Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 195. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Abgeordneter Bazille sucht wegen Krankheit für 4 Wochen um Urlaub nach.
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß Sie diesen Urlaub genehmigen, und benutze diese Gelegenheit, Herrn Abgeordneten Bazille, der, als er zum ersten Male nach seinem Unfall wieder zum Bundestag fahren wollte, erneut einen schweren Autounfall erlitten hat und im Krankenhaus in Rüdesheim liegt, die herzlichen Wünsche für die Wiederherstellung seiner Gesundheit auszusprechen.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Stauch, Heiland, Dr. Tillmanns, Fröhlich, Ehren, Lemmer, Frau Döhring, Kalbfell und Frau Thiele.
Meine Damen und Herren,
ich habe bekanntzugeben, daß Herr Fritz Rössler
gemäß § 7 des Wahlgesetzes zum ersten Deutschen Bundestag sein Mandat niedergelegt hat.
Ich habe weiter zur heutigen Tagesordnung darauf hinzuweisen, daß gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat Punkt 1 abgesetzt werden soll:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Fall Kemritz .
Dieser Punkt wird auf nächste Woche verschoben. Der Punkt 9 b:
Beratung des Antrags der Fraktionen der FDP, CDU/CSU, DP betreffend Freilassung Deutscher in fremdem Gewahrsam .
wird im Rahmen des Sammelantrags Umdruck Nr. 456 erledigt. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Änderung der Tagesordnung einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 2 der gedruckten Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen .
Es liegt eine schriftliche Begründung der Bundesregierung vor. Eine .Aussprache wird vom Ältestenrat nicht vorgeschlagen. — Es wünscht niemand, das Wort zu nehmen. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. — Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 3 auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den. Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 1951 .
Auch in diesem Fall verweist die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung. Eine Aussprache wird vom Ältestenrat nicht vorgeschlagen. — Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, diesen Entwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. — Das Haus ist einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 4 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Sander, Günther, Rademacher und Genossen betreffend Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3090, 2906 der Drucksachen; Umdruck Nr. 446).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Bleiß. Der Ältestenrat hat, falls es als notwendig erscheint, eine Aussprache von 60 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. — Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 26. April 1951 wurde vom Deutschen Bundestag das Gesetz zur Aufhebung und Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft verabschiedet. Mit diesem Gesetz wurden die Bewirtschaftung und die Preisbindung von Vergaser- und von Dieselkraftstoffen mit Wirkung vom 1. April 1951 an aufgehoben. Solange die Preisbindung bestand, erhielten einige Wirtschaftszweige — als privilegierte Verbraucher — bestimmte genau festgelegte Preisvergünstigungen. Zu den privilegierten Verbrauchern gehörten neben der Landwirtschaft die Binnenschiffahrt, die Küstenschiffahrt, die Hochseeschiffahrt, die Küsten- und Hochseefischerei. Die
Vergünstigungen, die gewährt wurden, betrugen bei der Binnenschiffahrt 28,50 DM je 100 kg Dieselkraftstoff, bei der Hochseeschiffahrt 32 DM je 100 kg und bei der Hochseefischerei 33 DM je 100 kg. Zweck dieser Vergünstigungen war, die deutsche Schiffahrt gegen die ausländische Konkurrenz zu schützen. Die vergüteten Beträge entsprachen im Durchschnitt ungefähr dem Unterschied zwischen dem hohen Inlandspreis und dem niedrigeren Weltmarktpreis.
Ende Mai des vergangenen Jahres, als das Mineralölgesetz beschlossen wurde, war man sich im Hohen Hause darüber einig, daß die bisher bestehenden Preisvergünstigungen auch nach der Verkündung des Mineralölgesetzes weiter bestehen sollten. Es wurde damals in den § 2 des Gesetzes eine Bestimmung aufgenommen, die die Bundesregierung respektive den Herrn Bundesfinanzminister verpflichtet, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen. Einschränkend war nur bemerkt worden, daß die Verbilligungsaktion nur abgebaut werden sollte, falls sich die Wettbewerbsbedingungen wesentlich ändern resp. die Wirtschaftslage der Schiffahrt sich wesentlich bessern sollte.
Diesen Beschluß des Bundestags hat der Herr Bundesfinanzminister nur teilweise ausgeführt. Der Herr Bundesfinanzminister hat am 6. Juni zwar . die geforderte Rechtsverordnung erlassen, aber in die Verordnung nicht die alten Vergünstigungen von 28,50 DM resp. 32 DM resp. 33 DM je 100 kg aufgenommen, sondern es wurde nur eine Betriebsbeihilfe in Höhe von 22 DM je hundert kg festgesetzt. Die Fahrgastschiffahrt, die zu einem erheblichen Teil dem Berufsverkehr dient, wurde völlig unberücksichtigt gelassen. Die nur teilweise Ausführung der Beschlüsse des Bundestags durch den Herrn Bundesfinanzminister hat zu lebhaften Protesten der Schiffahrt geführt. Der Verkehrsausschuß des Bundestags hat sich mit den Eingaben beschäftigt. Als Ergebnis der Beratungen wurde von den Mitgliedern des Verkehrsausschusses ein interfraktioneller Antrag eingebracht, der Ihnen, meine Damen und Herren, in der Drucksache Nr. 2906 vorliegt.
In diesem interfraktionellen Antrag wird die Bundesregierung ersucht, in genauer Befolgung des Mineralölgesetzes rückwirkend ab 1. Mai 1951 der Binnenschiffahrt einschließlich der Fähren- und Fahrgastschiffahrt einen Preisnachlaß von 28,50 DM und an die Hochsee- und große Heringsfischerei einen Nachlaß von 33 DM je 100 kg zu gewähren.
Auf Grund dieses Antrags hat sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß — federführender Ausschuß — in einer seiner letzten Sitzungen nochmals sehr eingehend mit der Materie beschäftigt. An den Beratungen nahmen Vertreter des Bundesfinanzministeriums teil. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums begründete die nur teilweise Ausführung des Bundestagsbeschlusses hauptsächlich mit zwei Argumenten, nämlich damit, daß
erstens die für den vollen Preisnachlaß geforderten Mittel nicht vorhanden seien und
zweitens der volle Preisunterschied zwischen dem Inland- und dem Weltmarktpreis nicht vergütet zu werden brauche, weil die ausländischen Schiffe, die in Deutschland bunkerten, neben dem Weltmarktpreis für Dieselkraftstoff noch eine Eingangsabgabe von 10 DM zu entrichten hätten.
In den Zahlen ausgedrückt würde das Bild also folgendes sein. Der
Inlandpreis für Dieselkraftstoff liegt bei 50 DM,
abzüglich Eingangsabgabe von •/. 10 DM
verbleiben 40 DM
abzüglich Weltmarktpreis von •/. 18 DM
verbleibt je 100 kg eine Differenz von 22 DM,
und das ist auch die Betriebsbeihilfe, die in der Verordnung vom 6. Juni vergangenen Jahres vom Bundesfinanzminister bewilligt worden ist.
In den Beratungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses haben sich beide Argumente des Bundesfinanzministeriums nicht als stichhaltig erwiesen.
Hinsichtlich der Eingangsabgabe wurde festgestellt, daß nur ein sehr kleiner Prozentsatz ausländischer Schiffe in Deutschland bunkert. Der weitaus überwiegende Teil der ausländischen Konkurrenzschiffe führt soviel Kraftstoff mit sich, daß sie auf deutsche Bunkerstellen nicht angewiesen sind. Dadurch aber wird auch das ganze Zahlenbild, das das Bundesfinanzministerium entwickelt hat, unrichtig. Der effektive Unterschied zwischen Inlands- und Weltmarktpreis liegt dann nicht mehr bei 22 DM je 100 kg, sondern wesentlich höher.
Das zweite Argument, das behauptete, die Haushaltsmittel seien nicht vorhanden, hat sich ebenfalls als nicht stichhaltig erwiesen. In dem vom Bundestag beschlossenen Nachtragshaushalt sind für die Verbilligungsaktion 24,2 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Durch die verminderten Beihilfen wurden nur 14,7 Millionen DM in Anspruch genommen. Es wäre also noch ein Rest von 9,5 Millionen DM vorhanden gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister über diesen Betrag nicht zugunsten anderer Vorhaben, z. B. zur Durchführung von Kanalbauten, verfügt hätte.
Auf Grund dieses Tatbestands hat der Wirtschaftspolitische Ausschuß einstimmig beschlossen: die Bundesregierung zu ersuchen, in Befolgung des Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft vom 31. Mai 1951 sowie der im Zusammenhang mit diesem Gesetz verabschiedeten Entschließung zu § 2 Absatz 2 mit Wirkung ab 1. April 1952 die nachstehende Ermäßigung ohne einschränkende Bestimmungen zu gewähren: Binnenschiffahrt einschließlich Fähren und Fahrgastschiffe 28,50 DM je 100 Kilogramm.
Ungeklärt ist bei den Verhandlungen im Wirtschaftspolitischen Ausschuß die Frage geblieben, ob und inwieweit sich die Wirtschaftslage der großen Hochseefischerei und der großen Heringsfischerei gebessert habe. Die Frage war nicht zu entscheiden, weil genaue Unterlagen nicht vorlagen. Die Frage wird erst zu entscheiden sein, wenn die Unterlagen vorliegen. Deshalb hat der Ausschuß— wiederum einstimmig — beschlossen, das Bundesfinanzministerium zu ersuchen,
über die Wirtschaftslage der großen Hochsee-
und der großen Heringsfischerei Untersuchungen anzustellen und darüber dem Ausschuß
für Wirtschaftspolitik des Deutschen Bundestages zu berichten.
Den Beschlüssen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses haben sich die mitberatenden Ausschüsse für Verkehrswesen und. für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vollinhaltlich angeschlossen.
Meine Damen und Herren, die Beschlüsse des Wirtschaftspolitischen Ausschusses liegen Ihnen in der Druckache Nr. 3090 vor. Ich darf Sie im Namen der beteiligten Ausschüsse bitten, dieser Drucksache Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Es wird Ihnen aufgefallen sein, meine Damen und Herren, daß der Berichterstatter an einer Stelle die Berichtigung, die durch einen Umdruck vorgenommen worden ist — daß es nämlich nicht „1. April 1952", sondern „1. April 1951" heißen muß —, übersehen hatte. Ich bitte also freundlichst, das in Ihrer Drucksache Nr. 3090 zu berichtigen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schäffer bedauert außerordentlich, in dieser Frage, die ihm besonders am Herzen liegt, nicht persönlich heute zu Ihnen sprechen zu können, da er durch die Verhandlungen über den Verteidigungsbeitrag im Augenblick besonders in Anspruch genommen ist.
Das Bundesfinanzministerium schlägt dem Hohen Hause vor, mit Rücksicht auf die bei der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt schwebenden internationalen Verhandlungen die Beschlußfassung über diesen Punkt und über den Antrag der Ausschüsse um einige Zeit hinauszuschieben.
Zur Begründung darf ich folgendes ausführen: Das Bundesfinanzministerium hat bereits vor einigen Monaten zum Ausdruck gebracht, daß ausländische Schiffahrtskreise und ausländische Regierungen die Auffassung vertreten haben, die Bundesregierung sei mit ihren Maßnahmen zugunsten der deutschen Binnenschiffahrt zu weit gegangen. Die ergangenen Verordnungen würden nicht eine Gleichstellung der deutschen Binnenschiffahrt mit der auf dem Rhein fahrenden nichtdeutschen Schifffahrt bewirken, sondern diese Verordnungen würden sogar die auf dem Rhein fahrenden Schiffe der übrigen Rheinuferstaaten benachteiligen. Die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen seien mit den Bestimmungen der revidierten Mannheimer Rheinschiffahrtsakte nicht zu vereinbaren. Inzwischen haben ausländische Regierungen dieserhalb Schritte bei der Bundesregierung unternommen. Im Ausland ist sogar erwogen worden, in dieser Sache den Internationalen Gerichtshof im Haag anzurufen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Daher hat sich in der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt für die deutschen Vertreter eine schwierige Lage ergeben.
Die Bundesregierung möchte nun als Ausweg aus dieser für alle Beteiligten, für die Deutschen und für die Ausländer, unbefriedigenden Lage einen Plan ansehen, der in seinen Grundzügen von der deutschen Binnenschiffahrt selber vorgeschlagen worden ist. Nach diesem Plan soll ein Abkommen der Rheinschiffahrtsländer über eine einheitliche Gestaltung der Mineralölpreise auf dem Rhein getroffen werden. Dieses Abkommen soll einmal eine Verpflichtung der Rheinuferstaaten und der in Frage kommenden Mineralölfirmen beinhalten, das Mineralöl zu Preisen zu verkaufen, die in allen beteiligten Ländern nach einheitlichen Gesichtspunkten bestimmt werden. Zum andern soll dieses
Abkommen die betreffenden Rheinuferstaaten verpflichten, während seiner Geltungsdauer von dem als Schiffsbedarf eingebrachten oder gebunkerten Mineralöl keine Abgabe zu erheben. Die Verwirklichung dieses Planes würde bedeuten, daß alle auf dem Rhein fahrenden Schiffe hinsichtlich der Treibstoffpreise die gleichen Startbedingungen hätten. Damit wäre also das verwirklicht, was die deutsche Rheinschiffahrt stets gewünscht hat.
In langwierigen Verhandlungen ist erreicht worden, daß dieser Plan von den Regierungen und den Schiffahrtskreisen der Rheinuferstaaten befürwortet wurde. Auch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und die Regierung von Großbritannien haben ihre Unterstützung in Aussicht gestellt. Lediglich die holländische Regierung hatte anfänglich noch Bedenken, die aber inzwischen wohl behoben werden konnten.
Diesen Wünschen entsprechend hat nunmehr die Bundesregierung am Montag dieser Woche, am 18. Februar, in der Konferenz der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
den Entwurf eines Abkommens überreicht, dessen wesentlichster Punkt wie folgt lautet:
Die vertragschließenden Staaten werden keine Maßnahmen treffen oder im Rahmen ihrer Gesetzgebung zulassen, die zum Ziele oder zur Folge haben könnten, daß das für die Rheinschiffahrt bestimmte Mineralöl zu höheren oder niedrigeren Preisen abgegeben wird, als sie sich zwischen unabhängigen Partnern nach den Gesetzen des Marktes bilden. Die Preisbildung dieses Mineralöls darf weder durch diskriminierende Maßnahmen noch durch Subventionen beeinflußt werden.
Es besteht nunmehr die begründete Hoffnung, daß in nicht ferner Zukunft eine einheitlicht Gestaltung der Treibstoffpreise auf dem Rhein verwirklicht werden wird. Damit wäre die Lösung gefunden, die gerade von der deutschen Binnenschifffahrt immer wieder als die beste Lösung bezeichnet worden ist. Das würde auch der Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Rheinuferstaaten dienen und einen weiteren, nicht unwesentlichen Beitrag zur Integrierung Europas darstellen. Wenn aber zum gleichen Zeitpunkt, in dem diese Verhandlungen in eine entscheidende Phase treten, die der deutschen Binnenschiffahrt gewährte Betriebsbeihilfe nochmals erhöht würde, kämen die deutschen Vertreter in eine äußerst schwierige Lage; es entstünden dann Zweifel, wenn die Bundesregierung auf der einen Seite in den Verhandlungen den Wegfall aller Subventionszahlungen fordern und auf der andern Seite gleichzeitig die Subventionen für den von den deutschen Schiffen verbrauchten Treibstoff erhöhen würde. Die Bundesregierung hält es deshalb im Interesse des Gelingens der Verhandlungen für notwendig, alles zu vermeiden, was die Verhandlungen stören könnte, und bittet das Hohe Haus, in diesem Augenblick von einer Beschlußfassung über die Angelegenheit abzusehen. Sie wird den Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Bundestags umgehend und laufend über den Fortgang der Verhandlungen unterrichten.
Die in Nr. 2 des Auschußantrags gewünschten Untersuchungen werden vom Bundesfinanzministerium angestellt, und es wird darüber dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik ebenfalls berichtet werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Meine Damen und Herren! Wieder einmal die leidige Treibstofffrage! Ich darf Ihnen versichern, daß es mir kein besonderes Vergnügen macht, gerade wegen des Treibstoffpreises immer wieder vor das Plenum zu treten, um eventuell als Spezialist für Treibstofffragen in die Geschichte dieser Legislaturperiode einzugehen. Ich hatte mir die Arbeit am Aufbau des deutschen Verkehrs etwas anders vorgestellt.
Wir hatten seinerzeit bei der Behandlung der Interpellation Drucksache Nr. 2466 gehofft, daß es genügen würde, das Bundesfinanzministerium zu veranlassen, aus einer ganz klaren Gesetzesfassung und aus einer Entschließung, die, soweit ich mich erinnere, dieses Hohe Haus einstimmig angenommen hat, die Folgerungen zu ziehen. In diesem Fall geht es also um die deutsche Binnenschiffahrt. Ich brauche das Gesetz und die Entschließung nicht zu verlesen. Bereits seinerzeit, als der Herr Bundesfinanzminister seine Ausführungen, auf die ich noch eingehen werde, machte, habe ich angekündigt, daß es notwendig sei, die vorgebrachten Gegenargumente eingehend zu untersuchen. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses haben sich dann zu einem interfraktionellen Antrag zusammengefunden, der diesem Hause vorgelegen hat und dann dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß federführend und dem Verkehrsauschuß mitberatend überwiesen wurde.
Ich darf die wesentlichen Ziffern noch einmal wiederholen. Sie sind allerdings auch schon von dem Herrn Berichterstatter erwähnt worden. Gegenwärtig hat die deutsche Binnenschiffahrt bei einem Durchschnittspreis von 48 DM und einer Subvention von 22 DM im allgemeinen für den Dieselkraftstoff 26 DM per Doppelzentner zu zahlen. Das Ausland zahlt dagegen im Schnitt einen Betrag von 17 DM per Doppelzentner. Wenn das Bundesfinanzministerium argumentiert, es sei ein Ausgleich dadurch geschaffen, daß ausländische Treibstoffe einem Zoll von 10 DM unterlägen, so ist das reine Theorie; denn es steht einwandfrei fest, daß die ausländischen Schiffe nach den internationalen Abmachungen für 48 Stunden tanken dürfen. Praktisch bedeutet das, daß sie von Emmerich bis Basel und umgekehrt mit Treibstoff zum Preise von 17 DM per Doppelzentner fahren. Tatsächlich sind die Mengen, die von ausländischen Schiffen auf der deutschen Strecke getankt werden, auch so geringfügig, daß sie für die Beurteilung dieser Frage keine Rolle spielen.
Der Herr Staatssekretär ist sehr ausführlich auf die internationalen Verhandlungen eingegangen. Tatsache ist folgendes. Aus den Zahlen, die ich eben angegeben habe, geht hervor, daß wir bereits subventionieren und auch weiterhin subventionieren müssen, um einigermaßen konkurrenzfähig zu sein: Das Hohe Haus muß sich einmal vor Augen führen, daß die Binnenschiffahrt bis herunter zu den Fähren bei den heutigen Preisen des für die Fahrt benötigten Treibstoffes einen Unkostenanteil von ungefähr 25 bis 50 % hat. Ich bin der Meinung, die internationalen Verhandlungen, die jetzt anlaufen, werden in keiner Weise dadurch gefährdet, daß wir folgendes sagen: Wir sind im Augenblick aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit verpflichtet, unsere deutsche Binnenschiffahrt der ausländischen gleichzustellen. Selbstverständlich ist in dem Augenblick, in dem das internationale Abkommen getroffen wird, die Gleichheit hergestellt. Alle be-
teiligten Staaten mögen doch den guten Willen zeigen, eine Regelung zu treffen, wie sie von den deutschen Teilnehmern, die die Initiative ergriffen haben, vorgeschlagen worden ist. Niemand weiß aber, wie lange derartige internationale Verhandlungen laufen; niemand weiß, wie sie ausgehen. Ich glaube daher, daß es unsere Pflicht ist, bis dahin etwas zu tun. .
Bei der Behandlung des ganzen Problems darf man nicht das Schwergewicht auf die Rheinschifffahrt legen; diese ist nur zu 40 % beteiligt. Ich bedaure sehr, daß der Herr Staatssekretär im Gegensatz zu den seinerzeitigen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers heute nicht auf die Frage der Fahrgastschiffahrt und der Fähren eingegangen ist. Diese Unternehmungen — auf dem Rhein und auch in den Hansestädten —, die in erster Linie den Berufsverkehr zu bewältigen haben, stehen nämlich vor der Tatsache, daß sich der Treibstoffpreis entgegen dem Gesetz und der Entschließung verdreifacht hat. Was das bei einem Unkostenanteil von 25 bis 50 % bedeutet, brauche ich nicht näher auszuführen. Die Dinge beziehen sich nicht nur auf den Rhein, sie beziehen sich nicht nur auf die Elbe; ich habe von allen Seiten eine Unzahl von Eingängen bekommen, von der Weser, vom Main, vom Neckar und von der Donau, wo insbesondere die Fahrgastschiffahrt und die Fähren in eine ähnliche Bedrängnis gekommen sind.
Es wäre noch vieles zu sagen — hier leuchtet bereits wieder einmal das Schlußzeichen auf —, aber ich glaube, daß das Wesentliche zum Ausdruck gebracht worden ist. Ich bedauere sehr, daß es nicht möglich war, im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gleichzeitig die Frage der Fischerei befriedigend zu regeln, zumal ein Teil dieser Fischerei, nämlich die Loggerfischer, die Gründe eingehend und meines Erachtens auch stichhaltig dargelegt hat. Es ist beantragt worden — und der Herr Staatssekretär hat es zugesagt —, hierüber eingehende Untersuchungen anzustellen, um auch die nach unserer Ansicht vorgenommenen Abweichungen vom Gesetz für die Fischerei auszugleichen.
Nun ist in den Ausschüssen folgendes nicht bekannt gewesen: Es ist inzwischen eine weitere Durchführungsverordnung vom Bundesfinanzministerium durchgekommen, nach der die Subventionierung für die Fahrgastschiffahrt, soweit es sich um den Verkehr des deutschen Festlandes mit den deutschen Inseln handelt, ebenfalls ausgenommen ist. Meine Fraktion überreicht daher einen Änderungs- bzw. einen Zusatzantrag zu dem Punkt 1 des Mündlichen Berichts, der besagt: ,,... Fahrgastschiffe und Fähren, die das deutsche Festland mit den deutschen Inseln verbinden ...". Herr Präsident, ich darf Ihnen den Zusatzantrag überreichen.
Meine Fraktion ist erstens davon überzeugt, daß die internationalen Verhandlungen nicht gefährdet werden, wenn wir gleichzeitig den Willen zum Ausdruck bringen, zu einer internationalen Regelung zu kommen. Zweitens ist meine Fraktion der Auffassung, daß wirklich ein echter Notstand vorliegt, insbesondere bei der Fahrgastschiffahrt. Drittens ist meine Fraktion der Auffassung, daß hier beschlossenes Recht Recht bleiben muß.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die sozialdemokratische Fraktion kann sich der Argumentation des Herrn Staatssekretärs Hartmann nicht anschließen. Wir sind der Meinung, daß man die internationalen Verhandlungen, so wichtig sie auch sein mögen, nicht überschätzen soll.
Nach unseren Feststellungen spielen bei den internationalen Verhandlungen zwei Dinge eine Rolle, die man klar voneinander trennen muß. Es handelt sich einmal um die Eingangsabgabe von 10 DM und zweitens darum, daß neben diesen 10 DM für die in Deutschland bunkernden ausländischen Schiffe eine weitere Abgabe in Höhe von 10 DM für Frachtspesen der deutschen Verteilergesellschaften beansprucht wird. Nach unseren Informationen werden insbesondere die zweiten 10 DM von den Rheinuferstaaten bestritten. Ich bin der Meinung, daß diese Einfuhrabgabe nur von relativ untergeordneter Bedeutung ist. Ich habe in der Berichterstattung schon darauf hinweisen dürfen, daß nur ein relativ kleiner Teil der in Deutschland bunkernden ausländischen Schiffe — etwa 5 bis 7 % — Betriebsstoff an Bord nimmt. Selbst wenn man bei der Einfuhrabgabe etwas nachgeben müßte, ist der Ausfall nicht sehr erheblich.
Wesentlich größer aber ist die Gefahr, Herr Staatssekretär, wenn man die volle Ausführung des Mineralölgesetzes so lange hinausschiebt und die zu niedrige Betriebsbeihilfe so lange beibehält, daß dadurch der Wettbewerb immer mehr erschwert wird. Unsere deutsche Schiffahrt fährt heute zu höheren Brennstoffkosten .als die ausländische Konkurrenz. Wenn wir dadurch nicht mehr wettbewerbsfähig bleiben können, wenn eine Reihe von Linien stillgelegt werden muß und wenn wir später auf einen verstärkten Einsatz ausländischer Frachter angewiesen sind, dann wird der eintretende Devisenverlust sehr viel größer sein, als wenn wir uns heute mit einer niedrigen Eingangsabgabe zufrieden . geben. Ich glaube, daß wir die Wettbewerbsbedingungen etwas stärker berücksichtigen müßten. Wir können heute diesen Wettbewerb der ausländischen Frachter nur dadurch aushalten, daß in der Binnenschiffahrt sehr lange Arbeitszeiten an der Tagesordnung sind, daß man durch zwölf und vierzehn Stunden täglicher Arbeit die Nachteile ausgleichen muß, die unseren Reedern durch die höheren Treibstoffkosten entstehen.
Als weiteres Argument, das auch mein Herr Vorredner schon angeführt hat, darf ich anführen, daß man nicht nur von der Rheinschiffahrt ausgehen sollte. Denken Sie doch auch an die Weserschiffahrt und an die Elbeschiffahrt, die ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden, nur weil die Beschlüsse des Bundestages vom 26. Mai des vergangenen Jahres immer noch nicht voll ausgeführt worden sind.
Zum Schluß noch ein Hinweis. Unsere Frachterflotte ist relativ veraltet. Wir können erst allmählich wieder modernisieren. Ich glaube, wir treiben eine sehr schlechte Wirtschafts- und eine sehr schlechte Finanzpolitik, wenn wir auf der einen Seite kleinere Devisenbeträge aus der Eingangsabgabe einnehmen, auf der anderen Seite aber sehr große Devisenbeträge durch Inanspruchnahme fremder Dienste wieder ausgeben.
Aus diesen vielerlei Gründen wirtschaftlicher Vernunft, insbesondere aber angesichts der Tatsache, daß wir in der Fahrgastschiffahrt laufend
in größere Schwierigkeiten kommen, wie auch Herr Kollege Rademacher ausgeführt hat, lehnen wir eine Vertagung ab. Sie würde in der Fahrgastschiffahrt eine Verdreifachung der Brennstoffkosten bedeuten. In Konsequenz dieser Verteuerung werden entweder diese Linien völlig stillgelegt, oder man muß, wenn man sie nicht stillegt, die Tarife erhöhen. In beiden Fällen werden die Berufstätigen den vollen Nachteil zu tragen haben. Deshalb bitten wir das Hohe Haus, heute schon dem interfraktionellen Antrag Nr. 3090 seine Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Der von dem Herrn Staatssekretär angeregte Antrag ist im Hause nicht gestellt worden. Ich muß also zunächst abstimmen lassen über den Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Rademacher und der Fraktion der FDP. Ich darf vermuten, daß dieser Antrag so gemeint ist, daß nach dem Worte „Fahrgastschiffe", das gedruckt ist, ein Komma gesetzt und dann eingefügt wird „Fahrgastschiffe und Fähren, die das deutsche Festland mit den deutschen Inseln verbinden".
— In dem Antrage des Ausschusses wünscht der Herr Abgeordnete Rademacher von der FDP-Fraktion vor den Worten „DM 28,50" einzufügen die Worte: „Fahrgastschiffe und Fähren, die das deutsche Festland mit den deutschen Inseln verbinden", und zwar offenbar nach einem eingesetzten Komma, wenn ich richtig unterrichtet bin.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage der FDP-Fraktion zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist ohne Zweifel die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich komme damit zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3090 unter Berücksichtigung dieser Änderung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit des Hauses; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 5 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben der Rechtsanwältin Lammers, München, vom 4. Januar 1952 (Nr. 3119 der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Weickert. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Der heutigen Immunitätsangelegenheit gegen den Abgeordneten Volkholz liegt folgender Tatbestand zugrunde. Laut Kostenfeststellungsbescheid des Landgerichts Regensburg hat die CSU-Fraktion eine Forderung in Höhe von 275,17 DM nebst Vollstreckungskosten. Um zu ihrem Gelde zu gelangen, hatte die CSU-Fraktion, vertreten durch die Rechtsanwältin Lammers, das Offenbarungseidverfahren eingeleitet. Zu dem Termin, der damals anberaumt wurde, erschien Volkholz nicht. Infolgedessen sah sich die Rechtsanwältin Lammers veranlaßt, einen Haftbefehl zu beantragen. Dieser Haftbefehl wurde von dem Amtsgericht Kötzting am 17. Dezember 1951 ausgestellt. Da es aber zur Vollstreckung des Haftbefehls notwendig ist, daß das Hohe Haus die Vollstreckung des Haftbefehls durch Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Volkholz möglich macht, habe ich Ihnen namens des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, der sich in seiner letzten Sitzung mit diesem Fall .befaßte, gemäß Drucksache Nr. 3119 vorzuschlagen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Volkholz wird erteilt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich darf annehmen, daß das Wort nicht gewünscht wird. — Das ist der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich sehe mich veranlaßt, in diesem Zusammenhang bekanntzugeben, daß der Abgeordnete Volkholz bei mir beantragt hat, seine Abwesenheit als „triftig entschuldigt" anzusehen.
Ich habe mich nicht in der Lage gesehen, diesem Antrage zu entsprechen.
Ich rufe auf den Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1952 und 6. Februar 1952 (Nr. 3120 der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Ritzel. — Bitte, Herr Abgeordneter!
Ritzel Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was ich Ihnen heute vorzutragen habe, ist auch der Ausfluß jener Zwieseler Rede, die das Hohe Haus schon wiederholt veranlaßt hat, die Immunität des Herrn Abgeordneten Volkholz aufzuheben. Es ist so, daß die Dinge erst nach und nach eingehen und daß nun durch die wiederholte Aufhebung der Immunität der Katze der Schwanz stückweise abgehackt werden muß.
Im ganzen gesehen bin ich versucht, auch als Berichterstatter daran zu denken, daß man bei leichter Abwandlung eines berühmten Dichterwortes in bezug auf die Rede des Herrn Volkholz in Zwiesel sagen kann:
Das ist der Fluch der bösen Tat,
daß man vom Liebsten, was man hat,
— dem Reden —
fortzeugend Böses muß gebären.
Der Herr Abgeordnete Volkholz wird von dem Herrn Oberbürgermeister Wimmer in München angezeigt, weil er in seiner berühmten Rede in Zwiesel geäußert haben soll:
Die Unterschlagungen beim Arbeitsamt München
— die Unterschlagungen! —
waren. Hochfunktionäre der SPD und da hat die Kriminalpolizei keine Untersuchungen machen dürfen.
Durch diese Äußerungen habe der Herr Volkholz das Ansehen der städtischen Kriminalpolizei beeinträchtigt und sich damit einer Beleidigung schuldig gemacht.
Außerdem habe der Abgeordnete Volkholz in Zwiesel angeblich geäußert:
Sitzt man über welche zu Gericht, bei denen man ein schlechtes Urteil haben will, so wird einfach als Richter ein Jurist kurz vor der Beförderung eingesetzt, damit dann das Urteil so ausfällt, wie man es braucht. Das sind Werkzeuge der Demokratie, um schlechte Urteile zu erreichen.
Darin wird eine Verunglimpfung und Beleidigung der gesamten Justiz erblickt. Der Ausschuß hat auf Grund der vorliegenden Unterlagen einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause aus diesem Anlaß die Aufhebung der Immunität zu empfehlen.
Aber Punkt 2 des heutigen Gegenstandes bezieht sich auf eine andere Sache. Der Herr Oberstaatsanwalt in Deggendorf hat auf dem vorgeschriebenen Wege die Entscheidung des Bundestages darüber erbeten, ob die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Herrn Abgeordneten Volkholz und zur Verhaftung wegen Aufforderung zum Meineid sowie wegen Aufforderung zum Meineid in Tateinheit mit Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage vor Gericht in vier Fällen und wegen versuchten Betruges erteilt werden soll.
Es handelt sich darum, daß der Herr Volkholz bezichtigt wird, vor dem Untersuchungsausschuß des bayerischen Landtages einen Zeugen namens Eßwanger zu einer unwahren Aussage veranlaßt zu haben. Weiter handelt es sich darum, daß in einer Angelegenheit Strauß contra Volkholz vor dem Landgericht in Regensburg Herr Volkholz ebenfalls Zeugen beeinflußt habe, die das auch gestanden haben. Es sind hier einzelne Namen genannt worden; ich glaube aber, wenn es nicht ausdrücklich gewünscht wird, brauche ich die Namen nicht einzeln bekanntzugeben.
— Ja, das sind bayerische Betreffs, womit ich um Gottes Willen nichts gegen Bayern gesagt haben möchte.
Der Ausschuß hat auch diesen Sachverhalt pflichtgemäß geprüft und gegen eine Stimme beschlossen, dem Hohen Hause zu empfehlen, die Genehmigung zu dem Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz und zur Verhaftung zu erteilen. Ich bitte das Hohe Haus, den beiden Anträgen des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität zuzustimmen. Ich glaube aber, in Aussicht stellen zu dürfen, daß nur noch ein Fall Volkholz das Hohe Haus beschäftigen wird.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 31120, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Ausschußantrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Soziale Studienkommission .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 40 Minuten und eine Aussprachezeit von 120 Minuten vor. Herr Abgeordneter Preller zur Begründung!
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Zur Frage einer Sozialen Studienkommission möchte ich im voraus sagen, ich glaube, daß ich auf keinen Widerspruch in diesem Hohen Hause stoße, wenn ich zuerst einmal feststelle: die Sozialversicherung Bismarcks war eine fortschrittliche 'Leistung, und zwar eine Leistung von internationaler Bedeutung. Wir Sozialdemokraten haben sicherlich nicht vergessen, daß diese Konzeption seinerzeit innerpolitisch in einem Zusammenhang mit dem Sozialistengesetz stand. Jeder Kenner der Sozialpolitik weiß, daß die in diesem Hause mehrfach erwähnte zunächst ablehnende Haltung der Sozialdemokratie zu eben dieser Sozialversicherung in erster Linie auf dieser verhängnisvollen innerpolitischen Verknüpfung beruhte. Aber das ändert nichts an der Anerkennung dieser großen sozialen Leistung.
Natürlich haben in den vergangenen 70 Jahren Fortentwicklungen eingesetzt, die aber leider nicht allein einen Aus- und Umbau gebracht haben; denn zwei Kriege, zwei Inflationen haben die Sozialversicherung finanziell ausgehöhlt. Vor allem dadurch hat sich der Versicherungscharakter dieser Institution stark verändert. Er ist heute zu einem beträchtlichen Teil nicht mehr vorhanden.
Außerdem sind aber neben dieser Sozialversicherung als Kriegsfolgen weitere soziale Leistungen entstanden. Ich nenne hier vor allem die Kriegsopferversorgung und die Unterhaltshilfe der Soforthilfe. Beide gehen grundsätzlich nicht vom Versicherungsgedanken aus, und sie bilden doch einen höchst bedeutungsvollen Teil aller Rentenleistungen. Sie machen nämlich nicht weniger als knapp die Hälfte aller ausgezahlten Renten aus. 51,2 % aller Renten kommen noch aus der Sozialversicherung, aber 39,3 % aus der Kriegsopferversorgung und 9,5 % aus der Soforthilfe. Außerdem müssen noch eine ganze Reihe von Versorgungsleistungen und auch noch ein Gutteil der Leistungen der Sozialversicherung durch Fürsorgeleistungen, wie wir alle wissen, ergänzt werden.
Aber auch die Heilversorgung, der andere große Zweig der sozialen Sicherung, wird seit langem nicht mehr allein von der Sozialversicherung getragen. Hier treten ebenfalls Einrichtungen der Versorgung, vor allem aber auch der Sozialfürsorge und der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge, ergänzend und vervollkommnend neben die Maßnahmen der Sozialversicherung.
Dieses System der heutigen sozialen Sicherung, das aus Versicherung, aus Versorgung und Fürsorge besteht, ist mit seinen verwickelten Bestimmungen und teilweisen Überschneidungen und seinem Nebeneinander aus seiner historischen Entwicklung, zweifellos zu begreifen, und, ich glaube, wir dürfen sagen, es ist ebenso unbestritten, daß es in seinen Ausmaßen und in seinen Ergebnissen höchst beachtenswert ist, ja, daß es internationalen Rang hat. In der Praxis aber, meine Damen und Herren, kommt es nicht nur den betroffenen Arbeitnehmern, sondern auch den Experten, wie wir alle wissen, wie ein schier unübersehbares Gelände
vor, das mit einem Gestrüpp von Paragraphen und einem Labyrinth von Einrichtungen bedeckt ist.
Überblickt man nun die literarischen und sonstigen Äußerungen zu diesem Thema in den letzten Jahren, so darf ich getrost Einmütigkeit darin feststellen, daß das Gebäude imposant ist, seine Einzelheiten aber verwirrend und dringend reformbedürftig, besonders aber seine Leistungen stark verbesserungswürdig sind.
Worüber nun die Auseinandersetzungen gehen, ist die Art dieser Reform, insbesondere, ob diese Reform, die von allen Seiten für erforderlich gehalten wird, von der Grundidee des althergebrachten Versicherungsprinzips ausgehen und an dieses Prinzip anknüpfen soll oder ob es gilt, ein von der Wurzel her, also radikal neu überdachtes System der sozialen Sicherung aufzurichten. Meine Damen und Herren, ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß allein eine grundlegende Gesamtordnung dem starken Bedürfnis breiter Volksschichten nach sozialer Sicherung, aber auch den sozialwirtschaftlichen Erfordernissen entspricht. Jeder von uns erhält ja beinahe täglich Briefe und Zuschriften, aus denen man erkennen kann, wie der Mann und die Frau im Volke sich nicht mehr zurechtfinden, daß sie enttäuscht sind über die sozialen Leistungen, die oft ihren auch bescheidenen Ansprüchen und Bedürfnissen nicht gerecht wenden, ja, daß manche sich einem System ausgeliefert fühlen, das ihnen irgendwie fremd geworden ist, weil sie es nicht mehr begreifen und verstehen. Ob diese Leistungen auf dem Versicherungsprinzip, auf dem Versorgungprinzip oder auch auf dem Fürsorgegedanken beruhen, ist dem einzelnen gleichgültig, solange der Mann aus dem Volk nicht seinen Rechtsanspruch angetastet sieht. Jeder möchte nichts anderes als die Möglichkeit haben, in einer einfachen und übersichtlichen Weise zu überblicken, welche Ansprüche er besitzt, und jeder möchte einen für seine berechtigten Bedürfnisse ausreichenden Anspruch haben und möchte nicht einer Bedürftigkeitsprüfung ausgesetzt sein, wenn er aus seiner sozialen Lage heraus einer Sicherung bedarf.
Ich möchte mit diesen Darlegungen zu erkennen geben, daß wir keinerlei Notwendigkeit sehen, insbesondere zwischen Versicherungs- und Versorgungsgrundsätzen irgendwelche Bordschwellen anzubringen, über die dann nicht nur der Theoretiker, sondern leider auch der Praktiker der Sozialpolitik allzugern stolpert. Ob Versicherungs-, Versorgungs- oder Fürsorgeprinzipien anzuwenden sind, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage, aber keine Grundsatzentscheidung.
Insbesondere sollte man aber nicht in den kühnen Gedankenfehlschluß verfallen, nun generell die Versicherung mit dem individuellen Verantwortungsbewußtsein gleichzusetzen und etwa die Versorgung mit einer kollektiven Verantwortungslosigkeit, wie es ja leider öfters geschieht.
Im Versorgungs- wie im Versicherungssystem kann man gleichermaßen Großorganisationen errichten, Großorganisationen, die im Versicherungssystem ja nicht nur Ortskrankenkassen, sondern auch Ersatzkrankenkassen heißen können; jedenfalls Großorganisationen, zu denen der Versicherte oder der Versorgte innere Beziehungen in dem Umfange nicht besitzt, nicht besitzen kann. Aber das zweifellos sozialwirtschaftlich erwünschte, ja auch erforderliche Bewußtsein des einzelnen, daß er mitverantwortlich ist für seinesoziale Sicherung, daß er sie ialso z. B. auch nicht selbstsüchtig ausnutzen darf, kann nur durch Selbstverwaltung gerade der Versicherten oder der Versorgten selbst oder ihrer Vertreter erreicht werden,
in einer Selbstverwaltung, die weitgehend bis in die unmittelbare Nähe des einzelnen dezentralisiert ist und damit, das möchte ich betonen, auch der kommunalen Mitarbeit auf diesem Gebiet neuen Auftrieb geben kann.
Damit ist nach unserer Auffassung keineswegs eine Aufsplitterung nach Gruppen unbedingt zu verbinden. Ich meine Gruppen, die irgendwelche Sondervorteile erstreben, die ja dann nur zu Lasten der andern gehen können. Wir wünschen nicht und wir halten es für politisch nicht verantwortbar, daß durch das System der sozialen Sicherung etwa Gruppenorganismen gepflegt werden.
— Dann müssen Sie sich dazu noch äußern.
Daß aber organisatorisch vereinfacht werden muß, wird uns ja von einer ganz anderen, nämlich für die Sozialpolitik im Grunde gar nicht verantwortlichen Stelle nahegebracht. Denn wer die Auslassungen und Unterlagen des Bundesfinanzministers in den letzten Monaten aufmerksam verfolgt hat, der konnte mit Händen greifen, daß die — zugegeben — allgemeinen Sorgen des Bundesfinanzministers und seines Ministeriums zu einem verdächtigen Interesse am sozialen Haushalt geführt haben.
Ich denke dabei nicht allein an den Sozialstopp, der ja allgemein im Herbst angekündigt worden ist. Zu diesem Sozialstopp möchte ich nur feststellen, daß es nach Auffassung meiner Fraktion und bei aller Anerkennung der verfassungsmäßigen Rechte des Bundesfinanzministers Aufgabe des Bundestags selbst ist, zu bestimmen, wo die notwendigen Einsparungen zu machen sind oder wo Mehrausgaben zu verantworten sind, und ich freue mich, Frau Kollegin Kalinke, daß Sie hier mit dem Kopf nicken. Aber daß eine ganze Kategorie von Ausgaben wie der gesamte Posten ,,Soziale Leistungen" grundsätzlich einem Stopp der Mehrausgaben unterworfen sein soll, das kann unseres Erachtens der Bundestag nicht gutheißen; denn es geht ja hier weitgehend um Leistungen an Menschen, die keine oder gesellschaftlich nicht so kräftige Vertretungen ihrer Interessen haben wie andere Interessentenkreise.
Auf die Zahlen selbst, auf die der Herr Bundesfinanzminister seinen Sozialstopp gründen möchte, will ich hier nicht im einzelnen eingehen; sie sind, wie 'ich an anderer Stelle begründet habe, sachlich sehr angreifbar. In diesem Zusammenhang kommt es mir darauf an, zu zeigen, daß — wie schon einmal vor 1933; die Älteren unter Ihnen werden sich ja daran erinnern — von der finanziellen Seite versucht wind, einen Einfluß nicht nur auf das Maß, sondern damit auch auf die Art der sozialen Leistungen zu nehmen. Aber ich hoffe, daß wir darin übereinstimmen, daß für die Art und das Ausmaß der sozialen Leistungen nur der sozialwirtschaftliche Effekt und nicht allein finanzpolitische Erwägungen maßgebend sein können.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß soziale Leistungen eben
keine soziale Last sind, wie sie immer wieder und meines Erachtens völlig unberechtigt auch von ministerieller Seite bezeichnet werden. Soziale Leistungen sind vielmehr soziale Investitionen für Arbeitsleistungen, von denen gerade auch die Erweiterung des Sozialprodukts selbst abhängt. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß ich mich gerade in diesem Punkt voll und ganz den Ausführungen von Herrn Staatssekretär Sauerborn anschließen kann, die er vor wenigen Wochen — und viele von Ihnen werden anwesend gewesen sein — auf der Tagung des Versicherungswissenschaftlichen Instituts der Universität Köln gemacht hat. Er hat dort sinngemäß ausgeführt, daß sich finanzielle Mehrleistungen z. B. für die rechtzeitige Erkennung von Krankheiten, wie Krebs und ähnlichen leider jetzt zu Volkskrankheiten gewordenen Erkrankungen, sozusagen hundertfach bezahlt machen in den Ersparnissen, die dadurch eintreten, daß eine sonst später notwendige Krankheitsheilung nicht durchgeführt zu werden braucht, aber auch in den volkswirtschaftlichen Leistungen, die derjenige, der nun gesund erhalten bleibt, erbringen kann, und damit — und das gilt für den Finanzminister — auch in den Steuererträgen und für die sozialen Einrichtungen in den Beiträgen zur sozialen Sicherung, die eben sonst in Fortfall kommen würden. Herr Staatssekretär Sauerborn hat dies, glaube ich, vollkommen richtig ausgeführt.
Wir möchten nun mit unserem Antrag erreichen — und zwar insofern auch im Interesse des Finanzministeriums selbst —, daß durch eine rationellere Verwertung der verfügbaren Summen Mehrausgaben auf das sozialwirtschaftlich gerechtfertigte Maß gebracht werden.
Wie die unter diesen Umständen erforderliche Neuordnung eines Systems der sozialen Sicherung nach unserer Auffassung aussehen sollte, kann ich hier im Rahmen der verfügbaren Zeit nur andeuten. In erster Linie scheint es uns dringend geboten — und ich darf erwähnen, daß wir uns hier in Übereinstimmung mit namhaften Sachkennern auch nichtsozialistischer Provenienz befinden —, daß die sozialen Leistungen in einigen wenigen Gruppen zusammengefaßt werden. Als solche möchte ich in erster Linie kennzeichnen die Leistungen für die Jugend — ich meine hier die Kinderbeihilfen —, aber auch die Maßnahmen für die Ausbildung und Unterbringung der Jugend im Arbeitsprozeß und im Wirtschaftsprozeß. Aber darüber sprechen wir ja noch an anderer Stelle bei den Kinderbeihilfen.
Zweitens aber scheint es uns erforderlich zu sein, im Falle einer vorübergehenden Erwerbsminderung, d. h. also bei Krankheit, bei Unfall, Mutterschaft und ähnlichen vorübergehenden Erwerbsminderungen Leistungen einheitlicher Art zu schaffen. Bei diesen Leistungen sollte man auch organisatorisch unterscheiden zwischen der wirtschaftlichen Hilfe, also dem Ausgleich für den irgendwie entgangenen Verdienst auf der einen Seite und den sogenannten Sachleistungen, also der ärztlichen Versorgung, der Versorgung mit Medikamenten, mit Heilmitteln usw. auf der anderen Seite. Diese beiden Gruppen sollten im Interesse der Erhaltung und der Förderung der Leistungskraft in jedem Falle in gleicher Qualität und in dem zeitlich erforderlichen Ausmaß gegeben werden. Aussteuerungen sollten also nach Möglichkeit fortfallen. Ich möchte sagen, daß wir insonderheit bei dieser Gruppe großen Wert auf die vorbeugenden Maßnahmen legen. Z. B. wird im Interesse der Unfallverhütung an eine Anlehnung an das Prinzip zu denken sein, das heute bereits in der Unfallversicherung gilt.
Drittens handelt es sich um Leistungen im Falle dauernder Erwerbsminderung, d. h. also einmal der vollen Erwerbsunfähigkeit oder des Alters oder der teilweisen Erwerbsunfähigkeit. Hier geht es also um die Gewährung von Renten einschließlich der Renten für Hinterbliebene. Ich möchte zunächst einmal keinen Zweifel daran lassen, daß uns eine durchgreifende, eine wahrhaft vorbeugende Heilversorgung im Sinne der eben genannten zweiten Gruppe die Voraussetzung für die Eindämmung vorzeitiger Invalidität zu sein scheint. Sie ist sowohl volkswirtschaftlich als auch menschlich erforderlich. Wo aber Renten zu gewähren sind, meine Damen und Herren, müssen diese vom gerechtfertigten Bedarf des Rentners ausgehen, also für ein menschenwürdiges, aber sehr bescheidenes Dasein wirklich ausreichend sein. Niemand sollte künftig noch Renten aus verschiedenen Quellen zu beziehen brauchen. Das scheint uns erforderlich zu sein.
Wir haben in der vorvergangenen Woche diese bedauerliche Debatte über die sogenannte Rentensucht gehabt. Der darin enthaltene Vorwurf gegen die Rentner selbst war meines Erachtens fehl am Platze. Er traf nämlich den Kern der Sache nicht. Wenn wir aber dieses Kernproblem herauszuschälen versuchen, dann stellen wir fest, daß es doch darin besteht, daß Menschen in Not mit nicht ausreichenden Renten unter den heutigen Umständen genötigt werden, sich unter den vielerlei legalen Rentenmöglichkeiten nach einer Erweiterung ihres Einkommens und ihrer Einnahmequellen umzusehen.
Das gilt in einem gewissen Umfang auch für die Bezieher von Teilrenten. Vor allem dann, wenn diese Teilrentner körperlichen Schaden haben, sind für sie, auch wenn sie arbeitswillig sind, heute überall dort, wo größere Arbeitslosigkeit herrscht, vor allen Dingen am Ostrande unserer Bundesrepublik, wie wir alle wissen, die Arbeitsmöglichkeiten sehr beschränkt. Es liegt nicht nur im Interesse unserer Sozialwirtschaft, sondern vor allen Dingen im Interesse der körperlich Beschädigten selbst, daß durch das System unserer Sozialleistungen dieser Arbeitswille erhalten und gefördert wird. Ich glaube, auch darin stimmen wir überein,
Ich möchte also zusammenfassend sagen: Renten sollten ausreichend sein. Ich möchte dazu aber noch ausdrücklich bemerken, daß auch nach unserer Auffassung damit niemand gehindert sein soll und wird, sich durch eigene Vorsorge, also insbesondere durch Selbstversicherung, Mehrleistungen über diese von dem System der sozialen Sicherung gewährleisteten Renten hinaus zu sichern.
Eine der wichtigsten Grundlagen des Systems der Sozialleistung stellt sich uns in der Beseitigung der Arbeitslosigkeit dar. Auch hier brauche ich nur zu erwähnen, daß wir Sozialdemokraten, wie Sie alle wissen, auf diesem Gebiet eine Politik der Vollbeschäftigung für dringend notwendig halten. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, daß der Bundestag selbst den damaligen Straßburger Vorschlägen für eine Vollbeschäftigung zugestimmt hat. Aber wesentlich erscheint mir, daß diese vierte Gruppe von Maßnahmen der sozialen Sicherung geeignet ist, bedeutende finanzielle Ersparnisse im Interesse der anderen sozialen Leistungen zu erbringen. Meine Damen und Herren, wir geben heute rund 2 Milliarden Mark für die
Arbeitslosenhilfe aus, teils aus Steuermitteln, teils aus Beiträgen. An deren Stelle können bei Beschäftigung der Arbeitslosen zu einem großen Teil produktive Leistungen und damit eine Erhöhung des Sozialprodukts sowie die vorhin bereits erwähnte Vermehrung der Steuer- und Beitragseinnahmen treten. Gerade dies letztere ist für eine finanzielle Sicherung eines umfassenden Sozialplans unseres Erachtens überaus wichtig.
Zu dieser Frage der Finanzierung möchte ich, so wichtig sie ist, hier nur kurz darlegen, daß nach unseren Vorstellungen auch künftig Abgaben von den Einkommenbeziehern und auch von den Bruttolohnsummen der Unternehmungen in gleicher Höhe wie bisher verlangt werden sollen. Daneben werden natürlich auch finanzielle Leistungen der öffentlichen Hand erforderlich sein, wahrscheinlich in etwa dem gleichen Umfange, wie sie heute von Bund, Ländern und Gemeinden erstellt werden müssen.
Ein besonderes Problem, das ich hier noch ansprechen muß, ist das des Personenkreises, der von einem System der sozialen Sicherung erfaßt werden sollte. Wir haben erlebt, daß Menschen, die früher auf eigene Vorsorge angewiesen waren, also für das System der allgemeinen sozialen Sicherung selbst keine Beiträge geleistet haben, heute Anspruch auf öffentliche Hilfe erheben und diese auch in Anspruch nehmen müssen. Aus diesem Grunde ist nach unserer Auffassung der Personenkreis für ein System der sozialen Sicherung so umfassend wie nur möglich zu umreißen. Es gilt, hier eine breite Solidarität der sozialen Sicherheit zu schaffen. Ich weiß, daß gerade in diesen Fragen sehr starke Meinungsverschiedenheiten bestehen und daß sich auf diesem Feld leider auch einige Interessentengruppen tummeln. Aber ich glaube, in einer so wichtigen Frage sollte es keine Sonderinteressen geben. Hier sollte man nur das gesamtdeutsche Interesse gelten lassen.
Nachdem ich in diesen vier Punkten unsere Auffassung über die Schaffung eines Systems der sozialen Sicherung dargelegt habe, darf ich schließlich noch darauf hinweisen, daß damit auch die Fürsorge von Aufgaben befreit werden könnte, die sie heute zur Ergänzung unzureichender Leistungen von Sozialversicherung und Versorgung durchführen muß. Ich glaube, die echten individualfürsorgerischen Aufgaben, die zur Zeit im Drange dieser anderweitigen Verpflichtungen der Fürsorge, wie wir alle wissen, leider viel zu kurz kommen, könnten damit wieder auf ihren rechtmäßigen Platz in der Fürsorge gebracht werden.
Meine Damen und Herren, ich habe nur einige der Überlegungen andeuten können, die wir hinsichtlich der Inangriffnahme eines derartigen Sozialplans angestellt haben. Ich möchte gar nicht verhehlen: wir wissen genau, daß hinter jedem einzelnen Wort, das ich hier gesprochen habe, eine Problematik steht. Wir wissen auch, daß die Auffassungen darüber, wie das kommende System einer sozialen Sicherung aussehen soll, in diesem Hause recht verschieden sind. Aber eins erscheint uns, und ich hoffe, auch Ihnen, dringend geboten zu sein, nämlich daß wir unsere sozialen Leistungen überprüfen und dabei das Ziel verfolgen, im Interesse der Empfänger sozialer Leistungen eine Gesamtneuordnung herbeizuführen, die nach unserer Meinung grundlegend und das gesamte System umfassend sein muß.
In unserem Antrag Drucksache Nr. 3024 schlagen wir aus diesem Grunde vor, diese Aufgabe durch
ein Gremium von Sachverständigen durchführen zu lassen, Sachverständige, die vom Bundestag berufen werden. Sie haben das System unserer sozialen Leistungen zu untersuchen mit dem Ziel, dem Bundestag einen Gesamtsozialplan vorzulegen. Nach unserer Auffassung ist die Einsetzung einer solchen Kommission Aufgabe des Bundestags. Er selbst muß bestimmen, welche Sachverständige dort arbeiten sollen. Dabei möchten wir den Fraktionen — nach dem bekannten Schlüssel der Bundestagsausschüsse — das Benennungsrecht zuerkennen. Ich möchte aber ebenso deutlich sagen, daß selbstverständlich der Grundsatz der Berufung unabhängiger Sachverständiger gewahrt bleiben muß. Jede Fraktion kennt hervorragende Sachkenner, die ihr geeignet erscheinen werden, diese, wie wir zugeben, sehr schwierige Aufgabe zu übernehmen. Diese Sachkenner werden sich der ihnen gestellten Aufgabe sehr intensiv und, wie ich glaube, unter Hintansetzung anderer Aufgaben, etwa beruflicher Art, zu widmen haben, so daß z. B. auch eine Vergütung für den Ausfall anderweitiger Einnahmen in Betracht zu ziehen sein wird. Schon aus dem letztgenannten Grunde, aber auch, weil sie sehr viel Zeit dafür anwenden müssen, sollten nach unserer Auffassung nicht Abgeordnete, sondern anderweitige Experten in diese Studienkommission berufen werden. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Kommission dann Bundestags- und andere Abgeordnete als Sachverständige hört; ja, wir glauben, daß das notwendig sein wird.
Um dieser Studienkommission die erforderlichen Arbeitsmöglichkeiten zu geben, soll sie nach Ziffer 3 unseres Antrages, ähnlich wie die Bundestagsausschüsse dies auch haben, die Möglichkeit haben, sich aller amtlichen und sonstigen Unterlagen zu bedienen sowie Sachverständige und Bedienstete der öffentlichen Verwaltung und der Körperschaften anzuhören.
Damit die Unabhängigkeit dieser Kommission gewahrt bleibt, soll sie sich ihre Geschäftsordnung selbst geben, und sie soll auch ihre Vorsitzenden aus ihren Reihen selbst wählen.
Wir verhehlen uns nicht, daß die Wahl der Vorsitzenden und deren Sachverständnis, Selbständigkeit und Unabhängigkeit die Voraussetzung des Gelingens der Arbeiten dieser Studienkommission ist, und wir glauben, daß die Fraktionen, wenn unser Antrag angenommen wird, diesem Umstand auch schon bei der Auswahl der Mitglieder der Kommission Rechnung tragen sollten.
Es wird weiterhin notwendig sein, daß die Kommission sich ein eigenes Büro schafft. Das kann klein gehalten sein, wenn es nur qualitativ gut besetzt ist; aber hierauf wird bei der Bereitstellung der Mittel zu achten sein, und da wir der Auffassung sind, daß die Kommission ab 1. April 1952 ihre Arbeiten aufnehmen sollte, müssen die Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Es ist Aufgabe des Haushaltsausschusses, dann eine Vorwegbewilligung vorzunehmen, und ich darf gerade in diesem Punkte an den Bundesfinanzminister noch einmal einen Appell richten — da, wie wir glauben, die Errichtung dieser Kommission auch in seinem eigenen Interesse liegt —, sich hier als gebefreudig zu erweisen.
Meine Damen und Herren, es ist uns allen klar, daß die Arbeit einer solchen Studienkommission alles andere als leicht sein wird. Sie wird von einem großen wissenschaftlichen Ernst und von sozialwirtschaftlichem Verantwortungsbewußtsein getragen sein müssen. Selbstverständlich wird für
ihre Arbeit eine gewisse Zeit erforderlich sein. Sie sollte aber nach unserer Auffassung nicht allzu lange dauern, und wir würden — ohne daß wir das im Antrag geschrieben haben — vorschlagen, daß die Kommission spätestens am Ende dieses Jahres ihr Resultat diesem Hause vorlegt. Der Bundestag wird sich dann von sich aus schlüssig werden müssen, welche gesetzgeberischen Folgerungen er aus dem Material der Studienkommission ziehen will.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal betonen, daß einer solchen Sozialen Studienkommission eine Aufgabe zufällt, deren Gewicht, glaube ich, überhaupt nicht überschätzt werden kann. Wir wissen genau, daß zur Sozialpolitik mehr als die soziale Sicherung gehört. Aber die turbulenten Ereignisse der letzten Jahrzehnte haben, wie wir alle wissen, die Sehnsucht, ja das echte Bedürfnis nicht nur der Arbeitnehmer, sondern darüber hinaus auch des Mittelstandes zum mindesten danach anwachsen lassen, in den Zufällen des Lebens, nämlich dann, wenn die Not an die Türe pocht, nicht schutzlos dazustehen. Bittere Erfahrungen auf allen diesen Gebieten haben allen diesen Schichten gezeigt, daß die eigene Vorsorge nicht ausgereicht hat, nicht ausreichen konnte und daß die Allgemeinheit hier eintreten mußte und muß. Ich darf betonen, daß es gar nicht einmal so sehr der Staat ist, von dem diese Hilfe erwartet wird, sondern daß es die Gemeinschaft aller Volksglieder ist, die hier solidarisch einstehen muß, wenn die Kraft des Einzelnen erlahmt. Alle diese Menschen, die heute so verbittert sind, die heute in großer Sorge sind, die heute vielfach in einer unvorstellbaren Not leben, die seit Jahren mehr als dürftig ihr Dasein fristen, Hunger und Elend erleben — sie werden ihre Hoffnung auf die Arbeit einer solchen Kommission setzen. Aber in anderer Weise werden auch die Sachkenner ihre Hoffnungen darauf setzen, nämlich jene Sachkenner, die heute praktisch das durchzuführen haben, was durch unsere sozialen Leistungen gegeben wird, und die ja die Mängel und Schwächen bei jeder Auszahlung, bei jeder Auskunft schmerzlich spüren. Wir glauben, daß nur eine unbefangene, ganz unvoreingenommene Prüfung der Verhältnisse und nur der Wille zu einer tiefgreifenden, grundlegenden Neuordnung dieses Verlangen und diese Hoffnungen erfüllen können.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß die deutsche Bevölkerung mit diesem Verlangen nicht allein steht. Das Internationale Arbeitsamt hat 1951 in eingehenden Beratungen Vorschläge für ein Übereinkommen über Mindestnormen der sozialen Sicherung ausgearbeitet — Vorschläge, die eine der Grundlagen der Arbeiten der Sozialen Studienkommission sein könnten, neben den Studien, die wahrscheinlich auch in gewissen anderen Ländern, wie Skandinavien oder England, getrieben werden müssen. An diesen internationalen Arbeiten kann sich die Studienkommission urn so mehr orientieren, als die deutsche Bundesregierung nach ihrer Aufnahme in das Internationale Arbeitsamt eben diesen Vorschlägen zugestimmt hat. Auch der Bundestag hat — daran darf ich erinnern — im November 1950 den Empfehlungen der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation von Philadelphia durch Beschluß beigepflichtet. Wir können also feststellen, daß der Bundestag mit der Einsetzung einer solchen Kommission und mit der Bezeichnung ihrer Aufgabe im Sinne der Ziffer 2 unseres Antrages nur Beschlüsse fortsetzen würde, an die er
selbst, an die aber auch die Bundesregierung sich bereits gebunden hat.
Wir leben in einer unruhevollen Zeit, in einer Zeit der Unsicherheit. In einer solchen Zeit ist die soziale Sicherung, wie wir alle wissen, eine eminent politische Aufgabe. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß etwa 5 bis 6 Millionen Menschen in Deutschland heute allein von Unterstützungen und Renten leben müssen und daß weitere etwa 7 Millionen Menschen neben sonstigen Einkommen auf Renten und Unterstützungen angewiesen sind. Die soziale Sicherung, das darf man wohl sagen, ist heute einer der Grundpfeiler der sozialen Stabilität unserer Bundesrepublik. Bei der Debatte über den Wehrbeitrag in der vorvergangenen Woche haben wir Sozialdemokraten, aber auch der Herr Bundeskanzler selbst, gerade auf die grundlegende Bedeutung der sozialen Sicherung für die Festigung der Stellung unseres Landes in den großen weltpolitischen Auseinandersetzungen hingewiesen. Die nächsten Jahre werden vom deutschen Volke große Anstrengungen verlangen. Sie werden viel leichter gemeistert werden können, wenn der Gesetzgeber alles tut, um das System der sozialen Leistungen für jeden verständlich aufzubauen. Die Leistungen müssen übersichtlich geordnet sein, sie müssen gerecht verteilt sein, sie müssen ausreichend sein.
Insgesamt gilt es also, ein Werk zu schaffen, das dazu beitragen soll, das deutsche Volk gesund zu erhalten, den sozialen Frieden zu sichern, den Lebensabend unserer Invaliden und Alten zufriedenstellend und auskömmlich zu gestalten. Wir verkennen nicht — und niemand in diesem Hause tut dies —, daß Deutschland in den Jahrzehnten seit der Einführung der Sozialversicherung sehr Großes auf diesem Gebiete geleistet hat. Aber der Wandel der Zeit verlangt auch von uns eine Umstellung. Klar und einfach soll die neue Ordnung der sozialen Sicherung sein. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen und damit den Grundstein für ein wirklich vorbildliches Werk unserer jungen deutschen Demokratie zu legen.
Ich eröffne die Aussprache im Rahmen der Besprechungszeit von 120 Minuten. Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst den Auftrag, namens der Regierungsparteien den von uns eingebrachten Änderungsantrag zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu begründen. Des weiteren bin ich beauftragt, namens der Regierungsparteien einige grundsätzliche Erklärungen vorauszuschicken.
Herr Kollege Dr. Preller hat an mehreren Stellen seiner Darlegungen mit Recht betont, daß der Fragenkomplex, den wir heute hier erörtern, voller Problematik steckt und sowohl sozial als wirtschaftlich, aber auch politisch gesehen von allergrößter Bedeutung ist. Wir befinden uns in voller Übereinstimmung, wenn gesagt wird, daß. wir an die Erörterung dieser Probleme mit dem ganzen Ernst und mit der ganzen uns obliegenden Verantwortung herangehen müssen. Herr Dr. Preller hat in dem Schlußteil seiner Ausführungen u. a. auf die Annahme von internationalen Empfehlungen durch den Bundestag abgehoben; er hat auf die Vorschläge für Beschlüsse zu einem Übereinkommen über Mindestnormen zur sozialen Sicherung
abgehoben, wie sie im vergangenen Jahre von der Internationalen Arbeitskonferenz erarbeitet worden sind.
Ich möchte bei meinen knappen Darlegungen von der 103. Sitzung dieses Hohen Hauses am 16. November 1950 ausgehen, in der die Empfehlungen der Beratenden Versammlung des Europarates zur Diskussion gestanden haben, die diese Hohe Versammlung im Verlauf des ersten Teils ihrer Tagung von 1950 angenommen und den Parlamenten der beteiligten Länder zugeleitet hat. Der Bundestag hat damals in einer mit Mehrheit angenommenen Entschließung diese Empfehlungen begrüßt und sie als wichtige Beiträge zur Verwirklichung einer europäischen Föderation bezeichnet. Er hat der Bundesregierung empfohlen, die in ihrem Vermögen stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um die den Empfehlungen zugrunde liegenden Absichten unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Bundesrepublik zu fördern.
Unter diesen Empfehlungen hat sich auch eine solche über die Schaffung einer europäischen Sozialversicherungsordnung befunden. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich den Wortlaut dieser bedeutsamen Empfehlung in ihrem wesentlichen Teil in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Die Beratende Versammlung des Europarates hat damals beschlossen:
1. Die Versammlung erklärt sich für die Schaffung einer europäischen Sozialversicherungsordnung, die nicht die Standardisierung der Sozialgesetzgebung in den verschiedenen Ländern bewirken, sondern in jedem Lande mit verschiedenartigen Methoden eine Erhöhung der sozialen Sicherheit bis zur Erreichung eines gleichmäßig hohen Niveaus in Übereinstimmung mit den im Anhang des vorliegenden Dokuments niedergelegten allgemeinen Grundsätzen anstreben soll.
2. Die Versammlung ist der Auffassung, daß diese Ordnung in der Form einer Konvention des Europarats in Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation ausgearbeitet werden soll, deren Unterlagen der gesamten Arbeit des Europarats auf diesem Gebiet zugrunde zu legen wären.
So weit das — nicht vollständige — Zitat aus dieser Empfehlung.
Die Regierungsparteien empfinden eine besondere Befriedigung darüber, daß sich diese Empfehlung ausdrücklich gegen eine Standardisierung in den verschiedenen Ländern ausspricht
und die auch von uns vertretene Meinung wiedergibt, daß eine Erhöhung der sozialen Sicherheit in den einzelnen Ländern mit verschiedenartigen, ich möchte sagen, ihnen angemessenen Methoden erstrebt werden soll.
Die internationale Arbeitskonferenz, von der vorhin die Rede war, hat, wie gesagt, Vorschläge für Mindestnormen ausgearbeitet. Es handelt sich zunächst nur um Vorschläge. Aber ich betone: wenn man den Leistungsgrad unserer deutschen Sozialversicherung wie unserer Sozialgesetzgebung überhaupt mit diesen Mindestnormen vergleicht, dann ist die Feststellung berechtigt, daß unsere in Jahrzehnten entwickelten sozialen Leistungen als mustergültig bezeichnet werden können.
Dabei ist selbstverständlich einzuräumen, daß wir das Maß des Erstrebenswerten in dieser oder jener Beziehung natürlich noch nicht erreicht haben. Eine kritische Beurteilung der sozialen Leistungen der Bundesrepublik Deutschland muß, wenn sie ehrlich Und objektiv sein will, jedoch anerkennen, daß die Bundesregierung und dieser Bundestag im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten alles getan haben, um den begründeten Erfordernissen gerecht zu werden.
Daß uns auch in dieser Beziehung Schranken gesetzt sind, wird jeder vernünftige und verantwortungsbewußte Mensch einsehen müssen, sofern er einen Begriff davon hat, was die Abwicklung der uns vom Nationalsozialismus hinterlassenen furchtbaren Erbschaft bedeutet.
Meine Damen und Herren! Wir befinden uns seit 1945 in der konkreten Auseinandersetzung um die Neugestaltung unserer Sozialversicherung und darüber hinaus um die Fortentwicklung unserer Sozialgesetzgebung überhaupt. Erfahrungen, wie sie in diesen Jahren in dem Teil Deutschlands gemacht werden mußten und noch gemacht werden, in dem unsere Gesetze leider keine Geltung haben, und auch die Lösungen in verschiedenen europäischen Ländern, die man uns gelegentlich gern zur Nachahmung empfiehlt, können uns nicht veranlassen, einen solchen Weg zu gehen.
Die SPD — das hat Herr Kollege Dr. Preller vorhin im einzelnen erläutert — fordert ein fortschrittliches, klares System der sozialen Sicherung. Gemeint ist damit ein alle Staatsbürger umfassender Gesundheitsdienst, eine allumfassende Fürsorge oder Versorgung. Die Regierungsparteien bedauern, einen solchen Sozialplan wie in der Vergangenheit so auch jetzt und für die Zukunft ablehnen zu müssen.
Wir sehen dagegen nach wie vor in der bestehenden Sozialversicherung, die wieder zu einer echten Versicherung gestaltet werden muß, das geeignete Mittel, den sozial Schutzbedürftigen der Bevölkerung die nötige Versorgung im Falle der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität und des Alters angedeihen zu lassen. Im Vordergrund steht für uns die Frage der finanziellen Sicherung, nicht zuletzt der Rentenversicherung. Hier wird eine wirkliche Sanierung und damit auch die Wiederherstellung einer echten Versicherungsbasis sehr wohl möglich sein. Darin, glaube ich, unterscheiden wir uns grundsätzlich von der Meinung, wie sie anderweit vielfach vertreten wird. Diese Sanierung wird sehr wohl möglich sein, allerdings unter der Voraussetzung, daß den Rentenversicherungsträgern seitens des Bundes ein angemessener Ersatz für die verlorengegangene Kapitalsubstanz eingeräumt wird.
In der Zusammenfassung aller bisherigen Träger der Sozialversicherung zu einem Einheitsträger sowie in der Ausdehnung des Kreises der Versicherungspflichtigen auf alle sehen wir keine brauchbaren Mittel für die Neugestaltung der Sozialversicherung.
Meine Damen und Herren, ich möchte das damit
ganz eindeutig gesagt haben. So verlockend auch
die Darlegungen des Herrn Dr. Preller sein mögen, wenn man die Dinge nur an der Oberfläche sieht, —
wir haben, glaube ich, in der Zwischenzeit genügend
Erfahrungen gesammelt dafür, daß diese Rezeptur
nicht zur Gesundung der Verhältnisse geführt hat.
Die Art des Versicherungsschutzes und der jeweils verschiedenartige Kreis der Schutzbedürftigen bedingen technisch und organisatorisch die Seibständigkeit der einzelnen sozialen Versicherungseinrichtungen. Damit will ich nachdrücklich sagen, daß diese Dinge nicht einfach etwa als technischorganisatorische Maßnahmen schlechthin bezeichnet werden können, vielmehr gehören sie grundsätzlich naturnotwendig zur Sache selber.
Die Krankenversicherung muß den Versicherten nahe sein. Wohl kaum eine Art der Sozialversicherung muß den versicherten Menschen so unmittelbar nahekommen wie gerade die Krankenversicherung.
Dies bedingt eine gesunde Dezentralisation und rechtfertigt ihre heute in der Reichsversicherungsordnung verankerte Gliederung.
In der Unfallversicherung hat sich die berufsständische Aufgliederung auf das beste bewährt und ist nach unserer Überzeugung beizubehalten. Die Tatsache, daß wir im Gesetz über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung auch der Angestelltenversicherung eigene Selbstverwaltungsorgane zugestanden haben, ist gleichzeitig ein Bekenntnis dafür, daß wir diesen Versicherungsträger grundsätzlich beibehalten wissen möchten. Nach Auffassung der Regierungsparteien sind alle jene Bestrebungen abzulehnen, die auf eine weitere Vermassung und Entseelung des Volkes unter persönlicher Entrechtung des einzelnen hinauslaufen.
Das Ziel einer gesunden Sozialpolitik muß die. weitgehende Förderung der Selbständigkeit und der Selbstverantwortung des einzelnen Menschen sein.
Deshalb muß geprüft werden, inwieweit in der Sozialversicherung dem Prinzip der genossenschaftlichen Selbsthilfe noch mehr als bisher Geltung verschafft werden kann.
Daher darf auch der Versicherungsschutz außerhalb der Sozialversicherung nach freiem Entschluß nicht unmöglich gemacht werden.
Wenn ich im Anschluß hieran auch nicht auf zu viele Details eingehen will, so seien mir doch noch ein paar Einzelbemerkungen gestattet. Bei vielen Einzelfragen, die Herr Dr. Preller in seiner Begründungsrede angeführt hat, befinden sich die Regierungsparteien zweifellos in Übereinstimmung mit den Antragstellern. Es gibt eine Reihe von Dingen, die nur einheitlich beurteilt werden können. Worauf es bei der Neugestaltung und der Reform der Dinge auch sehr maßgeblich ankommt, ist — wenn ich einmal so sagen darf — die Entflechtung von vielerlei Bestimmungen, die in den vergangenen Jahren so ineinander und durcheinander gelaufen sind, daß sich heute in Wahrheit kaum
noch jemand hineinfindet. Deshalb muß .vor allen Dingen Bedacht darauf genommen werden, daß Überschneidungen von Versicherungsleistungen da, wo sie nicht gerechtfertigt sind, beseitigt werden. Allerdings glauben wir — wohl im Gegensatz zu den Antragstellern —, daß eine klare Abgrenzung von Versicherung, Versorgung und Fürsorge unter allen Umständen notwendig ist.
Wir befinden uns darin in Übereinstimmung mit den Antragstellern, daß — wie von ihnen gesagt worden ist — zur Lösung des Problems auch die Frage gehört, wie man die Sozialleistungempfänger, soweit sie arbeitsfähige Menschen sind, in stärkerem Maße als bisher in den Arbeitsprozeß einzugliedern in der Lage ist. Im Zuge einer Neuordnung muß also auch darauf Bedacht genommen werden, wie man zu vermehrten Arbeitsmöglichkeiten kommt.
Ich glaube, auch die Frage bedarf einer besonderen Prüfung, wie es mit einer stärkeren Mitwirkung der Sozialversicherung bei der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues bestellt ist, um auch über diesen Weg letztlich wieder zu vermehrten Arbeitsplätzen und zu stärkerem Arbeitseinsatz zu kommen.
Schließlich brauchen wir ganz ohne Frage eine leichter verständliche Neufassung unserer gesamten Sozialversicherungsgesetzgebung wie der Bestimmungen über die Sozialversicherungsleistungen überhaupt.
Ich würde in meinen Ausführungen unvollständig sein, wenn ich nicht noch erwähnte, daß in den Kranz der Aufgaben, vor denen wir stehen, selbstverständlich auch die alsbaldige Erledigung der Frage der Kinderbeihilfen bzw. der Schaffung von Familienausgleichskassen hineingehört.
Gerade mit der Erledigung dieser Frage, die ja bereits in mehreren Vorlagen dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Bearbeitung überwiesen wurde, wird, wie ich glauben möchte, eine sehr erhebliche Lücke in dem System der sozialen Sicherung und der Sozialleistungen überhaupt geschlossen werden. Ich möchte dem Wunsche Ausdruck geben, daß es diesem Parlament in möglichst naher Zukunft vergönnt sein möge, diese Frage in einer vernünftigen und im Maße des Möglichen großzügigen Art und Weise zu regeln.
Nun ein paar Gedanken zu unserem Änderungsantrag selber. Wenn wir geglaubt haben, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht zustimmen zu können, so — das will ich als ersten Grund anführen — in gewisser Hinsicht aus verfassungsrechtlichen Bedenken. Wir sind der Meinung, daß sich die Bildung derartiger Studienausschüsse oder Sachverständigenkommissionen mit den Artikeln 43 und 44 des Grundgesetzes wie mit dem Grundgesetz überhaupt eigentlich nicht in Übereinstimmung bringen läßt. Wir sehen im Rahmen des Grundgesetzes keine klare Möglichkeit dafür, abweichend von den sonstigen Regelungen, die das Parlament hinsichtlich der Ausschüsse zu treffen berechtigt ist, auch noch derartige Studienkommissionen — als ausgesprochene Einrichtungen und Auftragsangelegenheiten dieses Parlaments — zu bilden.
Darüber hinaus sind wir aber auch der Meinung, daß wir die Bundesregierung in dieser Beziehung nicht aus der Verantwortung entlassen sollten, die gerade ihr in erster Linie bei der Prüfung der Lösungsmöglichkeiten für eine vernünftige Neu-
ordnung obliegt. Wir meinen, daß deshalb das zuständige Ressortministerium, das Bundesarbeitsministerium, die federführende und in erster Linie verantwortliche Stelle für die Durchprüfung dieser großen und schwierigen Problematik sein muß. Auf dieser Grundlage baut unser Änderungsantrag auf. Wir wollen den Herrn Bundesarbeitsminister beauftragen, bei seinem Ministerium einen aus 15 Personen bestehenden Beirat zu berufen, dessen Mitglieder mit besonderer Erfahrung auf diesem genannten Gebiet ausgerüstet sein müssen. Selbstverständlich wird der Herr Bundesarbeitsminister, wie ich überzeugt bin, es vermeiden, diesen Beirat etwa in unzulässig einseitiger Weise zusammenzusetzen. Er wird Bedacht darauf nehmen müssen — und wird das sicherlich tun —, daß in dem Beirat alle Auffassungen, die über die künftige Neuregelung dieser Dinge innerhalb unserer Bundesrepublik vorhanden sind, auch ihren Niederschlag finden, so daß damit Gelegenheit gegeben ist, auch diese grundsätzlichen, auch auseinandergehenden Meinungen innerhalb des Beirats gründlich zu erörtern und zu studieren. Unserem Antrag liegt nicht etwa die Absicht zugrunde, einen Beirat zu bilden, der je nach Belieben des Herrn Bundesarbeitsministers irgendwann einmal einberufen wird. Auch wir, die Antragsteller, sind davon ausgegangen, daß diesem Beirat der ganz konkrete Auftrag gegeben werden muß, in eine unverzügliche Durchprüfung dieses umfassenden Gebietes einzutreten. Der Beirat soll, auch wenn er unter der Federführung, unter dem Vorsitz des Bundesarbeitsministers steht, doch in der Art und der Möglichkeit der gründlichen Arbeit auch eine gewisse eigene Zuständigkeit haben.
Was wir dabei geprüft wissen wollen, geht aus dem Antrag selber hervor: in erster Linie die finanziellen Sicherungsmöglichkeiten für unsere bestehende Gesetzgebung selbst. Wir sind nicht etwa der reaktionären Meinung, daß alles so bleiben müsse, wie es seit ehedem ist.
Im Grundsatz möchten wir, wenn der Ausdruck in dem Zusammenhang noch einmal gebraucht werden darf, an der sogenannten klassischen Sozialversicherung als der Grundlage selbstverständlich festhalten. Daß aber die Neugestaltung auch in der Richtung einer fortschrittlichen Entwicklung, einer Anpassung an aus den Zeiterfordernissen gegebene Notwendigkeiten zu erfolgen hat, ohne dabei das Grundprinzip zu verletzen, das, meine Damen und Herren, ist unsere feste Überzeugung; auch im Hinblick auf die Notwendigkeit und die Aufgabe dieses Beirats und auf die Erfordernisse, die eine künftige Gesetzgebung erfüllen soll.
Damit möchte ich meine Darlegungen beschließen. Ich darf die beiden Hauptgründe, die ich angeführt habe, noch einmal hervorheben. Wir haben unseren Antrag gestellt einmal, um jeder Gefahr aus dem Wege zu gehen, daß wir etwa mit dem Grundgesetz auch nur am Rande in Kollision kommen könnten, und zum zweiten aus der Erkenntnis heraus, daß die initiative Verantwortung und die Verantwortung für der Federführung bei der Bundesregierung verbleiben soll, daß ihr aber in diesen 15 Sachverständigen und in den Sachverständigen, die der Beirat darüber hinaus noch hören kann, der Sachverstand und die beratende Mitarbeit an die Hand gegeben wird, deren die Bundesregierung, wenn sie vernünftige gesetzliche Maßnahmen vorschlagen will, auch ihrerseits nicht wird entraten können.
Ich bitte das Hohe Haus, unserem Änderungsantrag seine Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns bei der Beratung dieses Antrags gefragt: Warum in diesem Augenblick dieser Antrag, zu einem Zeitpunkt, in dem draußen in der Bevölkerung im Vordergrund aller Diskussionen neben der Frage der Remilitarisierung
die Frage steht, ob neben den für diese Remilitarisierung im Augenblick geforderten 11 1/4 Milliarden Mark pro Jahr noch die Mittel aufgebracht werden können, die notwendig sind, um den derzeitigen Stand der Sozialversicherung aufrechtzuerhalten. In einem solchen Augenblick kommt uns die SPD und kommen uns die Regierungsparteien mit einem Vorschlag, eine soziale Studienkommission zu bilden, die das Problem der Umgestaltung, der Entflechtung, der Intensivierung der Sozialgesetzgebung studieren soll. Ich glaube, die Invaliden draußen nehmen Ihnen das nicht ab!
Im Laufe der Diskussion ist heute das Wort gefallen: „Man muß alles tun, um eine Vermassung zu vermeiden." Nun, es gibt draußen eine Masse, eine 13 Millionen-Masse, das graue Heer des Elends und des Hungers, das bei den derzeitigen Leistungen der Sozialgesetzgebung und der Fürsorge vegetieren muß.
Das ist die Masse! Und nun frage ich mich — —
Herr Abgeordneter Müller, Sie rufen soeben „Armer Irrer!". Sprachen Sie zu einem Mitglied des Hauses?
— Also ich rufe Sie zur Ordnung. Ich möchte nicht die Feststellung durchgehen lassen, daß es in diesem Hause Irre gibt.
Aber diese Unterbrechung geht nicht von meiner Redezeit ab; darum bitte ich doch!
Sehen wir uns doch nun einmal den sozialdemokratischen Antrag an. Da heißt es in der ersten Ziffer, daß eine aus „unabhängigen" Sachverständigen zusammengesetzte Kommission gebildet werden soll. Der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion, der Herr Kollege Preller, fing seine Betrachtungen mit einem Werturteil über die Bismarcksche Sozialversicherungsgesetzgebung an. Nun, darüber wissen die deutschen Arbeiter etwas. Darf ich daran erinnern, daß der „Eiserne Kanzler" Bismarck bei der Begründung seiner Sozialversicherungsgesetzgebung ein von Sozialdemokraten eigentlich nicht zu vergessendes Wort gesprochen hat. Er hat gesagt: Allein mit Repressalien — der Herr Lehr ist nicht da —,
allein mit Repressalien das Volk zurückzuhalten, das geht nicht. Und nun wörtlich: „Man muß gegen die aufsteigende Sozialdemokratie, die zu einer Staatsgefahr zu werden droht, einen Schutzwall aufrichten". Dieser Schutzwall war die Bismarcksche Sozialversicherungsgesetzgebung.
Sie hat mit christlichen Erwägungen nichts zu tun, sie war nicht etwa der Ausdruck einer „Solidarität der Volksgenossen", sie war ein Schutzwall. Sie haben am Ende Ihrer Betrachtungen auch gesagt, warum Sie den Schutzwall jetzt noch einmal wollen, Herr Kollege Preller; ich komme am Schluß darauf zu sprechen.
Bismarck wollte also eine Sozialversicherung, um eine gewisse gesellschaftliche, politische Entwicklung bei uns im Lande zurückzuhalten. Das war die Entwicklung zum Sozialismus hin. Und dann hat er ein sehr kluges System ersonnen, das System seiner Sozialversicherung auf der Basis eines nach ausgesprochen privatkapitalistischen Prinzipien aufgebauten Deckungssystems, das nicht dadurch in Unordnung geraten ist, daß die Leistungen zu hoch geworden sind, das vielmehr dadurch in Unordnung gekommen ist, daß das Vermögen der Sozialversicherung, das die riesige Höhe von 33 Milliarden Mark erreicht hatte, im Laufe der beiden Kriege und in den Nachkriegsperioden einfach ausgebrannt war. Es war angelegt in Kriegsanleihen, zur Finanzierung sowohl des HitlerKrieges als auch des ersten Weltkrieges benutzt worden. Als Hitler weg war, war das Vermögen der Versicherungsträger auch zum Teufel. So entstand nach 1918 und 1945 die Notwendigkeit, aus Staatsmitteln Zuschüsse zu zahlen.
Die andere große Personengruppe, die Gruppe derjenigen Menschen, die auf kommunale Fürsorge angewiesen sind, die doch auch das Opfer Ihres Systems sind, ist die Gruppe der Kleinrentner, der Kleinsparer. Diese Menschen sind nach 1918 und nach 1945 die Opfer der Inflation bzw. der Währungsumstellung geworden. Also auch diese Personen sind auf Grund der Politik, die in diesem Staat betrieben worden ist und die Ihre Politik von heute ist, notleidend und fürsorgebedürftig geworden.
— Ja, auch Ihre Politik!
— Sie tragen den Herrn Adenauer.
Wie kann man sich angesichts dieser Situation, wo es doch eindeutig und klar ist, warum dieser Staat Sozialpolitik betreibt, einbilden, daß es möglich sein werde, hier eine „unabhängige Kommission" zusammenzustellen, die diese Probleme über den Parteien stehend erörtert.
Das ist doch ein Gedanke, den sich ein Sozialist niemals zu eigen machen dürfte. Wir wissen doch etwas von dem Charakter dieses Staates, wir wissen doch, warum Bismarck diese Sozialpolitik gemacht hat, und wir wissen auch, warum diese Herren heute hier diese — allerdings erbärmliche
— Sozialpolitik betreiben. Sie wissen das auch, Herr Preller. Am Schluß Ihrer Ausführungen haben Sie es ausgesprochen.
— Frau Kalinke, Sie kommen nach mir dran; ich hätte Sie gern vorgehen lassen; dann hätte ich es
noch leichter gehabt. Sie sind so ungeschickt, daß Sie Ihre wahren Ideen, die Ideen Ihrer Klasse etwas unverhüllter als etwa der Herr Horn aussprechen.
Nun zurück zu der Kernfrage: Welchen Charakter hat denn der Staat, in dem wir leben? Das ist doch ein ausgesprochen kapitalistischer Staat.
Wie kann man sich als Sozialist vorstellen, daß es in diesem kapitalistischen Staat, in diesem Staat mit dieser kapitalistischen, imperialistischen Politik, möglich wäre, eine soziale Sicherung zu schaffen! Wie kann man als Sozialist solche Gedanken überhaupt nur in seinem Kopf beherbergen! Wie kann man von der Möglichkeit reden, die „Solidarität aller Volksgenossen" in Bewegung zu bringen! Die Antwort hat Ihnen der Herr Horn gesagt. Er hat Ihnen die beiden Gruppen von Volksgenossen herausgeschält, als er sich dagegen wehrte, daß man die „Selbstversorgung" beseitigen will. Was meint der Herr H o r n? Der Herr Horn denkt an die Klasse, zu der er gehört. Er bejaht das System, daß in diesem Staat dank der Wirtschaft und der sozialen Ordnung ein gewisser, kleiner Kreis von Menschen die Möglichkeit hat, sich auf Grund der Profitwirtschaft, die in diesem Staat besteht, einer Altersversorgung, eine Versorgung schlechthin zur eigenen Sicherstellung zu schaffen. Diese Versorgung will er von der Versorgung jener Millionen armer Menschen getrennt wissen, die auf eine staatliche Sozialversicherung angewiesen sind. So liegen die Dinge doch in Wirklichkeit.
In dem sozialdemokratischen Antrag wird dann verlangt, daß die „Soziale Studienkommission" die Möglichkeiten der Entflechtung der Leistungen prüfen soll. Das klingt doch sehr bedenklich nach Herrn Dehler; denn der will auch eine Entflechtung, der ist auch dagegen, daß die auf Grund von Beitragsleistungen erworbenen Rechte und Ansprüche auf Renten bestehen bleiben sollen, auch er redet von der Notwendigkeit der Intensivierung der Renten. Angeblich will er sie auch erhöhen, aber er will eigenartigerweise dem Rechtszustand ein Ende machen, daß Renten, die auf Grund der Beitragsleistungen wohlerworben sind, nebeneinander und miteinander gezahlt werden. Gibt Ihnen dieser Gleichklang mit Herrn Dehler keinen Anlaß, die Richtigkeit Ihrer Gedankengänge nachzuprüfen?
Nun noch ein letztes Wort. Die Mitglieder dieser sozialen Studienkommission sollen ihrem Gewissen unterworfen sein. Was ist denn das für ein hohles Pathos, „ihrem Gewissen unterworfen sein"? Was heißt denn das?
— Ich will mir keinen Ordnungsruf zuziehen, deshalb kläre ich nicht die Frage, ob ich Ihnen ein soziales Gewissen zutraue, ich bin vorsichtig. Wie kann aber ein Sozialist dieser Gesellschaft zutrauen, daß sie an eine solche Fragestellung vom Standpunkt des sozialen Gewissens herangeht? Was euer Gewissen ist, das ist eure Sucht nach Profit! Das ist euer Gewissen!
Ich komme zum Schluß. Die dreizehn Millionen draußen verlangen von uns eine Erhöhung der derzeitigen Hungerrenten. Das verlangen sie! Sie verlangen nicht die Einsetzung einer Studienkommission. Sie wissen, daß nicht einmal der derzeitige
Stand Ihrer sozialen Zuwendungen gehalten werden kann, wenn die Kriegspolitik Adenauers zum
Zuge kommt. Nun stellen Sie sich hin und sagen:
Bilden wir eine Sozialkommission. Die Koalition
sagt dasselbe. Wir sagen im Namen der Hungernden draußen: Bilden wir eine Sturmkolonne gegen
diese Regierung des Krieges und des Hungers! Darauf kommt es im Augenblick. in Wirklichkeit an.
— Ich bin fertig. Lassen Sie mich nur noch einen Satz sagen. Für einen Sozialdemokraten ist es doch wirklich beschämend, daß er die Möglichkeit bejaht, einen derartigen Harmonieverein zusammenzustellen, die Ausbeuter neben die Ausgebeuteten, einmütig bestrebt, die „soziale Ordnung" zu sichern. Was wollen Sie, Herr Preller, mit Ihrem Antrag? Sie behaupten dasselbe, was der Herr Adenauer vorgibt neben seinen Kriegsvorbereitungen schaffen zu können. Sie bejahen wie Adenauer die Notwendigkeit,
diesen Staat sozial zu untermauern, damit die arbeitenden und hungernden Menschen in diesem Staat für die Adenauersche Abenteurerpolitik des Krieges gewonnen werden können. Darum reden Sie wie Adenauer von der Notwendigkeit,
diesen Staat sozial zu untermauern und die soziale Ordnung in diesem Staat zu sichern. Macht Sie dieser Gleichklang der Gedanken nicht etwas stutzig, Herr Preller? Was die Invaliden, was die Kriegsopfer draußen wollen, das wissen Sie so gut wie ich. Sie wollen ausreichende Renten, sie wollen nicht weiter hungern. Und Sie bieten Ihnen dieses hohle Ei einer Studienkommission zusammen mit den Koalitionsparteien an.
Das war der siebente Satz, Herr Abgeordneter Renner.
Noch einen letzten, dann gehe ich! — Wir werden den Sozialrentenberechtigten draußen sagen,
worauf es ankommt. Es kommt darauf an, gegen den Krieg zu kämpfen, gegen die Remilitarisierung anzukämpfen. Dann nur, nur dann ist es möglich, wenigstens das an sozialen Leistungen noch zu retten, was dieser Staat im Augenblick gibt. Aber soziale Sicherung — —Prtisident Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter Renner, ich bitte Sie, jetzt endgültig zum Schluß zu kommen.
Soziale Sicherheit für das Volk gibt es nur im Sozialismus.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion will mit ihrem Antrag erreichen, daß eine Kommission unabhängiger Sachverständiger geschaffen wird. Sie soll, entsprechend den Fraktionsstärken im Bundestag zusammengesetzt, die so dringend notwendigen Vorarbeiten für eine Neuordnung unseres Sozialrechts leisten. Ich verstehe deshalb einen Teil der Ausführungen meiner Vorredner wirklich nicht. Sie wären vielleicht am Platze, wenn das Ergebnis der sozialen Studienkommission hier zur
Diskussion stehen würde und man zu den einzelnen Problemen sich zu entscheiden hätte. Heute haben wir uns doch zu entscheiden, ob wir es für notwendig halten, daß eine derartige Studienkommission gebildet wird. Wenn wir dies bejahen — und das scheint sowohl bei der Opposition als auch bei den Regierungsparteien der Fall zu sein, das beweisen die beiden vorliegenden Anträge —, dann haben wir nur noch zu fragen, wie ist die zweckmäßigste Form dieser Studienkommission.
Nun hat man hier davon gesprochen, daß wir eine klassische Sozialversicherung hätten und daß sowohl im Grundsätzlichen als auch in ihrem wesentlichen Aufbau keine Änderung erfolgen sollte. Wenn Sie sich die Mühe machen würden, meine Damen und Herren, die Reichsversicherungsordnung zur Hand zu nehmen, würden Sie feststellen, daß über 3 000 Paragraphen notwendig sind, um das Recht der Krankenversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeiter und der Unfallversicherung zu ordnen. Nehmen Sie dazu noch das Angestelltenversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz, die Kriegsopferversorgung, das Fürsorgewesen und dann lassen Sie mich fragen: Wer hier in diesem Hohen Hause ist in der Lage, überhaupt mit Fug und Recht sagen zu können, daß er das Wesentliche dieser sozialen Gesetzgebung noch beherrscht?! Der Versicherte, für den sie geschaffen wurde, der seine Leistungen auf Grund dieses Rechts zu beanspruchen hat, hat überhaupt keine Ahnung davon, er kann sie auch gar nicht haben, so kompliziert und zersplittert ist unser Sozialrecht.
Dadurch kommt es, daß die Leistungen des einzelnen Sozialversicherungsträgers relativ gering sind und daß des weiteren bei den Leistungen Überschneidungen vorkommen, da verschiedene Träger zuständig sind. Es wäre doch wirklich des Schweißes der Edlen wert, wenn man dieses Gesetzeswerk zu einem einfachen Gesetz zusammenfassen würde, das auch die verstehen und kennen, für die es geschaffen wurde, damit sie überhaupt in der Lage sind, ihre Ansprüche geltend zu machen. Wenn weiter noch erreicht würde, daß diese Leistungen als gute, als ausreichende Leistungen angesprochen werden könnten, dann wären wir auf dem Wege zur sozialen Gerechtigkeit.
Aber bitte, man sollte doch nicht von Einheitsversicherung sprechen oder von Mammutgebilden oder von Vermassung und derartigem mehr. Das sind doch so abgedroschene Schlagworte; die verfangen ja noch nicht mal draußen in den Wählerversammlungen. Hier kriegen Sie lediglich den pflichtmäßigen Beifall eines kleinen Teiles Ihrer Fraktion. Wenn man von Mammutgebilden spricht und gerade vorher die Krankenversicherung erwähnt und da behauptet hat, die Krankenversicherung sei die versichertennächste Versicherungsform, dann möchte ich doch in aller Bescheidenheit auf die Ersatzkassen hinweisen, die über das ganze Bundesgebiet ausgedehnt sind. Wenn man von Mammutgebilden spricht — Herr Horn, das muß dann schon in aller Freundschaft hier gesagt werden —, sind es gerade die Ersatzkassen, die die weitaus größte Mitgliederzahl haben, nämlich, wenn ich richtig informiert bin, die größte unter ihnen über 1 Million. Und warum der dauernde Kampf gegen die Ortskrankenkassen, die nur auf einen Ort oder auf einen kleinen Bezirk beschränkt sind, die also doch den Versicherten sehr viel näher sind als dieses Mammutgebilde mit über 1 Million Mitgliedern, das das ganze Bundesgebiet umspannt und
das zentral geleitet wird? Sehen Sie sich einmal einen anderen Versicherungszweig als den der Rentenversicherung an! Ich glaube, Sie werden finden, daß die Dezentralisation und somit die Möglichkeit der Konkurrenzvergleiche bei der Rentenversicherung der Arbeiter — bedingt durch die Landesversicherungsanstalten — viel zweckentsprechender ist als die angestrebte Zentralisation in der Angestelltenversicherung.
Es wird gegen die Ausdehnung der Versicherungspflicht auf weitere Kreise gewettert; es wird dagegen Stellung genommen, daß eine Standardisierung mit diesem Plan verfolgt werde, und es wird von den Regierungsparteien ein Sozialplan ganz kategorisch abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten nicht in den Fehler verfallen, hier vorher Anordnungen zu treffen und Marschwege für diese Kommission abzuzeichnen
- ich komme dazu noch, Herr Kollege Horn —, ihr Aufgabengebiet abzugrenzen, sondern man sollte geeignetste Sachverständige nehmen und sagen: Ihr seid unabhängig und nur eurem Gewissen verpflichtet und nicht an Weisungen des Bundesarbeitsministers oder seines Vertreters gebunden, der Vorsitzender dieser Kommission sein soll, wie es in Ihrem Antrage heißt. Und deshalb ist unser Antrag, glaube ich, der zweckmäßigere. Je nach dem, was diese Studienkommission erarbeitet, welche Einrichtungen und Leistungen sie für notwendig hält, werden wir den zweckmäßigsten Träger zur Durchführung der geplanten Maßnahmen bestimmen; den Träger, der die Probleme am einfachsten, am billigsten, am versichertennächsten löst. Das muß unsere Aufgabe sein.
Meine Damen und Herren, ich verstehe Ihren Antrag nicht, in dem Sie quasi die Bedingung stellen, daß — unter klarer Abgrenzung der Versicherung, der Versorgung und der Fürsorge — der Bundesminister für Arbeit beauftragt wird, einen Beirat einzuberufen, in dem er oder der von ihm beauftragte Vertreter den Vorsitz haben soll. Das wird nichts; verlassen Sie sich darauf! Im Wirtschaftsrat haben wir uns im Dezember 1948 schon einmal Gedanken über dieses Problem gemacht. Da waren es der Kollege Horn und seine Fraktion, die CDU/CSU des Wirtschaftsrats, die einen Antrag einbrachten, in dem es hieß:
Eine Entscheidung über die endgültige Sanierung der Invaliden- und Angestelltenversicherung ist nur auf der Grundlage einer versicherungstechnischen Bilanz möglich.
Diesem Antrage wurde zugestimmt. Im Spätherbst 1950 wurde im einem kleinen Kreise die Erstlingsarbeit auf der Grundlage dieser versicherungstechnischen Bilanz diskutiert. Und damit hat es bis heute sein Bewenden gehabt. Schon weit über ein Jahr warten die Lehrlinge und die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer darauf, zu erfahren, oh sie endlich wieder der Arbeitslosenversicherungspflicht unterstellt werden oder nicht. Bis heute ist der zugesagte Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums bzw. der Bundesregierung noch nicht da. Wir können deshalb dem Bundesarbeitsministerium nicht noch einen derartigen Beirat oktroyieren. Auch können wir dem Bundesarbeitsminister nicht den Vorsitz zubilligen und noch viel weniger das Recht, die 15 Mitglieder dieses Beirats zu berufen.
Ich bitte Sie, diese Anträge zur Klärung der Problematik, die in den beiden, Anträgen unzweifelhaft enthalten ist, dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage der Neugestaltung der sozialen Sicherheit der breiten Volksschichten ist eine Frage, die sofort nach der Beendigung des Krieges im Jahre 1945 an uns herangetreten ist. Damals war es der Kollege Richter mit einigen Freunden, die in Frankfurt eine neue Reichsversicherungsordnung aufgebaut haben und die sich damals in Wirklichkeit alle Mühe gaben, in das Dornengestrüpp unserer Sozialversicherung eine einfachere Ordnung zu bringen. Der Kollege Richter wird mir Recht geben, wenn ich ihm sage, daß er damals bei einem großen Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter dafür gar kein Verständnis gefunden hat, vor allen Dingen bei den Bergleuten nicht, die nun einmal ihre besondere Sozialversicherung liebgewonnen haben und glauben, in ihr ein Instrument in den Händen zu haben, mit dem sie die besonderen Interessen der im Bergbau beschäftigten Menschen besser wahrnehmen können.
Wir haben dann im Jahre 1946 das Kontrollratsgesetz vor uns gehabt und hatten uns mit dieser Gesetzesvorlage zu beschäftigen, die von dem gesamten Kontrollrat ausgearbeitet war. Durch dieses Gesetz wollte man uns so etwas wie eine Einheitsversicherung in Deutschland geben, von oben herunter, von der Besatzungsmacht befohlen. Ich weiß, wie wir uns damals mil dieser Frage innerhalb der gewerkschaftlichen Organisationen und in Verbindung mit dem Sozialpolitischen Ausschuß des Zonenbeirats in Hamburg beschäftigt haben. Alle Probleme der Sozialversicherung waren aufgeworfen. Der Sozialpolitische Ausschuß des Zonenbeirats in Hamburg hat damals in seinem Gutachten ein sehr gutes Wort gesagt:
daß man nämlich eine wirkliche Neuordnung der Sozialversicherung erst dann vornehmen kann, wenn wir wieder den politischen und den wirtschaftlichen Boden unter den Füßen haben, um klar sagen zu können, was nun in Wirklichkeit aus dem Sozialprodukt für die Sozialversicherung entnommen werden kann. Damals war es der Deutsche Gewerkschaftsbund in der englischen Zone, der der amerikanischen und der englischen Besatzungsmacht ganz klar gesagt hat: Wenn diese Gesetzgebung über den Kontrollrat durchgeführt wird, werden wir in einem außerordentlichen Kongreß den deutschen Arbeitern sagen, was man mit ihnen vorhat. Daraufhin haben die Amerikaner und Engländer gesagt: Wenn es die Deutschen nicht wollen, dann wollen wir es ihnen auch nicht aufzwingen. So war damals die Situation.
Dann haben wir uns erneut in Frankfurt — Herr Kollege Richter war dabei — im Wirtschaftsrat mit der Problematik der Sozialversicherung beschäftigt. Damals hatten wir ein Sozialprodukt, das vielleicht bei 60 bis 70 % des normalen lag. Wir hatten nicht die Unterlage unter den Füßen, um in der Tat ein neues großes Gesetzeswerk schaffen zu können. Wir haben uns helfen müssen. Wir haben ein Übergangsgesetz geschaffen und waren uns darüber klar, daß man dann, wenn die wirtschaft-
liche Plattform breit und fest genug sei, an die Grundsätzlichkeit der ganzen Problematik herangehen müsse.
Selbstverständlich gibt es auf dem Gebiet der Sozialversicherung die verschiedensten Auffassungen, und man kann mit gutem Recht auf der einen oder auf der anderen Seite stehen. Das braucht absolut nicht dahin zu führen, daß der eine dem anderen Reaktionäres, der andere dem einen wieder Revolutionäres vorwirft. Gestern ist in diesem Hause bei einer anderen Gelegenheit ein gutes Wort gefallen, das lautete: Wir haben bei der Neugestaltung weniger die Form als vielmehr den zu betreuenden Menschen zu sehen.
Das scheint mir das Entscheidende zu sein.
Wenn man sich mit der Frage beschäftigt: Wie soll es nun werden? —, dann muß man die ungeheuren Schwierigkeiten sehen, die wir zu überwinden hatten, um überhaupt die größten Notstände überbrücken zu können; die sind Ihnen ja bekannt. Sie haben die großen Gesetze gemacht, durch welche wir den 4 Millionen kriegsbeschädigten Menschen eine Lebensbasis gegeben haben. Sie haben vor einigen Monaten das Gesetz über die Erhöhung der Renten beschlossen. Es waren ganz bestimmt keine kleinen Dinge, die damals herausgekommen sind, sondern hier haben wir vom Bund soziale Verpflichtungen übernommen, wie sie früher noch niemals von einem Parlament für den Staat zu beschließen waren.
Glauben Sie mir doch eines: die Menschen draußen sind nicht so, wie Herr Renner das hingestellt hat: eine Millionenmasse, die nur danach strebt, mehr zu bekommen. Nein, diese Leute wollen, soweit sie der Sozialversicherung angehören, soziale Gerechtigkeit.
Sie wollen für ihre eigene Beitragsleistung ein Äquivalent.
— Herr Kollege Renner, gehen Sie doch ruhig ins Ruhrgebiet und sprechen Sie einmal zu den alten Bergarbeitern. Die sagen Ihnen etwas ganz anderes, als Sie hier angeblich im Auftrag dieser Leute vortragen.
Diese Leute wissen, daß ihre Sozialversicherung ihren alten Kollegen eine Lebensbasis gibt, die weit über dem steht, was in dem Gebiet in Deutschland, wo Ihre Freunde herrschen, heute der Arbeiter in einer acht- oder zehnstündigen Arbeitszeit überhaupt verdienen kann.
Darum handelt es sich, meine verehrten Damen und Herren.
Deshalb müßten wir, wenn wir die Frage einer Studienkommission oder eines Beirats betrachten, uns immer wieder fragen: Dürfen wir das, was sich der Arbeitnehmer durch seine Beiträge und durch die Beiträge seines' Arbeitgebers als Rechtsansprüche erworben hat, in einer Studienkommission mit dem zusammenbringen, was der Staat an sozialen Verpflichtungen gegen diejenigen hat, die nicht für sich selbst sorgen konnten?
Man sollte auseinanderhalten, wo Rechtsansprüche auf Grund eigener Leistung gegeben sind und wo der Staat dem wirtschaftlich Schwachen, der sich nicht selbst helfen kann, staatliche Hilfe geben muß. Glauben Sie mir, wir haben im letzten Jahr in meinem Ministerium an der Frage der Neugestaltung und der finanziellen Sicherstellung unserer Sozialversicherung gearbeitet. Es ist Ihnen doch allen bekannt, welche Schwierigkeiten wir mit den Besatzungsmächten gehabt haben, um das in Berlin verwaltete Vermögen wieder in deutsche Hände zu bekommen. Sie wissen, was sich dort abgespielt hat.
Wenn wir heute die Frage zu prüfen haben, wie die kommende Sozialversicherung aussehen soll, dann sage ich Ihnen in aller Offenheit, daß wir natürlich als fortschrittliche Menschen unsere Sozialversicherung den Notwendigkeiten unserer Zeit anzupassen haben.
Aber auf keinen Fall darf man einem Phantom
nachjagen und nur sagen: Wenn man alles in einen
Pott gebracht hat, dann sind die Dinge erledigt.
Nein, unsere Menschen draußen wollen einfach in
einem Kreis ihre Sicherstellung finden, den sie
selbst übersehen können. Das ist das Entscheidende.
Deshalb sollte man sich über diese Problematik heute gar nicht allzusehr unterhalten — darin gebe ich dem Herrn Kollegen Richter recht —, sondern man sollte die Frage prüfen: Ist eine Studienkommission, wie sie von der Sozialdemokratischen Partei gefordert wird, oder ein Beirat das Richtige? Wir haben unsere Arbeit im Ministerium so eingestellt, daß wir in der zweiten Hälfte dieses Jahres die Gesetzesvorlage über die Neuordnung der Sozialversicherung vorlegen wollen. Dann aber ist es meines Erachtens unmöglich, daneben eine Studienkommission des Parlaments zu haben, die meiner Ansicht nach in einem halben Jahr noch nicht ein Drittel der Dinge durchgearbeitet haben kann, die durchgearbeitet werden müssen, wenn diese Kommission dem Parlament einen geeigneten Vorschlag machen will. Darauf kommt es doch letzten Endes an. Haben wir aber in unserem Ministerium einen Beirat, so können wir mit ihm einmal die uns noch gegebenen Grundlagen behandeln. Mit dem Beirat wäre allen Ernstes die Frage zu prüfen, ob sich die Sozialversicherung überhaupt an erster Stelle an den Staat oder an die Wirtschaft zu wenden hat. Wenn man darüber hinaus die Frage der organisatorischen Gestaltung mit den Leuten, die wirklich die besten Kenner unserer Sozialversicherung sein müssen, besprechen will, dann bin ich der Meinung, daß die Zusammenarbeit zwischen einem Beirat und dem zuständigen Ministerium viel schneller zu positiven Ergebnissen führt, als wenn man eine Studienkommission einsetzt.
Herr Professor Preller, Sie wissen doch genau so gut wie ich, daß man, als damals in England der Beveridge-Plan über die Bühne ging, von der großen Konzeption, die sich dort abzeichnete, in den verschiedensten Ländern sehr stark beeindruckt war. Man hat in der Schweiz eine Studienkommission eingesetzt, um die Frage zu prüfen, ob und in welcher Form man den Beveridge-Plan für die Schweiz übernehmen könnte. Genau dasselbe haben wir in Schweden gehabt, und wenn Sie heute
einmal die verantwortlichen Leute in diesen beiden Ländern fragen, dann sagen sie Ihnen, diese Studienkommissionen sind im Sande verlaufen.
— Sie sagen, das ist nicht wahr. Herr Professor Preller, Sie wissen, daß es wahr ist; denn Sie kennen den Stand der Sozialversicherung in der Schweiz und kennen den Stand der Sozialversicherung in Schweden wahrscheinlich genau so gut wie ich.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir bei unserer Arbeit schrittweise vorangehen. Wir sollten einem Beirat die Möglichkeit geben, in Verbindung mit dem Ministerium so schnell wie möglich, an einer Stelle anfangend, das ganze soziale Problem in Deutschland in eine neue Ordnung zu bringen. Ich bitte Sie daher, den einfacheren und zweckmäßigeren Weg zu gehen, und das ist der der Schaffung eines Beirates, der in engster Verbindung mit dem Ministerium bzw. mit der Regierung nachher Gesetzesvorlagen erarbeitet, die diesem Hohen Hause zur Verabschiedung vorgelegt werden können.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Fraktionsfreund, der Herr Abgeordnete Horn, hat schon darauf hingewiesen, daß mit den Regierungsparteien auch die CDU-Fraktion
— sogar die tragende, Kollege! — dem Grundsatz einer Studienkommission zustimmt. Wenn aber der Herr Professor Preller in seinen Ausführungen Richtlinien für die Arbeiten dieser Kommission geben zu müssen glaubt, bin ich der Meinung, daß er bei der Kennzeichnung dieser Richtlinien nicht logisch gewesen ist, oder er ist vor den letzten Wirkungen dieser Logik zurückgeschreckt. Das Kernstück seiner Ausführungen war die Beseitigung der Bordschwellen zwischen Versicherung, Versorgung und Fürsorge. Wenn Sie diesen Gedankengang logisch durchgedacht hätten, Herr Kollege Preller, hätten Sie sagen müssen: Auch Beseitigung der Bordschwellen zwischen Pension usw. Das wäre die letzte Konsequenz Ihres Gedankenganges gewesen.
Vor dieser letzten Konsequenz, Herr Professor Preller, sind Sie zurückgeschreckt, vielleicht aus der Erkenntnis, daß es in unserem Gemeinschaftsleben nun doch nicht möglich ist, allen Notfällen, allen Dingen, die sich ereignen, von einer großen Versorgungsanstalt aus gerecht zu werden. Wenn schon eine Bordschwelle zwischen Pension, Versicherung und den weiteren sozialen Einrichtungen notwendig erscheint, sind, meine ich, auch Bordschwellen zwischen den anderen Versicherungs-
und Versorgungseinrichtungen erforderlich. Ich bin der Meinung, daß von idem Sektor aus, in dem jemand tätig gewesen ist, in dem seine Notlage entstanden ist, in Notfällen auch eingegriffen werden muß. Wenn man die Dinge so sieht, erscheint es sinnvoll, daß derjenige, der irgendwie im freien Wirtschaftsleben tätig gewesen ist, seine sozialen Leistungen in Fällen der Not auch durch eine Versicherung erhält, die von diesem Wirtschaftszweig getragen wird.
Wenn jemand im Dienste des Staates und namentlich im Dienste des Staates mit der Waffe in der Hand versorgungsberechtigt geworden ist, dann hat er gegenüber diesem Staat ein Anrecht auf Versorgung. Für denjenigen, der sonst aus allgemeinen Gründen notleidend geworden ist, hat die Gemeinschaft, in der er lebt, zu sorgen. Daher bin ich, wie ich schon eingangs gesagt habe, der Meinung, daß, wenn die Konsequenzen nicht bis ins letzte gezogen werden und die SPD-Fraktion an der Forderung festhält, daß die eine Bordschwelle bleibt — nach ihrer Meinung sicher aus sinnvollen Gründen —, auch die gleichen sinnvollen Gründe für die anderen Bordschwellen gegeben sind.
Der Herr Kollege Richter hat klarzumachen versucht, daß die Unmenge von Paragraphen, die dieses gesamte Versorgungs-, Unterstützungs- und soziale Leistungswerk — sei es Versicherung, sei es Versorgung, sei es Fürsorge — ausmachen, vereinfacht werden müsse. Ich bin mit dem Kollegen Richter darin einig, daß man an die Beseitigung des Gestrüpps gehen muß, das in den letzten Jahrzehnten um all diese Gesetze herumgerankt wurde. Hier halte ich mit dem Kollegen Richter eine Studienkommission für notwendig, die all diese Dinge überprüft. Ich bin dabei der Meinung, daß es ohne Beseitigung der Systeme, die wir nun haben, möglich ist, idas gesamte soziale Leistungswerk einfacher und auch verständlicher zu gestalten, aber nicht in dem Sinne, daß Bewährtes um eines Experiments willen zerschlagen wird, dessen Wirkungen nicht zu übersehen sind.
— Herr Kollege Richter, ich denke nicht daran, meine Hand zu bieten für ein Experiment sozialer Sicherheit wie in England oder Frankreich, für Systeme, die sich heute in diesen Ländern in einer Krise befinden. Wir wissen noch nicht, was aus diesen Systemen wird. Dann halte ich lieber an dem fest, was sich bei uns durch Jahrzehnte bewährt hat.
Der Herr Kollege Richter hat gebeten, die beiden Anträge. dem Ausschuß zu überweisen. Ich bin gegenteiliger Auffassung. Was hier von der SPD-Fraktion verlangt wird, haben wir in Deutschland schon einmal in etwas abgewandelter Form gehabt. Ich erinnere nur an den Enquête-Ausschuß in den Jahren vor 1933, der doch etwas Ähnliches war. Was hat dieser Enquête-Ausschuß zutage gefördert? Material für eine Reihe von Doktorarbeiten! Wenn wir hier eine Studienkommission einsetzen, muß sie mehr erbringen als Material für Doktorarbeiten, mehr als Material für Broschüren und auch mehr als Material für Zeitungsartikel. Eine solche Studienkommission muß praktische Ergebnisse bringen, die im Dienste unserer notleidenden Menschen verwandt werden können.
Ich bin von meinen Parteifreunden beauftragt, das Hohe Haus zu bitten, über die Anträge hier direkt abzustimmen und sie nicht dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der ausführlichen Begründung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion ist Herr Professor Preller auf sehr viele Probleme eingegangen. Vieles davon hat wenig Neues ge-
bracht, man kann sagen, kaum Neues, und ist kaum wert, außer im Kreis von Fachleuten bis ins einzelne diskutiert zu werden. Herr Professor Preller hat aber — und insofern muß ich dem Herrn Abgeordneten Richter antworten — die Zielrichtung angegeben und Grundsatzfragen aufgeworfen, die nicht nur technische Fragen sind, für das, was er mit dieser Sozialen Studienkommission als Ergebnis der Forschungen, als Endziel erreichen möchte. Meine Freunde sind dankbar dafür, daß der Sprecher der Regierungsparteien, der Abgeordnete Horn, gegenüber den von Herrn Professor Preller herausgestellten Grundsatzfragen ebenso klar die Grundsätze der Regierungsparteien dargelegt hat.
Herr Kollege Preller hat zu Beginn seiner Begründung des sozialdemokratischen Antrags davon gesprochen, daß die deutsche Sozialversicherung eine fortschrittliche Leistung war. Ich meine, sie ist es noch. Man könnte von ihr in Umbildung des klassischen Begriffs, den Klopstock in einer seiner schönsten Oden von der deutschen Sprache geprägt hat, wahrhaft sagen: „daß keine, welche lebt, sich mit Deutschlands Sozialversicherung in einen wohledlen Wettstreit wagen dürfe. Sie ist, damit ich kurz mit ihrer Kraft es sage, an mannigfacher Uranlage, an immer neuer und doch deutscher Wandlung reich."
— Ja, ich habe die Klopstockschen Oden einmal gut gelernt, und ich glaube, daß es sehr nützlich ist, aus der deutschen Literatur wie aus der deutschen Geschichte manches zu behalten, weil man daraus vieles lernen kann.
Sie, meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, die Sie „von der Wurzel her etwas Neues" schaffen wollten, haben mir leider heute nicht die Freude gemacht, neue Gedanken zu bringen, die die Grundlage einer solchen Schöpfung von der Wurzel 'her sein könnten. Sie haben zwar alle möglichen Dinge diskutiert, die in der Geschichte der deutschen Sozialversicherung seit 70 Jahren bekannt sind, Probleme, die seit ebenso langer Zeit diskutiert werden, Fragen, die zum Teil vielleicht Fragen der Zweckmäßigkeit sind, andere, die sicherlich Fragen einer zwangsläufigen Entwicklung sind. Aber Sie haben — ich habe es schon eingangs gesagt — nichts Neues gebracht. Denn der Schrei nach der Staatsbürgerversorgung, der Schrei nach der totalen Beseitigung der Bordschwellen — mein Kollege Arndgen hat es schon gesagt — ist durchaus nichts Neues. Es handelt sich auch nicht, wie Sie gesagt haben, Herr Professor Preller, um eine Zweckmäßigkeitsfrage und ebenfalls nicht, wie gestern Herr Schellenberg gesagt hat, um eine Frage der Technik, sondern um eine Frage sehr ernsthafter Erfahrung, nämlich darum, daß es einen Unterschied gibt zwischen dem, dem ein Mensch sich selbst verantwortlich verpflichtet fühlt, und dem, was der Staat für alle seine Bürger zu tun verpflichtet ist.
Mit Rücksicht auf die Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit — im Gegensatz zur Länge der Begründung — kann ich nur auf ein Teilgebiet dessen eingehen, was Herr Professor Preller hier ausgeführt hat. Er befindet sich in Gemeinschaft mit seinem Kollegen Auerbach vom Bundesrat, der das in den sozialdemokratischen Diskussionen bei der Empfehlung dieses Antrags als Grundlage des künftigen Wahlkampfes und der grundsätzlichen politischen Auseinandersetzung unter den Wählern etwas deutlicher ausgedrückt hat. Er hat gesagt, die Trennung von Versicherung, Versorgung und Fürsorge sei eine historische Begebenheit oder gar eine Spielerei. Nun, wir haben in Deutschland heute, besser als 1945 im Zonenbeirat und im Länderrat, die Möglichkeit, uns ein ganz eindeutiges Bild darüber zu machen, was Spielereien, was Experimente und was sehr ernsthafte Versuche sind. Experimente dieser Art sind nur geeignet, den Restbestand eines Volkes, das mit seinen sozialen Problemen so schwer ringt, und damit uns alle unter Umständen in die größten finanziellen Schwierigkeiten zu bringen.
Ich möchte nur mit wenigen Sätzen an das Ergebnis in der französischen Zone erinnern. Die damalige Zwangs- und Einheitsversicherung, beschert von den Freunden des Herrn Renner über die französische Militärregierung, hat weder die Leistungen erhöht, noch die Verwaltungskosten gesenkt, noch die Versicherten in irgendeiner Weise glücklicher gemacht.
Das Experiment der Versicherungsanstalt Berlins — nicht von Ihnen , sondern von der sowjetischen Militärregierung beschert, aber von Ihnen verteidigt — hat uns unerhörte Mittel gekostet.
Wir hier im Bundesgebiet sind auch heute noch bereit, um der Berliner willen, nicht um Ihres Experimentes willen, den Berlinern zu helfen, nicht aber der VAB.
— Ja, ich muß es auch hier wiederholen: wir identifizieren die Bürger Berlins nicht mit der Sozialdemokratischen Partei!
Das Experiment im Saarland, das unseren deutschen Menschen im Saarland aufgezwungen wird, zwingt sie heute in denselben Abwehrkampf, den deutsche Männer und Frauen in der französischen Zone einmal führen mußten.
Dort haben die Parlamente gegen das Experiment entschieden.
Lassen Sie mich nun etwas zu den Beispielen sagen, die Sie und Ihre Freunde immer anzuführen pflegen. Sie wollten diese Soziale Studienkommission in die skandinavischen Länder schicken. Meine Herren von der Opposition, in den skandinavischen Ländern, besonders in Schweden, das Sie uns so empfehlen, gibt es noch keine Krankenversicherung, 'die Sie studieren könnten, und die deutsche Sozialversicherung, wird dort noch für lange Zeit ein Fernziel sein.
Was England betrifft, so möchte ich Ihnen dazu nur folgendes sagen. Sie wissen selbst, daß im britischen Haushalt für den nationalen Gesundheitsdienst im Jahre 1951 die Summe von 411 Millionen Pfund ausgegeben wurde gegenüber der im Jahre 1946 veranschlagten Summe von 146 Millionen Pfund. Aber der Mann, den Sie so oft zitiren und mit 'dem zu diskutieren auch ich das Vergnügen hatte, Lord Beveridge, hat in einem seiner neuesten Bücher jenes bemerkenswerte Wort von der Gefahr der Staatsbürgerversorgung und der Notwendigkeit der Freiheit aller seiner Bürger gesprochen, die Verantwortung selbst zu tragen, weil die Demokratie die freiwillige Einsatzbereitschaft
erhalten muß, um ihr eigenes Gesetz, die Freiheit, zu bewahren.
In Frankreich ist neulich das Kabinett gestürzt worden, nicht zuletzt wegen der finanziellen Schwierigkeiten durch den Sozialetat. Ich habe nur noch eine Minute Redezeit. Wenn mir die Zeit dafür zur Verfügung stünde, wäre es sehr reizvoll, Ihnen etwas aus der Sozialdebatte in Frankreich zu zitieren, aus jener Debatte in Frankreich, in der es darum ging, ob sich ein Volk wie die Franzosen ein solches Maß von Sozialexperimenten heute noch leisten kann. Aber ich möchte einem Mann das Wort geben, dem französischen Schöpfer dieser Einheitsversicherung, Herrn Laroque, der schon vor Jahren, nicht erst heute, gesagt hat, daß die soziale Sicherheit an sich kein Ziel sein kann, daß am Ende der Mensch steht. Herr Laroque beliebte seinerzeit an das Wort von Montesquieu zu erinnern, das ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren möchte:
Die Freiheit besteht in der Sicherheit jeden Bürgers und in seinem Bewußtsein, daß er sie besitzt.
Aber, welcher Art Freiheit würde sich das Individuum noch erfreuen, wenn es sich nach und nach all seiner Verantwortlichkeiten zu Lasten der Gemeinschaft entledigen würde? Jede Gesellschaft, die die eigene Anstrengung der Person durch den Paternalismus des Staates ersetzt, ist einem langsamen Tode geweiht. Die Inkas in Peru hatten eine totale Planung der Bedürfnisse und aller Arbeiten durchgeführt, ehe sie mit ihrer Zivilisation untergingen, und die römischen Kaiser begannen 'einmal, Lebensmittel umsonst an das Volk zu verteilen. Das war der geschichtliche Zeitpunkt, als ihr Weltreich bald dem Ende entgegenging.
Meine Freunde sind nicht der Auffassung, daß Experimente dieser Art auf dem Rücken unseres so geschlagenen Volkes exerziert werden sollten. Meine Freunde glauben, daß die Studienkommission im Arbeitsministerium wertvolle Beiträge zu einer fortschrittlichen Entwicklung unserer klassischen Sozialversicherung und zu einer Anpassung an ihre Bedürfnisse in der Gegenwart wie in der Zukunft leisten wird; Deshalb bitten wir Sie: Stimmen Sie dem Antrag der Regierungsparteien zu!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Die sogenannte Studienkommission, die der Herr Kollege Renner vorhin „die hohle Hand" genannt hat, hat in der Sozialgeschichte Europas in den letzten Jahrzehnten einige Vorgänger gehabt. Gestatten Sie mir, an die schwedische Vorgängerin dieser Kommission kurz zu erinnern. Sie hat im Jahre 1949 ein Résultat herausgebracht, das Sie interessieren dürfte, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei. Darin steht nämlich, daß ein solches Unternehmen, eine so umfassende Fürsorge und Versorgung der gesamten Bevölkerung nur auf kommunaler Ebene gelöst werden könne. Und als vor einigen Tagen Ihr Parteifreund Zinnkann aus London zurückkam und in Hessen in Versammlungen auftrat, da berichtete er über seine Erlebnisse in Großbritannien und traf dabei eine ganz interessante Feststellung. Er sagte, dieses System komme doch für uns nicht in Frage,
denn das bedeute ja das Ende unserer Versicherungsträger. Ich bitte doch einmal zu überlegen und in Ihrer Partei Umfragen anzustellen, Herr Professor Preller, ob die Konsequenz, die zum Ende unserer Ortskrankenkassen führen würde, eigentlich die Konsequenz ist, die im Zuge Ihrer Parteipolitik liegt.
Die schwedische Kommission hat 1949, als diese Resultate bekanntgegeben wurden, gerade zehn Jahre bestanden. Ich glaube, sie lebt jetzt noch; dann wäre sie im 14. Lebensjahr. Kommissionen haben eine merkwürdige Fähigkeit, sich zu erhalten. Sie pflegen zu reisen, sie pflegen außerordenliche Diäten und Unkosten zu verursachen. Ich kann mir vorstellen, daß diese Kommission wenigstens zu Herrn Melas nach Wien, wahrscheinlich aber auch nach Neuseeland fahren würde, und unser Etat würde reizend aussehen, wenn wir uns auf ewig einen derartigen Kostgänger zulegten.
Und im übrigen was für einen Kostgänger! Eine Studienkommission mit objektiven Aufgaben! Diese wunderbare Idee der voraussetzungslosen Wissenschaft — und dann nach dem d'Hondtschen System gewählt —, ist das nicht überhaupt ein Witz, der in die Faschingszeit hineinpaßt?
Ich habe nicht die Absicht, das zu wiederholen, was in so vorzüglicher Form zur Frage des Versicherungsgedankens von meinen Freunden in der Koalition hier vorgetragen worden ist. Nur eine Bemerkung. Der Herr Kollege Preller hat vorhin davon geredet, daß man demjenigen, der Fürsorgeleistungen empfange, auch ein Recht darauf geben solle. Meine Damen und Herren, mit keiner positivistischen Gesetzgebung können Sie jemals das Rechtsempfinden der Menschen ändern. Das menschliche Gewissen bewertet nun einmal die Gegenleistungen, die man auf Grund eigener Leistungen von anderen zu beanspruchen hat, als wertvoller als die Fürsorgeleistung. Wenn sie tausendmal in einem Gesetz verankert ist, sie wird immer Almosen bleiben.
Zu dem materiellen Inhalt der Dinge, zu dem, was wir uns von dieser Kommission, die beim Arbeitsministerium gebildet werden soll, versprechen, einige Vorstellungen und einige Wünsche: Ich bitte Sie, an den § 1250 der Reichsversicherungsordnung zu denken. Darin steht:
Regelleistungen sind Renten, Beitragserstattungen und Heilverfahren.
Wir wünschten, daß dieser neue Rat uns sehr bald Vorschläge macht, in welcher Form zu diesen alten klassischen Regelleistungen noch andere kommen, nämlich der Anspruch des Versicherten auf die Erstattung der Kosten, die zu seiner Umschulung gehören. Die Umschulung, die die Rente erspart, kann nie teuer genug bezahlt werden. Nicht allein der finanziellen Vergleiche halber! Die Rente hat eine merkwürdige Eigentümlichkeit. Wir gewähren sie, um zu helfen, nach formellen Pflichten und nach menschlichen Pflichten des Staatsbürgers. Aber wir teilen sehr oft ein merkwürdiges Geschenk aus, eine Frucht, die süß schmeckt und nahrhaft ist und die hinterher Durchfall macht. Vielleicht ist es Ihnen klar, was eine Rente bedeutet, wenn Sie einmal nachprüfen, in welchem Dauerzustand sich der Bezieher einer Teilrente befindet. Er bekommt
seine Rente für einen ganz bestimmten Funktionsausfall und ist gezwungen, wenn er diese Rente weiterbeziehen will, diesen Funktionsausfall ständig nachzuweisen. Er wird gezwungen, das Bild der Krankheit immer wieder vorzuführen, es sei denn, daß er bereit ist, auf die Rente zu verzichten.
Er braucht den Krankenschein in jedem Vierteljahr,
um den Beweis zu führen. Er braucht den „Zugeteiltenschein", und der Beamte, der seine 25 %ige Beschädigung immer nachweisen will, braucht alle Vierteljahr die Krankmeldung, um immer wieder den Beweis seiner geminderten Dienstfähigkeit geführt zu haben.
In jeder Rente liegt eine unerhörte Verführung und Verlockung. Wenn wir einem Menschen auch mit dem Aufwand weit größerer Geldmittel einen Ersatz für Rente geben können, so sollten wir ihm trotzdem diesen Ersatz geben. Es ist eine bessere und ehrlichere Entschädigung für den Anspruch, den der Betreffende erworben hat.
Vor einigen Tagen — ich glaube, es war am 14. Februar stand in einer süddeutschen Tageszeitung, im „Mannheimer Morgen" folgende kleine Notiz, die ich mir herausgeschnitten habe:
Würzburg. In der Gemeinde Bernreuth wurden im letzten Jahr 50 Geburten registriert. 17
davon waren unehelich. Die Eltern dieser
außerehelichen Kinder wollen nicht heiraten,
da sich sonst ihr Einkommen aus Unterstützungen oder Renten wesentlich verringert.
Aus dieser Meldung können Sie ablesen, daß eine Rente, die gewährt wird, um zu helfen, Schaden bringen kann. Der Schaden ist hier ganz einfach zu definieren: die Vorteile der Rentengewährung oder der drohende Entzug der Rente hat diese armen Frauen in eine merkwürdige Situation gebracht, hat sie so weit getrieben, daß sie auf eine der segensreichsten Ordnungsformen unseres Daseins, nämlich auf die Ehe, Verzicht geleistet haben, zweifellos nicht freiwillig und nicht mit Begeisterung.
Wir wünschen also, daß in den Überlegungen zur kommenden Reform der Sozialversicherung das Problem der Familie angefaßt wird. Wir möchten den Familienlastenausgleich, weil wir überzeugt sind, daß jede Leistung, die von Vater zu Kind oder von Kind zu Mutter gegeben wird, eine bessere und eine echtere Leistung, eine höherstehende Leistung ist als irgendeine Leistung, die von einem Institut oder einer Versicherungsanstalt jemals gewährt werden wird.
Es ist immer wieder darauf hinzuweisen, daß alle Vorteile unserer Sozialversicherung — die gar nicht abgestritten werden — mit einem entsetzlichen Preis zu bezahlen sind. Darf ich Ihnen das an einem kleinen Beispiel klarmachen. Wenn ich jetzt den Krankenschein erwähne, so habe ich nicht die Absicht, über ihn zu sprechen, weil er ein in Deutschland im Umlauf befindliches entwertetes Zahlungsmittel ist. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nur darauf lenken, daß auf diesem Krankenschein eine bestimmte Rubrik: „Diagnose — Krankheitsangabe — bitte auf deutsch — vorgedruckt ist. Da muß nach unserer Rechtslage in Deutschland hingeschrieben *erden: Schwindsucht, Schweißfuß, Säuferwahnsinn, Syphilis, Krebs und Krätze. Die persönlichsten Nachrichten über jene unglücklichen Kranken geraten nun in die Mühle der Bürokratie, angefangen von den Angestellten der kassenärztlichen Vereinigungen, endlose Bürokratensäle durchlaufend, Dinge, die einmal persönlichstes menschliches Geheimnis waren. Das ist einer der Preise, die für die soziale Sicherheit gezahlt werden.
Sie möchten mir sagen, auch die Angestellten der Sozialversicherung stehen unter der Schweigepflicht. Gewiß! Aber das gilt nur zu 25 %. Erstens kann man die Verwirklichung einer Schweigepflicht in bezug auf Notizen, die ganze Büroräume mit Dutzenden von Angestellten durchlaufen, über- hauet nicht mehr erzwingen. Ist es zweitens nicht sehr interessant: wenn ein Angestellter einer Krankenkasse oder einer kassenärztlichen Vereinigung die Schweigepflicht verletzt, wird er mit drei Monaten Gefängnis bestraft, der Arzt dagegen mit zwölf Monaten? Also hier ist der Wert des Geheimnisses nur noch 25 % von dem, den es sonst hat. Auch hier erleben Sie wieder die Verwirklichung des Gesetzes, nach dem eben Leistungen, die von Versicherungsträgern gewährt werden, Leistungen in einfachster Ausführung sind. Der Herr Arbeitsminister braucht keine Angst zu haben, daß ich ihm Vorschläge mache, diese Angabe der Diagnose über Nacht zu verbieten. Aber auch das muß einmal kommen; die Sozialversicherung der westlichen Länder respektiert ja auch die Schweigepflicht.
Versicherte werden immer Leute sein. die mit einem minderen Recht dastehen. Wir sollten uns hüten, ohne dringenden Grund irgend jemand in diese Lage zu bringen. Wir sollten uns überlegen, mit welcher Steigerung des Hilfeleistungseffekts wir an unserer Sozialversicherung Änderungen vornehmen können. Wir sollten aber nicht versuchen, endlos weiter diesen Traum eines organisatorischen Perfektionismus zu träumen, fasziniert an jede bürokratische Zusammenballung dieser Apparate zu denken. Es droht uns wahrscheinlich etwas Entsetzliches. Nicht nur Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, sind von dieser Verführung bedroht; wir Politiker kennen ja alle miteinander die Versuchung, die darin liegt, organisatorisch neue Einheiten und bürokratische Überspitzungen zu schaffen.
Ich darf Sie zum Abschluß daran erinnern, wie einer unserer größten deutschen Politiker die Gefahr gesehen hat, die aus dieser organisatorischen Überentwicklung entsteht. Vor etwa 42 Jahren hat in einem Aufsatz zur Religionssoziologie Max Weber folgende drei Sätze geschrieben:
Niemand weiß, ob am Ende dieser Entwicklung stehen wird: mechanisierte Versteinerung mit einer Art krampfhaftem Sich-wichtigNehmen verbrämt. Dann allerdings könnte für das Wort zur Wahrheit werden: „Fachmenschen die „letzten Menschen" dieser Kulturepoche ohne Geist, Genußmenschen ohne Herz: Dies Nichts bildet sich ein, eine nie vorher erreichte Stufe des Menschentums erstiegen zu haben."
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich möchte den Ausführungen meines Kollegen Hammer noch einige Bemerkungen über ein Thema hinzufügen, das nur am Rande hierzu gehört, das aber auch heute angeschnitten worden ist. Herr Professor Preller hat schon in seiner Begründung die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung begrüßt und als erhaltenswert bezeichnet, und gerade von seiner Fraktion haben prominente Vertreter besonders in den letzten Beratungen über das Gesetz über die Bundesanstalt für Arbeit sich sehr
energisch für diese Selbstverwaltung eingesetzt. Wir selber bejahen dieses Prinzip, wie wir es immer wieder bewiesen haben. Wir sind der Meinung, daß es große Erfolge dort gehabt hat, wo es seit Jahren schon in Kraft ist, z. B. auf dem Gebiet, das auch Herr Professor Preller angeführt hat, nämlich auf dem Gebiet der Unfallverhütung, wo die Erfolge doch wirklich sehr sichtbar geworden sind. Aber wie wollen Sie dieses Prinzip der Selbstverwaltung mit dem System der Staatsbürgerversorgung in Einklang bringen? Die Selbstverwaltung ist nur da denkbar, wo es sich um kleine, örtlich begrenzte oder aber in ihrem Aufgabengebiet begrenzte selbständige Sozialversicherungsgruppen handelt. Eine echte Selbstverwaltung ist niemals bei einer großen Einheitsversicherung möglich, wie sie doch das Ziel ist, das der vorliegende Antrag letzten Endes erreichen will. Es sieht auch so aus, als ob wenigstens einige Ihrer führenden Männer diese Erkenntnis gewonnen hätten; denn der Kollege Richter hat vor längerer Zeit, als wir das Gesetz über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung hier verabschiedet haben, geäußert, daß dieser Tag ein schwarzer Tag für die Sozialversicherung sei.
Wir stehen auf dem gegenteiligen Standpunkt, und wir wünschen nichts sehnlicher, als daß diese Selbstverwaltung endlich Gesetz wird. Wenn Sie aufrichtig zu dem Gedanken der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung stehen, dann können Sie es dadurch beweisen, daß auch Sie die Hindernisse beseitigen helfen, die der Einführung des Gesetzes, das wir schon im Mai 1951 beschlossen haben, noch immer entgegengebracht werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eines feststellen: die Diskussion ist zum Teil um materielle Fragen geführt worden, wie die künftige soziale Sicherung zu regeln sei. Ich habe in meinen Ausführungen ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das, was ich als Auffassung der Sozialdemokratie hier dargetan habe, eine der Auffassungen ist, die möglich sind. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß die Kommission die Aufgabe haben solle, die Fragen zu prüfen, die wir angeschnitten haben und die, wie wir wissen, von Ihnen als Regierungsmehrheit zum Teil anders beurteilt werden. Insofern sind alle Spekulationen, die hier über die Frage der Versicherung, der Versorgung und der Fürsorge angestellt worden sind, >völlig müßig. Insbesondere haben wir uns — das möchte ich Herrn Atzenroth sagen — über das System der Selbstverwaltung in der Versorgung im einzelnen nicht ausgesprochen; das blieb den Herren der Regierungskoalition vorbehalten. Ich habe im Gegenteil gesagt: die Frage der Versicherung, Versorgung oder Fürsorge ist eine Zweckmäßigkeits-und keine Grundsatzfrage; wir müssen uns darüber unterhalten. Insofern glaube ich, daß der Beirat, den die Fraktionen der Regierungsmehrheit vorgeschlagen haben, bedauerlicherweise mit einer festgefaßten Richtschnur zu arbeiten haben wird; denn hier steht, der Beirat habe „unter klarer Abgrenzung der Versicherung von Versorgung und Fürsorge" zu arbeiten. Ich stelle fest, daß der Antrag der Sozialdemokratie keinerlei Richtschnur enthält, daß er im Gegenteil daran festgehalten hat, daß das Urteil einer unabhängigen Kommission hier das Nötige festzustellen habe. Insofern kann ich den Ausführungen verschiedener Redner nicht folgen, die sagen, eine solche Kommission könne keinen
Wert haben. Ich glaube im Gegenteil, daß der Beirat beim Bundesarbeitsministerium, mit einer bestimmten Richtschnur errichtet und unter der Führung des Bundesarbeitsministers stehend, von vornherein mit Direktiven zu arbeiten hat. Aus diesem Grunde kann hier von Unabhängigkeit keine Rede sein.
Was wir wollten, war eine unabhängige Kommission. Nur eine solche Kommission kann das leisten, was in anderen Ländern solche Kommissionen in Wahrheit geleistet haben. Was hier über die schwedischen Kommissionen gesagt worden ist, hält der Nachprüfung nicht stand; das möchte ich ausdrücklich hier feststellen. Im Gegenteil, Schweden sowohl als England haben mit solchen sogenannten Royal Commissions die besten Erfahrungen gemacht. Wir bedauern es, daß der erste Versuch im Bundestag, mit einer unabhängigen Kommission in einer Frage, die Tausende und Millionen von Menschen draußen interessiert, zu einem Ergebnis zu kommen, durch den Antrag der Regierungsparteien praktisch zunichte gemacht worden ist.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist zunächst abzustimmen über den Antrag, die beiden Anträge Drucksache Nr. 3024 und Umdruck Nr. 455 an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Anträge selbst. Am weitesten scheint mir zu gehen der Antrag Drucksache Nr. 3024. Ich lasse zunächst über ihn abstimmen.
— Ist Ihr Antrag ein Änderungsantrag? Ich halte ihn für einen selbständigen Antrag. Die Überschrift ,,Änderungsantrag" allein macht einen Antrag mit selbständigem Inhalt ja nicht zu einem Änderungsantrag.
Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 3024. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck Nr. 455. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Kohlenförderung im Warndt .
Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die französische Saarpolitik ist zäh, konsequent, sie' ist langfristig geplant und sie wird durchgeführt über Jahrzehnte hinweg, über einen Weltkrieg hinweg und über sämtliche sogenannten europäischen Integrationspläne hinweg. Das Anliegen, das ich Ihnen heute vorzutragen habe, ist ein Beispiel und betrifft gleichzeitig einen wichtigen Bestandteil dieser französischen Saarpolitik. Ich will versuchen, Ihnen kurz darzustellen, worum es sich handelt.
Der Warndt ist ein deutscher Grenzvorsprung nach Lothringen hinein, südwestlich von Saarbrücken, westlich von der lothringischen Stadt Forbach. Die alten Gruben im Saargebiet liegen nördlich und nordöstlich von diesem Warndtgebiet. Nur eine Grube, die Grube' Velsen, befindet sich in unmittelbarer Fördernähe dieses Gebiets. Der Warndt ist die große Kohlenreserve des Saargebiets. Sie ist bisher praktisch unangetastet, sie ist gleichzeitig auch der bessere Teil der Kohlenvorkommen des Saargebiets. Dort erreichen die Kohlenflöze eine Gesamtmächtigkeit von 110 m, während sie im alten Revier höchstens 29 m Mächtigkeit erreichen: Der Kohlenvorrat im Saargebiet insgesamt wird mit 2,8 Milliarden t angegeben. Davon ruhen 800 Millionen t im Warndtgebiet. Für die Verpachtung an Frankreich, um die es sich hier handelt, sind nach der einen Angabe rund 850 Millionen t, nach anderen Angaben 1 Milliarde t vorgesehen, d. h. praktisch ein Drittel der gesamten Kohlenreserven des Saargebiets.
Um mit anderen Mitteln zu verdeutlichen, was das für die Wirtschaft des Saargebiets bedeutet, weise ich auf folgendes hin. Kommt die Verpachtung zustande, dann wird die Lebensdauer der Saargruben von 150 bis 160 Jahren herabgemindert auf 100 bis 110 Jahre. Der lothringische Vorrat steigt entsprechend, und die Lebensdauer der lothringischen Saargruben steigt von 260 auf 320 Jahre. Wenn die Pläne zu einer dauernden Verpachtung dieser Kohlenvorräte gelingen, dann wird dem Bergbau an der Saar und mit dieser Grundlage auch weitgehend der übrigen Saarwirtschaft 50 Jahre früher, um ein Drittel der Lebensdauer früher, das Lebenslicht ausgeblasen, als es natürlicherweise notwendig wäre. Über andere Nachteile dieses Vorhabens für die Saarbevölkerung will ich gleich sprechen. Vorher möchte ich einiges zur Rechtslage sagen.
Ich brauche nicht viel zu sagen über die Lage des Saargebiets selbst. Wir alle sind einer Meinung, daß das Saargebiet staatsrechtlich auch weiterhin zu Deutschland gehört und daß alle Rechtsgeschäfte, die die von Frankreich eingesetzte und an der Macht gehaltene Regierung in Saarbrücken mit Paris tätigt, für uns so nichtig sind wie die Rechtsgeschäfte, die die Pankow-Regierung etwa mit ihren Herren in Moskau oder den Satelliten Moskaus tätigt, z. B. in der Frage der Oder-NeißeLinie.
— Ja, Sie können in der Saarfrage nicht mitreden, denn Sie haben noch mehr auf dem Gewissen als die Franzosen mit ihrer Saarpolitik.
Das wichtigste Rechtsgeschäft, das die französische Regierung mit ihrer Strohmänner-Regierung in Saarbrücken abgeschlossen hat, ist der Abschluß der Konventionen vom März 1950, der Konventionen, gegen die der Deutsche Bundestag damals einstimmig protestiert hat. Unter diesen Konventionen gibt es die Grubenkonvention, die in ihrem Art. 1 die Ausbeutung aller Kohlenvorkommen an der _Saar dem französischen Staat überträgt, der die Ausbeutung durch die Regie des Mines, durch die Saargrubenverwaltung vornehmen läßt. In Art. 3 dieser Grubenkonvention wird der Régie des Mines die Möglichkeit gegeben, die Ausbeutung von Vorkommen, wenn sie schwierig und kostspielig ist, bis zu 50 Jahren an andere Gesellschaften abzutreten. Gemeint sind die benachbarten Grubengesellschaften in Lothringen. Es steht in diesem Art. 3, daß dazu allerdings die Zustimmung der Saarregierung erforderlich sei. Wie sehr hier die Saarregierung die Bevölkerung an der Saar. über die wirkliche Lage täuscht, möchte ich Ihnen durch ein Zitat dartun.
Der Wirtschaftsminister Ruland, der für dieses Problem am zuständigsten ist, hat auf dem jüngsten Parteitag der CVP darüber gesagt:
In der Grubenkonvention ist nun eine Bestimmung enthalten, wonach jeder der beiden Vertragspartner, also Frankreich und das Saarland, dann dem andern Partner Kohlenfelder zur Ausbeutung pachtweise überlassen kann, wenn sich ergibt, daß die .Ausbeutung dieser Felder für denjenigen, auf dessen Gebiet sie liegen, aus wirtschaftlichen Gründen nicht rentabel erscheint; eine Bestimmung also, die wirtschaftlich durchaus begründet und vertretbar ist.
Das ist eine Fälschung des Textes der Grubenkonvention. In der Grubenkonvention ist die Rede von Verpachtung von saarländischen Feldern an andere Gesellschaften, nämlich in Lothringen, und keineswegs von einer gegenseitigen Möglichkeit, also etwa auch in Lothringen gelegene Kohlenfelder an saarländische Gesellschaften zu verpachten.
Wie Herr „Botschafter" Grandval in diesen Dingen operiert, das möchte ich Ihnen auch an einem kurzen Satz demonstrieren, den er jetzt in einem Interview gesagt hat. Er sagt da, die Verpachtung der Warndt-Felder sei jetzt geplant; die Frage werde geprüft, „man werde die Frage unter voller Anerkennung der gleichberechtigten Ansprüche des Saarlandes entscheiden" und sich hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Ausbeutung usw. verständigen. — Das ist ein sehr schöner Ausspruch eines Botschafters in einem Lande, der dem Lande Gleichberechtigung für die Kohlenfelder dieses Landes zuerkennt. Sie sehen, wie weit die französische Politik da gediehen ist!
Die Absicht Frankreichs, Kohlenfelder im Saargebiet zu pachten, geht zurück auf die erste Periode der Abtrennung des Saargebiets von Deutschland. Schon 1924 und 1927 wurden eben auf Grund der Machtposition Frankreichs an der Saar — oho, mir erscheint das Schluß-Licht! — derartige Pachtungen getätigt. Es handelte sich um kleine Pachtfelder mit begrenzten Vorkommen und begrenzten Abbaumöglichkeiten. Schon damals haben die Gewerkschaften an der Saar gegen diese Absicht schärfsten Protest eingelegt und darauf hingewiesen, daß der Saarbevölkerung, insbesondere den Bergarbeitern dadurch die Lebensgrundlage entzogen werde. Ich kann aus Mangel an Zeit auf die weitere Entwicklung des Pachtproblems nicht eingehen. 1948 schloß die Saargrubenverwaltung mit Wirkung vom 1. Januar 1948 neue Verträge mit den lothringischen Gesellschaften über die Erweiterung der Pachtfelder auf 'das ganze Warndtgebiet ab. Über die Gültigkeit dieses Pachtvertrags für das ganze Vorkommen wurde bei der Diskussion über die Grubenkonvention in Paris „aus Zeitmangel" nicht gesprochen. Die Frage sollte später nach Ratifikation der Konvention gelöst werden.
Zur Zeit herrscht also praktisch ein vertragloser Zustand. Aber trotz mangelnder Rechtskraft im Sinne des Vertrags wird seit Jahr und Tag gehandelt, als ob die Vorkommen im Warndt langfristig verpachtet seien. Von französischer Seite aus sind schon Stollen bis ins Zentrum des Warndt-
gebietes vorgetrieben worden. Die Experten selbst der Saarregierung zweifeln heute, ob es wirtschaftlich noch zweckmäßig und möglich ist, eigene Saargruben zu errichten. Die Saarregierung hat gegen diese Politik Frankreichs, von Frankreich her die Kohlen wegzugraben, nichts unternommen.
— Herr Präsident, ich bitte, mir noch einige Minuten zu gestatten. — Die Bergarbeiter haben die Politiker, die sich dieser Entwicklung nicht widersetzt haben, „Ausverkaufsstrategen" genannt. Ich bin überzeugt, daß sie sich Mühe gegeben haben, einen druckfähigen Ausdruck zu finden.
Außer dem Nachteil der Verringerung der Lebensdauer des Saarbergbaus überhaupt gibt es einen weiteren, der unmittelbarer ist. In 10 bis 20 Jahren werden 5 Gruben im Saargebiet wegen Erschöpfung der Vorkommen stillgelegt werden müssen. 20 000 Bergarbeiter werden brotlos werden. Dazu werden andere kommen, die aus den bestehenden Gruben herausrationalisiert werden. Sie können nirgendwo anders unterkommen, oder höchstens eine kleine Zahl von ihnen. Es gibt nur eine Lösung für sie, wenn sie nicht zu schlechteren sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Bedingungen Fremdarbeiter in Frankreich werden sollen: neue Gruben im Warndt abzuteufen. Das wurde von der deutschen Saargruben AG. nach 1935 auch geplant. Im Syndikatvertrag von 1942 war für die neuen Gruben schon eine Quote angesetzt. Auf diesen Vorgang kann sich die Bundesregierung berufen, wenn sie im Sinne unseres Antrags in Paris vorstellig wird.
Es gibt auch keine finanziellen Bedenken. Die Experten der Saarregierung selbst haben der Regierung nachgewiesen, daß die Finanzierung durchaus von der Régie des Mines übernommen werden könnte. Dazu sei der Hinweis gestattet, daß in Frankreich seit 1945 in die französischen Gruben zehnmal mehr Mittel investiert wurden als in die Saargruben; und dabei fördert Frankreich nur dreimal so viel Kohle, wie es in den Saargruben geschieht.
Der Mangel an Investitionsmitteln im Saargebiet führt auch zu einem andauernden relativen Absinken des Saarbergbaus. Früher förderte man in Lothringen nur die Hälfte von dem, was an der Saar gefördert wurde. Jetzt sind es schon zwei Drittel, und die Kurve steigt weiter zuungunsten des Saarbergbaus. Das ist für die Position in der geplanten Montan-Union später einmal auch nicht unwichtig.
Die Gewerkschaften, die an diesem Vorgehen unmittelbar interessiert sind, haben aufs heftigste protestiert. Die Einheitsgewerkschaft hat einstimmig eine Entschließung gegen die geplante Verpachtung angenommen und zum Ausdruck gebracht, daß sie sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen zur Wehr setzen werde.
Meine Damen und Herren, ich muß zum Schluß kommen. Die Warndt-Politik ist, wie ich sagte, ein Beispiel für die Zähigkeit und Langfristigkeit der französischen Politik. Man fällt ihr auch leicht zum Opfer. Der Herr Bundeskanzler ist noch gestern ein Opfer dieser Zähigkeit geworden, wenn er zum Ausdruck gebracht hat, daß auch ein Saar-Landtag, sofern er neu und frei gewählt sei, über das Schicksal der Saar entscheiden könne. Nun, wir haben nicht die Auffassung, daß ein Landtag, und sei er noch so frei gewählt, über die Zugehörigkeit eines Gebietes entscheiden kann.
Darf ich Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
Ich habe nur noch wenige Sätze zu sagen. — Dafür gibt es bessere, auch von Frankreich anerkannte völkerrechtliche Grundsätze. Es ist eilig, daß die Bundesregierung in dieser Frage etwas unternimmt; denn im Gegensatz zu der Auffassung des Herrn Bundeskanzlers, der meint, man müsse die Dinge reifen lassen, müssen wir daran erinnern, daß auch Herr Grandval vom Hohen Kommissar zum Botschafter herangereift ist. Dieselbe Zeit, die das vollbracht hat, läßt auch die Stollen von Lothringen her ins Warndt-Gebiet weiter wachsen, und dort wird der deutschen Saarbevölkerung das Lebenselement abgegraben. Sie braucht unsere Unterstützung. Daher unser Antrag, die Bundesregierung solle sich in Frankreich dafür verwenden, daß dieser Pachtvertrag nicht zustande kommt und im Warndt deutsche Kohlengruben abgeteuft werden.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Behandlung dieses Antrags ist heute morgen im Ältestenrat ausführlich gesprochen worden. Es bestehen doch gewichtige Gründe, im Augenblick im Plenum nicht in eine Debatte einzutreten.
Ich beantrage deshalb namens der Koalitionsparteien, diesen Antrag ohne Debatte dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.
Ich habe heute morgen im Ältestenrat den Fraktionen von diesem unserem Antrag Kenntnis gegeben.
Der Antrag ist nach § 99 der Geschäftsordnung zulässig. Wird das Wort dazu gewünscht? —
— Das Wort hat der Abgeordnete Renner, — zur Geschäftsordnung!
Wir widersprechen diesem Antrag, weil wir in dieser Methode der Behandlung
nichts anderes als die Hinauszögerung einer Stellungnahme der Bundesregierung sehen. Es ist ja
nicht nur dieser Punkt, der heute in dieser Weise
ohne Aussprache vor dem Plenum beerdigt werden
soll, sondern es ist auch der Punkt Kemritz, der
heute mit derselben Begründung abgesetzt worden
ist: daß es im Augenblick angesichts der laufenden
Verhandlungen, d. h. der Verhandlungen mit dem
Ziel der Schaffung einer Europaarmee, nicht opportun sei, diese Konflikte zur Sprache zu bringen.
Ich stelle fest: der Antrag ist ein Zurückweichen
vor einer Stellungnahme hier im Bundestag, ist
ein Ausweichen vor der Antwort, ist auch ein
Zurückweichen vor den Interessen unseres Volkes.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Überweisung ohne Aussprache an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Dem Antrag auf Überweisung ist stattgegeben.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf und darf bemerken, daß der Gegenstand unter Litera b in den Sammelantrag aufgenommen ist, so daß wir nur über 9 a, 9 c und 9 d beraten:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Freilassung der an Frankreich ausgelieferten deutschen Staatsangehörigen, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Begleitumstände dieser Auslieferung und Schließung der Werbebüros für die Fremdenlegion usw. (Nrn. 2836, 2541 der Drucksachen);
c) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend französische Fremdenlegion ;
d) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Einstellung der Werbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, nach Anhörung des Berichts zu 9 a je zehn Minuten zur Begründung der Anträge und 120 Minuten für die Aussprache insgesamt vorzusehen. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. von Merkatz als Berichterstatter zu Punkt 9 a der Tagesordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten habe ich über die Drucksachen Nrn. 2836 und 2541 zu berichten. Der Ausschuß hält es angesichts der Wichtigkeit des Gegenstandes für geboten, daß ein genauer schriftlicher Bericht abgesetzt wird, der noch mit dem Vorsitzenden des Ausschusses abzustimmen ist. Ich darf mich daher heute auf einige wesentliche Punkte, die zum Gegenstand der Verhandlung gehören, beschränken.
Zunächst ist auf folgenden Tatbestand hinzuweisen. Am 22. Juni 1951 sind in Berlin die ehemaligen Fremdenlegionäre Siegfried Richter und Heinz Müller und am 23. Juni 1951 die ehemaligen Fremdenlegionäre Jack Holst enPlichter und Martin Dutschke auf Grund einer nicht näher begründeten Weisung einer Besatzungsmacht von der Polizei festgenommen worden. Vier weitere ehemalige Fremdenlegionäre befinden sich in Haft, nämlich Friedrich Sleutz, Gerhard Wolter, Borchert und Hastreiter. Im Kontumazialverfahren sind gegen Friedrich Sleutz und Gerhard Wolter vor dem Kriegsgericht in Indochina je 20 Jahre Einschließung und gegen Borchert die Todesstrafe verhängt worden. Mit der Festnahme dieser ehemaligen Fremdenlegionäre fällt dieses Urteil fort, und neue Verfahren sind anhängig.
Die verhafteten ehemaligen Fremdenlegionäre sind zum Teil nach Landau, zum Teil nach Oran überführt worden. Nach Oran überführt wurden nach den bisherigen Feststellungen Holsten, Müller, Richter und Hastreiter. Ein Teil der Fremdenlegionäre ist an Malaria tropica erkrankt. Diese acht Legionäre, deren Verhaftung nachweisbar ist, gehören einer Gruppe von, wie es heißt, insgesamt 69 Legionären an, die nach ihren Angaben in die Kriegsgefangenschaft der Vietnam-Truppen gefallen, von dort über China und die UdSSR ausgetauscht und dann aus propagandistischen Gründen nach Deutschland entlassen worden sind.
Die Berliner Fälle der Festnahme lassen erkennen, daß diesen ehemaligen Legionären nach eidesstattlicher Erklärung von Angehörigen von der britischen Besatzungsmacht Zusicherungen gemacht worden sind, sie hätten keine Verhaftung zu befürchten. Dennoch ist die Festnahme erfolgt. Soweit der Tatbestand.
Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat sich mit dem Sachverhalt gründlich beschäftigt und im Rahmen einer Sitzung in Berlin Erhebungen bei der dortigen Polizei durch drei Beauftragte des Ausschusses angestellt. Die Erhebungen haben zu dem Ergebnis geführt, daß die Berliner Polizei bei Vollzug der Weisungen der Besatzungsmacht keinerlei Verschulden trifft. Die Festnahmen beruhten auf einer Anweisung der Besatzungsmächte derart, daß die deutsche, d. h. die Berliner Polizei wie ein Hilfsorgan der Besatzungsmächte tätig werden mußte. Eine Nachprüfung des Tatbestandes hat ergeben, daß die Polizei weder wußte noch aus den Umständen entnehmen konnte, aus welchen Gründen diese Verhaftung — es handelt sich in der deutschen Ebene lediglich um eine technische Festnahme — vorgenommen werden mußte. Nach Lage der Dinge und nach der Praxis in Berlin war das nicht möglich. Die Heranziehung von deutschen Polizeiorganen für solche Festnahmen, bei denen nichts weiter als die Weisung erteilt wird, eine Person aus Sicherheitsgründen festzunehmen, stützt sich auf drei Instrumente des für Berlin geltenden Besatzungsrechts, nämlich das sogenannte Kleine Besatzungsstatut Berlin, das im Verordnungsblatt vom 18. Mai 1949 auf Seite 151 veröffentlicht worden ist und einer Order der Alliierten Kommandantur vom 17. Juni 1949 betreffend Überwachung der Berliner Polizei vom 7. Juli 1949 und ferner auf die Abänderungsurkunde vom 7. März 1951 zur Erklärung über die Grundsätze vom 14. Mai 1949. Die eingehende Prüfung des Tatbestandes hat, wie gesagt, ergeben, daß die Berliner Polizeiorgane im Rahmen ihrer durch das Besatzungsrecht ihnen auferlegten Pflicht gehandelt haben und daß sie keinerlei Verschulden trifft, etwa eine Nachprüfung der Umstände unterlassen zu haben. Wegen der Einzelheiten dieses Tatbestandes, insbesondere im Hinblick auf das von der Berliner Polizei aufgestellte Protokoll, darf auf den schriftlichen Bericht verwiesen werden.
Hinsichtlich der rechtlichen Fragen ist folgendes auszuführen: Der Ausschuß hatte zunächst zu prüfen, ob seine Zuständigkeit gegeben war. Die Bundesrepublik kann ihre Befugnis zur Befassung mit dieser Angelegenheit daraus herleiten. daß sie gegenüber den westlichen Besatzungsmächten und allen Staaten, die Beziehungen zur Bundesrepublik aufgenommen haben, die Interessen eines jeden deutschen Staatsangehörigen vertreten muß. Hier-
zu ist zu bemerken, daß die Legionäre noch deutsche Staatsangehörige sind. Nach § 28 des Reichs und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 konnte Deutschen, die in fremde Staatsdienste getreten waren, die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden. Derartige Beschlüsse sind aber gegen die Legionäre nicht gefaßt worden und wären jetzt auch mit Art. 16 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar.
Dann kommt noch das weitere Problem der Werbung für die Fremdenlegion überhaupt. Kriegsgefangene dürfen nicht in die Wehrmacht des Haltestaates eingereiht werden. Jedoch ist die Praxis leider im Hinblick auf die sogenannten Freiwilligenmeldungen sehr großzügig geworden.
Wieweit die Meldungen der in französischer Kriegsgefangenschaft befindlichen ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS diesen Anforderungen entsprechen, muß im Einzelfall geklärt werden. Die Werbung für fremde Truppen wird normalerweise von keinem Staat auf seinem Boden gestattet. Die entsprechenden deutschen Strafbestimmungen sind aber durch Kontrollratsgesetz außer Kraft gesetzt worden. Es ist hier zu fordern, daß nach der Abschaffung des Besatzungsrechts derartige Vorschriften wieder erlassen werden.
Allgemeines Völkerrecht steht der Werbung sonst nicht entgegen.
Im Bundesgebiet wäre gegen die Auslieferung von Legionären an Frankreich ein Einwand aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes herzuleiten. Die Alliierten haben das Grundgesetz genehmigt, wobei strittig ist, ob es auch gegen die Besatzungsmacht selbst angerufen werden kann. Diese Streitfrage kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Ziffer 6 des Besatzungsstatuts gewährleistet, daß die Besatzungsbehörden gewisse Grundrechte garantieren. Die von der Besatzungsmacht garantierten Grundrechte sind im Zusammenhang mit Art. 16 des Grundgesetzes so auszulegen, daß eine Auslieferung an das Ausland nicht zulässig ist. Die Besatzungsmächte werden sich hierbei weder auf Ziffer 2 c, auswärtige Angelegenheiten, noch auf Ziffer 2 e, Schutz der alliierten Streitkräfte, berufen können, da es sich nicht um die Sicherheit der Besatzungstruppen, sondern eines anderen, in einem anderen Erdteil stationierten Truppenteils handelt.
Das Auslieferungsverbot eigener Staatsangehöriger findet sich zwar in sehr vielen Verfassungen; aber auch dieses Verbot gehört nicht zum allgemeinen Völkerrecht. Es beruht auf einer neueren Rechtsentwicklung. Leider ist diese Entwicklung nicht in den Menschenrechten der Vereinten Nationen und in der Konvention der Menschenrechte des Europarats verzeichnet worden.
Nun haben sich diese Vorfälle in Berlin zugetragen. Nach Art. 1 Abs. 3 der Berliner Verfassung vorn 1. September 1950 sollten die Grundrechte des Bonner Grundgesetzes auch in Berlin gelten. Diese Bestimmung ist aber von den Westalliierten für Berlin „zurückgestellt" worden. In den eigenen Grundrechten der Berliner Verfassung steht das Auslieferungsverbot nicht. Dennoch stellt sich der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten einmütig auf den Standpunkt, daß nach der gesamten Vorgeschichte und nach der Entwicklung, die diese Rechte genommen haben, hier so zu verfahren ist, als ob diese Vorkommnisse - wie das
auch bei einigen der Legionäre offenbar der Fall zu sein scheint — in dem durch Besatzungsrecht eingeengten Geltungsbereich des Grundgesetzes geschehen wären. Auch zu den Rechtsfragen werden Einzelheiten dem schriftlichen Bericht des Ausschusses vorbehalten.
Mir ist es als Berichterstatter nicht vergönnt, und es gehört nicht zur parlamentarischen Sitte, angesichts dieses 'überaus ernsten Tatbestandes andere als sehr nüchterne juristische Begriffe zu verwenden. Ich möchte damit keinen falschen Eindruck entstehen lassen und nicht verhehlen, daß den Ausschuß bei der Prüfung dieser Vorgänge außerordentlich ernste und tiefgreifende Erwägungen beseelt haben, für die es auch eine stärkere Ausdrucksform geben könnte. Aber das ist nicht Sache des Berichterstatters.
Der Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, folgenden Beschluß anzunehmen:
1. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag Auskunft zu geben, in welchen Fällen ihr eine von der Besatzungsmacht veranlaßte Verhaftung deutscher Staatsangehöriger, die sich in eine Fremdenlegion verpflichtet hatten, bekannt geworden ist.
2. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag Auskunft zu geben, welche Schritte sie unternommen hat, um die Freilassung von deutschen Staatsangehörigen, die auf Grund ihrer Fremdenlegionsverpflichtung verhaftet worden sind, aus dem Gewahrsam fremder Mächte zu erwirken.
3. Die Bundesregierung wird ersucht, das Verbot der Werbung für fremden Militärdienst und der Übernahme von Verpflichtungen zur Dienstleistung in Fremdenlegionen wiederherzustellen und wegen der Wiederherstellung dieses Rechtszustandes in Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren einzutreten.
4. Die Bundesregierung wird ersucht, im Einvernehmen mit dem Senat des Landes Berlin darauf hinzuwirken, daß dieser Rechtszustand
auch in bezug auf Berlin Anerkennung findet.
Ich darf abschließend bemerken, daß es hohe Zeit ist, diesen anomalen Rechtszustand in Deutschland endgültig zu beenden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf Punkt 9 c der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD
betreffend französische Fremdenlegion .
Wer begründet diesen Punkt? - Begründen Sie auch 9 d?
Das Wort zur Begründung des Punktes 9 c hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ging eine erschütternde Nachricht durch die deutsche Presse. 28 200 deutsche Fremdenlegionäre seien bis zum jetzigen Zeitpunkt in Indochina gefallen. Die Zahl der Gefallenen ist in Wirklichkeit bedeutend höher. Hinzu kommen Tausende von jungen Menschen, die dort zu Krüppeln geschossen worden sind oder Opfer des mörderischen Klimas und der Mißhandlungen durch die Offiziere der französischen Kolonialarmee geworden sind,
Was sind das für Menschen? — Das sind junge Menschen, die über die offiziellen Werbebüros gewisser Besatzungsmächte, über Sammellager und Nachschubzentralen für Menschenware wie z. B. in Holderstock bei Offenburg in den Tod geschickt worden sind. Es sind Menschen, die auch auf dem Wege über Werbebüros anderer ausländischer Staaten auf deutschem Boden diesem Schicksal entgegengeschickt worden sind, so z. B. von Holland, dessen Werber ihre Tätigkeit selbst in deutschen Arbeitsämtern in Räumen ausüben, die ihnen von deutschen Behörden für dieses verbrecherische Tun offiziell zugewiesen worden sind.
Aber die Frage „Was sind das für Menschen?" ist nicht mit der lächerlichen Behauptung abzutun, das seien Menschen, die Lust auf Abenteuer hätten. Das sind Menschen, die die Not getrieben hat, das Schicksal der Arbeitslosigkeit, die Verzweiflung, das Gefühl, keine Chance zu haben, in diesem Staat einen ordentlichen Beruf zu erlernen. Allerdings: dieses System hier hat kein Interesse daran, der Jugend die Möglichkeit zu ordentlicher beruflicher Leistung zu geben, zum Studium und zu sozialem und kulturellem Aufstieg. Hier diese Regierung spekuliert allein darauf, daß die jungen Menschen keine Arbeit haben, keinen Lebenssinn in diesem Dasein empfinden, weil sie meint, daß sie dann eher bereit seien, die Uniform und die Marschstiefel anzuziehen und einem neuen Gestellungsbefehl Folge zu leisten.
Meistens sind es ganz junge Menschen. Einer von ihnen schrieb am 6. November 1951 aus Sétif in Nordafrika einen Brief, der mir vorliegt, in dem es unter anderem heißt:
Mutter, ich sage Dir ehrlich, es ist jetzt schlimm hier. Von 100 Mann kommen 5 wieder. Hier geht es noch. Aber in Indochina! Komme ich gesund zurück, dann will ich Dir tausendmal danken; denn jetzt weiß ich wirklich erst, was Du mir bedeutest.
Einige aus dieser großen Armee von verzweifelten, von blutjungen Menschen, die dem unbarmherzigen, schmutzigen Krieg in Vietnam im Interesse der französischen Kolonialherren ausgeliefert worden sind,
stehen hier im Mittelpunkt der Diskussion. Sie sind diejenigen, für die sich unser Antrag einsetzte, der bereits am 3. September 1951 eingereicht worden ist: Martin Dutschke, Gerhard Wolter, Friedrich Fleutz, Siegfried Richter, Heinz Müller und der zum Tode verurteilte Jack Holsten. Jack Holsten war 17 Jahre alt, als er den Weg zum Werbebüro der französischen Fremdenlegion antrat. Er schickte seiner Mutter, die in Berlin-Charlottenburg, Kirchenallee, wohnte, im September 1947 einen Abschiedsbrief, in dem er u. a. sagte:
Ich bekomme in Berlin keine Stellung, und da
ich weiß, wie wenig Geld wir haben, möchte
ich Euch nicht länger auf der Tasche liegen.
Er schrieb weiter, er wolle versuchen, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Er war 17 Jahre alt! Danach erhielt seine Mutter lediglich noch einmal einen Kartengruß aus Afrika im Mai 1948. Dann war Jack Holsten verschollen. Kein Gruß und kein Lebenszeichen erreichte die Familie mehr.
Er war in der Zwischenzeit nach Indochina verfrachtet worden. Dort allerdings gewann er neue
Erkenntnisse über das Leben und das Sterben und den Sinn des Sterbens und des Lebens der Menschen. Er erkannte, daß ihm gegenüber keine Rebellen, keine Mordbrenner stehen, sondern Menschen, die für die Freiheit kämpfen und die kein anderes Sinnen und Trachten haben, als die fremden Bedrücker und Bedränger aus dem Lande zu verjagen. Er sah ein, daß er für schmutzige Zwecke mißbraucht worden war. Er ließ sich von seinem Ehrgefühl, von seinem Gewissen leiten, lief zu den Soldaten der vietnamesischen Befreiungsarmee über und ließ sich gefangennehmen.
— Sie haben es nötig, Pfui zu rufen.
Vielleicht fühlen Sie sich solidarisch mit Herrn
Carlo Schmid, der vor 14 Tagen hier sagte, es
handle sich um deklassierte Bevölkerungsschichten.
— Sie, Herr Junker von Merkatz, sollten über dieses Thema schweigen.
Die Deutsche Demokratische Republik teilte den zu der Volksarmee von Vietnam Übergelaufenen mit, daß sie alles in die Wege leiten werde, um ihre baldige Heimkehr in ihre heimatlichen Wohnorte zu gewährleisten. Dieses Versprechen wurde gehalten. Jack Holsten und seine Kameraden kehrten auf dem Wege über China nach Deutschland zurück. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik verschaffte ihnen einen mehrwöchentlichen Erholungsurlaub, und dann wurden sie in ihre West-Berliner Heimat entlassen.
Und dort, in ihren West-Berliner Wohnungen, wurden sie am Morgen des 22. Juni 1951 von den Organen der Stumm-Polizei verhaftet. Sie wurden auf der Polizeiinspektion Charlottenburg der französischen Gendarmerie übergeben. Es gibt einen Vermerk im Tätigkeitsbuch dieser Charlottenburger Stumm-Polizeiinspektion, der die ganze Infamie, die ganze Kaltschnäuzigkeit der Vollstrecker in diesem Verfahren kennzeichnet. Diese Eintragung lautet: „Vier männliche Personen deutscher Staatsangehörigkeit festgenommen." Kein Name, kein Alter, keine sonstigen Angaben. Es sind ja nur ein paar arme Deutsche! Und wie zum Hohn wurde dann der Mutter von Jack Holsten, die sich beschweren, die den Polizeipräsidenten Stumm sprechen wollte — der sie aber abwies, der für sie nicht zu sprechen war —, erklärt, es handle sich gar nicht um Deutsche; sie solle sich also darum keine Sorgen machen.
Es wurde hier vom Berichterstatter erklärt, die Sache ginge rechtlich — also nach den Paragraphen, die Herr von Merkatz im Kopf hat — ganz in Ordnung. Das sei nun einmal nach dem kleinen in Berlin gültigen Besatzungsstatut so zulässig. Ich widerspreche Ihrer Darstellung, Herr von Merkatz.
Ein Sprecher des Foreign Office wurde Ende August über diese Angelegenheit befragt; denn bekanntlich wurden die jungen Menschen ja auf dem Boden des britischen Sektors in Berlin festgenommen, nicht auf dem Boden des französischen Sektors. Dieser Sprecher des Foreign Office erklärte, die britische Regierung habe keinerlei offizielle An-
forderung von französischer Seite auf Festnahme oder Auslieferung dieser ehemaligen Fremdenlegionäre erhalten. Wenn die britische Polizei in Berlin in diesem Falle tätig geworden sei, so habe sie ohne Instruktionen im Rahmen ihrer eigenen Befugnisse gehandelt. Nun frage ich Sie, Herr von Merkatz, der Sie doch ein maßgeblicher Sprecher der Regierungskoalition sind: Wenn schon das britische Außenamt erklärt, das war in Berlin eine eigenmächtige Sache, hinter der wir nicht stehen und für die wir keinerlei Rechtsbegründung anführen können, — warum ist Ihre Regierung dann nicht sofort nach dieser Erklärung des Vertreters des britischen Außenamts tätig geworden?
- Nein, sie ist es nicht!
- Sie ist es nicht, Herr Höfler; denn in dieser Verlautbarung des Foreign Office heißt es weiter — lassen Sie mich das auch zitieren —,
„daß von deutscher Seite bisher offiziell gegen das Verhalten der britischen Stellen in dieser Frage zumindest in London noch niemals protestiert worden ist".
Ich zitiere aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 3. September 1951.
Haben Sie das dementiert? Sie haben es nicht dementiert, weil es wahr ist!
Dieses beschämende Spiel hat allerdings einen politischen Hintergrund. Der Chef der Berliner Kriminalpolizei, Linke, wurde über die Beweggründe des Verhaltens seiner Leute und seines eigenen Verhaltens — denn er leitete die Aktion — befragt. Er sagte: „Die Berliner Polizei ist auf engste Zusammenarbeit mit den Alliierten angewiesen." Jawohl, „auf engste Zusammenarbeit mit den Alliierten angewiesen". Darum sagten die Stumm-Polizisten zu den Müttern: „Meine Damen, was wollen Sie denn; Ihre Söhne sind ja Franzosen, und wenn sie in der Fremdenlegion etwas ausgefressen haben, dann müssen sie auch dafür geradestehen." So fassen die Herren von der StummPolizei in Berlin „Verpflichtungen" gegenüber fremden Mächten auf, „Verpflichtungen", die hier in anderer Sprache als die „Erfordernisse einer guten Zusammenarbeit" dargestellt werden. Jack Holsten ist im Dezember 1950 zum Tode verurteilt worden, die anderen bis zu 20 Jahren Zuchthaus. Die Stumm-Polizisten und die deutschen Behörden in Berlin wußten also genau, welches Schicksal diesen Jungens droht, wenn sie sie den Franzosen ausliefern.
Sie sind nach dem berühmten Straflager von Colomb Bechar in Süd-Algerien verschleppt worden; drei davon sind in Strafbataillone der Vietnam-Armee überführt worden, und der Verbleib der übrigen ist unbekannt.
Ja, meine Damen und Herren, hier handelt es sich um ein politisches System, um ein System der bewußten, gewollten Hilfestellung für die französischen Kolonialherren, eine Hilfestellung, die die Bundesregierung duldet, stützt und fördert aus politischen Erwägungen,
weil Sie mit diesen Mächten um jeden Preis, auch um den Preis der Verleugnung
einfachster Menschenrechte, zusammenarbeiten will im Interesse des Aufbaues einer sogenannten europäischen Armee.
Kommen Sie bitte zum Schluß!
Vor kurzem hat ein Sprecher des Quartier Napoleon in Berlin, ein französischer Hauptmann der Fremdenlegion, bekanntgegeben, daß bis Ende Dezember 1092 junge Deutsche von den Behörden der Bundesregierung und des West-Berliner Magistrats zur Aburteilung wegen Desertion aus der Fremdenlegion an die französischen Behörden ausgeliefert worden seien.
Ich frage die Bundesregierung, was sie zu dieser Mitteilung von offizieller französischer Seite zu sagen hat. Stimmt das, oder stimmt das nicht? Und wie will sie es vor der deutschen Jugend verantworten, daß sie, ohne in der Öffentlichkeit davon ein Wort zu sagen, kaltblütig über tausend junge Menschen dem verbrecherischen und brutalen Strafvollzug der französischen Kolonialarmee ausgeliefert hat?
Unser Antrag, den wir am 22. November eingereicht haben — der zweite in dieser Sache —, hat sich als notwendig erwiesen, weil der Bericht des Auswärtigen Ausschusses vom 15. November, über den Herr von Merkatz berichtet hat,
in keiner Weise unseren Anträgen und Wünschen entsprochen hat. Die Antwort drückt sich um eine klare Sprache. Wir haben erstens verlangt, daß die Bundesregierung sofort tätig wird, um eine Aufhebung des Todesurteils und der anderen Urteile zu erwirken. In Punkt 1 des Berichts des Auschusses heißt es, die Bundesregierung werde ersucht, dem Bundestag Auskunft zu geben, in welchen Fällen ihr so etwas wie eine Verhaftung bekanntgeworden sei. Ja, ich frage Sie, meine Damen und Herren: hat denn die Bundesregierung in einem Zeitraum von fünf Monaten keine Zeit gefunden, um sich das Material für eine solche Angelegenheit zusammenzusuchen? Ist die Bundesregierung nicht in der Lage, uns heute etwas zu sagen? Muß Herr von Merkatz eine solche lächerliche Hilfestellung für die Bundesregierung beziehen, indem er heute noch einmal eine solche bescheidene Anfrage an Herrn Adenauer richtet?
Zweitens haben wir verlangt, — —
Herr Abgeordneter Fisch, kommen Sie zum Schluß.
Sie hatten mir gesagt, daß ich etwas von der Redezeit — —
Etwas, ja, aber nicht die halbe Redezeit.
Ich bin in zwei Minuten fertig. Wir hatten zweitens beantragt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der feststellt, was geschehe, wie es möglich geworden sei, — —
Herr Abgeordneter Fisch, kommen Sie zum Schluß, sonst entziehe ich Ihnen das Wort.
Ich habe nur noch einige Sätze. Ich denke, Sie sind mir gegenüber so großzügig wie gegen Ihre eigenen Parteifreunde, die Sprecher sind.
Wir haben weiterhin die Strafverfolgung der Schuldigen gefordert und eine Auskunft über die näheren Umstände der Überführung in die französische Zone. Wir wiederholen diesen Antrag heute. Wir wollen Auskunft und Rechenschaft. Wir haben kein Verständnis für die Erwägungen der Bundesregierung, die da meint, es sei opportun, das freundschaftlich-nachbarliche Verhältnis zu den französischen Kolonialherren nicht zu stören. Heute wurde die Diskussion über den Fall Kemritz abgesetzt. Sie sind auf einmal so schweigsam geworden,
wenn es darum geht, einen Kampf — wie Sie sagen — für die Menschenrechte zu führen,
wenn es sich dabei um einen Kampf gegen Ihre großen Freunde der Westalliierten handelt.
Darum, weil alle anständigen Menschen
über ein solches Verhalten der Bundesregierung zutiefst empört sind, stellen wir diesen Antrag, der unsere Forderungen vom 3. August wiederholt und unterstreicht, der dieses Haus auffordert, klar eine Antwort über diesen Skandalfall zu erteilen und zu erklären, ob es bereit ist, etwas zu unternehmen, um das Leben der Bedrohten zu retten und um die Ehre der deutschen Jugend vor den Angriffen fremder Kolonialherren in Schutz zu nehmen.
Das Wort hat der Herr Arbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte an den Herrn Abgeordneten Fisch eine persönliche Frage richten. Herr Abgeordneter Fisch, Sie haben vorhin die Behauptung aufgestellt, daß deutsche Arbeitsämter für die Werbung für die Fremdenlegion zur Verfügung gestellt worden seien.
— Ich bitte Sie darum, mir die Namen der Arbeitsämter zu benennen,
damit wir auf Grund Ihrer Angaben prüfen können, ob sich irgend jemand dazu hergegeben hat.
Ein derartiger Beamter wäre nämlich nicht geeignet, in Zukunft in der Bundesanstalt tätig zu sein.
— Geben Sie mir das schriftlich!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir als Berichterstatter verwehrt, in eine Polemik gegen den Herrn Abgeordneten Fisch einzutreten. Ich habe aber die Pflicht, eine gröbliche Entstellung meines Berichts hier richtigzustellen. Der Herr Abgeordnete Fisch hat erklärt, in meinen Ausführungen sei irgendeine juristische Rechtfertigung für das enthalten, was in Berlin geschehen sei. Das ist nicht der Fall. Ich habe mich nicht darüber ausgelassen, daß die an die Berliner Polizeibehörden erteilte Weisung Rechtens sei. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß diese Weisung ein politischer und rechtlicher Mißbrauch besatzungsrechtlicher Befugnisse war. Die Einzelheiten und die juristischen Darlegungen darüber wird der schriftliche Bericht enthalten. Ich habe aber die Pflicht gehabt, namens des Ausschusses als Untersuchungsergebnis festzustellen, daß die Ausführungen der Weisung durch Berliner Polizeiorgane keinen Anlaß gegeben haben, den Berliner Polizeiorganen hier hinsichtlich der Gewissenhaftigkeit ihrer Prüfungspflichten irgendwelche Monita zu erteilen.
Das ist das Wesentliche, was im Interesse deutscher Polizeibeamter festgestellt werden muß.
Der Bericht hat in erster Linie den Zweck, diesen Tatbestand auch vor der Öffentlichkeit klarzustellen. Denn wir werden niemals einen rechtswidrigen Zustand dadurch beseitigen können, daß wir deutsche Beamte in ihrer Amtsausübung diffamieren.
Ich habe ferner aus dem Akteninhalt mitzuteilen — auch das wird Gegenstand des schriftlichen Berichts sein —, daß, sobald diese Vorgänge dank der Aufmerksamkeit des Berliner Senats und dank der Aufmerksamkeit des Bevollmächtigten der Bundesrepublik in Berlin der Bundesregierung zur Kenntnis gebracht worden waren, ein Notenwechsel zwischen dem Auswärtigen Amt und dem dafür zuständigen französischen Hohen Kommissar stattgefunden hat. Bereits am 6. August ist das Auswärtige Amt bei der Alliierten Hohen Kommission, die in diesem Fall der Adressat sein mußte, vorstellig geworden, um die baldige Freilassung der Verhafteten herbeizuführen und den noch in der sowjetischen Besatzungszone verbliebenen über 60 weiteren aus Indochina entlassenen deutschen Staatsangehörigen freies Geleit für Westberlin und das Gebiet der Bundesrepublik zuzusichern. Die französische Hohe Kommission hat am 12. September 1951 ein Aide mémoire überreichen lassen, das auf diesen Sachverhalt eingegangen ist. Die Bundesregierung steht im übrigen hinsichtlich der weiteren Verfolgung der Angelegenheit in den von ihr pflichtgemäß vorzunehmenden Verhandlungen.
Herr Staatssekretär Hallstein hat ums Wort gebeten. Bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um die Erlaubnis; die soeben gemachten Mitteilungen des Herrn Berichterstatters noch durch wenige Sätze zu ergänzen. Das Aide mémoire der französischen Hohen Kommission, auf das soeben der Berichterstatter Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz Bezug genommen hat, hat die größte Beschleunigung der Untersuchung in den anstehenden Fällen unter Würdigung der Lage des Einzelfalls zugesichert. Daraufhin sind die gegen die acht ehemaligen Legionäre wegen Fahnenflucht und wegen Waffendienstes bei den Aufständischen in Abwesenheit verhängten schweren Strafen, nämlich die Todesstrafe und hohe Freiheitsstrafen, im Überprüfungsverfahren in Landau und Oran mit mit folgendem Ergebnis aufgehoben worden:
Sleutz: Freispruch, Borchert: 12 Monate Gefängnis unter Gewährung von Strafaufschub, Wolter: 18 Monate Gefängnis unter Gewährung von Strafaufschub, Hastreiter: zwei Jahre, Holsten, Müller und Richter: je 10 Jahre Freiheitsentzug; in diesen Fällen ist Kassation eingelegt. Dutschke war vor dem Termin geflohen.
Darüber hinaus hat das Auswärtige Amt mit zwei Schreiben vom 29. November 1951 die französische Hohe Kommission um Rücklieferung der aus dem Bundesgebiet abtransportierten Legionäre ersucht und .die britische Hohe Kommission gebeten, diese Legionäre von der französischen Regierung zurückzufordern. Gleichzeitig ist bei der britischen Hohen Kommission gegen die Festnahme der Legionäre und ihre Überstellung an die französischen Behörden Verwahrung eingelegt und gebeten worden, zu erwirken, daß die Verhaftung wegen Fahnenflucht verfolgter Fremdenlegionäre für den britischen Sektor von Berlin verboten wird, wie es für den amerikanischen Sektor bereits 'geschehen ist.
Drittens ist unsere diplomatische Vertretung in Paris angewiesen worden, Schritte zu unternehmen. Auf diesem Wege konnte bisher unter der früheren französischen Regierung die Begnadigung von Hastreiter erzielt werden.
Was schließlich die Werbung für die Fremdenlegion auf deutschem Boden anlangt, so handelt es sich hier um einen Übelstand, in dessen Beurteilung zwischen Regierung und Bundestag keine Meinungsverschiedenheit besteht.
Früher bestand eine strafrechtliche Bestimmung, nämlich § 141 a des Strafgesetzbuches, durch die die Werbetätigkeit für fremde Heere geahndet werden konnte. Das im Jahre 1945 erlassene Kontrollratsgesetz Nr. 11 hat jedoch in seinem Art. 1 u. a. gerade diese Strafbestimmung aufgehoben. Es gibt daher im Augenblick keine Handhabe, um die Werbetätigkeit für die Fremdenlegion, die von der französischen Besatzungsmacht als ihr Recht in Anspruch genommen und ausgeübt wird, zu unterbinden. Es handelt sich hier um eine jener Beschränkungen unserer Souveränität, deren Beseitigung die Folge der Ablösung des Besatzungsstatuts sein wird, über die wir zur Zeit verhandeln.
Das Wort zur Begründung des Antrages unter Punkt 9 d der Tagesordnung hat der Abgeordnete Müller.
Müller (KPD), Antragsteller: Ich habe Sie noch nie so geistreich gehört!
Meine Damen und Herren! Der von der kommunistischen Fraktion eingebrachte Antrag
fordert, daß der Bundestag die Regierung unverzüglich um die Vorlage eines Berichtes ersucht einmal über das Ergebnis der Verhandlungen mit der Hohen Kommission hinsichtlich der Einstellung der Werbung von Deutschen für fremdländischen Militärdienst und sodann über das Ergebnis der Beratungen und Verhandlungen hinsichtlich der Schließung der auf dem Boden der Bundesrepublik betriebenen Werbestellen.
Der Bundestag hat sich mit dieser Frage schon mehr als einmal beschäftigt. Ich glaube, daß der bestehende Zustand nicht besser charakterisiert werden kann als mit der Überschrift einer Meldung der „Westfälischen Rundschau" vom 15. Oktober 1951, die lautet: „Reservedepot der Landsknechte". Auf die Frage, welches die Motive dafür gewesen sind; daß Deutsche angeworben werden konnten, möchte ich jetzt nicht näher eingehen, weil mein Freund Walter Fisch bereits auf die Not insbesondere der Jugend hingewiesen hat. Es ist auch wohl nicht von der Hand zu weisen, daß man diese Not und dieses Elend organisiert und damit die Voraussetzungen für die Tätigkeit dieser Werbezentralen schafft.
Dieselbe Zeitung stellt in der Einleitung zu diesem Artikel weiterhin fest:
Fast überall in der Welt, wo die Spannungen
der Nachkriegszeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt haben, wird ein Teil der
kämpfenden Truppen von Deutschen gebildet. Ich glaube, diese Feststellung, die bereits erhärtet wurde, signalisiert und charakterisiert einen ganz bestimmten Zustand, nämlich die Tatsache, daß das, was die ausländischen Mächte sich hier erlauben, nur durchgeführt werden kann in einem Land, das sie als Kolonialland betrachten. In einem Kolonialland usurpieren sie nicht nur die Bodenschätze, die Wirtschaft und machen sie sich dienstbar, nutzen und beuten sie aus, sondern ebensosehr die Menschen. Daraus resultiert die große Zahl derjenigen Deutschen, die in den verschiedensten Ländern der Kolonialherren zum Einsatz gekommen sind.
Der Herr Arbeitsminister wollte vorhin Auskunft haben, ob es bei Arbeitsämtern solche Werbestellen gibt. Herr Arbeitsminister, ich ersuche Sie,
bei dem Darmstädter Arbeitsamt nachzuprüfen, ob auf dem Zimmer 3 dieses Amtes nicht z. B. eine solche Werbestelle Anwerbungen für die holländische Fremdenlegion durchgeführt hat.
Herr Arbeitsminister, vielleicht sind Ihnen auch die Berichte über Hamburg bekannt, wonach dort Werber für die Heere der arabischen Liga tätig sind.
Ich glaube, Herr Arbeitsminister, wenn Sie nur einigermaßen nachforschten, würden Sie diese Agenturen der Werbung für fremde Militärdienste überall feststellen können, offen oder versteckt.
Wenn vorhin darauf hingewiesen wurde, daß auf Gründ von Beschlüssen die Werbung nicht verboten werden könne, so ist das auch ein weiterer Beweis für die so oft behauptete „Gleichberechtigung" der Bundesrepublik mit den anderen Ländern. Sie fragen nicht danach, wenn es darum geht, deutsche Menschen für ihre fremdländischen Dienste anzuwerben und ihr Leben und ihr Blut für den Profit in den Kolonialgebieten einzusetzen. Es ist typisch und charakteristisch — wir haben ja Gelegenheit gehabt, anläßlich einer früheren Debatte auf die Tätigkeit des Kaiser-Ministeriums in dieser Frage näher einzugehen, und vielleicht haben wir später noch Gelegenheit, das zu wiederholen —, daß einer der maßgebendsten Politiker des amerikanischen Senats erklärt hat: „Wir brauchen ja gerade den Deutschen als Kanonenfutter für die Politik des amerikanischen Krieges und der amerikanischen Kriegsvorbereitung." Das ist es, was der ganzen Methode und den Absichten, die damit verfolgt werden, zugrunde liegt.
Meine Damen und Herren, wo überall solche geworbenen jungen Deutschen eingesetzt werden oder aber auch aus den Kriegsgefangenenlagern als ehemalige Kriegsgefangene, um dieser Hölle von Kriegsgefangenenlagern in den westlichen Ländern zu entgehen, sich melden,
das kommt z. B. auch in der Tatsache zum Ausdruck, daß deutsche Jugendliche und ehemalige Kriegsgefangene von den Amerikanern in Südkorea eingesetzt worden sind. Man hat damals versucht, wohlweislich in Erwartung der Feststellungen, die ja doch einmal getroffen werden mußten, zu behaupten, Deutsche würden auf seiten Nordkoreas im Kampf eingesetzt. Aber man konnte doch nicht der Feststellung der Tatsache entgehen, daß Deutsche in Südkorea von den Amerikanern in diesem Kampf, in diesem Krieg, in dieser Aggression gegen Nordkorea eingesetzt worden sind.
Allein aus einem Werbegebiet werden durchschnittlich wöchentlich 170 Angeworbene für den ausländischen Militärdienst zur Verfügung gestellt
und in diese Länder übergeführt. Ich glaube, das ist ein Zustand, der für einen Deutschen unerträglich ist, und ich glaube, daß der Bundestag die Verpflichtung hat, entsprechend unserem Antrage von der Regierung völlige Aufklärung zu verlangen mit dem Ziel, daß unter keinen Umständen mehr Deutsche für ausländische Militärdienste angeworben werden und daß alle Werbestellen und die Tätigkeit dieser Werber unter allen Umständen unterbunden werden.
Die Anträge sind eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht wohl nach dem, was bisher hier gesagt worden ist, Veranlassung, noch einmal in aller Deutlichkeit auf den Sinn des Berichtes
einzugehen, den der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten erstattet hat und der die einstimmige Auffassung des Ausschusses zum Ausdruck bringt. Dieser Bericht ist das Resultat einer intensiven Befassung mit den traurigen Fällen, die der Anlaß zur ganzen Angelegenheit waren. Es hätte — das kann man hier mit aller Deutlichkeit sagen — nicht irgendeines Antrages der Kommunistischen Partei bedurft, um diese Sache überhaupt ins Rollen zu bringen, sondern den Anlaß zur Beschäftigung mit der ganzen Frage und mit diesem ganzen trüben Komplex gaben Berichte der zuständigen Stellen der Bundesregierung in Berlin, die mit aller Deutlichkeit auf Dinge aufmerksam machten, die dort geschehen sind.
Wenn heute mit einer gewissen und großen Verspätung hier über einen Teil dieser Erörterungen im Ausschuß Bericht erstattet worden ist, so ist das nicht so zu verstehen, als wäre in der Zwischenzeit nichts geschehen. Ich will dem, was hier von Herrn Staatssekretär Hallstein dazu gesagt worden ist, nichts hinzufügen. Es ging bei diesem Beschluß darum, ein Maximum an Schutz für die in diesem Falle betroffenen Menschen zu erwirken, und es wird unsere Sache sein, dafür zu sorgen, daß die Regierung die Aufträge, die sie in dieser Beziehung entgegengenommen hat und die mit ihr zusammen erarbeitet und erörtert worden sind, auch ausführt. Sie bedarf dazu der Stütze dieses Hauses.
Zweiter Punkt: Es geht darum, die Aktivität der Regierung zur Rettung der Gefährdeten zu fördern und zu stützen.
Drittens liegt in diesem Bericht das Anliegen, daß wir Sicherungen dafür schaffen müssen, daß Berlin, der Boden der Viersektorenstadt Berlin, nicht eine negative Ausnahmestellung in diesen Fällen hat und daß Menschen in dieser Frage dort nicht schlechter gestellt sind als im übrigen Bundesgebiet.
Das sind, konkret gesagt, die Anliegen dieses Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. Sie sind laufend behandelt, mit Vertretern der Regierung erörtert worden, und ich will hier bei dieser Gelegenheit die Regierungsvertreter noch einmal daran erinnern, daß ich einige Male darauf aufmerksam gemacht habe, daß es im Sinne der Klärung dieses ganzen Komplexes liegen würde und daß darauf bestanden werden müsse, daß eine französische Denkschrift zur Frage der in diesem Falle verhafteten ehemaligen Legionäre durch eine Stellungnahme der Deutschen Bundesregierung beantwortet wird. Ich denke dabei an eine Stellungnahme auf diplomatischem Wege, die sich aber mit aller Deutlichkeit gegen Gedanken verwahrt, die uns durch eine französische Denkschrift unterschoben werden, wobei — an dieser Stelle sei es noch einmal betont — die Dinge so ausgelegt werden, als handle es sich bei dem französischen Kolonialkrieg in Indochina um einen Krieg des Westens gegen den Osten schlechthin und als sei es ein Verbrechen für Menschen, sich von dort zu entfernen, wie es die geflohenen Legionäre getan hätten. Die deutsche Regierung und die deutsche Öffentlichkeit können diese These nicht unwidersprochen hinnehmen; denn wir können doch unter keinen Umständen die Kolonialkriege anderer als eine Angelegenheit betrachten, für die wir diese Menschen, die das Unglück gehabt haben, nach Kriegsgefangenschaft und nach anderen schweren Erlebnissen in diese Legion zu kommen, opfern sollten. Das wollte ich bei dieser Gelegenheit noch einmal besonders angemerkt haben.
Nun einige Worte zu der Untersuchung der Angelegenheit in Berlin selbst. Der Herr Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß die Berliner Polizei bzw. die bei dieser Gelegenheit eingesetzten Beamten keine Schuld treffe, weil sie sich im Rahmen bestehender Besatzungsbestimmungen korrekt verhalten hätten. Ich glaube, ich interpretiere das, was Sie berichtet haben, richtig. Das entspricht j a den Tatsachen. Aber da beginnt die Sache für den Bundestag erst interessant zu werden.
Einiges zu den Ergebnissen dieser Untersuchung. Es steht fest, daß die verhafteten ehemaligen Legionäre von zuständigen und höchsten britischen Stellen die Versicherung erhalten haben, sie dürften sich im britischen Sektor ungefährdet aufhalten und brauchten nicht besorgt zu sein, daß sie verhaftet und ausgeliefert würden. Diese Versicherung ist auf eine Weise gebrochen worden, die man kaum schärfer als dadurch charakterisieren kann, daß man die Tatsache nennt. Es ist doch eine erschütternde Tatsache, daß die Mutter des einen, des am zweiten Tag Verhafteten unmittelbar dem am ersten Tag in ihrer Wohnung verhafteten Freund ihres Sohnes folgte, weil sie in ihrer Angst annahm, es handle sich um eine Aktion irgendwelcher ostsektoraler Stellen. Als sie dann zu der Stelle kam, die die Verhaftung angeordnet hatte, und sich danach erkundigte, ob auch ihr Sohn verhaftet werden solle, wurde ihr im Tage vor der Verhaftung ihres Sohnes feierlich versichert, daß keine Gefahr bestehe und daß die Verhaftung Müllers, der bei ihrem Sohn und bei ihr übernachtet bzw. provisorisch gewohnt hatte, auf ein Mißverständnis zurückzuführen sei. Also ist dieser zweite verhaftete ehemalige Legionär ganz bewußt getäuscht und in Sicherheit gewiegt worden. Man hat ihn am nächsten Morgen festgenommen, so wie man vorher seinen Freund Müller festgenommen hatte.
Diese ganzen Aktionen sind auf Grund einer Kommandantura-Anordnung erfolgt, die, wie hier schon gesagt worden ist, aus dem Jahre 1949 stammt und in der nicht mehr und nicht weniger verlangt wird, als daß die Berliner Polizei für solche Aufträge zur Verfügung steht. Es heißt dort: Diese Polizei und ihre Dienste „unterliegen der allgemeinen Beaufsichtigung der Alliierten Kommandantura, und sämtliche Anordnungen, Direktiven und Anweisungen der Alliierten Kommandantura bzw. der Besatzungsmächte sind vorbehaltlos auszuführen". Damit kein Mißverständnis herrscht, sei erläuternd hinzugefügt, daß es sich keineswegs etwa so abspielt, daß eine alliierte Stelle dem Leiter der Berliner Polizei oder dem Berliner Polizeisenator erklärt: diese oder jene Anliegen auf Festnahme der und der Personen liegen vor, mit der und der Begründung, und dazu vielleicht sogar noch schriftliche Unterlagen liefert. Diese Bestimmung ist vielmehr so auszulegen und wird so ausgelegt, daß jeder einzelne Berliner Polizeibeamte — um es hier einmal sehr grob auszudrücken — sozusagen auf der Straße von jedem einzelnen Besatzungsorgan dazu angehalten werden kann, unmittelbar eine Festnahme mit durchzuführen. Ein solches Verhältnis ist unmöglich. Für die schnelle und strikte Änderung dieses Verhältnisses wollen wir gerade auf Grund der bitteren Fälle, die wir in Berlin erfahren haben, unsere Stimme erheben. Ich nenne das einen unmöglichen Zustand für die Berliner Polizei. Denn die Berliner Polizei läuft damit Gefahr, keine Berliner Polizei zu sein — sie kann es gar nicht sein —, wenn es darauf ankommt. Hier sind also Änderungen notwendig, die auf der entsprechenden politischen Ebene durchgesetzt werden müssen. Die Notwendigkeit solcher Änderungen sollte in diesem Zusammenhang offen angesprochen werden.
Ich möchte noch einiges zu dem Verlauf der Berliner Vorfälle sagen. Ich habe schon gesagt, daß es keine schriftliche Erklärung gibt. -Die Beamten, die dazu eingesetzt worden sind, sind in schwierige Situationen und in schwere Skrupel gestürzt worden, vor allen Dingen nachdem ihnen klargeworden ist, was es mit den Leuten auf sich hatte, die sie auf Grund irgendwelcher allgemeinen Anordnungen festzunehmen hatten. Ich muß betonen: bei den Besprechungen und bei dem Versuch, sich in Berlin selber ein genaues Bild zu machen, war besonders die Feststellung gravierend, daß an mehreren Stellen hohe und höchste britische Besatzungsoffiziere den sie befragenden deutschen Beamten bindend erklärt haben, alles sei in Ordnung, obwohl sie gegenüber den Verhafteten, bevor diese verhaftet waren, und gegenüber den Angehörigen - um es zu wiederholen — gegenteilige beruhigende Versicherungen abgegeben hatten. Wir haben leider keinerlei Bestimmungen, weder im internationalen Recht noch in dem seit Ende des Krieges entstehenden deutschen Recht, um diesem Spiel mit deutschen Menschenleben auf deutschem Boden unmittelbar und auf eine rechtliche Weise ein Ende zu machen. Es sei hier, obwohl man damit zunächst nichts ändert, ausgesprochen, daß es leider noch kein internationales Recht gibt, das die Ausnützung der Notlage des deutschen Volkes, dieses auseinandergesprengten Landes und der jungen deutschen Menschen unmöglich macht und das diese schützt.
Hier wurde von den Konsequenzen sozialer Not gesprochen. Derjenige, der sich mit der Fremdenlegion befassen muß, weiß, wie hoch der Prozentsatz junger deutscher Menschen ist, die aus der sowjetischen Besatzungszone geflohen sind und den Weg in die Fremdenlegion suchen. Das sei hier ohne jede polemische Nebenabsicht gesagt; denn wir haben ja in diesem Zusammenhang, und wenn eine solche Feststellung gültig ist, alle einiges dazu zu tun, daß wir die sozialen Verhältnisse für diese aus Not, aus Angst, aus Verzweiflung, aus Furcht geflohenen jungen Menschen hier so erträglich zu machen versuchen, daß sie wieder Wurzel fassen. Es geht j a gar nicht in jedem Fall nur darum, daß es solche wären, die keine Arbeit gefunden hätten. Es ist natürlich in vielen Fällen auch so, daß es solche sind, die sich in normale Arbeitsverhältnisse kaum oder gar nicht hineinfinden können auf Grund dessen, was sie in den frühesten Jahren ihrer Jugend, in diesen letzten fünf, sechs Jahren an der Stelle erlebt haben, von der sie geflohen sind. Man könnte eine ganze Reihe von Einzelbeispielen dafür anführen. Das ist die eine Seite, zugleich eine Mahnung an uns.
Dann kommt die andere Seite: es ist eine schlechte Sache, wenn hier mit solchem Nachdruck, wie das bei der antragstellenden Gruppe geschehen ist, Vorwürfe erhoben werden, obwohl doch nicht unbekannt ist, daß ein erheblicher Teil dieser jungen Menschen gerade den Zuständen entfliehen wollte, die er in der sowjetischen Besatzungszone erleben mußte. Hier wurde vom Redner der Gruppe der KPD in ziemlich bewegten Worten einiges erklärt. Nun, ich habe mitgelesen, während er das _hier vortrug. Es handelt sich hauptsächlich um
einen Artikel aus der „Täglichen Rundschau" vom 30. August vergangenen Jahres, ohne daß die Quelle genannt wurde. Also auch das Pathos, das wir heute hier gehört haben, war aus der „Täglichen Rundschau" entliehen. Erlauben Sie, meine Damen und Herren, mir eine Feststellung: Wir verurteilen das, was die Leute, die jungen Menschen auf deutschem Boden und anderswo für die französische Fremdenlegion anwerben, mit diesen tun und womit sie sich an ihnen vergehen. Aber was nun auf der andern Seite in diesem Artikel der „Täglichen Rundschau" geschrieben worden ist, verschlimmert ja die Lage derer, um die diese ganze Untersuchung ging; denn ihnen ist hier nicht mehr und nicht weniger attestiert worden, als daß sie übergelaufen seien und sich der andern Seite angeschlossen hätten. Es gibt Aussagen einer Berliner Korrespondenz, wonach sie auf der andern Seite, nachdem sie gefangengenommen worden waren, für die „Internationale Brigade" geworben werden sollten und geworben worden seien. Nun, wir verteidigen diese jungen Menschen in jedem Fall gegen den Zugriff einer brutalen Militärjustiz. Aber das, was die Antragsteller hier gemacht haben, hat doch zunächst einmal die Lage dieser Menschen noch schlimmer gemacht, als sie an sich schon war.
Wir wissen heute nicht, wieviele Deutsche in der Legion sind, und es wird schwer sein, gültige Zahlen zu bekommen. Es gibt Schätzungen, von denen man annehmen darf, daß sie annähernd ausreichen. Ich habe eine Menge Berichte von Fremdenlegionären zur Verfügung, die zu verschiedenen Zeiten nicht nur in Afrika und speziell auf Madagaskar, sondern vor allen Dingen auch in Indochina gewesen sind und von denen manche nach dramatischer Flucht haben entkommen können. Die Schätzungen dieser Menschen über den Anteil der Deutschen in der Legion bewegen sich zwischen 40 und 80 %. Aus den Berichten, die mir vorliegen, ersehe ich, daß ein sehr großer Teil dieser Deutschen nach besonders schlimmen Erlebnissen in der Kriegsgefangenschaft in die Legion geradezu hineingeflüchtet ist. Es ist bemerkenswert, daß nicht wenige derer, die in die Legion gekommen sind, zunächst in englischer, dann in amerikanischer und schließlich in französischer Gefangenschaft gewesen sind. Sie hatten also dies furchtbare Schicksal hinter sich, von einer Gewahrsams-macht in die Hände einer anderen überstellt zu werden und nicht zu wissen, wo man schließlich landen und wie man freikommen wird. Sie konnten es nicht mehr ertragen, und schließlich suchten sie sich unter den besonders schlechten Verhältnissen der Übergangszeit in den ersten Nachkriegsjahren oder im ersten Jahre nach dem Kriege den Lagerhöllen in Frankreich zu entziehen, indem sie Sich zur Fremdenlegion meldeten. Ich will das hier nicht ausmalen, aber ich will jedenfalls andeuten, daß dabei von den Werbern nicht zuletzt auch die Tatsache ausgenützt worden ist, daß viele dieser Kriegsgefangenen im ungewissen darüber waren, was in Deutschland überhaupt los war, was sie dort erwartete, ob man sie dort dafür bestrafen würde, daß sie bei der Wehrmacht oder bei der SS waren. Man hat insbesondere Jagd auf solche Beute aus der Waffen-SS usw. gemacht; man hat die Leute unter Druck gesetzt, indem man ihnen sagte, in Deutschland hätten sie überhaupt keine Möglichkeit mehr, ein normales Leben zu führen.
Kürzlich sind auf Grund von Angaben in der französischen Kammer von einem belgischen Korrespondenten Zahlen ausgegeben worden. Ich will sie hier nicht wiederholen; sie sind vor kurzem im Pressedienst der Sozialdemokratischen Partei wiedergegeben worden. Es sind viele -zigtausende Deutsche, die in der Legion dienen müssen oder dienen und dort schon geblutet haben bzw. verbluten. In meiner Mappe befindet sich unter den Briefen eine Reihe von solchen aus Gefängnissen in Indochina und Nordafrika: Konflikte, in die die Menschen hineingeraten sind und die es ihnen wahrscheinlich für ihr ganzes Leben unmöglich machen werden, wieder ein normales Leben zu führen.
Ich will also noch einmal feststellen: wir haben weder ein internationales Recht, um diesem Zustand auf unserem Boden schnell ein Ende bereiten zu können, noch haben wir — darauf wurde hier hingewiesen — die Möglichkeit, die früher das deutsche Strafgesetzbuch mit dem § 141 und später 141 a gegeben hatte, denn diese Paragraphen sind durch Kontrollratsgesetz aufgehoben worden. Aber_ der Bericht des Ausschusses will darauf hinaus, daß man gegen die Werbebüros auf deutschem Boden etwas unternimmt, und zwar Effektives, Drastisches unternimmt.
Ein Wort noch zu der Frage der Minderjährigen. Es geht dabei immer um die berühmte Auslegung: wann ist einer im Sinne der französischen Bestimmungen minderjahrig? Wenn ich vorhin den Vorwurf erhoben habe, daß die kommunistischen Antragsteller die Lage derer, für die sie sich angeblich hier eingesetzt haben, verschlimmert hagen, indem sie in ihren Publikationen diese Leute als zur Vietmin-Armee übergelaufen und in internationale Brigaden oder annliches eingetreten bezeichnet haben oder bezeichnen haben lassen, nun, so trifft in bezug auf diese leidige Streitigkeit über die Minderjährigen auch ein ahnlicher Vorwurf zu. Sie wissen, daß nach dem französischen Recht schon der Achtzehnjährige berechtigt sein soll, einen so schwerwiegenden Vertrag zu unterzeichnen, und daß die französischen Behörden sich weigern, unseren Begriff der Minderjährigkeit — bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres — anzuerkennen, — was uns allerdings — und das möchte ich an dieser Stelle auch der Regierung noch einmal sagen — nicht hindern darf, fortzufahren in unserem Eintreten speziell für die Minderjährigen. Wir dürfen uns hier nicht einfach der französischen Auffassung von der 18-Jahres-Grenze in der Praxis beugen. Aber die Antragsteller, von denen ich sprach, haben ja in ihrer Art und Weise das Problem der Achtzehnjährigen und der Minderjährigkeit auch so gelöst, daß die französische Seite sich darauf berufen kann: nun, die sind ja, soweit sie in der sowjetischen Besatzungszone waren, sowieso schon mündig, die sind gar nicht mehr minderjährig, — eine Sache, die dem gesamtdeutschen Standpunkt in dieser Beziehung zur Durchsetzung menschlicher Forderungen gewiß nicht förderlich sein kann.
Was ich in dem Zusammenhang noch anmelden will, ist — was man mit Begründung wohl annehmen muß —, daß ein Teil der Werbetätigkeit und der Sonderausgaben bei der Werbetätigkeit auf deutschem Boden aus Besatzungskosten gespeist wird. Es gibt darüber Unterlagen, die möglicherweise bei weiterer Beratung in dem Ausschuß noch einmal ernsthaft erörtert werden müssen.
Ein Kapitel sei hier am Schluß noch erwähnt. Es ist nicht Ihre Sache und es ist nicht unsere Sache, hier im einzelnen das Leben der Deutschen in der Legion zu behandeln. Aber in allen Berich-
ten., die mir vorliegen — und sie stammen aus einem genügend weit gefaßten Zeitraum von genügend verschiedenen Menschen und sind genügend ernsthaft geprüft, so daß man sagen kann, es ist ein Querschnitt —, in all diesen Berichten wird in. jedem Falle Schreckliches an Einzelheiten über Strafen und Strafexerzieren im Zusammenhang mit mißglückten Fluchtversuchen und mit Versuchen, sich gegen Mißhandlungen zu wehren, mitgeteilt. Es ist schlecht, wenn über solche Dinge wie dieses barbarische Strafexerzieren erst öffentlich gesprochen werden muß. Es wäre besser, es genügte, auf diese brutale Methode hinzuweisen. Ich befürchte nur, es wird wohl nicht der Hinweis genügen; es wird dafür gesorgt werden müssen, daß man sich moralisch davon distanziert.
Es geht also darum, daß die begonnene Tätigkeit der Regierung zum Schutz der unmittelbar gefährdeten Menschen und zum Schutz eines ziemlich weit zu steckenden Kreises gefährdeter junger Menschen effektiv weiter entwickelt wird. Es geht dabei auch noch um das Sonderanliegen, daß das, was wir erreichen müssen, durch die Vorstellungen der Bundesregierung auch auf Berlin ausgedehnt wird. Denn Berlin darf kein Tummelplatz für Ereignisse sein wie die, die den Ausgangspunkt dieser Untersuchungen gebildet haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Höfler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Angelegenheit enthüllt wieder einmal die Tragödie deutscher Jugend. Zu schildern ist da nicht viel. Wer einmal nach dem Süden fährt, an bestimmten Wochentagen des Morgens zwischen 6 und 7 nach Offenburg kommt, der sieht den Zug junger Menschen, die da beinahe täglich nach Marseille und von dort nach Afrika transportiert werden. Es dreht sich einem das Herz im Leibe um, wenn man sieht, wie blühende deutsche Jugend denn sie ist gut ausgewählt in den Lagern, die die Franzosen in unserem Land unterhalten — einfach zu einem Zweck weggeführt wird, den man im Herzen nur betrauern kann.
Kollege Wehner hat schon darauf hingewiesen, daß dann Versionen aufkommen, mit denen man uns klarmachen will, daß Europa auch etwa in Indochina verteidigt wird. So sehr wir der Meinung sind, daß das sein mag, so sehr sind wir aber auch der Meinung, daß dann diejenigen es dort verteidigen sollen, die in erster Linie dazu berufen sind. Die Menschen von unserem Blut, die dort hingekommen sind, sind es nur im Drang einer großen Not, aus den Gefangenenlagern, wie das schon geschildert wurde, jedenfalls in einer großen seelischen Ratlosigkeit. Sie sahen sich dem Nichts gegenüber. Den Herren von ganz links sei gesagt: erkundigen Sie sich einmal bei den Werbestellen nach dem Prozentsatz derer, die aus Ihrem gelobten Land kommen, dann werden Sie ein blaues Wunder erleben!
Auf alle Fälle betrauern und bedauern wir diese jungen Menschen, die uns auf diese Weise verlorengehen.
Es ist doch so, daß man nicht immer sagen kann, es sei Abenteuerlust, die sie dahin führt. Auch mir liegen viele Briefe vor, ich habe in der letzten Zeit einige halbe Nächte Barangehängt, einige hundert Briefe zu lesen, die aus der Fremdenlegion kamen und an mir befreundete Stellen gerichtet waren. Ich muß sagen: dabei gehen einem die Augen über. Es ist nicht so — und ich möchte das einmal vor dem Volke sagen —, daß die Fremdenlegion heute noch als das anzusprechen wäre, was sie vielleicht in früheren Zeiten war. Durch den Zuzug deutschen Blutes ist sie etwas anderes geworden, denn die Menschen, die von unseren Gefangenenlagern hinauskamen, waren zu einem hohen Teil in Ordnung, auch wenn sie aus irgendwelchen Gründen nicht mehr den Weg in die Heimat finden zu können glaubten. Diese Menschen sind in diese Situation und in diese Lager hineingekommen, weil sie ratlos, weil sie verzweifelt waren. In der Jugend ist es ja wohl so, daß eine gewisse Kurzschlüssigkeit gelegentlich einmal auftritt. Vielleicht hat der väterliche Rat oder der mütterliche Zuspruch gefehlt, und so sind sie den Weg gegangen, den sie heute betrauern und den sie heute büßen müssen. Wir dürfen auch nicht mehr sagen, es seien nur Menschen, die in sich den Lebensweg verfehlt hätten. Sie haben diesen Teil ihres Lebens verfehlt; das wollen wir festhalten, und das wissen sie am besten selber. Aber wenn sie wiederkommen wollen, dann sollen sie wissen, daß sie uns willkommen sind, möglichst bald!
Und alle, die einen 'Einfluß darauf haben, sollen
es ihnen auch sagen und sollen es ihnen auch
schreiben. Wir wollen sie hiermit nicht zur Desertion veranlassen. Schließlich ist Vertrag Vertrag, und was ein Mann mit seiner Unterschrift
besiegelt hat, das muß er durchstehen, wenn es
auch bitter ist. Auf alle Fälle sollen sie wissen,
daß sie nicht von uns ausgestoßen sind.
Die Zahlen, die Herr Wehner genannt hat, sind ja erschreckend! Wenn man sagt, daß 86 000 etwa in der französischen Fremdenlegion allein in Indochina sind und daß allein 16 000 davon gefallen sind —die Zahlen schwanken in ihrer Bewertung —, so ist das wiederum etwas zum Traurigwerden.
Wenn einmal Regierung und ein Ausschuß des Bundestags in der Tendenz gut zusammengearbeitet haben, dann war es doch in diesem Fall.
Die Krokodilstränen von da drüben sind vergeblich geweint.
Sie mögen sich doch die Daten der Inangriffnahme Ihrer Arbeit ansehen und das, was wir hier in diesem Ausschuß getan haben. Dann werden Sie ohne weiteres spüren, daß Ihre Vorwürfe nicht berechtigt sind. Es steht auch nicht, fest, was mit den Menschen, die Sie noch drüben haben, geschehen ist, ob sie überhaupt dahin dürfen, wo sie noch Menschen sind.
— Sie werden nicht ausgeliefert! Das können Sie ihnen ja sagen; dann werden Sie sehen, was sie dann machen.
Ich wollte auf alle Fälle sagen: wir danken der Regierung für das, was sie in diesem Falle getan hat. Wir danken auch dem Ausschuß, daß er in Einmütigkeit die notwendigen Maßnahmen beschlossen hat. Wir bitten die Regierung, weiterhin
das zu tun, was unter den gegebenen Umständen in schweren, vielleicht recht schweren Verhandlungen für die Leute noch herauszuholen ist. Schließlich verhält es sich ja so, daß wir die Franzosen nicht zur Aufgabe ihrer Fremdenlegion veranlassen können. Das sind Dinge, die geschichtlich geworden sind und die ein Volk nicht so sehr leicht aufgibt. Aber woran unser Interesse sich bindet, das ist dies: das Prinzip, daß wir es nicht sein wollen, die hierfür die Lieferanten sind.
Es ist notwendig, daß wir uns in Deutschland vor allen Dingen dagegen wehren, daß weiterhin Werbestellen in unserem Land sind, auch wenn uns durch alliierte gesetzliche Bestimmungen die Hände gebunden sind. Es muß erreicht werden, daß Agenten nicht mehr dahin dürfen, wo sich deutsche Menschen müssen sicher fühlen können. Man hat mir erzählt, daß sogar in den Bahnhofsmissionen; wo sich die jungen Leute des Nachts aufhielten, die Agenten der Fremdenlegion ihr lichtscheues Gewerbe ausgeübt hätten. Das muß unter allen Umständen vermieden werden, meine Freunde! Uns paßt das nicht in unser Gefühl; ich meine aber auch, es paßt auch nicht zu dem, was man immer von Europa sagt. Wenn wir Europa bauen wollen, dann dürfen wir uns nicht gegenseitig die Jugend anlocken und nehmen!
Das ist auch im Sinne der europäischen Verteidigungsgemeinschaft notwendig. Es handelt sich hierbei um wehrfähige Leute. Ich will sie nicht zum Kanonenfutter machen; aber ich will auch nicht sagen, daß unser Beitrag so beschaffen sein muß,
wie er jetzt beschaffen ist. Wir könnten uns andere, nützlichere und ordentlichere Beiträge denken, von denen Europa sehr viel mehr hätte als von den Dingen, die wir jetzt so beklagen. Es ist leider wahr, daß wöchentlich eine kriegsstarke Kompanie von Deutschen nach Indochina und nach Afrika abrückt. Meine Freunde, das ist zuviel, das können wir auf die Dauer nicht ertragen!
Darum muß die Bundesregierung zusammen mit dem Bundestag alles tun, was diese leidigen Zustände abschafft. Insbesondere muß achtgegeben werden, daß die Werbestellen sofort kassiert werden. Auf irgendeine Weise wird das schon möglich sein. Auch ich war dabei, als wir in Berlin letzthin zusammen mit dem Auswärtigen Ausschuß vor den Berliner Stellen diejenigen Polizisten vernahmen, die an diesen Aktionen beteiligt waren. Es liegt auch mir am Herzen, zu sagen, daß sie sich korrekt verhalten haben und daß sich keiner gegen seine Pflicht vergangen hat. Es ist notwendig, das festzustellen, weil sonst vielleicht Versionen aufkommen, die nicht erlaubt sind und die vor allen Dingen dem guten Ruf der Berliner Polizei schaden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Tribüne ist nicht dazu da, daß man die Gedanken wiederholt, die die Vorredner bereits gesagt haben. Wir alle sind, glaube ich, in dieser Frage, die nicht nur mit der nationalen Würde, sondern auch mit dem sittlichen Gehalt unseres Daseins zusammenhängt, vollkommen einig. Das, was in Offenburg geschieht, das, was in den Straßen von Saigon an Menschen, die in eine unerhörte Verlassenheit gestoßen worden sind, zu sehen ist, sollte dem deutschen Volk eine Mahnung sein, alle Kraft daran zu setzen, unserer Jugend wieder ein lebens- und menschenwürdiges Dasein zu verschaffen.
Es ist nicht in Worten auszudrücken, welches Gefühl man haben muß, wenn in diesen Straßen, in den fernen Tropen die jungen Menschen unseres Landes dahinziehen und ihre alten Kriegsgesänge anstimmen. Es ist nicht zu sagen, welche tiefe Tragödie unseres Volkes darin zum Ausdruck kommt. Das sollte uns Gewissensmahnung sein.
Die Fremdenlegion ist seit dem deutschen Zusammenbruch etwas vollkommen anderes geworden. Ich möchte das unterstreichen, was Herr Kollege Höfler gesagt hat, und möchte seitens meiner politischen Freunde zu diesem Kapitel noch folgendes ausführen. In dem werdenden Europa sollte der Zustand des Reislaufens überhaupt ein Ende finden. Die Aufgabe der Verteidigung, die uns als einer Gemeinschaft europäischer Menschen gestellt ist, läßt es nicht mehr zu, daß sie von Landsknechten wahrgenommen wird. Niemand soll gegen 'den Legionär irgendwie Steine werfen. Wer durch diese Schule der Verlassenheit gehen muß, wer durch die ganzen Verhältnisse, durch den Zusammenbruch einer Kultur in sie hineingeschickt ist, wäre allein berufen, darüber zu sprechen, was es heißt, in der Ferne und flüchtig immer noch das Kriegskleid zu tragen. Es steht uns gar nicht zu, darüber weiter zu urteilen; aber das Reislaufen in Europa muß ein Ende finden im Interesse einer wirklichen Gemeinschaft der Verteidigung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Punkt 9 a der Tagesordnung über den Mündlichen Bericht des Ausschusses Drucksache Nr. 2836. Ich bitte diejenigen, .die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Punkt 9 b der Tagesordnung ist durch Übernahme in den Sammelantrag Umdruck Nr. 456 erledigt.
Wir kommen zur Abstimmung zu Punkt 9 c, nämlich über den Antrag der Fraktion der KPD auf Drucksache Nr. 2851. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung zu Punkt 9 d der Tagesordnung, d. h. über den Antrag der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 2967 betreffend Einsiellung der Werbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der Antragsteller bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über
den Antrag der Fraktion der SPD betreffend
Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten .
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten, besonders in der Zusammenfassung zu sogenannten Dienstgruppen, hat den Bundestag schon wiederholt beschäftigt. Ich erinnere nur an die Anfrage Nr. 148 der Fraktion der SPD vom 14. Dezember 1950, an die Anfrage Nr. 181 der gleichen Fraktion vom 25. April 1951 sowie an die von der Regierung hierauf erteilten Antworten vom 6. März und 7. Juni des gleichen Jahres. Im Plenum wurde die Frage der Dienstgruppen in eingehender Weise zuerst in der 156. Sitzung vom 5. Juli und sodann in der 168. Sitzung vom 16. Oktober vorigen Jahres behandelt. Bei der zuerst erwähnten Beratung lagen die Interpellation der Fraktion der SPD vom 12. Juni 1951 und bei der Beratung in der 168. Sitzung der Antrag der Fraktion der SPD vom 19. September 1951 Drucksache Nr. 2577 zugrunde.
Zu diesem Antrag der Fraktion der SPD habe ich heute den Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten Drucksache Nr. 3056 zu erstatten. Wie bereits den Ausführungen des Herrn Antragstellers bei der Einbringung des Antrags entnommen werden kann, handelt es sich bei der Frage der Dienstgruppen nicht darum, zu bestreiten oder auch nur in Zweifel zu ziehen, daß das Gebiet der Bundesrepublik auch eines äußeren, eines militärischen Schutzes bedürfe; im Gegenteil, in den Beratungen des Ausschusses ist die Notwendigkeit auch eines militärischen
Schutzes für das Gebiet der Bundesrepublik in aller Klarheit hervorgehoben worden. Wenn die Alliierten diesen Schutz zu unserem, aber auch zu ihrem eigenen Vorteil gewähren, so ist dies für die deutsche Seite sicher ein Grund zur Befriedigung und auch zum Dank. Gleichzeitig müssen wir aber in Anbetracht unserer tatsächlichen und rechtlichen Lage die Alliierten auch dafür verantwortlich halten, daß das Gebiet unseres Staatswesens hinreichend geschützt wird. Aus der Schutzbedürftigkeit der Bundesrepublik ergibt sich aber auch durchaus die Rechtfertigung, daß Deutsche selbst in irgendeiner Weise mitwirken, die Sicherheit ihres Landes zu gewährleisten. Ich sage dies nicht so sehr im Hinblick auf die alliierte Seite als zu dem Zweck, die Tätigkeit der Dienstgruppen in den richtigen Zusammenhang zu stellen und um auszusprechen, daß nach Ansicht des Ausschusses die Tätigkeit der Dienstgruppen notwendig ist und im deutschen Interesse liegt.
Damit ist die auf der einen Seite zu stellende Frage, o b Deutsche für die Sicherheit ihres Landes eingesetzt werden bzw. sich selbst einsetzen sollen, von seiten des Ausschusses klar und deutlich bejaht; aber auf der anderen Seite handelt es sich noch um das W i e , das der antragstellenden Fraktion und dementsprechend dem Ausschuß Anlaß gegeben hat, auf eine Änderung der bestehenden Verhältnisse hinzuwirken.
Dieses unbefriedigende „Wie" bei der Tätigkeit der Dienstgruppen rührt von der unbefriedigenden völkerrechtlichen Lage her, in der sich die Bundesrepublik befindet. Diese Lage ist eine Lage des Übergangs, eine Lage der Umwandlung, eigentlich eine Lage „unterwegs" und damit ein Widerspruch in sich selbst.
Wir leisten mit den Dienstgruppen einen Verteidigungsbeitrag ohne Wehrhoheit. Wir sind besiegte Verbündete oder verbündete Besiegte; wir stellen Zivilisten als Soldaten, und wir stellen sie durch das Arbeitsamt für die Kasernen und stellen sie für einen Wehrdienst, dem sich der Verpflichtete im Ernstfall, wenn er will, mit einer vierzehntägigen Kündigung entziehen kann. Deutsche Staatsangehörige dienen als „Zivilsoldaten" in einer schwer zu entwirrenden Mischung von deutschem Recht und Besatzungsrecht, von zivilen und militärischen Vorschriften.
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat nun seine Aufgabe nicht darin gesehen, die Frage der Dienstgruppen als ein juristisches Problem zu behandeln; er hat vielmehr die Frage politisch betrachtet und seine Anträge dementsprechend gestellt. Der Ausschuß war der Ansicht, daß es jetzt Zeit sei, das Unklare zu klären, den Übergang zu beenden und die Dienstgruppen aus dem Zwielicht des Besatzungswesens herauszunehmen und sie in das klare Licht einer vertraglich geregelten Zusammenarbeit souveräner Staaten auf dem Gebiete der gemeinsamen Verteidigung zu stellen. Der Antrag und ihm entsprechend der Bericht des Ausschusses gehen von der Tatsache aus, daß es zwei Arten von Dienstleistungen im Zusammenwirken mit den Besatzungs- oder jetzt besser mit den Verteidigungstruppen in Deutschland gibt, einmal militärische und zum andern nichtmilitärische oder, vielleicht noch besser gesagt: militärähnliche Dienstleistungen. Das Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen beiden Arten von Dienstleistungen würde der Ausschuß nicht so sehr in der Uniform oder in der Unterbringung in Kasernen sehen, als vielmehr im Waffentragen und im Zusammenschluß zu Einheiten, die unter militärischer Befehlsgewalt stehen.
Bezüglich der Aufstellung bewaffneter deutscher Einheiten stellt der Ausschuß den Antrag, die Bundesregierung zu ersuchen, den Hohen Kommissaren zu eröffnen, daß diese nur auf dem Wege der ordentlichen deutschen Gesetzgebung möglich sei und daß ein Abweichen von diesem Rechtsstandpunkt nicht hingenommen werde. Dies würde gleichzeitig bedeuten, wie es unter Ziffer 1 a) und c) des Antrags heißt, daß ohne ein solches deutsches Wehrgesetz Deutsche bei den Besatzungsmächten nicht zum Dienst mit der Waffe herangezogen und daß die deutschen Arbeitskräfte bei den Besatzungsmächten nicht zu militärischen Formationen zusammengezogen werden.
Wenn man nun die Unzahl von verschiedenen Dienstleistungen betrachtet, zu denen heute Deutsche bei den Verteidigungsgruppen verwendet werden, dann wird man erkennen, daß es vielfache Grenzfälle gibt, bei denen es- tatsächlich schwierig ist, zu entscheiden, ob sie ihrem Wesen nach zu den militärischen Aufgaben gehören und nur in einem öffentlich-rechtlichen Wehrverhältnis erfüllt werden sollten oder aber als militärähnliche Aufgaben auch in einem zivilen Arbeitsverhältnis erfüllt werden könnten. Es wäre, glaube ich, die Aufgabe militärischer Sachverständiger, hier im Vertragswege die erforderlichen Festlegungen zu treffen. Soviel ist aber jetzt bereits sicher, daß für die meisten Dienste, die von den Dienstgruppen geleistet werden, das jetzige militärähnliche Verhältnis ohne Schwierigkeiten aus den einseitig besatzungsrechtlichen Bindungen gelöst und in ein rein zivilrechtliches umgewandelt werden könnte. Diese Umwandlung hätte zur Folge, daß deutsches
Arbeitsrecht und deutsches Verfahren vor deutschen Behörden und Gerichten angewandt würden. Außerdem sollte ein Tarifvertrag etwa nach dem Muster der für öffentliche Dienste geltenden Tarifverträge abgeschlossen werden. Mit Recht ist der Vergleich mit der Eisenbahn gezogen worden, wo ebenfalls ein streng geregelter, auf die Minute abgestellter Dienst auf einer zivilen, id. h. arbeitsoder beamtenrechtlichen Grundlage geleistet wird. Auch der Vergleich mit dem Dienst auf Handelsschiffen legt sich in diesem Zusammenhang nahe.
Der Ausschuß stellt daher den Antrag an die Regierung, bei der Hohen Kommission darauf hinzuwirken, daß diese Umwandlung lim Sinne der Ziffer 1 des Ausschußberichts vorgenommen wird.
Was nun den Zeitpunkt anbelangt, zu dem die hier empfohlenen Verhandlungen begonnen werden sollten, so war der Ausschuß einstimmig der Ansicht, daß es jetzt gleich geschehen könne und solle. Insbesondere glaubte der Ausschuß, daß das Problem der Dienstgruppen um seiner Dringlichkeit willen nicht mit .den schwebenden Sicherheitsverhandlungen verknüpft werden sollte. Der vorwiegend politische Charakter der mit den Dienstgruppen im Zusammenhang stehenden Fragen verlangt ferner, daß die Federführung nicht beim Bundesministerium der Finanzen, sondern beim Auswärtigen Amt liege. Der Ausschuß hat mit Befriedigung festgestellt, daß die Regierung dieser Auffassung beigetreten ist, oder doch im Begriffe steht, ihr beizutreten. Darüber hinaus würde es den Wünschen der Angehörigen der Dienstgruppen entsprechen, wenn die gesamte Dienstorganisation nicht in der bisherigen Form weitergeführt würde, sondern als deutsche Einrichtung unter der Verantwortlichkeit eines deutschen Ministeriums ihre Aufgabe erfüllen könnte.
Meine Damen und Herren, im Namen des Ausschusses darf ich Sie bitten, den gestellten Anträgen Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Für die nun folgende Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 90 Minuten vorgeschlagen. — Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hallstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten und insbesondere die sogenannten Dienstgruppen gehören zu den Gegenständen, die in Zusammenhang mit der Ablösung des Besatzungsstatuts zur Zeit mit den drei westalliierten Mächten verhandelt werden. Was die Punkte 1 und 2 des soeben gestellten Antrages des Ausschusses anlangt, so decken sich die damit erhobenen Forderungen vollständig mit den Verhandlungszielen der deutschen Delegation. Freilich ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine sofortige und plötzliche Auflösung der Dienstgruppen-Organisationen aus militärischen Gründen auch im deutschen Interesse nicht möglich sein wird, und sie strebt deshalb in ihren Verhandlungen die Festlegung einer Übergangsperiode an. Sie glaubt sich seit der Wehrdebatte, die in diesem Hohen Hause stattgefunden hat, in dieser ihrer Haltung gedeckt durch die Resolution, die am 8. Februar hier gefaßt worden ist und die unter Ziffer 5 f ausdrücklich sagt, daß Dienstgruppen im Dienste der alliierten
Streitkräfte in angemessener Frist aufzulösen sind. Schon für diese Übergangszeit freilich — und auch darin stimmt die Auffassung der Bundesregierung mit der Auffassung des Ausschusses überein — ist es unser Ziel, die Rechtslage der Angehörigen dieser Dienstgruppen soweit wie möglich bereits der für das Endstadium vorgesehenen Rechtslage anzupassen.
In bezug auf Ziffer 3 des gestellten Antrages darf ich bemerken, daß schon bisher die politischen Fragen der Dienstgruppen in Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes behandelt worden sind. Es soll selbstverständlich auch künftighin so bleiben.
Zu Ziffer 4 des Antrages: Wenn es bei dem Wunsch des Ausschusses bleiben und er bestätigt werden sollte, einen weiteren Bericht zu erstatten, so darf ich vielleicht anregen, die Frist für diesen Bericht zu verlängern. Denn im gegenwärtigen Augenblick ist es mir nur möglich, zu berichten, daß sich diese Dinge in der Verhandlung befinden, und zwar auf deutscher Seite mit den Verhandlungszielen, die ich angedeutet habe. Ich vermute, daß wir am 29. Februar noch nicht sehr viel weiter, wenn auch natürlich etwas weiter in bezug auf das Ergebnis gelangt sein werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir haben allen Anlaß, zufrieden zu sein, daß uns die Bundesregierung heute hier versichern kann, daß sie im wesentlichen mit dem Inhalt des seinerzeit von meinen politischen Freunden eingebrachten Antrages übereinstimmt. Aber es gibt doch noch einige Punkte, die in Ergänzung des von Herrn Dr. Pfleiderer erstatteten gründlichen und zuverlässigen Berichtes hier vorgetragen werden müssen.
Auch in unseren Kreisen bestreitet niemand die Notwendigkeit bestimmter Arbeitsleistungen, die für die Besatzungsmächte vollbracht werden. Aber ich glaube, daß die Frage, wie sie jetzt der Herr Staatssekretär vor uns hingestellt hat, etwas falsch gestellt ist. Die Frage ist nicht, was später bei einem eventuellen Verteidigungsbeitrag in Zusammenhang mit der Ablösung des Besatzungsstatuts mit den Dienstgruppen zu geschehen hat, in welcher Weise dann eventuell eine besondere territoriale deutsche Organisation aufgezogen werden soll. Alle diese Dinge liegen doch noch in weiter, weiter Ferne, und niemand weiß, wie die Entscheidung endgültig aussehen wird. Die Frage, die heute vor uns steht — und darin war sich der Auswärtige Ausschuß vollkommen einig, meine Damen und Herren, und darin unterscheiden wir uns alle miteinander auch heute von den Auffassungen, die der Herr Staatssekretär eben vertreten hat —, die Frage, die jetzt zu entscheiden ist, lautet: Was wird jetzt aus den Dienstgruppen?
Ist es nicht auch heute schon ohne Rücksicht auf die Ablösung des Besatzungsstatuts durch ein System von anderen Verträgen notwendig und richtig, den rechtlichen Status der Dienstgruppen zu ändern? — Der Auswärtige Ausschuß ist dieser Meinung. Das bedeutet, daß wir der Bundesregierung eben eine zusätzliche, wenn auch unbequeme Pflicht auferlegen. Wir erlegen ihr die Pflicht auf, unabhängig von den Verhandlungen über die Ablösung des Besatzungsstatuts, unabhängig von ihren Verhandlungen über die europäische Ver-
teidigungsgemeinschaft, gesonderte Verhandlungen zu führen, damit endlich einmal die Männer der Dienstgruppen aus dem Zwielicht herausgeholt und in die Position als deutsche Staatsbürger gebracht werden, die sie haben müssen, wenn das Problem nicht politisch gegen uns falsch ausgeschlachtet werden und wenn sich der, Männer selbst nicht eine begreifliche Unruhe über ihr künftiges Schicksal bemächtigen soll.
So ist die Frage vom Auswärtigen Ausschuß gestellt, und ich möchte nicht, daß die Bundesregierung hier ausweicht und nun von uns eine Fristverlängerung erwartet mit der Begründung: Wir können ja dem Hause dann später berichten, wenn in der Gesamtheit der Verträge mit den Besatzungsmächten nun auch die Frage der Dienstgruppen einmal irgendwie geregelt sein wird. Das ist ein völlig anderes Problem. Es geht um die jetzt auszuhandelnde besondere Lösung des Verhältnisses der Dienstgruppen. Ich darf Ihnen nachher auch noch an einem sehr konkreten Beispiel zeigen, warum diese Lösung jetzt notwendig und daß sie außerdem jetzt auch möglich ist.
Ich bedaure es, daß sich die Bundesregierung erst im Dezember 1951, d. h. nach einer mehrmonatigen Initiative des Bundestages, nach wiederholten öffentlichen Debatten in diesem Hause dazu hat entschließen können, an die Dienstgruppenfrage politisch heranzugehen und vom Auswärtigen Amt her Verhandlungen aufzunehmen. Endlich ist damit der politische Komplex dieser Frage aus der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Finanzen herausgelöst worden. Damit ist einem Petitum unseres Antrages weitgehend entsprochen. Wir hoffen, daß es bei dieser Zuständigkeitsregelung bleibt. Wir erheben auch gar keine Vorwürfe gegen das Finanzministerium, daß es sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten nicht bemüht habe, aufrichtig an all die Probleme heranzugehen, die die Dienstgruppen stellen. Aber das Finanzministerium ist nun einmal kein Instrument der Außenpolitik, und hier handelt es sich um eine solche Frage des Verhältnisses zu den Besatzungsmächten. Das Finanzministerium hat sich redlich Mühe gegeben, die sozialen Probleme, die die Dienstgruppenangehörigen betreffen, einer Regelung zuzuführen. Ich muß Ihnen davon Kenntnis geben: Es erfüllt uns alle mit großem Befremden, daß die Besatzungsmächte auf die berechtigten Anliegen der Dienstgruppen, vorgetragen in übereinstimmender Meinung vom Bundesministerium der Finanzen, von den Gewerkschaften und von der Betreuungsgemeinschaft der Dienstgruppen selbst, bisher nicht die leisesten Anzeichen einer Gewährung dieser Wünsche von sich gegeben haben.
Worum handelt es sich? Es handelt sich zunächst einmal darum, daß das Arbeitsverhältnis, in dem die Männer stehen, zu einem echten Arbeitsverhältnis nach deutschem Arbeitsrecht gestaltet wird. Das kann man an einem Beispiel sehr einfach erkennen: ob es nämlich einen Tarifvertrag für diese Leute gibt oder ob die Arbeitsbedingungen einseitig, von den Besatzungsmächten diktiert, auferlegt werden. Es gibt keinen solchen Tarifvertrag. Man hat den Versuch unternommen, die Besatzungsmächte an den Verhandlungstisch zu bringen; das ist bisher gescheitert. Es ist gescheitert mit der Begründung: wir wollen doch erst einmal einen Tarifvertrag für das ganze übrige bei den Besatzungsmächten tätige Personal machen. Deshalb kann man doch zunächst einmal die Dienstgruppenfrage behandeln! Es gibt einen Modellvertrag für das Personal der Alliierten in der Enklave
Bonn, der durchaus Anhaltspunkte dafür bietet, wie man eine auch die Interessen der Besatzungsmächte sichernde rechtliche Fixierung dieses Arbeitsverhältnisses mit deutschen Vertretern aushandeln könnte; denn zum Verhandeln gehören zwei, und wir wollen eben nicht mehr, daß sich die Dienstgruppen in der Lage der Rechtlosigkeit befinden, daß sie behandelt werden wie die Arbeitnehmer im „Dritten Reich", die einer auferlegten Tarifordnung ausgeliefert waren und nicht selbst an der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse mitwirkten.
Hier gehört der ganze Komplex um den Härteausgleich hinein, der für die durch die einseitig von den Engländern verfügte Änderung der Arbeitsbedingungen entstandene Notlage gezahlt werden sollte. Hier gehört hinein, daß es bis heute keine zufriedenstellende Regelung der Unfall und der Haftpflichtversicherung gibt. Das ist ein wichtiges Problem für Leute, die mit halbmilitärischen Dienstleistungen befaßt sind, bei denen jeden Tag das eine oder andere geschehen kann. Hier gehört vor allen Dingen hinein die teilweise weitreichende Unterstellung unter die Militärgerichtsbarkeit der Alliierten. Wir können es nicht hinnehmen, daß deutsche Staatsbürger in dieser Weise aus der Rechts- und Gefahrengemeinschaft des deutschen Volkes herausgelöst und zu Anhängseln fremder — denn noch sind es fremde — Streitkräfte irgendwo in unserem eigenen Heimatland gemacht werden.
All das ist möglich; die Umwandlung in ein echtes ziviles Arbeitsverhältnis ist möglich — der Herr Berichterstatter hat es ausgeführt —, ohne daß die Arbeitsleistungen darunter leiden. Die Bundesbahn fährt pünktlich. Sie fährt auch alliierte Truppen. Sie fährt, wenn's nottut, auch Munition. Trotzdem denkt kein Mensch daran, die Bediensteten der Bundesbahn nun als militärähnliches Personal den Alliierten anzuhängen, sondern sie leisten das, obwohl sie Arbeitnehmer, Angestellte, Arbeiter, auch Beamte nach deutschem zivilem Recht sind. Wir wünschen nicht, daß deutsche Staatsbürger allmählich aus unserem Staatsverband, wie ich ausgeführt habe, ausgegliedert und gewissermaßen zu Angehörigen fremder Streitkräfte gemacht werden. Es gibt keinen verantwortlichen deutschen Einfluß auf Auswahl und Verwendung der Angehörigen der Dienstgruppen. Sie sind zum Teil in geschlossenen Formationen zusammengefaßt, die man teilweise in die militärischen Einheiten der Besatzungsmächte direkt eingebaut hat; infolgedessen sind sie auch teilweise uniformiert und bewaffnet.
Diese Herauslösung deutscher Staatsbürger aus dem deutschen Staatsverband hat zu den kuriosesten Unternehmen geführt. Da ist das Ansinnen an den Herrn Bundesminister der Finanzen gestellt worden — er hat ihm sogar zunächst einmal entsprochen und seine Weisung erst nach heftigem Gegendruck erfreulicherweise widerrufen —, daß die Angehörigen der Dienstgruppen auf dem Gebiete der Verbrauchssteuern den sonstigen Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte gleichzustellen seien. Das heißt also, es ist der Versuch unternommen worden, das Herauslösen aus der Gemeinschaft der übrigen Deutschen mit einer Art Bestechungsgeld, mit der Chance, amerikanische Zigaretten schmuggeln zu können, abzugelten. Erfreulicherweise haben sich die Angehörigen der Dienstgruppen selbst gegen diesen Versuch gewandt. Weniger erfreulich ist es, daß der Herr Finanzminister, der sonst berechtigterweise um
jeden Groschen kämpft, .hier, wo es um erheblich höhere Beträge ging, zunächst sofort die entsprechende Weisung auf Freistellung von den Verbrauchssteuerabgaben in den Kantinen der Dienstgruppen hatte hinausgehen lassen und diese Anordnung erst später widerrief.
Es gibt heute eine Tendenz, erstens mit der Angst der Dienstgruppen vor ihrer Auflösung, vor dem Schicksal der Arbeitslosigkeit zu operieren und zweitens mit der Angst des deutschen Volkes, daß unsere Sicherheit nun fürchterlich gefährdet sei, wenn sich bei den Dienstgruppen irgend etwas ändere. Aber, meine Damen und Herren, es ändert sich doch gar nichts! Die Arbeitsleistungen sollen weiter vollbracht werden. Sie sollen unter einem anderen rechtlichen Status vollbracht werden. Das ist es, worauf es ankommt. Da wird kein Mensch arbeitslos, und da leidet auch die Sicherheit der Bundesrepublik nicht Not. Aber es werden aus Angehörigen halbmilitärischer Verbände der Alliierten deutsche Staatsbürger, die als Arbeitnehmer ihrer Arbeit nachgehen und einen bestimmten wichtigen Arbeitsauftrag erfüllen.
Mit diesem Vorbringen befinden wir uns in voller Übereinstimmung mit den Angehörigen der Dienstgruppenorganisationen selbst, Die Betreuungsgemeinschaft hat uns eine Entschließung unterbreitet — sie ist den meisten Damen und Herren bekannt —, die völlig mit den Wünschen des Hohen Hauses übereinstimmt. Daß es auch kleinere unerfreuliche Ausnahmen — z. B. in der amerikanischen Besatzungszone — gibt, die einen merkwürdigen politischen Beigeschmack haben, damit wollen wir uns hier nicht auseinandersetzen.
Herr Staatssekretär, das Besatzungsverhältnis verbietet heute schon den Einbau von deutschen Staatsbürgern in Einheiten der Besatzungsstreitkräfte. Gerade das wäre eigentlich erst möglich, wenn es sich um eine echte, vertraglich vereinbarte Schutzmacht handelte. Ein solcher Einbau ist nach der Haager Landkriegsordnung gar nicht möglich; das hieße, daß ein Volk sich selbst besetzt, daß wir auch noch ein Anhängsel der Besatzungstruppen stellen, die uns hier besetzen. Gerade solange es eben den Generalvertrag noch nicht gibt, muß der Rechtszustand erst recht geändert werden, weil er heute schon rechtswidrig ist, und es ist die Pflicht der Bundesregierung, diese Rechtswidrigkeit zu beseitigen. Wenn sie das nicht tut, dann versagt sie in der Erfüllung der Aufgaben, die Rechte des Bundes zu wahren gegenüber jedem, wer es auch sei.
Wenn aber einmal eine echte Partnerschaft hergestellt werden soll, wenn sich der Charakter der Besatzungsstreitkräfte ändert, dann tritt doch erst recht die Forderung an uns heran — und wir haben sie uns hier heute vorausschauend zu eigen gemacht —, daß es militärähnliche Leistungen der Bundesrepublik nur geben könnte in den vom deutschen Parlament in der gehörigen Weise beschlossenen Formen und nicht durch die Hintertür, nicht auf irgendwelche andere Weise. Wir lassen uns da nicht mit einer Übergangsperiode abspeisen, von der noch niemand weiß, wie lange sie möglicherweise dauert, weil ja noch niemand den Anfang dieser Übergangsperiode abzuschätzen vermag. Wir möchten warnen vor einer Absicht, die kürzlich in der deutschen Presse berichtet wurde, wonach man eventuell ja deutsche Männer heute schon in die alliierten Streitkräfte als Kader für die künftigen deutschen Kontingente in der Verteidigungsgemeinschaft aufnehmen könne. Das wäre wirklich ein Vorgriff auf die Entscheidung der deutschen gesetzgebenden Körperschaften, der auf keinen Fall hingenommen werden kann, und es ist notwendig, das von dieser Tribüne aus sehr deutlich und sehr nachdrücklich zu sagen.
— Es gibt Leute, die daran denken; sie sitzen nicht in diesem Hause, sie sitzen anderwärts. An sie richtet sich das, was ich jetzt sage, damit Klarheit herrscht, Herr Kollege. — Es darf keinen heimlichen Vorgriff auf den Wehrbeitrag geben, sondern in der Frage der Dienstgruppen nützliche Arbeit von im zivilen Arbeitsverhältnis stehenden deutschen Staatsbürgern, wodurch zweifellos die Kampfkraft der alliierten Streitkräfte, wie sie uns immer wieder versichern, auch erhöht wird.
Wenn es je zu einem Verteidigungsbeitrag kommen sollte, dann ist immer noch Zeit, sich darüber zu unterhalten, in welcher Weise diese Leistung der Dienstgruppen auf einen eventuellen Verteidigungsbeitrag angerechnet werden muß; denn dann kann es nur ein en Beitrag geben; dann kann die deutsche Volks- und Arbeitssubstanz nicht zweimal angezapft werden: einmal durch ein eventuelles Kontingent und zum zweiten dann noch durch die Dienstgruppen, die die Besatzungsmächte nebenher unmittelbar unterhalten. Aber das ist eine Frage der Zukunft. Ich möchte das jetzt nur dem Herrn Staatssekretär als Anmerkung mit auf den Weg geben.
Meine politischen Freunde begrüßen den Bericht des Ausschusses. Er läßt erkennen — vergleichen Sie die beiden Fassungen —, daß sich der Auswärtige Ausschuß in vollem Umfang die Wünsche der Sozialdemokratischen Partei zu eigen gemacht hat. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß wir in dieser Frage alle miteinander einig sind und daß es infolgedessen hohe Zeit wird, daß jetzt der Initiative des Hohen Hauses endlich auch von den verantwortlichen Stellen in der gebührenden Weise Rechnung getragen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Erler sagte eben, die sozialdemokratische Fraktion wünsche keinen Vorgriff auf einen kommenden Wehrbeitrag, und der Herr Berichterstatter hat den Versuch gemacht, in gewundenen Formulierungen um die Tatsache herumzureden, die der Herr Staatssekretär mit einigen, im Hinblick auf die innenpolitische Lage unklaren diplomatischen Redewendungen abzustreiten versuchte, die Tatsache nämlich, daß bereits eine ausgerüstete und militärisch ausgebildete deutsche Armee bei den Besatzungstruppen in einer Stärke von 100 000 Mann besteht.
Meine Damen und Herren, warum sprechen Sie nicht offen darüber, was ja im Ausschuß berichtet worden ist, daß diese sogenannten Diensteinheiten bei den Besatzungsmächten heute in Wirklichkeit bereits voll bewaffnet und kriegsmäßig ausgerüstet sind? Warum sprechen Sie nicht offen darüber, daß der Einsatz dieser sogenannten Dienstgruppen bei den letzten großen Manövern in der norddeutschen Ebene seitens der Dienststellen
General Eisenhowers zu der Beurteilung geführt hat, daß sich diese Dienstgruppen als Kampftruppe glänzend bewährt haben?
Warum sprechen Sie, nicht davon, daß man sich dessen rühmt, daß diese Truppe als Paradestück dieser Manöver die Eroberung des gegnerischen Hauptquartiers vorgeführt habe? Herr Staatssekretär, warum sprechen Sie nicht offen darüber, was auch im Ausschuß behandelt worden ist, daß es sich nicht nur — wie Sie eben sagten — um bestimmte Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitselemente auch im deutschen Interesse handelt? Warum sprechen Sie nicht darüber, daß Sie der Meinung sind, daß diese Truppen gegebenenfalls auch als Partisanen eingesetzt werden könnten?
- Der Zwischenruf bestätigt mir nur die Absicht, die Sie selbst
mit dem Einsatz dieser deutschen militärischen Einheiten verfolgen. Ich bin davon überzeugt: die Erklärungen, die von den Generalstäben der amerikanischen und britischen Armeen hinsichtlich des Wertes dieser Dienstgruppen abgegeben worden sind, beweisen doch, daß diese nicht nur jetzt, sondern auch nach Unterzeichnung des Generalvertrags weiter bestehen sollen. Damit ist der Tatbestand gegeben, daß neben den amerikanischen, britischen und französischen Divisionen bereits eine deutsche Armee besteht. Alles Gerede über die sogenannten Arbeitsverträge ist nur ein Verwirrungsmanöver. Denn Sie wissen selbst, daß diese Dienstverträge unter anderem den absoluten Gehorsam und die Unterstellung unter das Militärgericht verlangen und daß sich die dort Eingesetzten verpflichten müssen, zum Einsatz in jedem Gebiet bereit zu sein. Wenn nun in den letzten Wochen noch die Meldung kommt, daß in den Dienstgruppen ein Veriüngungsprozeß, die Aussehaltung der Verheirateten sowie insbesondere die Heranziehung und Anwerbung von Jugendlichen für diese militärischen deutschen Einheiten bei den Besatzungsarmeen durchgeführt wird, — ich glaube, dann brauchen wir uns über die Bedeutung dieser militärischen Truppe nicht mehr zu unterhalten.
Vielleicht ist eines für die Einstellung der amerikanischen Kommandostellen zu diesen Diensteinheiten charakteristisch. Ein amerikanischer Offizier einer solchen Dienstgruppe in den RooseveltBarracks veranstaltete eine Umfrage bzw. ließ Fragebogen zirkulieren, die die Frage enthielten: Was würden Sie tun, wenn es Krieg gibt? Die meisten Antworten lauteten: „Ich würde nicht auf Deutsche schießen" oder: „Ich würde das Gewehr in die Ecke stellen". Daraufhin erklärte dieser amerikanische Offizier: „Ihr seid ein hinterlistiges Gesindel, das nicht wert ist, die Uniform zu tragen." Es muß zur Ehre dieser Menschen, die sich dort aus Not, weil sie keine Arbeit hatten, haben dienstverpflichten bzw. anwerben lassen, gesagt werden, daß dieser Ausspruch, sie würden nicht auf Deutsche schießen und würden ihr Gewehr in die Ecke stellen, dem entspricht, was das deutsche Volk von ihnen erwartet.
Herr Kollege Erler hat noch einmal die Frage der arbeitsrechtlichen Bedingungen angeschnitten. Ich möchte Bezug nehmen auf eine kürzliche Äußerung der Gewerkschaft ÖTV, in der sie im Hinblick auf diese Gruppen erklärt hat, diese seien auf
Grund der Tatsache, daß ihnen die deutschen arbeitsrechtlichen Bedingungen vorenthalten worden seien, nichts anderes als eben eine Söldnertruppe.
Vielleicht zur Illustration auch eine Tatsache: Bei der Dienststelle der HICOG Bonn-Godesberg sind 120 Kraftfahrer beschäftigt. Diese verlangten die Durchführung einer Versammlung, um zu ihren sozialrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen. Das wurde ihnen verweigert. Als sie es dann trotzdem durchsetzten, war das Ergebnis, daß der von dieser Versammlung gewählte gewerkschaftliche Vertrauensmann, der in ihrem Interesse sprechen sollte, von der HICOG-Dienststelle nicht anerkannt und jede Verhandlung mit ihm abgelehnt wurde; das heißt also: erneute Bestätigung einer militärischen Formation.
Dafür, in welchem Umfang der Ausbau dieser Einheiten durchgeführt werden soll, noch ein letzter Beweis. In Fürth werden drei Wohnhäuser und fünf fast ausschließlich für den Export arbeitende Spielwarenfabriken als Kasernen für Truppen des deutschen sogenannten Labor Service bei der US-Armee ausgebaut. Es ist klar, daß die Vertreter, u. a. ein Dr. Adolf Kürschner, der der Obmann der Besatzungsgeschädigten in diesem Gebiet ist, sich mit aller Schärfe gegen dieses Verhalten wenden und mit Recht die Haltung der Bundesregierung kritisieren, die sich auf eine gleiche Stufe mit den amerikanischen Behörden stellt, und verlangen, daß diese Beschlagnahmen unterbleiben.
Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassend sagen: diese Aufstellung von deutschen Armeen bei den Besatzungstruppen ist nur ein Vorläufer für das, was mit dem Generalvertrag und mit dem Wehrgesetz beabsichtigt wird.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß man, wie von britischer Seite schon erklärt worden ist, diese Einheiten in die britische Armee einbeziehen will. Ich glaube, das deutsche Volk draußen — und ich möchte mich insbesondere an die Angehörigen dieser Diensteinheiten wenden — wird Wert darauf legen, daß sie sich unter keinen Umständen dazu mißbrauchen lassen, im Dienste der amerikanischen Aggressoren ihr Leben und ihr Blut für seine Majestät den Dollar, für den amerikanischen Krieg zu opfern.
Die Forderung, die wir zu stellen haben. ist. daß unter keinen Umständen entsprechende Verfügungen über Deutsche für militärische Zwecke bei den Besatzungsarmeen zugelassen werden dürfen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Antrag des Ausschusses eingehen, indem ich darauf hinweise — —
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Wir beantragen, daß über den Punkt 2 des Ausschußberichts gesondert abgestimmt wird, weil die in diesem Punkt 2 grundsätzlich anerkannte Einführung der Wahrpflicht von uns unter keinen Umständen gebilligt wird. Wir bitten also, über diesen Antrag gesondert abzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und herren! Der klare Bericht des Herrn Berichterstatters hätte eigentlich eine umfangreiche Diskussion nicht erfordert, '
denn er enthielt im wesentlichen alles, was den Charakter und das Wesen der Dienstgruppen umfaßt. Aber die Ausführungen des Herrn Kollegen Müller von der KPD zwingen mich doch, noch einiges zur Ergänzung zu sagen, damit nicht ein falsches Bild über die Dienstgruppen bestehen bleibt.
Herr Kollege Müller, Sie täten besser daran, nicht so viel zu zitieren, sondern sich einmal mit den Menschen zu unterhalten, die in diesen Dienstgruppen tätig sind. Wir wollen die Frage der Dienstgruppen hier nicht nur von der vertraglichen Seite und von der besonderen deutschen Lage aus sehen, sondern wir wollen sie auch einmal von dem Menschen her sehen, der in dieser Dienstgruppe tätig ist. Die Dienstgruppen sind älter als die Bundesrepublik. Insofern täuschen Sie sich also, Herr Kollege Müller! Ehe überhaupt jemals ein deutscher Wehrbeitrag diskutiert wurde, gab es schon diese Dienstgruppen. Warum sind denn deutsche Menschen, ehemalige Kameraden von uns aus dem Kriege, in diese Dienstgruppen hineingegangen? Weil sie sonst der Arbeitslosigkeit anheimgefallen wären! Das sind Kameraden, die kamen aus der Kriegsgefangenschaft, hatten zum Teil ihre Familie verloren, fanden sie nicht wieder, hatten kein Obdach unter den damaligen furchtbaren Verhältnissen und waren froh, zunächst einmal Brot und Arbeit zu finden. So entstanden die Dienstgruppen überhaupt.
Und nun ein Weiteres! Nun haben sich diese Dienstgruppen unter den drei Besatzungsmächten zu drei ganz wesensverschiedenen Gruppen herausgebildet. Ich möchte an Sie, Herr Staatssekretär, unbedingt die Bitte richten, dafür Sorge zu tragen, daß ein wesentlicher Teil von schnell zu führenden Verhandlungen darin besteht, um die gleichartige Gestaltung des Aufgabenbereichs und der Organisation der Dienstgruppen in allen drei Besatzungsteilen bemüht zu sein. Die französischen Dienstgruppen sind ganz andersartig aufgestellt und haben ganz andersartige Funktionen als z. B. die Dienstgruppen in der britischen Zone. In der britischen Zone trat der Wandel im Frühjahr des vergangenen Jahres ein, als die britische Army of Rhine daran ging, das Arbeitsverhältnis zu ändern.
Hier möchte ich Sie bitten, das Problem erstlich wiederum in der menschlichen Seite zu sehen, denn schließlich sind es deutsche Menschen, die in diesen Dienstgruppen tätig sind. Und hier pflichte ich Herrn Kollegen Erler voll und ganz bei: ehe wir darangehen, in der näheren oder hoffentlich näheren Zukunft das Wesen der Dienstgruppen überhaupt zu klären, d. h. ehe wir an ihren Abbau und die Modalitäten dieses Abbaus herangehen, wie es der Herr Staatssekretär dargestellt hat, müssen wir dafür sorgen, daß die Dienstgruppen deutschen Rechtsverhältnissen unterstellt werden, d. h. einmal grundsätzlich deutschem Recht, zum zweiten aber auch weitgehend den geltenden deutschen sozialrechtlichen Verhältnissen. Sonst unterliegen diese Menschen einer Art innerer Pressung, die furchtbar ist.
Ich hatte Gelegenheit, mich mit Hunderten solcher Dienstgruppenangehörigen zu unterhalten. Die sagen Ihnen: ja, ich möchte ja gar nicht in der Dienstgruppe bleiben! Ich habe heute vielleicht
wieder die Möglichkeit, andere Arbeit zu bekommen! Aber ich kann ja gar nicht, denn ich bin sozial minderwertiger als die anderen Arbeiter! Ich habe in den vergangenen 6 Monaten keine Arbeitslosenversicherung gezahlt! Bekomme ich also die erwartete Stellung nicht, liege ich auf der Straße! Ich habe kein Wohnanrecht irgendwo! Ich bin ja absolut minderbewertet gegenüber allen anderen arbeitenden Menschen, ja sogar gegenüber den Arbeitslosen minderbewertet! — Das ist ein Zustand, der keinesfalls länger aufrechterhalten bleiben sollte.
Unbeschadet aller grundsätzlichen Verhandlungen, die Sie, herr Staatssekretär, hier dargestellt haben, möchte ich Sie bitten, in diesen beiden Punkten möglichst schnell Verhandlungen zu führen mit dem Ziel, daß erstens einmal die Dienstgruppen bei den drei Besatzungsmächten gleich organisiert und gleich behandelt werden, und zum zweiten, daß diese deutschen Menschen in vernünftige Arbeitsverhältnisse übergeführt werden, also Tarifvertrag, Urlaubsregelung, Arbeitslosenversicherung und all die Dinge, die dem deutschen Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, auch den deutschen Dienstgruppen zugänglich gemacht werden, so daß sie wieder gleichwertige Menschen im deutschen Raum werden.
Ich glaube, das ist eine einfache Forderung, die außerhalb aller sonstigen Verhandlungen, die mit Wehrbeitrag und Gleichberechtigung zusammenhängen, steht und die wir diesen deutschen Menschen schuldig sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Höfler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! lm Namen meiner Freunde möchte ich unsere Zustimmung erklären zu den Verhandlungstendenzen der Regierung und zu dem Antrag des Ausschusses. Ich möchte auch sagen, daß wir mit den sachlichen Argumenten, die Herr Kollege Erler vorgetragen hat, weithin einverstanden sind. Sozusagen aus Gründen der Menschlichkeit - weil die Regierung ja auch Zeit haben muß zu den Dingen, die sie ausführt — beantrage ich, den Termin vom 29. Februar 1952 auf den 31. März 1952 zu verschieben.
Was haben Sie beantragt?
Daß der Termin vom 29. Februar — in Ziffer 4 des Antrags — auf den 31. März verlegt wird!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich glaube, über diesen soeben gestellten Änderungsantrag betreffs Veränderung des Datums brauche ich wohl nicht abstimmen zu lassen. — Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an, daß dieser veränderte Termin eingesetzt wird.
Es ist dann Abstimmung nach Abschnitten und Ziffern beantragt worden. Ich glaube, wir vereinfachen es uns, wenn wir das tun und nicht erst in eine lange Diskussion darüber eintreten, ob wir es tun sollen oder nicht. Ich rufe also zunächst zur Abstimmung auf die Ziffer 1 des Antrags Drucksache Nr. 3056 und bitte diejenigen, die zustimmen,
die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 2 und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf die Ziffern 3 und 4. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt Il:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Regelung von irregulären Besatzungsschäden (Nrn. 3057, 2709 der Drucksachen; Umdruck Nr. 457).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Deutschen Partei hatte ursprünglich einen etwas anderen Charakter. Er sprach von der Regelung von irregulären Besatzungsschäden, die entstanden sind durch irreguläre Requisitionen in der Zeit bis zum 1. August 1945. Der Auswärtige Ausschuß hat zunächst einen Punkt klargestellt. Er hat sich nicht mit dem Verhältnis zu dem einzelnen Geschädigten befaßt. Durch die Annahme unseres heutigen Antrages sollen also keine Hoffnungen erweckt werden, daß in irgendeiner absehbaren .Zeit nun konkret an das herangegangen wird, was man sonst im bürgerlichen Rechtsleben die Regulierung eines Schadens nennt, das heißt die Zahlung eines Schadensersatzes. Das ist ein völlig anderes Problem; das ist Gegenstand der Beratungen — ernsthafter Beratungen — auch im Lastenausgleichsausschuß. Das steht hier heute nicht zur Debatte. Es handelt sich also nicht um den einzelnen Geschädigten, sondern um die Verluste, die die Substanz des deutschen Volksvermögens überhaupt durch Eingriffe der Besatzungsmacht erlitten hat, und es handelt sich um die Geltendmachung dieser Verluste den Besatzungsmächten gegenüber. Das ist das Thema des jetzt vorliegenden Antrages.
Wichtig ist eine Inangriffnahme der von uns hier gewünschten Arbeiten für die Verhandlungen über die deutschen Auslandsschulden und das Auslandsvermögen. In diesem Sinne war der alte Antrag zu eng. Das Datum hat er ungefähr richtig angesetzt; denn vom 1. August 1945 ab gibt es ein einigermaßen geordnetes Verfahren für die Anmeldungderartiger Schäden, für ihre Feststellung und für ihre Bezahlung, auch wenn die geleisteten Vergütungen nicht immer — häufig sogar nicht! — den tatsächlich erlittenen Schaden voll abdecken. Hier handelt es sich also um die Zeit vor dem 1. August 1945.
Wir haben in den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses bewußt von dieser zeitlichen Grenze abgesehen. Wir wollen, daß zusätzlich zu den Erhebungen, die der Herr Bundesminister der Finanzen nach seinen eigenen Büchern über die Leistungen hat anstellen können, die über den Bundeshaushalt abgewickelt worden sind, einmal die Glezamtheit aller Verluste ermittelt wird, die durch die IIiierten Mächte seit dem Betreten deutschen Bodenstsam deutschen Volksvermögen entstanden
sind. Es handelt sich also um Leistungen jeder Art. Es sind Milliardenwerte, die auf diese Weise in den Block der Verhandlungen um das Problem der Auslandsschulden und Auslandsvermögen mit einbezogen werden müssen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß unser Bericht bestimmte einzelne Punkte erwähnt. Er spricht sowohl von den formgerechten als auch von den irregulären Requisitionen. Er beschränkt sich also nicht auf die irregulären. Er spricht von den Kontributionen, die ja gerade auch in den ersten Tagen und Wochen der Besatzung nicht von dem noch gar nicht existierenden Bund erhoben wurden, sondern von Ländern, Gemeinden, Individuen. Er spricht von den Besatzungsschäden allgemein, die in jener Zeit entstanden sind, von den Entnahmen zu Reparations- und Restitutionszwecken, und zwar auch wenn die betreffenden Gegenstände und Werte im Ausland entnommen worden sind, von den Schäden, die durch Entmilitarisierungsmaßnahmen entstanden sind, und dann schließlich ganz allgemein von anderen Entnahmen, z. B. als Beute.
Im Ausschuß ist ganz offen darüber gesprochen worden, daß gerade die Abgeordneten der französischen Zone über eine sehr reichhaltige Liste derartiger verschiedener Formen der Entnahme verfügen. Wir entsinnen uns noch der Commissions de Récupération, die unter den unwahrscheinlichsten Vorwänden Maschinen und Geräte der verschiedensten Art aus Werken, aus Fabriken, aus Lagern des Deutschen Roten Kreuzes — ein solcher Fall ist mir selber passiert — entnommen und nach Frankreich abgeführt haben. Es ist an der Zeit, daß diese Dinge einmal zahlenmäßig festgehalten werden, wobei allerdings der Ausschuß nicht etwa wünscht, daß nun ein allgemeiner Aufruf an die Bevölkerung ergeht, der ja wieder nur falsche Hoffnungen erwecken könnte. Alle diese Schäden sind längst den Behörden auf der lokalen Stufe bekannt. Die Gemeinden, die Requisitionsämter, die Kriegsschädenämter, zum Teil auch die Landesfinanzverwaltungen, — sie haben das alles längst gesammelt. Es kommt nur darauf an, dieses umfangreiche Material jetzt zu sichten, durchzuarbeiten und für den Gebrauch der Bundesregierung in möglichst handlicher, übersichtlicher Weise zusammenzustellen.
Wir haben die Fassung bewußt so allgemein gewählt, weil — worauf ich noch hinweisen möchte — eine Reihe von Schäden ja zwar vergütet worden sind, aber nur mit einem Bruchteil. Greifen wir einmal das Problem der Demontagen heraus. Da hat doch der Finanzminister bisher nicht einen Pfennig an Entschädigung für die Demontage bezahlt, sondern die Demontagekosten sind vergütet worden, d. h. die Kosten für das Verpackungsmaterial und die Transportkosten, aber nie der Wert der entnommenen oder zerstörten Fabrikanlagen oder Maschinen selbst. All das muß einmal festgestellt werden, damit man die Größenordnung der Werte kennt, die aus der deutschen Vermögenssubstanz herausgezogen worden sind; schon um eine Legende zu zerstören, die sich weithin breit macht und die etwa dahin geht, das deutsche Volk leiste nichts zur Sicherheit und zur Verteidigung der westlichen Welt. Ich glaube, hier ist in den vergangenen Jahren eine Summe von vielen zehn Milliarden aufgebracht worden. Sie kennen allein die eine Schätzung, die auf über dreißig Milliarden hin geht, eine Summe, die sich sehr wohl neben den Militärhaushalten mancher anderer Staaten sehen lassen kann.
Das Begehren des Ausschusses geht nun dahin, daß zunächst die Bundesregierung eine ungefähre Schätzung vornehmen soll, damit für die ja schon angelaufenen Schuldenverhandlungen rasch Material zur Verfügung steht. Dabei kommt es nicht auf Heller und Pfennig an. Aber man muß die Größenordnung kennen. Das ist das Petitum Nr. 1.
Wir wollen es bei dieser Schätzung nicht bewenden lassen. Dann kommt der Antrag - und das ist das Begehren Nr. 2 —, daß in einer gemeinsamen Denkschrift der beteiligten Ministerien unter Hinzuziehung des Materials der lokalen Behörden zusammengefaßt wird, welche Schäden all der Art, wie ich sie Ihnen genannt habe, in der Bundesrepublik entstanden sind, damit das als gründliche, ernste Arbeit künftig in internationalen Verhandlungen verwertet werden kann.
Schließlich haben wir in Punkt 3 den Wunsch ausgesprochen, daß die Bundesregierung mit den alliierten Mächten. Verhandlungen mit dem Ziel führt, daß diese Entnahmen als deutsche Leistungen zugunsten der alliierten Mächte auch tatsächlich anerkannt werden. Es muß festgehalten werden, daß es sich hier nicht nur um einen Verlust handelt, den wir erlitten haben, sondern gleichzeitig, wenn auch durch eine ungute Politik nicht immer in der gleichen Höhe, um einen echten Vermögenszuwachs auf der Seite des Empfängers aller dieser Leistungen.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu dem Änderungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 457. Der Antrag ist gut gemeint. Aber ich glaube, ohne daß im Ausschuß über ihn gesprochen worden ist, sagen zu können, daß ich ihn für überflüssig halte, weil die Formulierung, daß sämtliche seit Betreten deutschen Bodens entstandenen Verluste an deutschem Volksvermögen erfaßt werden sollen, all das deckt, was der Antrag der Föderalistischen Union will, nämlich auch diejenigen Fälle, in denen der tatsächliche Schaden eben größer gewesen ist als die gezahlte Entschädigung. Das ist ja das Begehren der Föderalistischen Union. Wenn wir den tatsächlichen Schaden überhaupt, den Verlust an Vermögenssubstanz ermitteln, können wir doch nicht außerdem noch den Unterschied zwischen der gezahlten Entschädigung und der Vermögenssubstanz festzustellen suchen. Das wäre eine Doppelzählung. Die gezahlte Entschädigung steht hier überhaupt nicht zur Debatte. Eine solche Erhebung würde das Problem wieder auf die falsche Ebene bringen, nämlich auf die Ebene der eventuell noch zu leistenden Nachzahlungen an die Geschädigten. Das ist hier heute nicht zu entscheiden. Hier handelt es sich gewissermaßen um einen Teil der volkswirtschaftlichen Bilanz, die wir aufstellen müssen, über die Gesamtverluste, die das deutsche Volk durch die hier geschilderte Politik der Entnahmen der verschiedensten Art erlitten hat.
Ich bitte Sie daher im Auftrage des Ausschusses, den Formulierungen der Drucksache Nr. 3057 Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem, Herrn Berichterstatter.
An sich war im Ältestenrat vorgesehen, ohne Debatte abzustimmen. Nun liegen Wortmeldungen vor. Es liegt vor allen Dingen ein Änderungsantrag vor. Ich denke, es ist zweckmäßig, dem Vertreter der antragstellenden Fraktion das Wort zur Begründung zu geben. — Herr Abgeordneter Etzel, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir möchten durch unseren Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 457 die rasche Verabschiedung der in dem Mündlichen Bericht des 7. . Ausschusses gestellten Anträge, die wir sehr begrüßen, nicht fühlbar verzögern. Wenn sich auch die Absicht des Ausschußberichts auf die Feststellung der unmittelbaren Verluste und Einbußen des deutschen Volksvermögens durch Requisitionen, durch Entnahmen zu Reparations- und Restitutionszwecken, durch Entmilitarisierungsmaßnahmen und andere Entnahmen beschränkt, so erscheint es doch zweckmäßig, auch die Schäden zu ermitteln und bekanntzugeben, die Deutschen durch die nicht ausreichende Abgeltung von Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden, insbesondere auch durch das alliierte Gesetz Nr. 47, in der Bundesrepublik und in West-Berlin entstanden sind und voraussichtlich entstehen.
Scheinbar handelt es sich hier zwar nur um Verschiebungen innerhalb des deutschen Volksvermögens, sozusagen um die Herübernahme von der linken in die rechte Westentasche, weil durch die Vorenthaltung der angemessenen Abgeltung von Besatzungsleistungen und der angemessenen Ersetzung von Besatzungsschäden der Besatzungskostenetatentlastet wird. Eine solche Betrachtungsweise übersieht aber, daß durch diese auf einen Teil der Bevölkerung gelegte drückende und ungerechte Sonderleistung und Sonderlast, weil sie nicht im Besatzungskostenetat auftritt, die Höhe der aus dem deutschen Volksvermögen an die Besatzer gelangten Werte erheblich geringer erscheint. Diese für die Endbereinigung und Schlußabrechnung gegenüber den Besatzern durchaus nicht gleichgültige falsche Optik zu korrigieren, ist das Ziel unseres Änderungsantrages, um dessen Annahme wir das Hohe Haus bitten.
Ich darf noch klarstellen, daß sich Buchstabe a unseres Änderungsantrages mit der Ziffer 2 des Mündlichen Berichts in etwas anderer redaktioneller Fassung durchaus deckt. Die sachliche Erweiterung ist in dem Buchstaben b unseres Änderungsantrags enthalten.
Herr Abgeordneter Erler!
Ich spreche jetzt nicht als Berichterstatter, sondern als Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion. Ich bitte Sie, wenn Sie vorhin dem Bericht zugehört haben, den Änderungsantrag abzulehnen. Ich glaube, ich kann mir jeden weiteren Kommentar ersparen. Der Änderungsantrag ist systemwidrig, er paßt gar nicht in das hinein, was der Auswärtige Ausschuß gewollt hat. — Ich sehe aus Ihrem Kopfnicken, daß Sie es verstanden haben. Nur um einer Gefahr vorzubeugen, habe ich ich mich vorsichtshalber gemeldet.
Nun liegen wirklich keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Änderungsantrag. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 457 zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3057 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe nun auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vertrag über das Kehler Hafenabkommen (Nrn. 3058, 2727 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Kopf. — Für die Aussprache ist eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen.
— Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten beauftragt, das Kehler Hafenabkommen zu prüfen und über das Ergebnis seiner Prüfung dem Plenum einen Bericht zu erstatten. Der Ausschuß hat sich dieser Aufgabe unterzogen.
Stadt und Hafen Kehl sind im Jahre 1945 nach der Besetzung einem Sonderregime unterstellt worden. Im Jahre 1946 sind Stadt und Hafen Kehl verwaltungsmäßig dem Departement Bas-Rhin eingegliedert und der Hafen von Kehl ist einer Sequesterverwaltung in Straßburg unterstellt worden. Das Washingtoner Abkommen vom 6./8. April 1949 hat vorgesehen, daß die Stadt Kehl schrittweise geräumt werden und wieder in deutsche Verwaltung übergehen .soll. Es ist ferner im Washingtoner Abkommen vorgesehen worden, daß für den Hafen Kehl eine gemeinsame Hafenverwaltung eingerichtet werden soll.
Im Jahre 1949 haben die Verhandlungen der badischen Landesregierung mit dem autonomen Hafen von Straßburg mit dem Ziel begonnen, eine Regelung der Verhältnisse des Kehler Hafens herbeizuführen. Diese Verhandlungen haben am 25. Juni. 1951 zur Paraphierung eines Abkommens geführt. Am 28. Juli 1951 hat das Hohe Kommissariat der französischen Regierung dem Staatspräsidenten von Baden die Mitteilung gemacht, daß, sobald das Kehler Hafenabkommen unterzeichnet ist, der Hohe Kommissar die notwendigen Maßnahmen zur Räumung des Kehler Hafens treffen werde. Am 17. Oktober 1951 hat die Bundesregierung die nach Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes erforderliche Zustimmung zum Abschluß des Kehler Hafenabkommens erteilt. Am 19. Oktober 1951 ist in Straßburg dieses Abkommen, abgeschlossen zwischen der autonomen Hafenverwaltung von Straßburg und dem Lande Baden, unterzeichnet worden. Vor der Unterzeichnung dieses. Abkommens ist ein Notenaustausch erfolgt. In diesem Briefwechsel der beiden Vertragskontrahenten ist vorgesehen worden, daß die ursprünglich in Aussicht genommenen Räumungstermine neu festgesetzt werden. Der Kehler Hafen sollte am 1. Januar dieses Jahres geräumt und einige Unternehmen sollten am 29. Februar dieses Jahres — somit in einigen Tagen — endgültig von der Besatzungsmacht freigegeben werden. Es ist ferner vorgesehen worden — eine sehr wichtige neue Regelung dieses Notenaustauschs —, daß der Stichentscheid des französischen Präsidenten des Verwaltungsrats sich nur auf die Fragen des Transitverkehrs und nicht auf die des Binnenverkehrs beziehen darf.
Das Vertragswerk selbst besteht aus drei Dokumenten: aus dem eigentlichen Abkommen, aus einer Satzung der nach dem Abkommen gegründeten Hafenverwaltung, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, und einem Pachtvertrag, in dem das Land Baden die ihm gehörigen Grundstücke, die ungefähr ein Viertel des Hafengeländes ausmachen, dieser zu gründenden Hafengesellschaft verpachtet.
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat zunächst die Rechtsfragen geprüft. Er hat sich dabei entschlossen, diejenigen Fragen aus seiner rechtlichen Beurteilung auszuscheiden, die innerbadisches Landesrecht betreffen. Er hat daher nicht die Frage geprüft, welche Voraussetzungen nach dem badischen- Landesrecht erforderlich sind, um einen wirksamen Abschluß dieses Vertrags herbeizuführen, ob insbesondere nach der badischen Verfassung eine Anhörung der Gemeinde Kehl vor dem Abschluß des Abkommens zu erfolgen hatte und ob sie, tatsächlich erfolgt ist — sie ist erfolgt —, und auch nicht, ob eine Genehmigung des Vertrags durch den badischen Landtag erfolgt ist. Eine Unterrichtung des Landtags durch Übersendung des Abkommens durch die badische Regierung ist erfolgt. Diese Fragen waren jedoch durch den Ausschuß nicht der Prüfung zu unterziehen, weil Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes lediglich davon spricht, daß, insoweit die Länder vertragsberechtigt sind, die Bundesregierung die Zustimmung zu dem abzuschließenden Vertrag, keineswegs aber die Genehmigung des bereits abgeschlossenen Vertrags zu erteilen hat.
Es konnte daher nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, bei der Erteilung der Zustimmung zu dem erst abzuschließenden Vertrag die innerbadischen landesrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen, sondern die Genehmigung erfolgte naturlich mit der Maßgabe, daß das Land in der nach seiner Verfassung vorgeschriebenen Form diesen Vertrag nun zu einem gültigen Vertrag macht.
Der Ausschuß hat sich daher auf die andere Rechtsfrage beschränkt, nämlich ob es sich um ein Abkommen im Sinne des Art. 59 des Grundgesetzes handelt, das der Mitwirkung der zur Bundesgesetzgebung berufenen Organe bedarf. Ein solcher Vertrag läge dann vor, wenn er mit einer auswärtigen Macht abgeschlossen wäre und wenn es sich hierbei um Gegenstände der Bundesgesetzgebung oder politische Beziehungen des Bundes handelte. Das Kehler Abkommen ist nicht mit einer auswärtigen Macht, es ist mit dem autonomen Hafen von Straßburg abgeschlossen, der allerdings, wie aus dem Abkommen hervorgeht, als zum Abschluß dieses Abkommens ermächtigt bezeichnet wird. Weil der autonome Hafen von Straßburg als ermächtigt bezeichnet wird, hat der Auswärtige Ausschuß angenommen, daß weder die Anwendung des Art. 32 noch die Anwendung des Art. 59 durch diesen Umstand ausgeschlossen wird.
In dem Vertrag werden nicht berührt Gegenstände der Bundesgesetzgebung, sondern ausschließlich Gegenstände, die zur Landesgesetzgebung oder wahrscheinlich sogar nur zur Landesverwaltung gehören, nämlich die Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Erhebung von Hafenbenutzungsgebühren und die Verwaltung des Hafens selbst. Hafenverwaltung ist Landessache im Gegensatz zur Stromverwaltung, die Bundessache ist. Es steht daher fest, daß der
Vertrag auf keinen Fall Gegenstände der Bundesgesetzgebung betrifft.
Die weiter zu prüfende Frage war die, ob der Vertrag politische Beziehungen regelt, und zwar politische Beziehungen des Bundes. Solche politischen Beziehungen des Bundes wären zweifellos dann tangiert, wenn durch das Kehler Hafenabkommen Gebietsteile, die in den letzten Jahren unter französischer Hoheit standen, nunmehr in die Hoheit der Bundesrepublik zurückkehren würden. Das Hafenabkommen selbst enthält jedoch hierüber keine Bestimmungen. Es regelt lediglich die Errichtung einer Hafenverwaltung als Körperschaft des öffentlichen Rechts und die Verpachtung der landeseigenen Grundstücke an diese Körperschaft des öffentlichen Rechts. Lediglich die Note des französischen Hohen Kommissariats vom 28. Juli 1951 an den badischen Staatspräsidenten teilt mit, daß das Gebiet des Hafens von Kehl in deutsche Verwaltung zurückgegeben wird, sobald das Abkommen abgeschlossen ist. Hierbei handelt es sich um einen einseitigen Akt der Besatzungsmacht, der sich, wie . man wohl annehmen kann, im Rahmen des Besatzungsrechts vollzieht.
Trotzdem war jedoch der Ausschuß in seiner Mehrheit, und zwar mit einer Mehrheit von acht Stimmen, die einer Minderheit von sieben Stimmen gegenüberstand, der ,Auffassung, daß durch das Kehler Hafenabkommen politische Beziehungen des Bundes berührt werden. Die Mehrheit des Ausschusses nahm diese Voraussetzungen deshalb als gegeben an, weil ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Räumung des Hafens von Kehl und der Rückgabe des Gebiets des Hafens in deutsche Hoheit einerseits und der Errichtung einer gemeinschaftlichen Hafenverwaltung andererseits bestand; fernerhin deshalb, weil durch die Errichtung einer derartigen gemischten Hafenverwaltung ein Einfluß französischer Stellen auf die künftige Gestaltung der Hafenverwaltung sichergestellt werden soll. Aus diesem Grund hat der Ausschuß in seiner Mehrheit die ihm gestellte Rechtsfrage, ob der Vertrag nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes der Mitwirkung der zur Bundesgesetzgebung berufenen Organe bedarf, bejaht.
Die zweite Frage, deren Prüfung dem Ausschuß oblag, war die politische Beurteilung des Kehler Hafenabkommens. Der Ausschuß hat, um sich ein unmittelbares Bild über die Verhältnisse zu verschaffen, eine Reihe von Auskunftspersonen angehört: den Herrn Bürgermeister der Stadt Kehl, eine Reihe von Gemeinderäten dieser Stadt, den langjährigen Hafendirektor der Stadt Kehl, den Landeskommissar für die Wiederbesiedlung der Stadt Kehl und eine maßgebliche Persönlichkeit des Reedereiverbands. Seitens des Herrn Bürgermeisters der Stadt Kehl sind gegen den Abschluß des Vertrags in der Hauptsache zwei Gesichtspunkte geltend gemacht worden: einmal würde durch das Kehler Hafenabkommen die städtische Grundstückspolitik von Kehl beschränkt und ungünstig beeinflußt werden, und zweitens, es würde die künftige Entwicklung der Industrialisierung der Stadt Kehl gleichfalls nachteilig beeinflußt werden. Der Ausschuß konnte sich diesen beiden Bedenken nicht anschließen. Drei Viertel des Geländes des Hafens von Kehl bleiben nach wie vor in privatem Besitz und werden nicht an die Hafengesellschaft verpachtet. Es besteht sehr wohl die Möglichkeit, daß die dort früher vorhandenen Industrieunternehmen wieder ihre Tätigkeit aufnehmen und daß neue Industrieunternehmen dort angesiedelt werden. Auch von französischer Seite sind Bedenken hiergegen nicht zu erwarten. Auf der anderen Seite ist es keineswegs richtig, daß durch den Vertrag ein Monopol der Hafenverwaltung für den künftigen Geländeerwerb begründet worden ist. Das Land Baden soll lediglich das für den Hafenumschlagbetrieb notwendige Gelände und nicht mehr einbringen. Die Hafenverwaltung ist auch keineswegs berechtigt zur Weiterveräußerung staatlichen Grundbesitzes an Private, sondern wenn ein derartiger Verkauf stattfindet, erfolgt er durch den Staat, allerdings mit Zustimmung der Hafenverwaltung.
Ein anderes wesentliches Bedenken, das gegen den Vertrag geäußert worden ist, ist gleichfalls entkräftet worden, nämlich die Befürchtung, der Stichentscheid des Präsidenten des Verwaltungsrats in Fragen, die die Grundsätze und den Geist des Abkommens berühren, könnte die künftigen deutschen Interessen bei der gemeinsamen Hafenverwaltung gefährden. Dieses Bedenken ist meines Erachtens ausgeräumt worden durch den Notenwechsel, der bei der Unterzeichnung des Abkommens stattgefunden hat und durch den festgelegt worden ist, daß der Stichentscheid des Präsidenten sich nur auf den Transitverkehr bezieht und nicht auf den Binnenverkehr. Von den Schiffahrtssachverständigen ist aber dargelegt worden, daß der Transitverkehr nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen wird, weil er durch die Entwicklung der letzten Jahre und insbesondere durch die. Umleitung der Rheinschiffahrt in andere Kanäle bereits abgelenkt worden ist.
Auf der andern Seite hat die Mehrheit der befragten Auskunftspersonen erklärt, daß sie gegen die Zustimmung zum Kehler Hafenabkommen keine Bedenken haben und daß ihnen dieses Hafenabkommen zwei sehr wesentliche Vorteile zu bieten scheint: einmal die baldige Wiederinbetriebnahme des Hafens selber. Es ist von sachverständiger Seite darauf hingewiesen worden, daß die Gefahr einer Verrottung der Umschlagseinrichtungen bestehe, wenn das Inkrafttreten des Hafenabkommens und die Inbetriebnahme des Hafens sich verzögern sollten. Es ist darauf hingewiesen worden, daß seitens der deutschen Schiffahrt nicht der Wunsch bestehe, bei einer Fortdauer des jetzigen französischen Verwaltungsregimes den Hafen Kehl zu benutzen.
Der zweite sehr wesentliche Vorteil, der inzwischen bereits Tatsache geworden ist, besteht darin, daß im Zusammenhang mit dem Abschluß des Kehler Hafenabkommens der Hafen Kehl geräumt und wiederum in deutsche Hoheit übernommen worden ist. Durch eine Verzögerung der Unterzeichnung wäre diese Rückübernahme des Hafens Kehl in die deutsche Hoheit ebenfalls verzögert worden. Dies sind die beiden Gründe, die nach der Auffassung der befragten Personen die Unterzeichnung des Hafenabkommens als politisch erwünscht erscheinen ließen.
Die Mehrheit des Ausschusses hat sich daher der Auffassung angeschlossen, daß der Abschluß des Kehler Hafenabkommens nach der politischen Seite hin zu Bedenken keinen Anlaß gibt. Der Auftrag, der dem Ausschuß durch den Bundestag zuteil geworden war, erschöpfte sich darin, das Kehler Hafenabkommen zu prüfen und dem Plenum einen Bericht zu erstatten. Durch die Erstattung dieses Berichts an das Plenum ist die dem Ausschuß erteilte Aufgabe erfüllt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Maier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat am 24. Oktober vorigen Jahres nach einer lebhaften politischen und staatsrechtlichen Debatte einen Antrag meiner Fraktion Drucksache Nr. 2727 mit großer Mehrheit angenommen. In diesem Antrag war verlangt, daß der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten das Kehler Hafenabkommen in bezug auf sein verfassungsmäßiges Zustandekommen überprüfen und dem Plenum über das Ergebnis seiner Prüfung alsbald Bericht erstatten sollte. In der Aussprache über den SPD-Antrag hat mein Parteifreund Carlo Schmid die Klage meiner Fraktion beim Bundesverfassungsgericht für den Fall angekündigt, daß der Auswärtige Ausschuß entgegen der Auffassung der Opposition das Verfahren bei Abschluß des Vertrages über das Kehler Hafenabkommen und die dabei von der Bundesregierung eingenommene Haltung gutheißen sollte.
Nach Auffassung meiner Fraktion hatte der Ausschuß zu folgenden Fragen eine Feststellung zu treffen: erstens, ob die badische Regierung bei dem von ihr getätigten Vertragsabschluß badischem Landesrecht im Sinne von Art. 28 des Grundgesetzes entsprochen habe; zweitens, ob das Auswärtige Amt verpflichtet gewesen sei, vor seiner Zustimmung die Rechtslage im Hinblick auf diese Bestimmung zu prüfen; drittens, ob der Vertrag nach den Bestimmungen des Art. 59 des Grundgesetzes der Beschlußfassung von Bundesrat und Bundestag unterliege, und viertens, ob hinsichtlich des Vertragsinhalts seitens des Ausschusses politische Bedenken gegen die gemäß Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes erteilte Zustimmung der Bundesregierung zu dem Vertragsabschluß durch das Land Baden geltend gemacht werden müßten.
Nach dem vom Herrn Berichterstatter vorgetragenen Ergebnis dieser Prüfung, das zum Teil in dem Mündlichen Bericht Drucksache Nr. 3058 seinen Niederschlag findet, hat die Ausschußmehrheit eine Kompetenz hinsichtlich der Entscheidung. der ersten beiden Punkte verneint. Bei der Frage 3 hingegen kommt der Ausschuß zu der Feststellung, daß der Vertrag über das Kehler Hafenabkommen nach den Bestimmungen des Art. 59 des Grundgesetzes der Beschlußfassung von Bundestag und Bundesrat unterliege — demnach also in verfassungsverletzender Weise zustande gekommen ist —, zieht aber daraus keinerlei Konsequenzen für die Gültigkeit des Vertrags. Es wird im Gegenteil zur Frage 4 festgestellt, daß weder gegen den Vertragsinhalt, noch gegen die gemäß Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes erteilte Zustimmung der Bundesregierung zum Abschluß des Vertrags durch die Regierung des Landes Baden irgendwelche Bedenken bestünden.
Meine Fraktion ist von dem Ergebnis der Prüfung des Auswärtigen Ausschusses nicht befriedigt und hält an ihrem bei der Besprechung der in der 170. Sitzung des Bundestags behandelten Interpellation vertretenen Rechtsstandpunkt fest. Danach war das Land Baden zum Abschluß des Kehler Hafenvertrags nicht zuständig. Auf eine Anfrage im badischen Landtag leitete die badische Landesregierung in einer Erklärung des Herrn Staatspräsidenten Wohleb ihre Zuständigkeit zum
Abschluß des Kehler Hafenvertrags aus Art. 77 der badischen Verfassung in Verbindung mit Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes ab. Nach Art. 77 der badischen Verfassung obliegt der Landesregierung die Leitung der gesamten Staatsverwaltung, der Vollzug der Gesetze und der Landtagsbeschlüsse sowie die Vertretung des Staates. Nach Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes sind die Länder, soweit sie für die Gesetzgebung zuständig sind, zum Abschluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten ermächtigt, bedürfen dabei jedoch der Zustimmung der Bundesregierung.
Die angezogene Vorschrift der badischen Verfassung betrifft jedoch nicht die Zuständigkeit der badischen Regierung zum Abschluß von Staatsverträgen, da diese Frage in Art. 99 der badischen Verfassung als lex specialis für diese Materie besonders geregelt ist. Nach diesem Art. 99 kann die Landesregierung zwar in Angelegenheiten, deren Regelung der Landesgesetzgebung zusteht, mit anderen deutschen Ländern oder mit auswärtigen Staaten Verträge schließen, diese Verträge bedürfen aber nach der badischen Verfassung der Zustimmung des Landtages. Ganz gleich, ob für die Vertretungsbefugnis der Landesregierung nun der Art. 77 oder der Art. 99 der badischen Verfassung die rechtliche Grundlage bildet, so regeln die Vorschriften doch nur die Vertretungsbefugnis des Organs in Fällen der Zuständigkeit des Landes zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge.
Ob nach der Materie des Vertrages das Land Baden oder aber der Bund allein abschlußberechtigt ist, richtet sich nicht nach Bestimmungen der badischen Verfassung, sondern nur .nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes. Nach Art. 32 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes. Nur in Ausnahmefällen steht nach Art. 32 Abs. 3 den Ländern eine Zuständigkeit zu unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Bundesregierung. Nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ist die Regel extensiv, die Ausnahme restriktiv zu interpretieren. Im Zweifel ist demnach der Bund zuständig. Eine Zuständigkeit eines Landes zum Vertragsabschluß mit einem auswärtigen Staat ist auch nur dann gegeben, wenn es sich um Gegenstände der Landesgesetzgebung handelt. Der Kehler Vertrag greift aber in den dem Bund vorbehaltenen Zuständigkeitsbereich ein. Das ergibt sich auch aus der Präambel, die mit aller Deutlichkeit zeigt, daß der Vertrag die Regelung einer politischen Streitfrage vorsieht, die seit langem in den deutsch-französischen Beziehungen eine Rolle spielt.
Für wie bedeutsam die Republik Frankreich die Frage hielt, wird schon daraus deutlich, daß sie die Kehler Frage zum Gegenstand mehrerer Konferenzen der Besatzungsmächte auf höchster Ebene gemacht hat. Die Washingtoner Außenministerkonferenz war sich der hochpolitischen Bedeutung der Kehler Hafenangelegenheit bewußt und hat deshalb beschlossen, daß die französischen Behörden die Regierungsgewalt im Hafen von Kehl so lange ausüben sollten, bis eine deutsche Bundesregierung gebildet sei, die die Verhandlungen zwischen deutschen und französischen Behörden über eine gemeinsame Hafenbehörde abschließen könne. Es ist nicht angängig, in dieser Frage enger zu denken als die Besatzungsmächte selbst. Ein Vertrag dieser Art gehört also zur ausschließlichen Kompetenz der Bundesorgane.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Aufsatz des Leiters der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes Professor Mosier über das Thema
„Die völkerrechtliche Wirkung bundesstaatlicher Verfassungen" in der Festschrift für Richard Thoma vom Jahre 1950 hinweisen, aus dein ich einen Satz zitieren darf: „Wenn die Kompetenzverteilung klar und das Handeln ultra vires im konkreten Fall eindeutig ist, wird man den Vertrag als ungültig halten müssen".
Meine Fraktion ist aus diesen und den in dem früher zitierten Gutachten von Professor Forsthoff aufgeführten Gründen der Auffassung, daß durch das Zustandekommen des Vertrages die Rechte des Bundestages verletzt, der Vertrag also verfassungswidrig und daher nichtig ist.
Lassen Sie mich im Anschluß an diese Ausführungen über die Rechtsfragen noch einige allgemeine Bemerkungen zum gegenwärtigen Status in der Angelegenheit der Übernahme des Kehler Hafens machen. Sie erinnern sich noch der optimistischen Äußerungen, die an die sogenannte Freigabe des Kehler Hafens geknüpft wurden. Wie sich die Lage nach Inkrafttreten des Vertrages gestaltet hat, darüber geben kritische Feststellungen Aufschluß, die in der Kehler Zeitung vom 5. Januar dieses Jahres einer der hervorragendsten Vertreter des Kehler Stadtrats, Herr Friedrich Beinert, der auch dem Auswärtigen Ausschuß Bericht erstattet hatte, getroffen hat, sowie eine Veröffentlichung der Badischen Zeitung vom 24. Januar unter der Überschrift „Kehler Hafenvertrag nur für Zivil". In den beiden Verlautbarungen kommt eine starke Enttäuschung darüber zum Ausdruck, daß sich die französische Militärverwaltung nicht an das Kehler Hafenabkommen gebunden fühle und von den 15 unzerstört gebliebenen oder wenigstens noch betriebsfähigen Anwesen nur 7 zurückgegeben habe, während 8 weitere beschlagnahmt blieben.
Wie bei der Freimachung der Stadt Kehl blieben auch bei der Übergabe des Hafens die Realitäten weit hinter den Versprechungen vor Abschluß des Vertrages zurück. Was frei wurde, ist meist zerstört, klagt Herr Beinert in seinem Artikel, und stellt resigniert fest: Die Freimachung des Kehler Hafens, von der Uneingeweihte in höchsten Lobes-tönen sprechen, sieht in der Wirklichkeit ein bißchen anders aus. Uns hatte die seinerzeitige Geschäftigkeit der badischen Regierung bei den Vertragsverhandlungen schon skeptisch gemacht, und die Oberflächlichkeit der Behandlung der Frage durch das Auswärtige Amt, die aus den Ausführungen von Herrn Professor Hallstein bei der Beratung unserer Interpellation am 24. Oktober sprach, hatte uns stark beunruhigt.
Wie schon festgestellt wurde, konnte uns auch das Ergebnis der Prüfung des Abkommens durch den Auswärtigen Ausschuß nicht befriedigen. Meine Fraktion ist deshalb entschlossen, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um in der Zukunft Schäden, wie sie durch das verfassungswidrige Verhalten der Landesregierung und der verantwortlichen Organe der Bundesregierung den deutschen Interessen zugefügt wurden, zu verhindern.
— Unverschämtheit.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir werden uns doch gegenseitig konzedieren, daß wir hier das vortragen, was unsere Meinung ist.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.
— Ich bitte um Entschuldigung.
— Herr Abgeordneter Niebergall hat sich zuerst gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können dem Bericht des Ausschusses für 'das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten nicht zustimmen; denn der Ausschuß stellt ausdrücklich in seinem Bericht fest, hinsichtlich des Inhalts des Vertrags habe er keine politischen Bedenken gegen die gemäß Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes erteilte Zustimmung der Bundesregierung zu dem Abschluß des Vertrags durch die Regierung des Landes Baden. Dieser Absatz trifft den Kern der Kehler Frage. Wir stellen noch einmal fest: Das Kehler Abkommen wurde ohne Befragung des badischen Volkes abgeschlossen. Das Kehler Abkommen ist und bleibt eine Preisgabe deutscher Rechte und dient nicht den Interessen des deutschen Volkes, auch nicht den Interessen des französischen Volkes, sondern einer ganz kleinen Gruppe von Interessenten. Die Folgen aber dieses Abkommens muß das deutsche Volk, müssen die deutschen Steuerzahler bezahlen. Vor mir liegt das Abkommen. Ich könnte es in allen seinen Paragraphen zitieren, wo der deutsche Steuerzahler angesprochen wird, aber den Interessenten die Gewinne zugesteckt werden. Wir wenden uns deshalb gegen dieses Abkommen, und wir sind der Meinung, daß alle einschneidenden Maßnahmen, die in Kehl gegen die Bevölkerung getroffen wurden, sofort aufgehoben werden müssen. Außerdem sind wir der Meinung, daß der Kehler Bevölkerung endlich auch finanziell geholfen werden muß, damit der erlittene Schaden wieder gutgemacht wird.
Das Wort hat Abgeordneter Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich als Mitglied dieses Hohen Hauses und als Mitglied meiner Fraktion auf die Ausführungen meines verehrten Herrn Kollegen Maier einige Worte erwidere. Ich teile nicht die Auffassung der Mehrheit des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten, daß es sich bei dem Kehler Hafenabkommen um einen Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 3 des Grundgesetzes handelt, der politische Beziehungen des Bundes regelt. Ich glaube vielmehr, daß überhaupt nur zwei andere rechtliche Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen sind. Die eine Möglichkeit ist die, daß der Vertrag überhaupt gar kein Vertrag ist, der Gegenstände der Gesetzgebung regelt, sondern nur .Gegenstände der Verwaltung, und zwar der Landesverwaltung. Ich habe bereits vorhin in meinem Bericht darauf hingewiesen, daß die drei wesentlichen Gegenstände, die eine Regelung durch den Vertrag erfahren haben, folgende sind: 1. die Schaffung einer gemeinsamen Hafenverwaltung durch Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, 2. die Ausübung dieser Hafenverwaltung als Ausübung eines Landesrechts und 3. auch die Festsetzung von
Hafengebühren. Es handelt sich bei der Ausübung all dieser Funktionen gar nicht um Gegenstände der Gesetzgebung, sondern um Gegenstände der Landesverwaltung.
Das war der Grund dafür, daß die badische Landesregierung diesen Vertrag fürsorglich dem Auswärtigen Amt vorgelegt hat, dies war der Grund dafür, daß die badische Landesregierung sich auf den Art. 77 der badischen Verfassung berufen hat, wonach der Abschluß von Verwaltungsabkommen im Gegensatz zu dem Abschluß von Verträgen, die Gegenstände der Landesgesetzgebung berühren, durch die Landesregierung zu erfolgen hat. Sollte man aber dieser Auffassung nicht Folge leisten, dann dürfte wohl doch immerhin die Möglichkeit bestehen, der Auffassung zu folgen, die seitens des Auswärtigen Amtes vertreten worden ist. Das Auswärtige Amt hat angenommen, daß dieser Vertrag die Voraussetzungen des Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes erfülle, weil es sich um Gegenstände der Landesgesetzgebung handele. Politische Beziehungen des Bundes werden in der Tat nicht berührt. Die Räumungszusage erfolgte durch den Hohen Kommissar außerhalb des Vertragswerks. Sie ist nicht durch die französische Regierung erfolgt, sondern eben durch den Hohen Kommissar, woraus hervorgeht, daß es sich hierbei um einen einseitigen Akt der Besatzungsmacht handelt, durch die der ebenso einseitige Akt der Verwaltungsübernahme des Kehler Hafengebiets wiederum aufgehoben worden ist, und zwar ganz außerhalb des Vertragswerks.
Ich bin daher der Meinung, man kann nicht davon sprechen, daß Gegenstände der Bundesgesetzgebung in irgendeiner Weise hier tangiert werden. Es sind Gegenstände der Landesgesetzgebung, und dies ist der Grund dafür, daß das Auswärtige Amt, nachdem es die Voraussetzungen des Art. 32 als gegeben angesehen hat, die Zustimmung zum Abschluß dieses Vertrags erteilt hat.
Ich verkenne nicht, daß der Vertrag keine restlose Befriedigung hinterläßt. Der Vertrag hat einen zwiespaltigen Charakter. Es würde dem Sinn der europäischen Zusammenarbeit zweifellos besser entsprochen haben, wenn aus Anlaß der Regulierung der Kehler Verhältnisse die beiden Häfen Kehl und Straßburg zu einer paritätischen und gleichberechtigten Verwaltungseinheit zusammengefügt worden wären. Dies hat sich nicht erreichen lassen. Daß es sich nicht hat erreichen lassen, ist eine Folge der allgemeinen politischen Verhältnisse. Aber diese Unvollkommenheit des Vertrages in rechtlicher und vielleicht in politischer Hinsicht darf uns nicht die Augen davor verschließen, daß der Vertrag in der Tat zwei Ziele erreicht hat, die wertvolle und gewichtige Ziele sind und bleiben werden, nämlich die Wiederinbetriebnahme eines Hafens, der für den deutschen Rheinverkehr wichtig ist, -und die Räumung des Hafens Kehl.
Allerdings werden diese Vorteile nur dann voll zur Auswirkung kommen können, wenn das Ge- biet der Stadt Kehl und des Hafens Kehl auch seitens der Bundesrepublik die finanzielle Unterstützung erfahren werden, die sie verdienen. Es ist erfreulich, daß die Bundesstellen zunächst durch Erklärungen hier im Plenum und dann im Haushaltsausschuß und neuerdings durch einen gemeinsamen Besuch der verschiedenen Ministerien in der Stadt Kehl ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Ausdruck gebracht haben, der Stadt Kehl und dem Hafen Kehl, die Jahre hindurch aus dem deutschen Hoheitsgebiet ausgeschieden waren und am 1. Januar nunmehr wieder in das deutsche Hoheitsgebiet zurückgekehrt sind, auch tatkräftig durch Zurverfügungstellung von Mitteln zu helfen.
Es bleibt bedauerlich, daß die Räumung des Hafenquartiers nicht in dem vollen Umfange erfolgt ist, wie es durch das Abkommen vorgesehen war. Es ist aber dabei zu berücksichtigen, daß nach dem Hafenabkommen selbst die Räumung eines Teiles der Betriebe erst am 29. Februar dieses Jahres, also in einigen Tagen, erfolgen soll.
Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß die Lage bezüglich derjenigen Gebäude, die beschlagnahmt geblieben sind, sich nicht unterscheidet von der rechtlichen Lage unzähliger anderer Gebäude, die im Raume der gesamten Bundesrepublik in allen drei Zonen auch heute noch von der Besatzungsmacht beschlagnahmt sind. Es kann die Hoffnung ausgesprochen werden, daß die Freimachung auch dieser Gebäude in einer möglichst kurzen Zeit erfolgt.
Vergessen wir also nicht, wenn wir auf der einen Seite die Unvollkommenheit des Vertragswerkes in mancher Hinsicht bedauern — und wir müssen sie bedauern —, daß auf der anderen Seite dieses Vertragswerk uns, d. h. sowohl das Land Baden als auch die Bundesrepublik, einem anderen Ziele nähergeführt hat, nämlich unsere uneingeschränkte Hoheit auch über das Gebiet der Stadt und des Hafens Kehl wiederzuerwerben.
Meine Damen und Herren; jetzt liegen aber keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Besprechung.
Der Auswärtige Ausschuß hatte den Auftrag, dem Bundestag über das Ergebnis seiner Prüfung zu berichten. Das ist durch die Drucksache Nr. 3058 und durch die Berichterstattung geschehen. Anträge sind dazu nicht gestellt worden. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Durchsuchung deutscher Wohnungen durch Angehörige der in Deutschland stationierten westalliierten Armeen (Nrn. 3059, 2874 der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Erler. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Deutschen Partei geht auf ein Vorkommnis in der britischen Besatzungszone zurück. Dort hatten seinerzeit britische Streitkräfte, unterstützt von britischer Militärpolizei und in der Anwesenheit von deutscher Polizei, eine Reihe von Wohnungen deutscher Staatsangehöriger auf einem Truppenübungsplatz durchsucht. Anläßlich dieser Durchsuchung ist die Rechtsfrage aufgetaucht, wieweit diese Durchsuchung rechtmäßig war.
Im Auswärtigen Ausschuß hat man sich eingehend mit dem Antrag der Deutschen Partei befaßt und ist zu dem Entschluß gekommen, dem Hause zu empfehlen, diesen Antrag der Bundesregierung als Material zu überweisen. Der Auswärtige Ausschuß hat keine Stellung dazu nehmen können, ob das Vorgehen der Besatzungsmacht unter dem Besatzungsstatut noch rechtmäßig war.
Darüber sind begründete Zweifel vorhanden. Aber nach dem Ergebnis der Ermittlungen scheint im wesentlichen die Haussuchung im Einvernehmen mit den Beteiligten vorgenommen worden und außerdem auch von den zuständigen polizeilichen Organen der Besatzungsmacht angeordnet gegewesen zu sein. Damit würde die Rechtswidrigkeit des Vorgehens unter dem Besatzungsstatut entfallen.
Der Auswärtige Ausschuß legt aber Wert darauf, daß bei den Verhandlungen um die Ablösung des Besatzungsstatuts klargestellt wird, daß ein derartiges einseitiges Eingreifen der Besatzungsmacht in die individuelle Rechtssphäre deutscher Staatsbürger nicht mehr zulässig ist: Daher möchten wir diesen Antrag der Bundesregierung überweisen, damit sie, durch dieses Beispiel angeregt, bei den kommenden Verhandlungen an die Regelung dieser Materie denkt. Das ist der Sinn des Beschlusses. Ich bitte, dem Antrage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache Nr. 3059. Ich bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe als letzten Punkt der Tagesordnung Punkt 14 auf:
Beratung des interfraktionellen Antrages betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Der Umdruck liegt Ihnen vor. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Händ zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die 196. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 28. Februar 1952, 13 Uhr 30, ein und schließe die 195. Sitzung.