Rede von
Dr.
Rudolf
Seiters
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich schließe
die Aussprache.
Wir kommen nun zu einer Reihe von Abstimmungen.
Zunächst stimmen wir über die Änderungsanträge ab.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4790. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Än-
derungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei
Enthaltung von F.D.P. und PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4791. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Än-
derungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis
wie zuvor abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Frak-
tion der F.D.P. auf Drucksache 14/4830. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Jörg Tauss
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Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4831. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von F.D.P.
und PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4832. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
men der Opposition abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4834. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die übri-
gen Stimmen des Hauses abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4824. Wer stimmt dafür? Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der
PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4825. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4826. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor
abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4827. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4828. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4833. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
men von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS
abgelehnt.
Abstimmung über den Einzelplan 30 in der Ausschus-
sfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen.
– Das Abstimmungsergebnis hing bestimmt mit der Rede
von Herrn Tauss zusammen.
Ich rufe auf:
III. 24 Haushaltsgesetz 2001
– Drucksachen 14/4522, 14/4523 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Christa Luft
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung.
Zunächst stimmen wir über einen Änderungsantrag der
Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4829 ab. Wer
stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von
F.D.P. und CDU/CSU bei Enthaltung der PDS abgelehnt.1)
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/
CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen.2)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Un-
terrichtung durch die Bundesregierung „Finanzplan des
Bundes 2000 bis 2004“, Drucksachen 14/4001, 14/4301
und 14/4524. Der Ausschuss empfiehlt Kenntnisnahme.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Keine Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-
stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus-
haltsjahr 2001
– Drucksachen 14/4000, 14/4302, 14/4501 bis
14/4520, 14/4521, 14/4522, 14/4523 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
13486
1, 2) siehe Anlage 2
Es liegen sechs Entschließungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, sechs Entschließungsanträge der Fraktion der
F.D.P. und zwei Entschließungsanträge der Fraktion der
PDS vor. Über den Gesetzentwurf sowie zwei Ent-
schließungsanträge der Fraktion der F.D.P. und einen Ent-
schließungsantrag der Fraktion der PDS werden wir spä-
ter namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Adolf Roth.
Adolf Roth (CDU/CSU) (von Abgeordneten
der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Be-
ginn der dritten Lesung des Bundeshaushaltes 2001 lassen
Sie mich zunächst in meiner Funktion als Vorsitzender des
Haushaltsausschusses die Gelegenheit wahrnehmen, all
unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausschuss-
sekretariat, in den Fraktionsarbeitsgruppen, in unseren
Büros, beim Bundesrechnungshof und in den Ministerien
ein herzliches Dankeschön für die konstruktive Zusam-
menarbeit unter schwierigen Bedingungen zu sagen.
Wir haben den Haushalt 2001 termingerecht in der parla-
mentarischen Beratungsrunde abschließen können. Den
an der Stirnseite unseres Plenarsaales anwesenden tüchti-
gen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschuss-
sekretariats möchte ich meinen besonderen Dank und
meine Anerkennung aussprechen.
Wir haben nach wochenlangen Berichterstatter-
gesprächen und Einzelberatungen am Ende über insge-
samt 1 240 parlamentarische Initiativen, Vorschläge der
Berichterstatter, Plus-Minus-Listen der Ministerien und
Ini-tiativen bis zur Bereinigungssitzung zu beraten und
abzustimmen gehabt. Wir haben es am Ende geschafft. Ich
denke, dass wir uns letztmalig den äußerst schwierigen
Arbeitsbedingungen in der Luisenstraße aussetzen muss-
ten und nach einem, wie ich hoffe, pünktlichen Umzug ins
Paul-Löbe-Haus
wieder eine attraktivere Arbeitsatmosphäre haben wer-
den.
Auf die Frage, wie wir das überhaupt hinbekommen
haben, kann ich nur antworten: Der Indianer kennt keinen
Schmerz.
Außerdem haben wir in der Rotstiftzone des Parlaments,
wie jeder weiß, auch eine besondere Streit- und Parla-
mentskultur. Wenn wir uns durch die Bereinigungssitzung
durchgekämpft haben, in der der letzte Krach beigelegt
und die letzten Auseinandersetzungen beendet werden
müssen, dann trinken wir zum Abschluss gemeinsam ei-
nen Schnaps und schauen uns auch wieder in die Augen.
So gehört es sich unter guten Haushaltspolitikern.
Meine Damen und Herren, jeder weiß, dass beim poli-
tischen Kampf um knappes Haushaltsgeld die viel be-
schworene Konsensdemokratie schnell an ihre Grenzen
stößt. Die Mehrheit wie die Minderheit im Haushaltsaus-
schuss – aus wohlbegründeter Tradition von einem Oppo-
sitionspolitiker geführt – müssen die klar definierte Posi-
tion des Parlaments gegenüber der Exekutive vertreten,
denn die Verfügung über die Finanzmittel unseres Staa-
tes obliegt der Bundesregierung nur im Bereich der poli-
tischen Initiative. Das Bewilligungsrecht und die Pflicht
zur Kontrolle liegen beim Parlament. Ich denke, wir ha-
ben allen Anlass, diese klare Kompetenzabgrenzung auch
zu verteidigen und sie durch niemanden aushöhlen zu las-
sen. Wir können uns keine Entparlamentarisierung der
Politik in Deutschland erlauben.
Für das Haushaltsjahr 2001 kann sich die Bundesre-
gierung ganz sicher nicht über mangelnde Generosität der
Koalitionäre im Haushaltsausschuss beklagen. Denn es ist
für mich nach langjähriger Arbeit im Haushaltsbereich
eine wirklich neue Erkenntnis, dass am Ende des parla-
mentarischen Verfahrens alle Einzelpläne der Ministe-
rien – also ohne Ausnahme – einen materiellen Aufwuchs
erfahren haben. Sie haben nicht nur die 5 Milliarden DM
kalkulatorische Zinsersparnis in Investitionen gelenkt,
sondern Sie haben noch deutlich mehr als 1 Milliarde DM
den Ressorts zusätzlich bewilligt. Das heißt, Sie haben
mehr bewilligt, als die Bundesregierung überhaupt beim
Parlament beantragt hatte.
Sie mögen sagen, die Sparsamkeit von Rot-Grün
drückt sich in einer besonderen Großzügigkeit bei der
Verteilung aus. Aber dann stehen Sie bitte auch dazu, statt
wie die Kraftprotze der neuen Konsolidierungsepoche
durchs Parlament zu laufen.
Das, was geschehen ist, hat mit Sparsamkeit im Detail
herzlich wenig zu tun gehabt.
Damit wende ich mich an den Bundesfinanzminister:
Herr Eichel, Ihr Regierungsentwurf zum Bundeshaus-
halt 2001, den Sie im Juli im Kabinett zur Verabschiedung
gebracht haben, ist, wenn man ihn nüchtern bewertet, ein
reiner Routinehaushalt ohne neue politische Markierun-
gen gewesen.
Er ist ein Fortschreibungshaushalt in einem engen Ge-
füge von Haushaltskennziffern und Entwicklungsreihen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
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Ich glaube, Sie haben das auch selber gemerkt, denn Sie
haben am Dienstag bei der Aussprache hier im Parlament
davon gesprochen, dass die unverhoffte Milliardenein-
nahme aus der Lizenzvergabe bei UMTS für Sie ein Zu-
fallsfund gewesen sei.
Das ist eine zutreffende Beschreibung. Sie wird auch
nicht dadurch relativiert, dass der Bundeskanzler am Mitt-
woch in der Aussprache hier im Parlament etwas verlegen
auf diese neue Semantik reagiert hat.
Ich glaube, es hätte überhaupt keine politische Akzen-
tuierung für das kommende Haushaltsjahr gegeben
ohne diese nach der Veräußerung der UMTS-Lizenzen zu-
sätzlich bewilligten Milliarden.
Ich füge hinzu, Herr Minister Eichel: Sie profitieren
hier unverdientermaßen
vom Erfolg der früheren Bundesregierung,
von der Reformpolitik im Bereich von Post und Telekom-
munikation. Diese Politik ist mit den Namen von Christian
Schwarz-Schilling und von Wolfgang Bötsch verbunden,
aber ganz gewiss nicht mit Ihrem Namen. Deshalb kassie-
ren Sie hier eine Dividende, die Ihnen nicht zusteht,
im Gegenteil: Mit Ihrem Namen und mit dem Namen des
Bundeskanzlers ist die politische Absage an diese Libera-
lisierungspolitik und deren Bekämpfung verbunden ge-
wesen, denn Sie haben seinerzeit gegen die Privatisierung
im Bereich der Post gestimmt.
Stehen Sie dazu!
Natürlich gehört die Verwendung dieser Zinserspar-
nisse im investiven Bereich zu den Optionen, die sich
aus der Entwicklung ergeben haben, aber ich weise da-
rauf hin: Die Deutsche Bundesbank und auch die Sach-
verständigen haben diesen Weg als den eher zweitbesten
eingestuft. Sie, Herr Eichel, haben am Dienstag dem Par-
lament gesagt, etwas anderes sei politisch nicht durch-
setzbar gewesen, etwa eine zusätzliche Schuldentilgung,
wie sie ja selbst in Teilen der Koalition ursprünglich be-
absichtigt gewesen war.
Ich glaube, Sie räumen damit ein, dass Sie die uner-
warteten UMTS-Einnahmen aus der Verlegenheit befreit
haben, selbst und aus eigener politischer Initiative einen
qualitativen Umbau der Haushaltsstruktur hin zu mehr in-
vestiven und zukunftsorientierten Ausgaben vorzuneh-
men. Das ist die Situation gewesen.
Wenn es zutrifft, dass der Kern des Haushaltes, den wir
heute nach dem Ende der parlamentarischen Beratungen
verabschieden, auf einem Zufallsfund auf der Einnahme-
seite basiert, dann kann ich nur sagen: Dieser Bundes-
haushalt ist ein Zufallsprodukt der Bundesregierung und
fügt sich in den Rahmen der Beliebigkeit Ihrer übrigen
Entscheidungen ein.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen
Punkt hinzufügen. Ich glaube, dass die Sondertilgung für
die Erblastschulden und für die Verbindlichkeiten im Zu-
sammenhang mit der Währungsumstellung in Höhe von
100 Milliarden DM zu der Überlegung hätte führen müs-
sen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt für eine weitere Absen-
kung des Solidaritätszuschlages auf etwa 4 Prozent ge-
kommen ist. Bei den Beratungen zum Solidarpakt
1993/94, an denen Sie ja teilgenommen haben, ist der So-
lidaritätszuschlag dem Bund als ein befristeter Ausgleich
für
den Schuldendienst nach der Übernahme der DDR-Schul-
denlast zugewiesen worden. Er hat mit dem Aufbau Ost,
wie Sie sehr wohl wissen, überhaupt nichts zu tun.
Er wird von den Steuerzahlern in Ost und West finanziert.
Das ist die Situation.
Herr Minister Eichel, Sie sind jetzt eineinhalb Jahre im
Amt. Nach dem für Sie überraschenden Aufgabenwechsel
haben Sie in Berlin früher vertretene Positionen deutlich
korrigieren müssen. Das wirft Ihnen niemand vor. Aber
wir müssen Sie daran erinnern, dass Sie damals in den
90er-Jahren in Ihrer Funktion als Ministerpräsident – Sie
waren sozusagen das Gegengewicht im Bundesrat – ge-
gen die „Kaputtsparer“ in Bonn operiert haben.
Hätten Sie damals nicht so schamlos eine solche Ob-
struktions- und Blockadepolitik betrieben, wären wir in
Deutschland weiter, weil einige der Probleme, mit denen
auch Sie sich heute herumschlagen müssen, längst gelöst
wären.
Ich werfe Ihnen vor, dass Sie bis heute nicht zu einem
fairen Gesamturteil über die Finanzpolitik der 90er-Jahre
gekommen sind. Sie fuchteln bei jeder sich bietenden Ge-
legenheit mit Grafiken herum und argumentieren mit
endlosen Zahlenkolonnen gegen die damalige Politik. Ich
denke, das ist weder souverän noch sachgerecht. Sie wer-
den aber damit den Stolz der CDU/CSU und den Stolz der
Deutschen in Ost und West auf den Erfolg der Aufbauar-
beiten nach der glücklichen Wiedervereinigung nicht
schmälern können. Es wäre an der Zeit, dass Sie ein fai-
res Urteil über diese Politik wenigstens ansatzweise in das
Bild der Vergangenheit einfügen könnten.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Adolf Roth
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Ich sage Ihnen noch einmal – wir werden diesen Stand-
punkt immer wiederholen –: 1982, zum Ende der SPD-ge-
führten Bundesregierung, betrug das staatliche Finanzie-
rungsdefizit in Deutschland 4,4 Prozent. Das entspräche in
heutigen Kategorien des Bruttoinlandsprodukts einer
Summe von 180Milliarden DM. Wir hatten bis zum Jahre
1989 dieses Finanzierungsdefizit in einen gesamtstaatli-
chen – kleinen – Überschuss verwandelt, der uns in die
Lage versetzt hat, die Lasten der Wiedervereinigung zu
meistern. Am Ende unserer Regierungszeit 1998 war das
Finanzierungsdefizit wieder auf 1,5 Prozent abgeschmol-
zen, also auf ein Drittel des Finanzierungsdefizits, das die
sozialdemokratische Bundesregierung 1982 hinterlassen
hat.
Wir hatten die niedrigste Ausgabenquote des Bundes
und eine sinkende Staatsquote. Außerdem hatten wir die
niedrigste Steuerquote in unserer Geschichte. Alle diese
Punkte müssen in diesem Zusammenhang erwähnt wer-
den.
Wenn Sie heute beklagen, dass die Finanzierung des
Bundes eine Schieflage aufweist, dann muss ich sagen,
dass das zutreffend ist. Aber ich frage Sie hier erneut: Wen
wollen Sie eigentlich anklagen? Bei wem wollen Sie
Empörung hervorrufen? Sie waren doch als Koordinator
der SPD im Bundesrat höchstpersönlich maßgeblich da-
ran beteiligt, gegen die entsprechenden Entscheidungen
anzugehen.
Sie haben also die Konsequenzen selbst zu verantworten.
Wir sind, wie die Zahlen des Haushaltes ausweisen,
längst wieder in ruhigeres Fahrwasser gekommen. Die
Einnahmeseite hat sich kräftig verbessert. Wir haben
55 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen als 1998.
Zwischen 1998 und 2005 wird allein der Bund voraus-
sichtlich über 100 Milliarden DM zusätzlich Steuern ein-
nehmen. Gleichzeitig erzählen Sie den Leuten, im Jahre
2005 müssten sie 95 Milliarden DM weniger Steuern zah-
len als 1998. Wie Sie aus dieser Rechenformel eine poli-
tische, qualitative Aussage machen wollen, müssen Sie
dem deutschen Volk und dem Parlament erst noch erklä-
ren.
Sie reden oft und gern von Gerechtigkeit. Ich sage Ih-
nen: Die Willkürlichkeit Ihrer Steuerpolitik ist die subtils-
te Form der Ungerechtigkeit in unserem Land. Sie räumen
den großen Kapitalgesellschaften der Industrie bessere
Steuerbedingungen ein als den arbeitenden Menschen und
den persönlich haftenden Unternehmern des Mittelstan-
des. Das ist ein Skandal.
Angesichts dessen können wir nicht zur Tagesordnung
übergehen. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung für
sämtliche Arbeits- und Unternehmenseinkommen, unab-
hängig von der Rechtsform und unabhängig von Erzie-
lung und Verwendung dieser Einkommen – diese Frage
von Recht und Gerechtigkeit bleibt auf der Tagesordnung
der deutschen Politik. Wir werden uns spätestens im
nächsten oder übernächsten Jahr bei dieser Diskussion
wiederfinden.
Weltweit zeichnet sich heute ein grundlegender Mei-
nungswandel ab, den man als Abkehr vom staatlichen Ak-
tivismus und Wiederentdeckung marktwirtschaftlicher
Erfolgsprinzipien, gerade auch im Sinne einer effiziente-
ren Sozialordnung, beschreiben kann. Nach dem endgül-
tigen Fehlschlag sozialistischer ökonomischer Systeme
beginnt eine neue Phase der sozialen Marktwirtschaft.
Das ist das zentrale Programm der CDU/CSU als Oppo-
sition im Deutschen Bundestag.
Herr Minister Eichel, Sie haben vor den Studenten der
Humboldt-Universität kürzlich die Ordnungsprinzipien
der sozialen Marktwirtschaft und die geistige Tradition
ihrer freiheitlichen Denker und Wegbereiter positiv her-
vorgehoben. Ich habe das mit Genugtuung zur Kenntnis
genommen; denn ich erinnere mich sehr wohl an den er-
bitterten Kampf in den 50er-Jahren gegen die Politik
Ludwig Erhards, wie er gerade von der SPD betrieben
worden ist.
Die haushaltspolitische Kurskorrektur von 1999 hätte
wahrscheinlich auch dann viele Menschen überrascht und
Aufmerksamkeit erregt, wenn sie nicht nur ein Befrei-
ungsschlag nach dem totalen Scheitern in der Amts-
führung Ihres Vorgängers, Oskar Lafontaine, gewesen
wäre. Herr Lafontaine mischt sich quasi täglich mit seiner
grollenden Kritik an Ihrer Amtsführung in die öffentliche
Diskussion ein, auch wenn er nicht einmal mehr bei sei-
ner kleinen Saar-SPD als Gutachter akzeptiert wird.
Zumindest ehrlich war er in einem Punkt: Er hat nie
weniger Staat gewollt. Aber sofern sich nach seinem Weg-
gang die Fassade Ihrer Politik verbessert hat, stellen sich
doch die Fragen: Haben wir heute eigentlich weniger Re-
gulierung? Haben wir weniger Staat? Haben wir weniger
Abgaben und Steuern? Diese Fragen werden Kernpunkte
der Auseinandersetzung in der Zukunft sein. Mit Grund-
satzerklärungen werden Sie diese Probleme nicht bewäl-
tigen. Sie haben einen langen, steinigen Weg vor sich;
auch im Hinblick darauf, dass Sie die von Ihnen verkün-
deten Grundsätze Ihrer Politik in Ihrer eigenen Fraktion
durchsetzen müssen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zeit drängt. Wir werden
mit dem Haushalt 2001 bei den grundlegenden Reformen
und insbesondere bei der Reform der Finanzverfassung in
Deutschland Chancen verspielen. Weil das so ist, können
wir dieser Politik kein politisches Vertrauen entgegen-
bringen. Wir lehnen diesen Bundeshaushalt 2001 in der
dritten Lesung ab.