Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 26. April 1951 wurde vom Deutschen Bundestag das Gesetz zur Aufhebung und Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft verabschiedet. Mit diesem Gesetz wurden die Bewirtschaftung und die Preisbindung von Vergaser- und von Dieselkraftstoffen mit Wirkung vom 1. April 1951 an aufgehoben. Solange die Preisbindung bestand, erhielten einige Wirtschaftszweige — als privilegierte Verbraucher — bestimmte genau festgelegte Preisvergünstigungen. Zu den privilegierten Verbrauchern gehörten neben der Landwirtschaft die Binnenschiffahrt, die Küstenschiffahrt, die Hochseeschiffahrt, die Küsten- und Hochseefischerei. Die
Vergünstigungen, die gewährt wurden, betrugen bei der Binnenschiffahrt 28,50 DM je 100 kg Dieselkraftstoff, bei der Hochseeschiffahrt 32 DM je 100 kg und bei der Hochseefischerei 33 DM je 100 kg. Zweck dieser Vergünstigungen war, die deutsche Schiffahrt gegen die ausländische Konkurrenz zu schützen. Die vergüteten Beträge entsprachen im Durchschnitt ungefähr dem Unterschied zwischen dem hohen Inlandspreis und dem niedrigeren Weltmarktpreis.
Ende Mai des vergangenen Jahres, als das Mineralölgesetz beschlossen wurde, war man sich im Hohen Hause darüber einig, daß die bisher bestehenden Preisvergünstigungen auch nach der Verkündung des Mineralölgesetzes weiter bestehen sollten. Es wurde damals in den § 2 des Gesetzes eine Bestimmung aufgenommen, die die Bundesregierung respektive den Herrn Bundesfinanzminister verpflichtet, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen. Einschränkend war nur bemerkt worden, daß die Verbilligungsaktion nur abgebaut werden sollte, falls sich die Wettbewerbsbedingungen wesentlich ändern resp. die Wirtschaftslage der Schiffahrt sich wesentlich bessern sollte.
Diesen Beschluß des Bundestags hat der Herr Bundesfinanzminister nur teilweise ausgeführt. Der Herr Bundesfinanzminister hat am 6. Juni zwar . die geforderte Rechtsverordnung erlassen, aber in die Verordnung nicht die alten Vergünstigungen von 28,50 DM resp. 32 DM resp. 33 DM je 100 kg aufgenommen, sondern es wurde nur eine Betriebsbeihilfe in Höhe von 22 DM je hundert kg festgesetzt. Die Fahrgastschiffahrt, die zu einem erheblichen Teil dem Berufsverkehr dient, wurde völlig unberücksichtigt gelassen. Die nur teilweise Ausführung der Beschlüsse des Bundestags durch den Herrn Bundesfinanzminister hat zu lebhaften Protesten der Schiffahrt geführt. Der Verkehrsausschuß des Bundestags hat sich mit den Eingaben beschäftigt. Als Ergebnis der Beratungen wurde von den Mitgliedern des Verkehrsausschusses ein interfraktioneller Antrag eingebracht, der Ihnen, meine Damen und Herren, in der Drucksache Nr. 2906 vorliegt.
In diesem interfraktionellen Antrag wird die Bundesregierung ersucht, in genauer Befolgung des Mineralölgesetzes rückwirkend ab 1. Mai 1951 der Binnenschiffahrt einschließlich der Fähren- und Fahrgastschiffahrt einen Preisnachlaß von 28,50 DM und an die Hochsee- und große Heringsfischerei einen Nachlaß von 33 DM je 100 kg zu gewähren.
Auf Grund dieses Antrags hat sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß — federführender Ausschuß — in einer seiner letzten Sitzungen nochmals sehr eingehend mit der Materie beschäftigt. An den Beratungen nahmen Vertreter des Bundesfinanzministeriums teil. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums begründete die nur teilweise Ausführung des Bundestagsbeschlusses hauptsächlich mit zwei Argumenten, nämlich damit, daß
erstens die für den vollen Preisnachlaß geforderten Mittel nicht vorhanden seien und
zweitens der volle Preisunterschied zwischen dem Inland- und dem Weltmarktpreis nicht vergütet zu werden brauche, weil die ausländischen Schiffe, die in Deutschland bunkerten, neben dem Weltmarktpreis für Dieselkraftstoff noch eine Eingangsabgabe von 10 DM zu entrichten hätten.
In den Zahlen ausgedrückt würde das Bild also folgendes sein. Der
Inlandpreis für Dieselkraftstoff liegt bei 50 DM,
abzüglich Eingangsabgabe von •/. 10 DM
verbleiben 40 DM
abzüglich Weltmarktpreis von •/. 18 DM
verbleibt je 100 kg eine Differenz von 22 DM,
und das ist auch die Betriebsbeihilfe, die in der Verordnung vom 6. Juni vergangenen Jahres vom Bundesfinanzminister bewilligt worden ist.
In den Beratungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses haben sich beide Argumente des Bundesfinanzministeriums nicht als stichhaltig erwiesen.
Hinsichtlich der Eingangsabgabe wurde festgestellt, daß nur ein sehr kleiner Prozentsatz ausländischer Schiffe in Deutschland bunkert. Der weitaus überwiegende Teil der ausländischen Konkurrenzschiffe führt soviel Kraftstoff mit sich, daß sie auf deutsche Bunkerstellen nicht angewiesen sind. Dadurch aber wird auch das ganze Zahlenbild, das das Bundesfinanzministerium entwickelt hat, unrichtig. Der effektive Unterschied zwischen Inlands- und Weltmarktpreis liegt dann nicht mehr bei 22 DM je 100 kg, sondern wesentlich höher.
Das zweite Argument, das behauptete, die Haushaltsmittel seien nicht vorhanden, hat sich ebenfalls als nicht stichhaltig erwiesen. In dem vom Bundestag beschlossenen Nachtragshaushalt sind für die Verbilligungsaktion 24,2 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Durch die verminderten Beihilfen wurden nur 14,7 Millionen DM in Anspruch genommen. Es wäre also noch ein Rest von 9,5 Millionen DM vorhanden gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister über diesen Betrag nicht zugunsten anderer Vorhaben, z. B. zur Durchführung von Kanalbauten, verfügt hätte.
Auf Grund dieses Tatbestands hat der Wirtschaftspolitische Ausschuß einstimmig beschlossen: die Bundesregierung zu ersuchen, in Befolgung des Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft vom 31. Mai 1951 sowie der im Zusammenhang mit diesem Gesetz verabschiedeten Entschließung zu § 2 Absatz 2 mit Wirkung ab 1. April 1952 die nachstehende Ermäßigung ohne einschränkende Bestimmungen zu gewähren: Binnenschiffahrt einschließlich Fähren und Fahrgastschiffe 28,50 DM je 100 Kilogramm.
Ungeklärt ist bei den Verhandlungen im Wirtschaftspolitischen Ausschuß die Frage geblieben, ob und inwieweit sich die Wirtschaftslage der großen Hochseefischerei und der großen Heringsfischerei gebessert habe. Die Frage war nicht zu entscheiden, weil genaue Unterlagen nicht vorlagen. Die Frage wird erst zu entscheiden sein, wenn die Unterlagen vorliegen. Deshalb hat der Ausschuß— wiederum einstimmig — beschlossen, das Bundesfinanzministerium zu ersuchen,
über die Wirtschaftslage der großen Hochsee-
und der großen Heringsfischerei Untersuchungen anzustellen und darüber dem Ausschuß
für Wirtschaftspolitik des Deutschen Bundestages zu berichten.
Den Beschlüssen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses haben sich die mitberatenden Ausschüsse für Verkehrswesen und. für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vollinhaltlich angeschlossen.
Meine Damen und Herren, die Beschlüsse des Wirtschaftspolitischen Ausschusses liegen Ihnen in der Druckache Nr. 3090 vor. Ich darf Sie im Namen der beteiligten Ausschüsse bitten, dieser Drucksache Ihre Zustimmung zu geben.