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ID0119505000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 195. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1952 8369 195. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 8370D Autounfall des Abg. Bazille 8370D Mandatsniederlegung des unter dem Namen Dr. Franz Richter gewählten Abgeordneten Fritz Rössler 8370D Änderungen der Tagesordnung 8370D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall Kemritz (Nr. 2531 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8370D Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Nr. 3068 der Drucksachen) 8371A Ausschußüberweisung 8371A Erste Beratung des Entwurf eines Gesetzes über den Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 1951 (Nr. 3108 der Drucksachen; Umdruck Nr. 451) 8371A Ausschußüberweisung 8371B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Sander, Günther, Rademacher u. Gen. betr. Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3090, 2906 der Drucksachen; Umdruck Nr. 446) 8371B Dr. Bleiß (SPD): als Berichterstatter 8371B als Abgeordneter 8374C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 8372C Rademacher (FDP) 8373C Beschlußfassung 8375A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben der Rechtsanwältin Lammers, München, vom 4. Januar 1952 (Nr. 3119 der Drucksachen) . . 8375B Weickert (BHE-DG), Berichterstatter 8375B Beschlußfassung 8375C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1952 und 6. Februar 1952 (Nr. 3120 der Drucksachen) 8375C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8375D Beschlußfassung 8376B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen; Umdruck Nr. 455) 8376C Dr. Preller (SPD), Antragsteller . 8376C, 8392B Horn (CDU) 8380D Renner (KPD) 8383C Richter (Frankfurt) (SPD) 8385B Storch, Bundesminister für Arbeit 8386C Arndgen (CDU) 8388A Frau Kalinke (DP) 8388D Dr. Hammer (FDP) 8390B Dr. Atzenroth (FDP) 8391D Abstimmungen 8392C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kohlenförderung im Warndt (Nr. 3023 der Drucksachen) 8392D zur Sache: Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 8392D zur Geschäftsordnung: Dr. Krone (CDU) 8394C Renner (KPD) 8394D Ausschußüberweisung 8395A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über iden Antrag der Fraktion der KPD betr. Freilassung der an Frankreich ausgelieferten deutschen Staatsangehörigen, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Begleitumstände dieser Auslieferung und Schließung der Werbebüros für die Fremdenlegion usw. (Nrn. 2836, 2541 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Französische Fremdenlegion (Nr. 2851 der Drucksachen) sowie der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der Werbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst (Nr. 2967 der Drucksachen) . . . 8395A Dr. von Merkatz (DP): als Berichterstatter 8395B als Abgeordneter 8405B Fisch (KPD), Antragsteller 8396D Storch, Bundesminister für Arbeit 8399B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8400A Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 8400C Wehner (SPD) 8401B Höfler (CDU) 8404A Abstimmungen 8405D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nrn. 3056, 2577 der Drucksachen) 8405D Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 8406A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8407B Erler (SPD) 8407C Müller (Frankfurt) (KPD) 8409D Stegner (FDP) 8411A Höfler (CDU) 8411D Abstimmungen 8411D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Regelung von irregulären Besatzungsschäden (Nrn. 3057, 2709 der Drucksachen; Umdruck Nr. 457) . . . 8412A Erler (SPD): als Berichterstatter 8412A als Abgeordneter 8413D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8413C Beschlußfassung 8413D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vertrag über das Kehler Ha-. fenabkommen (Nrn. 3058, 2727 der Drucksachen) 8414A Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8414A als Abgeordneter 8417D Maier (Freiburg) (SPD) 8416A Niebergall (KPD) 8417C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß)über den Antrag der Fraktion der DP betr. Durchsuchung deutscher Wohnungen durch Angehörige der in Deutschland stationierten westalliierten Armeen (Nrn. 3059, 2874 der Drucksachen) . . . 8418D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 8418D Beschlußfassung 8419C Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 456) . 8371A, 8395A, 8405D, 8419C Beschlußfassung 8419C Nächste Sitzung 8419C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten habe ich über die Drucksachen Nrn. 2836 und 2541 zu berichten. Der Ausschuß hält es angesichts der Wichtigkeit des Gegenstandes für geboten, daß ein genauer schriftlicher Bericht abgesetzt wird, der noch mit dem Vorsitzenden des Ausschusses abzustimmen ist. Ich darf mich daher heute auf einige wesentliche Punkte, die zum Gegenstand der Verhandlung gehören, beschränken.
    Zunächst ist auf folgenden Tatbestand hinzuweisen. Am 22. Juni 1951 sind in Berlin die ehemaligen Fremdenlegionäre Siegfried Richter und Heinz Müller und am 23. Juni 1951 die ehemaligen Fremdenlegionäre Jack Holst enPlichter und Martin Dutschke auf Grund einer nicht näher begründeten Weisung einer Besatzungsmacht von der Polizei festgenommen worden. Vier weitere ehemalige Fremdenlegionäre befinden sich in Haft, nämlich Friedrich Sleutz, Gerhard Wolter, Borchert und Hastreiter. Im Kontumazialverfahren sind gegen Friedrich Sleutz und Gerhard Wolter vor dem Kriegsgericht in Indochina je 20 Jahre Einschließung und gegen Borchert die Todesstrafe verhängt worden. Mit der Festnahme dieser ehemaligen Fremdenlegionäre fällt dieses Urteil fort, und neue Verfahren sind anhängig.
    Die verhafteten ehemaligen Fremdenlegionäre sind zum Teil nach Landau, zum Teil nach Oran überführt worden. Nach Oran überführt wurden nach den bisherigen Feststellungen Holsten, Müller, Richter und Hastreiter. Ein Teil der Fremdenlegionäre ist an Malaria tropica erkrankt. Diese acht Legionäre, deren Verhaftung nachweisbar ist, gehören einer Gruppe von, wie es heißt, insgesamt 69 Legionären an, die nach ihren Angaben in die Kriegsgefangenschaft der Vietnam-Truppen gefallen, von dort über China und die UdSSR ausgetauscht und dann aus propagandistischen Gründen nach Deutschland entlassen worden sind.

    (Lachen bei der KPD.)

    Die Berliner Fälle der Festnahme lassen erkennen, daß diesen ehemaligen Legionären nach eidesstattlicher Erklärung von Angehörigen von der britischen Besatzungsmacht Zusicherungen gemacht worden sind, sie hätten keine Verhaftung zu befürchten. Dennoch ist die Festnahme erfolgt. Soweit der Tatbestand.
    Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat sich mit dem Sachverhalt gründlich beschäftigt und im Rahmen einer Sitzung in Berlin Erhebungen bei der dortigen Polizei durch drei Beauftragte des Ausschusses angestellt. Die Erhebungen haben zu dem Ergebnis geführt, daß die Berliner Polizei bei Vollzug der Weisungen der Besatzungsmacht keinerlei Verschulden trifft. Die Festnahmen beruhten auf einer Anweisung der Besatzungsmächte derart, daß die deutsche, d. h. die Berliner Polizei wie ein Hilfsorgan der Besatzungsmächte tätig werden mußte. Eine Nachprüfung des Tatbestandes hat ergeben, daß die Polizei weder wußte noch aus den Umständen entnehmen konnte, aus welchen Gründen diese Verhaftung — es handelt sich in der deutschen Ebene lediglich um eine technische Festnahme — vorgenommen werden mußte. Nach Lage der Dinge und nach der Praxis in Berlin war das nicht möglich. Die Heranziehung von deutschen Polizeiorganen für solche Festnahmen, bei denen nichts weiter als die Weisung erteilt wird, eine Person aus Sicherheitsgründen festzunehmen, stützt sich auf drei Instrumente des für Berlin geltenden Besatzungsrechts, nämlich das sogenannte Kleine Besatzungsstatut Berlin, das im Verordnungsblatt vom 18. Mai 1949 auf Seite 151 veröffentlicht worden ist und einer Order der Alliierten Kommandantur vom 17. Juni 1949 betreffend Überwachung der Berliner Polizei vom 7. Juli 1949 und ferner auf die Abänderungsurkunde vom 7. März 1951 zur Erklärung über die Grundsätze vom 14. Mai 1949. Die eingehende Prüfung des Tatbestandes hat, wie gesagt, ergeben, daß die Berliner Polizeiorgane im Rahmen ihrer durch das Besatzungsrecht ihnen auferlegten Pflicht gehandelt haben und daß sie keinerlei Verschulden trifft, etwa eine Nachprüfung der Umstände unterlassen zu haben. Wegen der Einzelheiten dieses Tatbestandes, insbesondere im Hinblick auf das von der Berliner Polizei aufgestellte Protokoll, darf auf den schriftlichen Bericht verwiesen werden.
    Hinsichtlich der rechtlichen Fragen ist folgendes auszuführen: Der Ausschuß hatte zunächst zu prüfen, ob seine Zuständigkeit gegeben war. Die Bundesrepublik kann ihre Befugnis zur Befassung mit dieser Angelegenheit daraus herleiten. daß sie gegenüber den westlichen Besatzungsmächten und allen Staaten, die Beziehungen zur Bundesrepublik aufgenommen haben, die Interessen eines jeden deutschen Staatsangehörigen vertreten muß. Hier-


    (Dr. von Merkatz)

    zu ist zu bemerken, daß die Legionäre noch deutsche Staatsangehörige sind. Nach § 28 des Reichs und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 konnte Deutschen, die in fremde Staatsdienste getreten waren, die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden. Derartige Beschlüsse sind aber gegen die Legionäre nicht gefaßt worden und wären jetzt auch mit Art. 16 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar.
    Dann kommt noch das weitere Problem der Werbung für die Fremdenlegion überhaupt. Kriegsgefangene dürfen nicht in die Wehrmacht des Haltestaates eingereiht werden. Jedoch ist die Praxis leider im Hinblick auf die sogenannten Freiwilligenmeldungen sehr großzügig geworden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wieweit die Meldungen der in französischer Kriegsgefangenschaft befindlichen ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS diesen Anforderungen entsprechen, muß im Einzelfall geklärt werden. Die Werbung für fremde Truppen wird normalerweise von keinem Staat auf seinem Boden gestattet. Die entsprechenden deutschen Strafbestimmungen sind aber durch Kontrollratsgesetz außer Kraft gesetzt worden. Es ist hier zu fordern, daß nach der Abschaffung des Besatzungsrechts derartige Vorschriften wieder erlassen werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Allgemeines Völkerrecht steht der Werbung sonst nicht entgegen.
    Im Bundesgebiet wäre gegen die Auslieferung von Legionären an Frankreich ein Einwand aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes herzuleiten. Die Alliierten haben das Grundgesetz genehmigt, wobei strittig ist, ob es auch gegen die Besatzungsmacht selbst angerufen werden kann. Diese Streitfrage kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Ziffer 6 des Besatzungsstatuts gewährleistet, daß die Besatzungsbehörden gewisse Grundrechte garantieren. Die von der Besatzungsmacht garantierten Grundrechte sind im Zusammenhang mit Art. 16 des Grundgesetzes so auszulegen, daß eine Auslieferung an das Ausland nicht zulässig ist. Die Besatzungsmächte werden sich hierbei weder auf Ziffer 2 c, auswärtige Angelegenheiten, noch auf Ziffer 2 e, Schutz der alliierten Streitkräfte, berufen können, da es sich nicht um die Sicherheit der Besatzungstruppen, sondern eines anderen, in einem anderen Erdteil stationierten Truppenteils handelt.
    Das Auslieferungsverbot eigener Staatsangehöriger findet sich zwar in sehr vielen Verfassungen; aber auch dieses Verbot gehört nicht zum allgemeinen Völkerrecht. Es beruht auf einer neueren Rechtsentwicklung. Leider ist diese Entwicklung nicht in den Menschenrechten der Vereinten Nationen und in der Konvention der Menschenrechte des Europarats verzeichnet worden.
    Nun haben sich diese Vorfälle in Berlin zugetragen. Nach Art. 1 Abs. 3 der Berliner Verfassung vorn 1. September 1950 sollten die Grundrechte des Bonner Grundgesetzes auch in Berlin gelten. Diese Bestimmung ist aber von den Westalliierten für Berlin „zurückgestellt" worden. In den eigenen Grundrechten der Berliner Verfassung steht das Auslieferungsverbot nicht. Dennoch stellt sich der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten einmütig auf den Standpunkt, daß nach der gesamten Vorgeschichte und nach der Entwicklung, die diese Rechte genommen haben, hier so zu verfahren ist, als ob diese Vorkommnisse - wie das
    auch bei einigen der Legionäre offenbar der Fall zu sein scheint — in dem durch Besatzungsrecht eingeengten Geltungsbereich des Grundgesetzes geschehen wären. Auch zu den Rechtsfragen werden Einzelheiten dem schriftlichen Bericht des Ausschusses vorbehalten.
    Mir ist es als Berichterstatter nicht vergönnt, und es gehört nicht zur parlamentarischen Sitte, angesichts dieses 'überaus ernsten Tatbestandes andere als sehr nüchterne juristische Begriffe zu verwenden. Ich möchte damit keinen falschen Eindruck entstehen lassen und nicht verhehlen, daß den Ausschuß bei der Prüfung dieser Vorgänge außerordentlich ernste und tiefgreifende Erwägungen beseelt haben, für die es auch eine stärkere Ausdrucksform geben könnte. Aber das ist nicht Sache des Berichterstatters.
    Der Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, folgenden Beschluß anzunehmen:
    1. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag Auskunft zu geben, in welchen Fällen ihr eine von der Besatzungsmacht veranlaßte Verhaftung deutscher Staatsangehöriger, die sich in eine Fremdenlegion verpflichtet hatten, bekannt geworden ist.
    2. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag Auskunft zu geben, welche Schritte sie unternommen hat, um die Freilassung von deutschen Staatsangehörigen, die auf Grund ihrer Fremdenlegionsverpflichtung verhaftet worden sind, aus dem Gewahrsam fremder Mächte zu erwirken.
    3. Die Bundesregierung wird ersucht, das Verbot der Werbung für fremden Militärdienst und der Übernahme von Verpflichtungen zur Dienstleistung in Fremdenlegionen wiederherzustellen und wegen der Wiederherstellung dieses Rechtszustandes in Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren einzutreten.
    4. Die Bundesregierung wird ersucht, im Einvernehmen mit dem Senat des Landes Berlin darauf hinzuwirken, daß dieser Rechtszustand
    auch in bezug auf Berlin Anerkennung findet.
    Ich darf abschließend bemerken, daß es hohe Zeit ist, diesen anomalen Rechtszustand in Deutschland endgültig zu beenden.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf Punkt 9 c der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD
betreffend französische Fremdenlegion (Nr. 2851 der Drucksachen).
Wer begründet diesen Punkt? - Begründen Sie auch 9 d?

(Abg. Fisch: Nein!)

Das Wort zur Begründung des Punktes 9 c hat der Abgeordnete Fisch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ging eine erschütternde Nachricht durch die deutsche Presse. 28 200 deutsche Fremdenlegionäre seien bis zum jetzigen Zeitpunkt in Indochina gefallen. Die Zahl der Gefallenen ist in Wirklichkeit bedeutend höher. Hinzu kommen Tausende von jungen Menschen, die dort zu Krüppeln geschossen worden sind oder Opfer des mörderischen Klimas und der Mißhandlungen durch die Offiziere der französischen Kolonialarmee geworden sind,


    (Fisch)

    Was sind das für Menschen? — Das sind junge Menschen, die über die offiziellen Werbebüros gewisser Besatzungsmächte, über Sammellager und Nachschubzentralen für Menschenware wie z. B. in Holderstock bei Offenburg in den Tod geschickt worden sind. Es sind Menschen, die auch auf dem Wege über Werbebüros anderer ausländischer Staaten auf deutschem Boden diesem Schicksal entgegengeschickt worden sind, so z. B. von Holland, dessen Werber ihre Tätigkeit selbst in deutschen Arbeitsämtern in Räumen ausüben, die ihnen von deutschen Behörden für dieses verbrecherische Tun offiziell zugewiesen worden sind.
    Aber die Frage „Was sind das für Menschen?" ist nicht mit der lächerlichen Behauptung abzutun, das seien Menschen, die Lust auf Abenteuer hätten. Das sind Menschen, die die Not getrieben hat, das Schicksal der Arbeitslosigkeit, die Verzweiflung, das Gefühl, keine Chance zu haben, in diesem Staat einen ordentlichen Beruf zu erlernen. Allerdings: dieses System hier hat kein Interesse daran, der Jugend die Möglichkeit zu ordentlicher beruflicher Leistung zu geben, zum Studium und zu sozialem und kulturellem Aufstieg. Hier diese Regierung spekuliert allein darauf, daß die jungen Menschen keine Arbeit haben, keinen Lebenssinn in diesem Dasein empfinden, weil sie meint, daß sie dann eher bereit seien, die Uniform und die Marschstiefel anzuziehen und einem neuen Gestellungsbefehl Folge zu leisten.

    (Zuruf aus der Mitte: Denken Sie an die Volkspolizei!)

    Meistens sind es ganz junge Menschen. Einer von ihnen schrieb am 6. November 1951 aus Sétif in Nordafrika einen Brief, der mir vorliegt, in dem es unter anderem heißt:
    Mutter, ich sage Dir ehrlich, es ist jetzt schlimm hier. Von 100 Mann kommen 5 wieder. Hier geht es noch. Aber in Indochina! Komme ich gesund zurück, dann will ich Dir tausendmal danken; denn jetzt weiß ich wirklich erst, was Du mir bedeutest.
    Einige aus dieser großen Armee von verzweifelten, von blutjungen Menschen, die dem unbarmherzigen, schmutzigen Krieg in Vietnam im Interesse der französischen Kolonialherren ausgeliefert worden sind,

    (Abg. Höfler: Wer macht denn den Krieg?)

    stehen hier im Mittelpunkt der Diskussion. Sie sind diejenigen, für die sich unser Antrag einsetzte, der bereits am 3. September 1951 eingereicht worden ist: Martin Dutschke, Gerhard Wolter, Friedrich Fleutz, Siegfried Richter, Heinz Müller und der zum Tode verurteilte Jack Holsten. Jack Holsten war 17 Jahre alt, als er den Weg zum Werbebüro der französischen Fremdenlegion antrat. Er schickte seiner Mutter, die in Berlin-Charlottenburg, Kirchenallee, wohnte, im September 1947 einen Abschiedsbrief, in dem er u. a. sagte:
    Ich bekomme in Berlin keine Stellung, und da
    ich weiß, wie wenig Geld wir haben, möchte
    ich Euch nicht länger auf der Tasche liegen.
    Er schrieb weiter, er wolle versuchen, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Er war 17 Jahre alt! Danach erhielt seine Mutter lediglich noch einmal einen Kartengruß aus Afrika im Mai 1948. Dann war Jack Holsten verschollen. Kein Gruß und kein Lebenszeichen erreichte die Familie mehr.
    Er war in der Zwischenzeit nach Indochina verfrachtet worden. Dort allerdings gewann er neue
    Erkenntnisse über das Leben und das Sterben und den Sinn des Sterbens und des Lebens der Menschen. Er erkannte, daß ihm gegenüber keine Rebellen, keine Mordbrenner stehen, sondern Menschen, die für die Freiheit kämpfen und die kein anderes Sinnen und Trachten haben, als die fremden Bedrücker und Bedränger aus dem Lande zu verjagen. Er sah ein, daß er für schmutzige Zwecke mißbraucht worden war. Er ließ sich von seinem Ehrgefühl, von seinem Gewissen leiten, lief zu den Soldaten der vietnamesischen Befreiungsarmee über und ließ sich gefangennehmen.

    (Zuruf rechts: Pfui!)

    — Sie haben es nötig, Pfui zu rufen.

    (Zustimmung bei der KPD.)

    Vielleicht fühlen Sie sich solidarisch mit Herrn
    Carlo Schmid, der vor 14 Tagen hier sagte, es
    handle sich um deklassierte Bevölkerungsschichten.

    (Abg. Dr. von Merkatz: Und Ihr Menschenhändler habt's auch nicht nötig!)

    — Sie, Herr Junker von Merkatz, sollten über dieses Thema schweigen.

    (Abg. Niebergall: Sie Obernazi, Sie haben zu schweigen!)

    Die Deutsche Demokratische Republik teilte den zu der Volksarmee von Vietnam Übergelaufenen mit, daß sie alles in die Wege leiten werde, um ihre baldige Heimkehr in ihre heimatlichen Wohnorte zu gewährleisten. Dieses Versprechen wurde gehalten. Jack Holsten und seine Kameraden kehrten auf dem Wege über China nach Deutschland zurück. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik verschaffte ihnen einen mehrwöchentlichen Erholungsurlaub, und dann wurden sie in ihre West-Berliner Heimat entlassen.

    (Zuruf rechts: Na also!)

    Und dort, in ihren West-Berliner Wohnungen, wurden sie am Morgen des 22. Juni 1951 von den Organen der Stumm-Polizei verhaftet. Sie wurden auf der Polizeiinspektion Charlottenburg der französischen Gendarmerie übergeben. Es gibt einen Vermerk im Tätigkeitsbuch dieser Charlottenburger Stumm-Polizeiinspektion, der die ganze Infamie, die ganze Kaltschnäuzigkeit der Vollstrecker in diesem Verfahren kennzeichnet. Diese Eintragung lautet: „Vier männliche Personen deutscher Staatsangehörigkeit festgenommen." Kein Name, kein Alter, keine sonstigen Angaben. Es sind ja nur ein paar arme Deutsche! Und wie zum Hohn wurde dann der Mutter von Jack Holsten, die sich beschweren, die den Polizeipräsidenten Stumm sprechen wollte — der sie aber abwies, der für sie nicht zu sprechen war —, erklärt, es handle sich gar nicht um Deutsche; sie solle sich also darum keine Sorgen machen.
    Es wurde hier vom Berichterstatter erklärt, die Sache ginge rechtlich — also nach den Paragraphen, die Herr von Merkatz im Kopf hat — ganz in Ordnung. Das sei nun einmal nach dem kleinen in Berlin gültigen Besatzungsstatut so zulässig. Ich widerspreche Ihrer Darstellung, Herr von Merkatz.

    (Abg. Pelster: Weil Sie nichts davon verstehen!)

    Ein Sprecher des Foreign Office wurde Ende August über diese Angelegenheit befragt; denn bekanntlich wurden die jungen Menschen ja auf dem Boden des britischen Sektors in Berlin festgenommen, nicht auf dem Boden des französischen Sektors. Dieser Sprecher des Foreign Office erklärte, die britische Regierung habe keinerlei offizielle An-


    (Fisch)

    forderung von französischer Seite auf Festnahme oder Auslieferung dieser ehemaligen Fremdenlegionäre erhalten. Wenn die britische Polizei in Berlin in diesem Falle tätig geworden sei, so habe sie ohne Instruktionen im Rahmen ihrer eigenen Befugnisse gehandelt. Nun frage ich Sie, Herr von Merkatz, der Sie doch ein maßgeblicher Sprecher der Regierungskoalition sind: Wenn schon das britische Außenamt erklärt, das war in Berlin eine eigenmächtige Sache, hinter der wir nicht stehen und für die wir keinerlei Rechtsbegründung anführen können, — warum ist Ihre Regierung dann nicht sofort nach dieser Erklärung des Vertreters des britischen Außenamts tätig geworden?

    (Abg. Höfler: Ist sie ja!)

    - Nein, sie ist es nicht!

    (Abg. Höfler: Doch, sie ist es! Zuruf von der Mitte: Das wissen doch Sie nicht!)

    - Sie ist es nicht, Herr Höfler; denn in dieser Verlautbarung des Foreign Office heißt es weiter — lassen Sie mich das auch zitieren —,

    (Abg. Höfler: Auf einmal glauben Sie den Engländern!)

    „daß von deutscher Seite bisher offiziell gegen das Verhalten der britischen Stellen in dieser Frage zumindest in London noch niemals protestiert worden ist".

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Ich zitiere aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 3. September 1951.

    (Abg. Hilbert: Das ist Ihr Leibund Magen-Blatt!)

    Haben Sie das dementiert? Sie haben es nicht dementiert, weil es wahr ist!

    (Zuruf von der Mitte: Schluß!)

    Dieses beschämende Spiel hat allerdings einen politischen Hintergrund. Der Chef der Berliner Kriminalpolizei, Linke, wurde über die Beweggründe des Verhaltens seiner Leute und seines eigenen Verhaltens — denn er leitete die Aktion — befragt. Er sagte: „Die Berliner Polizei ist auf engste Zusammenarbeit mit den Alliierten angewiesen." Jawohl, „auf engste Zusammenarbeit mit den Alliierten angewiesen". Darum sagten die Stumm-Polizisten zu den Müttern: „Meine Damen, was wollen Sie denn; Ihre Söhne sind ja Franzosen, und wenn sie in der Fremdenlegion etwas ausgefressen haben, dann müssen sie auch dafür geradestehen." So fassen die Herren von der StummPolizei in Berlin „Verpflichtungen" gegenüber fremden Mächten auf, „Verpflichtungen", die hier in anderer Sprache als die „Erfordernisse einer guten Zusammenarbeit" dargestellt werden. Jack Holsten ist im Dezember 1950 zum Tode verurteilt worden, die anderen bis zu 20 Jahren Zuchthaus. Die Stumm-Polizisten und die deutschen Behörden in Berlin wußten also genau, welches Schicksal diesen Jungens droht, wenn sie sie den Franzosen ausliefern.

    (Abg. Dr. Mende: Das rührt Sie doch aus anderen Motiven!)

    Sie sind nach dem berühmten Straflager von Colomb Bechar in Süd-Algerien verschleppt worden; drei davon sind in Strafbataillone der Vietnam-Armee überführt worden, und der Verbleib der übrigen ist unbekannt.

    (Zuruf des Abg. Höfler.)

    Ja, meine Damen und Herren, hier handelt es sich um ein politisches System, um ein System der bewußten, gewollten Hilfestellung für die französischen Kolonialherren, eine Hilfestellung, die die Bundesregierung duldet, stützt und fördert aus politischen Erwägungen,

    (Abg. Dr. Mende: Was Sie an Hilfestellung leisten, geht noch wesentlich weiter!)

    weil Sie mit diesen Mächten um jeden Preis, auch um den Preis der Verleugnung

    (Abg. Dr. Mende: — eines Kurt Müller!)

    einfachster Menschenrechte, zusammenarbeiten will im Interesse des Aufbaues einer sogenannten europäischen Armee.

    (Abg. Höfler: Reden Sie nicht von Menschenrechten!)