Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Deutschen Partei hatte ursprünglich einen etwas anderen Charakter. Er sprach von der Regelung von irregulären Besatzungsschäden, die entstanden sind durch irreguläre Requisitionen in der Zeit bis zum 1. August 1945. Der Auswärtige Ausschuß hat zunächst einen Punkt klargestellt. Er hat sich nicht mit dem Verhältnis zu dem einzelnen Geschädigten befaßt. Durch die Annahme unseres heutigen Antrages sollen also keine Hoffnungen erweckt werden, daß in irgendeiner absehbaren .Zeit nun konkret an das herangegangen wird, was man sonst im bürgerlichen Rechtsleben die Regulierung eines Schadens nennt, das heißt die Zahlung eines Schadensersatzes. Das ist ein völlig anderes Problem; das ist Gegenstand der Beratungen — ernsthafter Beratungen — auch im Lastenausgleichsausschuß. Das steht hier heute nicht zur Debatte. Es handelt sich also nicht um den einzelnen Geschädigten, sondern um die Verluste, die die Substanz des deutschen Volksvermögens überhaupt durch Eingriffe der Besatzungsmacht erlitten hat, und es handelt sich um die Geltendmachung dieser Verluste den Besatzungsmächten gegenüber. Das ist das Thema des jetzt vorliegenden Antrages.
Wichtig ist eine Inangriffnahme der von uns hier gewünschten Arbeiten für die Verhandlungen über die deutschen Auslandsschulden und das Auslandsvermögen. In diesem Sinne war der alte Antrag zu eng. Das Datum hat er ungefähr richtig angesetzt; denn vom 1. August 1945 ab gibt es ein einigermaßen geordnetes Verfahren für die Anmeldungderartiger Schäden, für ihre Feststellung und für ihre Bezahlung, auch wenn die geleisteten Vergütungen nicht immer — häufig sogar nicht! — den tatsächlich erlittenen Schaden voll abdecken. Hier handelt es sich also um die Zeit vor dem 1. August 1945.
Wir haben in den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses bewußt von dieser zeitlichen Grenze abgesehen. Wir wollen, daß zusätzlich zu den Erhebungen, die der Herr Bundesminister der Finanzen nach seinen eigenen Büchern über die Leistungen hat anstellen können, die über den Bundeshaushalt abgewickelt worden sind, einmal die Glezamtheit aller Verluste ermittelt wird, die durch die IIiierten Mächte seit dem Betreten deutschen Bodenstsam deutschen Volksvermögen entstanden
sind. Es handelt sich also um Leistungen jeder Art. Es sind Milliardenwerte, die auf diese Weise in den Block der Verhandlungen um das Problem der Auslandsschulden und Auslandsvermögen mit einbezogen werden müssen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß unser Bericht bestimmte einzelne Punkte erwähnt. Er spricht sowohl von den formgerechten als auch von den irregulären Requisitionen. Er beschränkt sich also nicht auf die irregulären. Er spricht von den Kontributionen, die ja gerade auch in den ersten Tagen und Wochen der Besatzung nicht von dem noch gar nicht existierenden Bund erhoben wurden, sondern von Ländern, Gemeinden, Individuen. Er spricht von den Besatzungsschäden allgemein, die in jener Zeit entstanden sind, von den Entnahmen zu Reparations- und Restitutionszwecken, und zwar auch wenn die betreffenden Gegenstände und Werte im Ausland entnommen worden sind, von den Schäden, die durch Entmilitarisierungsmaßnahmen entstanden sind, und dann schließlich ganz allgemein von anderen Entnahmen, z. B. als Beute.
Im Ausschuß ist ganz offen darüber gesprochen worden, daß gerade die Abgeordneten der französischen Zone über eine sehr reichhaltige Liste derartiger verschiedener Formen der Entnahme verfügen. Wir entsinnen uns noch der Commissions de Récupération, die unter den unwahrscheinlichsten Vorwänden Maschinen und Geräte der verschiedensten Art aus Werken, aus Fabriken, aus Lagern des Deutschen Roten Kreuzes — ein solcher Fall ist mir selber passiert — entnommen und nach Frankreich abgeführt haben. Es ist an der Zeit, daß diese Dinge einmal zahlenmäßig festgehalten werden, wobei allerdings der Ausschuß nicht etwa wünscht, daß nun ein allgemeiner Aufruf an die Bevölkerung ergeht, der ja wieder nur falsche Hoffnungen erwecken könnte. Alle diese Schäden sind längst den Behörden auf der lokalen Stufe bekannt. Die Gemeinden, die Requisitionsämter, die Kriegsschädenämter, zum Teil auch die Landesfinanzverwaltungen, — sie haben das alles längst gesammelt. Es kommt nur darauf an, dieses umfangreiche Material jetzt zu sichten, durchzuarbeiten und für den Gebrauch der Bundesregierung in möglichst handlicher, übersichtlicher Weise zusammenzustellen.
Wir haben die Fassung bewußt so allgemein gewählt, weil — worauf ich noch hinweisen möchte — eine Reihe von Schäden ja zwar vergütet worden sind, aber nur mit einem Bruchteil. Greifen wir einmal das Problem der Demontagen heraus. Da hat doch der Finanzminister bisher nicht einen Pfennig an Entschädigung für die Demontage bezahlt, sondern die Demontagekosten sind vergütet worden, d. h. die Kosten für das Verpackungsmaterial und die Transportkosten, aber nie der Wert der entnommenen oder zerstörten Fabrikanlagen oder Maschinen selbst. All das muß einmal festgestellt werden, damit man die Größenordnung der Werte kennt, die aus der deutschen Vermögenssubstanz herausgezogen worden sind; schon um eine Legende zu zerstören, die sich weithin breit macht und die etwa dahin geht, das deutsche Volk leiste nichts zur Sicherheit und zur Verteidigung der westlichen Welt. Ich glaube, hier ist in den vergangenen Jahren eine Summe von vielen zehn Milliarden aufgebracht worden. Sie kennen allein die eine Schätzung, die auf über dreißig Milliarden hin geht, eine Summe, die sich sehr wohl neben den Militärhaushalten mancher anderer Staaten sehen lassen kann.
Das Begehren des Ausschusses geht nun dahin, daß zunächst die Bundesregierung eine ungefähre Schätzung vornehmen soll, damit für die ja schon angelaufenen Schuldenverhandlungen rasch Material zur Verfügung steht. Dabei kommt es nicht auf Heller und Pfennig an. Aber man muß die Größenordnung kennen. Das ist das Petitum Nr. 1.
Wir wollen es bei dieser Schätzung nicht bewenden lassen. Dann kommt der Antrag - und das ist das Begehren Nr. 2 —, daß in einer gemeinsamen Denkschrift der beteiligten Ministerien unter Hinzuziehung des Materials der lokalen Behörden zusammengefaßt wird, welche Schäden all der Art, wie ich sie Ihnen genannt habe, in der Bundesrepublik entstanden sind, damit das als gründliche, ernste Arbeit künftig in internationalen Verhandlungen verwertet werden kann.
Schließlich haben wir in Punkt 3 den Wunsch ausgesprochen, daß die Bundesregierung mit den alliierten Mächten. Verhandlungen mit dem Ziel führt, daß diese Entnahmen als deutsche Leistungen zugunsten der alliierten Mächte auch tatsächlich anerkannt werden. Es muß festgehalten werden, daß es sich hier nicht nur um einen Verlust handelt, den wir erlitten haben, sondern gleichzeitig, wenn auch durch eine ungute Politik nicht immer in der gleichen Höhe, um einen echten Vermögenszuwachs auf der Seite des Empfängers aller dieser Leistungen.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu dem Änderungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 457. Der Antrag ist gut gemeint. Aber ich glaube, ohne daß im Ausschuß über ihn gesprochen worden ist, sagen zu können, daß ich ihn für überflüssig halte, weil die Formulierung, daß sämtliche seit Betreten deutschen Bodens entstandenen Verluste an deutschem Volksvermögen erfaßt werden sollen, all das deckt, was der Antrag der Föderalistischen Union will, nämlich auch diejenigen Fälle, in denen der tatsächliche Schaden eben größer gewesen ist als die gezahlte Entschädigung. Das ist ja das Begehren der Föderalistischen Union. Wenn wir den tatsächlichen Schaden überhaupt, den Verlust an Vermögenssubstanz ermitteln, können wir doch nicht außerdem noch den Unterschied zwischen der gezahlten Entschädigung und der Vermögenssubstanz festzustellen suchen. Das wäre eine Doppelzählung. Die gezahlte Entschädigung steht hier überhaupt nicht zur Debatte. Eine solche Erhebung würde das Problem wieder auf die falsche Ebene bringen, nämlich auf die Ebene der eventuell noch zu leistenden Nachzahlungen an die Geschädigten. Das ist hier heute nicht zu entscheiden. Hier handelt es sich gewissermaßen um einen Teil der volkswirtschaftlichen Bilanz, die wir aufstellen müssen, über die Gesamtverluste, die das deutsche Volk durch die hier geschilderte Politik der Entnahmen der verschiedensten Art erlitten hat.
Ich bitte Sie daher im Auftrage des Ausschusses, den Formulierungen der Drucksache Nr. 3057 Ihre Zustimmung zu geben.