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ID0119501900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 195. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1952 8369 195. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 8370D Autounfall des Abg. Bazille 8370D Mandatsniederlegung des unter dem Namen Dr. Franz Richter gewählten Abgeordneten Fritz Rössler 8370D Änderungen der Tagesordnung 8370D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall Kemritz (Nr. 2531 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 8370D Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Nr. 3068 der Drucksachen) 8371A Ausschußüberweisung 8371A Erste Beratung des Entwurf eines Gesetzes über den Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Dezember 1951 (Nr. 3108 der Drucksachen; Umdruck Nr. 451) 8371A Ausschußüberweisung 8371B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Sander, Günther, Rademacher u. Gen. betr. Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3090, 2906 der Drucksachen; Umdruck Nr. 446) 8371B Dr. Bleiß (SPD): als Berichterstatter 8371B als Abgeordneter 8374C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 8372C Rademacher (FDP) 8373C Beschlußfassung 8375A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben der Rechtsanwältin Lammers, München, vom 4. Januar 1952 (Nr. 3119 der Drucksachen) . . 8375B Weickert (BHE-DG), Berichterstatter 8375B Beschlußfassung 8375C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1952 und 6. Februar 1952 (Nr. 3120 der Drucksachen) 8375C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8375D Beschlußfassung 8376B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Soziale Studienkommission (Nr. 3024 der Drucksachen; Umdruck Nr. 455) 8376C Dr. Preller (SPD), Antragsteller . 8376C, 8392B Horn (CDU) 8380D Renner (KPD) 8383C Richter (Frankfurt) (SPD) 8385B Storch, Bundesminister für Arbeit 8386C Arndgen (CDU) 8388A Frau Kalinke (DP) 8388D Dr. Hammer (FDP) 8390B Dr. Atzenroth (FDP) 8391D Abstimmungen 8392C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kohlenförderung im Warndt (Nr. 3023 der Drucksachen) 8392D zur Sache: Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 8392D zur Geschäftsordnung: Dr. Krone (CDU) 8394C Renner (KPD) 8394D Ausschußüberweisung 8395A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über iden Antrag der Fraktion der KPD betr. Freilassung der an Frankreich ausgelieferten deutschen Staatsangehörigen, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Begleitumstände dieser Auslieferung und Schließung der Werbebüros für die Fremdenlegion usw. (Nrn. 2836, 2541 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Französische Fremdenlegion (Nr. 2851 der Drucksachen) sowie der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der Werbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst (Nr. 2967 der Drucksachen) . . . 8395A Dr. von Merkatz (DP): als Berichterstatter 8395B als Abgeordneter 8405B Fisch (KPD), Antragsteller 8396D Storch, Bundesminister für Arbeit 8399B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8400A Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 8400C Wehner (SPD) 8401B Höfler (CDU) 8404A Abstimmungen 8405D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nrn. 3056, 2577 der Drucksachen) 8405D Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 8406A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 8407B Erler (SPD) 8407C Müller (Frankfurt) (KPD) 8409D Stegner (FDP) 8411A Höfler (CDU) 8411D Abstimmungen 8411D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Regelung von irregulären Besatzungsschäden (Nrn. 3057, 2709 der Drucksachen; Umdruck Nr. 457) . . . 8412A Erler (SPD): als Berichterstatter 8412A als Abgeordneter 8413D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8413C Beschlußfassung 8413D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vertrag über das Kehler Ha-. fenabkommen (Nrn. 3058, 2727 der Drucksachen) 8414A Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8414A als Abgeordneter 8417D Maier (Freiburg) (SPD) 8416A Niebergall (KPD) 8417C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß)über den Antrag der Fraktion der DP betr. Durchsuchung deutscher Wohnungen durch Angehörige der in Deutschland stationierten westalliierten Armeen (Nrn. 3059, 2874 der Drucksachen) . . . 8418D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 8418D Beschlußfassung 8419C Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 456) . 8371A, 8395A, 8405D, 8419C Beschlußfassung 8419C Nächste Sitzung 8419C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Peter Horn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst den Auftrag, namens der Regierungsparteien den von uns eingebrachten Änderungsantrag zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu begründen. Des weiteren bin ich beauftragt, namens der Regierungsparteien einige grundsätzliche Erklärungen vorauszuschicken.
    Herr Kollege Dr. Preller hat an mehreren Stellen seiner Darlegungen mit Recht betont, daß der Fragenkomplex, den wir heute hier erörtern, voller Problematik steckt und sowohl sozial als wirtschaftlich, aber auch politisch gesehen von allergrößter Bedeutung ist. Wir befinden uns in voller Übereinstimmung, wenn gesagt wird, daß. wir an die Erörterung dieser Probleme mit dem ganzen Ernst und mit der ganzen uns obliegenden Verantwortung herangehen müssen. Herr Dr. Preller hat in dem Schlußteil seiner Ausführungen u. a. auf die Annahme von internationalen Empfehlungen durch den Bundestag abgehoben; er hat auf die Vorschläge für Beschlüsse zu einem Übereinkommen über Mindestnormen zur sozialen Sicherung


    (Horn)

    abgehoben, wie sie im vergangenen Jahre von der Internationalen Arbeitskonferenz erarbeitet worden sind.
    Ich möchte bei meinen knappen Darlegungen von der 103. Sitzung dieses Hohen Hauses am 16. November 1950 ausgehen, in der die Empfehlungen der Beratenden Versammlung des Europarates zur Diskussion gestanden haben, die diese Hohe Versammlung im Verlauf des ersten Teils ihrer Tagung von 1950 angenommen und den Parlamenten der beteiligten Länder zugeleitet hat. Der Bundestag hat damals in einer mit Mehrheit angenommenen Entschließung diese Empfehlungen begrüßt und sie als wichtige Beiträge zur Verwirklichung einer europäischen Föderation bezeichnet. Er hat der Bundesregierung empfohlen, die in ihrem Vermögen stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um die den Empfehlungen zugrunde liegenden Absichten unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Bundesrepublik zu fördern.
    Unter diesen Empfehlungen hat sich auch eine solche über die Schaffung einer europäischen Sozialversicherungsordnung befunden. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich den Wortlaut dieser bedeutsamen Empfehlung in ihrem wesentlichen Teil in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Die Beratende Versammlung des Europarates hat damals beschlossen:
    1. Die Versammlung erklärt sich für die Schaffung einer europäischen Sozialversicherungsordnung, die nicht die Standardisierung der Sozialgesetzgebung in den verschiedenen Ländern bewirken, sondern in jedem Lande mit verschiedenartigen Methoden eine Erhöhung der sozialen Sicherheit bis zur Erreichung eines gleichmäßig hohen Niveaus in Übereinstimmung mit den im Anhang des vorliegenden Dokuments niedergelegten allgemeinen Grundsätzen anstreben soll.
    2. Die Versammlung ist der Auffassung, daß diese Ordnung in der Form einer Konvention des Europarats in Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation ausgearbeitet werden soll, deren Unterlagen der gesamten Arbeit des Europarats auf diesem Gebiet zugrunde zu legen wären.
    So weit das — nicht vollständige — Zitat aus dieser Empfehlung.
    Die Regierungsparteien empfinden eine besondere Befriedigung darüber, daß sich diese Empfehlung ausdrücklich gegen eine Standardisierung in den verschiedenen Ländern ausspricht

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und die auch von uns vertretene Meinung wiedergibt, daß eine Erhöhung der sozialen Sicherheit in den einzelnen Ländern mit verschiedenartigen, ich möchte sagen, ihnen angemessenen Methoden erstrebt werden soll.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Die internationale Arbeitskonferenz, von der vorhin die Rede war, hat, wie gesagt, Vorschläge für Mindestnormen ausgearbeitet. Es handelt sich zunächst nur um Vorschläge. Aber ich betone: wenn man den Leistungsgrad unserer deutschen Sozialversicherung wie unserer Sozialgesetzgebung überhaupt mit diesen Mindestnormen vergleicht, dann ist die Feststellung berechtigt, daß unsere in Jahrzehnten entwickelten sozialen Leistungen als mustergültig bezeichnet werden können.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Dabei ist selbstverständlich einzuräumen, daß wir das Maß des Erstrebenswerten in dieser oder jener Beziehung natürlich noch nicht erreicht haben. Eine kritische Beurteilung der sozialen Leistungen der Bundesrepublik Deutschland muß, wenn sie ehrlich Und objektiv sein will, jedoch anerkennen, daß die Bundesregierung und dieser Bundestag im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten alles getan haben, um den begründeten Erfordernissen gerecht zu werden.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Daß uns auch in dieser Beziehung Schranken gesetzt sind, wird jeder vernünftige und verantwortungsbewußte Mensch einsehen müssen, sofern er einen Begriff davon hat, was die Abwicklung der uns vom Nationalsozialismus hinterlassenen furchtbaren Erbschaft bedeutet.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren! Wir befinden uns seit 1945 in der konkreten Auseinandersetzung um die Neugestaltung unserer Sozialversicherung und darüber hinaus um die Fortentwicklung unserer Sozialgesetzgebung überhaupt. Erfahrungen, wie sie in diesen Jahren in dem Teil Deutschlands gemacht werden mußten und noch gemacht werden, in dem unsere Gesetze leider keine Geltung haben, und auch die Lösungen in verschiedenen europäischen Ländern, die man uns gelegentlich gern zur Nachahmung empfiehlt, können uns nicht veranlassen, einen solchen Weg zu gehen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Die SPD — das hat Herr Kollege Dr. Preller vorhin im einzelnen erläutert — fordert ein fortschrittliches, klares System der sozialen Sicherung. Gemeint ist damit ein alle Staatsbürger umfassender Gesundheitsdienst, eine allumfassende Fürsorge oder Versorgung. Die Regierungsparteien bedauern, einen solchen Sozialplan wie in der Vergangenheit so auch jetzt und für die Zukunft ablehnen zu müssen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sehen dagegen nach wie vor in der bestehenden Sozialversicherung, die wieder zu einer echten Versicherung gestaltet werden muß, das geeignete Mittel, den sozial Schutzbedürftigen der Bevölkerung die nötige Versorgung im Falle der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität und des Alters angedeihen zu lassen. Im Vordergrund steht für uns die Frage der finanziellen Sicherung, nicht zuletzt der Rentenversicherung. Hier wird eine wirkliche Sanierung und damit auch die Wiederherstellung einer echten Versicherungsbasis sehr wohl möglich sein. Darin, glaube ich, unterscheiden wir uns grundsätzlich von der Meinung, wie sie anderweit vielfach vertreten wird. Diese Sanierung wird sehr wohl möglich sein, allerdings unter der Voraussetzung, daß den Rentenversicherungsträgern seitens des Bundes ein angemessener Ersatz für die verlorengegangene Kapitalsubstanz eingeräumt wird.
    In der Zusammenfassung aller bisherigen Träger der Sozialversicherung zu einem Einheitsträger sowie in der Ausdehnung des Kreises der Versicherungspflichtigen auf alle sehen wir keine brauchbaren Mittel für die Neugestaltung der Sozialversicherung.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren, ich möchte das damit
    ganz eindeutig gesagt haben. So verlockend auch


    (Horn)

    die Darlegungen des Herrn Dr. Preller sein mögen, wenn man die Dinge nur an der Oberfläche sieht, —

    (Abg. Dr. Preller: Nanu!)

    wir haben, glaube ich, in der Zwischenzeit genügend
    Erfahrungen gesammelt dafür, daß diese Rezeptur
    nicht zur Gesundung der Verhältnisse geführt hat.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Die Art des Versicherungsschutzes und der jeweils verschiedenartige Kreis der Schutzbedürftigen bedingen technisch und organisatorisch die Seibständigkeit der einzelnen sozialen Versicherungseinrichtungen. Damit will ich nachdrücklich sagen, daß diese Dinge nicht einfach etwa als technischorganisatorische Maßnahmen schlechthin bezeichnet werden können, vielmehr gehören sie grundsätzlich naturnotwendig zur Sache selber.
    Die Krankenversicherung muß den Versicherten nahe sein. Wohl kaum eine Art der Sozialversicherung muß den versicherten Menschen so unmittelbar nahekommen wie gerade die Krankenversicherung.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Dies bedingt eine gesunde Dezentralisation und rechtfertigt ihre heute in der Reichsversicherungsordnung verankerte Gliederung.
    In der Unfallversicherung hat sich die berufsständische Aufgliederung auf das beste bewährt und ist nach unserer Überzeugung beizubehalten. Die Tatsache, daß wir im Gesetz über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung auch der Angestelltenversicherung eigene Selbstverwaltungsorgane zugestanden haben, ist gleichzeitig ein Bekenntnis dafür, daß wir diesen Versicherungsträger grundsätzlich beibehalten wissen möchten. Nach Auffassung der Regierungsparteien sind alle jene Bestrebungen abzulehnen, die auf eine weitere Vermassung und Entseelung des Volkes unter persönlicher Entrechtung des einzelnen hinauslaufen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD und der KPD.)

    Das Ziel einer gesunden Sozialpolitik muß die. weitgehende Förderung der Selbständigkeit und der Selbstverantwortung des einzelnen Menschen sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Deshalb muß geprüft werden, inwieweit in der Sozialversicherung dem Prinzip der genossenschaftlichen Selbsthilfe noch mehr als bisher Geltung verschafft werden kann.


    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Daher darf auch der Versicherungsschutz außerhalb der Sozialversicherung nach freiem Entschluß nicht unmöglich gemacht werden.

    (Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Wenn ich im Anschluß hieran auch nicht auf zu viele Details eingehen will, so seien mir doch noch ein paar Einzelbemerkungen gestattet. Bei vielen Einzelfragen, die Herr Dr. Preller in seiner Begründungsrede angeführt hat, befinden sich die Regierungsparteien zweifellos in Übereinstimmung mit den Antragstellern. Es gibt eine Reihe von Dingen, die nur einheitlich beurteilt werden können. Worauf es bei der Neugestaltung und der Reform der Dinge auch sehr maßgeblich ankommt, ist — wenn ich einmal so sagen darf — die Entflechtung von vielerlei Bestimmungen, die in den vergangenen Jahren so ineinander und durcheinander gelaufen sind, daß sich heute in Wahrheit kaum
    noch jemand hineinfindet. Deshalb muß .vor allen Dingen Bedacht darauf genommen werden, daß Überschneidungen von Versicherungsleistungen da, wo sie nicht gerechtfertigt sind, beseitigt werden. Allerdings glauben wir — wohl im Gegensatz zu den Antragstellern —, daß eine klare Abgrenzung von Versicherung, Versorgung und Fürsorge unter allen Umständen notwendig ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir befinden uns darin in Übereinstimmung mit den Antragstellern, daß — wie von ihnen gesagt worden ist — zur Lösung des Problems auch die Frage gehört, wie man die Sozialleistungempfänger, soweit sie arbeitsfähige Menschen sind, in stärkerem Maße als bisher in den Arbeitsprozeß einzugliedern in der Lage ist. Im Zuge einer Neuordnung muß also auch darauf Bedacht genommen werden, wie man zu vermehrten Arbeitsmöglichkeiten kommt.
    Ich glaube, auch die Frage bedarf einer besonderen Prüfung, wie es mit einer stärkeren Mitwirkung der Sozialversicherung bei der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues bestellt ist, um auch über diesen Weg letztlich wieder zu vermehrten Arbeitsplätzen und zu stärkerem Arbeitseinsatz zu kommen.
    Schließlich brauchen wir ganz ohne Frage eine leichter verständliche Neufassung unserer gesamten Sozialversicherungsgesetzgebung wie der Bestimmungen über die Sozialversicherungsleistungen überhaupt.
    Ich würde in meinen Ausführungen unvollständig sein, wenn ich nicht noch erwähnte, daß in den Kranz der Aufgaben, vor denen wir stehen, selbstverständlich auch die alsbaldige Erledigung der Frage der Kinderbeihilfen bzw. der Schaffung von Familienausgleichskassen hineingehört.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Gerade mit der Erledigung dieser Frage, die ja bereits in mehreren Vorlagen dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Bearbeitung überwiesen wurde, wird, wie ich glauben möchte, eine sehr erhebliche Lücke in dem System der sozialen Sicherung und der Sozialleistungen überhaupt geschlossen werden. Ich möchte dem Wunsche Ausdruck geben, daß es diesem Parlament in möglichst naher Zukunft vergönnt sein möge, diese Frage in einer vernünftigen und im Maße des Möglichen großzügigen Art und Weise zu regeln.

    Nun ein paar Gedanken zu unserem Änderungsantrag selber. Wenn wir geglaubt haben, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht zustimmen zu können, so — das will ich als ersten Grund anführen — in gewisser Hinsicht aus verfassungsrechtlichen Bedenken. Wir sind der Meinung, daß sich die Bildung derartiger Studienausschüsse oder Sachverständigenkommissionen mit den Artikeln 43 und 44 des Grundgesetzes wie mit dem Grundgesetz überhaupt eigentlich nicht in Übereinstimmung bringen läßt. Wir sehen im Rahmen des Grundgesetzes keine klare Möglichkeit dafür, abweichend von den sonstigen Regelungen, die das Parlament hinsichtlich der Ausschüsse zu treffen berechtigt ist, auch noch derartige Studienkommissionen — als ausgesprochene Einrichtungen und Auftragsangelegenheiten dieses Parlaments — zu bilden.
    Darüber hinaus sind wir aber auch der Meinung, daß wir die Bundesregierung in dieser Beziehung nicht aus der Verantwortung entlassen sollten, die gerade ihr in erster Linie bei der Prüfung der Lösungsmöglichkeiten für eine vernünftige Neu-


    (Horn)

    ordnung obliegt. Wir meinen, daß deshalb das zuständige Ressortministerium, das Bundesarbeitsministerium, die federführende und in erster Linie verantwortliche Stelle für die Durchprüfung dieser großen und schwierigen Problematik sein muß. Auf dieser Grundlage baut unser Änderungsantrag auf. Wir wollen den Herrn Bundesarbeitsminister beauftragen, bei seinem Ministerium einen aus 15 Personen bestehenden Beirat zu berufen, dessen Mitglieder mit besonderer Erfahrung auf diesem genannten Gebiet ausgerüstet sein müssen. Selbstverständlich wird der Herr Bundesarbeitsminister, wie ich überzeugt bin, es vermeiden, diesen Beirat etwa in unzulässig einseitiger Weise zusammenzusetzen. Er wird Bedacht darauf nehmen müssen — und wird das sicherlich tun —, daß in dem Beirat alle Auffassungen, die über die künftige Neuregelung dieser Dinge innerhalb unserer Bundesrepublik vorhanden sind, auch ihren Niederschlag finden, so daß damit Gelegenheit gegeben ist, auch diese grundsätzlichen, auch auseinandergehenden Meinungen innerhalb des Beirats gründlich zu erörtern und zu studieren. Unserem Antrag liegt nicht etwa die Absicht zugrunde, einen Beirat zu bilden, der je nach Belieben des Herrn Bundesarbeitsministers irgendwann einmal einberufen wird. Auch wir, die Antragsteller, sind davon ausgegangen, daß diesem Beirat der ganz konkrete Auftrag gegeben werden muß, in eine unverzügliche Durchprüfung dieses umfassenden Gebietes einzutreten. Der Beirat soll, auch wenn er unter der Federführung, unter dem Vorsitz des Bundesarbeitsministers steht, doch in der Art und der Möglichkeit der gründlichen Arbeit auch eine gewisse eigene Zuständigkeit haben.
    Was wir dabei geprüft wissen wollen, geht aus dem Antrag selber hervor: in erster Linie die finanziellen Sicherungsmöglichkeiten für unsere bestehende Gesetzgebung selbst. Wir sind nicht etwa der reaktionären Meinung, daß alles so bleiben müsse, wie es seit ehedem ist.

    (Zurufe links: Na, na!)

    Im Grundsatz möchten wir, wenn der Ausdruck in dem Zusammenhang noch einmal gebraucht werden darf, an der sogenannten klassischen Sozialversicherung als der Grundlage selbstverständlich festhalten. Daß aber die Neugestaltung auch in der Richtung einer fortschrittlichen Entwicklung, einer Anpassung an aus den Zeiterfordernissen gegebene Notwendigkeiten zu erfolgen hat, ohne dabei das Grundprinzip zu verletzen, das, meine Damen und Herren, ist unsere feste Überzeugung; auch im Hinblick auf die Notwendigkeit und die Aufgabe dieses Beirats und auf die Erfordernisse, die eine künftige Gesetzgebung erfüllen soll.
    Damit möchte ich meine Darlegungen beschließen. Ich darf die beiden Hauptgründe, die ich angeführt habe, noch einmal hervorheben. Wir haben unseren Antrag gestellt einmal, um jeder Gefahr aus dem Wege zu gehen, daß wir etwa mit dem Grundgesetz auch nur am Rande in Kollision kommen könnten, und zum zweiten aus der Erkenntnis heraus, daß die initiative Verantwortung und die Verantwortung für der Federführung bei der Bundesregierung verbleiben soll, daß ihr aber in diesen 15 Sachverständigen und in den Sachverständigen, die der Beirat darüber hinaus noch hören kann, der Sachverstand und die beratende Mitarbeit an die Hand gegeben wird, deren die Bundesregierung, wenn sie vernünftige gesetzliche Maßnahmen vorschlagen will, auch ihrerseits nicht wird entraten können.
    Ich bitte das Hohe Haus, unserem Änderungsantrag seine Zustimmung zu geben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns bei der Beratung dieses Antrags gefragt: Warum in diesem Augenblick dieser Antrag, zu einem Zeitpunkt, in dem draußen in der Bevölkerung im Vordergrund aller Diskussionen neben der Frage der Remilitarisierung

    (Lachen und Aha-Rufe in der Mitte und rechts)

    die Frage steht, ob neben den für diese Remilitarisierung im Augenblick geforderten 11 1/4 Milliarden Mark pro Jahr noch die Mittel aufgebracht werden können, die notwendig sind, um den derzeitigen Stand der Sozialversicherung aufrechtzuerhalten. In einem solchen Augenblick kommt uns die SPD und kommen uns die Regierungsparteien mit einem Vorschlag, eine soziale Studienkommission zu bilden, die das Problem der Umgestaltung, der Entflechtung, der Intensivierung der Sozialgesetzgebung studieren soll. Ich glaube, die Invaliden draußen nehmen Ihnen das nicht ab!
    Im Laufe der Diskussion ist heute das Wort gefallen: „Man muß alles tun, um eine Vermassung zu vermeiden." Nun, es gibt draußen eine Masse, eine 13 Millionen-Masse, das graue Heer des Elends und des Hungers, das bei den derzeitigen Leistungen der Sozialgesetzgebung und der Fürsorge vegetieren muß.

    (Widerspruch und lebhafte Zurufe von der Mitte und rechts. — Zurufe von der CDU: Im Osten! — In Rußland! — Gegenrufe von der KPD. — Zuruf des Abg. Müller [Frankfurt].)

    Das ist die Masse! Und nun frage ich mich — —

    (Anhaltende Zurufe. — Unruhe.)