Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion will mit ihrem Antrag erreichen, daß eine Kommission unabhängiger Sachverständiger geschaffen wird. Sie soll, entsprechend den Fraktionsstärken im Bundestag zusammengesetzt, die so dringend notwendigen Vorarbeiten für eine Neuordnung unseres Sozialrechts leisten. Ich verstehe deshalb einen Teil der Ausführungen meiner Vorredner wirklich nicht. Sie wären vielleicht am Platze, wenn das Ergebnis der sozialen Studienkommission hier zur
Diskussion stehen würde und man zu den einzelnen Problemen sich zu entscheiden hätte. Heute haben wir uns doch zu entscheiden, ob wir es für notwendig halten, daß eine derartige Studienkommission gebildet wird. Wenn wir dies bejahen — und das scheint sowohl bei der Opposition als auch bei den Regierungsparteien der Fall zu sein, das beweisen die beiden vorliegenden Anträge —, dann haben wir nur noch zu fragen, wie ist die zweckmäßigste Form dieser Studienkommission.
Nun hat man hier davon gesprochen, daß wir eine klassische Sozialversicherung hätten und daß sowohl im Grundsätzlichen als auch in ihrem wesentlichen Aufbau keine Änderung erfolgen sollte. Wenn Sie sich die Mühe machen würden, meine Damen und Herren, die Reichsversicherungsordnung zur Hand zu nehmen, würden Sie feststellen, daß über 3 000 Paragraphen notwendig sind, um das Recht der Krankenversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeiter und der Unfallversicherung zu ordnen. Nehmen Sie dazu noch das Angestelltenversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz, die Kriegsopferversorgung, das Fürsorgewesen und dann lassen Sie mich fragen: Wer hier in diesem Hohen Hause ist in der Lage, überhaupt mit Fug und Recht sagen zu können, daß er das Wesentliche dieser sozialen Gesetzgebung noch beherrscht?! Der Versicherte, für den sie geschaffen wurde, der seine Leistungen auf Grund dieses Rechts zu beanspruchen hat, hat überhaupt keine Ahnung davon, er kann sie auch gar nicht haben, so kompliziert und zersplittert ist unser Sozialrecht.
Dadurch kommt es, daß die Leistungen des einzelnen Sozialversicherungsträgers relativ gering sind und daß des weiteren bei den Leistungen Überschneidungen vorkommen, da verschiedene Träger zuständig sind. Es wäre doch wirklich des Schweißes der Edlen wert, wenn man dieses Gesetzeswerk zu einem einfachen Gesetz zusammenfassen würde, das auch die verstehen und kennen, für die es geschaffen wurde, damit sie überhaupt in der Lage sind, ihre Ansprüche geltend zu machen. Wenn weiter noch erreicht würde, daß diese Leistungen als gute, als ausreichende Leistungen angesprochen werden könnten, dann wären wir auf dem Wege zur sozialen Gerechtigkeit.
Aber bitte, man sollte doch nicht von Einheitsversicherung sprechen oder von Mammutgebilden oder von Vermassung und derartigem mehr. Das sind doch so abgedroschene Schlagworte; die verfangen ja noch nicht mal draußen in den Wählerversammlungen. Hier kriegen Sie lediglich den pflichtmäßigen Beifall eines kleinen Teiles Ihrer Fraktion. Wenn man von Mammutgebilden spricht und gerade vorher die Krankenversicherung erwähnt und da behauptet hat, die Krankenversicherung sei die versichertennächste Versicherungsform, dann möchte ich doch in aller Bescheidenheit auf die Ersatzkassen hinweisen, die über das ganze Bundesgebiet ausgedehnt sind. Wenn man von Mammutgebilden spricht — Herr Horn, das muß dann schon in aller Freundschaft hier gesagt werden —, sind es gerade die Ersatzkassen, die die weitaus größte Mitgliederzahl haben, nämlich, wenn ich richtig informiert bin, die größte unter ihnen über 1 Million. Und warum der dauernde Kampf gegen die Ortskrankenkassen, die nur auf einen Ort oder auf einen kleinen Bezirk beschränkt sind, die also doch den Versicherten sehr viel näher sind als dieses Mammutgebilde mit über 1 Million Mitgliedern, das das ganze Bundesgebiet umspannt und
das zentral geleitet wird? Sehen Sie sich einmal einen anderen Versicherungszweig als den der Rentenversicherung an! Ich glaube, Sie werden finden, daß die Dezentralisation und somit die Möglichkeit der Konkurrenzvergleiche bei der Rentenversicherung der Arbeiter — bedingt durch die Landesversicherungsanstalten — viel zweckentsprechender ist als die angestrebte Zentralisation in der Angestelltenversicherung.
Es wird gegen die Ausdehnung der Versicherungspflicht auf weitere Kreise gewettert; es wird dagegen Stellung genommen, daß eine Standardisierung mit diesem Plan verfolgt werde, und es wird von den Regierungsparteien ein Sozialplan ganz kategorisch abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten nicht in den Fehler verfallen, hier vorher Anordnungen zu treffen und Marschwege für diese Kommission abzuzeichnen
- ich komme dazu noch, Herr Kollege Horn —, ihr Aufgabengebiet abzugrenzen, sondern man sollte geeignetste Sachverständige nehmen und sagen: Ihr seid unabhängig und nur eurem Gewissen verpflichtet und nicht an Weisungen des Bundesarbeitsministers oder seines Vertreters gebunden, der Vorsitzender dieser Kommission sein soll, wie es in Ihrem Antrage heißt. Und deshalb ist unser Antrag, glaube ich, der zweckmäßigere. Je nach dem, was diese Studienkommission erarbeitet, welche Einrichtungen und Leistungen sie für notwendig hält, werden wir den zweckmäßigsten Träger zur Durchführung der geplanten Maßnahmen bestimmen; den Träger, der die Probleme am einfachsten, am billigsten, am versichertennächsten löst. Das muß unsere Aufgabe sein.
Meine Damen und Herren, ich verstehe Ihren Antrag nicht, in dem Sie quasi die Bedingung stellen, daß — unter klarer Abgrenzung der Versicherung, der Versorgung und der Fürsorge — der Bundesminister für Arbeit beauftragt wird, einen Beirat einzuberufen, in dem er oder der von ihm beauftragte Vertreter den Vorsitz haben soll. Das wird nichts; verlassen Sie sich darauf! Im Wirtschaftsrat haben wir uns im Dezember 1948 schon einmal Gedanken über dieses Problem gemacht. Da waren es der Kollege Horn und seine Fraktion, die CDU/CSU des Wirtschaftsrats, die einen Antrag einbrachten, in dem es hieß:
Eine Entscheidung über die endgültige Sanierung der Invaliden- und Angestelltenversicherung ist nur auf der Grundlage einer versicherungstechnischen Bilanz möglich.
Diesem Antrage wurde zugestimmt. Im Spätherbst 1950 wurde im einem kleinen Kreise die Erstlingsarbeit auf der Grundlage dieser versicherungstechnischen Bilanz diskutiert. Und damit hat es bis heute sein Bewenden gehabt. Schon weit über ein Jahr warten die Lehrlinge und die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer darauf, zu erfahren, oh sie endlich wieder der Arbeitslosenversicherungspflicht unterstellt werden oder nicht. Bis heute ist der zugesagte Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums bzw. der Bundesregierung noch nicht da. Wir können deshalb dem Bundesarbeitsministerium nicht noch einen derartigen Beirat oktroyieren. Auch können wir dem Bundesarbeitsminister nicht den Vorsitz zubilligen und noch viel weniger das Recht, die 15 Mitglieder dieses Beirats zu berufen.
Ich bitte Sie, diese Anträge zur Klärung der Problematik, die in den beiden, Anträgen unzweifelhaft enthalten ist, dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.