Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten habe ich über die Drucksachen Nrn. 2836 und 2541 zu berichten. Der Ausschuß hält es angesichts der Wichtigkeit des Gegenstandes für geboten, daß ein genauer schriftlicher Bericht abgesetzt wird, der noch mit dem Vorsitzenden des Ausschusses abzustimmen ist. Ich darf mich daher heute auf einige wesentliche Punkte, die zum Gegenstand der Verhandlung gehören, beschränken.
Zunächst ist auf folgenden Tatbestand hinzuweisen. Am 22. Juni 1951 sind in Berlin die ehemaligen Fremdenlegionäre Siegfried Richter und Heinz Müller und am 23. Juni 1951 die ehemaligen Fremdenlegionäre Jack Holst enPlichter und Martin Dutschke auf Grund einer nicht näher begründeten Weisung einer Besatzungsmacht von der Polizei festgenommen worden. Vier weitere ehemalige Fremdenlegionäre befinden sich in Haft, nämlich Friedrich Sleutz, Gerhard Wolter, Borchert und Hastreiter. Im Kontumazialverfahren sind gegen Friedrich Sleutz und Gerhard Wolter vor dem Kriegsgericht in Indochina je 20 Jahre Einschließung und gegen Borchert die Todesstrafe verhängt worden. Mit der Festnahme dieser ehemaligen Fremdenlegionäre fällt dieses Urteil fort, und neue Verfahren sind anhängig.
Die verhafteten ehemaligen Fremdenlegionäre sind zum Teil nach Landau, zum Teil nach Oran überführt worden. Nach Oran überführt wurden nach den bisherigen Feststellungen Holsten, Müller, Richter und Hastreiter. Ein Teil der Fremdenlegionäre ist an Malaria tropica erkrankt. Diese acht Legionäre, deren Verhaftung nachweisbar ist, gehören einer Gruppe von, wie es heißt, insgesamt 69 Legionären an, die nach ihren Angaben in die Kriegsgefangenschaft der Vietnam-Truppen gefallen, von dort über China und die UdSSR ausgetauscht und dann aus propagandistischen Gründen nach Deutschland entlassen worden sind.
Die Berliner Fälle der Festnahme lassen erkennen, daß diesen ehemaligen Legionären nach eidesstattlicher Erklärung von Angehörigen von der britischen Besatzungsmacht Zusicherungen gemacht worden sind, sie hätten keine Verhaftung zu befürchten. Dennoch ist die Festnahme erfolgt. Soweit der Tatbestand.
Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat sich mit dem Sachverhalt gründlich beschäftigt und im Rahmen einer Sitzung in Berlin Erhebungen bei der dortigen Polizei durch drei Beauftragte des Ausschusses angestellt. Die Erhebungen haben zu dem Ergebnis geführt, daß die Berliner Polizei bei Vollzug der Weisungen der Besatzungsmacht keinerlei Verschulden trifft. Die Festnahmen beruhten auf einer Anweisung der Besatzungsmächte derart, daß die deutsche, d. h. die Berliner Polizei wie ein Hilfsorgan der Besatzungsmächte tätig werden mußte. Eine Nachprüfung des Tatbestandes hat ergeben, daß die Polizei weder wußte noch aus den Umständen entnehmen konnte, aus welchen Gründen diese Verhaftung — es handelt sich in der deutschen Ebene lediglich um eine technische Festnahme — vorgenommen werden mußte. Nach Lage der Dinge und nach der Praxis in Berlin war das nicht möglich. Die Heranziehung von deutschen Polizeiorganen für solche Festnahmen, bei denen nichts weiter als die Weisung erteilt wird, eine Person aus Sicherheitsgründen festzunehmen, stützt sich auf drei Instrumente des für Berlin geltenden Besatzungsrechts, nämlich das sogenannte Kleine Besatzungsstatut Berlin, das im Verordnungsblatt vom 18. Mai 1949 auf Seite 151 veröffentlicht worden ist und einer Order der Alliierten Kommandantur vom 17. Juni 1949 betreffend Überwachung der Berliner Polizei vom 7. Juli 1949 und ferner auf die Abänderungsurkunde vom 7. März 1951 zur Erklärung über die Grundsätze vom 14. Mai 1949. Die eingehende Prüfung des Tatbestandes hat, wie gesagt, ergeben, daß die Berliner Polizeiorgane im Rahmen ihrer durch das Besatzungsrecht ihnen auferlegten Pflicht gehandelt haben und daß sie keinerlei Verschulden trifft, etwa eine Nachprüfung der Umstände unterlassen zu haben. Wegen der Einzelheiten dieses Tatbestandes, insbesondere im Hinblick auf das von der Berliner Polizei aufgestellte Protokoll, darf auf den schriftlichen Bericht verwiesen werden.
Hinsichtlich der rechtlichen Fragen ist folgendes auszuführen: Der Ausschuß hatte zunächst zu prüfen, ob seine Zuständigkeit gegeben war. Die Bundesrepublik kann ihre Befugnis zur Befassung mit dieser Angelegenheit daraus herleiten. daß sie gegenüber den westlichen Besatzungsmächten und allen Staaten, die Beziehungen zur Bundesrepublik aufgenommen haben, die Interessen eines jeden deutschen Staatsangehörigen vertreten muß. Hier-
zu ist zu bemerken, daß die Legionäre noch deutsche Staatsangehörige sind. Nach § 28 des Reichs und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 konnte Deutschen, die in fremde Staatsdienste getreten waren, die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden. Derartige Beschlüsse sind aber gegen die Legionäre nicht gefaßt worden und wären jetzt auch mit Art. 16 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar.
Dann kommt noch das weitere Problem der Werbung für die Fremdenlegion überhaupt. Kriegsgefangene dürfen nicht in die Wehrmacht des Haltestaates eingereiht werden. Jedoch ist die Praxis leider im Hinblick auf die sogenannten Freiwilligenmeldungen sehr großzügig geworden.
Wieweit die Meldungen der in französischer Kriegsgefangenschaft befindlichen ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS diesen Anforderungen entsprechen, muß im Einzelfall geklärt werden. Die Werbung für fremde Truppen wird normalerweise von keinem Staat auf seinem Boden gestattet. Die entsprechenden deutschen Strafbestimmungen sind aber durch Kontrollratsgesetz außer Kraft gesetzt worden. Es ist hier zu fordern, daß nach der Abschaffung des Besatzungsrechts derartige Vorschriften wieder erlassen werden.
Allgemeines Völkerrecht steht der Werbung sonst nicht entgegen.
Im Bundesgebiet wäre gegen die Auslieferung von Legionären an Frankreich ein Einwand aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes herzuleiten. Die Alliierten haben das Grundgesetz genehmigt, wobei strittig ist, ob es auch gegen die Besatzungsmacht selbst angerufen werden kann. Diese Streitfrage kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Ziffer 6 des Besatzungsstatuts gewährleistet, daß die Besatzungsbehörden gewisse Grundrechte garantieren. Die von der Besatzungsmacht garantierten Grundrechte sind im Zusammenhang mit Art. 16 des Grundgesetzes so auszulegen, daß eine Auslieferung an das Ausland nicht zulässig ist. Die Besatzungsmächte werden sich hierbei weder auf Ziffer 2 c, auswärtige Angelegenheiten, noch auf Ziffer 2 e, Schutz der alliierten Streitkräfte, berufen können, da es sich nicht um die Sicherheit der Besatzungstruppen, sondern eines anderen, in einem anderen Erdteil stationierten Truppenteils handelt.
Das Auslieferungsverbot eigener Staatsangehöriger findet sich zwar in sehr vielen Verfassungen; aber auch dieses Verbot gehört nicht zum allgemeinen Völkerrecht. Es beruht auf einer neueren Rechtsentwicklung. Leider ist diese Entwicklung nicht in den Menschenrechten der Vereinten Nationen und in der Konvention der Menschenrechte des Europarats verzeichnet worden.
Nun haben sich diese Vorfälle in Berlin zugetragen. Nach Art. 1 Abs. 3 der Berliner Verfassung vorn 1. September 1950 sollten die Grundrechte des Bonner Grundgesetzes auch in Berlin gelten. Diese Bestimmung ist aber von den Westalliierten für Berlin „zurückgestellt" worden. In den eigenen Grundrechten der Berliner Verfassung steht das Auslieferungsverbot nicht. Dennoch stellt sich der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten einmütig auf den Standpunkt, daß nach der gesamten Vorgeschichte und nach der Entwicklung, die diese Rechte genommen haben, hier so zu verfahren ist, als ob diese Vorkommnisse - wie das
auch bei einigen der Legionäre offenbar der Fall zu sein scheint — in dem durch Besatzungsrecht eingeengten Geltungsbereich des Grundgesetzes geschehen wären. Auch zu den Rechtsfragen werden Einzelheiten dem schriftlichen Bericht des Ausschusses vorbehalten.
Mir ist es als Berichterstatter nicht vergönnt, und es gehört nicht zur parlamentarischen Sitte, angesichts dieses 'überaus ernsten Tatbestandes andere als sehr nüchterne juristische Begriffe zu verwenden. Ich möchte damit keinen falschen Eindruck entstehen lassen und nicht verhehlen, daß den Ausschuß bei der Prüfung dieser Vorgänge außerordentlich ernste und tiefgreifende Erwägungen beseelt haben, für die es auch eine stärkere Ausdrucksform geben könnte. Aber das ist nicht Sache des Berichterstatters.
Der Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, folgenden Beschluß anzunehmen:
1. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag Auskunft zu geben, in welchen Fällen ihr eine von der Besatzungsmacht veranlaßte Verhaftung deutscher Staatsangehöriger, die sich in eine Fremdenlegion verpflichtet hatten, bekannt geworden ist.
2. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag Auskunft zu geben, welche Schritte sie unternommen hat, um die Freilassung von deutschen Staatsangehörigen, die auf Grund ihrer Fremdenlegionsverpflichtung verhaftet worden sind, aus dem Gewahrsam fremder Mächte zu erwirken.
3. Die Bundesregierung wird ersucht, das Verbot der Werbung für fremden Militärdienst und der Übernahme von Verpflichtungen zur Dienstleistung in Fremdenlegionen wiederherzustellen und wegen der Wiederherstellung dieses Rechtszustandes in Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren einzutreten.
4. Die Bundesregierung wird ersucht, im Einvernehmen mit dem Senat des Landes Berlin darauf hinzuwirken, daß dieser Rechtszustand
auch in bezug auf Berlin Anerkennung findet.
Ich darf abschließend bemerken, daß es hohe Zeit ist, diesen anomalen Rechtszustand in Deutschland endgültig zu beenden.