Rede von
Ulrike
Flach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Selbstverständlich sehe ich
diese Ängste. Welcher Politiker würde die Angst der
Leute nicht erkennen? Selbstverständlich müssen wir, die
Politiker, darauf reagieren. Aber wir forschen in diesem
Bereich. Wenn etwas erforscht ist, müssen wir es auch an-
wenden können und dürfen uns nicht vor Angst irgendwo
in eine Ecke zurückziehen.
– Natürlich. Wenn etwas erforscht ist und zu einem posi-
tiven Ergebnis gekommen ist, kann ich das anwenden.
Wenn die von der Bundesregierung eingesetzte Kommis-
sion dies befürwortet, dann sollte das getan und nicht aus
ideologischen Gründen unterlaufen werden.
Das gleiche Spielchen erleben wir bei der Fusionsfor-
schung. Herr Fell plädiert für einen Ausstieg aus dem
Projekt ITER. Ich freue mich, dass unsere Nachbarländer
dieses Papier offensichtlich nicht gelesen haben, denn es
gab in Brüssel ein klares Signal für ITER; leider verbun-
den mit den üblichen Vorbehalten von Ihnen, Frau
Bulmahn. Ich bitte Sie sehr, an diesen Zweifeln nicht fest-
zuhalten. Es kommt jetzt darauf an, die Fusionsforschung
auch im 6. Europäischen Forschungsrahmenprogramm zu
verankern.
Meine herzliche Bitte an Sie lautet: Grenzen Sie sich
eindeutig von grüner Forschungsverhinderung ab. Das
betrifft die Fusionsforschung genauso wie die Nuklear-
forschung traditioneller Prägung. Sie kann eben nicht
darin bestehen – wie Herr Fell es so schön sagt –, nur noch
„Mindestkompetenz“ zu erhalten.
Gerade von einer Regierung, die den Kernkraftausstieg
beschlossen hat, ist zu erwarten, dass sie weiterhin Fach-
kräfte für den Rückbau und die Lagerung radioaktiver
Materialien ausbilden lässt. Bei einer kerntechnischen
Anlage ist es nicht damit getan, den Aus-Schalter zu
betätigen. Wir brauchen Fachleute. Es ist ein beängsti-
gendes Signal, dass an den Hochschulen immer weniger
Kerntechniker und Nuklearphysiker ausgebildet werden.
Glaubwürdigkeit in der Politik wird auch an der Ein-
haltung von Zusagen gemessen. Sie haben den großen
Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen hinsichtlich
ihrer Etats jährliche Steigerungsraten von 5 Prozent ver-
sprochen. Wir halten in unseren Anträgen das, was Sie
versprochen haben, Frau Bulmahn; Sie tun es nicht.
Hinzu kommt eine Entwicklung bei den Großfor-
schungseinrichtungen, die wir mit großer Sorge be-
trachten. Hier möchte ich Sie als Nordrhein-Westfälin
ganz direkt ansprechen: Wie wäre es, wenn Sie Herrn
Clement einmal aufforderten, in Sankt Augustin mit nord-
rhein-westfälischen Mitteln einzuspringen, damit wir das
durchführen können, was Sie hier in Berlin losgetreten ha-
ben, nämlich eine Großforschungseinrichtungsfusion, die
offensichtlich ganz eifrig und schnell passiert ist, ohne der
ganzen Sache auf den Grund zu gehen und den Bereich
abzusichern, den wir als Schlüsseltechnologie für das
nächste Jahrhundert bezeichnen?
Natürlich kommt von Ihnen immer: Eure Vorschläge
kosten viel Geld. Wo wollt ihr denn sparen? Lassen Sie es
mich zum Abschied ganz klar und deutlich sagen:
Die F.D.P. will bei der Bildung nicht sparen.
Bildung ist Freiheit und wer an Bildung spart, beschnei-
det die Freiheit künftiger Generationen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2000
Ulrike Flach
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Wer an Bildung spart, wird später für Folgewirkungen
doppelt und dreifach bezahlen.
– Herr Poß, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass unsere
Bildungsminister nicht gespart haben.
– Ich rede von den Liberalen, nicht von den anderen.
Das, was Sie uns heute vorlegen, entspricht zwar den
Verkündigungserwartungen eines Medienkanzlers, Frau
Bulmahn, aber sicherlich nicht Ihrem eigenen Anspruch
– ich weiß, der ist hoch – und schon gar nicht dem, was
die Zukunft erfordert.