Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die französische Saarpolitik ist zäh, konsequent, sie' ist langfristig geplant und sie wird durchgeführt über Jahrzehnte hinweg, über einen Weltkrieg hinweg und über sämtliche sogenannten europäischen Integrationspläne hinweg. Das Anliegen, das ich Ihnen heute vorzutragen habe, ist ein Beispiel und betrifft gleichzeitig einen wichtigen Bestandteil dieser französischen Saarpolitik. Ich will versuchen, Ihnen kurz darzustellen, worum es sich handelt.
Der Warndt ist ein deutscher Grenzvorsprung nach Lothringen hinein, südwestlich von Saarbrücken, westlich von der lothringischen Stadt Forbach. Die alten Gruben im Saargebiet liegen nördlich und nordöstlich von diesem Warndtgebiet. Nur eine Grube, die Grube' Velsen, befindet sich in unmittelbarer Fördernähe dieses Gebiets. Der Warndt ist die große Kohlenreserve des Saargebiets. Sie ist bisher praktisch unangetastet, sie ist gleichzeitig auch der bessere Teil der Kohlenvorkommen des Saargebiets. Dort erreichen die Kohlenflöze eine Gesamtmächtigkeit von 110 m, während sie im alten Revier höchstens 29 m Mächtigkeit erreichen: Der Kohlenvorrat im Saargebiet insgesamt wird mit 2,8 Milliarden t angegeben. Davon ruhen 800 Millionen t im Warndtgebiet. Für die Verpachtung an Frankreich, um die es sich hier handelt, sind nach der einen Angabe rund 850 Millionen t, nach anderen Angaben 1 Milliarde t vorgesehen, d. h. praktisch ein Drittel der gesamten Kohlenreserven des Saargebiets.
Um mit anderen Mitteln zu verdeutlichen, was das für die Wirtschaft des Saargebiets bedeutet, weise ich auf folgendes hin. Kommt die Verpachtung zustande, dann wird die Lebensdauer der Saargruben von 150 bis 160 Jahren herabgemindert auf 100 bis 110 Jahre. Der lothringische Vorrat steigt entsprechend, und die Lebensdauer der lothringischen Saargruben steigt von 260 auf 320 Jahre. Wenn die Pläne zu einer dauernden Verpachtung dieser Kohlenvorräte gelingen, dann wird dem Bergbau an der Saar und mit dieser Grundlage auch weitgehend der übrigen Saarwirtschaft 50 Jahre früher, um ein Drittel der Lebensdauer früher, das Lebenslicht ausgeblasen, als es natürlicherweise notwendig wäre. Über andere Nachteile dieses Vorhabens für die Saarbevölkerung will ich gleich sprechen. Vorher möchte ich einiges zur Rechtslage sagen.
Ich brauche nicht viel zu sagen über die Lage des Saargebiets selbst. Wir alle sind einer Meinung, daß das Saargebiet staatsrechtlich auch weiterhin zu Deutschland gehört und daß alle Rechtsgeschäfte, die die von Frankreich eingesetzte und an der Macht gehaltene Regierung in Saarbrücken mit Paris tätigt, für uns so nichtig sind wie die Rechtsgeschäfte, die die Pankow-Regierung etwa mit ihren Herren in Moskau oder den Satelliten Moskaus tätigt, z. B. in der Frage der Oder-NeißeLinie.
— Ja, Sie können in der Saarfrage nicht mitreden, denn Sie haben noch mehr auf dem Gewissen als die Franzosen mit ihrer Saarpolitik.
Das wichtigste Rechtsgeschäft, das die französische Regierung mit ihrer Strohmänner-Regierung in Saarbrücken abgeschlossen hat, ist der Abschluß der Konventionen vom März 1950, der Konventionen, gegen die der Deutsche Bundestag damals einstimmig protestiert hat. Unter diesen Konventionen gibt es die Grubenkonvention, die in ihrem Art. 1 die Ausbeutung aller Kohlenvorkommen an der _Saar dem französischen Staat überträgt, der die Ausbeutung durch die Regie des Mines, durch die Saargrubenverwaltung vornehmen läßt. In Art. 3 dieser Grubenkonvention wird der Régie des Mines die Möglichkeit gegeben, die Ausbeutung von Vorkommen, wenn sie schwierig und kostspielig ist, bis zu 50 Jahren an andere Gesellschaften abzutreten. Gemeint sind die benachbarten Grubengesellschaften in Lothringen. Es steht in diesem Art. 3, daß dazu allerdings die Zustimmung der Saarregierung erforderlich sei. Wie sehr hier die Saarregierung die Bevölkerung an der Saar. über die wirkliche Lage täuscht, möchte ich Ihnen durch ein Zitat dartun.
Der Wirtschaftsminister Ruland, der für dieses Problem am zuständigsten ist, hat auf dem jüngsten Parteitag der CVP darüber gesagt:
In der Grubenkonvention ist nun eine Bestimmung enthalten, wonach jeder der beiden Vertragspartner, also Frankreich und das Saarland, dann dem andern Partner Kohlenfelder zur Ausbeutung pachtweise überlassen kann, wenn sich ergibt, daß die .Ausbeutung dieser Felder für denjenigen, auf dessen Gebiet sie liegen, aus wirtschaftlichen Gründen nicht rentabel erscheint; eine Bestimmung also, die wirtschaftlich durchaus begründet und vertretbar ist.
Das ist eine Fälschung des Textes der Grubenkonvention. In der Grubenkonvention ist die Rede von Verpachtung von saarländischen Feldern an andere Gesellschaften, nämlich in Lothringen, und keineswegs von einer gegenseitigen Möglichkeit, also etwa auch in Lothringen gelegene Kohlenfelder an saarländische Gesellschaften zu verpachten.
Wie Herr „Botschafter" Grandval in diesen Dingen operiert, das möchte ich Ihnen auch an einem kurzen Satz demonstrieren, den er jetzt in einem Interview gesagt hat. Er sagt da, die Verpachtung der Warndt-Felder sei jetzt geplant; die Frage werde geprüft, „man werde die Frage unter voller Anerkennung der gleichberechtigten Ansprüche des Saarlandes entscheiden" und sich hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Ausbeutung usw. verständigen. — Das ist ein sehr schöner Ausspruch eines Botschafters in einem Lande, der dem Lande Gleichberechtigung für die Kohlenfelder dieses Landes zuerkennt. Sie sehen, wie weit die französische Politik da gediehen ist!
Die Absicht Frankreichs, Kohlenfelder im Saargebiet zu pachten, geht zurück auf die erste Periode der Abtrennung des Saargebiets von Deutschland. Schon 1924 und 1927 wurden eben auf Grund der Machtposition Frankreichs an der Saar — oho, mir erscheint das Schluß-Licht! — derartige Pachtungen getätigt. Es handelte sich um kleine Pachtfelder mit begrenzten Vorkommen und begrenzten Abbaumöglichkeiten. Schon damals haben die Gewerkschaften an der Saar gegen diese Absicht schärfsten Protest eingelegt und darauf hingewiesen, daß der Saarbevölkerung, insbesondere den Bergarbeitern dadurch die Lebensgrundlage entzogen werde. Ich kann aus Mangel an Zeit auf die weitere Entwicklung des Pachtproblems nicht eingehen. 1948 schloß die Saargrubenverwaltung mit Wirkung vom 1. Januar 1948 neue Verträge mit den lothringischen Gesellschaften über die Erweiterung der Pachtfelder auf 'das ganze Warndtgebiet ab. Über die Gültigkeit dieses Pachtvertrags für das ganze Vorkommen wurde bei der Diskussion über die Grubenkonvention in Paris „aus Zeitmangel" nicht gesprochen. Die Frage sollte später nach Ratifikation der Konvention gelöst werden.
Zur Zeit herrscht also praktisch ein vertragloser Zustand. Aber trotz mangelnder Rechtskraft im Sinne des Vertrags wird seit Jahr und Tag gehandelt, als ob die Vorkommen im Warndt langfristig verpachtet seien. Von französischer Seite aus sind schon Stollen bis ins Zentrum des Warndt-
gebietes vorgetrieben worden. Die Experten selbst der Saarregierung zweifeln heute, ob es wirtschaftlich noch zweckmäßig und möglich ist, eigene Saargruben zu errichten. Die Saarregierung hat gegen diese Politik Frankreichs, von Frankreich her die Kohlen wegzugraben, nichts unternommen.
— Herr Präsident, ich bitte, mir noch einige Minuten zu gestatten. — Die Bergarbeiter haben die Politiker, die sich dieser Entwicklung nicht widersetzt haben, „Ausverkaufsstrategen" genannt. Ich bin überzeugt, daß sie sich Mühe gegeben haben, einen druckfähigen Ausdruck zu finden.
Außer dem Nachteil der Verringerung der Lebensdauer des Saarbergbaus überhaupt gibt es einen weiteren, der unmittelbarer ist. In 10 bis 20 Jahren werden 5 Gruben im Saargebiet wegen Erschöpfung der Vorkommen stillgelegt werden müssen. 20 000 Bergarbeiter werden brotlos werden. Dazu werden andere kommen, die aus den bestehenden Gruben herausrationalisiert werden. Sie können nirgendwo anders unterkommen, oder höchstens eine kleine Zahl von ihnen. Es gibt nur eine Lösung für sie, wenn sie nicht zu schlechteren sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Bedingungen Fremdarbeiter in Frankreich werden sollen: neue Gruben im Warndt abzuteufen. Das wurde von der deutschen Saargruben AG. nach 1935 auch geplant. Im Syndikatvertrag von 1942 war für die neuen Gruben schon eine Quote angesetzt. Auf diesen Vorgang kann sich die Bundesregierung berufen, wenn sie im Sinne unseres Antrags in Paris vorstellig wird.
Es gibt auch keine finanziellen Bedenken. Die Experten der Saarregierung selbst haben der Regierung nachgewiesen, daß die Finanzierung durchaus von der Régie des Mines übernommen werden könnte. Dazu sei der Hinweis gestattet, daß in Frankreich seit 1945 in die französischen Gruben zehnmal mehr Mittel investiert wurden als in die Saargruben; und dabei fördert Frankreich nur dreimal so viel Kohle, wie es in den Saargruben geschieht.
Der Mangel an Investitionsmitteln im Saargebiet führt auch zu einem andauernden relativen Absinken des Saarbergbaus. Früher förderte man in Lothringen nur die Hälfte von dem, was an der Saar gefördert wurde. Jetzt sind es schon zwei Drittel, und die Kurve steigt weiter zuungunsten des Saarbergbaus. Das ist für die Position in der geplanten Montan-Union später einmal auch nicht unwichtig.
Die Gewerkschaften, die an diesem Vorgehen unmittelbar interessiert sind, haben aufs heftigste protestiert. Die Einheitsgewerkschaft hat einstimmig eine Entschließung gegen die geplante Verpachtung angenommen und zum Ausdruck gebracht, daß sie sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen zur Wehr setzen werde.
Meine Damen und Herren, ich muß zum Schluß kommen. Die Warndt-Politik ist, wie ich sagte, ein Beispiel für die Zähigkeit und Langfristigkeit der französischen Politik. Man fällt ihr auch leicht zum Opfer. Der Herr Bundeskanzler ist noch gestern ein Opfer dieser Zähigkeit geworden, wenn er zum Ausdruck gebracht hat, daß auch ein Saar-Landtag, sofern er neu und frei gewählt sei, über das Schicksal der Saar entscheiden könne. Nun, wir haben nicht die Auffassung, daß ein Landtag, und sei er noch so frei gewählt, über die Zugehörigkeit eines Gebietes entscheiden kann.