Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Angelegenheit enthüllt wieder einmal die Tragödie deutscher Jugend. Zu schildern ist da nicht viel. Wer einmal nach dem Süden fährt, an bestimmten Wochentagen des Morgens zwischen 6 und 7 nach Offenburg kommt, der sieht den Zug junger Menschen, die da beinahe täglich nach Marseille und von dort nach Afrika transportiert werden. Es dreht sich einem das Herz im Leibe um, wenn man sieht, wie blühende deutsche Jugend denn sie ist gut ausgewählt in den Lagern, die die Franzosen in unserem Land unterhalten — einfach zu einem Zweck weggeführt wird, den man im Herzen nur betrauern kann.
Kollege Wehner hat schon darauf hingewiesen, daß dann Versionen aufkommen, mit denen man uns klarmachen will, daß Europa auch etwa in Indochina verteidigt wird. So sehr wir der Meinung sind, daß das sein mag, so sehr sind wir aber auch der Meinung, daß dann diejenigen es dort verteidigen sollen, die in erster Linie dazu berufen sind. Die Menschen von unserem Blut, die dort hingekommen sind, sind es nur im Drang einer großen Not, aus den Gefangenenlagern, wie das schon geschildert wurde, jedenfalls in einer großen seelischen Ratlosigkeit. Sie sahen sich dem Nichts gegenüber. Den Herren von ganz links sei gesagt: erkundigen Sie sich einmal bei den Werbestellen nach dem Prozentsatz derer, die aus Ihrem gelobten Land kommen, dann werden Sie ein blaues Wunder erleben!
Auf alle Fälle betrauern und bedauern wir diese jungen Menschen, die uns auf diese Weise verlorengehen.
Es ist doch so, daß man nicht immer sagen kann, es sei Abenteuerlust, die sie dahin führt. Auch mir liegen viele Briefe vor, ich habe in der letzten Zeit einige halbe Nächte Barangehängt, einige hundert Briefe zu lesen, die aus der Fremdenlegion kamen und an mir befreundete Stellen gerichtet waren. Ich muß sagen: dabei gehen einem die Augen über. Es ist nicht so — und ich möchte das einmal vor dem Volke sagen —, daß die Fremdenlegion heute noch als das anzusprechen wäre, was sie vielleicht in früheren Zeiten war. Durch den Zuzug deutschen Blutes ist sie etwas anderes geworden, denn die Menschen, die von unseren Gefangenenlagern hinauskamen, waren zu einem hohen Teil in Ordnung, auch wenn sie aus irgendwelchen Gründen nicht mehr den Weg in die Heimat finden zu können glaubten. Diese Menschen sind in diese Situation und in diese Lager hineingekommen, weil sie ratlos, weil sie verzweifelt waren. In der Jugend ist es ja wohl so, daß eine gewisse Kurzschlüssigkeit gelegentlich einmal auftritt. Vielleicht hat der väterliche Rat oder der mütterliche Zuspruch gefehlt, und so sind sie den Weg gegangen, den sie heute betrauern und den sie heute büßen müssen. Wir dürfen auch nicht mehr sagen, es seien nur Menschen, die in sich den Lebensweg verfehlt hätten. Sie haben diesen Teil ihres Lebens verfehlt; das wollen wir festhalten, und das wissen sie am besten selber. Aber wenn sie wiederkommen wollen, dann sollen sie wissen, daß sie uns willkommen sind, möglichst bald!
Und alle, die einen 'Einfluß darauf haben, sollen
es ihnen auch sagen und sollen es ihnen auch
schreiben. Wir wollen sie hiermit nicht zur Desertion veranlassen. Schließlich ist Vertrag Vertrag, und was ein Mann mit seiner Unterschrift
besiegelt hat, das muß er durchstehen, wenn es
auch bitter ist. Auf alle Fälle sollen sie wissen,
daß sie nicht von uns ausgestoßen sind.
Die Zahlen, die Herr Wehner genannt hat, sind ja erschreckend! Wenn man sagt, daß 86 000 etwa in der französischen Fremdenlegion allein in Indochina sind und daß allein 16 000 davon gefallen sind —die Zahlen schwanken in ihrer Bewertung —, so ist das wiederum etwas zum Traurigwerden.
Wenn einmal Regierung und ein Ausschuß des Bundestags in der Tendenz gut zusammengearbeitet haben, dann war es doch in diesem Fall.
Die Krokodilstränen von da drüben sind vergeblich geweint.
Sie mögen sich doch die Daten der Inangriffnahme Ihrer Arbeit ansehen und das, was wir hier in diesem Ausschuß getan haben. Dann werden Sie ohne weiteres spüren, daß Ihre Vorwürfe nicht berechtigt sind. Es steht auch nicht, fest, was mit den Menschen, die Sie noch drüben haben, geschehen ist, ob sie überhaupt dahin dürfen, wo sie noch Menschen sind.
— Sie werden nicht ausgeliefert! Das können Sie ihnen ja sagen; dann werden Sie sehen, was sie dann machen.
Ich wollte auf alle Fälle sagen: wir danken der Regierung für das, was sie in diesem Falle getan hat. Wir danken auch dem Ausschuß, daß er in Einmütigkeit die notwendigen Maßnahmen beschlossen hat. Wir bitten die Regierung, weiterhin
das zu tun, was unter den gegebenen Umständen in schweren, vielleicht recht schweren Verhandlungen für die Leute noch herauszuholen ist. Schließlich verhält es sich ja so, daß wir die Franzosen nicht zur Aufgabe ihrer Fremdenlegion veranlassen können. Das sind Dinge, die geschichtlich geworden sind und die ein Volk nicht so sehr leicht aufgibt. Aber woran unser Interesse sich bindet, das ist dies: das Prinzip, daß wir es nicht sein wollen, die hierfür die Lieferanten sind.
Es ist notwendig, daß wir uns in Deutschland vor allen Dingen dagegen wehren, daß weiterhin Werbestellen in unserem Land sind, auch wenn uns durch alliierte gesetzliche Bestimmungen die Hände gebunden sind. Es muß erreicht werden, daß Agenten nicht mehr dahin dürfen, wo sich deutsche Menschen müssen sicher fühlen können. Man hat mir erzählt, daß sogar in den Bahnhofsmissionen; wo sich die jungen Leute des Nachts aufhielten, die Agenten der Fremdenlegion ihr lichtscheues Gewerbe ausgeübt hätten. Das muß unter allen Umständen vermieden werden, meine Freunde! Uns paßt das nicht in unser Gefühl; ich meine aber auch, es paßt auch nicht zu dem, was man immer von Europa sagt. Wenn wir Europa bauen wollen, dann dürfen wir uns nicht gegenseitig die Jugend anlocken und nehmen!
Das ist auch im Sinne der europäischen Verteidigungsgemeinschaft notwendig. Es handelt sich hierbei um wehrfähige Leute. Ich will sie nicht zum Kanonenfutter machen; aber ich will auch nicht sagen, daß unser Beitrag so beschaffen sein muß,
wie er jetzt beschaffen ist. Wir könnten uns andere, nützlichere und ordentlichere Beiträge denken, von denen Europa sehr viel mehr hätte als von den Dingen, die wir jetzt so beklagen. Es ist leider wahr, daß wöchentlich eine kriegsstarke Kompanie von Deutschen nach Indochina und nach Afrika abrückt. Meine Freunde, das ist zuviel, das können wir auf die Dauer nicht ertragen!
Darum muß die Bundesregierung zusammen mit dem Bundestag alles tun, was diese leidigen Zustände abschafft. Insbesondere muß achtgegeben werden, daß die Werbestellen sofort kassiert werden. Auf irgendeine Weise wird das schon möglich sein. Auch ich war dabei, als wir in Berlin letzthin zusammen mit dem Auswärtigen Ausschuß vor den Berliner Stellen diejenigen Polizisten vernahmen, die an diesen Aktionen beteiligt waren. Es liegt auch mir am Herzen, zu sagen, daß sie sich korrekt verhalten haben und daß sich keiner gegen seine Pflicht vergangen hat. Es ist notwendig, das festzustellen, weil sonst vielleicht Versionen aufkommen, die nicht erlaubt sind und die vor allen Dingen dem guten Ruf der Berliner Polizei schaden.