Henke (CDU):
Rede ID: ID1413805900
Jawohl. – Machen
Sie jetzt endlich ernst! Wenn man Ihren Haushalt und Ihre
mittelfristige Finanzplanung betrachtet, dann muss man
sagen, dass es dafür wahrscheinlich leider schon zu spät
ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413806000
Ich gebe
nunmehr das Wort dem Bundesfinanzminister, Hans
Eichel.


(von der SPD sowie von Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen mit Beifall begrüßt)

verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss
dieser Debatte noch ein paar Bemerkungen aus der Sicht
der Bundesregierung machen.

Dieser Haushalt ist durch eine nachhaltige Konsolidie-
rung charakterisiert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben die niedrigste Neuverschuldung seit 1992.


(Beifall bei der SPD – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Durch ein Geschenk!)


– Das ist wirklich Unsinn; das wissen Sie genau. Ich
komme gleich noch darauf zurück.

Angesichts Ihrer Legendenbildung habe ich mir noch
einmal die maßgeblichen Zahlen angesehen. Herr
Rexrodt, so sehr ich mich freue, dass Sie den Konsolidie-
rungskurs anerkennen und dass darüber grundsätzliches
Einvernehmen besteht, so deutlich muss ich doch sagen,
dass Ihre Analyse, wir würden auf der Ausgabenseite
nicht konsolidieren, falsch ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es bleibt festzuhalten – auch Sie wissen das –: Diese Ar-
gumentation entspricht nicht Ihrem Niveau. Man muss
vielmehr feststellen:

Erstens. Sie haben die Auszahlung des Kindergeldes
im Jahre 1995 umgestellt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ach herrje!)


Ab diesem Jahr erscheint das Kindergeld nicht mehr auf
der Ausgabenseite, sondern schlägt als Einnahmeminde-
rung zu Buche. Es wäre sehr aufschlussreich, wenn man
Ihre Haushaltsdaten um diesen Tatbestand bereinigen
würde.

Zweitens. Sie haben bis 1998 die Ausgaben für die
Postunterstützungskassen gar nicht im Haushalt veran-
schlagt,


(Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Hans Jochen Henke
13502


(C)



(D)



(A)



(B)


sondern Sie haben sich die Ausgaben vorfinanzieren las-
sen; sonst hätten Sie keinen verfassungsgemäßen Haus-
halt 1998 vorlegen können.


(Beifall bei der SPD)

Auch um diesen Tatbestand müssten wir Ihre Haushalts-
daten bereinigen.

Wir müssen in diesem Zusammenhang auch über die
Mehrwertsteuer reden, die wir mit Ihnen gemeinsam um
1 Prozentpunkt angehoben haben – das führte zu Mehr-
einnahmen von 16 Milliarden DM –, um zu verhindern,
dass der Rentenversicherungsbeitrag von 20,3 auf
21,3 Prozent stieg. Mit den Einnahmen aufgrund der Öko-
steuer in Höhe von 17 Milliarden DM haben wir den
Rentenversicherungsbeitrag um 1 Prozentpunkt gesenkt.
Der heutige Rentenversicherungsbeitrag beruht also auf
zwei Maßnahmen: Die erste Maßnahme mit einem Volu-
men von 16 Milliarden DM verantworten Sie und die
zweite Maßnahme mit einem Volumen von 17 Milliar-
den DM verantworten wir.

Ich sage Ihnen, was passiert wäre, wenn wir diese
durchlaufenden Posten eliminiert und wenn wir unsere
17 Milliarden DM herausgenommen hätten. Sie hatten im
Ausgangsjahr 1995 Ausgaben in Höhe von 444 Milliar-
den DM. Diese Ausgaben liegen heute – um diese Posi-
tion bereinigt – bei 421 Milliarden DM. Das ist das Er-
gebnis unseres Konsolidierungskurses.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch sie haben die Ausgaben übrigens nicht erhöht.
Das will ich fairerweise sagen. Von 1995 bis 1998
herrschte – bei einigen Verschiebungen – praktisch
Gleichstand. Seitdem gehen die Ausgaben zurück. – Das
war die erste Feststellung.

Die zweite Feststellung. Wir haben in diesem Haushalt
die niedrigste Neuverschuldung, die niedrigste Nettokre-
ditaufnahme, die es seit 1992 gegeben hat. Sie beträgt
jetzt 43,7 Milliarden DM. Aber das ist noch nicht einmal
die ganze Wahrheit. Gleichzeitig haben wir die Privati-
sierungserlöse massiv heruntergefahren. 1998 hatten Sie
bei einer Nettokreditaufnahme von 56 Milliarden DM
noch fast 20 Milliarden DM Privatisierungserlöse, und
das nur für den Haushalt; die Postunterstützungskassen
waren überhaupt nicht finanziert.

Wenn ich die Postunterstützungskassen einmal heraus-
nehme, haben wir im nächsten Jahr nur noch 7 Milliar-
den DM Privatisierungserlöse, und das bei einer Netto-
kreditaufnahme von 43 Milliarden DM. Das ist ein
Konsolidierungserfolg: eine Reduzierung der Neuver-
schuldung von 76 Milliarden DM auf 50 Milliarden DM.
Das ist ein Konsolidierungserfolg von 26 Milliarden DM
auf der Passivseite in diesen zwei Jahren. Das ist der Er-
folg unserer Haushaltspolitik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dafür bin ich den Haushältern beider Koalitionsfrak-
tionen sehr dankbar, insbesondere Hans Georg Wagner
und Oswald Metzger, die das federführend gemacht ha-

ben: Wir haben die gesamten konjunkturbedingten Steu-
ermehreinnahmen des nächsten Jahres in Höhe von
3,9 Milliarden DM nicht für zusätzliche Ausgaben einge-
setzt, sondern zum Ausgleich für die gesunkenen Privati-
sierungserlöse und zur Minderung der Nettokreditauf-
nahme. Wir haben uns die Ermächtigung dafür geben
lassen – das ist eine grundsätzlich andere Politik, als Sie
sie bis 1998 gemacht haben – Privatisierungserlöse nicht
mehr für den laufenden Haushalt, sondern nur noch für
Postunterstützungskassen und für den Abbau der Alt-
schulden einzusetzen. Nur so kann man das vernünftiger-
weise machen.

Ein weiterer Punkt. Sie von der CDU/CSU und insbe-
sondere Ihr Oppositionsführer haben Ihre Reden auf lau-
ter falschen Thesen aufgebaut – Herr Henke hat sie vor-
hin noch einmal wiederholt. Insofern bin ich dankbar,
dass es in der Opposition ein sehr differenziertes Bild gab
und die F.D.P. und auch die PDS unseren Haushalt zu-
mindest in Teilen wesentlich differenzierter betrachtet ha-
ben. Ihr Oppositionsführer hat – sie werden so nicht er-
folgreich sein – zum Beispiel die These geäußert, wir
hätten die höchsten Ausgaben, die es jemals gegeben
habe. Herr Henke hat es gerade wiederholt. Das alles ist
schlichtweg falsch.

Wir senken die Steuern in einem nie da gewesenen
Ausmaß. Das will ich jetzt auch genauer darstellen. In ei-
nem Punkte stimme ich Ihnen ausdrücklich zu


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie hoch sind denn die Ausgaben? Die Steuerquote steigt und die Ausgaben steigen!)


– ich komme gleich darauf; Sie werden sich wundern –:
Herr Kollege Stoltenberg hat in den 80er-Jahren eine gute
Nettoentlastung betrieben. Sie entsprach im Umfang fast
der unseren. Sie lag nämlich bei rund 2,5 Prozent des
Bruttoinlandproduktes, wenn ich das Ausgangsjahr 1986
nehme und auf die Jahre bis 1990 verteile. Bei uns sind
das etwas mehr als 2,5 Prozent und die Entlastungen er-
folgen auch in vier Jahren, und zwar von 2001 bis 2005.

Herr Kollege Henke, Sie sprachen von einer Abga-
benquote von 54 Prozent. Wo Sie diese Zahl hernehmen,
weiß ich nicht.


(Hans Jochen Henke [CDU/CSU]: Vom Bund der Steuerzahler!)


– Ich rate Ihnen, sich nicht der Zahlen einer Ihrer Vorfeld-
organisationen zu bedienen, sondern der Zahlen aus inter-
national unverdächtigen Quellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich zitiere die OECD. Sie weist für 1999 für Deutsch-

land eine Steuer- und Sozialabgabenquote von 37,7 Pro-
zent aus. Das ist im internationalen Vergleich ein mittle-
rer Satz.


(Beifall bei der SPD – Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Behaupten Sie etwa, die Zahl ist richtig? – Hans Jochen Henke [CDU/CSU]: Wo sind die Lohnnebenkosten?)


Herr Rauen hat die Behauptung aufgestellt, die kalte
Progression würde das alles wieder auffressen und bei

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesminister Hans Eichel

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2,5 Prozent jährlicher Lohn- und Gehaltssteigerung wäre
im Jahre 2005 ein höherer Anteil des Einkommens zu ver-
steuern als im Jahre 1998. Ich habe Berechnungen anstel-
len lassen – wir können auch andere Beispiele nehmen –:
Ein Arbeitnehmer, verheiratet und zwei Kinder, mit einem
Bruttoeinkommen von 60 000 DM im Jahre 1998 – hatte
zu Ihrer Regierungszeit eine Lohnsteuer in Höhe von
6 290 DM bzw. 10,05 Prozent seines Einkommens zu zah-
len. Derselbe Arbeitnehmer hätte bei einer jährlichen Stei-
gerung seines Einkommens um jeweils 2,5 Prozent im
Jahre 2005 einen Bruttoverdienst von 71 321 DM und
würde eine Lohnsteuer von 6 540 DM zahlen. Das heißt:
Er hätte netto 10 500 DM mehr und sein Lohnsteueranteil
würde von 10,48 Prozent auf 9,17 Prozent seines Ein-
kommens sinken. Das ist die Wirklichkeit und damit ist
wieder eine Ihrer Lügen – ich kann es nicht anders be-
zeichnen – widerlegt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich unterstelle Herrn Kollegen Rauen, den ich mensch-
lich sehr schätze, dass er rechnen kann. Wenn er das
kann – und davon bin ich überzeugt –, darf er solche Mär-
chen nicht erzählen. Er kann solche Beispiele selber nach-
rechnen.


(Beifall bei der SPD)

Wir senken nicht nur die Steuern und Abgaben, son-

dern verbessern nachhaltig – auch ohne UMTS-Erlöse –
die Ausgabenstruktur unseres Haushalts. Anders als Sie
es eben dargestellt haben, legen wir einen Haushalt vor,
der eine Erhöhung des Kindergeldes um 50 DM – wir ha-
ben das Kindergeld bereits in zwei Stufen erhöht –, der
zum 1. Januar 2001 eine starke Erhöhung des Wohngelds
in den westdeutschen Ländern und eine Angleichung in
den ostdeutschen Ländern, für die das Wohngeld sonst
ausgelaufen wäre, sowie eine ordentliche Erhöhung des
Erziehungsgeldes und einen Wiedereinstieg in die Er-
höhung des BAföG vorsieht. – Das sind vier soziale Leis-
tungselemente, die in diesem Konsolidierungshaushalt
enthalten sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Wo ist der Umbau?)


Dies ist ein Haushalt, der den Bereich Forschung und
Bildung verstärkt. Dieser Haushalt beinhaltet – und zwar
mit UMTS-Erlösen; ohne diese wäre es weniger – eine
deutliche Steigerung des Forschungs- und Bildungsetats.
Der letzte Etat, den Sie zu verantworten hatten – man
muss das selbstverständlich unter dem Gesichtspunkt ver-
änderter Aufteilungen differenziert betrachten –, sah für
diesen Bereich einen Ansatz in Höhe von 14,2 Milliarden
DM vor. Unser Haushalt weist einen Bildungs- und
Forschungsetat von 15,97 Milliarden DM auf, also
1,77 Milliarden mehr. Allein für den Zeitraum von 2000
auf 2001 sehen wir eine Steigerung um 9,5 Prozent vor.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was stand denn im Regierungsentwurf?)


Im Vergleich zu Ihrem Haushalt ist das noch nicht ein-
mal die ganze Wahrheit. Da wir das BAföG anders finan-

zieren, muss der Darlehensanteil am BAföG, der nicht
über den Haushalt finanziert wird, hinzugezählt werden.
Damit kommen wir bereits für das Jahr 2001 auf einen
Ansatz, der um 77 Millionen DM höher liegt. Die für den
Bereich Forschung aufgewendeten Mittel werden auf ins-
gesamt 16,7 Milliarden DM erhöht. Sie haben so etwas
noch nicht einmal im Traum zustande bekommen; wir
schaffen das sogar bei einem Haushalt mit sinkenden Aus-
gaben. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die UMTS-Versteigerung hat uns die Gelegenheit ge-
geben, etwas zu tun – das will ich ausdrücklich einräu-
men –, was wir sowieso tun wollten, aber sonst erst nach
dem Jahre 2006 hätten tun können. Es ist wahr: Einen
Haushalt zu konsolidieren ist eine harte Anstrengung und
wer jahrzehntelang Schulden aufbaut, wird auch Jahr-
zehnte arbeiten müssen, um sie wieder abzubauen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist so und deswegen müssen wir konsequent auf un-
serer Linie bleiben und dürfen nicht der Versuchung er-
liegen, Ihren Anträgen auf Mehrausgaben zuzustimmen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weniger Neuverschuldung!)


Würden wir das tun, ginge es genauso weiter wie bei
Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nun kommt die Frage: Was bedeutet das für die wei-
tere wirtschaftliche Entwicklung? Auch diese Frage ist
ganz einfach zu beantworten: Wir haben bereits vorgetra-
gen, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickelt. Wir
sind in einer Situation, wie Sie sie in den Jahren seit 1991
nicht gehabt haben. Schon der erste Satz zum Thema wirt-
schaftliches Wachstum in der Rede des Kollegen Merz am
Mittwoch war wieder völlig falsch. Er hat gesagt, wir hät-
ten jetzt das gleiche Wachstum, wie im letzten Jahr Ihrer
Koalition.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Richtig!)

Lieber Herr Merz, wenn Sie mit einem solchen Satz an-
fangen, taugt die ganze Rede nichts.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie hatten im letzten Jahr Ihrer Regierungszeit ein Wachs-
tum von 2,3 Prozent. In diesem Jahr haben wir auf jeden
Fall ein Wachstum von 3 Prozent. Die Differenz von
0,7 Prozent bedeutet ungefähr 27 Milliarden DM mehr.
Wenn das Ihre Schätzdifferenzen sind, wundert mich in
Ihrer Haushaltsführung gar nichts mehr.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was die Entwicklung Deutschlands im internationalen
Vergleich angeht, kommt die OECD zu dem Ergebnis,
dass Deutschland im Übergang zum Jahr 2001 – das ha-
ben Sie auch bei Ifo gelesen – mindestens im Schnitt der
Europäischen Union liegt, während wir sonst darunter

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesminister Hans Eichel
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waren. Voraussichtlich werden wir im nächsten Jahr mit
den großen Ländern gleichziehen. Das ist aber eine Pro-
gnose. Wir werden es noch sehen. Die Daten haben sich
aber weitgehend angenähert. Es spricht alles dafür, dass
wir im nächsten Jahr vorne sind.

Es ist besonders interessant, wie in Ihrer Regierungs-
zeit Deutschland von ausländischem Kapital gemieden
wurde. Das ist für dieses Land schlecht. Ich will Ihnen die
einzelnen Zahlen nicht vorlesen. Im Jahr 1999 ist der Zu-
fluss von Auslandskapital nach Deutschland dramatisch
gestiegen. Im Übrigen, ist es nicht immer schlecht, wenn
Kapital woanders hingeht. Dabei passiert Folgendes: Un-
sere Wirtschaft verflechtet sich mit der europäischen
Wirtschaft und die europäische Wirtschaft verflechtet sich
mit der amerikanischen Wirtschaft. Manchmal gibt es
auch einseitige Ausschläge, zum Beispiel bei Vodafone
Airtouch/Mannesmann. Daimler-Chrysler ist ein Fall in
die andere Richtung. Alles in allem ist das eine dramati-
sche Änderung der Kapitalflussbilanz. Dies ist bei den
Menschen auch angekommen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Denken Sie auch hieran!)


– Ja, daran denke ich, weil das der Sinn der Sache ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich zum Schluss, meine Damen und

Herren: Es geht schlichtweg um den Menschen. Von
1994 – ich befürchte, dass es früher losging; aber aus dem
Jahre 1994 stammen die ersten Zahlen, die mir vorliegen
– bis zum Jahr 1998 ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger
um 590 000 gestiegen. Im ersten Jahr unserer Regie-
rungszeit vollzog sich eine Trendwende. Zum ersten Mal
seit vielen Jahren sank die Zahl der Sozialhilfeempfän-
ger in Deutschland und zwar um 80 000.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Zahl der Erwerbstätigen steigt. Sie versuchen die
ganze Zeit die Legende aufzubauen, dass die Arbeitslo-
sigkeit nur deswegen zurückgeht, weil mehr Leute aus Al-
tersgründen aus dem Erwerbsleben ausscheiden als ein-
treten. Dies ist am einfachsten dadurch zu widerlegen,
dass wir zählen, wie viel Beschäftigte es in jedem Jahr
gab; dann brauchen wir über diese Frage nicht mehr zu
streiten, dann ist sie beantwortet. Das ersieht man aus der
Statistik, die die Bundesanstalt für Arbeit veröffentlicht
hat. Herr Jagoda hat, bevor er Präsident der Bundesanstalt
für Arbeit wurde, der Fraktion der CDU/CSU angehört.
Die um 630 000 bereinigte Zahl bezieht sich auf Ihre Re-
gierungszeit.


(Lachen bei der CDU/CSU)

– Ja, es ist doch ganz einfach. Es ergibt sich Folgendes.
Sie haben in der Zeit von 1991 bis 1998 – das lese ich Ih-
nen jetzt vor – Folgendes zu verzeichnen: Im Jahre 1992
ging die Zahl der Beschäftigten um 580 000 zurück. Von
1992 auf 1993 ging die Zahl der Beschäftigten um
510 000 zurück. Von 1993 auf 1994 ging die Zahl der Be-
schäftigten um 65 000 zurück. Von 1994 auf 1995 stieg
die Zahl der Beschäftigten um 80 000.

Von 1995 auf 1996 ging die Zahl der Beschäftigten um
108 000 zurück. Von 1996 auf 1997 betrug der Rückgang
80 000. 1998 nahm die Zahl der Beschäftigten um 340 000
und 1999 um 407 000 zu. Nach der Projektion


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Noch mal Projektion!)


– ja – beträgt der Zuwachs der Zahl der Beschäftigten im
Jahr 2000 etwa 500 000.

Das heißt, von den Jahren der Wiedervereinigung an
bis zum Ende Ihrer Regierungszeit ist die Zahl der Be-
schäftigten in Deutschland um fast 1 Million zurückge-
gangen; konkret waren es 920 000 Beschäftigte weniger.
Diesen Rückstand werden wir bereits Ende dieses Jahres
voll aufgeholt haben, weil wir 900 000 Beschäftigte mehr
als zu Beginn unserer Regierungszeit haben werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Damit haben wir dann in nur zwei Jahren einer sozialde-
mokratisch geführten Bundesregierung bzw. einer Koali-
tion aus Sozialdemokraten und Grünen den Abbau von
Beschäftigung, den Sie für die Jahre seit der Wiederverei-
nigung zu verantworten haben, bereits aufgeholt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Alles Minijobber!)


Auf diese Leistung bin ich stolz. Wir sind auf dem richti-
gen Wege.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich halte fest, dass wir gemeinsam mit den Menschen
in diesem Lande eine außerordentlich erfolgreiche Politik
betreiben.


(V o r s i t z: Präsident Wolfgang Thierse)

Sie selbst würden diese Politik gerne machen; deswegen
sind Ihre Angriffe so fade. Ich fordere Sie auf: Stimmen
Sie diesem Haushalt in dritter Lesung zu!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413806100
Ich erteile dem Kolle-
gen Bernd Protzner, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Dr. Bernd Protzner (CSU):
Rede ID: ID1413806200

(von Abgeordneten der CDU/CSU mit Beifall begrüßt)

Kollegen! Manchmal sagt die Körpersprache eines Red-
ners mehr als seine Worte.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister Eichel, als Sie dem Kollegen
Henke geantwortet haben, haben Sie ständig gestikuliert
und etwa Folgendes gesagt: Diejenigen Ausgaben, die
hier sind, die stehen eigentlich da und die, die dort stehen,
die gehören eigentlich hierhin.

Dem muss ich entgegnen: Gott sei Dank gibt es die Ka-
meralistik in Deutschland, mit der Sie den Haushalt und
die mögliche Größe des Haushaltes verschleiern können.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesminister Hans Eichel

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Ihr Haushalt ist wesentlich größer, als Sie mit den
480 Milliarden DM ausweisen. Dieser Haushalt enthält
Verpflichtungsermächtigungen und Sondervermerke.
Sie haben Ansätze – Arbeitslosenversicherung, Fremdfi-
nanzierung – in andere Haushalte abgeschoben. Sie haben
darüber hinaus viele gesetzliche Maßnahmen schlicht und
einfach anderen, beispielsweise den Energieversor-
gungsunternehmen, übertragen, die beim Verbraucher
direkt abkassieren, ohne dass das im Bundeshaushalt er-
scheint.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wenn man dies alles addiert, dann kommt man auf über
500 Milliarden DM, manche behaupten 540 Milliar-
den DM. Vor diesem Hintergrund haben Sie keinen Spar-,
sondern einen Rekordhaushalt vorgelegt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich komme auf die Schuldensituation zu sprechen.

Herr Eichel, die Neuverschuldung liegt bei 43 Milliar-
den DM. Addiert man die Neuverschuldung der Jahre
von 1998 bis 2003 – der Kollege Austermann hat darauf
hingewiesen –, dann kommt man auf 230 Milliarden DM.
Obwohl Sie 100 Milliarden DM mehr einnehmen, ver-
schulden Sie die Bundesrepublik trotzdem weiter.


(Widerspruch bei der SPD)

Sie erzählen ein Märchen, wenn Sie behaupten, Sie wür-
den Schulden abbauen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie haben keine Ahnung vom Haushalt!)


Bezogen auf den Fraktionsvorsitzenden Merz haben
Sie gesagt: Die Bürger werden nicht ärmer. Dem muss ich
entgegnen: Ich habe ein geheimes Dossier zugespielt be-
kommen,


(Heiterkeit bei der SPD – Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pfui!)


aus dem ich zitieren darf: Im Jahr 1998 hat der Durch-
schnittsarbeitnehmer über 9 000 DM Steuern gezahlt.
Nach der größten Steuerreform aller Zeiten – Herr Eichel
hat vorhin von Steuersenkungen wie nie zuvor gespro-
chen – zahlt der Durchschnittsarbeitnehmer im Jahr 2005
über 10 000 DM Steuern. Das Dossier – ich darf jetzt auch
einmal etwas vorzeigen – hat den Absender „Bundesmi-
nisterium für Finanzen“ und heißt „Datensammlung zur
Steuerpolitik“.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Herr Eichel, Sie sollten mehr das kontrollieren, was Sie
unter die Leute bringen. Darin steht mehr Wahrheit als
das, was Sie hier im Haus vortragen.


(Beifall bei der PDS)

Eine letzte Bemerkung. – –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans Georg Wagner[SPD]: Bravo!)


– Die müssen Sie sich schon noch anhören. Sie ist auch
nicht angenehm für Sie. Ich freue mich über jedes Prozent

Wirtschaftswachstum. Schauen Sie sich die Quartals-
zahlen in diesem Jahr an: im ersten Quartal 3,6 Prozent,
im zweiten Quartal 3,3 Prozent, im dritten Quartal
2,8 Prozent – –


(Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben schon genug geredet! Sie erzählen nur Mist!)


– Ja, Frau Hermenau, nicht die Planzahlen im Bundes-
haushalt sind interessant, sondern die wirklichen Zahlen.
Sie kennen doch Planzahlen aus Ihrer Lebensgeschichte
und wissen, wie sehr die lügen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Das ist eine feine Tendenz. Wenn ich die amerikani-
schen Zahlen mit 5,3 Prozent Wachstum oder die anderer
europäischer Länder mit 8 Prozent Wachstum sehe, finde
ich, dass wir dagegen ärmlich aussehen. Zugleich bricht
seit fünf Monaten das Geschäftsklima ein. Das ist auch
nicht verwunderlich; denn Sie machen die Leute mit Ihrer
Politik ärmer. Was Sie ihnen vielleicht übergangsweise,
Herr Poß, bei direkten Steuern lassen, das nehmen Sie ih-
nen bei indirekten Steuern – Ökosteuer, Umsatzsteuer –
wieder weg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie Abgeordneten der F.D.P. – Joachim Poß [SPD]: Sie beweisen mit jedem Satz, warum Sie als Generalsekretär gescheitert sind!)


Das alles fördert aber nicht die Konjunktur, sondern
macht die Konjunktur kaputt. Unser Ziel, Herr Poß, ist
nicht Wohlstand für Großunternehmen, auch nicht Wohl-
stand für den Staat, sondern unser Ziel ist Wohlstand für
alle, wie es Ludwig Erhard beschrieben hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das ist soziale Marktwirtschaft. Die Bürger sind nicht für
den Staat da, sondern der Staat hat für die Bürger da zu
sein. Hier müssen Sie noch mehr tun. Deshalb lehnen wir
Ihren Bundeshaushalt ab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zurück nach Bayern!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413806300
Ich schließe die Aus-
sprache. Wir kommen zur Schlussabstimmung über das
Haushaltsgesetz 2001, Drucksachen 14/4000, 14/4302,
14/4501 bis 14/4523. Die Koalitionsfraktionen verlangen
namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men. Die Schriftführerinnen und Schriftführer, die nicht
eingeteilt sind, mögen bitte zum Auszählungstisch kom-
men. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall.

Ich eröffne die Abstimmung. – Liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass es
anschließend zwei weitere namentliche Abstimmungen
gibt.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Ich höre, dass an der Urne

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Bernd Protzner
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(C)



(D)



(A)



(B)


Nr. 6 ein Missverständnis entstanden ist. Wir können dies
nur dadurch reparieren, dass diejenigen Kolleginnen und
Kollegen, die einem Irrtum unterlegen sind, hier vorne
beim Präsidenten erklären, wie sie abstimmen wollten.
Anderenfalls müssten wir die ganze Abstimmung wieder-
holen. Ich bitte namentlich zu Protokoll zu geben, in wel-
cher Weise Sie abstimmen wollten. – Der Fall ist aufge-
klärt.

Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be-
kannt gegeben.

Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort. Wir kommen
zur Abstimmung über die Entschließungsanträge.

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4748. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Ent-
schließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU bei Stimmenthaltung der F.D.P. und der PDS
abgelehnt.

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4749. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltun-
gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung
der F.D.P. gegen die Stimmen von CDU/CSU und PDS
abgelehnt worden.

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4750. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Der Entschlie-
ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU,
F.D.P. und PDS abgelehnt.

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4751. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Der Entschlie-
ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bünd-
nis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden.

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4752. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltun-
gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von

CDU/CSU und PDS bei Stimmenthaltung der F.D.P. ab-
gelehnt worden.

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4762. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD,
Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden.

Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4712. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltun-
gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die sonstigen
Stimmen des Hauses abgelehnt worden.

Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4713. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des Hau-
ses gegen die Stimmen der F.D.P. abgelehnt worden.

Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4779. Die Fraktion der F.D.P. verlangt na-
mentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall.

Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine

Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.1)

Bevor wir zur nächsten Abstimmung kommen, möchte
ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftfüh-
rern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über den Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2001
mitteilen. Ich nutze diese Gelegenheit, um Ihnen einen
ganz zarten Hinweis zu geben, der auch mir gerade erst
gemacht wurde. Dies ist der letzte Haushalt in DM.Wen
ein Gefühl der Wehmut beschleichen will, dem sei es er-
laubt.

Ich komme zum Ergebnis. Abgegebene Stimmen 557.
Mit Ja haben gestimmt 322, mit Nein haben gestimmt
235, Enthaltungen keine. Der Gesetzentwurf ist damit an-
genommen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Präsident Wolfgang Thierse

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(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 550;
davon
ja: 315
nein: 235

Ja
SPD
Brigitte Adler

Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl

Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Dieter Dzewas

1) Seite 13510 C

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 200013508


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)


(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit

Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann (Bramsche)

Gerhard Neumann (Gotha)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Joachim Poß

Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner

Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Helmut Wieczorek

(Duisburg)


Heidemarie Wieczorek-Zeul
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Heidemarie Wright
Uta Zapf
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Gila Altmann (Aurich)

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13509


(C)



(D)



(A)



(B)


Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)


Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek)

Peter H. Carstensen

(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)

Gottfried Haschke

(Großhennersdorf )



(Rednitzhembach)


Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski

(Lüdenscheid)


Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven)

Erwin Marschewski

(Recklinghausen)



(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Ruprecht Polenz
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard (Dresden)

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Andreas Schmidt (Mülheim)

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Diethard Schütze (Berlin)

Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling

Wilhelm-Josef Sebastian
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz

Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun

(Augsburg)


Ernst Burgbacher
Ulrike Flach
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Dr. Günter Rexrodt
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir kommen jetzt zu zwei nicht namentlichen Abstim-
mungen. Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4804. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Ent-
schließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bünd-
nis 90/Die Grünen und der PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.

Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4809. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? –
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU, F.D.P. und PDS abgelehnt worden.

Wir kommen damit zum Entschließungsantrag der
Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4823. Die Fraktion
der F.D.P. verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? – Das ist
der Fall.

Ich eröffne die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die letzte na-

mentliche Abstimmung des heutigen Tages.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das
Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt ge-
geben.1)

Wir setzen die Abstimmungen fort. Entschließungsan-
trag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/4822. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt
dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Entschließungsan-
trag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt worden.

Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Druck-
sache 14/4858. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? – Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Der Ent-
schließungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen
die Stimmen der PDS abgelehnt worden.

Ich teile Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung zum Entschließungsantrag der F.D.P. auf
Drucksache 14/4779 mit. Abgegebene Stimmen 553. Mit
Ja haben gestimmt 208, mit Nein haben gestimmt 345.
Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag ist damit
abgelehnt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Präsident Wolfgang Thierse
13510


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 546;
davon
ja: 208
nein: 338

Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek)


(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund

Horst Günther (Duisburg)


(Großhennersdorf)



(Rednitzhembach)


Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger


(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski

(Lüdenscheid)


Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven)


(Recklinghausen)



(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Ruprecht Polenz

1) Seite 13514 C

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13511


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard (Dresden)

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Andreas Schmidt (Mülheim)

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von Schor-
lemer

Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Diethard Schütze (Berlin)

Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling

Wilhelm-Josef Sebastian
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz

(Augsburg)


Ernst Burgbacher
Ulrike Flach
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Dr. Günter Rexrodt
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle

Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy

Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)


(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Hans-Peter Kemper

Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann (Bramsche)

Gerhard Neumann (Gotha)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug

Damit sind wir am Ende der Abstimmungen zum Haus-
halt 2001. Das Ergebnis einer namentlichen Abstimmung
ist noch offen. Es wird später bekannt gegeben.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt V:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtli-
chen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeits-
entgelt (Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz)

– Drucksachen 14/4371, 14/4409 –

(Erste Beratung 127. Sitzung)


a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss)

– Drucksache 14/4743 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Franz Thönnes

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 14/4803 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner
Hans-Joachim Fuchtel
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Christa Luft

Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS
vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen-
tarischen Staatssekretär Gerd Andres das Wort.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Präsident Wolfgang Thierse
13512


(C)



(D)



(A)



(B)


Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer

Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Simone Violka
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier

Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Heidemarie Wieczorek-Zeul
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Gila Altmann (Aurich)

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei

Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1413806400
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem bemer-
kenswerten Zitat beginnen. Der Kollege Heinz Schemken
hat den Beitrag seiner Fraktion zur ersten Beratung des
vorliegenden Gesetzentwurfes Ende Oktober dieses Jah-
res mit folgenden Worten eingeleitet:

Wenn es so ist, dass die Frage der Verfassungswid-
rigkeit für Sie einen so hohen Stellenwert hat, frage
ich Sie ausdrücklich, warum Sie das Ganze nicht un-
mittelbar im Dezember 1998 geregelt haben ...

Deutlicher hat die CDU/CSU-Fraktion ihr offensicht-
lich gestörtes Verhältnis zu unserer Verfassung und den
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in Sa-
chen Einmalzahlungen bisher nicht zum Ausdruck ge-
bracht.

Ich will Ihnen, Herr Kollege Schemken, und Ihrer
Fraktion die Antwort nicht schuldig bleiben: Ja, die Ver-
fassung hat für uns einen so herausragenden Stellenwert!
Deshalb nehmen wir die Entscheidungen des Bundesver-
fassungsgerichts ernst und ziehen die erforderlichen poli-
tischen und fachlichen Konsequenzen daraus, auch wenn
es unsere Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung er-
heblich belastet und wenn es unsere Handlungsspiel-
räume zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit, die Sie uns
hinterlassen haben, einschränkt.

Dies steht ganz im Gegensatz zu den Tricksereien und
Taschenspielereien, mit denen Sie sich zur Zeit Ihrer Re-
gierungstätigkeit um Ihre Verantwortung gegenüber der
Verfassung und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern
gedrückt haben.

Ich will dies den Bürgerinnen und Bürgern in Deutsch-
land und Ihnen noch einmal in aller Klarheit vor Augen
führen: Am 11. Januar 1995 entschied das Bundesverfas-
sungsgericht, dass es mit dem Grundgesetz nicht zu ver-
einbaren ist, dass die Regierung Helmut Kohls über ein
Dutzend Jahre lang Beiträge auf Weihnachtsgelder, Ur-
laubsgelder und Sonderzahlungen einzieht, den Bei-
tragszahlern aber dann die kalte Schulter zeigt, wenn der
Notfall eintritt, für den sie ihre Versicherungsbeiträge ge-
zahlt haben. Und was tut die damalige Koalition? Sie kas-
siert zwei weitere Jahre in aller Ruhe ab und erlässt dann
ein neues Gesetz, das dieselbe verquere Rechtslage unter
neuen Paragraphennummern fortschreibt.


(Zuruf von der SPD: Unerhört! – Gegenruf von der CDU/CSU: Kurzes historisches Gedächtnis!)


Ich will ausdrücklich – ich war selbst dabei – auch
noch einmal an die Adressen des Kollegen Schemken und
anderer sagen: Wir haben schon damals in der Anhörung
gesagt, dass das, was neu geregelt werde, verfassungs-
widrig sei. Daraufhin ist uns mitgeteilt worden: Das kön-
nen wir ja erst einmal sehen. Wir machen es jetzt so und
dann geht es seinen Weg. Dann werden wir schon sehen,
was das Bundesverfassungsgericht dazu sagt.

Ich halte es für etwas zynisch, Herr Schemken, wenn
Sie uns dann vorwerfen, wir hätten die Folgen Ihrer ver-
fassungswidrigen Haltung unmittelbar nach der Regie-

rungsübernahme 1998 beseitigen sollen. Sie werfen uns in
Verkennung der Situation dann auch noch Versäumnisse
hinsichtlich verfassungswidriger Vorschriften vor. Dies
halte ich für ein tolldreistes Stück.


(Beifall bei der SPD)

Auf diese Unterstellung will ich eingehen: Wir haben

nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir es für verfas-
sungswidrig halten, Einmalzahlungen beim Arbeitslo-
sengeld und beim Krankengeld nicht zu berücksichti-
gen. Die jetzige Bundesministerin der Justiz, die Kollegin
Hertha Däubler-Gmelin, hat Ihnen das schon damals, als
wir noch in der Opposition waren, in aller Deutlichkeit ge-
sagt, als es um die Beratung Ihres Gesetzentwurfes im
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ging. Kon-
sequent hat die Bundesregierung dem Bundesverfas-
sungsgericht in ihrer Stellungnahme zu den dort laufen-
den Verfahren mitgeteilt, dass sie eine gesetzliche
Neuregelung vorschlagen wird.

Wahr ist aber auch, dass dieses Parlament in der ersten
Hälfte dieser Wahlperiode ein unglaubliches Arbeitspen-
sum geleistet hat und noch leistet, um all die Probleme zu
beseitigen, die über Jahre ungelöst Wirtschaft und Gesell-
schaft in Deutschland belastet haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Schritt für Schritt lösen wir den Reformstau auf, der
Deutschland national wie international zurückgeworfen
hat. Wir haben viele Projekte eingeleitet und zu einem
guten Teil auch bereits erfolgreich abgeschlossen. Wir
müssen uns nicht vorwerfen lassen, dass wir nicht alle
drängenden Probleme sofort lösen können, die sich in
16 Jahren zuvor aufgebaut haben.

Auch mit dem vorliegenden Vorhaben setzen wir unse-
ren Weg der Konsolidierung der Haushalte, der Bekämp-
fung der Arbeitslosigkeit und zu mehr Verteilungs-
gerechtigkeit fort. Ich bitte Sie ausdrücklich, diesem
Gesetzentwurf zuzustimmen. Mit dem In-Kraft-Treten
erhält, wer Beiträge zur Sozialversicherung für Weih-
nachtsgeld und Urlaubsgeld entrichtet, entsprechend
höhere Versicherungsleistungen aus der Arbeitslosenver-
sicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung.
Das heißt: mehr Gerechtigkeit für Empfänger von
Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Kran-
kengeld und Verletztengeld.

Das ist der F.D.P., meine Damen und Herren, schon
wieder zu viel an Gerechtigkeit. Wen wundert es? Der
Herr Abgeordnete Niebel – ich sehe ihn leider nicht –


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Er wird würdig vertreten!)


hat hier so locker, wie man nur dann sein kann, wenn man
keine Verantwortung trägt, verkündet, es sei die bessere
Lösung, auf die Beiträge für Einmalzahlungen zu ver-
zichten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: So ist es!)

Das klang, als Sie noch mitregieren durften, ganz anders.


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Bei Ihnen auch, als Sie noch in der Opposition waren!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13513


(C)



(D)



(A)



(B)


Die frühere Kollegin Gisela Babel hat das in der zweiten
und dritten Lesung Ihres damaligen Gesetzentwurfes am
18. Oktober 1996 sehr überzeugend vorgetragen:

Ein Herausnehmen der Einmalzahlungen aus den
Beiträgen führt zu Einnahmeausfällen in Höhe von
25 bis 30 Milliarden DM. Das ist gerade in jetziger
Zeit nicht auszugleichen.

Der Position von Frau Kollegin Babel von damals habe
ich heute überhaupt nichts hinzuzufügen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Leider – das ist sozialpolitisch natürlich bedauerlich –

können wir die Ungerechtigkeiten, die unsere Vorgänger
hinterlassen haben, nur begrenzt ausgleichen. Die nach
wie vor viel zu hohe Arbeitslosigkeit und die damit ver-
bundenen Kosten lassen es nicht zu, Leistungen für die
Vergangenheit über das verfassungsrechtlich gebotene
Maß hinaus nachzuzahlen.

Aber wir haben dafür gesorgt, dass vom Tage der Ver-
kündung der Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts an bei der Bundesanstalt für Arbeit alle laufenden
Leistungsfälle pauschal und damit unbürokratisch erhöht
wurden. Wir wollten den verfassungswidrigen Zustand
nicht beibehalten, bis dieses Gesetzgebungsverfahren
abgeschlossen wird.

Wir sind damit bei allen Beteiligten auf Wohlwollen
gestoßen. Ich bedanke mich dafür ausdrücklich bei der
Bundesanstalt für Arbeit, bei der Selbstverwaltung und
dem Präsidenten, und bei den Mitarbeitern der
Arbeitsverwaltung, die diese pauschale Regelung ganz
schnell technisch umgesetzt haben.

Rückwirkend hat uns das Bundesverfassungsgericht
aufgegeben, all jene Betroffenen zu berücksichtigen, de-
ren Leistungen noch nicht bestandskräftig beschieden wa-
ren. Selbstverständlich ist es unbefriedigend und be-
drückend, dass wir nicht auch allen anderen Arbeitslosen
rückwirkend ein höheres Arbeitslosengeld gewähren kön-
nen. Die Haushaltslage lässt eine solche Lösung aber
nicht zu. Wir müssten sonst zulasten der Arbeitslosen von
heute und morgen drastisch in die Instrumente der aktiven
Arbeitsmarktpolitik eingreifen, was wir nicht wollen.

Deswegen will ich hier noch einmal ausdrücklich sa-
gen: Das, was wir mit diesem Gesetzentwurf machen, ent-
spricht voll dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
und ist im Rahmen des verfassungsmäßig Machbaren
verantwortbar. Ich werbe ausdrücklich für die Lösung, die
wir mit diesem Gesetzentwurf eingebracht haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413806500
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, bevor ich den nächsten Redner aufrufe,
will ich das Ergebnis der letzten namentlichen Abstim-
mung mitteilen, der Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache
14/4823.

Abgegebene Stimmen 549, mit Ja haben gestimmt 51,
mit Nein haben gestimmt 498. Der Entschließungsantrag
ist damit abgelehnt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Parl. Staatssekretär Gerd Andres
13514


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 549;
davon
ja: 51
nein: 498

Ja
F.D.P.
Ina Albowitz

(Augsburg)


Ernst Burgbacher
Ulrike Flach
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr

Dr. Günter Rexrodt
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt

Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf

Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Klaus Brandner

Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13515


(C)



(D)



(A)



(B)


Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)


(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka

Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann (Bramsche)

Gerhard Neumann (Gotha)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann

Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Simone Violka
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner

Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Heidemarie Wieczorek-Zeul
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Gila Altmann (Aurich)

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin

Nun rufe ich den Kollegen Heinz Schemken, CDU/
CSU-Fraktion auf.


Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1413806600
Herr Präsident!
Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekre-
tär, wenn man einem anderen schon einen Fehler nach-
weisen kann und wenn Sie feststellen, dass Sie schon bei
der seinerzeitigen Anhörung anderer Meinung waren,
dann kann ich nicht verstehen, dass man zwei Jahre lang
regiert, ohne diesen Fehler zu korrigieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber es kommt noch schlimmer: Dass man dann das Er-
gebnis der erneuten Anhörung zu dem vorliegenden Ge-

setz ignoriert und jetzt etwas beschließt, was von vorn-
herein wieder darauf hinausläuft, für verfassungswidrig
erklärt zu werden, und auch Unsicherheiten und Wider-
sprüche auslöst, kann ich erst recht nicht verstehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


In der letzten Anhörung haben uns alle Beteiligten –
egal, ob es die Vertreter der Gewerkschaften, der Sozial-
versicherungsträger, der Wirtschaft oder des Handwerks
waren – eindeutig darauf hingewiesen, dass das, was Sie
beschlossen haben, eine Ungleichbehandlung darstellt
und dass dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht ge-
klagt werden wird.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Präsident Wolfgang Thierse
13516


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek)


(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust

Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)


(Großhennersdorf )



(Rednitzhembach)


Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors

Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski

(Lüdenscheid)


Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven)


(Recklinghausen)



(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Ruprecht Polenz
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard (Dresden)

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr

Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Andreas Schmidt (Mülheim)

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von Schor-
lemer

Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Diethard Schütze (Berlin)

Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling

Wilhelm-Josef Sebastian
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller

Das Senken der Bemessungsgrundlage für die
Beiträge der Arbeitslosenhilfeempfänger reißt ein
weiteres Loch in die Kassen der ohnehin schon gebeutel-
ten Krankenversicherungen. Das gilt im Übrigen auch für
die Pflegeversicherung. Hier entsteht ein Loch von
400 Millionen DM. Dadurch werden die Rücklagen der
Pflegeversicherung belastet und zu einer fragwürdigen
Größe, und das, obwohl es dringend notwendig ist, die
Pflege insbesondere um Leistungen für Demenzkranke zu
ergänzen. Warum erwähne ich das? Ich erwähne das, weil
Sie den eigentlich wichtigen Fragen, die mit dieser eher
unbedeutenden Gesetzesinitiative zusammenhängen, we-
nig Beachtung geschenkt haben. Mit diesen möchte ich
mich jetzt beschäftigen.

Zur Finanzierung der durch längerfristige Arbeitslo-
sigkeit entstehenden Kosten in der Arbeitslosenversiche-
rung, für die eigentlich der Bund verantwortlich ist, wer-
den – das ist unsolide – die durch die Neuregelung der
geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erzielten zu-
sätzlichen Einnahmen verwendet.

Ü
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413806700
Der Bundesfinanzminister hat
soeben davon gesprochen, dass 1998, 1999 und 2000 ins-
gesamt 1 Million neuer Arbeitsplätze entstanden seien.
Man muss gerechterweise hinzufügen, dass ein Teil die-
ser neuen Arbeitsplätze, etwa 400 000, 1998, also
während der Zeit der Vorgängerregierung, geschaffen
worden sind.

Zurück zu den Krankenkassen:Nach den Berechnun-
gen der Krankenkassen reichen die Mehreinnahmen in
Höhe von 1,2 Millionen DM, die sie aufgrund der Um-
schichtung zulasten der Arbeitslosenversicherung haben,
nicht einmal annähernd aus, um dem Desaster in der
Krankenversicherung entgegenzuwirken. Angesichts der
Tatsache, dass die Krankenkassen 1999 nur knappe Über-
schüsse aufweisen konnten, müssen weitere Belastungen
der Krankenkassen automatisch zu Beitragssatzerhöhun-
gen führen, die unvermeidlich sein werden. Dies zeigt die
defizitäre Bilanz für das Jahr 2000 schon jetzt.

Die ungerechte Behandlung bei den rückwirkenden
Zahlungen des Krankengeldes widerspricht jeglichem
Vertrauensschutz. Die Spitzenverbände der Sozialver-
sicherungsträger hatten in der Vergangenheit deutlich ge-
macht, dass ein Widerspruch gegen Krankengeldbe-
scheide zur Wahrung etwaiger Ansprüche aufgrund der
Verfassungsbeschwerde nicht notwendig ist. Öffentlich
wurde von den Krankenkassen verkündet, die Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Bei-
tragserhebung für das Krankengeld auf gleichgelagerte
Sachverhalte anzuwenden. Auf diesen Beschluss haben
sowohl die Sozialversicherungsträger als auch das Bun-
desarbeitsministerium – Herr Staatssekretär Andres, da-
ran möchte ich Sie erinnern – die Versicherten immer
wieder hingewiesen. Darauf haben sich die Versicherten
verlassen. Nun wird das Vertrauen erschüttert und das
Wort erneut gebrochen.

Zudem wird mit der geplanten Änderung des § 44
SGB X ein grundlegender Pfeiler unserer sozialversiche-
rungsrechtlichen Rechtsordnung zerstört. Nach der Kern-
aussage dieser Vorschrift sind die Interessen der Bürger

gegenüber der Bestandskraft von Verwaltungsakten vor-
rangig.

Abzulehnen sind auch die Regelungen – wir alle haben
noch die glanzvollen Ausführungen der Koalitionsfrak-
tionen anlässlich der gerade erfolgten Verabschiedung des
Haushalts vor Augen –, mit denen ab dem Jahr 2001 die
Kosten vom Bund auf die Bundesanstalt für Arbeit verla-
gert werden.

Es gibt keine sachliche Begründung dafür, dass die
Finanzierungsgrundlage für die Strukturanpassungs-
maßnahmen geändert werden soll. Die finanzielle Betei-
ligung des Bundes war und ist unserer Meinung nach
insbesondere dadurch begründet, dass diese Maßnahmen
die Arbeitslosenhilfeempfänger einbeziehen. Deshalb
muss das sich daraus ergebende Risiko im Bundes-
haushalt durch allgemeine Steuern abgedeckt werden.
Daran vermag auch die beabsichtigte Änderung des § 274
des SGB III, die Sie hiermit umsetzen wollen, wonach
künftig Arbeitslosenhilfeempfänger nur noch in angemes-
senem Umfang einbezogen werden sollen, nichts zu än-
dern. Es wäre sachlich und politisch nicht zu rechtferti-
gen, Arbeitslosenhilfeempfängern den Zugang zu
Strukturanpassungsmaßnahmen mit der Begründung zu
verschließen, dass sich der Bund nicht mehr an der Fi-
nanzierung beteiligt. Vielmehr ist es so, dass er sich sei-
ner Verantwortung für diese Finanzierung entzieht.

Ebenfalls nicht gerechtfertigt ist die Übertragung der
finanziellen Lasten – das darf ich auch noch einmal fest-
stellen – für das Langzeitarbeitslosenprogramm auf die
Bundesanstalt für Arbeit und damit auf die Beitragszahler.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ein ständiges Hin und Her!)


Bei dieser Maßnahme handelt es sich nämlich – da müss-
ten Sie sich eigentlich ans Portepee fassen lassen – um ein
Bundesprogrammm. Die Erfolge des Sonderprogramms
zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit rechnen Sie
sich selbstbewusst und lauthals zu; von daher dürfen auch
die Kosten für dieses von Ihnen aufgelegte Programm
nicht auf die Beitragszahler abgewälzt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Nachholen von Schulabschlüssen oder anderen Ab-
schlüssen zu ermöglichen ist eine allgemeine staatliche
Aufgabe; zu deren Finanzierung können nicht die Bei-
tragszahler verpflichtet werden. Hiermit wird zugleich
auch Ihre Aussage aufgekündigt, ein Programm für die
jungen Menschen aufzulegen; jetzt geht es nämlich in eine
völlig andere Richtung. Dieses Sonderprogramm – da ste-
hen Sie im Wort – ist durch Steuern zu finanzieren.

Ich weise auf weitere Sanierungstricks auf Kosten der
betroffenen Beitragszahler hin: 1,7 Milliarden DM macht
das bei Strukturanpassungsmaßnahmen aus, 750 Milli-
onen DM beim Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose,
400 Millionen DM bei der Absenkung des Pflichtver-
sicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfebezieher,


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

1,2 Milliarden DM bei der Absenkung des Kranken-
versicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfebezieher,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Heinz Schemken

13517


(C)



(D)



(A)



(B)


535 Millionen DM bei der Absenkung des Renten-
versicherungsbeitrages für Wehr- und Zivildienstleis-
tende und 4,1 Milliarden DM bei der Absenkung des
Rentenversicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfe-
empfänger,


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Da wird ein ganzer Zug verschoben!)


und zwar zum Schaden von Leuten, die eh schon in Zu-
kunft nur eine geringe Rente bekommen. Arbeitnehmer
und Arbeitgeber sollen nun auch noch das JUMP-Pro-
gramm mit 1,4 Milliarden DM finanzieren.

Die Abgabe der Verantwortung für diese finanziellen
Lasten zugunsten des Bundeshaushalts an andere – auf
diese Weise kann man gut aus anderer Leute Leder
Riemen schneiden – tragen wir nicht mit. Die
Sozialversicherungssysteme sind durch diese Mehrbelas-
tung in Höhe von rund 10 Milliarden DM in gravierender
Weise betroffen, weil dieses Geld dann in der Tat die
Beitragszahler aufzubringen haben.

Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler – das
sollten wir uns auch einmal ehrlich und offen eingestehen
und es den Bürgern draußen mitteilen –, die zu Zeiten ho-
her Arbeitslosigkeit zwangsläufig höhere Beiträge zu zah-
len hat, sollte eigentlich darauf vertrauen können


(Zuruf des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU])


– das sage ich hier ausdrücklich, lieber Karl-Josef
Laumann –, dass der Staat so gerecht handelt, dass die
Beiträge dann gesenkt werden, wenn sich die Situation
auf dem Arbeitsmarkt, wie es jetzt der Fall ist, entspannt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413806800
Kollege Schemken,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Laumann?


Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1413806900
Bitte schön, Herr
Laumann.


(Widerspruch bei der SPD)


Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Herr Kollege
Schemken, Sie haben eben sehr eindrucksvoll dargestellt,
welche Lasten zugunsten des Bundeshaushalts den Sozi-
alversicherungen aufgebürdet werden sollen.


(Zuruf von der SPD: Was hat das mit dem Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz zu tun?)


Können Sie mir denn auch bestätigen, dass die Absen-
kung der Zahlungen für die Bezieher von Arbeitslosen-
hilfe in die Rentenversicherung für einen Arbeitslosen
bedeutet, dass er im Jahr statt eines Rentenanspruchs von
39 DM Rente nur noch einen Anspruch von 15 DM er-
wirbt und dass man durch die Verschiebung bei den Zi-
vildienstleistenden dafür sorgt, dass ein Zivildienstleis-
tender demnächst dann, wenn er Rentner ist, 100 DM
weniger Rente hat, weil der Staat die Rentenversiche-
rungsbeiträge für Zivildienstleistende gekürzt hat? Wie
beurteilen Sie als sozialpolitisch erfahrener Mann eigent-

lich eine solche Tat gerade gegenüber den jungen Leuten,
die einen schweren Dienst in Altenheimen verrichten?


(Beifall bei der CDU/CSU)



Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1413807000
Herr Kollege
Laumann, ich hatte soeben schon darauf hingewiesen: Die
Wirkung dieses Eingriffs in eine bisher gesetzlich festge-
legte Regelung trifft natürlich den, der ohnehin nur mit ei-
ner geringen Rente zu rechnen hat und im Grunde am
Rande des Existenzminimums liegt. Aber eigentlich hät-
ten wir beide das auch außerhalb besprechen können,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


weil es natürlich, meine Damen und Herren von der Ko-
alition, im Kontext Ihrer Rentenphilosophie und Ihrer
Rentenpolitik liegt, für immer mehr Menschen immer
weniger Rente zu sichern. Das ist der Gesichtspunkt, der
uns in den nächsten drei Monaten auch noch beschäftigen
wird.

Ich kann Ihnen dies also nur voll bestätigen, es ist so,
und wir werden dies für unseren Teil auch nicht zulassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe bereits auf den Zusammenhang hingewiesen,

dass wir dann, wenn die Arbeitslosigkeit zurückgeht, ein
Nachdenken über die Senkung von Beiträgen erwarten,
nicht aber die Finanzierung von Fremdleistungen. Im
Hinblick auf die Bewertung der Fremdleistungen haben
Sie in den vergangenen zehn Jahren immer kritisiert, ins-
besondere seit der Wiedervereinigung, dass Fremdleis-
tungen nicht in die Sozialversicherungssysteme hinein-
passen. Sie buckeln hier um und packen das auf die
Schultern der Beitragszahler.

Wir sind der Meinung, Beiträge müssen gesenkt wer-
den. Das schafft Spielräume in den Betrieben, das schafft
Spielräume für Investitionen, und Investitionen bringen
Arbeitsplätze.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen, auch

bei den Haushaltsberatungen, haben entsprechende An-
träge gestellt, aber auch auf diesem Hintergrund und weil
Sie in diesem Gesetz die Bundesanstalt für Arbeit mit
2,34 Milliarden DM mehr belasten, sehen wir keine Mög-
lichkeit, diesem Gesetz zuzustimmen. Sie waren nicht be-
reit, unseren Empfehlungen zu folgen, und deshalb lehnen
wir dieses unsoziale Gesetz ab.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Andrea Nahles [SPD]: Was ist denn daran unsozial? Das ist ja wirklich unverschämt!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413807100
Ich erteile der Kolle-
gin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Heinz Schemken
13518


(C)



(D)



(A)



(B)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gen! Lassen Sie mich vielleicht doch noch einmal kurz auf
das Gesetz eingehen, über das wir hier zu beraten haben.
Ich hoffe, dass aus meiner Fraktion keine Zwischenfragen
gestellt werden.


(Zuruf von der SPD: Zumindest sind vorab keine bestellt!)


Lieber Herr Schemken, was Sie gerade als Begründung
dafür, dass Sie diesem Gesetz nicht zustimmen werden,
gesagt haben, wundert mich dann doch, weil es ja um et-
was geht, was wir in unserer Regierungsverantwortung
jetzt heilen, obwohl schon in Ihrer Regierungszeit vor-
auszusehen gewesen war, dass es eindeutig verfassungs-
widrig war.

Möglicherweise kann man noch anderer Meinung da-
rüber sein, wie man das heilen soll. Die F.D.P. hat ja dazu
auch einen entsprechenden Vorschlag gemacht, auf den
Herr Andres eingegangen ist. Ich will dem noch ein ande-
res Argument hinzufügen.

Wenn man auf die Beiträge verzichtet hätte, dann
wären das nicht nur Einnahmeverluste gewesen, von de-
nen ich finde, dass wir sie uns nicht leisten können, weil
den Leistungen natürlich auch Beiträge gegenüberstehen
müssen. Es hätte auch dazu geführt, dass selbstverständ-
lich bestimmte Lohnzahlungen auf Weihnachtsgeld und
Urlaubsgeld verschoben worden wären, um eben auch
auf Arbeitgeberseite Sozialbeiträge zu sparen. Ich
glaube, das kann nicht der Sinn eines solchen Gesetzes
sein.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Zu den 400 000 Arbeitsplätzen, von denen Sie gespro-
chen haben und die im Jahr 1998 geschaffen worden
seien, würde ich Sie gern an etwas erinnern, worauf ich
mich als Ostdeutsche gut besinnen kann: Dabei hat es sich
im Wesentlichen um Wahl-ABM gehandelt und nicht um
echte arbeitsmarktpolitische Erfolge.

Damit bin ich auch bei einem anderen Punkt, den die-
ser Gesetzentwurf enthält, nämlich bei den arbeitsmarkt-
politischen Maßnahmen, die wir fortsetzen, weil wir sie
sinnvoll finden. Das gilt beispielsweise für Strukturan-
passungsmaßnahmen, die ja dazu führen, dass das häu-
fig benutzte Karussell von Arbeitsbeschaffungsmaßnah-
men – jemand kommt in eine solche Maßnahme, arbeitet
sich ein, und wenn er es dann kann, muss er schon wieder
aufhören – durchbrochen wird. Ich finde diese Maßnahme
sinnvoll. Deswegen sollte sie auch fortgesetzt werden.

Ebenso sinnvoll finde ich, dass wir bei den Zuschüssen
für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dafür sorgen,
dass auch Träger, die keine oder nur eine sehr geringe Fi-
nanzkraft aufweisen, solche Maßnahmen anbieten kön-
nen. Das gilt insbesondere für die Wohlfahrtsverbände,
für kleine Vereine im Umweltbereich oder auch für Kir-
chengemeinden. Diese sinnvollen Regelungen, die Sie
angeregt haben, werden wir fortsetzen.

Der eigentliche Erfolg unserer Politik ist auf dem ers-
ten Arbeitsmarkt zu finden. Darüber haben Sie leider nur

wenig gesagt. Das gilt besonders für die Beitragsbelas-
tung, die wir senken. Inzwischen zeigt sich auch, wie wir
gestern gehört haben, in Ostdeutschland ein Erfolg auf
dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist der entscheidende
Punkt.

Sie haben gesagt, wir hätten die Anhörung nicht ernst
genommen. Sie wissen aber, dass auch von der Koalition
Änderungsanträge gestellt wurden, gerade weil wir das,
was auf der Anhörung gesagt wurde, ernst genommen ha-
ben. Ich erwähne beispielsweise die Erörterung der Frage,
ob die Einmalzahlungen rückwirkend auf individueller
oder auf pauschaler Basis berücksichtigt werden. Wir ha-
ben uns nach der Anhörung und nach den Versicherungen
der Kassen, der bürokratische Aufwand sei nicht so hoch,
dafür entschieden, eine individuelle Regelung zu treffen.
Im Gesetzentwurf war ursprünglich eine pauschale Rege-
lung vorgesehen, weil wir befürchtet hatten, dass sonst ein
extrem hoher bürokratischer Aufwand droht.

Ich glaube, die Regelung auf individueller Basis ist der
richtige Weg, weil wir damit Ungerechtigkeiten – auch
Überzahlungen – vermeiden und auf diese Weise dafür
sorgen, dass die Menschen das bekommen, was ihnen zu-
steht. Diese Regelung ist vertretbar; denn die Spitzenver-
bände der Kassen haben uns gesagt, der bürokratische
Aufwand sei nicht so hoch, wie wir ursprünglich ange-
nommen haben. Sie können also sicher sein, dass wir das,
was in der Anhörung gesagt wurde, sehr ernsthaft ausge-
wertet haben.

Wir haben das umgesetzt, was uns – eigentlich müsste
man sagen: Ihnen – durch das Bundesverfassungsge-
richtsurteil vorgegeben wurde. Sie sollten in Zukunft bei
Ihren Stellungnahmen zu Urteilen des Bundesver-
fassungsgerichts berücksichtigen, dass wir bei der Um-
setzung von Urteilen den Grundsatz beachten müssen,
dass nicht neue Ungerechtigkeiten entstehen. Das ge-
währleisten wir mit diesem Gesetz. Ich bitte Sie um Ihre
Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413807200
Nun hat der Kollege
Heinrich Kolb, F.D.P.-Fraktion, das Wort.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1413807300
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst an
Herrn Staatssekretär Andres wenden, der wie so viele
Kollegen aus der rot-grünen Koalition jede Rede damit
beginnt, es sei alles so furchtbar schrecklich, was er von
uns übernommen hat.


(Erika Lotz [SPD]: 1,5 Billionen DM Schulden!)


Herr Kollege Andres, Sie müssen sich schon entscheiden,
ob Sie regieren wollen oder nicht.


(Lachen bei der SPD – Franz Thönnes [SPD]: Das haben wir schon lange entschieden, Herr Kollege! Für die kommenden vier Jahre auch!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13519


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich habe gestern schon einmal gesagt: Eine Erbschaft um-
fasst Soll und Haben; das eine gehört dazu wie das andere.
Über die 100Milliarden DM aus dem Verkauf der UMTS-
Lizenzen haben Sie sich ja auch nicht beschwert. Wenn
Sie nicht regieren können, dann sagen Sie es dem Volk.
Wir stehen bereit, die Regierung von Ihnen wieder zu
übernehmen.


(Beifall bei der F.D.P. – Lachen bei der SPD – Andrea Nahles [SPD]: Da kriegen wir aber Angst! – Weiterer Zuruf von der SPD: Mit diesem Schreck sollen wir ins Wochenende gehen?)


Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber
die Wahl gelassen, entweder die Einmalzahlungen, auf die
Beiträge erhoben wurden, bei der Gewährung von Leis-
tungen zu berücksichtigen oder aber die Einmalzahlungen
von Sozialversicherungsbeiträgen freizustellen. Das
Letztere hätte zwar die Wirkung, dass die Einnahmen der
Sozialkassen geringer sind.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das interessiert Sie ja auch nicht!)


Dafür aber – das ist aus unserer Sicht ein ganz entschei-
dender Punkt, Frau Dückert – hätten die Arbeitgeber ge-
ringere Lohnzusatzkosten und die Arbeitnehmer netto
mehr Geld in der Tasche als bisher.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diesen Schritt machen wir doch im Gegensatz zu Ihnen! Wir senken doch die Sozialbeiträge!)


Keiner würde auch nur einen Pfennig weniger an Leistung
bekommen als bisher. Auch hätte die Arbeitslosenversi-
cherung keine einzige Leistung einschränken müssen.
Aus unserer Sicht wäre dies die sachgerechtere Lösung
gewesen. Wir bedauern sehr, dass Sie sich mit dem vor-
gelegten Gesetzentwurf nicht für diese Lösung, sondern
für den anderen Weg entschieden haben.

Ich kann Ihnen nicht zustimmen, wenn Sie behaupten,
Ihre Lösung sei günstiger als die andere. Im Gegenteil:
Dass die andere Lösung nicht sinnvoll ist, ist von Ihnen
nie geprüft oder rechnerisch nachgewiesen worden.

Jetzt liegt Ihr Gesetzentwurf zur Neuregelung auf
dem Tisch. Man muss sich schon fragen, warum nur die-
jenigen rückwirkend in den Genuss der Leistungsaus-
weitung kommen sollen, die gegen ihre Bescheide Wi-
derspruch eingelegt haben. Viele Bürger haben sich auf
die Informationen der Krankenkassen oder ihrer Ge-
werkschaftsvertreter verlassen, dass letztlich für alle ge-
sorgt sein wird. Jetzt aber sollen diejenigen, deren Be-
scheid schon bestandskräftig ist, leer ausgehen.

Man kann nun mit dem Kollegen Schemken darüber
streiten, ob das verfassungswidrig ist oder nicht. Aber ei-
nes ist klar: Es ist auf jeden Fall ungerecht, dass Beziehern
von Kranken-, Verletzten- oder Übergangsgeld, die dafür
Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben, keine Nach-
zahlungen gewährt werden. Das heißt, die Bürger in die-
sem Lande kommen nicht auf ihre Kosten, sondern blei-
ben auf ihren Kosten sitzen. Das ist alles andere als sozial
gerecht. Hier werden mal wieder nach altem Muster fi-

nanzielle Lasten vom Bundeshaushalt auf die Beitrags-
zahler abgewälzt. Dies werden wir nicht mitmachen.

Im Übrigen ist alles Mögliche in diesen Gesetzentwurf
hineingestopft worden. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
werden trotz ihrer Ineffektivität beibehalten. Dafür soll
der steuerfinanzierte Anteil für diverse arbeitsmarktpoli-
tische Maßnahmen, zum Beispiel für Strukturanpassungs-
maßnahmen, wegfallen. Das heißt, diese Programme wer-
den ebenso wie die Kosten für die Fortsetzung des
Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit
und für das Langzeitarbeitsprogramm in den Haushalt der
Bundesanstalt für Arbeit verschoben, und zwar zulasten
der Beitragszahler und zum Preis höherer Lohnnebenko-
sten. Abgesehen davon wird diesem Hohen Hause da-
durch die Kontrolle über diese Mittel entzogen. Auch da-
mit sind wir in keinem Falle einverstanden.

Sie geben mit diesem Gesetz das falsche Signal. Es gibt
keinen Anreiz für mehr Beschäftigung. Im Gegenteil:
Durch zusätzliche Belastungen werden jegliche Anreize
im Keim erstickt. Sie nähern die Transferleistungen den
Arbeitseinkommen wieder einmal weiter an. Deswegen
ist dieser Gesetzentwurf beschäftigungsfeindlich und
gehört in den Papierkorb.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413807400
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich dem Kollegen Gerd Andres das Wort.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1413807500
Ich möchte nur eine
kurze Antwort auf die Bemerkung von Herrn Kolb geben,
dass wir uns entscheiden müssten, ob wir regieren wollen
oder nicht. Ich kann Ihnen frohen Herzens sagen, dass ich
gerne regiere. Das ändert aber überhaupt nichts an der Tat-
sache, dass wir viel Müll wegräumen müssen, den Sie uns
hinterlassen haben.

Ich möchte es wiederholen: Als Sie damals noch in der
Koalition waren, haben Sie von den Menschen jahrelang
Beiträge gefordert, ohne ihnen eine entsprechende Leis-
tung zu gewähren. Das ist verfassungswidrig – das hat das
Bundesverfassungsgericht bestätigt – und das beenden
wir mit diesem Gesetz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413807600
Kollege Kolb, Sie
können erwidern.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1413807700
Mit Blick auf die Zeit
nur wenige Sätze: Sie reden bei jeder Gelegenheit davon,
dass Sie die Lohnnebenkosten senken wollen. Hier hätten
Sie die Gelegenheit gehabt, die Beitragszahler zu entlas-
ten. Diese Chance haben Sie nicht genutzt. Deswegen ha-
ben Sie hier zu Recht Schelte und Prügel bezogen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Heinrich L. Kolb
13520


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413807800
Ich erteile der Kolle-
gin Pia Maier, PDS-Fraktion, das Wort.


Pia Maier (PDS):
Rede ID: ID1413807900
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der Disput zwischen Herrn Kolb und Herrn
Andres hat mir noch einmal deutlich gemacht, warum mir
eine rot-grüne Bundesregierung doch ein wenig lieber ist
als die letzte. Herr Andres hat zumindest gesagt, dass es
ihm Leid tut, dass er nicht alles so regeln kann, wie er es
gerne möchte, weil es zu viel Geld kostet; dazu werde ich
Ihnen natürlich auch noch einen Vorwurf machen. Herrn
Kolb hingegen geht das, was jetzt geregelt worden ist, im-
mer noch nicht weit genug.

Es ist immerhin ein Fortschritt in der Beratung des Ein-
malzahlungs-Neuregelungsgesetzes, dass jetzt auch die
CDU/CSU und die F.D.P. verstanden haben, was verfas-
sungsgemäß ist und was nicht. Ich denke, damit haben
Sie, werte Bundesregierung, zumindest einen Bildungs-
auftrag erfüllt. Dafür herzlichen Dank.


(Beifall bei der PDS)

Herr Andres hat durchaus bedauert, dass die Altfälle

nicht besser geregelt werden können. Ich fürchte, dass die
Betroffenen selber für eine entsprechende Regelung sor-
gen werden. Sie haben natürlich das Recht, dagegen zu
klagen und das Ganze noch einmal vor das Bundesver-
fassungsgericht zu bringen. So kann auch für diejenigen
eine ordentliche Lösung herbeigeführt werden, denen die
Spitzenverbände gesagt haben: Ihr braucht nicht zu kla-
gen, der Gesetzgeber wird das regeln. Es gibt einen Vor-
behalt, der die Betroffenen schützt. Ich fürchte, Sie wer-
den nicht darum herumkommen, die Fälle noch einmal
aufzurollen und dies im Sinne der Betroffenen zu regeln.


(Beifall bei der PDS)

Der zentrale Punkt meiner Kritik an dem Gesetzes-

paket ist aber, dass Sie die Arbeitslosenhilfeempfängerin-
nen und -empfänger von der Neuregelung explizit aus-
nehmen. Arbeitslosenhilfe wird von Ihnen richtigerweise
als Sozialleistung definiert, bei der Berrechnung der Ar-
beitslosenhilfe aber werden, Einmalzahlungen nicht
berücksichtigt, weil – das steht in der Begründung zum
Gesetzentwurf – kein Anreiz dafür geschaffen werden
soll, in der Arbeitslosenhilfe zu bleiben. Dadurch entsteht
natürlich für die Betroffenen die Situation, dass beim Be-
zug von Arbeitslosengeld die Einmalzahlungen berück-
sichtigt werden, während sich nach dem Abstieg in die Ar-
beitslosenhilfe die Bemessungsgrundlage ändert. Ein
solches Vorgehen widerspricht dem gesunden Menschen-
verstand und jeglichem Gerechtigkeitsempfinden.


(Doris Barnett [SPD]: Nein! Das sind unterschiedliche Finanzierungsformen!)


– Frau Barnett, Sie widersprechen mir. Ich habe den Ge-
setzentwurf aber gelesen und ihn so verstanden; mir ist im
Ausschuss auch nicht widersprochen worden. Auch in den
Anhörungen ist deutlich geworden, dass Sie die Arbeitslo-
senhilfeempfängerinnen und -empfänger deutlich anders
behandeln.


(Doris Barnett [SPD]: Es wird anders finanziert!)


– Ja, es wird anders finanziert, aber das ändert nichts an
der Tatsache, dass eine solche Ungleichbehandlung für
den Betroffenen nicht nachvollziehbar ist.


(Doris Barnett [SPD]: Das eine sind Beiträge, das andere sind Steuern! Das ist doch ein himmelweiter Unterschied!)


– Es gibt nicht nur die Beitragsgerechtigkeit, sondern
auch ein natürliches Gerechtigkeitsempfinden. Ich finde,
Sie hätten in diesem Punkt etwas großzügiger sein kön-
nen.


(Beifall bei der PDS)

Zum Abschluss: Es ist gut, dass Sie die Dauer der ar-

beitsmarktpolitischen Maßnahmen, die mit diesem Ge-
setz verbunden sind, verlängern. Es ist aber schade, dass
Sie die Finanzierung von Maßnahmen, die eigentlich in
der Verantwortung aller Menschen stehen, auf die Schul-
tern der Beitragszahler verlagern. Das wäre nicht not-
wendig gewesen. Die Bundesanstalt für Arbeit könnte die
Mittel aus den Beiträgen auch für andere arbeitsmarktpo-
litische Maßnahmen sinnvoll einsetzen. Sie haben aber
mit dem vorliegenden Haushalt bereits vollendete Tatsa-
chen geschaffen.

Danke.

(Beifall bei der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413808000
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Franz Thönnes, SPD-Fraktion.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1413808100
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Mit der Verabschiedung des Ein-
malzahlungs-Neuregelungsgesetzes werden wir mehr Bei-
tragsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit und Verfas-
sungsgerechtigkeit herstellen.


(Beifall der Abg. Andrea Nahles [SPD])


Die Arbeitslosen- und die Krankengeldbezieher erhal-
ten endlich die Ihnen im Verhältnis zu ihren Beiträgen zu-
stehenden Lohnersatzleistung. Die soziale Ungerechtig-
keit der alten Bundesregierung wird korrigiert; es lag ein
zweimaliger Verstoß gegen das Verfassungsrecht vor. Das
Bundesverfassungsgericht – wir haben es gehört – hat
am 21. Juni 2000 und bereits 1995 entschieden, dass die
von Ihnen verabschiedeten Regelungen verfassungswid-
rig sind. Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts ist
eindeutig:

Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Einschät-
zung der künftigen Entwicklung bei den Lohnersatz-
leistungen waren schon zum Zeitpunkt der Gesetzes-
beratungen keine hinreichenden Anhaltspunkte
vorhanden.

Unsere Koalition macht jetzt mit der verfassungswidrigen
Benachteiligung von Arbeitslosen und Kranken Schluss.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Die Experten in der Anhörung haben es anders gesehen!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000 13521


(C)



(D)



(A)



(B)


Damit wird auch eine weitere sozial ungerechte Hinter-
lassenschaft der alten Regierung beseitigt.

Die Bundesregierung hat unverzüglich nach der Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts gehandelt. Be-
reits seit Juli dieses Jahres ist durch eine unbürokratische
Pauschalregelung das Arbeitslosen- und Unterhaltsgeld
angehoben worden. Zudem gibt es eine Pauschalzahlung
in Höhe von 10 Prozent für die Alt- und Übergangsfälle.
Ab dem 1. Januar 2001 wird es eine individuelle Berech-
nung geben. Damit ist klar geregelt: Einmalzahlungen
wie Weihnachts- und Urlaubsgeld werden sich leistungs-
erhöhend auf die Lohnersatzleistungen auswirken. Das
gilt für das Arbeitslosengeld, das Unterhaltsgeld, das
Krankengeld, das Übergangsgeld und das Verletztengeld.
Dadurch steigen die Lohnersatzleistungen um circa 8 Pro-
zent. Das ist eine Stärkung des Versicherungsprinzips.
Beitragsgerechtigkeit und Verfassungsgerechtigkeit wer-
den hier wieder hergestellt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Tun Sie nicht so, als hätten wir die Äußerungen in der
Anhörung überhört. Wir haben den Vertretern der Kran-
kenkassen sehr gut zugehört. Wir sind auf ihre Anre-
gungen eingegangen. Wir haben zur Kenntnis genommen,
dass eine individuelle Berechnung nach hinten sehr viel
leichter für sie möglich ist. Wir haben geregelt, dass die
nicht bestandskräftigen Altfälle einbezogen werden. Wir
haben von der Pauschalregelung Abstand genommen.

Sich nun hierhin zu stellen und zu sagen, wir sollten die
Beiträge senken, ist etwas verlogen. Der Bundesanstalt
für Arbeit entstehen bereits im Jahr 2000 Mehrkosten von
2,4 Milliarden DM. Im Jahr 2001 werden die Mehrkosten
bei 3,7 Milliarden DM liegen und in den Folgejahren bei
3 Milliarden DM. Würde man rückwirkend alle An-
sprüche befriedigen, wären 18 Milliarden DM aufzuwen-
den. Hätten Sie nicht diese Fehler gemacht, hätte Sie nicht
gegen die Verfassung verstoßen, gäbe es Spielraum, die
Beitragssätze um 0,25 Prozent zu senken. Wir müssen
jetzt Ihre Lasten abtragen. Deswegen ist es unverschämt,
wenn Sie sich heute hierhin stellen und sagen, wir müss-
ten die Beiträge senken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Abschließend will ich auf die beschäftigungsför-
dernde Komponente hinweisen, die mit dieser gesetzli-
chen Regelung verbunden ist. Wir haben die Situation,
dass im Rahmen der Strukturanpassungsmaßnahmen nur
bis zum 31. Dezember 2002 eine Förderung mit Lohnkos-
tenzuschüssen möglich ist. Mit der Verlängerung dieser
Regelung bis zum Jahr 2006 schaffen wir die Möglich-
keit, eine verlässliche und verstetigte Arbeitsmarktpolitik
für die Länder, die Kommunen und die Träger der Be-
schäftigungsmaßnahmen herzustellen. In den neuen Län-
dern wird sich diese Regelung positiv auswirken. Allein
dort haben bereits im September gut 90 000 Menschen in
dieser Beschäftigungsform gearbeitet.

Das Gleiche gilt für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Auch diese Regelungen verlängern wir, und zwar bis zum
31. Dezember 2002. Damit tragen wir dazu bei, dass auch
weiterhin ein Lohnkostenzuschuss bis zu 100 Prozent des
Arbeitsentgeltes gewährt werden kann.

Ebenso wichtig ist die gleichzeitige Verlängerung der
Regelung des Anspruchs auf Struktur-Kurzarbeitergeld in
Verbindung mit Qualifizierungs- und Weiterbildungs-
maßnahmen. Arbeitslosigkeit und Weiterbildung werden
hier sinnvoll miteinander verbunden. Dies dient der Be-
schäftigungssicherung und dazu, dass Menschen wieder
in den Arbeitsmarkt kommen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich an die Bemerkung
von Frau Maier erinnern. Frau Maier, die Arbeitslosen-
hilfe ist steuerfinanziert;


(Pia Maier [PDS]: Das brauchen Sie mir nicht zu sagen!)


Da es keine „13. Beitragsleistung“ gibt, ist es falsch, hier
zu fordern, es müsse eine Gegenleistung geben.

Ich fasse zusammen: Wir schaffen Beitrags- und Ver-
fassungsgerechtigkeit. Wir schaffen Verlässlichkeit und
Planbarkeit in der Arbeitsmarktpolitik. In Richtung F.D.P.
sage ich: Wir stärken das Vertrauen in die bewährten so-
zialen Sicherungssysteme in Deutschland.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413808200
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Einmalzahlungs-
Neuregelungsgesetzes, Drucksachen 14/4371, 14/4409 und
14/4743.

Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS
auf Drucksache 14/4859 vor, über den wir zuerst abstim-
men. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Ände-
rungsantrag mit den Stimmen des Hauses gegen die Stim-
men der PDS abgelehnt.

Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-
men von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen.

Wir kommen zur
dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grü-
nen gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen angenom-
men.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt VI auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform
des Zivilprozesses
– Drucksache 14/4722 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

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Franz Thönnes
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Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Bundesmi-
nisterin Dr. Herta Däubler-Gmelin das Wort.

Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir beraten die ZPO-Novelle heute zum zweiten Mal in
erster Lesung. Dass wir das zum zweiten Mal tun, ist die
Erklärung für die kurze Beratungsdauer und für den Zeit-
punkt, an einem Freitagnachmittag.

Vor gut vier Monaten, vor der Sommerpause, haben
wir die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs zum ersten
Mal durchgeführt. Der Gesetzentwurf war von den Koali-
tionsfraktionen eingebracht worden. Damals ist viel über
den Inhalt, aber auch über das Verfahren gesagt worden.
Wir fanden es etwas merkwürdig, mit welchen Worten
ausgerechnet die CDU/CSU-Opposition das Vorgehen,
den Gesetzentwurf doppelt – einmal seitens der Koali-
tionsfraktionen und einmal seitens der Bundesregierung –
in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen, geißelte.
Wir haben das Doppelverfahren vor vier Monaten ge-
wählt, um die Zeit für öffentliche Diskussionen erheblich
zu verlängern. Die Richtigkeit dieses Vorgehens war völ-
lig klar; das zeigt sich auch jetzt.

Dieses Vorgehen entspricht der von uns eingeführten
Praxis, die Transparenz der Gesetzgebung in der breiten
Öffentlichkeit, also nicht allein gegenüber den Verbän-
den, sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bür-
gern, zu verbessern. Dieses Ziel haben wir dadurch zu er-
reichen versucht, dass wir den Referentenentwurf und
weitere Entwürfe zur unmittelbaren öffentlichen Diskus-
sion nicht nur versandt, sondern auch ins Internet gestellt
haben.

Wir haben die vergangenen vier Monate außerordent-
lich gut genutzt. Wir haben mit allen diskutiert, die dazu
bereit waren – mit Menschen, die nicht der Auffassung
sind, dass persönliche Injurien oder irgendwelche partei-
taktisch motivierten Zurückweisungen Sachargumente
ersetzen –, und zwar sehr häufig, in sehr vielen Veranstal-
tungen: mit Richterinnen, Richtern, Anwältinnen, Anwäl-
ten, Verbänden, Einzelnen, Gerichten. Die Diskussion
wird in der Anhörung des Rechtsausschusses des Deut-
schen Bundestages am kommenden Mittwoch weiterge-
hen.

Lässt man einmal alle persönlichen Angriffe und auch
die parteitaktisch – häufig hört man den Begriff „strate-
gisch“ – gemeinten Überlegungen unberücksichtigt, dann
zeigt sich Folgendes sehr klar: Es gibt eine Menge
Übereinstimmungen und einiges, worüber wir weiterhin
diskutieren müssen.


(Beifall des Abg. Alfred Hartenbach [SPD])

Es gibt Übereinstimmungen darüber, dass es höchste Zeit
ist, auch die Justiz zu modernisieren. Wer meint, er könne
aus irgendwelchen Gründen vermeintlicher Liebedienerei

einen Wettlauf „nach hinten“ starten, der erweist der
Justiz überhaupt keinen Dienst.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wer das tut, der muss wissen, dass die Justiz den An-
schluss an die Arbeit und an die Aufgaben des 21. Jahr-
hunderts nur dann halten kann, wenn sie bereit ist, sich zu
modernisieren. Die Justiz kann ihre wichtige Rolle in un-
serem demokratischen und sozialen Rechtsstaat nur be-
haupten, wenn alle, Gerichte, Bund und Länder, die Mo-
dernisierung gemeinsam vorantreiben. Wir tun das.

Ich möchte einige ganz wichtige Felder nennen, auf de-
nen ich sehr viel sachliche Gemeinsamkeit sehe. Es han-
delt sich nicht nur um die Tatsache, dass modernisiert
werden muss; vielmehr geht es auch darum, dass die
bisherige justizpolitische Debatte insbesondere die Amts-
gerichte sträflich vernachlässigt hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Uns liegen heute folgende Zahlen vor: Durchschnitt-
lich 1,5 Millionen Menschen klagen vor dem Amtsge-
richt. Die Klagen sind nicht etwa immer einfach und un-
kompliziert, auch wenn ihr Streitwert bei weniger als
10 000 DM liegt. Vor dem Amtsgericht treffen die Kläger
selbstverständlich auf Einzelrichter – nicht etwa auf Kam-
mern –, die im Jahr zwischen 600 und 700 Fälle zu lösen
haben, schwierige wie einfache. – Die Möglichkeit der
Berufung in diesem Bereich ist sehr viel stärker einge-
schränkt, als es ansonsten der Fall ist. – Die Richterinnen
und Richter eines Landgerichts – es handelt sich zu einem
Teil um Einzelrichter, zum anderen Teil entscheiden
Kammern –, die für Klagen ab einem Streitwert von
10 000 DM in erster Instanz zuständig sind – diese Fälle
sind keineswegs immer schwieriger als die mit einem ge-
ringeren Streitwert –, haben 170 Fälle im Jahr zu bearbei-
ten.

Manchen mag das nicht stören. Wir sagen: Das wirkt
sich für die große Zahl der Recht suchenden Bürgerinnen
und Bürger und für die Amtsrichterinnen und Amtsrichter
negativ aus. Es gibt zu wenig Zeit für das Gespräch, es
gibt zu wenig Zeit für die Schlichtung. Dies muss sich än-
dern. Deshalb stärken wir das Amtsgericht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden und wollen – darin gibt es viel Übereinstim-
mung – die Möglichkeiten der Berufung beim Amtsge-
richt verbessern.

Wir halten das Prinzip des Einzelrichters für vernünf-
tig, übrigens nicht nur beim Amtsgericht, sondern auch
beim Landgericht und bei den anderen Instanzen. Dass
wir hier viel weniger weit gehen als Sie in den Gesetzent-
würfen, die Sie eingebracht haben, meine Damen und
Herren von der Opposition, will ich nur am Rande be-
merken.

An der Ersetzung der Streitwertrevision durch eine er-
weiterte Grundsatz- und Divergenzrevision gibt es,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Franz Thönnes

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glaube ich, nicht viel zu kritisieren. Lassen Sie mich es
noch einmal sagen: Wir halten auch die Zusammen-
führung der Berufungen bei den Oberlandesgerichten für
richtig. All die Bedenken, die hier so unglaublich pole-
misch geäußert werden, gibt es da, wo die Berufungen zu-
sammengeführt werden, überhaupt nicht: weder bei den
Familiengerichten, noch im Bereich der Zivilgerichtsbar-
keit, noch bei den Arbeitsgerichten, den Sozialgerichten
oder den Verwaltungsgerichten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie uns die Zeit nutzen, jetzt über Sachpunkte

zu diskutieren. Mit Injurieren oder Polemik beindrucken
Sie niemanden; diejenigen, die wissen, dass modernisiert
werden muss, am wenigsten. Damit verabschieden Sie
sich nur aus der eigentlichen Sachdiskussion.

Ich möchte dies sehr deutlich sagen: Die Justiz kann
ihre Rolle als tragender Pfeiler, als dritte Gewalt in unse-
rem sozialen und demokratischen Rechtstaat nur erhalten,
wenn sie modernisiert wird. Und Zusammenarbeit wäre
mir allemal lieber als dieses Hickhack, das in dieser wich-
tigen und grundlegenden Frage veranstaltet wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413808300
Nun hat der Kollege
Norbert Röttgen, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1413808400
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über
die so genannte Justizreform dauert jetzt ziemlich genau
ein Jahr.


(Joachim Stünker [SPD]: 10 Jahre, Herr Röttgen!)


In diesem Jahr der intensiven Diskussion hat es, wie das
bei keinem anderen rechtspolitischen oder juristischen
Thema in vergleichbarer Weise festgestellt werden kann,
ein eindeutiges und einhelliges Ergebnis gegeben. So et-
was ist unter Juristen eigentlich gar nicht vorstellbar. Es
hat in der Fachwelt eine flächendeckende und totale Ab-
lehnung gegeben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU )

Es geht hier nicht um parteitaktische Überlegungen.


(Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Um Geld!)

– Es geht hier auch nicht um Geld. – Meine Damen und
Herren, nehmen Sie es doch endlich zur Kenntnis: Die
Richter in unserem Land lehnen diese Reform ab.


(Joachim Stünker [SPD]: Nein!)

Die Anwälte in unserem Land lehnen diese Reform ab.


(Joachim Stünker [SPD]: Nein!)

Die Rechtswissenschaft lehnt diese Reform ab.


(Joachim Stünker [SPD]: Sie haben keine Ahnung!)


Der Deutsche Juristentag – die Justizministerin war an-
wesend, ich auch; es waren nur wenige von Ihnen da –
lehnt diese Reform ab.


(Joachim Stünker [SPD]: Sie waren immer auf der falschen Veranstaltung!)


Die Wirtschaftsverbände lehnen diese Reform ab. Die
Verbraucherverbände lehnen diese Reform ab. Der Bun-
desrat lehnt diese Reform ab.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Den ADAC haben Sie vergessen!)


Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen
ist auch nicht für diese Reform. Die Stellungnahmen aus
der Anhörung liegen vor. Es gibt keinen Sachverständi-
gen, auch nicht von denen, die von Ihnen benannt worden
sind, der sagt: So, wie es vorgelegt ist, wollen wir das. Es
gibt eine flächendeckende, totale Ablehnung dieses Vor-
habens. Nehmen Sie das zur Kenntnis!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wer ist eigentlich für Ihre Reform? Welche Zeugen aus

der Fachwelt können Sie aufführen? Es geht doch um die
Diskussion in der Fachwelt. Einige von Ihnen waren auf
dem Juristentag. Sind Sie denn taub, meine Damen und
Herren?


(Ilse Janz [SPD]: Nein, wir haben alle den Hörtest gemacht! – Alfred Hartenbach [SPD]: Herr Röttgen, nicht diese Schärfe!)


Entscheidend ist ja nicht, dass Sie diese Ablehnung er-
fahren haben. Es kann einmal passieren, dass ein Vor-
schlag in der Sache in der Fachwelt eine totale Ablehnung
erfährt. Es geht vielmehr um den neuen Stil in der Rechts-
politik seit 1998; das sage ich sehr ruhig und besorgt auch
im Namen meiner Fraktion. Dieser Stilwandel besteht
darin, das die Bundesjustizministerin noch nicht einmal
im Ansatz dazu bereit ist, auf diese Einwände einzugehen.
Ich bestreite gar nicht, dass Sie diskutieren. Sie diskutie-
ren; aber Sie hören nicht zu und nehmen die Kritik nicht
auf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie lesen nicht!)


Sie erweisen sich als absolut argumentationsresistent.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil ist wahr!)

Bedauerlich ist, dass das nicht nur in diesem Bereich so

ist. Es ist leider typisch für die Rechtspolitik Ihrer Bun-
desregierung; es ist der neue Stil der Rechtspolitik. Sie
peitschen das Gesetz zur Homosexuellenehe durch den
Rechtsausschuss.


(Ilse Janz [SPD]: Irgendwie habt ihr es mit der Peitsche! Das ist euer Lieblingswort!)


Die überwiegende Anzahl der Sachverständigen war da-
gegen, aus unterschiedlichen Gründen.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Aber seit heute haben wir ein Gesetz, Herr Röttgen!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
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Die verfassungsrechtlichen Bedenken werden ignoriert;
Sie peitschen das Gesetz durch.

Sie schaffen es, eine Mietsrechtsreform vorzulegen,
die sowohl auf den entschiedenen Widerspruch der Mie-
ter wie der Vermieter stößt. Sie schaffen es, ein Urheber-
vertragsgesetz in die Diskussion zu bringen, das sowohl
bei den Autoren wie bei den Verlagen auf Protest stößt. Sie
drohen jetzt damit, das Schuldrecht, ein Herzstück des
Bürgerlichen Rechts, mit einer Generalüberholung übers
Knie zu brechen. Auch in diesem Fall wurde aus der
Rechtswissenschaft starker Widerstand angekündigt.

Es ist bezeichnend, dass das wichtigste justizpolitische
Vorhaben der Bundesjustizministerin am Freitagnachmit-
tag als letzter Tagesordnungspunkt einer langen und an-
strengenden Haushaltswoche platziert wird. Das sagt
doch alles aus.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Schlechtes Gewissen ist das!)


Sie wollen die Öffentlichkeit meiden. Sie scheuen die Öf-
fentlichkeit und wissen auch, warum: weil Sie schwach in
der Sache sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Alfred Hartenbach [SPD]: Ich habe gar nicht gewusst, dass Sie ein Niemand sind!)


Wenn diese Debatte einen Sinn machen soll, lieber
Herr Hartenbach – da wende ich mich an Sie und Ihre Kol-
leginnen und Kollegen, an die Kolleginnen und Kollegen
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie an die
Kolleginnen und Kollegen von der PDS –,


(Alfred Hartenbach [SPD]: Aber sachlich, bitte!)


dann besteht sie in dem Appell an Sie: Hören Sie auf da-
mit, nur zu sagen: Wir haben die Mehrheit, ihr die Argu-
mente.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Haben wir keine Mehrheit?)


Ich appelliere wirklich – ich sage das in ruhigem Ton, weil
ich es wirklich ernst meine –: Kehren Sie zur argumenta-
tiven politischen Auseinandersetzung in der Rechtspolitik
zurück! Unsere Bitte an Sie ist, diesen Boden wieder zu
betreten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich will jetzt diese Auseinandersetzung in der Sache

führen. Verehrte Frau Justizministerin, ich fand den allge-
meinen Charakter Ihrer Formulierungen ausgesprochen
bemerkenswert. Sie sind gar nicht auf die konkreten
Punkte eingegangen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie auch nicht! – Ilse Janz [SPD]: Kein einziges sachliches Argument nennen Sie! Nur heiße Luft!)


All das, was konkret diskutiert wird, haben Sie mit allge-
meinen Formulierungen zu überdecken versucht. Wir
müssen konkret über die Sache reden. Dass Sie das nicht
tun, ist das, was Ihnen vorgeworfen wird. Aber ich werde
es gerne tun.

Die Etikette, mit denen Sie diese Reform versehen, lau-
ten: Bürgernähe, Transparenz und Effizienz. Ich frage Sie
und die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen, ob Sie
der Auffassung sind, dass die Verlagerung der Be-
rufungszuständigkeit an die wenigen, weiter entfernt
liegenden Oberlandesgerichte mehr Bürgernähe bringt.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Das ist das dümmste Argument, das ich je gehört habe!)


Ist die Justiz näher bei den Bürgerinnen und Bürgern oder
entfernt sie sich von ihnen, wenn Sie die Zuständigkeit
auf die wenigen, zentralen Oberlandesgerichte in den
Flächenstaaten reduzieren und konzentrieren? Es ist we-
niger Bürgernähe; das ist doch unbestreitbar.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es macht die Justiz im Übrigen teurer, wie Ihnen alle Lan-
desjustizminister vorgerechnet haben.


(Joachim Stünker [SPD]: Ein tolles Argument! Das überzeugt mich unheimlich!)


Ich frage Sie: Ist es bürgernah, wenn die Berufung als
zweite Tatsacheninstanz grundsätzlich abgeschafft wer-
den soll? Ist es bürgernah, wenn der Bürger seine Sache
nicht mehr mündlich vortragen kann? Ist die Konsequenz,
die dies haben wird, bürgernah, dass man nämlich in der
Berufung nicht mehr über die Sache redet, sondern über
die Formalien, über die Einhaltung des Verfahrens, dass in
der Berufung nicht der Beweis erhoben, sondern darüber
geredet wird, ob er in erster Instanz verfahrensfehlerfrei
erhoben worden ist? Fördert das die Akzeptanz der Justiz
oder ist das Gegenteil der Fall? Das Gegenteil ist der Fall!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich frage die Kolleginnen und Kollegen der Koali-

tionsfraktionen: Führt es zu mehr Transparenz im zivilge-
richtlichen Verfahren, wenn zukünftig die Möglichkeit
besteht, dass die Bürger – ohne mündliche Verhandlung –
schriftlich beschieden werden, dass über ihre Sache nicht
mehr verhandelt wird, ohne dass sie die Gelegenheit ha-
ben, in die mündliche Verhandlung zu kommen und für
ihre Sache zu streiten?
Sie bekommen einen schriftlichen Bescheid mit dem In-
halt: Verehrter Bürger, über deine Sache sprechen wir
nicht mehr. – Ist das Transparenz? Ist das Bürgernähe? Es
ist das glatte Gegenteil davon!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie von den Grünen, die einmal ein bürgerrechtliches
Selbstverständnis hatten, sollten sich gut überlegen, wie
Sie sich in dieser Frage verhalten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist das in der Verwaltungsgerichtsbarkeit?)


Ich frage auch: Ist es effizient, wie Sie das Verfahren
organisieren? Sie sehen Folgendes vor: Zuerst kommt die
Berufungssache zum Senat des Oberlandesgerichtes.
Der gesamte Senat muss sich dann mit der Frage beschäf-
tigen, ob er die Berufung zurückweisen muss. Wenn er
dieser Auffassung ist, muss er darüber die einzelnen Par-
teien informieren und den Berufungsführer über die

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Norbert Röttgen

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Gründe informieren, warum der Senat gedenkt, diese Be-
rufung zurückzuweisen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtliches Gehör nennt man das!)


Dann nimmt der Berufungsführer dazu Stellung. Er nutzt
Fristen aus. Es geht also Zeit ins Land. Dann kommt die
Stellungnahme an den Senat zurück. Der Senat muss er-
neut zusammentreten und sich damit beschäftigen. Nach
einem Zeitverlust von mehreren Monaten kommt er dann
zu dem Ergebnis: Die Sache können wir nicht zurückwei-
sen; sie wird dem Einzelrichter übertragen.

Das ist die Effizienzvorstellung, die diesem Gesetzent-
wurf zugrunde liegt. Dies ist absurd, praxisfern und ohne
jede Kenntnis von den Problemen des Justizprozesses. Sie
sollten diese Argumente nicht mit Floskeln übertünchen,
sondern den Menschen reinen Wein einschenken.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich frage Sie weiterhin: Ist es bürgernah, wenn Sie mit

diesem Gesetzentwurf den Bürgern das Recht abschnei-
den, mit ihrem Einzelfall vor den BGH zu treten?


(Joachim Stünker [SPD]: Sie haben nichts verstanden, Herr Röttgen!)


Sie sagen: Bürger, du darfst nur noch vor den BGH treten,
wenn du behauptest, deine Sache diene der Rechtsfortbil-
dung.


(Joachim Stünker [SPD]: Steht doch gar nicht im Gesetz!)


Was antworten Sie eigentlich dem Bürger auf seine Frage:
„Was heißt hier Rechtsfortbildung? Ich habe doch nichts
mit Rechtsfortbildung zu tun; ich will das Recht nicht
fortbilden; ich will es nur haben?“


(Joachim Stünker [SPD]: Kriegt er doch!)

Nach dem, was Sie vorhaben, muss ihm dann geantwor-
tet werden: Dann wirst du nicht gehört.


(Joachim Stünker [SPD]: Doch, wird er!)

– Lieber Herr Stünker, wissen Sie eigentlich, wie viel Pro-
zent der Revisionsfälle Zulassungsberufungen oder
Streitwertrevisionen sind? 99 Prozent der Fälle beruhen
auf der Streitwert-, auf der Annahmerevision. Die alle
wollen Sie beseitigen. Die kommen nicht mehr vor. Sie
schaffen den Bundesgerichtshof, das oberste deutsche Zi-
vilgericht, als eine Instanz ab, die der Einzelfallgerechtig-
keit dient. Das oberste Prinzip der Justiz ist es, Einzelfall-
gerechtigkeit herzustellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich stelle als Letztes fest: Die Aushöhlung des Rechts-

mittelsystems – das wird auch gar nicht bestritten; es
wird ja immer gesagt, das alles seien Kröten, die wir
schlucken müssten –


(Joachim Stünker [SPD]: Sie reden pro domo, Herr Röttgen!)


führt nicht nur zur Schwächung der Rechtsmittelinstan-
zen, sondern unweigerlich und notwendigerweise auch
zur Schwächung der ersten Instanz, und zwar aus zwei

Gesichtspunkten: Erstens ist das Vorhandensein einer um-
fassenden effektiven Kontrolle in den oberen Instanzen
ein Instrument der Qualitätssicherung der erstinstanzli-
chen Entscheidung. Richter, die wissen: „Wir haben eine
effektive, umfassende Kontrolle“, bemühen sich auch.
Denn sie wissen, dass da noch einer über ihnen steht und
kontrolliert, was getan worden ist. Das ist ein Instrument
der Qualitätssicherung.

Gemäß Ihrem neuen Modell werden zweitens die An-
wälte – denn die erste Instanz ist ja im Grunde genommen
der einzige Schuss, den man hat, um zum Erfolg zu kom-
men; die Berufung wird in vielen Fällen abgeschnitten,
und die Revision ist gesetzlich gar nicht mehr möglich –,
eine relativ strenge Haftungsrechtsprechung des Bundes-
gerichtshofes im Kopf habend, erstinstanzlich alles vor-
tragen,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich!)


weil sie keinen Haftungsfall produzieren wollen. Sie wer-
den alles vortragen; ob dies unbedingt sachdienlich ist, ist
die Frage.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht heute schon im Gesetz, dass sie alles vortragen müssen!)


Die Richter werden bemüht sein, ihre Sache beru-
fungsfest zu machen. Sie werden alles dokumentieren.
Denn wenn man nicht dokumentiert, ist die Sanktions-
folge, dass es nicht verfahrensfehlerfrei war, und das ist
das einzige Nadelöhr, um überhaupt in die Rechtsmittel-
instanz zu kommen.

Das wird ohne jeden Zweifel zu einer Aufblähung, zu
einer Verlangsamung des erstinstanzlichen Verfahrens
führen. Sie werden die Amtsrichter mit noch mehr Ver-
antwortung belasten. Alles wird länger dauern.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Was haben Sie denn gegen Verantwortung? – Joachim Stünker [SPD]: Die Verantwortung tragen die Amtsrichter gern, Herr Röttgen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413808500
Herr Kollege Röttgen,
Sie bekommen nicht noch mehr Redezeit. Sie haben Ihre
Redezeit schon deutlich überschritten.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1413808600
Einen Satz möchte ich
noch anfügen, weil gesagt worden ist, das seien parteipo-
litische Gesichtspunkte. Ich war in dieser Woche in Köln
auf einer großen Veranstaltung zur Justizreform. Da hat
die offizielle Vertreterin des Landesjustizministeriums
von Nordrhein-Westfalen, die Vertreterin des Justizminis-
ters Jochen Dieckmann – dies ist nur ein Beispiel; diese
Frau ist sicherlich nicht parteipolitisch verdächtig –


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Gegen die sind Sie doch immer!)


festgestellt: Das Land Nordrhein-Westfalen ist der Auf-
fassung, dass diese Reform weder praxistauglich noch kos-
tenneutral ist. Das heißt, der Zivilprozess wird teurer und
schlechter. Ziehen Sie deshalb diesen Entwurf zurück, er

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Norbert Röttgen
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ist eine Demontage der funktionierenden Ziviljustiz in
Deutschland.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413808700
Ich erteile das Wort dem
Kollegen Helmut Wilhelm, Bündnis 90/Die Grünen.

Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die Reform des Zivilprozesses ist in erster Linie eine Re-
form für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Rechtssuchenden werden von den Neuregelungen
profitieren. Ich betone das deswegen, weil man in den
letzten Monaten – übrigens auch heute wieder – gele-
gentlich den Eindruck gewinnen konnte, diese Reform
gehe nur die juristischen Verbände, die Anwaltschaft und
die Richterschaft etwas an. So ist es nicht und deswegen
finden wir es gut, dass jetzt auch die Arbeitsgemeinschaft
der Verbraucherverbände einen Kernpunkt unserer Re-
form ganz besonders lobt: die Stärkung der Eingangs-
instanz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dort gerät der Rechtssuchende mit der Justiz zum ers-
ten Mal und – wenn alles gut läuft – auch zum letzten Mal
in Kontakt. Wir müssen deswegen in erster Instanz die
notwendige Akzeptanz herstellen. Nur wenn dort die rich-
tigen Mechanismen greifen, ist die Umgestaltung der Be-
rufungsinstanz in ein Instrument vor allem der Fehler-
kontrolle und Fehlerbeseitigung gerechtfertigt.

Im Amtsgerichtssaal soll der Rechtssuchende zu jedem
Zeitpunkt nachvollziehen können, warum das Gericht
eine Entscheidung trifft und wie es sie trifft. Das ist heute
nicht immer so. Das hat auch etwas damit zu tun, dass der
Amtsrichter rund 700 Verfahren im Jahr zu bearbeiten hat,


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist der CDU völlig egal!)


während beispielsweise sein Kollege am Oberlandes-
gericht nur 75 Fälle pro Jahr auf dem Tisch liegen hat.
Warum Sie diesen Zustand, verehrte Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, seitdem Sie unsere Vor-
schläge kennen, fortwährend als Idylle verkaufen wollen,
an der nichts, aber auch gar nichts geändert werden muss,
verstehe ich wirklich nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Mir ist dies auch deshalb schleierhaft, weil ich mir Ihre
alten Gesetzentwürfe zu diesem Thema angeschaut habe.
Sie sollten uns lieber Beifall klatschen, weil wir eine
komplette Reform machen, für die Sie immer nur Bruch-
stücke auf Lager hatten, wenn Sie nicht ohnehin nur an
der Streitwertschraube gedreht haben.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Und das noch falsch!)


Meine Damen und Herren, wir stärken die erste Instanz
qualitativ und personell. In qualitativer Hinsicht erweitern
und präzisieren wir die Hinweispflichten des Gerichts.
Wir erweitern auch die gerichtlichen Anordnungskompe-
tenzen im Hinblick auf die Beibringung von Beweismit-
teln. Damit fördern wir die Akzeptanz des erstinstanzli-
chen Urteils bei den Bürgerinnen und Bürgern, übrigens
auch bei denen, die nicht anwaltlich vertreten sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Vergleich zum alten Referentenentwurf sind in die-
sem Regierungsentwurf weitere Verbesserungen vorge-
nommen worden. Es sind Lücken geschlossen worden;
ich nenne nur die Regelungen über die Arbeitsgerichts-
barkeit. Wir sind auch für weitere gut gemeinte Anregun-
gen und Bedenken an diesem Entwurf durchaus offen. Ich
sage hier ausdrücklich: Die Anhörung im Rechtsaus-
schuss wird keine Schauveranstaltung; sie wird gewis-
senhaft ausgewertet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich bin sehr gespannt, ob der eine oder andere Verband
auch offiziell anfangen wird, eine Kompromisslinie zu
entwickeln, oder ob er weiterhin mit altbekannten, uns
nicht voll überzeugenden Argumenten unsere Vorschläge
alternativlos ablehnt. Ich halte es keineswegs für gut,
wenn Verbände meinen, nur wegen ihrer Basis eine harte
Linie fahren zu müssen.

Bei allem Verständnis für ihre Basis habe ich eine
Empfehlung für die Damen und Herren Verbandsvertreter
– Sie können mir glauben, als Grüner verfüge ich durch-
aus über einschlägige Erfahrungen –: Entwickeln Sie
Kompromisslinien und zeigen Sie uns, dass Ihnen die Mo-
dernisierung der Justiz am Herzen liegt!


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das tun sie halt nicht!)


Wer allerdings wie Herr Minister Weiß und andere
durch die Lande zieht und dabei ernsthaft behauptet, Rot-
Grün wolle die Amtsgerichte abschaffen, der zeigt, dass
es ihm nicht um die Modernisierung der ZPO, sondern nur
um blanke Parteipolitik geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Für einen konstruktiven Dialog ist das eindeutig der
falsche Weg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413808800
Nun hat Kollege
Rainer Funke, F.D.P.-Fraktion, das Wort.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1413808900
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! In der Haushaltsdebatte dieser Woche hat die
Bundesjustizministerin auf den angeblichen Reformstau
im Justizbereich hingewiesen. Auf der Suche nach diesem

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Norbert Röttgen

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Reformstau hat sie zunächst das Mietrecht ausfindig ge-
macht.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Jetzt kommt er mit persönlichen Angriffen! Reden Sie doch mal zur Sache! Ich sitze hier als Abgeordnete genau richtig!)


– Ich weiß. Das habe ich schon sehr genau beobachtet. Es
ist gut, dass Sie als Abgeordnete bei der SPD sitzen. Denn
Ihr dauerndes Gerede von der Regierungsbank kann man
normalerweise nicht ertragen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Nur nicht so wehleidig!)


Dabei lassen Sie sich, Frau Abgeordnete, eher vom
ideologischen Überbau der Wunschvorstellungen der Ar-
beitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen aus den
60er- und 70er-Jahren als von möglichen Mängeln im
Justizwesen leiten. In der Tat muss man sich fragen: Was
haut in unserer Justiz nicht hin? Was muss verbessert wer-
den? Wenn dort Mängel vorhanden sind, dann muss man
an sie herangehen und versuchen, diese zu beseitigen.
Sowohl der Ansatz, sich vom ideologischen Überbau lei-
ten zu lassen, als auch der Gedanke, ausschließlich die
Kostengesichtspunkte der Länder zugrunde zu legen, sind
falsch gewählt.

Erstens. Die Justiz eignet sich schon wegen der Haus-
haltsgröße nicht als Sparschwein der Nation. Innere und
äußere Sicherheit und das Justizwesen sind Kernaufga-
ben des Staates und dürfen gerade wegen des Funktionie-
rens unseres Gemeinwesens nicht vernachlässigt werden.
Hinzu kommt, dass sich die Justiz gerade im Zivilbereich
zum großen Teil selbst trägt.

Zweitens. Der angestrebte Aufbau des Gerichtswesens
und des Berufungsrechts verkürzen den Rechtsschutz
des Bürgers, da praktisch die zweite Tatsacheninstanz
verloren geht. Was Effizienz und Transparenz angeht, hat
Herr Röttgen schon alles gesagt. Zulasten des Bürgers
wird der Anspruch auf individuellen Rechtsschutz erheb-
lich eingeschränkt.

Rechtsfrieden kann in der Gesellschaft nur entstehen,
wenn dem Bürger hinreichend rechtliches Gehör gegeben
wird. Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung ist in
keiner Weise geeignet, dem Rechtsfrieden in der Gesell-
schaft zu dienen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Er wird deswegen auch aus guten Gründen von allen Ver-
bänden, die im Justizbereich tätig sind – der Anwaltschaft,
der Richterschaft –, und von allen Wirtschaftsverbänden
bis hin zum ADAC abgelehnt. Ich jedenfalls habe keine
positiven Stellungnahmen lesen können. Ich habe mich
mit den Dingen beschäftigt. Es muss doch an irgendetwas
liegen, dass alle Verbände diesen Entwurf ablehnen.

Der Bundesrat hat eine grundlegende Überarbeitung
gefordert.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rechtssuchenden haben keine richtige Lobby!)


Die Einzige, die glaubt, dass eine solche Reform notwen-
dig sei, ist die Justizministerin. Da sie sich nicht ständiger
Kritik ausgesetzt sehen will, versucht sie, das Gesetz im
Eilverfahren durch das Parlament zu bekommen. Heute
dürfen wir eine halbe Stunde über das für Sie so wahnsin-
nig wichtige Reformgesetz debattieren.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Wo ist denn Herr Schmidt-Jortzig?)


– Er wird wahrscheinlich in seinem Wahlkreis sein.
In der nächsten Woche soll bereits die Anhörung im

Rechtsausschuss erfolgen. Die Sachverständigen haben
noch nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sich die Stel-
lungnahme der Bundesregierung zu dem ablehnenden Be-
schluss des Bundesrates anzusehen. Sie ist jetzt erst ver-
sandt worden. Das ist schon ein eigenartiges Verfahren.

Aber Frau Justizministerin,

(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Abgeordnete!)

ich habe sehr wohl gehört, dass Sie bereit sind, mit uns ins
Gespräch zu kommen. Ich bin wirklich gespannt. Bislang
waren allerdings die Gespräche, die wir im Ausschuss mit
Ihnen führen konnten, wenig effizient. Wenn Sie zu einem
echten Gespräch bereit sind und auch Kompromisse
schließen wollen,


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Ich habe Sie schon fünfmal eingeladen! Sie haben es nie angenommen, weil Sie alles besser wissen!)


sind wir dazu bereit.
Vielen Dank.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413809000
Ich erteile der Kolle-
gin Evelyn Kenzler, PDS-Fraktion, das Wort.


Dr. Evelyn Kenzler (PDS):
Rede ID: ID1413809100
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Nun haben wir sogar noch
eine weitere erste Lesung zur Reform des Zivilprozesses,
jetzt allerdings zum Entwurf der Bundesregierung. Aber
auch nach der Diskussion in den letzten Wochen bleibt zu
konstatieren, dass es außer den Initiatoren der Justiz-
reform nur noch wenige Befürworter gibt. Ich halte diese
geringe Akzeptanz angesichts eines so tiefen Einschnitts
in das Prozessrecht für wirklich bedenklich.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Angesichts der Tatsache, dass diejenigen, die die Reform
umsetzen sollen, eine fast geschlossene Front der Ableh-
nung bilden, frage ich mich ernsthaft, wie die ZPO-Re-
form praktisch funktionieren soll.

In der eilig einberufenen Sommerdebatte hatte ich die
Reform in einigen Punkten begrüßt und in anderen Punk-
ten abgelehnt. Frau Ministerin, ich befinde mich jetzt in
einer eigenartigen Situation.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Wir sehen es ja!)


Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Rainer Funke
13528


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– Ja, wahrscheinlich wir alle. – Ich bekomme Briefe über
Briefe, in denen ich dringend darum gebeten werde, ge-
gen Ihre Reform aufzutreten. Ich verteidige einerseits Ihre
Reform als überfällig und dringend notwendig,


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!)

kann ihr aber andererseits in der jetzt vorliegenden Form
nicht zustimmen.


(Joachim Stünker [SPD]: Das erkläre ich Ihnen!)


– Das freut mich.
Der Regierungsentwurf hält weiter – ich meine: wider

besseres Wissen – an der Kostenneutralität fest.

(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Manchmal sind gute Sachen eben teuer!)

Es wird nicht klargestellt, dass die so wichtige Stärkung
der Eingangsinstanz ohne eine deutliche personelle Ver-
stärkung und damit auch mit deutlich höheren Kosten
nicht erreichbar ist.


(Beifall bei der PDS)

Die Verschiebung von Richterstellen von der zweiten

in die erste Instanz dürfte hier bei weitem nicht ausrei-
chen. Damit ist das Erreichen des begrüßenswerten Ziels
der Justizreform, die Stärkung der Eingangsinstanz, nicht
gesichert. Die Reform kann in dem von uns gewünschten
bürgerfreundlichen Sinne so nicht gelingen.

Im Endeffekt – ich kenne das aus der Justizpraxis –
werden die Rechtsschutzbeschränkungen bei den Rechts-
mitteln bleiben. Wenn nicht zusammen mit den Ländern
in das Fundament der Reform finanziell investiert wird,
bleibt es für die Richter in der ersten Instanz bei der der-
zeitigen unbefriedigenden materiellen und personellen Si-
tuation, allerdings bei deutlich gestiegenen Anforderun-
gen an ihre gerichtliche Entscheidungstätigkeit.


(Rainer Funke [F.D.P.]: So ist es!)

Dies bedeutet einen höheren Zeitaufwand für jede

mündliche Verhandlung, vertiefte Tatsachenfeststellung,
obligatorische Güteverhandlung und eine stärkere ge-
richtliche Hinweispflicht.


(Rainer Funke [F.D.P.]: Und Beweiserhebungen!)


Dies sind allesamt gute und vernünftige Vorschläge,

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

aber deren Umsetzung ist bei gleich bleibender Arbeits-
belastung einfach nicht zu schaffen.

Wir sind für eine ZPO-Reform und – im Interesse der
Verfahrensstraffung – auch für einen dreistufigen Ge-
richtsaufbau.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Es ist der Herr Scholz, der das will, und das ist auch Herr Schmidt-Jortzig von der F.D.P.)


Die wirklich positiven Vorschläge zur Stärkung der Ein-
gangsinstanz, die unter den jetzigen Bedingungen jedoch

nicht praktikabel sind, wiegen trotz einiger nun erfolgter
positiver Korrekturen die vorgesehenen Rechtsschutzbe-
schneidungen in der Berufungs- und Revisionsinstanz
nicht auf.


(Beifall bei der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413809200
Ich erteile dem Kolle-
gen Joachim Stünker, SPD-Fraktion, das Wort.


Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1413809300
Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen. Es ist hier nur noch eine kleine
Runde versammelt. Art, Inhalt und Stil der rechtspoliti-
schen Diskussion über eine Reform des Zivilprozess-
rechts in den letzten Wochen und Monaten sind in großen
Teilen der Bedeutung, dem Umfang und der Gewichtig-
keit der zu lösenden Aufgabe nicht mehr gerecht gewor-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Rainer Funke [F.D.P.]: Das erzählen Sie mal der Ministerin!)


Was dort teilweise abgelaufen ist, wie sich die Diskus-
sion in Teilen der Fachöffentlichkeit entwickelt hat, war
für mich erschreckend. Dies gilt auch für die Reden der
Kollegen Funke und Röttgen heute hier an dieser Stelle.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Stil ist teilweise geradezu niveaulos geworden.
Was sich die Bundesministerin der Justiz von Teilen der
Fachöffentlichkeit hat sagen lassen und anhören müssen,
hat das Maß des politisch Erträglichen weit überschritten.


(Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Kommen Sie zur Sache!)


Hier wäre von einigen der lautstärksten Kritiker schon
lange eine Entschuldigung fällig gewesen. Hier war vie-
les rechtspolitisch einfach nicht mehr seriös.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn der Kollege Geis mittlerweile die schwierige Ar-
beit im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages be-
klagt, liegt das zuallererst daran, dass die Unionsparteien
in diesem Haus ihre rechtspolitische Seriosität aufgrund
ihrer immer noch nicht angenommenen Oppositionsrolle
dem kurzatmigen rechtspolitischen Populismus geopfert
haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Dann haben Sie dem Kollegen entweder nicht zugehört oder ihn intellektuell nicht verstanden! Es war eine super Rede! – Gegenruf der Abg. Ilse Janz [SPD]: Was hat er denn ausgesagt in seiner „super Rede“?)


Unstreitig gibt es Reformbedarf. Die unbefriedigenden
Zustände in der Ziviljustiz sind nicht ohne Grund in der
Vergangenheit auch von Anwaltsseite heftig beklagt wor-
den. Wer hier plötzlich behauptet, im Zivilprozess stehe

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Evelyn Kenzler

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alles zum Besten, der macht sich letzten Endes unglaub-
würdig.


(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich: Warum ist es nicht mehr richtig, was für

alle ernst zu nehmenden Rechtspolitiker bis gestern noch
an Übereinstimmung gegolten hat?


(Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wann kommt das erste Argument?)


Da sagt Steffen Heitmann im Februar 1997, damals noch
Minister in Sachsen:

Im gerichtlichen Verfahren muss die erste Instanz ge-
stärkt werden. Sie darf nicht länger Durchlaufstation
zum Berufungsgericht sein. Mit einer starken ersten
Instanz kann der Rechtszug auf zwei Instanzen be-
schränkt werden.

Rainer Funke sagte damals bei derselben Veranstal-
tung:

Das heute sehr differenzierte Rechtsmittelsystem
sollte in seiner Gesamtheit überdacht werden.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Hört! Hört!)

Und sein damaliger Minister Schmidt-Jortzig sagte auf

dem Deutschen Juristentag in Bremen:
Das zentrale Thema der nächsten Legislaturperiode
wird die Justizreform sein. Wir brauchen eine grund-
legende, eine wirklich große Justizreform.

Dann stellte er sein Modell vor, nämlich das Modell der
Dreistufigkeit, letzten Endes in wesentlichen Punkten so,
wie heute unser Entwurf aussieht. Das ist Ihre Glaubwür-
digkeit.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Kurzfristgedächtnis!)


Professor Goll, Minister in Baden-Württemberg, sagte
noch im November 1998:

Ich bin für eine Umgestaltung der Berufungsinstanz
schrittweise in Richtung einer Rechtsüberprüfungs-
instanz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Sie müssen sich einmal auf
der Zunge zergehen lassen, was Herr Goll noch im No-
vember 1998 gesagt hat und was heute alles nicht mehr
gelten soll.


(Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist immer noch kein Argument! Wollen Sie gar nicht argumentieren in Ihrer Rede?)


Zum Schluss noch der Kollege Scholz, der es als Vor-
sitzender des Rechtsausschusses ja auch nie nötig hat, hier
an den Debatten teilzunehmen. Er sagte in der „FAZ“ am
23. November 1998 – das können Sie alles nachlesen –:

Es muss an den Kern gegangen werden; die Zeit
dafür ist überreif. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit
ist ein dreistufiger Gerichtsaufbau einzuführen. Das
System der Rechtsmittel ist zu ändern; notwendig ist

eine Beschränkung auf eine Tatsachen- und eine
Rechtsinstanz.

Das hat noch 1998, bevor wir unseren Entwurf vorgelegt
hatten, der gute Professor Scholz geschrieben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Recht haben sie alle, diese ehrenwerten Rechtspoliti-
ker. Ich frage mich nur, warum das, was sie damals gesagt
haben, heute nicht mehr gelten soll.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Weil es ihnen gerade passt!)


Dahinter steht reiner rechtspolitischer Populismus. Sie
betreiben Fundamentalopposition auf Kosten der Justiz
und der Rechtssuchenden in diesem Land.

Den Gipfel der Heuchelei leisten Sie sich in dieser Dis-
kussion hier im Deutschen Bundestag. Da muss ich Sie
persönlich ansprechen, Herr Röttgen. Sie haben in einer
wirklich polemischen, bösen Rede am 7. Juli, als wir un-
seren Fraktionsentwurf diskutiert haben, wörtlich gesagt:

Sie verbieten dem Bürger den Mund vor Gericht.
Das ist das Kernanliegen Ihres Vorhabens, das ist Ihr
Kerninstrument. Er soll nichts mehr sagen. Das ist
Rechtspolitik à la Rot-Grün.

(Alfred Hartenbach [SPD]: Das ist Röttgen! Der junge, wilde Röttgen!)

Sie beziehen sich darauf, dass wir eine Regelung im Ent-
wurf haben, nach der Berufungen zukünftig ohne münd-
liche Verhandlung zurückgewiesen werden können, wenn
der Senat einstimmig der Meinung ist, das sei ohne Aus-
sicht auf Erfolg.

Sie verschweigen dabei, Herr Röttgen, dass Ihre Frak-
tion am 8. Dezember 1998 in diesem Haus einen Entwurf
eingebracht hat,


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!)

der im Januar 1999 diskutiert wurde und der bis heute
noch nicht zurückgezogen worden ist. Darin sehen sie ei-
nen neuen Paragraphen 519 c vor, der wie folgt lautet:


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das will er jetzt nicht hören!)


In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche
Ansprüche, bei denen der Wert des Beschwerdege-
genstandes 60 000 DM nicht übersteigt, ... kann das
Berufungsgericht die Berufung ohne mündliche Ver-
handlung durch einstimmigen Beschluss zurückwei-
sen, wenn die Berufung nach der Berufungsbegrün-
dung keine Aussicht auf Erfolg hat.

Meine Damen und Herren, das ist Ihre Rechtspolitik.

(Alfred Hartenbach [SPD]: Sie sollten sich schämen!)

Das heißt also: Der Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit be-
ginnt bei Ihnen erst bei einem Streitwert von über
60 000 DM, weil es sich vielleicht dann auch von den Ge-
bühren her eher lohnt. Herr Röttgen, das ist Ihre Rechts-
politik.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Joachim Stünker
13530


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(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

[SPD]: Peinlich! Doppelzüngigkeit!)

Wenn Herr Geis, der es auch nicht nötig hat, heute hier
zu sein, uns heute Morgen noch über den Ticker mitteilt,
mit der Verstärkung der Einzelrichterentscheidung in
unserem Entwurf sei ein Verlust an Rechtsschutz zu be-
fürchten, dann kann ich Ihnen nur sagen: In die Begrün-
dung des Entwurfs, den ich Ihnen eben vorgehalten habe
und den ich sorgfältig studiert habe, schreiben Sie es sel-
ber auch hinein. Da haben Sie die Steigerung des Einzel-
richtereinsatzes mit 70 Prozent angegeben. Das ist genau
die Zahl, die wir auch erreichen.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Peinlich!)

Ich komme sofort zum Schluss. Ich bin der letzte Red-

ner heute Nachmittag.

(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das weiß er noch nicht!)

– Herr Repnik, lassen Sie das.

Wir werden daher den mit unserem Reformgesetz ein-
geschlagenen Weg der Modernisierung der ordentlichen
Gerichtsbarkeit fortsetzen: Im ersten Schritt geht es um
die Zivilgerichtsbarkeit, dann um die Strafprozessord-
nung und schließlich um die freiwillige Gerichtsbarkeit.
Machen Sie mit bei diesem Vorhaben; denn es gilt der
Satz, den der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes,
Rainer Voss, gesagt hat:

Es müssen vor allem der Wille und die Kraft vor-
handen sein, aus dem bestehenden System auszubre-
chen, anstatt an diesem ständig herumzuflicken.

Seien Sie sicher: Rot-Grün, diese Reformkoalition, hat
diesen Willen und diese Kraft.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413809400
Ich erteile dem Kolle-
gen Röttgen das Wort zu einer Kurzintervention.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1413809500
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich verstehe ja, dass Sie die Replik
nicht gerne hören wollen. Aber ich möchte noch etwas sa-
gen, weil ich persönlich angesprochen worden bin.

Ich stelle erstens, lieber Herr Stünker, fest: Ihre Rede
war eine argumentationsfreie Zone.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Sie haben wirklich nicht ein einziges Argument für diese
Reform gebracht. Das finde ich bemerkenswert. Offenbar
fällt Ihnen keines ein.

Zweitens – das sage ich ganz sicher auch im Namen der
Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.-Fraktion –: Es
bestreitet niemand, dass es Reformbedarf im Bereich des
Zivilprozesses gibt. Wir sagen nur: Dieser Reformbedarf

ist punktueller Art. Wir legen insbesondere Wert auf die
Stärkung der ersten Instanz. Wir können uns zwar, wie es
der Deutsche Anwaltverein vorgeschlagen hat, durchaus
eine Erweiterung der Befugnisse des Einzelrichters in
der ersten Instanz vorstellen. Aber das muss unerlässlich
und zwingend daran gebunden sein, dass die erstinstanz-
liche Einzelrichterentscheidung von einem Kollegialge-
richt in der Berufung korrigiert werden kann. Das halten
wir für ein unerlässliches Junktim. Damit befinden wir
uns in Übereinstimmung mit den Anregungen des DAV.

Wir verweigern uns überhaupt nicht einer Reformdis-
kussion im Bereich des Zivilprozesses; vielmehr bestäti-
gen wir: Es gibt einen punktuellen Reformbedarf. Wir ha-
ben dazu Vorschläge gemacht. Sie können nicht einfach
einzelne Punkte herausgreifen und sie kritisieren. Sie
müssen vielmehr die Konzepte miteinander vergleichen.

Ich stelle noch einmal fest, dass Sie für Ihr Konzept
kein Argument vorgetragen haben. Das ist bezeichnend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413809600
Ich erteile das Wort zu
einer weiteren Kurzintervention der Kollegin Herta
Däubler-Gmelin.


Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1413809700
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin vorher
persönlich angesprochen worden. Herr Röttgen, hätten
Sie vorhin in Ihrer Rede deutlich gemacht, wo Sie tatsäch-
lich Reformbedarf sehen, dann wären wir weiter. Mein
Kollege hat Ihnen die Äußerungen von Herrn Eylmann,
Herrn Scholz und von Herrn Schmidt-Jortzig und Zitate
aus Ihrem eigenen Gesetzentwurf vorgehalten, in dem in
der Tat all das steht, was Sie uns vorwerfen. Sie sagen
jetzt, es gebe punktuellen Reformbedarf. Ich schlage Ih-
nen vor: Lesen Sie im Stenographischen Bericht nach,
was ich heute gesagt habe. Dann werden Sie feststellen,
dass ich Sie auch heute wieder zu einer sachlichen Dis-
kussion eingeladen habe.

Tun Sie eines nicht: Starten Sie keinen Wettlauf um die
Rücknahme von Modernisierungen, nur weil Sie meinen,
dass Sie damit bei einigen Interessengruppen gut ankom-
men könnten. Das wäre das Schlechteste für die deutsche
Justiz. Wir können uns in der Sache gerne streiten, aber
nur, wenn wir von Ihnen Argumente hören.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413809800
Herr Kollege Stünker,
Sie haben das letzte Wort.


Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1413809900
Herr Kollege Röttgen, ich
habe Sie in den Auseinandersetzungen im Rechtsaus-
schuss eigentlich sehr schätzen gelernt. Nur, jetzt argu-
mentieren Sie unseriös und unredlich. Sie sollten einmal
die Argumentationskette nachlesen, die ich für die SPD-
Fraktion anlässlich der Einbringung unseres Fraktions-
entwurfs am 7. Juli im Deutschen Bundestag dargestellt
und begründet habe.

Ich habe mich heute bewusst mit Ihrer Argumentation
auseinander gesetzt, weil sie, wie gesagt, unredlich ist,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Joachim Stünker

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(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Röttgen. In Ihrem Entwurf nennen Sie die Grenze
von 60 000 DM. Dann sagen Sie: Erst bei einem Streit-
wert, der darüber liegt, fängt der Rechtsschutz an. Wenn
Sie das verteidigen, dann reden Sie hier pro domo, quasi
als OLG-Anwalt, um es einmal ganz deutlich zu sagen,
Herr Röttgen. Sie wissen, was ich damit sagen will.

Ich bin für eine redliche, sachliche und faire Diskus-
sion über die Einzelpunkte. Deswegen sage ich: Lassen
Sie uns diese Diskussion führen! Bereits in der nächsten
Woche gibt es eine Anhörung. Wir können dann Anfang
des neuen Jahres weiterdiskutieren, in der Sache und zum
Wohle der Justiz und nicht zum Wohle einzelner Interes-
sengruppen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413810000
Ich schließe die Aus-
sprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur-
fes auf Drucksache 14/4722 an den in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschuss vorgeschlagen. Gibt es dazu an-
derweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-

tages auf Mittwoch, den 6. Dezember 2000, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen allen ein freundliches Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.