Rede von
Matthias
Berninger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir
haben gerade gehört, dass die F.D.P. bei der Bildung nicht
sparen will. Liebe Frau Kollegin, was wir Ihnen nicht
durchgehen lassen, ist, so zu tun, als hätten Sie in den
16 Jahren schwarz-gelber Regierungsverantwortung im
Bildungsbereich nicht gespart. Auch wenn Ihre Partei aus-
nahmsweise einmal nicht den Bildungsminister stellte,
haben Ihre Politiker sowohl das BAföG mit kaputtge-
macht als auch den Bildungsetat mit abschmelzen lassen.
Hierfür tragen Sie eine Mitverantwortung, aus der wir Sie
nicht entlassen werden.
Der Kollege Kampeter hat hier eine Rede gehalten, die
relativ wenig Zahlen enthalten hat.
Ich habe viel Verständnis für Ihre Gründe. Der Kollege
Kampeter ist der dienstälteste Berichterstatter für den Bil-
dungsbereich.
Insofern wollen wir ihn einmal daran erinnern, was
während seiner Amtszeit so alles passiert ist.
Von 1993 bis 1998 ist der Bildungsetat um 4,6 Prozent
abgeschmolzen worden. Auch ohne Haushaltssanierung
ist der Bildungsetat unter der Verantwortung von Herrn
Kampeter zurückgegangen.
Ich verstehe ja, dass Sie sich mit Ihren wegweisenden
Forderungen gegen Herrn Rüttgers nicht haben durchset-
zen können, aber so viel Redlichkeit gehört dazu, das
dann hier auch anzusprechen.
Seit 1998 ist der Bildungsetat, wenn man die BAföG-
Veränderungen, das heißt die Umbuchungen zur Aus-
gleichsbank, hinzuzählt, um 15 Prozent gewachsen. Ich
danke Herrn Kampeter, dass er uns dabei geholfen hat,
dass das passiert ist. Aber das ist ein Verdienst von Frau
Bulmahn und nicht von Herrn Rüttgers; das wollen wir
klar festhalten.
Herr Kollege Austermann ist ja ein Meister darin, Zah-
len etwas schief darzustellen. Natürlich sind die BAföG-
Ausgaben in diesem Haushalt nominal niedriger als in den
früheren Haushalten. Aber der Hintergrund ist nicht etwa,
dass wir gespart hätten, sondern dass es eine strukturelle
Veränderung gab. Der Darlehensanteil des BAföG wurde
aus dem Bundeshaushalt herausgenommen und der Aus-
gleichsbank zugeordnet.
Wenn Sie das alles zusammenrechnen
und Ihren Referenten bitten, Sie demnächst besser zu in-
struieren, werden Sie feststellen, dass wir durch diese Ak-
tion mehr Spielräume für das BAföG geschaffen und nicht
beim BAföG gespart haben.
Ich will damit sagen, dass es der rot-grünen Koalition
in den ersten zwei Jahren gelungen ist, die finanziellen
Spielräume für eine Bildungsreform zu schaffen. In den
nächsten zwei Jahren müssen wir darüber reden, diese fi-
nanziellen Spielräume zur Umsetzung der Bildungsre-
form auch tatsächlich zu nutzen.
Ich fange an beim Thema BAföG. Es ist völlig richtig
und es ärgert uns alle, dass viele Studierende, die eigent-
lich BAföG-Empfänger hätten sein können, nicht zum
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Ulrike Flach
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BAföG-Amt gehen und BAföG nicht beantragen, obwohl
sie davon profitieren würden. Sie bekämen Zuschüsse, sie
bekämen zinsgünstige Kredite. Das heißt, sie würden,
wenn sie einen Förderantrag stellten, etwas davon haben.
Warum machen sie es nicht? Das BAföG hat an Image
verloren in dem Moment, als Herr Rüttgers begann, daran
herumzudoktern.
Seit dem Tag, an dem Herr Rüttgers seinen Gesetzentwurf
eingebracht und den Darlehensanteil auf bankübliche
Darlehen umgestellt hat, ist das BAföG im absoluten
Steilflug nach unten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass wir
mit der BAföG-Reform, die wir vorgelegt haben, einen
Beitrag dazu leisten, dass es wieder attraktiver wird.
Warum?
Erstens. Es wird weniger bürokratisch. Wir sorgen
dafür, dass es leichter wird, einen BAföG-Antrag zu stel-
len, dass Schülerinnen und Schüler leichter nachvollzie-
hen können, wenn sie denn studieren wollen, wie viel An-
spruch sie beim BAföG haben.
Zweitens. Wir begrenzen die Darlehensbelastungen
nach oben. Das heißt, wir wollen den absoluten Schul-
denberg der Studierenden an dieser Stelle reduzieren.
– Dieser Gesetzentwurf hat das Kabinett passiert, er wird
auch den Deutschen Bundestag passieren, er wird auch
Zustimmung bei den Ländern finden. Das ist ein Schritt,
der das BAföG akzeptabler macht.
– Der Kollege Kampeter kann mir gerne eine Zwi-
schenfrage stellen, sollte aber an dieser Stelle nicht dau-
ernd dazwischen blöken.
Nun hat hier jemand Platz genommen, zu dem ich auch
noch einen Satz sagen möchte, nämlich der Kollege
Hilsberg, der der Bildungsdebatte die ganze Zeit lauscht.
Stefan, du hast eine neue Position bekommen. Von dieser
Stelle aus wünsche ich dir alles Gute.
Da ich weiß, dass du ein Anhänger des lebenslangen Ler-
nens bist und schon immer warst, glaube ich, dass du dich
auch in die neue Position als Staatssekretär im Verkehrs-
ministerium einarbeiten und dort Erfolge erzielen wirst.
Ich muss es aber bedauern, dass du in der bildungspoliti-
schen Runde nicht mehr dabei ist. Das will ich an dieser
Stelle auch einmal sagen.
Wenn ich schon beim lebenslangen Lernen bin:
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die CDU früher
bei der Bildung gespart hat, zusammen mit der F.D.P. Ich
freue mich aber darüber, lieber Herr Kollege Kampeter,
dass die CDU jetzt für das Bildungssparen ist, dass sie
einen Vorschlag unterstützt, den die Grünen in die Debatte
gebracht haben, nämlich Vorsorge von Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmern für Weiterbildung zu fördern, so
wie wir Bausparen gefördert haben.
Ich glaube, dass die rot-grüne Koalition – wenn die
CDU dabei ist, umso besser – hier ein gutes Instrument
einführen könnte, um gerade die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer mit einem geringen Einkommen, mit einem
Jahreseinkommen bei Verheirateten bis zu 70 000 DM,
besser zu fördern und um deren Anstrengungen, zum Bei-
spiel einen Internet-Führerschein zu machen oder eine
Sprache zu lernen, zu unterstützen, weil Bildung so wich-
tig ist wie ein Dach über dem Kopf.
Ich wünsche mir, dass wir die zweite Hälfte der Legis-
laturperiode dazu nutzen, sowohl im Steuerrecht als auch
bei der Frage der Vermögensbildung dem Thema Bildung
stärker Geltung zu verschaffen,
um so zusätzliche Spielräume für das lebenslange Lernen
zu schaffen.
Meine Damen und Herren, es ist vorhin gesagt worden,
die Politik von Herrn Rüttgers sei fortgesetzt worden.
Das hat mich wirklich erschreckt und erschüttert. Wir ha-
ben beim BAföG die Politik von Herrn Rüttgers nicht
fortgesetzt, sondern das Gegenteil gemacht.
Wir haben beim Hochschulbau geplünderte Kassen vor-
gefunden. Deswegen haben wir die Mittel dafür jedes Jahr
aufgestockt.
Kollegin Flach, Sie haben behauptet, die Länder Ba-
den-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz würden
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Matthias Berninger
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beim Hochschulbau das Geld abgreifen, das eigentlich in
die neuen Länder fließen sollte. Ich möchte Sie fragen:
Wer regiert denn da eigentlich? Wer greift das denn ab?
Die F.D.P. ist in allen drei Ländern noch in der Regie-
rungsverantwortung. Wenn Sie zulasten des Bundes ver-
schieben, dann werden diese Länder noch mehr Gelder
abziehen können und werden sich aus den Kassen für den
Hochschulbau bedienen, wie sie es schon unter Rüttgers
getan haben. Ich sage Ihnen ganz klar: Das machen wir
nicht mit. Wir wollen, dass die Mittel zwischen allen Län-
dern fair aufgeteilt werden und dass das aufhört, was Sie
eingeführt haben.
Mit seiner Personalstrukturreform ist Herr Rüttgers
beim Bundesinnenminister abgeblitzt, dass es nur so ge-
kracht hat. Auch in diesem Bereich setzen wir die Politik
von Herrn Rüttgers nicht fort; vielmehr werden wir ein
modernes Dienstrecht für unsere Hochschulen einführen.
Wenn wir schon ein modernes Dienstrecht für die
Hochschulen einführen, dann sollten wir die Schulen da-
bei nicht vergessen.
Die konservative Regierung hat mit dem Bundesbesol-
dungsrecht über Jahre hinweg auch Schulpolitik gemacht.
Sie hat zum Beispiel Beförderungen im Grundschul-
und im Hauptschulbereich verhindert. Die Aufgabe die-
ser Koalition ist, eine vernünftige Schulpolitik zu machen
und durch ein neues Besoldungsrecht die Leistungen der
Lehrerinnen und Lehrer gerade im Grundschul- und
Hauptschulbereich mehr anzuerkennen als bisher. Das
werden wir uns vornehmen. Wenn Sie von Ankündigun-
gen sprechen, dann sage ich Ihnen: Wir lassen uns am
Ende der Legislaturperiode messen. Ich verspreche Ihnen:
Es wird ein vernünftiges und modernes Dienstrecht für
die Hochschulen und – hoffentlich – auch für die Schulen
in Deutschland geben.
Der Kollege Rüttgers hatte noch nicht einmal einen
Computer mit E-Mail-Anschluss in seinem Büro, als er
das Bildungsministerium verlassen hat.
Insofern bin ich froh, dass das Bildungsministerium jetzt
eine neue Politik macht, mit der das Internet, das für das
zukünftige Bildungswesen wichtig sein wird, stärker ge-
fördert wird.
Wir haben durchgesetzt, dass die Berufsschulen im IT-
Bereich besser ausgestattet werden. Die Berufsschulen
waren die Schulen, die bisher in diesem Bereich am
schlechtesten ausgestattet waren. Jetzt kommt es auf die
Länder an. Ich bin gespannt, ob sie Geld auf unser IT-
Förderprogramm drauflegen, damit wir es tatsächlich
schaffen, die Schulen, die bisher am schlechtesten ausge-
stattet waren und am Ende des Feldes waren, an die Spitze
zu bringen. Ich glaube, dass eine vernünftige IT-Ausstat-
tung der Berufsschulen wichtig ist und ein guter Beitrag
für eine moderne Berufsausbildung ist. Machen Sie mit
und unterstützen Sie uns dabei, anstatt das hier kleinzure-
den.
Ein weiteres Beispiel ist die so genannte Notebook-
universität. Es wird in Zukunft an jeder Universität Stu-
diengänge geben, in denen die Studierenden von Anfang
an ein Notebook haben und untereinander vernetzt sind.
Diese Studiengänge werden bald genauso wichtig sein
wie zum Beispiel mehrsprachige Studiengänge. Auch das
werden wir fördern. Unter Herrn Rüttgers gab es dafür
noch nicht einmal einen Ansatz.
Wir fördern ganz massiv die Vermittlung neuer Lern-
inhalte durch das Internet. Ich hatte in dieser Woche Ge-
legenheit, mir das Projekt eines virtuellen Studiengangs
im Bereich der Chemie anzuschauen. An einem solchen
Beispiel wird deutlich, dass das Internet auch in Deutsch-
land zur Vermittlung neuer Lerninhalte tatsächlich ge-
nutzt wird und dass Deutschland nicht hinterherläuft, son-
dern Spitze ist. All das sind Akzente, die wir mit unserem
Haushalt setzen. Ich meine, dass sich das lohnt und dass
die Union dem zustimmen sollte. Sie haben den Bildungs-
etat gekürzt. Wir erhöhen ihn und machen auch noch ver-
nünftige Politik. Das sollten Sie sich hinter die Ohren
schreiben.