Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich als Mitglied dieses Hohen Hauses und als Mitglied meiner Fraktion auf die Ausführungen meines verehrten Herrn Kollegen Maier einige Worte erwidere. Ich teile nicht die Auffassung der Mehrheit des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten, daß es sich bei dem Kehler Hafenabkommen um einen Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 3 des Grundgesetzes handelt, der politische Beziehungen des Bundes regelt. Ich glaube vielmehr, daß überhaupt nur zwei andere rechtliche Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen sind. Die eine Möglichkeit ist die, daß der Vertrag überhaupt gar kein Vertrag ist, der Gegenstände der Gesetzgebung regelt, sondern nur .Gegenstände der Verwaltung, und zwar der Landesverwaltung. Ich habe bereits vorhin in meinem Bericht darauf hingewiesen, daß die drei wesentlichen Gegenstände, die eine Regelung durch den Vertrag erfahren haben, folgende sind: 1. die Schaffung einer gemeinsamen Hafenverwaltung durch Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, 2. die Ausübung dieser Hafenverwaltung als Ausübung eines Landesrechts und 3. auch die Festsetzung von
Hafengebühren. Es handelt sich bei der Ausübung all dieser Funktionen gar nicht um Gegenstände der Gesetzgebung, sondern um Gegenstände der Landesverwaltung.
Das war der Grund dafür, daß die badische Landesregierung diesen Vertrag fürsorglich dem Auswärtigen Amt vorgelegt hat, dies war der Grund dafür, daß die badische Landesregierung sich auf den Art. 77 der badischen Verfassung berufen hat, wonach der Abschluß von Verwaltungsabkommen im Gegensatz zu dem Abschluß von Verträgen, die Gegenstände der Landesgesetzgebung berühren, durch die Landesregierung zu erfolgen hat. Sollte man aber dieser Auffassung nicht Folge leisten, dann dürfte wohl doch immerhin die Möglichkeit bestehen, der Auffassung zu folgen, die seitens des Auswärtigen Amtes vertreten worden ist. Das Auswärtige Amt hat angenommen, daß dieser Vertrag die Voraussetzungen des Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes erfülle, weil es sich um Gegenstände der Landesgesetzgebung handele. Politische Beziehungen des Bundes werden in der Tat nicht berührt. Die Räumungszusage erfolgte durch den Hohen Kommissar außerhalb des Vertragswerks. Sie ist nicht durch die französische Regierung erfolgt, sondern eben durch den Hohen Kommissar, woraus hervorgeht, daß es sich hierbei um einen einseitigen Akt der Besatzungsmacht handelt, durch die der ebenso einseitige Akt der Verwaltungsübernahme des Kehler Hafengebiets wiederum aufgehoben worden ist, und zwar ganz außerhalb des Vertragswerks.
Ich bin daher der Meinung, man kann nicht davon sprechen, daß Gegenstände der Bundesgesetzgebung in irgendeiner Weise hier tangiert werden. Es sind Gegenstände der Landesgesetzgebung, und dies ist der Grund dafür, daß das Auswärtige Amt, nachdem es die Voraussetzungen des Art. 32 als gegeben angesehen hat, die Zustimmung zum Abschluß dieses Vertrags erteilt hat.
Ich verkenne nicht, daß der Vertrag keine restlose Befriedigung hinterläßt. Der Vertrag hat einen zwiespaltigen Charakter. Es würde dem Sinn der europäischen Zusammenarbeit zweifellos besser entsprochen haben, wenn aus Anlaß der Regulierung der Kehler Verhältnisse die beiden Häfen Kehl und Straßburg zu einer paritätischen und gleichberechtigten Verwaltungseinheit zusammengefügt worden wären. Dies hat sich nicht erreichen lassen. Daß es sich nicht hat erreichen lassen, ist eine Folge der allgemeinen politischen Verhältnisse. Aber diese Unvollkommenheit des Vertrages in rechtlicher und vielleicht in politischer Hinsicht darf uns nicht die Augen davor verschließen, daß der Vertrag in der Tat zwei Ziele erreicht hat, die wertvolle und gewichtige Ziele sind und bleiben werden, nämlich die Wiederinbetriebnahme eines Hafens, der für den deutschen Rheinverkehr wichtig ist, -und die Räumung des Hafens Kehl.
Allerdings werden diese Vorteile nur dann voll zur Auswirkung kommen können, wenn das Ge- biet der Stadt Kehl und des Hafens Kehl auch seitens der Bundesrepublik die finanzielle Unterstützung erfahren werden, die sie verdienen. Es ist erfreulich, daß die Bundesstellen zunächst durch Erklärungen hier im Plenum und dann im Haushaltsausschuß und neuerdings durch einen gemeinsamen Besuch der verschiedenen Ministerien in der Stadt Kehl ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Ausdruck gebracht haben, der Stadt Kehl und dem Hafen Kehl, die Jahre hindurch aus dem deutschen Hoheitsgebiet ausgeschieden waren und am 1. Januar nunmehr wieder in das deutsche Hoheitsgebiet zurückgekehrt sind, auch tatkräftig durch Zurverfügungstellung von Mitteln zu helfen.
Es bleibt bedauerlich, daß die Räumung des Hafenquartiers nicht in dem vollen Umfange erfolgt ist, wie es durch das Abkommen vorgesehen war. Es ist aber dabei zu berücksichtigen, daß nach dem Hafenabkommen selbst die Räumung eines Teiles der Betriebe erst am 29. Februar dieses Jahres, also in einigen Tagen, erfolgen soll.
Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß die Lage bezüglich derjenigen Gebäude, die beschlagnahmt geblieben sind, sich nicht unterscheidet von der rechtlichen Lage unzähliger anderer Gebäude, die im Raume der gesamten Bundesrepublik in allen drei Zonen auch heute noch von der Besatzungsmacht beschlagnahmt sind. Es kann die Hoffnung ausgesprochen werden, daß die Freimachung auch dieser Gebäude in einer möglichst kurzen Zeit erfolgt.
Vergessen wir also nicht, wenn wir auf der einen Seite die Unvollkommenheit des Vertragswerkes in mancher Hinsicht bedauern — und wir müssen sie bedauern —, daß auf der anderen Seite dieses Vertragswerk uns, d. h. sowohl das Land Baden als auch die Bundesrepublik, einem anderen Ziele nähergeführt hat, nämlich unsere uneingeschränkte Hoheit auch über das Gebiet der Stadt und des Hafens Kehl wiederzuerwerben.