Es ist schlicht
nicht finanzierbar. Das haben wir so schon in den Ver-
merken des Kollegen Rüttgers gelesen. Sie haben es nur
nicht geglaubt.
Deshalb wundert es mich nicht, Frau Ministerin, wenn
der Bundesrat Ihrer jetzigen BAföG-Reform im Großen
und Ganzen zustimmt. Sie basiert auf den Eckpunkten un-
serer Vorschläge. Der zentrale Punkt Ihres alten Konzep-
tes ist verschwunden. Aus diesem Grunde sagen wir nur
noch: Die BAföG-Reform kommt zu spät.
Der Kollege Kampeter hat mir neulich eine Unterlage
zur Verfügung gestellt, aus der hervorgeht, dass die Mit-
tel wahrscheinlich in einer Größenordnung von 10 Pro-
zent nicht abfließen. Das heißt, die Förderquote sinkt in-
zwischen wieder. Ihre Strukturreform – eine Reform „im
System“, wie wir sie immer wollten – kommt mindestens
ein halbes Jahr zu spät.
In der Zwischenbilanz lese ich, dass die jetzige Bun-
desregierung den entscheidenden Kurswechsel vorge-
nommen hat. Nach dem, was ich gerade vorgetragen habe,
kann man den Eindruck gewinnen, dass die SPD selbst in
einigen entscheidenden bildungspolitischen Punkten ei-
nen Kurswechsel vorgenommen hat. Das Gleiche stellen
wir übrigens auch auf Landesebene fest. Dort finden wir
immer weniger SPD-Politiker, die bereit sind, Gesamt-
schulen und Orientierungsstufen zu verteidigen. Einer Ih-
rer Ministerpräsidenten will die Orientierungsstufe sogar
abschaffen.
Leider können wir nicht bestätigen, dass die wichtig-
sten Hausaufgaben auf Bundesebene inzwischen erledigt
sind. Mein Kollege hat mit Zwischenfragen schon darauf
aufmerksam gemacht, dass wir auf eine Novelle, in der
die berufliche Aufstiegsfortbildung, das so genannte
Meister-BAföG, neu geregelt wird, dringend warten. Mit
Ihren Vorschlägen für ein neues Hochschuldienstrecht
sind Sie in ein schwieriges Fahrwasser geraten. Begeistert
sind offensichtlich nur die Finanzminister der Länder. Der
Hochschulverband und der Hochschullehrerbund kritisie-
ren viel zu niedrige Grundgehälter, die irgendwo bei der
Besoldung von Oberregierungsräten und Regierungsdi-
rektoren angesiedelt sind.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesministerin Edelgard Bulmahn
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– Sie haben völlig Recht, Herr Kollege Tauss. Wir haben
hervorragende Wissenschaftler in Bayern – dazu komme
ich später noch –, aber bei den von Ihnen angebotenen
Grundgehältern laufen sie uns davon. Ich verstehe über-
haupt nicht, dass man ein neues Programm finanzieren
will, um Spitzenwissenschaftler aus dem Ausland nach
Deutschland zu holen, was ja richtig ist, hier aber gleich-
zeitig so miese Grundgehälter angeboten werden.
Frau Ministerin, es ist nicht nur so, dass ich dies nur
kritisiere, weil ich Oppositionspolitiker bin. Wir sind in
Bayern und Baden-Württemberg bereit, mehr zu finan-
zieren, weil wir das hohe Niveau unserer Hochschulen
aufrechterhalten wollen.
Sie haben im Rahmen der Dienstrechtsreform vorge-
schlagen, die Qualifikationsphase des wissenschaftlichen
Nachwuchses zu verkürzen. Das ist ein guter Vorschlag;
denn die Qualifikation dauert zu lange, die Leute sind zu
lange abhängig, können zu spät selbstständig forschen
und lehren. Deshalb werden wir Ihren Vorschlag, die Ju-
niorprofessur einzuführen, unterstützen.
– Ja, Bayern auch. Aber was Bayern nicht machen wird,
Herr Tauss – da wird die Ministerin scheitern –, ist, die
Habilitation abzuschaffen.
Dazu ist die Fächerkultur viel zu unterschiedlich.
Ich hatte erst in der letzten Woche eine große Veran-
staltung mit den Professorinnen und Professoren meiner
eigenen Universität. Wir haben einen Weg aufgezeigt, wie
man auch über die Habilitation das Ziel erreichen kann,
Berufungen mit 35 Jahren durchzuführen.
Man muss die heute überwiegend zweckentfremdeten
Stellen der wissenschaftliche Assistenten für Habilitan-
den reservieren und ihnen eine größere Selbstständigkeit
gegenüber dem Lehrstuhlinhaber einräumen.
Ich komme jetzt zum Geld. Frau Ministerin, ich werde
nicht behaupten, dass Rot-Grün bei der Finanzierung von
Bildung und Forschung total versagt; denn dann würden
mich die Leute nicht ganz ernst nehmen.
Sie aber haben dieses Problem: Ihre Ankündigungen, die
Ausgaben zu verdoppeln oder –nach der Wahl wurde hier
schon deutlich reduziert – wenigstens 1 Milliarde DM
jährlich draufzulegen, werden nicht mehr ernst genom-
men.
Ich habe mir die Haushaltsentwicklung des Einzel-
plans 30 – Bildung und Forschung – noch einmal ange-
schaut. Danach wird der Einzelplan bis zum Jahr 2003
gegenüber dem Ist des Jahres 1998 nur um 2,6 Milliar-
den DM aufgestockt. Dabei wollten Sie 5 Milliarden DM
zusätzlich für Bildung ausgeben. Auch der Wirtschafts-
minister hilft Ihnen nicht, die Bilanz aufzubessern. Er be-
handelt nämlich die Titel für Forschung und Technologie
besonders stiefmütterlich. Nach vielen Beschlüssen, jetzt
mehr in den Haushalt des Wirtschaftsministers zu geben,
beläuft sich das Plus – ich habe das nachgerechnet – ge-
genüber dem Stand von 1998 auf 150 Millionen DM. Das
ist wirklich jämmerlich. Es war offensichtlich ein Fehler
– da stimmen Sie mir wahrscheinlich zu –, Kompetenzen
in diesem Bereich an das Wirtschaftsministerium abzuge-
ben.
Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass Ihre Bilanz
in einigen Jahren noch schlechter ausschauen wird als die
Zahlen, die ich jetzt vorgetragen habe; denn eines Tages
werden Sie das Soll, also die geplanten Ausgaben, mit
dem Ist, den tatsächlichen Ausgaben, vergleichen müssen.
Dieses Haus war schon im ersten Jahr, nämlich 1999,
überhaupt nicht in der Lage, das zusätzliche Geld auszu-
geben,
und hat 236Millionen DM an den Finanzminister zurück-
gegeben.
Ich habe mir den Abfluss der Mittel in diesem Jahr ange-
schaut. Er ist ebenfalls zum Teil miserabel. Aber warten
wir einmal das Ergebnis ab. Ich fürchte, dass auch ein Teil
der jährlich zusätzlich veranschlagten 600Millionen DM,
die Sie aus den Zinsersparnissen erhalten, nicht abfließen
wird.
Es ist eigentlich eine ganz gute Idee, deutsche Spitzen-
forscher, die ins Ausland gegangen sind, zurückholen
bzw. ausländische Spitzenforscher zu uns holen zu wol-
len. Nun höre ich aber, die Mittel für Berufungen seien nur
auf drei Jahre befristet und die Verhandlungen seien
schwierig. Gehen Sie denn davon aus, dass die Forscher
in den USA auf ihren Koffern sitzen, um endlich nach
Deutschland berufen zu werden, um den Glanz unseres
Wissenschaftsstandortes zu erhöhen? Ich halte es für un-
realistisch, wenn Sie sagen, dass dieses sinnvolle Pro-
gramm schon im Jahr 2001 anlaufen kann.
Wir haben dem Bundesforschungsbericht entnommen,
dass die Dichte an Forschungs- und Entwicklungsperso-
nal in den neuen Bundesländern etwa halb so groß ist wie
bei uns in Westdeutschland. Deshalb sind wir durchaus
dafür, Wachstumskerne in den neuen Bundesländern zu
finanzieren. Aber Sie wollen immer um jeden Preis
schnell neue Programme, um die Presse mit neuen Ideen
zu füttern. Wir gehen davon aus, dass Ihre zuständigen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Gerhard Friedrich
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Mitarbeiter im Herbst nächsten Jahres im Ministerium sit-
zen und nach Ausschreibung, Vorlage und Prüfung von
Konzepten händeringend Leute suchen werden, die in der
Lage sind, das Geld noch im Jahr 2001 auszugeben.
Es fehlt dieser Haushaltspolitik an Kontinuität. Man
kann die Mittel nur kontinuierlich nach oben entwickeln.
Bei Ihnen treten die Finanzminister abwechselnd aufs Gas
und auf die Bremse, und die Bildungsministerin ver-
schärft die Probleme dadurch, dass sie nicht prüft, wo
Geld schnell und wirksam ausgegeben werden kann, und
sich stattdessen nur bemüht, die Medien mit neuen Ideen
zu bedienen. Manchmal wird daraus gar nichts wie bei
den Laptops; das waren nur Schlagzeilen für einige Tage.
Der Kollege Hilsberg – dem auch ich herzlich zur Er-
nennung zum Staatssekretär gratuliere – hat als letzte Tat
der „tageszeitung“, einer Berliner Zeitung, ein großes In-
terview gegeben, in dem er mitgeteilt hat, wie diese Bun-
desregierung aus den Zinsersparnissen durch die UMTS-
Milliarden jährlich 1,2 Milliarden DM mehr ausgeben
wird. Im Ankündigen sind Sie wirklich großartig. Deshalb
jubeln wir nur begrenzt, Frau Ministerin, wenn Sie, im
Gegensatz zum – nicht sehr starken – Verkehrsminister,
nur die Hälfte Ihrer Wunschliste durchgesetzt haben.
Wir haben im Fachausschuss und im Haushaltsaus-
schuss mehrere Vorschläge gemacht. Ich habe jetzt nicht
mehr die Zeit, alle zu erläutern, aber einige Punkte will ich
kurz aufgreifen.
Erstens. Die Regierung sagt zu Recht, sie müsste die
Projektmittel schneller erhöhen als die Mittel für die in-
stitutionelle Förderung. Bei der Projektförderung wer-
den die Mittel im Wettbewerb vergeben. Daher ist das völ-
lig richtig; wir billigen das. Wir meinen aber, dass man,
wenn man mehr Geld zur Verfügung hat, zunächst einmal
die globale Minderausgabe streichen sollte, weil diese nur
im Bereich der Projektförderung erwirtschaftet werden
kann.
Zweiter Punkt. Wo kann man Geld schnell und sinnvoll
ausgeben? Sie haben den Ansatz für den Hochschulbau
erhöht. Das ist gut; aber hier könnte man noch wesentlich
mehr machen. Den Unterlagen des Hauses von Frau Mi-
nisterin Bulmahn entnehme ich, dass der Bund zurzeit bei
den kleineren laufenden Projekten – die Vorfinanzierung
aus Bayern erwähne ich dabei gar nicht; die größeren
Brocken kommen, glaube ich, erst im Jahr 2004 oder spä-
ter als Rechnung nach Berlin – Schulden in Höhe von
etwa 1 Milliarde DM hat. Wir schlagen vor, diese Schul-
den schneller abzutragen.
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz hat uns
mitgeteilt, dass im Bereich der Großgeräte ein hoher
Reinvestitionsbedarf besteht. Da könnte man schnell und
sinnvoll Geld ausgeben.
Für die Genomforschung schlägt die Koalition ge-
meinsam mit der Ministerin eine Aufstockung der Mittel
um 100 Millionen DM vor. Wir haben bereits im letzten
Jahr 200 Millionen DM jährlich mehr beantragt, nicht
weil da unsere Fantasie mit uns durchgegangen wäre, son-
dern weil das dem Vorschlag der Deutschen Forschungs-
gemeinschaft entspricht. Da sind Ihre Ansätze zu niedrig.
Ich füge hinzu: Wir wollen das zusätzliche Geld nicht
nur für die Humangenomforschung einsetzen, sondern
auch für die Pflanzengenomforschung. Es ist festzustel-
len, dass in einem Teil der Bundesregierung und der Ko-
alition durchaus die Bereitschaft vorhanden ist, auch die-
sen Forschungsbereich zu fördern. Vielleicht wollen
unsere Bürgerinnen und Bürger das gar nicht; denn bei
uns gibt es genügend Lebensmittel. Aber für die Welt-
ernährung brauchen wir das Ganze dringend.
Deshalb wiederhole ich: Auch die Pflanzengenomfor-
schung muss gestärkt werden.
Ich habe jetzt nur noch Zeit, auf das Märchen einzuge-
hen, dass gemäß Ihrem Zwischenbericht CDU und CSU
– wahrscheinlich meinen Sie auch die F.D.P. – nicht in der
Lage seien, Forschung und Technologie sinnvoll voranzu-
bringen und entsprechende Marktchancen zu nutzen. Ich
habe mir einmal den Bundesforschungsbericht 2000,
der aus Ihrem Hause stammt, angeschaut und finde dort
schöne Zahlen, die das widerlegen. Auf Seite 109 sind An-
gaben dahin gehend zu finden, wie groß in der Wirtschaft
der Umfang des Personals für Forschung und Entwick-
lung in den einzelnen deutschen Ländern ist. Dazu ist dort
zu lesen:
In den neuen und alten Ländern ergibt sich überein-
stimmend eine Konzentration auf die Länder im Sü-
den. Baden-Württemberg und Bayern vereinigen
mehr als die Hälfte des FuE-Personals der alten Län-
der auf sich. In den neuen Ländern arbeiten allein
45,6 Prozent der FuE-Beschäftigten in Sachsen,
– herzlichen Glückwunsch dem Kollegen Schmidt –
weitere 19,6 Prozent in Thüringen.
Dann habe ich mir angeschaut, wo das meiste Geld für
Forschung und Entwicklung ausgegeben wird: Baden-
Württemberg hat einen Bevölkerungsanteil von 12,7 Pro-
zent. Dort werden 23,5 Prozent aller in Deutschland für
FuE veranschlagten Mittel ausgegeben. Bayern hat einen
Bevölkerungsanteil von 14,8 Prozent. Dort werden
20 Prozent aller für FuE veranschlagten Mittel aus-
gegeben.
Frau Präsidentin, ich stelle deshalb abschließend fest:
Dort, wo die CDU oder die CSU regiert, fühlt sich die for-
schende Industrie, fühlen sich Wissenschaftler an Univer-
sitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen
besonders wohl.
Vielen Dank.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Dr. Gerhard Friedrich
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