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ID0119502800

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 195. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1952 8369 195. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 8370D Autounfall des Abg. Bazille 8370D Mandatsniederlegung des unter dem Namen Dr. Franz Richter gewählten Abgeordneten Fritz Rössler 8370D Änderungen der Tagesordnung 8370D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall Kemritz (Nr. 2531 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8370D Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Nr. 3068 der Drucksachen) 8371A Ausschußüberweisung 8371A Erste Beratung des Entwurf eines Gesetzes über den Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 1951 (Nr. 3108 der Drucksachen; Umdruck Nr. 451) 8371A Ausschußüberweisung 8371B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Sander, Günther, Rademacher u. Gen. betr. Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3090, 2906 der Drucksachen; Umdruck Nr. 446) 8371B Dr. Bleiß (SPD): als Berichterstatter 8371B als Abgeordneter 8374C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 8372C Rademacher (FDP) 8373C Beschlußfassung 8375A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben der Rechtsanwältin Lammers, München, vom 4. Januar 1952 (Nr. 3119 der Drucksachen) . . 8375B Weickert (BHE-DG), Berichterstatter 8375B Beschlußfassung 8375C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1952 und 6. Februar 1952 (Nr. 3120 der Drucksachen) 8375C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8375D Beschlußfassung 8376B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen; Umdruck Nr. 455) 8376C Dr. Preller (SPD), Antragsteller . 8376C, 8392B Horn (CDU) 8380D Renner (KPD) 8383C Richter (Frankfurt) (SPD) 8385B Storch, Bundesminister für Arbeit 8386C Arndgen (CDU) 8388A Frau Kalinke (DP) 8388D Dr. Hammer (FDP) 8390B Dr. Atzenroth (FDP) 8391D Abstimmungen 8392C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kohlenförderung im Warndt (Nr. 3023 der Drucksachen) 8392D zur Sache: Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 8392D zur Geschäftsordnung: Dr. Krone (CDU) 8394C Renner (KPD) 8394D Ausschußüberweisung 8395A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über iden Antrag der Fraktion der KPD betr. Freilassung der an Frankreich ausgelieferten deutschen Staatsangehörigen, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Begleitumstände dieser Auslieferung und Schließung der Werbebüros für die Fremdenlegion usw. (Nrn. 2836, 2541 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Französische Fremdenlegion (Nr. 2851 der Drucksachen) sowie der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der Werbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst (Nr. 2967 der Drucksachen) . . . 8395A Dr. von Merkatz (DP): als Berichterstatter 8395B als Abgeordneter 8405B Fisch (KPD), Antragsteller 8396D Storch, Bundesminister für Arbeit 8399B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8400A Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 8400C Wehner (SPD) 8401B Höfler (CDU) 8404A Abstimmungen 8405D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nrn. 3056, 2577 der Drucksachen) 8405D Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 8406A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8407B Erler (SPD) 8407C Müller (Frankfurt) (KPD) 8409D Stegner (FDP) 8411A Höfler (CDU) 8411D Abstimmungen 8411D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Regelung von irregulären Besatzungsschäden (Nrn. 3057, 2709 der Drucksachen; Umdruck Nr. 457) . . . 8412A Erler (SPD): als Berichterstatter 8412A als Abgeordneter 8413D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8413C Beschlußfassung 8413D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vertrag über das Kehler Ha-. fenabkommen (Nrn. 3058, 2727 der Drucksachen) 8414A Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8414A als Abgeordneter 8417D Maier (Freiburg) (SPD) 8416A Niebergall (KPD) 8417C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß)über den Antrag der Fraktion der DP betr. Durchsuchung deutscher Wohnungen durch Angehörige der in Deutschland stationierten westalliierten Armeen (Nrn. 3059, 2874 der Drucksachen) . . . 8418D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 8418D Beschlußfassung 8419C Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 456) . 8371A, 8395A, 8405D, 8419C Beschlußfassung 8419C Nächste Sitzung 8419C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Willi Richter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion will mit ihrem Antrag erreichen, daß eine Kommission unabhängiger Sachverständiger geschaffen wird. Sie soll, entsprechend den Fraktionsstärken im Bundestag zusammengesetzt, die so dringend notwendigen Vorarbeiten für eine Neuordnung unseres Sozialrechts leisten. Ich verstehe deshalb einen Teil der Ausführungen meiner Vorredner wirklich nicht. Sie wären vielleicht am Platze, wenn das Ergebnis der sozialen Studienkommission hier zur
    Diskussion stehen würde und man zu den einzelnen Problemen sich zu entscheiden hätte. Heute haben wir uns doch zu entscheiden, ob wir es für notwendig halten, daß eine derartige Studienkommission gebildet wird. Wenn wir dies bejahen — und das scheint sowohl bei der Opposition als auch bei den Regierungsparteien der Fall zu sein, das beweisen die beiden vorliegenden Anträge —, dann haben wir nur noch zu fragen, wie ist die zweckmäßigste Form dieser Studienkommission.
    Nun hat man hier davon gesprochen, daß wir eine klassische Sozialversicherung hätten und daß sowohl im Grundsätzlichen als auch in ihrem wesentlichen Aufbau keine Änderung erfolgen sollte. Wenn Sie sich die Mühe machen würden, meine Damen und Herren, die Reichsversicherungsordnung zur Hand zu nehmen, würden Sie feststellen, daß über 3 000 Paragraphen notwendig sind, um das Recht der Krankenversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeiter und der Unfallversicherung zu ordnen. Nehmen Sie dazu noch das Angestelltenversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz, die Kriegsopferversorgung, das Fürsorgewesen und dann lassen Sie mich fragen: Wer hier in diesem Hohen Hause ist in der Lage, überhaupt mit Fug und Recht sagen zu können, daß er das Wesentliche dieser sozialen Gesetzgebung noch beherrscht?! Der Versicherte, für den sie geschaffen wurde, der seine Leistungen auf Grund dieses Rechts zu beanspruchen hat, hat überhaupt keine Ahnung davon, er kann sie auch gar nicht haben, so kompliziert und zersplittert ist unser Sozialrecht.
    Dadurch kommt es, daß die Leistungen des einzelnen Sozialversicherungsträgers relativ gering sind und daß des weiteren bei den Leistungen Überschneidungen vorkommen, da verschiedene Träger zuständig sind. Es wäre doch wirklich des Schweißes der Edlen wert, wenn man dieses Gesetzeswerk zu einem einfachen Gesetz zusammenfassen würde, das auch die verstehen und kennen, für die es geschaffen wurde, damit sie überhaupt in der Lage sind, ihre Ansprüche geltend zu machen. Wenn weiter noch erreicht würde, daß diese Leistungen als gute, als ausreichende Leistungen angesprochen werden könnten, dann wären wir auf dem Wege zur sozialen Gerechtigkeit.
    Aber bitte, man sollte doch nicht von Einheitsversicherung sprechen oder von Mammutgebilden oder von Vermassung und derartigem mehr. Das sind doch so abgedroschene Schlagworte; die verfangen ja noch nicht mal draußen in den Wählerversammlungen. Hier kriegen Sie lediglich den pflichtmäßigen Beifall eines kleinen Teiles Ihrer Fraktion. Wenn man von Mammutgebilden spricht und gerade vorher die Krankenversicherung erwähnt und da behauptet hat, die Krankenversicherung sei die versichertennächste Versicherungsform, dann möchte ich doch in aller Bescheidenheit auf die Ersatzkassen hinweisen, die über das ganze Bundesgebiet ausgedehnt sind. Wenn man von Mammutgebilden spricht — Herr Horn, das muß dann schon in aller Freundschaft hier gesagt werden —, sind es gerade die Ersatzkassen, die die weitaus größte Mitgliederzahl haben, nämlich, wenn ich richtig informiert bin, die größte unter ihnen über 1 Million. Und warum der dauernde Kampf gegen die Ortskrankenkassen, die nur auf einen Ort oder auf einen kleinen Bezirk beschränkt sind, die also doch den Versicherten sehr viel näher sind als dieses Mammutgebilde mit über 1 Million Mitgliedern, das das ganze Bundesgebiet umspannt und


    (Richter [Frankfurt])

    das zentral geleitet wird? Sehen Sie sich einmal einen anderen Versicherungszweig als den der Rentenversicherung an! Ich glaube, Sie werden finden, daß die Dezentralisation und somit die Möglichkeit der Konkurrenzvergleiche bei der Rentenversicherung der Arbeiter — bedingt durch die Landesversicherungsanstalten — viel zweckentsprechender ist als die angestrebte Zentralisation in der Angestelltenversicherung.
    Es wird gegen die Ausdehnung der Versicherungspflicht auf weitere Kreise gewettert; es wird dagegen Stellung genommen, daß eine Standardisierung mit diesem Plan verfolgt werde, und es wird von den Regierungsparteien ein Sozialplan ganz kategorisch abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten nicht in den Fehler verfallen, hier vorher Anordnungen zu treffen und Marschwege für diese Kommission abzuzeichnen

    (Abg. Horn: Das haben Sie ja längst getan!)

    - ich komme dazu noch, Herr Kollege Horn —, ihr Aufgabengebiet abzugrenzen, sondern man sollte geeignetste Sachverständige nehmen und sagen: Ihr seid unabhängig und nur eurem Gewissen verpflichtet und nicht an Weisungen des Bundesarbeitsministers oder seines Vertreters gebunden, der Vorsitzender dieser Kommission sein soll, wie es in Ihrem Antrage heißt. Und deshalb ist unser Antrag, glaube ich, der zweckmäßigere. Je nach dem, was diese Studienkommission erarbeitet, welche Einrichtungen und Leistungen sie für notwendig hält, werden wir den zweckmäßigsten Träger zur Durchführung der geplanten Maßnahmen bestimmen; den Träger, der die Probleme am einfachsten, am billigsten, am versichertennächsten löst. Das muß unsere Aufgabe sein.
    Meine Damen und Herren, ich verstehe Ihren Antrag nicht, in dem Sie quasi die Bedingung stellen, daß — unter klarer Abgrenzung der Versicherung, der Versorgung und der Fürsorge — der Bundesminister für Arbeit beauftragt wird, einen Beirat einzuberufen, in dem er oder der von ihm beauftragte Vertreter den Vorsitz haben soll. Das wird nichts; verlassen Sie sich darauf! Im Wirtschaftsrat haben wir uns im Dezember 1948 schon einmal Gedanken über dieses Problem gemacht. Da waren es der Kollege Horn und seine Fraktion, die CDU/CSU des Wirtschaftsrats, die einen Antrag einbrachten, in dem es hieß:
    Eine Entscheidung über die endgültige Sanierung der Invaliden- und Angestelltenversicherung ist nur auf der Grundlage einer versicherungstechnischen Bilanz möglich.
    Diesem Antrage wurde zugestimmt. Im Spätherbst 1950 wurde im einem kleinen Kreise die Erstlingsarbeit auf der Grundlage dieser versicherungstechnischen Bilanz diskutiert. Und damit hat es bis heute sein Bewenden gehabt. Schon weit über ein Jahr warten die Lehrlinge und die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer darauf, zu erfahren, oh sie endlich wieder der Arbeitslosenversicherungspflicht unterstellt werden oder nicht. Bis heute ist der zugesagte Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums bzw. der Bundesregierung noch nicht da. Wir können deshalb dem Bundesarbeitsministerium nicht noch einen derartigen Beirat oktroyieren. Auch können wir dem Bundesarbeitsminister nicht den Vorsitz zubilligen und noch viel weniger das Recht, die 15 Mitglieder dieses Beirats zu berufen.
    Ich bitte Sie, diese Anträge zur Klärung der Problematik, die in den beiden, Anträgen unzweifelhaft enthalten ist, dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage der Neugestaltung der sozialen Sicherheit der breiten Volksschichten ist eine Frage, die sofort nach der Beendigung des Krieges im Jahre 1945 an uns herangetreten ist. Damals war es der Kollege Richter mit einigen Freunden, die in Frankfurt eine neue Reichsversicherungsordnung aufgebaut haben und die sich damals in Wirklichkeit alle Mühe gaben, in das Dornengestrüpp unserer Sozialversicherung eine einfachere Ordnung zu bringen. Der Kollege Richter wird mir Recht geben, wenn ich ihm sage, daß er damals bei einem großen Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter dafür gar kein Verständnis gefunden hat, vor allen Dingen bei den Bergleuten nicht, die nun einmal ihre besondere Sozialversicherung liebgewonnen haben und glauben, in ihr ein Instrument in den Händen zu haben, mit dem sie die besonderen Interessen der im Bergbau beschäftigten Menschen besser wahrnehmen können.
    Wir haben dann im Jahre 1946 das Kontrollratsgesetz vor uns gehabt und hatten uns mit dieser Gesetzesvorlage zu beschäftigen, die von dem gesamten Kontrollrat ausgearbeitet war. Durch dieses Gesetz wollte man uns so etwas wie eine Einheitsversicherung in Deutschland geben, von oben herunter, von der Besatzungsmacht befohlen. Ich weiß, wie wir uns damals mil dieser Frage innerhalb der gewerkschaftlichen Organisationen und in Verbindung mit dem Sozialpolitischen Ausschuß des Zonenbeirats in Hamburg beschäftigt haben. Alle Probleme der Sozialversicherung waren aufgeworfen. Der Sozialpolitische Ausschuß des Zonenbeirats in Hamburg hat damals in seinem Gutachten ein sehr gutes Wort gesagt:

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz)

    daß man nämlich eine wirkliche Neuordnung der Sozialversicherung erst dann vornehmen kann, wenn wir wieder den politischen und den wirtschaftlichen Boden unter den Füßen haben, um klar sagen zu können, was nun in Wirklichkeit aus dem Sozialprodukt für die Sozialversicherung entnommen werden kann. Damals war es der Deutsche Gewerkschaftsbund in der englischen Zone, der der amerikanischen und der englischen Besatzungsmacht ganz klar gesagt hat: Wenn diese Gesetzgebung über den Kontrollrat durchgeführt wird, werden wir in einem außerordentlichen Kongreß den deutschen Arbeitern sagen, was man mit ihnen vorhat. Daraufhin haben die Amerikaner und Engländer gesagt: Wenn es die Deutschen nicht wollen, dann wollen wir es ihnen auch nicht aufzwingen. So war damals die Situation.
    Dann haben wir uns erneut in Frankfurt — Herr Kollege Richter war dabei — im Wirtschaftsrat mit der Problematik der Sozialversicherung beschäftigt. Damals hatten wir ein Sozialprodukt, das vielleicht bei 60 bis 70 % des normalen lag. Wir hatten nicht die Unterlage unter den Füßen, um in der Tat ein neues großes Gesetzeswerk schaffen zu können. Wir haben uns helfen müssen. Wir haben ein Übergangsgesetz geschaffen und waren uns darüber klar, daß man dann, wenn die wirtschaft-


    (Bundesarbeitsminister Storch)

    liche Plattform breit und fest genug sei, an die Grundsätzlichkeit der ganzen Problematik herangehen müsse.
    Selbstverständlich gibt es auf dem Gebiet der Sozialversicherung die verschiedensten Auffassungen, und man kann mit gutem Recht auf der einen oder auf der anderen Seite stehen. Das braucht absolut nicht dahin zu führen, daß der eine dem anderen Reaktionäres, der andere dem einen wieder Revolutionäres vorwirft. Gestern ist in diesem Hause bei einer anderen Gelegenheit ein gutes Wort gefallen, das lautete: Wir haben bei der Neugestaltung weniger die Form als vielmehr den zu betreuenden Menschen zu sehen.

    (Abg. Arndgen: Sehr richtig!)

    Das scheint mir das Entscheidende zu sein.
    Wenn man sich mit der Frage beschäftigt: Wie soll es nun werden? —, dann muß man die ungeheuren Schwierigkeiten sehen, die wir zu überwinden hatten, um überhaupt die größten Notstände überbrücken zu können; die sind Ihnen ja bekannt. Sie haben die großen Gesetze gemacht, durch welche wir den 4 Millionen kriegsbeschädigten Menschen eine Lebensbasis gegeben haben. Sie haben vor einigen Monaten das Gesetz über die Erhöhung der Renten beschlossen. Es waren ganz bestimmt keine kleinen Dinge, die damals herausgekommen sind, sondern hier haben wir vom Bund soziale Verpflichtungen übernommen, wie sie früher noch niemals von einem Parlament für den Staat zu beschließen waren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Glauben Sie mir doch eines: die Menschen draußen sind nicht so, wie Herr Renner das hingestellt hat: eine Millionenmasse, die nur danach strebt, mehr zu bekommen. Nein, diese Leute wollen, soweit sie der Sozialversicherung angehören, soziale Gerechtigkeit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie wollen für ihre eigene Beitragsleistung ein Äquivalent.

    (Abg. Renner: Sie wollen leben! Satt werden, das wollen sie!)

    — Herr Kollege Renner, gehen Sie doch ruhig ins Ruhrgebiet und sprechen Sie einmal zu den alten Bergarbeitern. Die sagen Ihnen etwas ganz anderes, als Sie hier angeblich im Auftrag dieser Leute vortragen.

    (Zurufe aus der Mitte: Sehr richtig!)

    Diese Leute wissen, daß ihre Sozialversicherung ihren alten Kollegen eine Lebensbasis gibt, die weit über dem steht, was in dem Gebiet in Deutschland, wo Ihre Freunde herrschen, heute der Arbeiter in einer acht- oder zehnstündigen Arbeitszeit überhaupt verdienen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Stimmt ja gar nicht! Das ist ja dummes Zeug!)

    Darum handelt es sich, meine verehrten Damen und Herren.
    Deshalb müßten wir, wenn wir die Frage einer Studienkommission oder eines Beirats betrachten, uns immer wieder fragen: Dürfen wir das, was sich der Arbeitnehmer durch seine Beiträge und durch die Beiträge seines' Arbeitgebers als Rechtsansprüche erworben hat, in einer Studienkommission mit dem zusammenbringen, was der Staat an sozialen Verpflichtungen gegen diejenigen hat, die nicht für sich selbst sorgen konnten?

    (Abg. Albers: Sehr richtig!)

    Man sollte auseinanderhalten, wo Rechtsansprüche auf Grund eigener Leistung gegeben sind und wo der Staat dem wirtschaftlich Schwachen, der sich nicht selbst helfen kann, staatliche Hilfe geben muß. Glauben Sie mir, wir haben im letzten Jahr in meinem Ministerium an der Frage der Neugestaltung und der finanziellen Sicherstellung unserer Sozialversicherung gearbeitet. Es ist Ihnen doch allen bekannt, welche Schwierigkeiten wir mit den Besatzungsmächten gehabt haben, um das in Berlin verwaltete Vermögen wieder in deutsche Hände zu bekommen. Sie wissen, was sich dort abgespielt hat.
    Wenn wir heute die Frage zu prüfen haben, wie die kommende Sozialversicherung aussehen soll, dann sage ich Ihnen in aller Offenheit, daß wir natürlich als fortschrittliche Menschen unsere Sozialversicherung den Notwendigkeiten unserer Zeit anzupassen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber auf keinen Fall darf man einem Phantom
    nachjagen und nur sagen: Wenn man alles in einen
    Pott gebracht hat, dann sind die Dinge erledigt.
    Nein, unsere Menschen draußen wollen einfach in
    einem Kreis ihre Sicherstellung finden, den sie
    selbst übersehen können. Das ist das Entscheidende.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deshalb sollte man sich über diese Problematik heute gar nicht allzusehr unterhalten — darin gebe ich dem Herrn Kollegen Richter recht —, sondern man sollte die Frage prüfen: Ist eine Studienkommission, wie sie von der Sozialdemokratischen Partei gefordert wird, oder ein Beirat das Richtige? Wir haben unsere Arbeit im Ministerium so eingestellt, daß wir in der zweiten Hälfte dieses Jahres die Gesetzesvorlage über die Neuordnung der Sozialversicherung vorlegen wollen. Dann aber ist es meines Erachtens unmöglich, daneben eine Studienkommission des Parlaments zu haben, die meiner Ansicht nach in einem halben Jahr noch nicht ein Drittel der Dinge durchgearbeitet haben kann, die durchgearbeitet werden müssen, wenn diese Kommission dem Parlament einen geeigneten Vorschlag machen will. Darauf kommt es doch letzten Endes an. Haben wir aber in unserem Ministerium einen Beirat, so können wir mit ihm einmal die uns noch gegebenen Grundlagen behandeln. Mit dem Beirat wäre allen Ernstes die Frage zu prüfen, ob sich die Sozialversicherung überhaupt an erster Stelle an den Staat oder an die Wirtschaft zu wenden hat. Wenn man darüber hinaus die Frage der organisatorischen Gestaltung mit den Leuten, die wirklich die besten Kenner unserer Sozialversicherung sein müssen, besprechen will, dann bin ich der Meinung, daß die Zusammenarbeit zwischen einem Beirat und dem zuständigen Ministerium viel schneller zu positiven Ergebnissen führt, als wenn man eine Studienkommission einsetzt.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Herr Professor Preller, Sie wissen doch genau so gut wie ich, daß man, als damals in England der Beveridge-Plan über die Bühne ging, von der großen Konzeption, die sich dort abzeichnete, in den verschiedensten Ländern sehr stark beeindruckt war. Man hat in der Schweiz eine Studienkommission eingesetzt, um die Frage zu prüfen, ob und in welcher Form man den Beveridge-Plan für die Schweiz übernehmen könnte. Genau dasselbe haben wir in Schweden gehabt, und wenn Sie heute


    (Bundesarbeitsminister Storch)

    einmal die verantwortlichen Leute in diesen beiden Ländern fragen, dann sagen sie Ihnen, diese Studienkommissionen sind im Sande verlaufen.

    (Abg. Dr. Preller: Das stimmt ja für Schweden gar nicht! Das ist ja nicht wahr!)

    — Sie sagen, das ist nicht wahr. Herr Professor Preller, Sie wissen, daß es wahr ist; denn Sie kennen den Stand der Sozialversicherung in der Schweiz und kennen den Stand der Sozialversicherung in Schweden wahrscheinlich genau so gut wie ich.
    Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir bei unserer Arbeit schrittweise vorangehen. Wir sollten einem Beirat die Möglichkeit geben, in Verbindung mit dem Ministerium so schnell wie möglich, an einer Stelle anfangend, das ganze soziale Problem in Deutschland in eine neue Ordnung zu bringen. Ich bitte Sie daher, den einfacheren und zweckmäßigeren Weg zu gehen, und das ist der der Schaffung eines Beirates, der in engster Verbindung mit dem Ministerium bzw. mit der Regierung nachher Gesetzesvorlagen erarbeitet, die diesem Hohen Hause zur Verabschiedung vorgelegt werden können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)