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ID0119503000

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    6. Arndgen.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 195. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1952 8369 195. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 8370D Autounfall des Abg. Bazille 8370D Mandatsniederlegung des unter dem Namen Dr. Franz Richter gewählten Abgeordneten Fritz Rössler 8370D Änderungen der Tagesordnung 8370D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall Kemritz (Nr. 2531 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8370D Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Nr. 3068 der Drucksachen) 8371A Ausschußüberweisung 8371A Erste Beratung des Entwurf eines Gesetzes über den Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 1951 (Nr. 3108 der Drucksachen; Umdruck Nr. 451) 8371A Ausschußüberweisung 8371B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Sander, Günther, Rademacher u. Gen. betr. Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3090, 2906 der Drucksachen; Umdruck Nr. 446) 8371B Dr. Bleiß (SPD): als Berichterstatter 8371B als Abgeordneter 8374C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 8372C Rademacher (FDP) 8373C Beschlußfassung 8375A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben der Rechtsanwältin Lammers, München, vom 4. Januar 1952 (Nr. 3119 der Drucksachen) . . 8375B Weickert (BHE-DG), Berichterstatter 8375B Beschlußfassung 8375C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1952 und 6. Februar 1952 (Nr. 3120 der Drucksachen) 8375C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8375D Beschlußfassung 8376B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen; Umdruck Nr. 455) 8376C Dr. Preller (SPD), Antragsteller . 8376C, 8392B Horn (CDU) 8380D Renner (KPD) 8383C Richter (Frankfurt) (SPD) 8385B Storch, Bundesminister für Arbeit 8386C Arndgen (CDU) 8388A Frau Kalinke (DP) 8388D Dr. Hammer (FDP) 8390B Dr. Atzenroth (FDP) 8391D Abstimmungen 8392C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kohlenförderung im Warndt (Nr. 3023 der Drucksachen) 8392D zur Sache: Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 8392D zur Geschäftsordnung: Dr. Krone (CDU) 8394C Renner (KPD) 8394D Ausschußüberweisung 8395A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über iden Antrag der Fraktion der KPD betr. Freilassung der an Frankreich ausgelieferten deutschen Staatsangehörigen, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Begleitumstände dieser Auslieferung und Schließung der Werbebüros für die Fremdenlegion usw. (Nrn. 2836, 2541 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Französische Fremdenlegion (Nr. 2851 der Drucksachen) sowie der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der Werbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst (Nr. 2967 der Drucksachen) . . . 8395A Dr. von Merkatz (DP): als Berichterstatter 8395B als Abgeordneter 8405B Fisch (KPD), Antragsteller 8396D Storch, Bundesminister für Arbeit 8399B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8400A Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 8400C Wehner (SPD) 8401B Höfler (CDU) 8404A Abstimmungen 8405D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nrn. 3056, 2577 der Drucksachen) 8405D Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 8406A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8407B Erler (SPD) 8407C Müller (Frankfurt) (KPD) 8409D Stegner (FDP) 8411A Höfler (CDU) 8411D Abstimmungen 8411D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Regelung von irregulären Besatzungsschäden (Nrn. 3057, 2709 der Drucksachen; Umdruck Nr. 457) . . . 8412A Erler (SPD): als Berichterstatter 8412A als Abgeordneter 8413D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8413C Beschlußfassung 8413D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vertrag über das Kehler Ha-. fenabkommen (Nrn. 3058, 2727 der Drucksachen) 8414A Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8414A als Abgeordneter 8417D Maier (Freiburg) (SPD) 8416A Niebergall (KPD) 8417C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß)über den Antrag der Fraktion der DP betr. Durchsuchung deutscher Wohnungen durch Angehörige der in Deutschland stationierten westalliierten Armeen (Nrn. 3059, 2874 der Drucksachen) . . . 8418D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 8418D Beschlußfassung 8419C Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 456) . 8371A, 8395A, 8405D, 8419C Beschlußfassung 8419C Nächste Sitzung 8419C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage der Neugestaltung der sozialen Sicherheit der breiten Volksschichten ist eine Frage, die sofort nach der Beendigung des Krieges im Jahre 1945 an uns herangetreten ist. Damals war es der Kollege Richter mit einigen Freunden, die in Frankfurt eine neue Reichsversicherungsordnung aufgebaut haben und die sich damals in Wirklichkeit alle Mühe gaben, in das Dornengestrüpp unserer Sozialversicherung eine einfachere Ordnung zu bringen. Der Kollege Richter wird mir Recht geben, wenn ich ihm sage, daß er damals bei einem großen Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter dafür gar kein Verständnis gefunden hat, vor allen Dingen bei den Bergleuten nicht, die nun einmal ihre besondere Sozialversicherung liebgewonnen haben und glauben, in ihr ein Instrument in den Händen zu haben, mit dem sie die besonderen Interessen der im Bergbau beschäftigten Menschen besser wahrnehmen können.
    Wir haben dann im Jahre 1946 das Kontrollratsgesetz vor uns gehabt und hatten uns mit dieser Gesetzesvorlage zu beschäftigen, die von dem gesamten Kontrollrat ausgearbeitet war. Durch dieses Gesetz wollte man uns so etwas wie eine Einheitsversicherung in Deutschland geben, von oben herunter, von der Besatzungsmacht befohlen. Ich weiß, wie wir uns damals mil dieser Frage innerhalb der gewerkschaftlichen Organisationen und in Verbindung mit dem Sozialpolitischen Ausschuß des Zonenbeirats in Hamburg beschäftigt haben. Alle Probleme der Sozialversicherung waren aufgeworfen. Der Sozialpolitische Ausschuß des Zonenbeirats in Hamburg hat damals in seinem Gutachten ein sehr gutes Wort gesagt:

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz)

    daß man nämlich eine wirkliche Neuordnung der Sozialversicherung erst dann vornehmen kann, wenn wir wieder den politischen und den wirtschaftlichen Boden unter den Füßen haben, um klar sagen zu können, was nun in Wirklichkeit aus dem Sozialprodukt für die Sozialversicherung entnommen werden kann. Damals war es der Deutsche Gewerkschaftsbund in der englischen Zone, der der amerikanischen und der englischen Besatzungsmacht ganz klar gesagt hat: Wenn diese Gesetzgebung über den Kontrollrat durchgeführt wird, werden wir in einem außerordentlichen Kongreß den deutschen Arbeitern sagen, was man mit ihnen vorhat. Daraufhin haben die Amerikaner und Engländer gesagt: Wenn es die Deutschen nicht wollen, dann wollen wir es ihnen auch nicht aufzwingen. So war damals die Situation.
    Dann haben wir uns erneut in Frankfurt — Herr Kollege Richter war dabei — im Wirtschaftsrat mit der Problematik der Sozialversicherung beschäftigt. Damals hatten wir ein Sozialprodukt, das vielleicht bei 60 bis 70 % des normalen lag. Wir hatten nicht die Unterlage unter den Füßen, um in der Tat ein neues großes Gesetzeswerk schaffen zu können. Wir haben uns helfen müssen. Wir haben ein Übergangsgesetz geschaffen und waren uns darüber klar, daß man dann, wenn die wirtschaft-


    (Bundesarbeitsminister Storch)

    liche Plattform breit und fest genug sei, an die Grundsätzlichkeit der ganzen Problematik herangehen müsse.
    Selbstverständlich gibt es auf dem Gebiet der Sozialversicherung die verschiedensten Auffassungen, und man kann mit gutem Recht auf der einen oder auf der anderen Seite stehen. Das braucht absolut nicht dahin zu führen, daß der eine dem anderen Reaktionäres, der andere dem einen wieder Revolutionäres vorwirft. Gestern ist in diesem Hause bei einer anderen Gelegenheit ein gutes Wort gefallen, das lautete: Wir haben bei der Neugestaltung weniger die Form als vielmehr den zu betreuenden Menschen zu sehen.

    (Abg. Arndgen: Sehr richtig!)

    Das scheint mir das Entscheidende zu sein.
    Wenn man sich mit der Frage beschäftigt: Wie soll es nun werden? —, dann muß man die ungeheuren Schwierigkeiten sehen, die wir zu überwinden hatten, um überhaupt die größten Notstände überbrücken zu können; die sind Ihnen ja bekannt. Sie haben die großen Gesetze gemacht, durch welche wir den 4 Millionen kriegsbeschädigten Menschen eine Lebensbasis gegeben haben. Sie haben vor einigen Monaten das Gesetz über die Erhöhung der Renten beschlossen. Es waren ganz bestimmt keine kleinen Dinge, die damals herausgekommen sind, sondern hier haben wir vom Bund soziale Verpflichtungen übernommen, wie sie früher noch niemals von einem Parlament für den Staat zu beschließen waren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Glauben Sie mir doch eines: die Menschen draußen sind nicht so, wie Herr Renner das hingestellt hat: eine Millionenmasse, die nur danach strebt, mehr zu bekommen. Nein, diese Leute wollen, soweit sie der Sozialversicherung angehören, soziale Gerechtigkeit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie wollen für ihre eigene Beitragsleistung ein Äquivalent.

    (Abg. Renner: Sie wollen leben! Satt werden, das wollen sie!)

    — Herr Kollege Renner, gehen Sie doch ruhig ins Ruhrgebiet und sprechen Sie einmal zu den alten Bergarbeitern. Die sagen Ihnen etwas ganz anderes, als Sie hier angeblich im Auftrag dieser Leute vortragen.

    (Zurufe aus der Mitte: Sehr richtig!)

    Diese Leute wissen, daß ihre Sozialversicherung ihren alten Kollegen eine Lebensbasis gibt, die weit über dem steht, was in dem Gebiet in Deutschland, wo Ihre Freunde herrschen, heute der Arbeiter in einer acht- oder zehnstündigen Arbeitszeit überhaupt verdienen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Stimmt ja gar nicht! Das ist ja dummes Zeug!)

    Darum handelt es sich, meine verehrten Damen und Herren.
    Deshalb müßten wir, wenn wir die Frage einer Studienkommission oder eines Beirats betrachten, uns immer wieder fragen: Dürfen wir das, was sich der Arbeitnehmer durch seine Beiträge und durch die Beiträge seines' Arbeitgebers als Rechtsansprüche erworben hat, in einer Studienkommission mit dem zusammenbringen, was der Staat an sozialen Verpflichtungen gegen diejenigen hat, die nicht für sich selbst sorgen konnten?

    (Abg. Albers: Sehr richtig!)

    Man sollte auseinanderhalten, wo Rechtsansprüche auf Grund eigener Leistung gegeben sind und wo der Staat dem wirtschaftlich Schwachen, der sich nicht selbst helfen kann, staatliche Hilfe geben muß. Glauben Sie mir, wir haben im letzten Jahr in meinem Ministerium an der Frage der Neugestaltung und der finanziellen Sicherstellung unserer Sozialversicherung gearbeitet. Es ist Ihnen doch allen bekannt, welche Schwierigkeiten wir mit den Besatzungsmächten gehabt haben, um das in Berlin verwaltete Vermögen wieder in deutsche Hände zu bekommen. Sie wissen, was sich dort abgespielt hat.
    Wenn wir heute die Frage zu prüfen haben, wie die kommende Sozialversicherung aussehen soll, dann sage ich Ihnen in aller Offenheit, daß wir natürlich als fortschrittliche Menschen unsere Sozialversicherung den Notwendigkeiten unserer Zeit anzupassen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber auf keinen Fall darf man einem Phantom
    nachjagen und nur sagen: Wenn man alles in einen
    Pott gebracht hat, dann sind die Dinge erledigt.
    Nein, unsere Menschen draußen wollen einfach in
    einem Kreis ihre Sicherstellung finden, den sie
    selbst übersehen können. Das ist das Entscheidende.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deshalb sollte man sich über diese Problematik heute gar nicht allzusehr unterhalten — darin gebe ich dem Herrn Kollegen Richter recht —, sondern man sollte die Frage prüfen: Ist eine Studienkommission, wie sie von der Sozialdemokratischen Partei gefordert wird, oder ein Beirat das Richtige? Wir haben unsere Arbeit im Ministerium so eingestellt, daß wir in der zweiten Hälfte dieses Jahres die Gesetzesvorlage über die Neuordnung der Sozialversicherung vorlegen wollen. Dann aber ist es meines Erachtens unmöglich, daneben eine Studienkommission des Parlaments zu haben, die meiner Ansicht nach in einem halben Jahr noch nicht ein Drittel der Dinge durchgearbeitet haben kann, die durchgearbeitet werden müssen, wenn diese Kommission dem Parlament einen geeigneten Vorschlag machen will. Darauf kommt es doch letzten Endes an. Haben wir aber in unserem Ministerium einen Beirat, so können wir mit ihm einmal die uns noch gegebenen Grundlagen behandeln. Mit dem Beirat wäre allen Ernstes die Frage zu prüfen, ob sich die Sozialversicherung überhaupt an erster Stelle an den Staat oder an die Wirtschaft zu wenden hat. Wenn man darüber hinaus die Frage der organisatorischen Gestaltung mit den Leuten, die wirklich die besten Kenner unserer Sozialversicherung sein müssen, besprechen will, dann bin ich der Meinung, daß die Zusammenarbeit zwischen einem Beirat und dem zuständigen Ministerium viel schneller zu positiven Ergebnissen führt, als wenn man eine Studienkommission einsetzt.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Herr Professor Preller, Sie wissen doch genau so gut wie ich, daß man, als damals in England der Beveridge-Plan über die Bühne ging, von der großen Konzeption, die sich dort abzeichnete, in den verschiedensten Ländern sehr stark beeindruckt war. Man hat in der Schweiz eine Studienkommission eingesetzt, um die Frage zu prüfen, ob und in welcher Form man den Beveridge-Plan für die Schweiz übernehmen könnte. Genau dasselbe haben wir in Schweden gehabt, und wenn Sie heute


    (Bundesarbeitsminister Storch)

    einmal die verantwortlichen Leute in diesen beiden Ländern fragen, dann sagen sie Ihnen, diese Studienkommissionen sind im Sande verlaufen.

    (Abg. Dr. Preller: Das stimmt ja für Schweden gar nicht! Das ist ja nicht wahr!)

    — Sie sagen, das ist nicht wahr. Herr Professor Preller, Sie wissen, daß es wahr ist; denn Sie kennen den Stand der Sozialversicherung in der Schweiz und kennen den Stand der Sozialversicherung in Schweden wahrscheinlich genau so gut wie ich.
    Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir bei unserer Arbeit schrittweise vorangehen. Wir sollten einem Beirat die Möglichkeit geben, in Verbindung mit dem Ministerium so schnell wie möglich, an einer Stelle anfangend, das ganze soziale Problem in Deutschland in eine neue Ordnung zu bringen. Ich bitte Sie daher, den einfacheren und zweckmäßigeren Weg zu gehen, und das ist der der Schaffung eines Beirates, der in engster Verbindung mit dem Ministerium bzw. mit der Regierung nachher Gesetzesvorlagen erarbeitet, die diesem Hohen Hause zur Verabschiedung vorgelegt werden können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Josef Arndgen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Fraktionsfreund, der Herr Abgeordnete Horn, hat schon darauf hingewiesen, daß mit den Regierungsparteien auch die CDU-Fraktion

    (Zuruf von der SPD: Ist das keine Regierungspartei?)

    — sogar die tragende, Kollege! — dem Grundsatz einer Studienkommission zustimmt. Wenn aber der Herr Professor Preller in seinen Ausführungen Richtlinien für die Arbeiten dieser Kommission geben zu müssen glaubt, bin ich der Meinung, daß er bei der Kennzeichnung dieser Richtlinien nicht logisch gewesen ist, oder er ist vor den letzten Wirkungen dieser Logik zurückgeschreckt. Das Kernstück seiner Ausführungen war die Beseitigung der Bordschwellen zwischen Versicherung, Versorgung und Fürsorge. Wenn Sie diesen Gedankengang logisch durchgedacht hätten, Herr Kollege Preller, hätten Sie sagen müssen: Auch Beseitigung der Bordschwellen zwischen Pension usw. Das wäre die letzte Konsequenz Ihres Gedankenganges gewesen.

    (Abg. Frau Kalinke: Sehr richtig!)

    Vor dieser letzten Konsequenz, Herr Professor Preller, sind Sie zurückgeschreckt, vielleicht aus der Erkenntnis, daß es in unserem Gemeinschaftsleben nun doch nicht möglich ist, allen Notfällen, allen Dingen, die sich ereignen, von einer großen Versorgungsanstalt aus gerecht zu werden. Wenn schon eine Bordschwelle zwischen Pension, Versicherung und den weiteren sozialen Einrichtungen notwendig erscheint, sind, meine ich, auch Bordschwellen zwischen den anderen Versicherungs-
    und Versorgungseinrichtungen erforderlich. Ich bin der Meinung, daß von idem Sektor aus, in dem jemand tätig gewesen ist, in dem seine Notlage entstanden ist, in Notfällen auch eingegriffen werden muß. Wenn man die Dinge so sieht, erscheint es sinnvoll, daß derjenige, der irgendwie im freien Wirtschaftsleben tätig gewesen ist, seine sozialen Leistungen in Fällen der Not auch durch eine Versicherung erhält, die von diesem Wirtschaftszweig getragen wird.

    (Zuruf rechts: Jawohl!) Wenn jemand im Dienste des Staates und namentlich im Dienste des Staates mit der Waffe in der Hand versorgungsberechtigt geworden ist, dann hat er gegenüber diesem Staat ein Anrecht auf Versorgung. Für denjenigen, der sonst aus allgemeinen Gründen notleidend geworden ist, hat die Gemeinschaft, in der er lebt, zu sorgen. Daher bin ich, wie ich schon eingangs gesagt habe, der Meinung, daß, wenn die Konsequenzen nicht bis ins letzte gezogen werden und die SPD-Fraktion an der Forderung festhält, daß die eine Bordschwelle bleibt — nach ihrer Meinung sicher aus sinnvollen Gründen —, auch die gleichen sinnvollen Gründe für die anderen Bordschwellen gegeben sind.

    Der Herr Kollege Richter hat klarzumachen versucht, daß die Unmenge von Paragraphen, die dieses gesamte Versorgungs-, Unterstützungs- und soziale Leistungswerk — sei es Versicherung, sei es Versorgung, sei es Fürsorge — ausmachen, vereinfacht werden müsse. Ich bin mit dem Kollegen Richter darin einig, daß man an die Beseitigung des Gestrüpps gehen muß, das in den letzten Jahrzehnten um all diese Gesetze herumgerankt wurde. Hier halte ich mit dem Kollegen Richter eine Studienkommission für notwendig, die all diese Dinge überprüft. Ich bin dabei der Meinung, daß es ohne Beseitigung der Systeme, die wir nun haben, möglich ist, idas gesamte soziale Leistungswerk einfacher und auch verständlicher zu gestalten, aber nicht in dem Sinne, daß Bewährtes um eines Experiments willen zerschlagen wird, dessen Wirkungen nicht zu übersehen sind.

    (Abg. Richter: Das haben Sie doch nicht vor!) — Herr Kollege Richter, ich denke nicht daran, meine Hand zu bieten für ein Experiment sozialer Sicherheit wie in England oder Frankreich, für Systeme, die sich heute in diesen Ländern in einer Krise befinden. Wir wissen noch nicht, was aus diesen Systemen wird. Dann halte ich lieber an dem fest, was sich bei uns durch Jahrzehnte bewährt hat.


    (Beifall in der Mitte.)

    Der Herr Kollege Richter hat gebeten, die beiden Anträge. dem Ausschuß zu überweisen. Ich bin gegenteiliger Auffassung. Was hier von der SPD-Fraktion verlangt wird, haben wir in Deutschland schon einmal in etwas abgewandelter Form gehabt. Ich erinnere nur an den Enquête-Ausschuß in den Jahren vor 1933, der doch etwas Ähnliches war. Was hat dieser Enquête-Ausschuß zutage gefördert? Material für eine Reihe von Doktorarbeiten! Wenn wir hier eine Studienkommission einsetzen, muß sie mehr erbringen als Material für Doktorarbeiten, mehr als Material für Broschüren und auch mehr als Material für Zeitungsartikel. Eine solche Studienkommission muß praktische Ergebnisse bringen, die im Dienste unserer notleidenden Menschen verwandt werden können.
    Ich bin von meinen Parteifreunden beauftragt, das Hohe Haus zu bitten, über die Anträge hier direkt abzustimmen und sie nicht dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)