Rede von
Ulrike
Flach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Herr Kampeter, Sie haben gleich die Gele-
genheit, dem F.D.P.-Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir
sind auf Ihr Verhalten gespannt, es ist eine namentliche
Abstimmung.
Meine Damen und Herren, Etatberatungen nach zwei
Jahren einer Legislaturperiode haben immer einen beson-
deren Reiz. Sie lassen den roten Faden bildungspoliti-
scher Entscheidungen klarer erkennen und geben Gele-
genheit, Anspruch und Wirklichkeit zu vergleichen. Sie,
Frau Bulmahn, haben das auch getan. Wir haben vor we-
nigen Tagen Ihre Halbzeitbilanz mit dem wunderbaren Ti-
tel „2:0 für Bildung und Forschung“ übersandt bekom-
men.
Das ist mutig, aber deutlich mit der rosaroten Brille ge-
sehen. Es ist Ihnen zwar ganz offensichtlich gelungen,
Treffer bei der Verteilung der Goldregensumme aus
der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Ihre Scheune
hineinzuleiten – dazu gratuliere ich Ihnen –,
aber Sie haben nicht einmal Abstaubertore beim Thema
Reformen erzielt.
Beim Halbzeitpfiff haben Sie sich von allen großen Re-
formvorhaben verabschiedet: Die angekündigte BAföG-
Strukturreform kommt nicht. Sie reparieren statt zu
reformieren. Die Reform des Hochschuldienstrechts
bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück. Ihre Com-
puteraktion im August ist bereits im Sommerloch ver-
schwunden – Herr Kampeter hat darauf hingewiesen –,
bei der Sie jedem Schüler einen Laptop versprochen ha-
ben. Davon sind ganze sechs Modellprojekte in Hamburg
übrig geblieben.
Die Reform des Hochschulbauförderungsgesetzes
ist noch nicht einmal im Ansatz zu erkennen und – man
kann es nur immer wieder in Erinnerung rufen, schließ-
lich haben Sie damit die Wahl 1998 gewonnen – Sie woll-
ten in dieser Legislaturperiode die Investitionen in Bil-
dung und Forschung verdoppeln, Frau Bulmahn. Davon
sind Sie meilenweit entfernt.
Sie haben den Haushaltsansatz des BMBF in Ihrer Re-
gierungszeit um 12,4 Prozent gesteigert. Das ist schön,
aber, gut gebildet, wie wir alle sind, wissen wir, dass das
genau 87,6 Prozent am eigenen Anspruch vorbei ist.
Meine Damen und Herren, zur Reform des Hoch-
schuldienstrechts schreiben Sie in Ihrer Halbzeitbilanz:
Die Zeit ist reif für Veränderungen. Der jetzt stattfin-
dende Generationswechsel an den Hochschulen ist
eine Chance, die wir nutzen müssen.
Ja, dann nutzen Sie sie auch, Frau Bulmahn, zu einer
wirklichen Reform, wie die F.D.P. sie vorgelegt hat.
] [SPD]: Man
merkt es nur nicht!)
Setzen Sie Pflöcke: Schaffen Sie das Beamtentum an den
Hochschulen ab.
Stellen Sie Universitäten und Fachhochschulen gleich,
weiten Sie die leistungsbezogenen Elemente im Gehalt
aus, führen Sie die Juniorprofessuren ein, aber ohne die
bewährte Habilitation gleich gänzlich abzuschaffen, und
lösen Sie sich von Ihrer geradezu tödlichen Fixierung auf
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Steffen Kampeter
13466
die Kostenneutralität. Eine wirkliche Reform, Frau
Bulmahn, kostet Geld und ist mit kosmetischen Repara-
turen nicht zu schaffen.
Das weiß man natürlich auch in Ihrer Fraktion, deswe-
gen war die Begeisterung – Frau Klemmer hat es soeben
vorgetragen – in Ihren eigenen Reihen über die Steigerung
der Mittel für den Hochschulbau nicht verwunderlich.
Sie stellen im Haushaltsjahr 2001 2,215 Milliarden DM
ein. Was heißt das aber in der Praxis? Viele Bundesländer,
besonders im Osten, können die 50-prozentige Kofinan-
zierung gar nicht erbringen. Entsprechend fließen die Mit-
tel in diese Länder überhaupt nicht ab. Dies muss man vor
dem Hintergrund des vom Wissenschaftsrat ermittelten
enormen Investitionsstaus gerade in Ostdeutschland se-
hen.
Gewinner sind die westlichen Länder, nämlich Baden-
Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern.
Wenn Sie das nicht ändern, Frau Bulmahn, zementieren
Sie einen Hochschulbau der zwei Geschwindigkeiten.
Wir haben in unserem Antrag – es ist ein schöner
F.D.P.-Antrag – ein Hochschulsonderprogramm gefor-
dert, das die Kofinanzierung zugunsten der Länder ver-
schiebt.
Mit diesem Sonderprogramm knüpfen wir übrigens an die
alten möllemannschen Erfolgszeiten an, Herr Tauss.
Der Bund muss sich stärker engagieren. Was haben Sie
getan? – Sie haben das abgelehnt.
Besonders enttäuscht hat mich allerdings Ihr Ein-
knicken beim BAföG. Mit der 21. Novelle sollte doch
eine Systemumstellung hin zu einer elternunabhängigen
Förderung und zu einer Veränderung des Verhältnisses
von Zuschuss und Darlehen für Geförderte aus einkom-
mensschwachen Familien erreicht werden. Nichts ist da-
raus geworden. Stattdessen haben Sie den Betrag in der
Spitze um 75 DM – das muss man sich einmal auf der
Zunge zergehen lassen – angehoben und die Freibeträge
gesenkt. Sie haben eben nicht den großen Wurf für eine
Absicherung unserer Studierenden gemacht, sondern nur
ein kleines Reparaturnovellchen auf die Schiene gebracht.
Die F.D.P. hat einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.
Wir wollen eine einkommensunabhängige Grundförde-
rung von 500 DM, eine einkommensabhängige Ausbil-
dungsbeihilfe von maximal 350 DM und ein unverzinsli-
ches Darlehen von bis zu 750 DM. Diese Gelder sollen di-
rekt an die Studierenden ausgezahlt werden.
Ich freue mich, dass in den Reihen der CDU in dieser
Frage offensichtlich eine leichte Lockerung entsteht. Wir
werden gleich sehen, wer wie abstimmt.
Wir behandeln die Studierenden als mündige Erwach-
sene, die selbst über ihren Ausbildungsgang entscheiden.
Das soll nicht nur beim BAföG so sein. Das wollen wir
auch mit unserem Bildungsscheck-Modell. Denn Studie-
rende sind Kunden der Hochschulen. Das müssen wir, die
Politiker, organisatorisch untermauern. Jeder Abiturient
soll mit seinem Bildungsscheck an die Hochschule seiner
Wahl gehen dürfen. Dorthin sollen die Gelder fließen.
Dann müssen die Hochschulen um die Studierenden, die
Kunden, konkurrieren. Wettbewerb ist ein uraltes libera-
les Grundverständnis, beflügelt das Geschäft und hebt die
Qualität.
Ich bin froh, dass diese alte Händlerweisheit inzwi-
schen auch bei der Bund-Länder-Kommission und sogar
bei einem leibhaftigen Landesminister Gehör gefunden
hat. Die Damen und Herren von der CDU werden es ge-
nauso wie ich gelesen haben: Sachsens Wissenschaftsmi-
nister spricht sich neuerdings für ein Bildungsgutschein-
system aus. Ich hoffe, Sie unterstützen uns bei dieser
Reform.
Lassen Sie mich noch einige Aspekte zum For-
schungsbereich ansprechen. In der Genomforschung und
in der Gesundheitsforschung haben Sie die Mittel erhöht,
die Projektmittel für die Genomforschung sogar um
300 Prozent. Wir begrüßen das und unterstützen Projekte
wie Bio-Chance und Bio-Profile. Wir sehen aber auch,
dass zum Beispiel bei der Gen- und Biotechnologie ein
Flaschenhals entsteht: eine erfreulich breit angelegte For-
schung mit einer durch politische Willkürmaßnahmen
verengten Anwendung.
Die Minister Fischer und Trittin blockieren bei der
Gentechnik Ihre Anstrengungen, Frau Bulmahn. Während
Sie strahlend unter dem Weihnachtsbaum auf Ihre
Genommillionen schauen, rutscht Ihnen der Knecht
Ruprecht Jürgen Trittin mit einer Kampagne für gentech-
nikfreie Schokolade durch den Kamin.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Ulrike Flach
13467
Wir lange wollen Sie noch schweigend die Kapriolen Ih-
rer Kabinettskollegen mit ansehen?