Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Erler sagte eben, die sozialdemokratische Fraktion wünsche keinen Vorgriff auf einen kommenden Wehrbeitrag, und der Herr Berichterstatter hat den Versuch gemacht, in gewundenen Formulierungen um die Tatsache herumzureden, die der Herr Staatssekretär mit einigen, im Hinblick auf die innenpolitische Lage unklaren diplomatischen Redewendungen abzustreiten versuchte, die Tatsache nämlich, daß bereits eine ausgerüstete und militärisch ausgebildete deutsche Armee bei den Besatzungstruppen in einer Stärke von 100 000 Mann besteht.
Meine Damen und Herren, warum sprechen Sie nicht offen darüber, was ja im Ausschuß berichtet worden ist, daß diese sogenannten Diensteinheiten bei den Besatzungsmächten heute in Wirklichkeit bereits voll bewaffnet und kriegsmäßig ausgerüstet sind? Warum sprechen Sie nicht offen darüber, daß der Einsatz dieser sogenannten Dienstgruppen bei den letzten großen Manövern in der norddeutschen Ebene seitens der Dienststellen
General Eisenhowers zu der Beurteilung geführt hat, daß sich diese Dienstgruppen als Kampftruppe glänzend bewährt haben?
Warum sprechen Sie, nicht davon, daß man sich dessen rühmt, daß diese Truppe als Paradestück dieser Manöver die Eroberung des gegnerischen Hauptquartiers vorgeführt habe? Herr Staatssekretär, warum sprechen Sie nicht offen darüber, was auch im Ausschuß behandelt worden ist, daß es sich nicht nur — wie Sie eben sagten — um bestimmte Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitselemente auch im deutschen Interesse handelt? Warum sprechen Sie nicht darüber, daß Sie der Meinung sind, daß diese Truppen gegebenenfalls auch als Partisanen eingesetzt werden könnten?
- Der Zwischenruf bestätigt mir nur die Absicht, die Sie selbst
mit dem Einsatz dieser deutschen militärischen Einheiten verfolgen. Ich bin davon überzeugt: die Erklärungen, die von den Generalstäben der amerikanischen und britischen Armeen hinsichtlich des Wertes dieser Dienstgruppen abgegeben worden sind, beweisen doch, daß diese nicht nur jetzt, sondern auch nach Unterzeichnung des Generalvertrags weiter bestehen sollen. Damit ist der Tatbestand gegeben, daß neben den amerikanischen, britischen und französischen Divisionen bereits eine deutsche Armee besteht. Alles Gerede über die sogenannten Arbeitsverträge ist nur ein Verwirrungsmanöver. Denn Sie wissen selbst, daß diese Dienstverträge unter anderem den absoluten Gehorsam und die Unterstellung unter das Militärgericht verlangen und daß sich die dort Eingesetzten verpflichten müssen, zum Einsatz in jedem Gebiet bereit zu sein. Wenn nun in den letzten Wochen noch die Meldung kommt, daß in den Dienstgruppen ein Veriüngungsprozeß, die Aussehaltung der Verheirateten sowie insbesondere die Heranziehung und Anwerbung von Jugendlichen für diese militärischen deutschen Einheiten bei den Besatzungsarmeen durchgeführt wird, — ich glaube, dann brauchen wir uns über die Bedeutung dieser militärischen Truppe nicht mehr zu unterhalten.
Vielleicht ist eines für die Einstellung der amerikanischen Kommandostellen zu diesen Diensteinheiten charakteristisch. Ein amerikanischer Offizier einer solchen Dienstgruppe in den RooseveltBarracks veranstaltete eine Umfrage bzw. ließ Fragebogen zirkulieren, die die Frage enthielten: Was würden Sie tun, wenn es Krieg gibt? Die meisten Antworten lauteten: „Ich würde nicht auf Deutsche schießen" oder: „Ich würde das Gewehr in die Ecke stellen". Daraufhin erklärte dieser amerikanische Offizier: „Ihr seid ein hinterlistiges Gesindel, das nicht wert ist, die Uniform zu tragen." Es muß zur Ehre dieser Menschen, die sich dort aus Not, weil sie keine Arbeit hatten, haben dienstverpflichten bzw. anwerben lassen, gesagt werden, daß dieser Ausspruch, sie würden nicht auf Deutsche schießen und würden ihr Gewehr in die Ecke stellen, dem entspricht, was das deutsche Volk von ihnen erwartet.
Herr Kollege Erler hat noch einmal die Frage der arbeitsrechtlichen Bedingungen angeschnitten. Ich möchte Bezug nehmen auf eine kürzliche Äußerung der Gewerkschaft ÖTV, in der sie im Hinblick auf diese Gruppen erklärt hat, diese seien auf
Grund der Tatsache, daß ihnen die deutschen arbeitsrechtlichen Bedingungen vorenthalten worden seien, nichts anderes als eben eine Söldnertruppe.
Vielleicht zur Illustration auch eine Tatsache: Bei der Dienststelle der HICOG Bonn-Godesberg sind 120 Kraftfahrer beschäftigt. Diese verlangten die Durchführung einer Versammlung, um zu ihren sozialrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen. Das wurde ihnen verweigert. Als sie es dann trotzdem durchsetzten, war das Ergebnis, daß der von dieser Versammlung gewählte gewerkschaftliche Vertrauensmann, der in ihrem Interesse sprechen sollte, von der HICOG-Dienststelle nicht anerkannt und jede Verhandlung mit ihm abgelehnt wurde; das heißt also: erneute Bestätigung einer militärischen Formation.
Dafür, in welchem Umfang der Ausbau dieser Einheiten durchgeführt werden soll, noch ein letzter Beweis. In Fürth werden drei Wohnhäuser und fünf fast ausschließlich für den Export arbeitende Spielwarenfabriken als Kasernen für Truppen des deutschen sogenannten Labor Service bei der US-Armee ausgebaut. Es ist klar, daß die Vertreter, u. a. ein Dr. Adolf Kürschner, der der Obmann der Besatzungsgeschädigten in diesem Gebiet ist, sich mit aller Schärfe gegen dieses Verhalten wenden und mit Recht die Haltung der Bundesregierung kritisieren, die sich auf eine gleiche Stufe mit den amerikanischen Behörden stellt, und verlangen, daß diese Beschlagnahmen unterbleiben.
Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassend sagen: diese Aufstellung von deutschen Armeen bei den Besatzungstruppen ist nur ein Vorläufer für das, was mit dem Generalvertrag und mit dem Wehrgesetz beabsichtigt wird.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß man, wie von britischer Seite schon erklärt worden ist, diese Einheiten in die britische Armee einbeziehen will. Ich glaube, das deutsche Volk draußen — und ich möchte mich insbesondere an die Angehörigen dieser Diensteinheiten wenden — wird Wert darauf legen, daß sie sich unter keinen Umständen dazu mißbrauchen lassen, im Dienste der amerikanischen Aggressoren ihr Leben und ihr Blut für seine Majestät den Dollar, für den amerikanischen Krieg zu opfern.
Die Forderung, die wir zu stellen haben. ist. daß unter keinen Umständen entsprechende Verfügungen über Deutsche für militärische Zwecke bei den Besatzungsarmeen zugelassen werden dürfen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Antrag des Ausschusses eingehen, indem ich darauf hinweise — —