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    Deutscher Bundestag — 195. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1952 8369 195. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 8370D Autounfall des Abg. Bazille 8370D Mandatsniederlegung des unter dem Namen Dr. Franz Richter gewählten Abgeordneten Fritz Rössler 8370D Änderungen der Tagesordnung 8370D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall Kemritz (Nr. 2531 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8370D Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Nr. 3068 der Drucksachen) 8371A Ausschußüberweisung 8371A Erste Beratung des Entwurf eines Gesetzes über den Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 1951 (Nr. 3108 der Drucksachen; Umdruck Nr. 451) 8371A Ausschußüberweisung 8371B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Sander, Günther, Rademacher u. Gen. betr. Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3090, 2906 der Drucksachen; Umdruck Nr. 446) 8371B Dr. Bleiß (SPD): als Berichterstatter 8371B als Abgeordneter 8374C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 8372C Rademacher (FDP) 8373C Beschlußfassung 8375A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben der Rechtsanwältin Lammers, München, vom 4. Januar 1952 (Nr. 3119 der Drucksachen) . . 8375B Weickert (BHE-DG), Berichterstatter 8375B Beschlußfassung 8375C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1952 und 6. Februar 1952 (Nr. 3120 der Drucksachen) 8375C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8375D Beschlußfassung 8376B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen; Umdruck Nr. 455) 8376C Dr. Preller (SPD), Antragsteller . 8376C, 8392B Horn (CDU) 8380D Renner (KPD) 8383C Richter (Frankfurt) (SPD) 8385B Storch, Bundesminister für Arbeit 8386C Arndgen (CDU) 8388A Frau Kalinke (DP) 8388D Dr. Hammer (FDP) 8390B Dr. Atzenroth (FDP) 8391D Abstimmungen 8392C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kohlenförderung im Warndt (Nr. 3023 der Drucksachen) 8392D zur Sache: Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 8392D zur Geschäftsordnung: Dr. Krone (CDU) 8394C Renner (KPD) 8394D Ausschußüberweisung 8395A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über iden Antrag der Fraktion der KPD betr. Freilassung der an Frankreich ausgelieferten deutschen Staatsangehörigen, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Begleitumstände dieser Auslieferung und Schließung der Werbebüros für die Fremdenlegion usw. (Nrn. 2836, 2541 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Französische Fremdenlegion (Nr. 2851 der Drucksachen) sowie der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der Werbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst (Nr. 2967 der Drucksachen) . . . 8395A Dr. von Merkatz (DP): als Berichterstatter 8395B als Abgeordneter 8405B Fisch (KPD), Antragsteller 8396D Storch, Bundesminister für Arbeit 8399B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8400A Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 8400C Wehner (SPD) 8401B Höfler (CDU) 8404A Abstimmungen 8405D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nrn. 3056, 2577 der Drucksachen) 8405D Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 8406A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8407B Erler (SPD) 8407C Müller (Frankfurt) (KPD) 8409D Stegner (FDP) 8411A Höfler (CDU) 8411D Abstimmungen 8411D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Regelung von irregulären Besatzungsschäden (Nrn. 3057, 2709 der Drucksachen; Umdruck Nr. 457) . . . 8412A Erler (SPD): als Berichterstatter 8412A als Abgeordneter 8413D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8413C Beschlußfassung 8413D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vertrag über das Kehler Ha-. fenabkommen (Nrn. 3058, 2727 der Drucksachen) 8414A Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8414A als Abgeordneter 8417D Maier (Freiburg) (SPD) 8416A Niebergall (KPD) 8417C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß)über den Antrag der Fraktion der DP betr. Durchsuchung deutscher Wohnungen durch Angehörige der in Deutschland stationierten westalliierten Armeen (Nrn. 3059, 2874 der Drucksachen) . . . 8418D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 8418D Beschlußfassung 8419C Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 456) . 8371A, 8395A, 8405D, 8419C Beschlußfassung 8419C Nächste Sitzung 8419C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    . Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir haben allen Anlaß, zufrieden zu sein, daß uns die Bundesregierung heute hier versichern kann, daß sie im wesentlichen mit dem Inhalt des seinerzeit von meinen politischen Freunden eingebrachten Antrages übereinstimmt. Aber es gibt doch noch einige Punkte, die in Ergänzung des von Herrn Dr. Pfleiderer erstatteten gründlichen und zuverlässigen Berichtes hier vorgetragen werden müssen.
    Auch in unseren Kreisen bestreitet niemand die Notwendigkeit bestimmter Arbeitsleistungen, die für die Besatzungsmächte vollbracht werden. Aber ich glaube, daß die Frage, wie sie jetzt der Herr Staatssekretär vor uns hingestellt hat, etwas falsch gestellt ist. Die Frage ist nicht, was später bei einem eventuellen Verteidigungsbeitrag in Zusammenhang mit der Ablösung des Besatzungsstatuts mit den Dienstgruppen zu geschehen hat, in welcher Weise dann eventuell eine besondere territoriale deutsche Organisation aufgezogen werden soll. Alle diese Dinge liegen doch noch in weiter, weiter Ferne, und niemand weiß, wie die Entscheidung endgültig aussehen wird. Die Frage, die heute vor uns steht — und darin war sich der Auswärtige Ausschuß vollkommen einig, meine Damen und Herren, und darin unterscheiden wir uns alle miteinander auch heute von den Auffassungen, die der Herr Staatssekretär eben vertreten hat —, die Frage, die jetzt zu entscheiden ist, lautet: Was wird jetzt aus den Dienstgruppen?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ist es nicht auch heute schon ohne Rücksicht auf die Ablösung des Besatzungsstatuts durch ein System von anderen Verträgen notwendig und richtig, den rechtlichen Status der Dienstgruppen zu ändern? — Der Auswärtige Ausschuß ist dieser Meinung. Das bedeutet, daß wir der Bundesregierung eben eine zusätzliche, wenn auch unbequeme Pflicht auferlegen. Wir erlegen ihr die Pflicht auf, unabhängig von den Verhandlungen über die Ablösung des Besatzungsstatuts, unabhängig von ihren Verhandlungen über die europäische Ver-


    (Erler)

    teidigungsgemeinschaft, gesonderte Verhandlungen zu führen, damit endlich einmal die Männer der Dienstgruppen aus dem Zwielicht herausgeholt und in die Position als deutsche Staatsbürger gebracht werden, die sie haben müssen, wenn das Problem nicht politisch gegen uns falsch ausgeschlachtet werden und wenn sich der, Männer selbst nicht eine begreifliche Unruhe über ihr künftiges Schicksal bemächtigen soll.
    So ist die Frage vom Auswärtigen Ausschuß gestellt, und ich möchte nicht, daß die Bundesregierung hier ausweicht und nun von uns eine Fristverlängerung erwartet mit der Begründung: Wir können ja dem Hause dann später berichten, wenn in der Gesamtheit der Verträge mit den Besatzungsmächten nun auch die Frage der Dienstgruppen einmal irgendwie geregelt sein wird. Das ist ein völlig anderes Problem. Es geht um die jetzt auszuhandelnde besondere Lösung des Verhältnisses der Dienstgruppen. Ich darf Ihnen nachher auch noch an einem sehr konkreten Beispiel zeigen, warum diese Lösung jetzt notwendig und daß sie außerdem jetzt auch möglich ist.
    Ich bedaure es, daß sich die Bundesregierung erst im Dezember 1951, d. h. nach einer mehrmonatigen Initiative des Bundestages, nach wiederholten öffentlichen Debatten in diesem Hause dazu hat entschließen können, an die Dienstgruppenfrage politisch heranzugehen und vom Auswärtigen Amt her Verhandlungen aufzunehmen. Endlich ist damit der politische Komplex dieser Frage aus der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Finanzen herausgelöst worden. Damit ist einem Petitum unseres Antrages weitgehend entsprochen. Wir hoffen, daß es bei dieser Zuständigkeitsregelung bleibt. Wir erheben auch gar keine Vorwürfe gegen das Finanzministerium, daß es sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten nicht bemüht habe, aufrichtig an all die Probleme heranzugehen, die die Dienstgruppen stellen. Aber das Finanzministerium ist nun einmal kein Instrument der Außenpolitik, und hier handelt es sich um eine solche Frage des Verhältnisses zu den Besatzungsmächten. Das Finanzministerium hat sich redlich Mühe gegeben, die sozialen Probleme, die die Dienstgruppenangehörigen betreffen, einer Regelung zuzuführen. Ich muß Ihnen davon Kenntnis geben: Es erfüllt uns alle mit großem Befremden, daß die Besatzungsmächte auf die berechtigten Anliegen der Dienstgruppen, vorgetragen in übereinstimmender Meinung vom Bundesministerium der Finanzen, von den Gewerkschaften und von der Betreuungsgemeinschaft der Dienstgruppen selbst, bisher nicht die leisesten Anzeichen einer Gewährung dieser Wünsche von sich gegeben haben.
    Worum handelt es sich? Es handelt sich zunächst einmal darum, daß das Arbeitsverhältnis, in dem die Männer stehen, zu einem echten Arbeitsverhältnis nach deutschem Arbeitsrecht gestaltet wird. Das kann man an einem Beispiel sehr einfach erkennen: ob es nämlich einen Tarifvertrag für diese Leute gibt oder ob die Arbeitsbedingungen einseitig, von den Besatzungsmächten diktiert, auferlegt werden. Es gibt keinen solchen Tarifvertrag. Man hat den Versuch unternommen, die Besatzungsmächte an den Verhandlungstisch zu bringen; das ist bisher gescheitert. Es ist gescheitert mit der Begründung: wir wollen doch erst einmal einen Tarifvertrag für das ganze übrige bei den Besatzungsmächten tätige Personal machen. Deshalb kann man doch zunächst einmal die Dienstgruppenfrage behandeln! Es gibt einen Modellvertrag für das Personal der Alliierten in der Enklave
    Bonn, der durchaus Anhaltspunkte dafür bietet, wie man eine auch die Interessen der Besatzungsmächte sichernde rechtliche Fixierung dieses Arbeitsverhältnisses mit deutschen Vertretern aushandeln könnte; denn zum Verhandeln gehören zwei, und wir wollen eben nicht mehr, daß sich die Dienstgruppen in der Lage der Rechtlosigkeit befinden, daß sie behandelt werden wie die Arbeitnehmer im „Dritten Reich", die einer auferlegten Tarifordnung ausgeliefert waren und nicht selbst an der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse mitwirkten.
    Hier gehört der ganze Komplex um den Härteausgleich hinein, der für die durch die einseitig von den Engländern verfügte Änderung der Arbeitsbedingungen entstandene Notlage gezahlt werden sollte. Hier gehört hinein, daß es bis heute keine zufriedenstellende Regelung der Unfall und der Haftpflichtversicherung gibt. Das ist ein wichtiges Problem für Leute, die mit halbmilitärischen Dienstleistungen befaßt sind, bei denen jeden Tag das eine oder andere geschehen kann. Hier gehört vor allen Dingen hinein die teilweise weitreichende Unterstellung unter die Militärgerichtsbarkeit der Alliierten. Wir können es nicht hinnehmen, daß deutsche Staatsbürger in dieser Weise aus der Rechts- und Gefahrengemeinschaft des deutschen Volkes herausgelöst und zu Anhängseln fremder — denn noch sind es fremde — Streitkräfte irgendwo in unserem eigenen Heimatland gemacht werden.
    All das ist möglich; die Umwandlung in ein echtes ziviles Arbeitsverhältnis ist möglich — der Herr Berichterstatter hat es ausgeführt —, ohne daß die Arbeitsleistungen darunter leiden. Die Bundesbahn fährt pünktlich. Sie fährt auch alliierte Truppen. Sie fährt, wenn's nottut, auch Munition. Trotzdem denkt kein Mensch daran, die Bediensteten der Bundesbahn nun als militärähnliches Personal den Alliierten anzuhängen, sondern sie leisten das, obwohl sie Arbeitnehmer, Angestellte, Arbeiter, auch Beamte nach deutschem zivilem Recht sind. Wir wünschen nicht, daß deutsche Staatsbürger allmählich aus unserem Staatsverband, wie ich ausgeführt habe, ausgegliedert und gewissermaßen zu Angehörigen fremder Streitkräfte gemacht werden. Es gibt keinen verantwortlichen deutschen Einfluß auf Auswahl und Verwendung der Angehörigen der Dienstgruppen. Sie sind zum Teil in geschlossenen Formationen zusammengefaßt, die man teilweise in die militärischen Einheiten der Besatzungsmächte direkt eingebaut hat; infolgedessen sind sie auch teilweise uniformiert und bewaffnet.
    Diese Herauslösung deutscher Staatsbürger aus dem deutschen Staatsverband hat zu den kuriosesten Unternehmen geführt. Da ist das Ansinnen an den Herrn Bundesminister der Finanzen gestellt worden — er hat ihm sogar zunächst einmal entsprochen und seine Weisung erst nach heftigem Gegendruck erfreulicherweise widerrufen —, daß die Angehörigen der Dienstgruppen auf dem Gebiete der Verbrauchssteuern den sonstigen Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte gleichzustellen seien. Das heißt also, es ist der Versuch unternommen worden, das Herauslösen aus der Gemeinschaft der übrigen Deutschen mit einer Art Bestechungsgeld, mit der Chance, amerikanische Zigaretten schmuggeln zu können, abzugelten. Erfreulicherweise haben sich die Angehörigen der Dienstgruppen selbst gegen diesen Versuch gewandt. Weniger erfreulich ist es, daß der Herr Finanzminister, der sonst berechtigterweise um


    (Erler)

    jeden Groschen kämpft, .hier, wo es um erheblich höhere Beträge ging, zunächst sofort die entsprechende Weisung auf Freistellung von den Verbrauchssteuerabgaben in den Kantinen der Dienstgruppen hatte hinausgehen lassen und diese Anordnung erst später widerrief.
    Es gibt heute eine Tendenz, erstens mit der Angst der Dienstgruppen vor ihrer Auflösung, vor dem Schicksal der Arbeitslosigkeit zu operieren und zweitens mit der Angst des deutschen Volkes, daß unsere Sicherheit nun fürchterlich gefährdet sei, wenn sich bei den Dienstgruppen irgend etwas ändere. Aber, meine Damen und Herren, es ändert sich doch gar nichts! Die Arbeitsleistungen sollen weiter vollbracht werden. Sie sollen unter einem anderen rechtlichen Status vollbracht werden. Das ist es, worauf es ankommt. Da wird kein Mensch arbeitslos, und da leidet auch die Sicherheit der Bundesrepublik nicht Not. Aber es werden aus Angehörigen halbmilitärischer Verbände der Alliierten deutsche Staatsbürger, die als Arbeitnehmer ihrer Arbeit nachgehen und einen bestimmten wichtigen Arbeitsauftrag erfüllen.

    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

    Mit diesem Vorbringen befinden wir uns in voller Übereinstimmung mit den Angehörigen der Dienstgruppenorganisationen selbst, Die Betreuungsgemeinschaft hat uns eine Entschließung unterbreitet — sie ist den meisten Damen und Herren bekannt —, die völlig mit den Wünschen des Hohen Hauses übereinstimmt. Daß es auch kleinere unerfreuliche Ausnahmen — z. B. in der amerikanischen Besatzungszone — gibt, die einen merkwürdigen politischen Beigeschmack haben, damit wollen wir uns hier nicht auseinandersetzen.
    Herr Staatssekretär, das Besatzungsverhältnis verbietet heute schon den Einbau von deutschen Staatsbürgern in Einheiten der Besatzungsstreitkräfte. Gerade das wäre eigentlich erst möglich, wenn es sich um eine echte, vertraglich vereinbarte Schutzmacht handelte. Ein solcher Einbau ist nach der Haager Landkriegsordnung gar nicht möglich; das hieße, daß ein Volk sich selbst besetzt, daß wir auch noch ein Anhängsel der Besatzungstruppen stellen, die uns hier besetzen. Gerade solange es eben den Generalvertrag noch nicht gibt, muß der Rechtszustand erst recht geändert werden, weil er heute schon rechtswidrig ist, und es ist die Pflicht der Bundesregierung, diese Rechtswidrigkeit zu beseitigen. Wenn sie das nicht tut, dann versagt sie in der Erfüllung der Aufgaben, die Rechte des Bundes zu wahren gegenüber jedem, wer es auch sei.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn aber einmal eine echte Partnerschaft hergestellt werden soll, wenn sich der Charakter der Besatzungsstreitkräfte ändert, dann tritt doch erst recht die Forderung an uns heran — und wir haben sie uns hier heute vorausschauend zu eigen gemacht —, daß es militärähnliche Leistungen der Bundesrepublik nur geben könnte in den vom deutschen Parlament in der gehörigen Weise beschlossenen Formen und nicht durch die Hintertür, nicht auf irgendwelche andere Weise. Wir lassen uns da nicht mit einer Übergangsperiode abspeisen, von der noch niemand weiß, wie lange sie möglicherweise dauert, weil ja noch niemand den Anfang dieser Übergangsperiode abzuschätzen vermag. Wir möchten warnen vor einer Absicht, die kürzlich in der deutschen Presse berichtet wurde, wonach man eventuell ja deutsche Männer heute schon in die alliierten Streitkräfte als Kader für die künftigen deutschen Kontingente in der Verteidigungsgemeinschaft aufnehmen könne. Das wäre wirklich ein Vorgriff auf die Entscheidung der deutschen gesetzgebenden Körperschaften, der auf keinen Fall hingenommen werden kann, und es ist notwendig, das von dieser Tribüne aus sehr deutlich und sehr nachdrücklich zu sagen.

    (Zuruf von der Mitte: Daran denkt doch niemand!)

    — Es gibt Leute, die daran denken; sie sitzen nicht in diesem Hause, sie sitzen anderwärts. An sie richtet sich das, was ich jetzt sage, damit Klarheit herrscht, Herr Kollege. — Es darf keinen heimlichen Vorgriff auf den Wehrbeitrag geben, sondern in der Frage der Dienstgruppen nützliche Arbeit von im zivilen Arbeitsverhältnis stehenden deutschen Staatsbürgern, wodurch zweifellos die Kampfkraft der alliierten Streitkräfte, wie sie uns immer wieder versichern, auch erhöht wird.
    Wenn es je zu einem Verteidigungsbeitrag kommen sollte, dann ist immer noch Zeit, sich darüber zu unterhalten, in welcher Weise diese Leistung der Dienstgruppen auf einen eventuellen Verteidigungsbeitrag angerechnet werden muß; denn dann kann es nur ein en Beitrag geben; dann kann die deutsche Volks- und Arbeitssubstanz nicht zweimal angezapft werden: einmal durch ein eventuelles Kontingent und zum zweiten dann noch durch die Dienstgruppen, die die Besatzungsmächte nebenher unmittelbar unterhalten. Aber das ist eine Frage der Zukunft. Ich möchte das jetzt nur dem Herrn Staatssekretär als Anmerkung mit auf den Weg geben.
    Meine politischen Freunde begrüßen den Bericht des Ausschusses. Er läßt erkennen — vergleichen Sie die beiden Fassungen —, daß sich der Auswärtige Ausschuß in vollem Umfang die Wünsche der Sozialdemokratischen Partei zu eigen gemacht hat. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß wir in dieser Frage alle miteinander einig sind und daß es infolgedessen hohe Zeit wird, daß jetzt der Initiative des Hohen Hauses endlich auch von den verantwortlichen Stellen in der gebührenden Weise Rechnung getragen wird.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Erler sagte eben, die sozialdemokratische Fraktion wünsche keinen Vorgriff auf einen kommenden Wehrbeitrag, und der Herr Berichterstatter hat den Versuch gemacht, in gewundenen Formulierungen um die Tatsache herumzureden, die der Herr Staatssekretär mit einigen, im Hinblick auf die innenpolitische Lage unklaren diplomatischen Redewendungen abzustreiten versuchte, die Tatsache nämlich, daß bereits eine ausgerüstete und militärisch ausgebildete deutsche Armee bei den Besatzungstruppen in einer Stärke von 100 000 Mann besteht.

    (Abg. Dr. Hasemann: Im Osten allerdings, ja!)

    Meine Damen und Herren, warum sprechen Sie nicht offen darüber, was ja im Ausschuß berichtet worden ist, daß diese sogenannten Diensteinheiten bei den Besatzungsmächten heute in Wirklichkeit bereits voll bewaffnet und kriegsmäßig ausgerüstet sind? Warum sprechen Sie nicht offen darüber, daß der Einsatz dieser sogenannten Dienstgruppen bei den letzten großen Manövern in der norddeutschen Ebene seitens der Dienststellen


    (Müller [Frankfurt])

    General Eisenhowers zu der Beurteilung geführt hat, daß sich diese Dienstgruppen als Kampftruppe glänzend bewährt haben?

    (Zuruf rechts: Volkspolizei!)

    Warum sprechen Sie, nicht davon, daß man sich dessen rühmt, daß diese Truppe als Paradestück dieser Manöver die Eroberung des gegnerischen Hauptquartiers vorgeführt habe? Herr Staatssekretär, warum sprechen Sie nicht offen darüber, was auch im Ausschuß behandelt worden ist, daß es sich nicht nur — wie Sie eben sagten — um bestimmte Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitselemente auch im deutschen Interesse handelt? Warum sprechen Sie nicht darüber, daß Sie der Meinung sind, daß diese Truppen gegebenenfalls auch als Partisanen eingesetzt werden könnten?

    (Zuruf rechts: Sehr richtig!)

    - Der Zwischenruf bestätigt mir nur die Absicht, die Sie selbst

    (Lachen in der Mitte)

    mit dem Einsatz dieser deutschen militärischen Einheiten verfolgen. Ich bin davon überzeugt: die Erklärungen, die von den Generalstäben der amerikanischen und britischen Armeen hinsichtlich des Wertes dieser Dienstgruppen abgegeben worden sind, beweisen doch, daß diese nicht nur jetzt, sondern auch nach Unterzeichnung des Generalvertrags weiter bestehen sollen. Damit ist der Tatbestand gegeben, daß neben den amerikanischen, britischen und französischen Divisionen bereits eine deutsche Armee besteht. Alles Gerede über die sogenannten Arbeitsverträge ist nur ein Verwirrungsmanöver. Denn Sie wissen selbst, daß diese Dienstverträge unter anderem den absoluten Gehorsam und die Unterstellung unter das Militärgericht verlangen und daß sich die dort Eingesetzten verpflichten müssen, zum Einsatz in jedem Gebiet bereit zu sein. Wenn nun in den letzten Wochen noch die Meldung kommt, daß in den Dienstgruppen ein Veriüngungsprozeß, die Aussehaltung der Verheirateten sowie insbesondere die Heranziehung und Anwerbung von Jugendlichen für diese militärischen deutschen Einheiten bei den Besatzungsarmeen durchgeführt wird, — ich glaube, dann brauchen wir uns über die Bedeutung dieser militärischen Truppe nicht mehr zu unterhalten.
    Vielleicht ist eines für die Einstellung der amerikanischen Kommandostellen zu diesen Diensteinheiten charakteristisch. Ein amerikanischer Offizier einer solchen Dienstgruppe in den RooseveltBarracks veranstaltete eine Umfrage bzw. ließ Fragebogen zirkulieren, die die Frage enthielten: Was würden Sie tun, wenn es Krieg gibt? Die meisten Antworten lauteten: „Ich würde nicht auf Deutsche schießen" oder: „Ich würde das Gewehr in die Ecke stellen". Daraufhin erklärte dieser amerikanische Offizier: „Ihr seid ein hinterlistiges Gesindel, das nicht wert ist, die Uniform zu tragen." Es muß zur Ehre dieser Menschen, die sich dort aus Not, weil sie keine Arbeit hatten, haben dienstverpflichten bzw. anwerben lassen, gesagt werden, daß dieser Ausspruch, sie würden nicht auf Deutsche schießen und würden ihr Gewehr in die Ecke stellen, dem entspricht, was das deutsche Volk von ihnen erwartet.
    Herr Kollege Erler hat noch einmal die Frage der arbeitsrechtlichen Bedingungen angeschnitten. Ich möchte Bezug nehmen auf eine kürzliche Äußerung der Gewerkschaft ÖTV, in der sie im Hinblick auf diese Gruppen erklärt hat, diese seien auf
    Grund der Tatsache, daß ihnen die deutschen arbeitsrechtlichen Bedingungen vorenthalten worden seien, nichts anderes als eben eine Söldnertruppe.
    Vielleicht zur Illustration auch eine Tatsache: Bei der Dienststelle der HICOG Bonn-Godesberg sind 120 Kraftfahrer beschäftigt. Diese verlangten die Durchführung einer Versammlung, um zu ihren sozialrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen. Das wurde ihnen verweigert. Als sie es dann trotzdem durchsetzten, war das Ergebnis, daß der von dieser Versammlung gewählte gewerkschaftliche Vertrauensmann, der in ihrem Interesse sprechen sollte, von der HICOG-Dienststelle nicht anerkannt und jede Verhandlung mit ihm abgelehnt wurde; das heißt also: erneute Bestätigung einer militärischen Formation.
    Dafür, in welchem Umfang der Ausbau dieser Einheiten durchgeführt werden soll, noch ein letzter Beweis. In Fürth werden drei Wohnhäuser und fünf fast ausschließlich für den Export arbeitende Spielwarenfabriken als Kasernen für Truppen des deutschen sogenannten Labor Service bei der US-Armee ausgebaut. Es ist klar, daß die Vertreter, u. a. ein Dr. Adolf Kürschner, der der Obmann der Besatzungsgeschädigten in diesem Gebiet ist, sich mit aller Schärfe gegen dieses Verhalten wenden und mit Recht die Haltung der Bundesregierung kritisieren, die sich auf eine gleiche Stufe mit den amerikanischen Behörden stellt, und verlangen, daß diese Beschlagnahmen unterbleiben.
    Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassend sagen: diese Aufstellung von deutschen Armeen bei den Besatzungstruppen ist nur ein Vorläufer für das, was mit dem Generalvertrag und mit dem Wehrgesetz beabsichtigt wird.

    (Hu-Rufe in der Mitte.)

    Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß man, wie von britischer Seite schon erklärt worden ist, diese Einheiten in die britische Armee einbeziehen will. Ich glaube, das deutsche Volk draußen — und ich möchte mich insbesondere an die Angehörigen dieser Diensteinheiten wenden — wird Wert darauf legen, daß sie sich unter keinen Umständen dazu mißbrauchen lassen, im Dienste der amerikanischen Aggressoren ihr Leben und ihr Blut für seine Majestät den Dollar, für den amerikanischen Krieg zu opfern.

    (Abg. Dr. Hasemann: Schluß! Die Redezeit ist längst vorbei!)

    Die Forderung, die wir zu stellen haben. ist. daß unter keinen Umständen entsprechende Verfügungen über Deutsche für militärische Zwecke bei den Besatzungsarmeen zugelassen werden dürfen.
    In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Antrag des Ausschusses eingehen, indem ich darauf hinweise — —