Rede von
Josef
Arndgen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Fraktionsfreund, der Herr Abgeordnete Horn, hat schon darauf hingewiesen, daß mit den Regierungsparteien auch die CDU-Fraktion
— sogar die tragende, Kollege! — dem Grundsatz einer Studienkommission zustimmt. Wenn aber der Herr Professor Preller in seinen Ausführungen Richtlinien für die Arbeiten dieser Kommission geben zu müssen glaubt, bin ich der Meinung, daß er bei der Kennzeichnung dieser Richtlinien nicht logisch gewesen ist, oder er ist vor den letzten Wirkungen dieser Logik zurückgeschreckt. Das Kernstück seiner Ausführungen war die Beseitigung der Bordschwellen zwischen Versicherung, Versorgung und Fürsorge. Wenn Sie diesen Gedankengang logisch durchgedacht hätten, Herr Kollege Preller, hätten Sie sagen müssen: Auch Beseitigung der Bordschwellen zwischen Pension usw. Das wäre die letzte Konsequenz Ihres Gedankenganges gewesen.
Vor dieser letzten Konsequenz, Herr Professor Preller, sind Sie zurückgeschreckt, vielleicht aus der Erkenntnis, daß es in unserem Gemeinschaftsleben nun doch nicht möglich ist, allen Notfällen, allen Dingen, die sich ereignen, von einer großen Versorgungsanstalt aus gerecht zu werden. Wenn schon eine Bordschwelle zwischen Pension, Versicherung und den weiteren sozialen Einrichtungen notwendig erscheint, sind, meine ich, auch Bordschwellen zwischen den anderen Versicherungs-
und Versorgungseinrichtungen erforderlich. Ich bin der Meinung, daß von idem Sektor aus, in dem jemand tätig gewesen ist, in dem seine Notlage entstanden ist, in Notfällen auch eingegriffen werden muß. Wenn man die Dinge so sieht, erscheint es sinnvoll, daß derjenige, der irgendwie im freien Wirtschaftsleben tätig gewesen ist, seine sozialen Leistungen in Fällen der Not auch durch eine Versicherung erhält, die von diesem Wirtschaftszweig getragen wird.
Wenn jemand im Dienste des Staates und namentlich im Dienste des Staates mit der Waffe in der Hand versorgungsberechtigt geworden ist, dann hat er gegenüber diesem Staat ein Anrecht auf Versorgung. Für denjenigen, der sonst aus allgemeinen Gründen notleidend geworden ist, hat die Gemeinschaft, in der er lebt, zu sorgen. Daher bin ich, wie ich schon eingangs gesagt habe, der Meinung, daß, wenn die Konsequenzen nicht bis ins letzte gezogen werden und die SPD-Fraktion an der Forderung festhält, daß die eine Bordschwelle bleibt — nach ihrer Meinung sicher aus sinnvollen Gründen —, auch die gleichen sinnvollen Gründe für die anderen Bordschwellen gegeben sind.
Der Herr Kollege Richter hat klarzumachen versucht, daß die Unmenge von Paragraphen, die dieses gesamte Versorgungs-, Unterstützungs- und soziale Leistungswerk — sei es Versicherung, sei es Versorgung, sei es Fürsorge — ausmachen, vereinfacht werden müsse. Ich bin mit dem Kollegen Richter darin einig, daß man an die Beseitigung des Gestrüpps gehen muß, das in den letzten Jahrzehnten um all diese Gesetze herumgerankt wurde. Hier halte ich mit dem Kollegen Richter eine Studienkommission für notwendig, die all diese Dinge überprüft. Ich bin dabei der Meinung, daß es ohne Beseitigung der Systeme, die wir nun haben, möglich ist, idas gesamte soziale Leistungswerk einfacher und auch verständlicher zu gestalten, aber nicht in dem Sinne, daß Bewährtes um eines Experiments willen zerschlagen wird, dessen Wirkungen nicht zu übersehen sind.
— Herr Kollege Richter, ich denke nicht daran, meine Hand zu bieten für ein Experiment sozialer Sicherheit wie in England oder Frankreich, für Systeme, die sich heute in diesen Ländern in einer Krise befinden. Wir wissen noch nicht, was aus diesen Systemen wird. Dann halte ich lieber an dem fest, was sich bei uns durch Jahrzehnte bewährt hat.
Der Herr Kollege Richter hat gebeten, die beiden Anträge. dem Ausschuß zu überweisen. Ich bin gegenteiliger Auffassung. Was hier von der SPD-Fraktion verlangt wird, haben wir in Deutschland schon einmal in etwas abgewandelter Form gehabt. Ich erinnere nur an den Enquête-Ausschuß in den Jahren vor 1933, der doch etwas Ähnliches war. Was hat dieser Enquête-Ausschuß zutage gefördert? Material für eine Reihe von Doktorarbeiten! Wenn wir hier eine Studienkommission einsetzen, muß sie mehr erbringen als Material für Doktorarbeiten, mehr als Material für Broschüren und auch mehr als Material für Zeitungsartikel. Eine solche Studienkommission muß praktische Ergebnisse bringen, die im Dienste unserer notleidenden Menschen verwandt werden können.
Ich bin von meinen Parteifreunden beauftragt, das Hohe Haus zu bitten, über die Anträge hier direkt abzustimmen und sie nicht dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen.