Frau Ministerin, sind
Sie bereit, der Wahrheit die Ehre zu geben,
indem Sie anerkennen, dass der unverhoffte Geldsegen,
der im Moment die Regierung erreicht, nicht zuletzt der
Politik der Minister Waigel und Bötsch insofern zu ver-
danken ist,
als diese beiden Herren gegen das erklärte Votum der
damaligen Landesfürsten Schröder und Eichel – zum Teil
geben sie es wohl zu – die Privatisierung im Post- und
Telekommunikationswesen durchgesetzt haben?
Vor diesem Hintergrund ist es sehr erstaunlich, dass für
den Bereich Bildung und Forschung jetzt 1,1 Milliar-
den DM, aber im Bereich Verkehrswesen für die Infra-
struktur über 3 Milliarden DM mehr fließen. Ich muss
also die Frage stellen, ob die Infrastruktur des Wissens
nicht sehr mangelhaft gefördert wird.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Herr Lensing, gerade weil wir davon
überzeugt sind, dass Wissen, Qualifikation und Ausbil-
dung das Wichtigste sind, das ein Mensch und die Ge-
sellschaft besitzen können, haben wir die Ausgaben für
Bildung und Forschung immens erhöht.
Dieser Haushalt stieg seit 1998 um 2,5 Milliarden DM.
Wir erhöhen den Etat in diesem Jahr um 9,5 Prozent.
Stephan Hilsberg – ich freue mich auf die Zusammen-
arbeit mit ihm – muss in seiner Funktion als Staatssekre-
tär im Verkehrsministerium sagen, dass der Haushalt für
Verkehr leider nicht steigt. Mit den zusätzlichen Mitteln
wird nur erreicht, dass es keine größere Absenkung gibt
und der Plafond nur gehalten wird.
Wir setzen also mit dem Haushalt für den Bildungsbe-
reich das Signal, dass uns Bildung und Forschung beson-
ders wichtig sind. Im Gegensatz zur Opposition reden wir
nicht nur, sondern handeln. Das ist der entscheidende
Punkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
ich sehe durchaus Ihre Schwierigkeit, uns, wie Sie es mit
Ihren bildungspolitischen Leitsätzen versuchen, vom
führenden Platz zu vertreiben. Ich sage Ihnen klar, dass
ich Ihre Erfolgsaussichten so ähnlich einschätze wie beim
Wettrennen von Hase und Igel.
Sie haben hier wieder gefordert, die Bildungspolitik
müsse Priorität haben. Dieser Grundsatz ist bei uns, wie
ich eben erläutert habe, seit zwei Jahren praktische Poli-
tik.
Ich kann mir ein Schmunzeln wirklich nicht verknei-
fen: Nachdem Sie über Jahre dieses Ressort vernachläs-
sigt und den Etat immer weiter heruntergefahren hatten,
dreht sich Ihre Politik in der Opposition – zumindest ver-
bal – um 180 Grad. Ich kann in Anspielung auf das eben
erwähnte Wettrennen nur sagen: Wir sind schon da.
Aber auch das ist klar: Ans Ziel kommt man nicht al-
lein durch den Einsatz großer Summen. Man muss auch
intelligente Strategien entwickeln.
Auch das lehrt uns die Geschichte von Hase und Igel. Ich
werde dazu noch einige Beispiele aus der Bildungs- und
Forschungspolitik anführen.
Unsere Erhöhung der Investitionen in Bildung und
Forschung hat insbesondere zwei Ziele:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Bundesministerin Edelgard Bulmahn
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Erstens. Wir wollen die soziale Schieflage, die Sie,
meine Damen und Herren von der Opposition, zu verant-
worten und die Sie uns vererbt haben, beseitigen.
Zentrale Punkte für die Herstellung der Chancengleich-
heit sind unsere BAföG-Reform, die Investitionen in
berufliche Bildung, die Angleichung der Lebensver-
hältnisse in Ost und West sowie die Förderung von
Frauen. Mit diesen Initiativen, die wir gestartet haben,
schaffen wir ein tragfähiges Fundament für die gesamte
Gesellschaft. Wir erreichen damit weiterhin, dass wir das
gesamte Potenzial an Begabungen, das es in unserem
Land gibt, ausschöpfen und nicht brach liegen lassen, wie
es in den vergangenen Jahren der Fall war.
Zweitens: Ich habe Schluss gemacht mit der Förderpo-
litik nach dem Gießkannenprinzip und einer Förderphilo-
sophie nach dem Prinzip: „more of the same“ .
Wir setzen Schwerpunkte
und konzentrieren uns auf zentrale Zukunftsfelder, wie
zum Beispiel die Lebenswissenschaften, die Informa-
tionstechnologie, die Mikrosystemtechnik und die Nano-
technologie. Das sind die Forschungsfelder, auf die wir
uns konzentrieren müssen. Wir brauchen sie, damit unsere
Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt und unsere jungen
Leute Berufsperspektiven und -chancen haben. Genau das
leisten wir.
Wir erhöhen damit unsere internationale Wettbewerbs-
fähigkeit und schaffen leistungsfähige Wirtschafts- und
Forschungsstrukturen.
Das sind keine vagen Absichtserklärungen, sondern
das haben wir umgesetzt. Wir haben Fakten geschaffen. In
der Fabel von Hase und Igel würde der Igel sagen: Wir
sind schon da; während Sie noch darüber reden und for-
dern.
Zunächst zur Chancengleichheit: Allein für die
BAföG-Reform mobilisieren wir 1 Milliarde DM pro
Jahr zusätzlich, um endlich soziale Gerechtigkeit herzu-
stellen. Frau Flach, Sie haben völlig Recht: Reformen
kosten Geld. Sie haben sie nie umgesetzt, aber wir tun das.
Zu Ihnen, Herr Kampeter, kann ich leider nur sagen:
Sie sind der lebendige Beweis für Mängel beim mathe-
matischen Unterricht.
Denn wenn Sie sich die Haushaltszahlen anschauen, die
Sie als Haushälter kennen müssten, dann wüssten Sie,
dass für das BAföG im Jahre 1994 2,270 Milliarden DM
vorgesehen waren. 1998, im letzten Jahr Ihrer Regierung,
waren es noch 1,475 Milliarden DM. Das haben Sie mit
dem BAföG gemacht. Deshalb kann ich nur sagen: Bitte
Zahlen lesen und Zahlen verstehen!
Während Ihrer Regierungszeit haben Sie das BAföG
durch diese Kürzungen leider in Grund und Boden ge-
wirtschaftet,
mit dem Ergebnis, dass die Zahl der BAföG-Geförderten
um sage und schreibe 44 Prozent gesunken ist.
Für Sie ist Chancengleichheit nur noch ein Wort. Mit der
Reform der Ausbildungsförderung erhöhen wir die Frei-
beträge und Bedarfssätze, und zwar nicht nur, Frau Flach,
um 75 DM; da bitte ich, korrekt zu sein.
Wir erhöhen sie zusätzlich um 135 DM, weil wir das
Kindergeld nicht mehr gegenrechnen, wie Sie das getan
haben.
Das heißt, nach Adam Riese handelt es sich um 210 DM.
Das ist die Realität. Ich bitte, wirklich einmal bei der
Wahrheit zu bleiben und nicht einfach falsche Dinge zu
behaupten.
– Nein, das ist Fakt. Herr Kampeter, wenn Sie noch nicht
einmal in der Lage sind, die Absenkung des BAföG von
2,270 Milliarden DM auf 1,475 Milliarden DM zuzu-
gestehen, sondern das als Erhöhung verkaufen wollen,
kann ich nur sagen: Das ist ein Mangel an Souveränität.
Wir erhöhen die Bedarfssätze.