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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 195. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1952 8369 195. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 8370D Autounfall des Abg. Bazille 8370D Mandatsniederlegung des unter dem Namen Dr. Franz Richter gewählten Abgeordneten Fritz Rössler 8370D Änderungen der Tagesordnung 8370D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall Kemritz (Nr. 2531 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8370D Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Nr. 3068 der Drucksachen) 8371A Ausschußüberweisung 8371A Erste Beratung des Entwurf eines Gesetzes über den Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 1951 (Nr. 3108 der Drucksachen; Umdruck Nr. 451) 8371A Ausschußüberweisung 8371B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Sander, Günther, Rademacher u. Gen. betr. Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3090, 2906 der Drucksachen; Umdruck Nr. 446) 8371B Dr. Bleiß (SPD): als Berichterstatter 8371B als Abgeordneter 8374C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 8372C Rademacher (FDP) 8373C Beschlußfassung 8375A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben der Rechtsanwältin Lammers, München, vom 4. Januar 1952 (Nr. 3119 der Drucksachen) . . 8375B Weickert (BHE-DG), Berichterstatter 8375B Beschlußfassung 8375C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1952 und 6. Februar 1952 (Nr. 3120 der Drucksachen) 8375C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8375D Beschlußfassung 8376B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen; Umdruck Nr. 455) 8376C Dr. Preller (SPD), Antragsteller . 8376C, 8392B Horn (CDU) 8380D Renner (KPD) 8383C Richter (Frankfurt) (SPD) 8385B Storch, Bundesminister für Arbeit 8386C Arndgen (CDU) 8388A Frau Kalinke (DP) 8388D Dr. Hammer (FDP) 8390B Dr. Atzenroth (FDP) 8391D Abstimmungen 8392C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kohlenförderung im Warndt (Nr. 3023 der Drucksachen) 8392D zur Sache: Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 8392D zur Geschäftsordnung: Dr. Krone (CDU) 8394C Renner (KPD) 8394D Ausschußüberweisung 8395A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über iden Antrag der Fraktion der KPD betr. Freilassung der an Frankreich ausgelieferten deutschen Staatsangehörigen, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Begleitumstände dieser Auslieferung und Schließung der Werbebüros für die Fremdenlegion usw. (Nrn. 2836, 2541 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Französische Fremdenlegion (Nr. 2851 der Drucksachen) sowie der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der Werbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst (Nr. 2967 der Drucksachen) . . . 8395A Dr. von Merkatz (DP): als Berichterstatter 8395B als Abgeordneter 8405B Fisch (KPD), Antragsteller 8396D Storch, Bundesminister für Arbeit 8399B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8400A Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 8400C Wehner (SPD) 8401B Höfler (CDU) 8404A Abstimmungen 8405D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nrn. 3056, 2577 der Drucksachen) 8405D Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 8406A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8407B Erler (SPD) 8407C Müller (Frankfurt) (KPD) 8409D Stegner (FDP) 8411A Höfler (CDU) 8411D Abstimmungen 8411D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Regelung von irregulären Besatzungsschäden (Nrn. 3057, 2709 der Drucksachen; Umdruck Nr. 457) . . . 8412A Erler (SPD): als Berichterstatter 8412A als Abgeordneter 8413D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8413C Beschlußfassung 8413D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vertrag über das Kehler Ha-. fenabkommen (Nrn. 3058, 2727 der Drucksachen) 8414A Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8414A als Abgeordneter 8417D Maier (Freiburg) (SPD) 8416A Niebergall (KPD) 8417C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß)über den Antrag der Fraktion der DP betr. Durchsuchung deutscher Wohnungen durch Angehörige der in Deutschland stationierten westalliierten Armeen (Nrn. 3059, 2874 der Drucksachen) . . . 8418D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 8418D Beschlußfassung 8419C Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 456) . 8371A, 8395A, 8405D, 8419C Beschlußfassung 8419C Nächste Sitzung 8419C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Ehlers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich darf annehmen, daß das Wort nicht gewünscht wird. — Das ist der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
    Meine Damen und Herren, ich sehe mich veranlaßt, in diesem Zusammenhang bekanntzugeben, daß der Abgeordnete Volkholz bei mir beantragt hat, seine Abwesenheit als „triftig entschuldigt" anzusehen.

    (Heiterkeit.)

    Ich habe mich nicht in der Lage gesehen, diesem Antrage zu entsprechen.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Ich rufe auf den Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1952 und 6. Februar 1952 (Nr. 3120 der Drucksachen).
    Berichterstatter ist der Abgeordnete Ritzel. — Bitte, Herr Abgeordneter!
    Ritzel (SPD) Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was ich Ihnen heute vorzutragen habe, ist auch der Ausfluß jener Zwieseler Rede, die das Hohe Haus schon wiederholt veranlaßt hat, die Immunität des Herrn Abgeordneten Volkholz aufzuheben. Es ist so, daß die Dinge erst nach und nach eingehen und daß nun durch die wiederholte Aufhebung der Immunität der Katze der Schwanz stückweise abgehackt werden muß.
    Im ganzen gesehen bin ich versucht, auch als Berichterstatter daran zu denken, daß man bei leichter Abwandlung eines berühmten Dichterwortes in bezug auf die Rede des Herrn Volkholz in Zwiesel sagen kann:
    Das ist der Fluch der bösen Tat,
    daß man vom Liebsten, was man hat,
    — dem Reden —
    fortzeugend Böses muß gebären.

    (Heiterkeit.)

    Der Herr Abgeordnete Volkholz wird von dem Herrn Oberbürgermeister Wimmer in München angezeigt, weil er in seiner berühmten Rede in Zwiesel geäußert haben soll:
    Die Unterschlagungen beim Arbeitsamt München
    — die Unterschlagungen! —


    (Ritzel)

    waren. Hochfunktionäre der SPD und da hat die Kriminalpolizei keine Untersuchungen machen dürfen.
    Durch diese Äußerungen habe der Herr Volkholz das Ansehen der städtischen Kriminalpolizei beeinträchtigt und sich damit einer Beleidigung schuldig gemacht.
    Außerdem habe der Abgeordnete Volkholz in Zwiesel angeblich geäußert:
    Sitzt man über welche zu Gericht, bei denen man ein schlechtes Urteil haben will, so wird einfach als Richter ein Jurist kurz vor der Beförderung eingesetzt, damit dann das Urteil so ausfällt, wie man es braucht. Das sind Werkzeuge der Demokratie, um schlechte Urteile zu erreichen.
    Darin wird eine Verunglimpfung und Beleidigung der gesamten Justiz erblickt. Der Ausschuß hat auf Grund der vorliegenden Unterlagen einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause aus diesem Anlaß die Aufhebung der Immunität zu empfehlen.
    Aber Punkt 2 des heutigen Gegenstandes bezieht sich auf eine andere Sache. Der Herr Oberstaatsanwalt in Deggendorf hat auf dem vorgeschriebenen Wege die Entscheidung des Bundestages darüber erbeten, ob die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Herrn Abgeordneten Volkholz und zur Verhaftung wegen Aufforderung zum Meineid sowie wegen Aufforderung zum Meineid in Tateinheit mit Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage vor Gericht in vier Fällen und wegen versuchten Betruges erteilt werden soll.
    Es handelt sich darum, daß der Herr Volkholz bezichtigt wird, vor dem Untersuchungsausschuß des bayerischen Landtages einen Zeugen namens Eßwanger zu einer unwahren Aussage veranlaßt zu haben. Weiter handelt es sich darum, daß in einer Angelegenheit Strauß contra Volkholz vor dem Landgericht in Regensburg Herr Volkholz ebenfalls Zeugen beeinflußt habe, die das auch gestanden haben. Es sind hier einzelne Namen genannt worden; ich glaube aber, wenn es nicht ausdrücklich gewünscht wird, brauche ich die Namen nicht einzeln bekanntzugeben.

    (Abg. Dr. Dresbach: Nur bayerische Belange!)

    — Ja, das sind bayerische Betreffs, womit ich um Gottes Willen nichts gegen Bayern gesagt haben möchte.

    (Heiterkeit.)

    Der Ausschuß hat auch diesen Sachverhalt pflichtgemäß geprüft und gegen eine Stimme beschlossen, dem Hohen Hause zu empfehlen, die Genehmigung zu dem Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz und zur Verhaftung zu erteilen. Ich bitte das Hohe Haus, den beiden Anträgen des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität zuzustimmen. Ich glaube aber, in Aussicht stellen zu dürfen, daß nur noch ein Fall Volkholz das Hohe Haus beschäftigen wird.

    (Zuruf links: Nur noch einer?)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 31120, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Ausschußantrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 40 Minuten und eine Aussprachezeit von 120 Minuten vor. Herr Abgeordneter Preller zur Begründung!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Preller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Zur Frage einer Sozialen Studienkommission möchte ich im voraus sagen, ich glaube, daß ich auf keinen Widerspruch in diesem Hohen Hause stoße, wenn ich zuerst einmal feststelle: die Sozialversicherung Bismarcks war eine fortschrittliche 'Leistung, und zwar eine Leistung von internationaler Bedeutung. Wir Sozialdemokraten haben sicherlich nicht vergessen, daß diese Konzeption seinerzeit innerpolitisch in einem Zusammenhang mit dem Sozialistengesetz stand. Jeder Kenner der Sozialpolitik weiß, daß die in diesem Hause mehrfach erwähnte zunächst ablehnende Haltung der Sozialdemokratie zu eben dieser Sozialversicherung in erster Linie auf dieser verhängnisvollen innerpolitischen Verknüpfung beruhte. Aber das ändert nichts an der Anerkennung dieser großen sozialen Leistung.
    Natürlich haben in den vergangenen 70 Jahren Fortentwicklungen eingesetzt, die aber leider nicht allein einen Aus- und Umbau gebracht haben; denn zwei Kriege, zwei Inflationen haben die Sozialversicherung finanziell ausgehöhlt. Vor allem dadurch hat sich der Versicherungscharakter dieser Institution stark verändert. Er ist heute zu einem beträchtlichen Teil nicht mehr vorhanden.
    Außerdem sind aber neben dieser Sozialversicherung als Kriegsfolgen weitere soziale Leistungen entstanden. Ich nenne hier vor allem die Kriegsopferversorgung und die Unterhaltshilfe der Soforthilfe. Beide gehen grundsätzlich nicht vom Versicherungsgedanken aus, und sie bilden doch einen höchst bedeutungsvollen Teil aller Rentenleistungen. Sie machen nämlich nicht weniger als knapp die Hälfte aller ausgezahlten Renten aus. 51,2 % aller Renten kommen noch aus der Sozialversicherung, aber 39,3 % aus der Kriegsopferversorgung und 9,5 % aus der Soforthilfe. Außerdem müssen noch eine ganze Reihe von Versorgungsleistungen und auch noch ein Gutteil der Leistungen der Sozialversicherung durch Fürsorgeleistungen, wie wir alle wissen, ergänzt werden.
    Aber auch die Heilversorgung, der andere große Zweig der sozialen Sicherung, wird seit langem nicht mehr allein von der Sozialversicherung getragen. Hier treten ebenfalls Einrichtungen der Versorgung, vor allem aber auch der Sozialfürsorge und der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge, ergänzend und vervollkommnend neben die Maßnahmen der Sozialversicherung.
    Dieses System der heutigen sozialen Sicherung, das aus Versicherung, aus Versorgung und Fürsorge besteht, ist mit seinen verwickelten Bestimmungen und teilweisen Überschneidungen und seinem Nebeneinander aus seiner historischen Entwicklung, zweifellos zu begreifen, und, ich glaube, wir dürfen sagen, es ist ebenso unbestritten, daß es in seinen Ausmaßen und in seinen Ergebnissen höchst beachtenswert ist, ja, daß es internationalen Rang hat. In der Praxis aber, meine Damen und Herren, kommt es nicht nur den betroffenen Arbeitnehmern, sondern auch den Experten, wie wir alle wissen, wie ein schier unübersehbares Gelände


    (Dr. Preller)

    vor, das mit einem Gestrüpp von Paragraphen und einem Labyrinth von Einrichtungen bedeckt ist.
    Überblickt man nun die literarischen und sonstigen Äußerungen zu diesem Thema in den letzten Jahren, so darf ich getrost Einmütigkeit darin feststellen, daß das Gebäude imposant ist, seine Einzelheiten aber verwirrend und dringend reformbedürftig, besonders aber seine Leistungen stark verbesserungswürdig sind.
    Worüber nun die Auseinandersetzungen gehen, ist die Art dieser Reform, insbesondere, ob diese Reform, die von allen Seiten für erforderlich gehalten wird, von der Grundidee des althergebrachten Versicherungsprinzips ausgehen und an dieses Prinzip anknüpfen soll oder ob es gilt, ein von der Wurzel her, also radikal neu überdachtes System der sozialen Sicherung aufzurichten. Meine Damen und Herren, ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß allein eine grundlegende Gesamtordnung dem starken Bedürfnis breiter Volksschichten nach sozialer Sicherung, aber auch den sozialwirtschaftlichen Erfordernissen entspricht. Jeder von uns erhält ja beinahe täglich Briefe und Zuschriften, aus denen man erkennen kann, wie der Mann und die Frau im Volke sich nicht mehr zurechtfinden, daß sie enttäuscht sind über die sozialen Leistungen, die oft ihren auch bescheidenen Ansprüchen und Bedürfnissen nicht gerecht wenden, ja, daß manche sich einem System ausgeliefert fühlen, das ihnen irgendwie fremd geworden ist, weil sie es nicht mehr begreifen und verstehen. Ob diese Leistungen auf dem Versicherungsprinzip, auf dem Versorgungprinzip oder auch auf dem Fürsorgegedanken beruhen, ist dem einzelnen gleichgültig, solange der Mann aus dem Volk nicht seinen Rechtsanspruch angetastet sieht. Jeder möchte nichts anderes als die Möglichkeit haben, in einer einfachen und übersichtlichen Weise zu überblicken, welche Ansprüche er besitzt, und jeder möchte einen für seine berechtigten Bedürfnisse ausreichenden Anspruch haben und möchte nicht einer Bedürftigkeitsprüfung ausgesetzt sein, wenn er aus seiner sozialen Lage heraus einer Sicherung bedarf.
    Ich möchte mit diesen Darlegungen zu erkennen geben, daß wir keinerlei Notwendigkeit sehen, insbesondere zwischen Versicherungs- und Versorgungsgrundsätzen irgendwelche Bordschwellen anzubringen, über die dann nicht nur der Theoretiker, sondern leider auch der Praktiker der Sozialpolitik allzugern stolpert. Ob Versicherungs-, Versorgungs- oder Fürsorgeprinzipien anzuwenden sind, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage, aber keine Grundsatzentscheidung.

    (Lebhafter Widerspruch rechts. — Zuruf rechts: Grundsatzfrage!)

    Insbesondere sollte man aber nicht in den kühnen Gedankenfehlschluß verfallen, nun generell die Versicherung mit dem individuellen Verantwortungsbewußtsein gleichzusetzen und etwa die Versorgung mit einer kollektiven Verantwortungslosigkeit, wie es ja leider öfters geschieht.

    (Zurufe rechts.)

    Im Versorgungs- wie im Versicherungssystem kann man gleichermaßen Großorganisationen errichten, Großorganisationen, die im Versicherungssystem ja nicht nur Ortskrankenkassen, sondern auch Ersatzkrankenkassen heißen können; jedenfalls Großorganisationen, zu denen der Versicherte oder der Versorgte innere Beziehungen in dem Umfange nicht besitzt, nicht besitzen kann. Aber das zweifellos sozialwirtschaftlich erwünschte, ja auch erforderliche Bewußtsein des einzelnen, daß er mitverantwortlich ist für seinesoziale Sicherung, daß er sie ialso z. B. auch nicht selbstsüchtig ausnutzen darf, kann nur durch Selbstverwaltung gerade der Versicherten oder der Versorgten selbst oder ihrer Vertreter erreicht werden,

    (Zuruf der Abg. Frau Kalinke)

    in einer Selbstverwaltung, die weitgehend bis in die unmittelbare Nähe des einzelnen dezentralisiert ist und damit, das möchte ich betonen, auch der kommunalen Mitarbeit auf diesem Gebiet neuen Auftrieb geben kann.
    Damit ist nach unserer Auffassung keineswegs eine Aufsplitterung nach Gruppen unbedingt zu verbinden. Ich meine Gruppen, die irgendwelche Sondervorteile erstreben, die ja dann nur zu Lasten der andern gehen können. Wir wünschen nicht und wir halten es für politisch nicht verantwortbar, daß durch das System der sozialen Sicherung etwa Gruppenorganismen gepflegt werden.

    (Abg. Dr. Hammer: Das halten wir für das allerbeste!)

    — Dann müssen Sie sich dazu noch äußern.
    Daß aber organisatorisch vereinfacht werden muß, wird uns ja von einer ganz anderen, nämlich für die Sozialpolitik im Grunde gar nicht verantwortlichen Stelle nahegebracht. Denn wer die Auslassungen und Unterlagen des Bundesfinanzministers in den letzten Monaten aufmerksam verfolgt hat, der konnte mit Händen greifen, daß die — zugegeben — allgemeinen Sorgen des Bundesfinanzministers und seines Ministeriums zu einem verdächtigen Interesse am sozialen Haushalt geführt haben.

    (Erneuter Zuruf der Abg. Frau Kalinke.)

    Ich denke dabei nicht allein an den Sozialstopp, der ja allgemein im Herbst angekündigt worden ist. Zu diesem Sozialstopp möchte ich nur feststellen, daß es nach Auffassung meiner Fraktion und bei aller Anerkennung der verfassungsmäßigen Rechte des Bundesfinanzministers Aufgabe des Bundestags selbst ist, zu bestimmen, wo die notwendigen Einsparungen zu machen sind oder wo Mehrausgaben zu verantworten sind, und ich freue mich, Frau Kollegin Kalinke, daß Sie hier mit dem Kopf nicken. Aber daß eine ganze Kategorie von Ausgaben wie der gesamte Posten ,,Soziale Leistungen" grundsätzlich einem Stopp der Mehrausgaben unterworfen sein soll, das kann unseres Erachtens der Bundestag nicht gutheißen; denn es geht ja hier weitgehend um Leistungen an Menschen, die keine oder gesellschaftlich nicht so kräftige Vertretungen ihrer Interessen haben wie andere Interessentenkreise.
    Auf die Zahlen selbst, auf die der Herr Bundesfinanzminister seinen Sozialstopp gründen möchte, will ich hier nicht im einzelnen eingehen; sie sind, wie 'ich an anderer Stelle begründet habe, sachlich sehr angreifbar. In diesem Zusammenhang kommt es mir darauf an, zu zeigen, daß — wie schon einmal vor 1933; die Älteren unter Ihnen werden sich ja daran erinnern — von der finanziellen Seite versucht wind, einen Einfluß nicht nur auf das Maß, sondern damit auch auf die Art der sozialen Leistungen zu nehmen. Aber ich hoffe, daß wir darin übereinstimmen, daß für die Art und das Ausmaß der sozialen Leistungen nur der sozialwirtschaftliche Effekt und nicht allein finanzpolitische Erwägungen maßgebend sein können.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß soziale Leistungen eben


    (Dr. Preller)

    keine soziale Last sind, wie sie immer wieder und meines Erachtens völlig unberechtigt auch von ministerieller Seite bezeichnet werden. Soziale Leistungen sind vielmehr soziale Investitionen für Arbeitsleistungen, von denen gerade auch die Erweiterung des Sozialprodukts selbst abhängt. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß ich mich gerade in diesem Punkt voll und ganz den Ausführungen von Herrn Staatssekretär Sauerborn anschließen kann, die er vor wenigen Wochen — und viele von Ihnen werden anwesend gewesen sein — auf der Tagung des Versicherungswissenschaftlichen Instituts der Universität Köln gemacht hat. Er hat dort sinngemäß ausgeführt, daß sich finanzielle Mehrleistungen z. B. für die rechtzeitige Erkennung von Krankheiten, wie Krebs und ähnlichen leider jetzt zu Volkskrankheiten gewordenen Erkrankungen, sozusagen hundertfach bezahlt machen in den Ersparnissen, die dadurch eintreten, daß eine sonst später notwendige Krankheitsheilung nicht durchgeführt zu werden braucht, aber auch in den volkswirtschaftlichen Leistungen, die derjenige, der nun gesund erhalten bleibt, erbringen kann, und damit — und das gilt für den Finanzminister — auch in den Steuererträgen und für die sozialen Einrichtungen in den Beiträgen zur sozialen Sicherung, die eben sonst in Fortfall kommen würden. Herr Staatssekretär Sauerborn hat dies, glaube ich, vollkommen richtig ausgeführt.
    Wir möchten nun mit unserem Antrag erreichen — und zwar insofern auch im Interesse des Finanzministeriums selbst —, daß durch eine rationellere Verwertung der verfügbaren Summen Mehrausgaben auf das sozialwirtschaftlich gerechtfertigte Maß gebracht werden.
    Wie die unter diesen Umständen erforderliche Neuordnung eines Systems der sozialen Sicherung nach unserer Auffassung aussehen sollte, kann ich hier im Rahmen der verfügbaren Zeit nur andeuten. In erster Linie scheint es uns dringend geboten — und ich darf erwähnen, daß wir uns hier in Übereinstimmung mit namhaften Sachkennern auch nichtsozialistischer Provenienz befinden —, daß die sozialen Leistungen in einigen wenigen Gruppen zusammengefaßt werden. Als solche möchte ich in erster Linie kennzeichnen die Leistungen für die Jugend — ich meine hier die Kinderbeihilfen —, aber auch die Maßnahmen für die Ausbildung und Unterbringung der Jugend im Arbeitsprozeß und im Wirtschaftsprozeß. Aber darüber sprechen wir ja noch an anderer Stelle bei den Kinderbeihilfen.
    Zweitens aber scheint es uns erforderlich zu sein, im Falle einer vorübergehenden Erwerbsminderung, d. h. also bei Krankheit, bei Unfall, Mutterschaft und ähnlichen vorübergehenden Erwerbsminderungen Leistungen einheitlicher Art zu schaffen. Bei diesen Leistungen sollte man auch organisatorisch unterscheiden zwischen der wirtschaftlichen Hilfe, also dem Ausgleich für den irgendwie entgangenen Verdienst auf der einen Seite und den sogenannten Sachleistungen, also der ärztlichen Versorgung, der Versorgung mit Medikamenten, mit Heilmitteln usw. auf der anderen Seite. Diese beiden Gruppen sollten im Interesse der Erhaltung und der Förderung der Leistungskraft in jedem Falle in gleicher Qualität und in dem zeitlich erforderlichen Ausmaß gegeben werden. Aussteuerungen sollten also nach Möglichkeit fortfallen. Ich möchte sagen, daß wir insonderheit bei dieser Gruppe großen Wert auf die vorbeugenden Maßnahmen legen. Z. B. wird im Interesse der Unfallverhütung an eine Anlehnung an das Prinzip zu denken sein, das heute bereits in der Unfallversicherung gilt.
    Drittens handelt es sich um Leistungen im Falle dauernder Erwerbsminderung, d. h. also einmal der vollen Erwerbsunfähigkeit oder des Alters oder der teilweisen Erwerbsunfähigkeit. Hier geht es also um die Gewährung von Renten einschließlich der Renten für Hinterbliebene. Ich möchte zunächst einmal keinen Zweifel daran lassen, daß uns eine durchgreifende, eine wahrhaft vorbeugende Heilversorgung im Sinne der eben genannten zweiten Gruppe die Voraussetzung für die Eindämmung vorzeitiger Invalidität zu sein scheint. Sie ist sowohl volkswirtschaftlich als auch menschlich erforderlich. Wo aber Renten zu gewähren sind, meine Damen und Herren, müssen diese vom gerechtfertigten Bedarf des Rentners ausgehen, also für ein menschenwürdiges, aber sehr bescheidenes Dasein wirklich ausreichend sein. Niemand sollte künftig noch Renten aus verschiedenen Quellen zu beziehen brauchen. Das scheint uns erforderlich zu sein.
    Wir haben in der vorvergangenen Woche diese bedauerliche Debatte über die sogenannte Rentensucht gehabt. Der darin enthaltene Vorwurf gegen die Rentner selbst war meines Erachtens fehl am Platze. Er traf nämlich den Kern der Sache nicht. Wenn wir aber dieses Kernproblem herauszuschälen versuchen, dann stellen wir fest, daß es doch darin besteht, daß Menschen in Not mit nicht ausreichenden Renten unter den heutigen Umständen genötigt werden, sich unter den vielerlei legalen Rentenmöglichkeiten nach einer Erweiterung ihres Einkommens und ihrer Einnahmequellen umzusehen.
    Das gilt in einem gewissen Umfang auch für die Bezieher von Teilrenten. Vor allem dann, wenn diese Teilrentner körperlichen Schaden haben, sind für sie, auch wenn sie arbeitswillig sind, heute überall dort, wo größere Arbeitslosigkeit herrscht, vor allen Dingen am Ostrande unserer Bundesrepublik, wie wir alle wissen, die Arbeitsmöglichkeiten sehr beschränkt. Es liegt nicht nur im Interesse unserer Sozialwirtschaft, sondern vor allen Dingen im Interesse der körperlich Beschädigten selbst, daß durch das System unserer Sozialleistungen dieser Arbeitswille erhalten und gefördert wird. Ich glaube, auch darin stimmen wir überein,
    Ich möchte also zusammenfassend sagen: Renten sollten ausreichend sein. Ich möchte dazu aber noch ausdrücklich bemerken, daß auch nach unserer Auffassung damit niemand gehindert sein soll und wird, sich durch eigene Vorsorge, also insbesondere durch Selbstversicherung, Mehrleistungen über diese von dem System der sozialen Sicherung gewährleisteten Renten hinaus zu sichern.
    Eine der wichtigsten Grundlagen des Systems der Sozialleistung stellt sich uns in der Beseitigung der Arbeitslosigkeit dar. Auch hier brauche ich nur zu erwähnen, daß wir Sozialdemokraten, wie Sie alle wissen, auf diesem Gebiet eine Politik der Vollbeschäftigung für dringend notwendig halten. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, daß der Bundestag selbst den damaligen Straßburger Vorschlägen für eine Vollbeschäftigung zugestimmt hat. Aber wesentlich erscheint mir, daß diese vierte Gruppe von Maßnahmen der sozialen Sicherung geeignet ist, bedeutende finanzielle Ersparnisse im Interesse der anderen sozialen Leistungen zu erbringen. Meine Damen und Herren, wir geben heute rund 2 Milliarden Mark für die


    (Dr. Preller)

    Arbeitslosenhilfe aus, teils aus Steuermitteln, teils aus Beiträgen. An deren Stelle können bei Beschäftigung der Arbeitslosen zu einem großen Teil produktive Leistungen und damit eine Erhöhung des Sozialprodukts sowie die vorhin bereits erwähnte Vermehrung der Steuer- und Beitragseinnahmen treten. Gerade dies letztere ist für eine finanzielle Sicherung eines umfassenden Sozialplans unseres Erachtens überaus wichtig.
    Zu dieser Frage der Finanzierung möchte ich, so wichtig sie ist, hier nur kurz darlegen, daß nach unseren Vorstellungen auch künftig Abgaben von den Einkommenbeziehern und auch von den Bruttolohnsummen der Unternehmungen in gleicher Höhe wie bisher verlangt werden sollen. Daneben werden natürlich auch finanzielle Leistungen der öffentlichen Hand erforderlich sein, wahrscheinlich in etwa dem gleichen Umfange, wie sie heute von Bund, Ländern und Gemeinden erstellt werden müssen.
    Ein besonderes Problem, das ich hier noch ansprechen muß, ist das des Personenkreises, der von einem System der sozialen Sicherung erfaßt werden sollte. Wir haben erlebt, daß Menschen, die früher auf eigene Vorsorge angewiesen waren, also für das System der allgemeinen sozialen Sicherung selbst keine Beiträge geleistet haben, heute Anspruch auf öffentliche Hilfe erheben und diese auch in Anspruch nehmen müssen. Aus diesem Grunde ist nach unserer Auffassung der Personenkreis für ein System der sozialen Sicherung so umfassend wie nur möglich zu umreißen. Es gilt, hier eine breite Solidarität der sozialen Sicherheit zu schaffen. Ich weiß, daß gerade in diesen Fragen sehr starke Meinungsverschiedenheiten bestehen und daß sich auf diesem Feld leider auch einige Interessentengruppen tummeln. Aber ich glaube, in einer so wichtigen Frage sollte es keine Sonderinteressen geben. Hier sollte man nur das gesamtdeutsche Interesse gelten lassen.
    Nachdem ich in diesen vier Punkten unsere Auffassung über die Schaffung eines Systems der sozialen Sicherung dargelegt habe, darf ich schließlich noch darauf hinweisen, daß damit auch die Fürsorge von Aufgaben befreit werden könnte, die sie heute zur Ergänzung unzureichender Leistungen von Sozialversicherung und Versorgung durchführen muß. Ich glaube, die echten individualfürsorgerischen Aufgaben, die zur Zeit im Drange dieser anderweitigen Verpflichtungen der Fürsorge, wie wir alle wissen, leider viel zu kurz kommen, könnten damit wieder auf ihren rechtmäßigen Platz in der Fürsorge gebracht werden.
    Meine Damen und Herren, ich habe nur einige der Überlegungen andeuten können, die wir hinsichtlich der Inangriffnahme eines derartigen Sozialplans angestellt haben. Ich möchte gar nicht verhehlen: wir wissen genau, daß hinter jedem einzelnen Wort, das ich hier gesprochen habe, eine Problematik steht. Wir wissen auch, daß die Auffassungen darüber, wie das kommende System einer sozialen Sicherung aussehen soll, in diesem Hause recht verschieden sind. Aber eins erscheint uns, und ich hoffe, auch Ihnen, dringend geboten zu sein, nämlich daß wir unsere sozialen Leistungen überprüfen und dabei das Ziel verfolgen, im Interesse der Empfänger sozialer Leistungen eine Gesamtneuordnung herbeizuführen, die nach unserer Meinung grundlegend und das gesamte System umfassend sein muß.
    In unserem Antrag Drucksache Nr. 3024 schlagen wir aus diesem Grunde vor, diese Aufgabe durch
    ein Gremium von Sachverständigen durchführen zu lassen, Sachverständige, die vom Bundestag berufen werden. Sie haben das System unserer sozialen Leistungen zu untersuchen mit dem Ziel, dem Bundestag einen Gesamtsozialplan vorzulegen. Nach unserer Auffassung ist die Einsetzung einer solchen Kommission Aufgabe des Bundestags. Er selbst muß bestimmen, welche Sachverständige dort arbeiten sollen. Dabei möchten wir den Fraktionen — nach dem bekannten Schlüssel der Bundestagsausschüsse — das Benennungsrecht zuerkennen. Ich möchte aber ebenso deutlich sagen, daß selbstverständlich der Grundsatz der Berufung unabhängiger Sachverständiger gewahrt bleiben muß. Jede Fraktion kennt hervorragende Sachkenner, die ihr geeignet erscheinen werden, diese, wie wir zugeben, sehr schwierige Aufgabe zu übernehmen. Diese Sachkenner werden sich der ihnen gestellten Aufgabe sehr intensiv und, wie ich glaube, unter Hintansetzung anderer Aufgaben, etwa beruflicher Art, zu widmen haben, so daß z. B. auch eine Vergütung für den Ausfall anderweitiger Einnahmen in Betracht zu ziehen sein wird. Schon aus dem letztgenannten Grunde, aber auch, weil sie sehr viel Zeit dafür anwenden müssen, sollten nach unserer Auffassung nicht Abgeordnete, sondern anderweitige Experten in diese Studienkommission berufen werden. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Kommission dann Bundestags- und andere Abgeordnete als Sachverständige hört; ja, wir glauben, daß das notwendig sein wird.
    Um dieser Studienkommission die erforderlichen Arbeitsmöglichkeiten zu geben, soll sie nach Ziffer 3 unseres Antrages, ähnlich wie die Bundestagsausschüsse dies auch haben, die Möglichkeit haben, sich aller amtlichen und sonstigen Unterlagen zu bedienen sowie Sachverständige und Bedienstete der öffentlichen Verwaltung und der Körperschaften anzuhören.
    Damit die Unabhängigkeit dieser Kommission gewahrt bleibt, soll sie sich ihre Geschäftsordnung selbst geben, und sie soll auch ihre Vorsitzenden aus ihren Reihen selbst wählen.
    Wir verhehlen uns nicht, daß die Wahl der Vorsitzenden und deren Sachverständnis, Selbständigkeit und Unabhängigkeit die Voraussetzung des Gelingens der Arbeiten dieser Studienkommission ist, und wir glauben, daß die Fraktionen, wenn unser Antrag angenommen wird, diesem Umstand auch schon bei der Auswahl der Mitglieder der Kommission Rechnung tragen sollten.
    Es wird weiterhin notwendig sein, daß die Kommission sich ein eigenes Büro schafft. Das kann klein gehalten sein, wenn es nur qualitativ gut besetzt ist; aber hierauf wird bei der Bereitstellung der Mittel zu achten sein, und da wir der Auffassung sind, daß die Kommission ab 1. April 1952 ihre Arbeiten aufnehmen sollte, müssen die Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Es ist Aufgabe des Haushaltsausschusses, dann eine Vorwegbewilligung vorzunehmen, und ich darf gerade in diesem Punkte an den Bundesfinanzminister noch einmal einen Appell richten — da, wie wir glauben, die Errichtung dieser Kommission auch in seinem eigenen Interesse liegt —, sich hier als gebefreudig zu erweisen.
    Meine Damen und Herren, es ist uns allen klar, daß die Arbeit einer solchen Studienkommission alles andere als leicht sein wird. Sie wird von einem großen wissenschaftlichen Ernst und von sozialwirtschaftlichem Verantwortungsbewußtsein getragen sein müssen. Selbstverständlich wird für


    (Dr. Preller)

    ihre Arbeit eine gewisse Zeit erforderlich sein. Sie sollte aber nach unserer Auffassung nicht allzu lange dauern, und wir würden — ohne daß wir das im Antrag geschrieben haben — vorschlagen, daß die Kommission spätestens am Ende dieses Jahres ihr Resultat diesem Hause vorlegt. Der Bundestag wird sich dann von sich aus schlüssig werden müssen, welche gesetzgeberischen Folgerungen er aus dem Material der Studienkommission ziehen will.
    Lassen Sie mich abschließend noch einmal betonen, daß einer solchen Sozialen Studienkommission eine Aufgabe zufällt, deren Gewicht, glaube ich, überhaupt nicht überschätzt werden kann. Wir wissen genau, daß zur Sozialpolitik mehr als die soziale Sicherung gehört. Aber die turbulenten Ereignisse der letzten Jahrzehnte haben, wie wir alle wissen, die Sehnsucht, ja das echte Bedürfnis nicht nur der Arbeitnehmer, sondern darüber hinaus auch des Mittelstandes zum mindesten danach anwachsen lassen, in den Zufällen des Lebens, nämlich dann, wenn die Not an die Türe pocht, nicht schutzlos dazustehen. Bittere Erfahrungen auf allen diesen Gebieten haben allen diesen Schichten gezeigt, daß die eigene Vorsorge nicht ausgereicht hat, nicht ausreichen konnte und daß die Allgemeinheit hier eintreten mußte und muß. Ich darf betonen, daß es gar nicht einmal so sehr der Staat ist, von dem diese Hilfe erwartet wird, sondern daß es die Gemeinschaft aller Volksglieder ist, die hier solidarisch einstehen muß, wenn die Kraft des Einzelnen erlahmt. Alle diese Menschen, die heute so verbittert sind, die heute in großer Sorge sind, die heute vielfach in einer unvorstellbaren Not leben, die seit Jahren mehr als dürftig ihr Dasein fristen, Hunger und Elend erleben — sie werden ihre Hoffnung auf die Arbeit einer solchen Kommission setzen. Aber in anderer Weise werden auch die Sachkenner ihre Hoffnungen darauf setzen, nämlich jene Sachkenner, die heute praktisch das durchzuführen haben, was durch unsere sozialen Leistungen gegeben wird, und die ja die Mängel und Schwächen bei jeder Auszahlung, bei jeder Auskunft schmerzlich spüren. Wir glauben, daß nur eine unbefangene, ganz unvoreingenommene Prüfung der Verhältnisse und nur der Wille zu einer tiefgreifenden, grundlegenden Neuordnung dieses Verlangen und diese Hoffnungen erfüllen können.
    Ich darf noch darauf hinweisen, daß die deutsche Bevölkerung mit diesem Verlangen nicht allein steht. Das Internationale Arbeitsamt hat 1951 in eingehenden Beratungen Vorschläge für ein Übereinkommen über Mindestnormen der sozialen Sicherung ausgearbeitet — Vorschläge, die eine der Grundlagen der Arbeiten der Sozialen Studienkommission sein könnten, neben den Studien, die wahrscheinlich auch in gewissen anderen Ländern, wie Skandinavien oder England, getrieben werden müssen. An diesen internationalen Arbeiten kann sich die Studienkommission urn so mehr orientieren, als die deutsche Bundesregierung nach ihrer Aufnahme in das Internationale Arbeitsamt eben diesen Vorschlägen zugestimmt hat. Auch der Bundestag hat — daran darf ich erinnern — im November 1950 den Empfehlungen der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation von Philadelphia durch Beschluß beigepflichtet. Wir können also feststellen, daß der Bundestag mit der Einsetzung einer solchen Kommission und mit der Bezeichnung ihrer Aufgabe im Sinne der Ziffer 2 unseres Antrages nur Beschlüsse fortsetzen würde, an die er
    selbst, an die aber auch die Bundesregierung sich bereits gebunden hat.
    Wir leben in einer unruhevollen Zeit, in einer Zeit der Unsicherheit. In einer solchen Zeit ist die soziale Sicherung, wie wir alle wissen, eine eminent politische Aufgabe. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß etwa 5 bis 6 Millionen Menschen in Deutschland heute allein von Unterstützungen und Renten leben müssen und daß weitere etwa 7 Millionen Menschen neben sonstigen Einkommen auf Renten und Unterstützungen angewiesen sind. Die soziale Sicherung, das darf man wohl sagen, ist heute einer der Grundpfeiler der sozialen Stabilität unserer Bundesrepublik. Bei der Debatte über den Wehrbeitrag in der vorvergangenen Woche haben wir Sozialdemokraten, aber auch der Herr Bundeskanzler selbst, gerade auf die grundlegende Bedeutung der sozialen Sicherung für die Festigung der Stellung unseres Landes in den großen weltpolitischen Auseinandersetzungen hingewiesen. Die nächsten Jahre werden vom deutschen Volke große Anstrengungen verlangen. Sie werden viel leichter gemeistert werden können, wenn der Gesetzgeber alles tut, um das System der sozialen Leistungen für jeden verständlich aufzubauen. Die Leistungen müssen übersichtlich geordnet sein, sie müssen gerecht verteilt sein, sie müssen ausreichend sein.
    Insgesamt gilt es also, ein Werk zu schaffen, das dazu beitragen soll, das deutsche Volk gesund zu erhalten, den sozialen Frieden zu sichern, den Lebensabend unserer Invaliden und Alten zufriedenstellend und auskömmlich zu gestalten. Wir verkennen nicht — und niemand in diesem Hause tut dies —, daß Deutschland in den Jahrzehnten seit der Einführung der Sozialversicherung sehr Großes auf diesem Gebiete geleistet hat. Aber der Wandel der Zeit verlangt auch von uns eine Umstellung. Klar und einfach soll die neue Ordnung der sozialen Sicherung sein. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen und damit den Grundstein für ein wirklich vorbildliches Werk unserer jungen deutschen Demokratie zu legen.

    (Beifall bei der SPD.)