Sehr geehrte Frau Präsiden-
tin! Meine Damen und Herren! Herr Kampeter, als ich
Ihre Ausführungen gehört habe, habe ich mich zum wie-
derholten Male in diesem Hause gefragt: Was haben Sie
in den letzten Jahren eigentlich getan? Warum haben Sie
all diese Vorschläge, die Sie heute vorlegen, nicht längst
umgesetzt, anstatt jetzt die Bundesregierung zu kritisie-
ren?
– Nicht dass wir uns falsch verstehen, lieber Herr Tauss.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Matthias Berninger
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Ich will mich nun mit dem Haushalt auseinander set-
zen und eingangs ein sehr deutliches Wort an Sie, Frau
Ministerin, richten. Wenn wir alle ehrlich sind, dann müs-
sen wir zugeben, dass die Aufstockung im Einzelplan 30
keineswegs in erster Linie das Ergebnis einer Setzung po-
litischer Prioritäten durch die Bundesregierung ist. Sie
wissen wie wir alle, dass die Versteigerung der UMTS-
Mobilfunklizenzen im Sommer unerwartet einen Betrag
in Höhe von rund 100 Millionen DM –
– Entschuldigung, 100 Milliarden DM; über Peanuts rede
ich später – in den Bundeshaushalt gespült hat. Das ist
mehr als ein Fünftel des gesamten Haushaltsvolumens.
Ihre politische Vorgabe lautet, diesen Betrag komplett zur
Schuldentilgung einzusetzen und zusätzliche politische
Vorhaben allenfalls aus den daraus resultierenden Zins-
ersparnissen zu finanzieren. Die PDS hat dies kritisiert;
ich will das heute nicht wiederholen.
Aber selbst von den rund 5 Milliarden DM an einge-
sparten Zinszahlungen kommen im Haushaltsjahr 2001
gerade einmal 600 Millionen DM, also nur ein gutes
Zehntel, im Bildungs- und Forschungsetat an. Dabei hat
noch am 21. September dieses Jahres Ihr Staatssekretär
Catenhusen erklärt, die Bundesregierung wolle über
1 Milliarde DM aus den eingesparten Zinszahlungen in
Bildung und Forschung investieren. Schon am 7. Novem-
ber war diese Milliarde auf 600 Millionen DM ge-
schrumpft. Investitionen in Beton statt in Köpfe – so
scheint die haushaltspolitische Devise der Bundesregie-
rung zu lauten.
– Denken Sie nur an die umfangreichen Straßenbau-
vorhaben, Frau Klemmer.
Mit der häufig beschworenen Bildungsoffensive hat das
meiner Meinung nach wenig zu tun.
Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf geht ein
großes bildungspolitisches Versäumnis einher. Diesen
Vorwurf muss sich die Bundesregierung gefallen lassen.
Sie nimmt den erweiterten finanziellen Handlungsspiel-
raum eben nicht zum Anlass, zu einer qualitativen Er-
neuerung der Bildungs- und Wissenschaftspolitik zu
kommen.
Beispiel Hochschuldienstrecht: Völlig unverständ-
lich ist mir, warum sich Ihr Projekt einer Reform des
Hochschuldienstrechts in keiner Weise haushaltspolitisch
niederschlägt. Wir befinden uns inmitten eines umfassen-
den Generationswechsels in der Hochschullehrerschaft.
Die Dienstrechtsreform muss unmittelbar nach In-Kraft-
Treten auch wirklich umgesetzt werden. Aus diesem
Grund fordert die PDS heute, ein „Sonderprogramm Ju-
niorprofessuren“ in den Haushalt aufzunehmen.
Damit kann die flächendeckende Einführung dieser neuen
zukunftsweisenden Personalkategorie realisiert werden,
ohne dass Nachwuchswissenschaftler über viele Jahre auf
das Freiwerden der bisherigen Assistentenstellen warten
müssen. Das dazugehörige inhaltliche Konzept für eine
Reform der Personalstruktur an Hochschulen und
Forschungseinrichtungen hat die PDS-Bundestagsfrak-
tion ja bereits im Juli 2000 vorgelegt.
Beispiel BAföG-Reform:Die PDS-Fraktion hat einen
Änderungsantrag vorgelegt, in dem vor allem eines deut-
lich gezeigt wird: Mit einem vergleichsweise bescheide-
nen Mehraufwand von 700 Millionen DM ließe sich
schon im kommenden Haushaltsjahr ein Einstieg in eine
wirkliche strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförde-
rung finanzieren. Es wäre möglich, allen Studentinnen
und Studenten bereits ab 1. April 2001 eine elternunab-
hängige Sockelförderung in Höhe von 500 DM monatlich
auszuzahlen, zusätzlich zu den von der Bundesregierung
geplanten Leistungsverbesserungen.
Eine solche Strukturreform haben Sie selbst, Frau Minis-
terin, noch Anfang des Jahres versprochen.
Es gibt gute Gründe hierfür, wie Ihnen nicht nur die PDS-
Fraktion, sondern auch das Deutsche Studentenwerk und
die Hochschulrektorenkonferenz bestätigen können. Aber
wo kein Wille ist, ist eben auch kein Weg. Heute wollen
Sie davon nichts mehr wissen und versäumen die Chance
zu einem echten Quantensprung in der BAföG-Reform.
2:0 für Bildung und Forschung? Zwischen Bildung und
Forschung oder Forschung und Bildung? Forschung und
ein bisschen Bildung – so kann Ihr Programm wohl am
treffendsten charakterisiert werden. Auch hier stimmt die
Richtung nicht. Wie ist es sonst zu erklären, dass allein ein
Sechstel des Zukunftsinvestitionsprogrammes in die Ge-
nomforschung fließen soll? Dabei zeichnet sich der vor-
liegende Haushaltsentwurf ohnehin schon durch eine
massive Verstärkung der Förderung der Genforschung
aus; das geschieht im Rahmen von Haushaltstiteln wie
„Molekulare Medizin“ oder „Biotechnologie“. Ausgerech-
net in Zeiten der Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/
Die Grünen weist die Forschungsförderung des Bundes
eine historisch einmalige Prioritätensetzung zugunsten
der Genforschung und zulasten sozial-ökologischer For-
schung und, speziell in der Gesundheitsforschung, zulas-
ten ganzheitlicher und an Prävention orientierter For-
schungsansätze auf.
Auch mit Ihrer so genannten Zukunftsinitiative
Hochschule betreiben Sie, wie ich meine, einen Etiket-
tenschwindel. Ein Teil der hierfür vorgesehenen Gelder
fließt nämlich gar nicht den Hochschulen zu, sondern ist
für die außeruniversitäre Forschung bestimmt. Die „Zu-
kunftsinitiative Hochschule“ entpuppt sich als „Zukunfts-
initiative Forschung“, die auch an den Hochschulen, so-
weit die Programmmittel dort überhaupt ankommen, eine
Schieflage zugunsten der Forschung aufweist. Gewin-
nung von Spitzenwissenschaftlern, Verbesserung der For-
schungsinfrastruktur und Verwertungsoffensive – in all
diesen Bereichen besteht unbestreitbar Handlungsbedarf.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Maritta Böttcher
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Doch was kommt von Ihrem Zukunftsinvestitionspro-
gramm am Ende in Lehre, Unterricht und Studium, also in
den Hörsälen und Klassenzimmern an? Was passiert mit
den sanierungsbedürftigen Studentenwohnheimen in Ost-
deutschland, für deren Instandhaltung das Deutsche Stu-
dentenwerk ein Sonderprogramm gefordert hat? Nach der
Vision eines Laptops für jede Studentin und jeden Stu-
denten, für jede Schülerin und jeden Schüler traue ich
mich ja schon gar nicht mehr zu fragen.
Im Ergebnis muss man wohl mit Verlaub von Peanuts
sprechen, mit denen Bildung vorlieb nehmen muss.
Dabei ist doch gerade Bildung eine der wichtigsten und
ertragreichsten Zukunftsinvestitionen, die unser Land
dringend braucht.
Meine Damen und Herren, wer sich über Peanuts be-
schwert, sollte von Kokosnüssen nicht schweigen. Dass
die Bildungspolitik in Ihrer Haushaltspolitik systematisch
unter die Räder kommt, ist das eine. Das andere ist das
Fass ohne Boden, mit dem Sie sich im Bereich der beruf-
lichen Bildung bereits abgefunden haben.
Wir haben mit der solidarischen Umlagefinanzierung
seit Jahren ein Konzept im Angebot, mit dem nach Ex-
pertenschätzungen rund 2 Milliarden DM Steuergelder
gespart werden könnten. Es ist schon bemerkenswert, wie
die Bundesregierung auf der einen Seite einen harschen
Sparkurs im Bildungsbereich fährt und auf der anderen
Seite generös darauf verzichtet, jene Unternehmen ange-
messen an der Finanzierung der Berufsbildung zu beteili-
gen, die sich um ihren Beitrag zur Ausbildung drücken.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
tion, von einem Aufbruch für Innovation und Qualifika-
tion, wie er in der Koalitionsvereinbarung angekündigt
worden war, sind Sie auch mehr als zwei Jahre später noch
weit entfernt. Erschwerend ist Ihnen zur Last zu legen,
dass Sie auch die günstigen finanziellen Rahmenbedin-
gungen nicht für eine qualitative Weiterentwicklung Ihrer
Bildungs- und Wissenschaftspolitik nutzen.
Die PDS-Fraktion wird daher den vorgelegten Etat des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung ableh-
nen. Wir werden weiter dafür sorgen müssen, dass die
Bundesregierung den von ihrer Ministerin für Bildung
und Forschung beschworenen Mut zur Veränderung we-
nigstens in der zweiten Halbzeit ihrer Amtszeit aufbringt.
Abschließend noch ein Wort an die Damen und Herren
der Unionsfraktion.
Wenn Sie eine größere Aufstockung des Bundesanteils für
den Hochschulbau fordern, als sie die Bundesregierung
vorsieht, so haben Sie dafür meine Sympathie. Beant-
worten Sie mir aber bitte vorher zwei Fragen.
Wie steht es mit der Kofinanzierung der Länder, deren
finanzielle Leistungsfähigkeit durch die Steuerpolitik der
Regierung Kohl nachhaltig beschädigt wurde?
Fordern Sie in Ihrem Änderungsantrag nun eine Er-
höhung um 235 Millionen DM auf 2,45 Milliarden DM
oder eine Erhöhung um 285 Millionen DM auf 2,5 Milli-
arden DM? – Beides gleichzeitig geht nämlich nicht. Da-
rauf habe ich Sie schon im Ausschuss aufmerksam ge-
macht.
Die PDS-Fraktion kann derart unseriösen Haushalts-
anträgen natürlich nicht zustimmen, während wir dem
Antrag der F.D.P.-Fraktion zwar mit ein paar Bauch-
schmerzen, aber immerhin zustimmen,
weil er genau in die Richtung geht, die auch wir einschla-
gen.
Danke.