Rede von
Dr.
Hermann
Kopf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten beauftragt, das Kehler Hafenabkommen zu prüfen und über das Ergebnis seiner Prüfung dem Plenum einen Bericht zu erstatten. Der Ausschuß hat sich dieser Aufgabe unterzogen.
Stadt und Hafen Kehl sind im Jahre 1945 nach der Besetzung einem Sonderregime unterstellt worden. Im Jahre 1946 sind Stadt und Hafen Kehl verwaltungsmäßig dem Departement Bas-Rhin eingegliedert und der Hafen von Kehl ist einer Sequesterverwaltung in Straßburg unterstellt worden. Das Washingtoner Abkommen vom 6./8. April 1949 hat vorgesehen, daß die Stadt Kehl schrittweise geräumt werden und wieder in deutsche Verwaltung übergehen .soll. Es ist ferner im Washingtoner Abkommen vorgesehen worden, daß für den Hafen Kehl eine gemeinsame Hafenverwaltung eingerichtet werden soll.
Im Jahre 1949 haben die Verhandlungen der badischen Landesregierung mit dem autonomen Hafen von Straßburg mit dem Ziel begonnen, eine Regelung der Verhältnisse des Kehler Hafens herbeizuführen. Diese Verhandlungen haben am 25. Juni. 1951 zur Paraphierung eines Abkommens geführt. Am 28. Juli 1951 hat das Hohe Kommissariat der französischen Regierung dem Staatspräsidenten von Baden die Mitteilung gemacht, daß, sobald das Kehler Hafenabkommen unterzeichnet ist, der Hohe Kommissar die notwendigen Maßnahmen zur Räumung des Kehler Hafens treffen werde. Am 17. Oktober 1951 hat die Bundesregierung die nach Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes erforderliche Zustimmung zum Abschluß des Kehler Hafenabkommens erteilt. Am 19. Oktober 1951 ist in Straßburg dieses Abkommen, abgeschlossen zwischen der autonomen Hafenverwaltung von Straßburg und dem Lande Baden, unterzeichnet worden. Vor der Unterzeichnung dieses. Abkommens ist ein Notenaustausch erfolgt. In diesem Briefwechsel der beiden Vertragskontrahenten ist vorgesehen worden, daß die ursprünglich in Aussicht genommenen Räumungstermine neu festgesetzt werden. Der Kehler Hafen sollte am 1. Januar dieses Jahres geräumt und einige Unternehmen sollten am 29. Februar dieses Jahres — somit in einigen Tagen — endgültig von der Besatzungsmacht freigegeben werden. Es ist ferner vorgesehen worden — eine sehr wichtige neue Regelung dieses Notenaustauschs —, daß der Stichentscheid des französischen Präsidenten des Verwaltungsrats sich nur auf die Fragen des Transitverkehrs und nicht auf die des Binnenverkehrs beziehen darf.
Das Vertragswerk selbst besteht aus drei Dokumenten: aus dem eigentlichen Abkommen, aus einer Satzung der nach dem Abkommen gegründeten Hafenverwaltung, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, und einem Pachtvertrag, in dem das Land Baden die ihm gehörigen Grundstücke, die ungefähr ein Viertel des Hafengeländes ausmachen, dieser zu gründenden Hafengesellschaft verpachtet.
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat zunächst die Rechtsfragen geprüft. Er hat sich dabei entschlossen, diejenigen Fragen aus seiner rechtlichen Beurteilung auszuscheiden, die innerbadisches Landesrecht betreffen. Er hat daher nicht die Frage geprüft, welche Voraussetzungen nach dem badischen- Landesrecht erforderlich sind, um einen wirksamen Abschluß dieses Vertrags herbeizuführen, ob insbesondere nach der badischen Verfassung eine Anhörung der Gemeinde Kehl vor dem Abschluß des Abkommens zu erfolgen hatte und ob sie, tatsächlich erfolgt ist — sie ist erfolgt —, und auch nicht, ob eine Genehmigung des Vertrags durch den badischen Landtag erfolgt ist. Eine Unterrichtung des Landtags durch Übersendung des Abkommens durch die badische Regierung ist erfolgt. Diese Fragen waren jedoch durch den Ausschuß nicht der Prüfung zu unterziehen, weil Art. 32 Abs. 3 des Grundgesetzes lediglich davon spricht, daß, insoweit die Länder vertragsberechtigt sind, die Bundesregierung die Zustimmung zu dem abzuschließenden Vertrag, keineswegs aber die Genehmigung des bereits abgeschlossenen Vertrags zu erteilen hat.
Es konnte daher nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, bei der Erteilung der Zustimmung zu dem erst abzuschließenden Vertrag die innerbadischen landesrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen, sondern die Genehmigung erfolgte naturlich mit der Maßgabe, daß das Land in der nach seiner Verfassung vorgeschriebenen Form diesen Vertrag nun zu einem gültigen Vertrag macht.
Der Ausschuß hat sich daher auf die andere Rechtsfrage beschränkt, nämlich ob es sich um ein Abkommen im Sinne des Art. 59 des Grundgesetzes handelt, das der Mitwirkung der zur Bundesgesetzgebung berufenen Organe bedarf. Ein solcher Vertrag läge dann vor, wenn er mit einer auswärtigen Macht abgeschlossen wäre und wenn es sich hierbei um Gegenstände der Bundesgesetzgebung oder politische Beziehungen des Bundes handelte. Das Kehler Abkommen ist nicht mit einer auswärtigen Macht, es ist mit dem autonomen Hafen von Straßburg abgeschlossen, der allerdings, wie aus dem Abkommen hervorgeht, als zum Abschluß dieses Abkommens ermächtigt bezeichnet wird. Weil der autonome Hafen von Straßburg als ermächtigt bezeichnet wird, hat der Auswärtige Ausschuß angenommen, daß weder die Anwendung des Art. 32 noch die Anwendung des Art. 59 durch diesen Umstand ausgeschlossen wird.
In dem Vertrag werden nicht berührt Gegenstände der Bundesgesetzgebung, sondern ausschließlich Gegenstände, die zur Landesgesetzgebung oder wahrscheinlich sogar nur zur Landesverwaltung gehören, nämlich die Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Erhebung von Hafenbenutzungsgebühren und die Verwaltung des Hafens selbst. Hafenverwaltung ist Landessache im Gegensatz zur Stromverwaltung, die Bundessache ist. Es steht daher fest, daß der
Vertrag auf keinen Fall Gegenstände der Bundesgesetzgebung betrifft.
Die weiter zu prüfende Frage war die, ob der Vertrag politische Beziehungen regelt, und zwar politische Beziehungen des Bundes. Solche politischen Beziehungen des Bundes wären zweifellos dann tangiert, wenn durch das Kehler Hafenabkommen Gebietsteile, die in den letzten Jahren unter französischer Hoheit standen, nunmehr in die Hoheit der Bundesrepublik zurückkehren würden. Das Hafenabkommen selbst enthält jedoch hierüber keine Bestimmungen. Es regelt lediglich die Errichtung einer Hafenverwaltung als Körperschaft des öffentlichen Rechts und die Verpachtung der landeseigenen Grundstücke an diese Körperschaft des öffentlichen Rechts. Lediglich die Note des französischen Hohen Kommissariats vom 28. Juli 1951 an den badischen Staatspräsidenten teilt mit, daß das Gebiet des Hafens von Kehl in deutsche Verwaltung zurückgegeben wird, sobald das Abkommen abgeschlossen ist. Hierbei handelt es sich um einen einseitigen Akt der Besatzungsmacht, der sich, wie . man wohl annehmen kann, im Rahmen des Besatzungsrechts vollzieht.
Trotzdem war jedoch der Ausschuß in seiner Mehrheit, und zwar mit einer Mehrheit von acht Stimmen, die einer Minderheit von sieben Stimmen gegenüberstand, der ,Auffassung, daß durch das Kehler Hafenabkommen politische Beziehungen des Bundes berührt werden. Die Mehrheit des Ausschusses nahm diese Voraussetzungen deshalb als gegeben an, weil ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Räumung des Hafens von Kehl und der Rückgabe des Gebiets des Hafens in deutsche Hoheit einerseits und der Errichtung einer gemeinschaftlichen Hafenverwaltung andererseits bestand; fernerhin deshalb, weil durch die Errichtung einer derartigen gemischten Hafenverwaltung ein Einfluß französischer Stellen auf die künftige Gestaltung der Hafenverwaltung sichergestellt werden soll. Aus diesem Grund hat der Ausschuß in seiner Mehrheit die ihm gestellte Rechtsfrage, ob der Vertrag nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes der Mitwirkung der zur Bundesgesetzgebung berufenen Organe bedarf, bejaht.
Die zweite Frage, deren Prüfung dem Ausschuß oblag, war die politische Beurteilung des Kehler Hafenabkommens. Der Ausschuß hat, um sich ein unmittelbares Bild über die Verhältnisse zu verschaffen, eine Reihe von Auskunftspersonen angehört: den Herrn Bürgermeister der Stadt Kehl, eine Reihe von Gemeinderäten dieser Stadt, den langjährigen Hafendirektor der Stadt Kehl, den Landeskommissar für die Wiederbesiedlung der Stadt Kehl und eine maßgebliche Persönlichkeit des Reedereiverbands. Seitens des Herrn Bürgermeisters der Stadt Kehl sind gegen den Abschluß des Vertrags in der Hauptsache zwei Gesichtspunkte geltend gemacht worden: einmal würde durch das Kehler Hafenabkommen die städtische Grundstückspolitik von Kehl beschränkt und ungünstig beeinflußt werden, und zweitens, es würde die künftige Entwicklung der Industrialisierung der Stadt Kehl gleichfalls nachteilig beeinflußt werden. Der Ausschuß konnte sich diesen beiden Bedenken nicht anschließen. Drei Viertel des Geländes des Hafens von Kehl bleiben nach wie vor in privatem Besitz und werden nicht an die Hafengesellschaft verpachtet. Es besteht sehr wohl die Möglichkeit, daß die dort früher vorhandenen Industrieunternehmen wieder ihre Tätigkeit aufnehmen und daß neue Industrieunternehmen dort angesiedelt werden. Auch von französischer Seite sind Bedenken hiergegen nicht zu erwarten. Auf der anderen Seite ist es keineswegs richtig, daß durch den Vertrag ein Monopol der Hafenverwaltung für den künftigen Geländeerwerb begründet worden ist. Das Land Baden soll lediglich das für den Hafenumschlagbetrieb notwendige Gelände und nicht mehr einbringen. Die Hafenverwaltung ist auch keineswegs berechtigt zur Weiterveräußerung staatlichen Grundbesitzes an Private, sondern wenn ein derartiger Verkauf stattfindet, erfolgt er durch den Staat, allerdings mit Zustimmung der Hafenverwaltung.
Ein anderes wesentliches Bedenken, das gegen den Vertrag geäußert worden ist, ist gleichfalls entkräftet worden, nämlich die Befürchtung, der Stichentscheid des Präsidenten des Verwaltungsrats in Fragen, die die Grundsätze und den Geist des Abkommens berühren, könnte die künftigen deutschen Interessen bei der gemeinsamen Hafenverwaltung gefährden. Dieses Bedenken ist meines Erachtens ausgeräumt worden durch den Notenwechsel, der bei der Unterzeichnung des Abkommens stattgefunden hat und durch den festgelegt worden ist, daß der Stichentscheid des Präsidenten sich nur auf den Transitverkehr bezieht und nicht auf den Binnenverkehr. Von den Schiffahrtssachverständigen ist aber dargelegt worden, daß der Transitverkehr nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen wird, weil er durch die Entwicklung der letzten Jahre und insbesondere durch die. Umleitung der Rheinschiffahrt in andere Kanäle bereits abgelenkt worden ist.
Auf der andern Seite hat die Mehrheit der befragten Auskunftspersonen erklärt, daß sie gegen die Zustimmung zum Kehler Hafenabkommen keine Bedenken haben und daß ihnen dieses Hafenabkommen zwei sehr wesentliche Vorteile zu bieten scheint: einmal die baldige Wiederinbetriebnahme des Hafens selber. Es ist von sachverständiger Seite darauf hingewiesen worden, daß die Gefahr einer Verrottung der Umschlagseinrichtungen bestehe, wenn das Inkrafttreten des Hafenabkommens und die Inbetriebnahme des Hafens sich verzögern sollten. Es ist darauf hingewiesen worden, daß seitens der deutschen Schiffahrt nicht der Wunsch bestehe, bei einer Fortdauer des jetzigen französischen Verwaltungsregimes den Hafen Kehl zu benutzen.
Der zweite sehr wesentliche Vorteil, der inzwischen bereits Tatsache geworden ist, besteht darin, daß im Zusammenhang mit dem Abschluß des Kehler Hafenabkommens der Hafen Kehl geräumt und wiederum in deutsche Hoheit übernommen worden ist. Durch eine Verzögerung der Unterzeichnung wäre diese Rückübernahme des Hafens Kehl in die deutsche Hoheit ebenfalls verzögert worden. Dies sind die beiden Gründe, die nach der Auffassung der befragten Personen die Unterzeichnung des Hafenabkommens als politisch erwünscht erscheinen ließen.
Die Mehrheit des Ausschusses hat sich daher der Auffassung angeschlossen, daß der Abschluß des Kehler Hafenabkommens nach der politischen Seite hin zu Bedenken keinen Anlaß gibt. Der Auftrag, der dem Ausschuß durch den Bundestag zuteil geworden war, erschöpfte sich darin, das Kehler Hafenabkommen zu prüfen und dem Plenum einen Bericht zu erstatten. Durch die Erstattung dieses Berichts an das Plenum ist die dem Ausschuß erteilte Aufgabe erfüllt.