Ich erteile der Kolle-
gin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Heinz Schemken
13518
gen! Lassen Sie mich vielleicht doch noch einmal kurz auf
das Gesetz eingehen, über das wir hier zu beraten haben.
Ich hoffe, dass aus meiner Fraktion keine Zwischenfragen
gestellt werden.
Lieber Herr Schemken, was Sie gerade als Begründung
dafür, dass Sie diesem Gesetz nicht zustimmen werden,
gesagt haben, wundert mich dann doch, weil es ja um et-
was geht, was wir in unserer Regierungsverantwortung
jetzt heilen, obwohl schon in Ihrer Regierungszeit vor-
auszusehen gewesen war, dass es eindeutig verfassungs-
widrig war.
Möglicherweise kann man noch anderer Meinung da-
rüber sein, wie man das heilen soll. Die F.D.P. hat ja dazu
auch einen entsprechenden Vorschlag gemacht, auf den
Herr Andres eingegangen ist. Ich will dem noch ein ande-
res Argument hinzufügen.
Wenn man auf die Beiträge verzichtet hätte, dann
wären das nicht nur Einnahmeverluste gewesen, von de-
nen ich finde, dass wir sie uns nicht leisten können, weil
den Leistungen natürlich auch Beiträge gegenüberstehen
müssen. Es hätte auch dazu geführt, dass selbstverständ-
lich bestimmte Lohnzahlungen auf Weihnachtsgeld und
Urlaubsgeld verschoben worden wären, um eben auch
auf Arbeitgeberseite Sozialbeiträge zu sparen. Ich
glaube, das kann nicht der Sinn eines solchen Gesetzes
sein.
Zu den 400 000 Arbeitsplätzen, von denen Sie gespro-
chen haben und die im Jahr 1998 geschaffen worden
seien, würde ich Sie gern an etwas erinnern, worauf ich
mich als Ostdeutsche gut besinnen kann: Dabei hat es sich
im Wesentlichen um Wahl-ABM gehandelt und nicht um
echte arbeitsmarktpolitische Erfolge.
Damit bin ich auch bei einem anderen Punkt, den die-
ser Gesetzentwurf enthält, nämlich bei den arbeitsmarkt-
politischen Maßnahmen, die wir fortsetzen, weil wir sie
sinnvoll finden. Das gilt beispielsweise für Strukturan-
passungsmaßnahmen, die ja dazu führen, dass das häu-
fig benutzte Karussell von Arbeitsbeschaffungsmaßnah-
men – jemand kommt in eine solche Maßnahme, arbeitet
sich ein, und wenn er es dann kann, muss er schon wieder
aufhören – durchbrochen wird. Ich finde diese Maßnahme
sinnvoll. Deswegen sollte sie auch fortgesetzt werden.
Ebenso sinnvoll finde ich, dass wir bei den Zuschüssen
für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dafür sorgen,
dass auch Träger, die keine oder nur eine sehr geringe Fi-
nanzkraft aufweisen, solche Maßnahmen anbieten kön-
nen. Das gilt insbesondere für die Wohlfahrtsverbände,
für kleine Vereine im Umweltbereich oder auch für Kir-
chengemeinden. Diese sinnvollen Regelungen, die Sie
angeregt haben, werden wir fortsetzen.
Der eigentliche Erfolg unserer Politik ist auf dem ers-
ten Arbeitsmarkt zu finden. Darüber haben Sie leider nur
wenig gesagt. Das gilt besonders für die Beitragsbelas-
tung, die wir senken. Inzwischen zeigt sich auch, wie wir
gestern gehört haben, in Ostdeutschland ein Erfolg auf
dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist der entscheidende
Punkt.
Sie haben gesagt, wir hätten die Anhörung nicht ernst
genommen. Sie wissen aber, dass auch von der Koalition
Änderungsanträge gestellt wurden, gerade weil wir das,
was auf der Anhörung gesagt wurde, ernst genommen ha-
ben. Ich erwähne beispielsweise die Erörterung der Frage,
ob die Einmalzahlungen rückwirkend auf individueller
oder auf pauschaler Basis berücksichtigt werden. Wir ha-
ben uns nach der Anhörung und nach den Versicherungen
der Kassen, der bürokratische Aufwand sei nicht so hoch,
dafür entschieden, eine individuelle Regelung zu treffen.
Im Gesetzentwurf war ursprünglich eine pauschale Rege-
lung vorgesehen, weil wir befürchtet hatten, dass sonst ein
extrem hoher bürokratischer Aufwand droht.
Ich glaube, die Regelung auf individueller Basis ist der
richtige Weg, weil wir damit Ungerechtigkeiten – auch
Überzahlungen – vermeiden und auf diese Weise dafür
sorgen, dass die Menschen das bekommen, was ihnen zu-
steht. Diese Regelung ist vertretbar; denn die Spitzenver-
bände der Kassen haben uns gesagt, der bürokratische
Aufwand sei nicht so hoch, wie wir ursprünglich ange-
nommen haben. Sie können also sicher sein, dass wir das,
was in der Anhörung gesagt wurde, sehr ernsthaft ausge-
wertet haben.
Wir haben das umgesetzt, was uns – eigentlich müsste
man sagen: Ihnen – durch das Bundesverfassungsge-
richtsurteil vorgegeben wurde. Sie sollten in Zukunft bei
Ihren Stellungnahmen zu Urteilen des Bundesver-
fassungsgerichts berücksichtigen, dass wir bei der Um-
setzung von Urteilen den Grundsatz beachten müssen,
dass nicht neue Ungerechtigkeiten entstehen. Das ge-
währleisten wir mit diesem Gesetz. Ich bitte Sie um Ihre
Zustimmung.
Vielen Dank.