Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten, besonders in der Zusammenfassung zu sogenannten Dienstgruppen, hat den Bundestag schon wiederholt beschäftigt. Ich erinnere nur an die Anfrage Nr. 148 der Fraktion der SPD vom 14. Dezember 1950, an die Anfrage Nr. 181 der gleichen Fraktion vom 25. April 1951 sowie an die von der Regierung hierauf erteilten Antworten vom 6. März und 7. Juni des gleichen Jahres. Im Plenum wurde die Frage der Dienstgruppen in eingehender Weise zuerst in der 156. Sitzung vom 5. Juli und sodann in der 168. Sitzung vom 16. Oktober vorigen Jahres behandelt. Bei der zuerst erwähnten Beratung lagen die Interpellation der Fraktion der SPD vom 12. Juni 1951 und bei der Beratung in der 168. Sitzung der Antrag der Fraktion der SPD vom 19. September 1951 Drucksache Nr. 2577 zugrunde.
Zu diesem Antrag der Fraktion der SPD habe ich heute den Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten Drucksache Nr. 3056 zu erstatten. Wie bereits den Ausführungen des Herrn Antragstellers bei der Einbringung des Antrags entnommen werden kann, handelt es sich bei der Frage der Dienstgruppen nicht darum, zu bestreiten oder auch nur in Zweifel zu ziehen, daß das Gebiet der Bundesrepublik auch eines äußeren, eines militärischen Schutzes bedürfe; im Gegenteil, in den Beratungen des Ausschusses ist die Notwendigkeit auch eines militärischen
Schutzes für das Gebiet der Bundesrepublik in aller Klarheit hervorgehoben worden. Wenn die Alliierten diesen Schutz zu unserem, aber auch zu ihrem eigenen Vorteil gewähren, so ist dies für die deutsche Seite sicher ein Grund zur Befriedigung und auch zum Dank. Gleichzeitig müssen wir aber in Anbetracht unserer tatsächlichen und rechtlichen Lage die Alliierten auch dafür verantwortlich halten, daß das Gebiet unseres Staatswesens hinreichend geschützt wird. Aus der Schutzbedürftigkeit der Bundesrepublik ergibt sich aber auch durchaus die Rechtfertigung, daß Deutsche selbst in irgendeiner Weise mitwirken, die Sicherheit ihres Landes zu gewährleisten. Ich sage dies nicht so sehr im Hinblick auf die alliierte Seite als zu dem Zweck, die Tätigkeit der Dienstgruppen in den richtigen Zusammenhang zu stellen und um auszusprechen, daß nach Ansicht des Ausschusses die Tätigkeit der Dienstgruppen notwendig ist und im deutschen Interesse liegt.
Damit ist die auf der einen Seite zu stellende Frage, o b Deutsche für die Sicherheit ihres Landes eingesetzt werden bzw. sich selbst einsetzen sollen, von seiten des Ausschusses klar und deutlich bejaht; aber auf der anderen Seite handelt es sich noch um das W i e , das der antragstellenden Fraktion und dementsprechend dem Ausschuß Anlaß gegeben hat, auf eine Änderung der bestehenden Verhältnisse hinzuwirken.
Dieses unbefriedigende „Wie" bei der Tätigkeit der Dienstgruppen rührt von der unbefriedigenden völkerrechtlichen Lage her, in der sich die Bundesrepublik befindet. Diese Lage ist eine Lage des Übergangs, eine Lage der Umwandlung, eigentlich eine Lage „unterwegs" und damit ein Widerspruch in sich selbst.
Wir leisten mit den Dienstgruppen einen Verteidigungsbeitrag ohne Wehrhoheit. Wir sind besiegte Verbündete oder verbündete Besiegte; wir stellen Zivilisten als Soldaten, und wir stellen sie durch das Arbeitsamt für die Kasernen und stellen sie für einen Wehrdienst, dem sich der Verpflichtete im Ernstfall, wenn er will, mit einer vierzehntägigen Kündigung entziehen kann. Deutsche Staatsangehörige dienen als „Zivilsoldaten" in einer schwer zu entwirrenden Mischung von deutschem Recht und Besatzungsrecht, von zivilen und militärischen Vorschriften.
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat nun seine Aufgabe nicht darin gesehen, die Frage der Dienstgruppen als ein juristisches Problem zu behandeln; er hat vielmehr die Frage politisch betrachtet und seine Anträge dementsprechend gestellt. Der Ausschuß war der Ansicht, daß es jetzt Zeit sei, das Unklare zu klären, den Übergang zu beenden und die Dienstgruppen aus dem Zwielicht des Besatzungswesens herauszunehmen und sie in das klare Licht einer vertraglich geregelten Zusammenarbeit souveräner Staaten auf dem Gebiete der gemeinsamen Verteidigung zu stellen. Der Antrag und ihm entsprechend der Bericht des Ausschusses gehen von der Tatsache aus, daß es zwei Arten von Dienstleistungen im Zusammenwirken mit den Besatzungs- oder jetzt besser mit den Verteidigungstruppen in Deutschland gibt, einmal militärische und zum andern nichtmilitärische oder, vielleicht noch besser gesagt: militärähnliche Dienstleistungen. Das Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen beiden Arten von Dienstleistungen würde der Ausschuß nicht so sehr in der Uniform oder in der Unterbringung in Kasernen sehen, als vielmehr im Waffentragen und im Zusammenschluß zu Einheiten, die unter militärischer Befehlsgewalt stehen.
Bezüglich der Aufstellung bewaffneter deutscher Einheiten stellt der Ausschuß den Antrag, die Bundesregierung zu ersuchen, den Hohen Kommissaren zu eröffnen, daß diese nur auf dem Wege der ordentlichen deutschen Gesetzgebung möglich sei und daß ein Abweichen von diesem Rechtsstandpunkt nicht hingenommen werde. Dies würde gleichzeitig bedeuten, wie es unter Ziffer 1 a) und c) des Antrags heißt, daß ohne ein solches deutsches Wehrgesetz Deutsche bei den Besatzungsmächten nicht zum Dienst mit der Waffe herangezogen und daß die deutschen Arbeitskräfte bei den Besatzungsmächten nicht zu militärischen Formationen zusammengezogen werden.
Wenn man nun die Unzahl von verschiedenen Dienstleistungen betrachtet, zu denen heute Deutsche bei den Verteidigungsgruppen verwendet werden, dann wird man erkennen, daß es vielfache Grenzfälle gibt, bei denen es- tatsächlich schwierig ist, zu entscheiden, ob sie ihrem Wesen nach zu den militärischen Aufgaben gehören und nur in einem öffentlich-rechtlichen Wehrverhältnis erfüllt werden sollten oder aber als militärähnliche Aufgaben auch in einem zivilen Arbeitsverhältnis erfüllt werden könnten. Es wäre, glaube ich, die Aufgabe militärischer Sachverständiger, hier im Vertragswege die erforderlichen Festlegungen zu treffen. Soviel ist aber jetzt bereits sicher, daß für die meisten Dienste, die von den Dienstgruppen geleistet werden, das jetzige militärähnliche Verhältnis ohne Schwierigkeiten aus den einseitig besatzungsrechtlichen Bindungen gelöst und in ein rein zivilrechtliches umgewandelt werden könnte. Diese Umwandlung hätte zur Folge, daß deutsches
Arbeitsrecht und deutsches Verfahren vor deutschen Behörden und Gerichten angewandt würden. Außerdem sollte ein Tarifvertrag etwa nach dem Muster der für öffentliche Dienste geltenden Tarifverträge abgeschlossen werden. Mit Recht ist der Vergleich mit der Eisenbahn gezogen worden, wo ebenfalls ein streng geregelter, auf die Minute abgestellter Dienst auf einer zivilen, id. h. arbeitsoder beamtenrechtlichen Grundlage geleistet wird. Auch der Vergleich mit dem Dienst auf Handelsschiffen legt sich in diesem Zusammenhang nahe.
Der Ausschuß stellt daher den Antrag an die Regierung, bei der Hohen Kommission darauf hinzuwirken, daß diese Umwandlung lim Sinne der Ziffer 1 des Ausschußberichts vorgenommen wird.
Was nun den Zeitpunkt anbelangt, zu dem die hier empfohlenen Verhandlungen begonnen werden sollten, so war der Ausschuß einstimmig der Ansicht, daß es jetzt gleich geschehen könne und solle. Insbesondere glaubte der Ausschuß, daß das Problem der Dienstgruppen um seiner Dringlichkeit willen nicht mit .den schwebenden Sicherheitsverhandlungen verknüpft werden sollte. Der vorwiegend politische Charakter der mit den Dienstgruppen im Zusammenhang stehenden Fragen verlangt ferner, daß die Federführung nicht beim Bundesministerium der Finanzen, sondern beim Auswärtigen Amt liege. Der Ausschuß hat mit Befriedigung festgestellt, daß die Regierung dieser Auffassung beigetreten ist, oder doch im Begriffe steht, ihr beizutreten. Darüber hinaus würde es den Wünschen der Angehörigen der Dienstgruppen entsprechen, wenn die gesamte Dienstorganisation nicht in der bisherigen Form weitergeführt würde, sondern als deutsche Einrichtung unter der Verantwortlichkeit eines deutschen Ministeriums ihre Aufgabe erfüllen könnte.
Meine Damen und Herren, im Namen des Ausschusses darf ich Sie bitten, den gestellten Anträgen Ihre Zustimmung zu erteilen.