. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir haben allen Anlaß, zufrieden zu sein, daß uns die Bundesregierung heute hier versichern kann, daß sie im wesentlichen mit dem Inhalt des seinerzeit von meinen politischen Freunden eingebrachten Antrages übereinstimmt. Aber es gibt doch noch einige Punkte, die in Ergänzung des von Herrn Dr. Pfleiderer erstatteten gründlichen und zuverlässigen Berichtes hier vorgetragen werden müssen.
Auch in unseren Kreisen bestreitet niemand die Notwendigkeit bestimmter Arbeitsleistungen, die für die Besatzungsmächte vollbracht werden. Aber ich glaube, daß die Frage, wie sie jetzt der Herr Staatssekretär vor uns hingestellt hat, etwas falsch gestellt ist. Die Frage ist nicht, was später bei einem eventuellen Verteidigungsbeitrag in Zusammenhang mit der Ablösung des Besatzungsstatuts mit den Dienstgruppen zu geschehen hat, in welcher Weise dann eventuell eine besondere territoriale deutsche Organisation aufgezogen werden soll. Alle diese Dinge liegen doch noch in weiter, weiter Ferne, und niemand weiß, wie die Entscheidung endgültig aussehen wird. Die Frage, die heute vor uns steht — und darin war sich der Auswärtige Ausschuß vollkommen einig, meine Damen und Herren, und darin unterscheiden wir uns alle miteinander auch heute von den Auffassungen, die der Herr Staatssekretär eben vertreten hat —, die Frage, die jetzt zu entscheiden ist, lautet: Was wird jetzt aus den Dienstgruppen?
Ist es nicht auch heute schon ohne Rücksicht auf die Ablösung des Besatzungsstatuts durch ein System von anderen Verträgen notwendig und richtig, den rechtlichen Status der Dienstgruppen zu ändern? — Der Auswärtige Ausschuß ist dieser Meinung. Das bedeutet, daß wir der Bundesregierung eben eine zusätzliche, wenn auch unbequeme Pflicht auferlegen. Wir erlegen ihr die Pflicht auf, unabhängig von den Verhandlungen über die Ablösung des Besatzungsstatuts, unabhängig von ihren Verhandlungen über die europäische Ver-
teidigungsgemeinschaft, gesonderte Verhandlungen zu führen, damit endlich einmal die Männer der Dienstgruppen aus dem Zwielicht herausgeholt und in die Position als deutsche Staatsbürger gebracht werden, die sie haben müssen, wenn das Problem nicht politisch gegen uns falsch ausgeschlachtet werden und wenn sich der, Männer selbst nicht eine begreifliche Unruhe über ihr künftiges Schicksal bemächtigen soll.
So ist die Frage vom Auswärtigen Ausschuß gestellt, und ich möchte nicht, daß die Bundesregierung hier ausweicht und nun von uns eine Fristverlängerung erwartet mit der Begründung: Wir können ja dem Hause dann später berichten, wenn in der Gesamtheit der Verträge mit den Besatzungsmächten nun auch die Frage der Dienstgruppen einmal irgendwie geregelt sein wird. Das ist ein völlig anderes Problem. Es geht um die jetzt auszuhandelnde besondere Lösung des Verhältnisses der Dienstgruppen. Ich darf Ihnen nachher auch noch an einem sehr konkreten Beispiel zeigen, warum diese Lösung jetzt notwendig und daß sie außerdem jetzt auch möglich ist.
Ich bedaure es, daß sich die Bundesregierung erst im Dezember 1951, d. h. nach einer mehrmonatigen Initiative des Bundestages, nach wiederholten öffentlichen Debatten in diesem Hause dazu hat entschließen können, an die Dienstgruppenfrage politisch heranzugehen und vom Auswärtigen Amt her Verhandlungen aufzunehmen. Endlich ist damit der politische Komplex dieser Frage aus der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Finanzen herausgelöst worden. Damit ist einem Petitum unseres Antrages weitgehend entsprochen. Wir hoffen, daß es bei dieser Zuständigkeitsregelung bleibt. Wir erheben auch gar keine Vorwürfe gegen das Finanzministerium, daß es sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten nicht bemüht habe, aufrichtig an all die Probleme heranzugehen, die die Dienstgruppen stellen. Aber das Finanzministerium ist nun einmal kein Instrument der Außenpolitik, und hier handelt es sich um eine solche Frage des Verhältnisses zu den Besatzungsmächten. Das Finanzministerium hat sich redlich Mühe gegeben, die sozialen Probleme, die die Dienstgruppenangehörigen betreffen, einer Regelung zuzuführen. Ich muß Ihnen davon Kenntnis geben: Es erfüllt uns alle mit großem Befremden, daß die Besatzungsmächte auf die berechtigten Anliegen der Dienstgruppen, vorgetragen in übereinstimmender Meinung vom Bundesministerium der Finanzen, von den Gewerkschaften und von der Betreuungsgemeinschaft der Dienstgruppen selbst, bisher nicht die leisesten Anzeichen einer Gewährung dieser Wünsche von sich gegeben haben.
Worum handelt es sich? Es handelt sich zunächst einmal darum, daß das Arbeitsverhältnis, in dem die Männer stehen, zu einem echten Arbeitsverhältnis nach deutschem Arbeitsrecht gestaltet wird. Das kann man an einem Beispiel sehr einfach erkennen: ob es nämlich einen Tarifvertrag für diese Leute gibt oder ob die Arbeitsbedingungen einseitig, von den Besatzungsmächten diktiert, auferlegt werden. Es gibt keinen solchen Tarifvertrag. Man hat den Versuch unternommen, die Besatzungsmächte an den Verhandlungstisch zu bringen; das ist bisher gescheitert. Es ist gescheitert mit der Begründung: wir wollen doch erst einmal einen Tarifvertrag für das ganze übrige bei den Besatzungsmächten tätige Personal machen. Deshalb kann man doch zunächst einmal die Dienstgruppenfrage behandeln! Es gibt einen Modellvertrag für das Personal der Alliierten in der Enklave
Bonn, der durchaus Anhaltspunkte dafür bietet, wie man eine auch die Interessen der Besatzungsmächte sichernde rechtliche Fixierung dieses Arbeitsverhältnisses mit deutschen Vertretern aushandeln könnte; denn zum Verhandeln gehören zwei, und wir wollen eben nicht mehr, daß sich die Dienstgruppen in der Lage der Rechtlosigkeit befinden, daß sie behandelt werden wie die Arbeitnehmer im „Dritten Reich", die einer auferlegten Tarifordnung ausgeliefert waren und nicht selbst an der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse mitwirkten.
Hier gehört der ganze Komplex um den Härteausgleich hinein, der für die durch die einseitig von den Engländern verfügte Änderung der Arbeitsbedingungen entstandene Notlage gezahlt werden sollte. Hier gehört hinein, daß es bis heute keine zufriedenstellende Regelung der Unfall und der Haftpflichtversicherung gibt. Das ist ein wichtiges Problem für Leute, die mit halbmilitärischen Dienstleistungen befaßt sind, bei denen jeden Tag das eine oder andere geschehen kann. Hier gehört vor allen Dingen hinein die teilweise weitreichende Unterstellung unter die Militärgerichtsbarkeit der Alliierten. Wir können es nicht hinnehmen, daß deutsche Staatsbürger in dieser Weise aus der Rechts- und Gefahrengemeinschaft des deutschen Volkes herausgelöst und zu Anhängseln fremder — denn noch sind es fremde — Streitkräfte irgendwo in unserem eigenen Heimatland gemacht werden.
All das ist möglich; die Umwandlung in ein echtes ziviles Arbeitsverhältnis ist möglich — der Herr Berichterstatter hat es ausgeführt —, ohne daß die Arbeitsleistungen darunter leiden. Die Bundesbahn fährt pünktlich. Sie fährt auch alliierte Truppen. Sie fährt, wenn's nottut, auch Munition. Trotzdem denkt kein Mensch daran, die Bediensteten der Bundesbahn nun als militärähnliches Personal den Alliierten anzuhängen, sondern sie leisten das, obwohl sie Arbeitnehmer, Angestellte, Arbeiter, auch Beamte nach deutschem zivilem Recht sind. Wir wünschen nicht, daß deutsche Staatsbürger allmählich aus unserem Staatsverband, wie ich ausgeführt habe, ausgegliedert und gewissermaßen zu Angehörigen fremder Streitkräfte gemacht werden. Es gibt keinen verantwortlichen deutschen Einfluß auf Auswahl und Verwendung der Angehörigen der Dienstgruppen. Sie sind zum Teil in geschlossenen Formationen zusammengefaßt, die man teilweise in die militärischen Einheiten der Besatzungsmächte direkt eingebaut hat; infolgedessen sind sie auch teilweise uniformiert und bewaffnet.
Diese Herauslösung deutscher Staatsbürger aus dem deutschen Staatsverband hat zu den kuriosesten Unternehmen geführt. Da ist das Ansinnen an den Herrn Bundesminister der Finanzen gestellt worden — er hat ihm sogar zunächst einmal entsprochen und seine Weisung erst nach heftigem Gegendruck erfreulicherweise widerrufen —, daß die Angehörigen der Dienstgruppen auf dem Gebiete der Verbrauchssteuern den sonstigen Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte gleichzustellen seien. Das heißt also, es ist der Versuch unternommen worden, das Herauslösen aus der Gemeinschaft der übrigen Deutschen mit einer Art Bestechungsgeld, mit der Chance, amerikanische Zigaretten schmuggeln zu können, abzugelten. Erfreulicherweise haben sich die Angehörigen der Dienstgruppen selbst gegen diesen Versuch gewandt. Weniger erfreulich ist es, daß der Herr Finanzminister, der sonst berechtigterweise um
jeden Groschen kämpft, .hier, wo es um erheblich höhere Beträge ging, zunächst sofort die entsprechende Weisung auf Freistellung von den Verbrauchssteuerabgaben in den Kantinen der Dienstgruppen hatte hinausgehen lassen und diese Anordnung erst später widerrief.
Es gibt heute eine Tendenz, erstens mit der Angst der Dienstgruppen vor ihrer Auflösung, vor dem Schicksal der Arbeitslosigkeit zu operieren und zweitens mit der Angst des deutschen Volkes, daß unsere Sicherheit nun fürchterlich gefährdet sei, wenn sich bei den Dienstgruppen irgend etwas ändere. Aber, meine Damen und Herren, es ändert sich doch gar nichts! Die Arbeitsleistungen sollen weiter vollbracht werden. Sie sollen unter einem anderen rechtlichen Status vollbracht werden. Das ist es, worauf es ankommt. Da wird kein Mensch arbeitslos, und da leidet auch die Sicherheit der Bundesrepublik nicht Not. Aber es werden aus Angehörigen halbmilitärischer Verbände der Alliierten deutsche Staatsbürger, die als Arbeitnehmer ihrer Arbeit nachgehen und einen bestimmten wichtigen Arbeitsauftrag erfüllen.
Mit diesem Vorbringen befinden wir uns in voller Übereinstimmung mit den Angehörigen der Dienstgruppenorganisationen selbst, Die Betreuungsgemeinschaft hat uns eine Entschließung unterbreitet — sie ist den meisten Damen und Herren bekannt —, die völlig mit den Wünschen des Hohen Hauses übereinstimmt. Daß es auch kleinere unerfreuliche Ausnahmen — z. B. in der amerikanischen Besatzungszone — gibt, die einen merkwürdigen politischen Beigeschmack haben, damit wollen wir uns hier nicht auseinandersetzen.
Herr Staatssekretär, das Besatzungsverhältnis verbietet heute schon den Einbau von deutschen Staatsbürgern in Einheiten der Besatzungsstreitkräfte. Gerade das wäre eigentlich erst möglich, wenn es sich um eine echte, vertraglich vereinbarte Schutzmacht handelte. Ein solcher Einbau ist nach der Haager Landkriegsordnung gar nicht möglich; das hieße, daß ein Volk sich selbst besetzt, daß wir auch noch ein Anhängsel der Besatzungstruppen stellen, die uns hier besetzen. Gerade solange es eben den Generalvertrag noch nicht gibt, muß der Rechtszustand erst recht geändert werden, weil er heute schon rechtswidrig ist, und es ist die Pflicht der Bundesregierung, diese Rechtswidrigkeit zu beseitigen. Wenn sie das nicht tut, dann versagt sie in der Erfüllung der Aufgaben, die Rechte des Bundes zu wahren gegenüber jedem, wer es auch sei.
Wenn aber einmal eine echte Partnerschaft hergestellt werden soll, wenn sich der Charakter der Besatzungsstreitkräfte ändert, dann tritt doch erst recht die Forderung an uns heran — und wir haben sie uns hier heute vorausschauend zu eigen gemacht —, daß es militärähnliche Leistungen der Bundesrepublik nur geben könnte in den vom deutschen Parlament in der gehörigen Weise beschlossenen Formen und nicht durch die Hintertür, nicht auf irgendwelche andere Weise. Wir lassen uns da nicht mit einer Übergangsperiode abspeisen, von der noch niemand weiß, wie lange sie möglicherweise dauert, weil ja noch niemand den Anfang dieser Übergangsperiode abzuschätzen vermag. Wir möchten warnen vor einer Absicht, die kürzlich in der deutschen Presse berichtet wurde, wonach man eventuell ja deutsche Männer heute schon in die alliierten Streitkräfte als Kader für die künftigen deutschen Kontingente in der Verteidigungsgemeinschaft aufnehmen könne. Das wäre wirklich ein Vorgriff auf die Entscheidung der deutschen gesetzgebenden Körperschaften, der auf keinen Fall hingenommen werden kann, und es ist notwendig, das von dieser Tribüne aus sehr deutlich und sehr nachdrücklich zu sagen.
— Es gibt Leute, die daran denken; sie sitzen nicht in diesem Hause, sie sitzen anderwärts. An sie richtet sich das, was ich jetzt sage, damit Klarheit herrscht, Herr Kollege. — Es darf keinen heimlichen Vorgriff auf den Wehrbeitrag geben, sondern in der Frage der Dienstgruppen nützliche Arbeit von im zivilen Arbeitsverhältnis stehenden deutschen Staatsbürgern, wodurch zweifellos die Kampfkraft der alliierten Streitkräfte, wie sie uns immer wieder versichern, auch erhöht wird.
Wenn es je zu einem Verteidigungsbeitrag kommen sollte, dann ist immer noch Zeit, sich darüber zu unterhalten, in welcher Weise diese Leistung der Dienstgruppen auf einen eventuellen Verteidigungsbeitrag angerechnet werden muß; denn dann kann es nur ein en Beitrag geben; dann kann die deutsche Volks- und Arbeitssubstanz nicht zweimal angezapft werden: einmal durch ein eventuelles Kontingent und zum zweiten dann noch durch die Dienstgruppen, die die Besatzungsmächte nebenher unmittelbar unterhalten. Aber das ist eine Frage der Zukunft. Ich möchte das jetzt nur dem Herrn Staatssekretär als Anmerkung mit auf den Weg geben.
Meine politischen Freunde begrüßen den Bericht des Ausschusses. Er läßt erkennen — vergleichen Sie die beiden Fassungen —, daß sich der Auswärtige Ausschuß in vollem Umfang die Wünsche der Sozialdemokratischen Partei zu eigen gemacht hat. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß wir in dieser Frage alle miteinander einig sind und daß es infolgedessen hohe Zeit wird, daß jetzt der Initiative des Hohen Hauses endlich auch von den verantwortlichen Stellen in der gebührenden Weise Rechnung getragen wird.