Herr Präsident! Meine Damen und herren! Der klare Bericht des Herrn Berichterstatters hätte eigentlich eine umfangreiche Diskussion nicht erfordert, '
denn er enthielt im wesentlichen alles, was den Charakter und das Wesen der Dienstgruppen umfaßt. Aber die Ausführungen des Herrn Kollegen Müller von der KPD zwingen mich doch, noch einiges zur Ergänzung zu sagen, damit nicht ein falsches Bild über die Dienstgruppen bestehen bleibt.
Herr Kollege Müller, Sie täten besser daran, nicht so viel zu zitieren, sondern sich einmal mit den Menschen zu unterhalten, die in diesen Dienstgruppen tätig sind. Wir wollen die Frage der Dienstgruppen hier nicht nur von der vertraglichen Seite und von der besonderen deutschen Lage aus sehen, sondern wir wollen sie auch einmal von dem Menschen her sehen, der in dieser Dienstgruppe tätig ist. Die Dienstgruppen sind älter als die Bundesrepublik. Insofern täuschen Sie sich also, Herr Kollege Müller! Ehe überhaupt jemals ein deutscher Wehrbeitrag diskutiert wurde, gab es schon diese Dienstgruppen. Warum sind denn deutsche Menschen, ehemalige Kameraden von uns aus dem Kriege, in diese Dienstgruppen hineingegangen? Weil sie sonst der Arbeitslosigkeit anheimgefallen wären! Das sind Kameraden, die kamen aus der Kriegsgefangenschaft, hatten zum Teil ihre Familie verloren, fanden sie nicht wieder, hatten kein Obdach unter den damaligen furchtbaren Verhältnissen und waren froh, zunächst einmal Brot und Arbeit zu finden. So entstanden die Dienstgruppen überhaupt.
Und nun ein Weiteres! Nun haben sich diese Dienstgruppen unter den drei Besatzungsmächten zu drei ganz wesensverschiedenen Gruppen herausgebildet. Ich möchte an Sie, Herr Staatssekretär, unbedingt die Bitte richten, dafür Sorge zu tragen, daß ein wesentlicher Teil von schnell zu führenden Verhandlungen darin besteht, um die gleichartige Gestaltung des Aufgabenbereichs und der Organisation der Dienstgruppen in allen drei Besatzungsteilen bemüht zu sein. Die französischen Dienstgruppen sind ganz andersartig aufgestellt und haben ganz andersartige Funktionen als z. B. die Dienstgruppen in der britischen Zone. In der britischen Zone trat der Wandel im Frühjahr des vergangenen Jahres ein, als die britische Army of Rhine daran ging, das Arbeitsverhältnis zu ändern.
Hier möchte ich Sie bitten, das Problem erstlich wiederum in der menschlichen Seite zu sehen, denn schließlich sind es deutsche Menschen, die in diesen Dienstgruppen tätig sind. Und hier pflichte ich Herrn Kollegen Erler voll und ganz bei: ehe wir darangehen, in der näheren oder hoffentlich näheren Zukunft das Wesen der Dienstgruppen überhaupt zu klären, d. h. ehe wir an ihren Abbau und die Modalitäten dieses Abbaus herangehen, wie es der Herr Staatssekretär dargestellt hat, müssen wir dafür sorgen, daß die Dienstgruppen deutschen Rechtsverhältnissen unterstellt werden, d. h. einmal grundsätzlich deutschem Recht, zum zweiten aber auch weitgehend den geltenden deutschen sozialrechtlichen Verhältnissen. Sonst unterliegen diese Menschen einer Art innerer Pressung, die furchtbar ist.
Ich hatte Gelegenheit, mich mit Hunderten solcher Dienstgruppenangehörigen zu unterhalten. Die sagen Ihnen: ja, ich möchte ja gar nicht in der Dienstgruppe bleiben! Ich habe heute vielleicht
wieder die Möglichkeit, andere Arbeit zu bekommen! Aber ich kann ja gar nicht, denn ich bin sozial minderwertiger als die anderen Arbeiter! Ich habe in den vergangenen 6 Monaten keine Arbeitslosenversicherung gezahlt! Bekomme ich also die erwartete Stellung nicht, liege ich auf der Straße! Ich habe kein Wohnanrecht irgendwo! Ich bin ja absolut minderbewertet gegenüber allen anderen arbeitenden Menschen, ja sogar gegenüber den Arbeitslosen minderbewertet! — Das ist ein Zustand, der keinesfalls länger aufrechterhalten bleiben sollte.
Unbeschadet aller grundsätzlichen Verhandlungen, die Sie, herr Staatssekretär, hier dargestellt haben, möchte ich Sie bitten, in diesen beiden Punkten möglichst schnell Verhandlungen zu führen mit dem Ziel, daß erstens einmal die Dienstgruppen bei den drei Besatzungsmächten gleich organisiert und gleich behandelt werden, und zum zweiten, daß diese deutschen Menschen in vernünftige Arbeitsverhältnisse übergeführt werden, also Tarifvertrag, Urlaubsregelung, Arbeitslosenversicherung und all die Dinge, die dem deutschen Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, auch den deutschen Dienstgruppen zugänglich gemacht werden, so daß sie wieder gleichwertige Menschen im deutschen Raum werden.
Ich glaube, das ist eine einfache Forderung, die außerhalb aller sonstigen Verhandlungen, die mit Wehrbeitrag und Gleichberechtigung zusammenhängen, steht und die wir diesen deutschen Menschen schuldig sind.