Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort zur Begründung des Antrages unter Punkt 9 d der Tagesordnung hat der Abgeordnete Müller.
Müller (KPD), Antragsteller: Ich habe Sie noch nie so geistreich gehört!
Meine Damen und Herren! Der von der kommunistischen Fraktion eingebrachte Antrag
fordert, daß der Bundestag die Regierung unverzüglich um die Vorlage eines Berichtes ersucht einmal über das Ergebnis der Verhandlungen mit der Hohen Kommission hinsichtlich der Einstellung der Werbung von Deutschen für fremdländischen Militärdienst und sodann über das Ergebnis der Beratungen und Verhandlungen hinsichtlich der Schließung der auf dem Boden der Bundesrepublik betriebenen Werbestellen.
Der Bundestag hat sich mit dieser Frage schon mehr als einmal beschäftigt. Ich glaube, daß der bestehende Zustand nicht besser charakterisiert werden kann als mit der Überschrift einer Meldung der „Westfälischen Rundschau" vom 15. Oktober 1951, die lautet: „Reservedepot der Landsknechte". Auf die Frage, welches die Motive dafür gewesen sind; daß Deutsche angeworben werden konnten, möchte ich jetzt nicht näher eingehen, weil mein Freund Walter Fisch bereits auf die Not insbesondere der Jugend hingewiesen hat. Es ist auch wohl nicht von der Hand zu weisen, daß man diese Not und dieses Elend organisiert und damit die Voraussetzungen für die Tätigkeit dieser Werbezentralen schafft.
Dieselbe Zeitung stellt in der Einleitung zu diesem Artikel weiterhin fest:
Fast überall in der Welt, wo die Spannungen
der Nachkriegszeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt haben, wird ein Teil der
kämpfenden Truppen von Deutschen gebildet. Ich glaube, diese Feststellung, die bereits erhärtet wurde, signalisiert und charakterisiert einen ganz bestimmten Zustand, nämlich die Tatsache, daß das, was die ausländischen Mächte sich hier erlauben, nur durchgeführt werden kann in einem Land, das sie als Kolonialland betrachten. In einem Kolonialland usurpieren sie nicht nur die Bodenschätze, die Wirtschaft und machen sie sich dienstbar, nutzen und beuten sie aus, sondern ebensosehr die Menschen. Daraus resultiert die große Zahl derjenigen Deutschen, die in den verschiedensten Ländern der Kolonialherren zum Einsatz gekommen sind.
Der Herr Arbeitsminister wollte vorhin Auskunft haben, ob es bei Arbeitsämtern solche Werbestellen gibt. Herr Arbeitsminister, ich ersuche Sie,
bei dem Darmstädter Arbeitsamt nachzuprüfen, ob auf dem Zimmer 3 dieses Amtes nicht z. B. eine solche Werbestelle Anwerbungen für die holländische Fremdenlegion durchgeführt hat.
Herr Arbeitsminister, vielleicht sind Ihnen auch die Berichte über Hamburg bekannt, wonach dort Werber für die Heere der arabischen Liga tätig sind.
Ich glaube, Herr Arbeitsminister, wenn Sie nur einigermaßen nachforschten, würden Sie diese Agenturen der Werbung für fremde Militärdienste überall feststellen können, offen oder versteckt.
Wenn vorhin darauf hingewiesen wurde, daß auf Gründ von Beschlüssen die Werbung nicht verboten werden könne, so ist das auch ein weiterer Beweis für die so oft behauptete „Gleichberechtigung" der Bundesrepublik mit den anderen Ländern. Sie fragen nicht danach, wenn es darum geht, deutsche Menschen für ihre fremdländischen Dienste anzuwerben und ihr Leben und ihr Blut für den Profit in den Kolonialgebieten einzusetzen. Es ist typisch und charakteristisch — wir haben ja Gelegenheit gehabt, anläßlich einer früheren Debatte auf die Tätigkeit des Kaiser-Ministeriums in dieser Frage näher einzugehen, und vielleicht haben wir später noch Gelegenheit, das zu wiederholen —, daß einer der maßgebendsten Politiker des amerikanischen Senats erklärt hat: „Wir brauchen ja gerade den Deutschen als Kanonenfutter für die Politik des amerikanischen Krieges und der amerikanischen Kriegsvorbereitung." Das ist es, was der ganzen Methode und den Absichten, die damit verfolgt werden, zugrunde liegt.
Meine Damen und Herren, wo überall solche geworbenen jungen Deutschen eingesetzt werden oder aber auch aus den Kriegsgefangenenlagern als ehemalige Kriegsgefangene, um dieser Hölle von Kriegsgefangenenlagern in den westlichen Ländern zu entgehen, sich melden,
das kommt z. B. auch in der Tatsache zum Ausdruck, daß deutsche Jugendliche und ehemalige Kriegsgefangene von den Amerikanern in Südkorea eingesetzt worden sind. Man hat damals versucht, wohlweislich in Erwartung der Feststellungen, die ja doch einmal getroffen werden mußten, zu behaupten, Deutsche würden auf seiten Nordkoreas im Kampf eingesetzt. Aber man konnte doch nicht der Feststellung der Tatsache entgehen, daß Deutsche in Südkorea von den Amerikanern in diesem Kampf, in diesem Krieg, in dieser Aggression gegen Nordkorea eingesetzt worden sind.
Allein aus einem Werbegebiet werden durchschnittlich wöchentlich 170 Angeworbene für den ausländischen Militärdienst zur Verfügung gestellt
und in diese Länder übergeführt. Ich glaube, das ist ein Zustand, der für einen Deutschen unerträglich ist, und ich glaube, daß der Bundestag die Verpflichtung hat, entsprechend unserem Antrage von der Regierung völlige Aufklärung zu verlangen mit dem Ziel, daß unter keinen Umständen mehr Deutsche für ausländische Militärdienste angeworben werden und daß alle Werbestellen und die Tätigkeit dieser Werber unter allen Umständen unterbunden werden.