Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 171. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Holzapfel, Renner, Kohl , Rische, Jacobi, Marx, Dr. Dorls, Rath, Frau Dr. Weber (Essen), Mellies, Henßler, Dr. Dresbach.
Meine Damen und Herren, zur heutigen Tagesordnung habe ich folgendes zu sagen. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die erste Beratung — eventuell auch die zweite und dritte Beratung — des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, Nr. 2703 der
Drucksachen. Ich schlage Ihnen vor, daß der Finanz-und Steuerausschuß, nachdem ihm das Gesetz überwiesen ist, prüft, ob die Möglichkeit besteht, heute auch noch die zweite und dritte Beratung dieses Gesetzes zu erledigen. Ich darf weiter vorschlagen, daß wir dieses Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes als ersten Punkt der Tagesordnung beraten.
Weiterhin ist mir mitgeteilt worden, daß der Lastenausgleichsausschuß das Soforthilfe-Anpassungsgesetz bis auf einen Punkt erledigt hat und daß die Fraktionen sich darüber geeinigt haben, daß die Plenarsitzung. von 14 Uhr bis 14 Uhr 30 unterbrochen werden soll, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, zu diesem Punkt Stellung zu nehmen. Ich darf vorschlagen, daß entsprechend verfahren wird. Ist das Haus damit einverstanden?
— Ich stelle fest, daß hier „14 Uhr bis 14 Uhr 30" vermerkt ist. Herr Abgeordneter Kunze schlägt vor: 14 Uhr 30 bis 15 Uhr.
Ich glaube nicht, daß das ein grundsätzlicher Unterschied ist.
Die Einmütigkeit des Hauses ist hergestellt.
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß ich dem Herrn Abgeordneten Lohmüller zu seinem heutigen 60. Geburtstag die Glückwünsche des Hauses übermittelt habe.
Herr Abgeordneter Lohmüller ist zu unserem Bedauern schwer erkrankt, so daß er heute nicht in unserem Kreise weilen kann.
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß wir, wenn die Fraktionen zu dem Soforthilfe-Anpassungsgesetz Stellung genommen haben und eine einmütige Stellungnahme der Fraktionen vorliegt, die zweite und dritte Beratung dieses Gesetzes heute auf die Tagesordnung nehmen können: Ich würde Ihnen also vorschlagen, sie nach den Besprechungen der Fraktionen hier im Plenum vorzunehmen.
Ich rufe also zunächst auf den neu eingesetzten Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes .
Ich darf annehmen, daß sich die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung des Gesetzes bezieht. — Ich schlage Ihnen vor, daß dieses Gesetz ohne allgemeine Aussprache dem Finanz- und Steuerausschuß überwiesen wird. — Das Haus ist damit einverstanden.
Darf ich nun zunächst noch einen Punkt erledigen, der von der letzten Tagesordnung übriggeblieben ist. Der Herr Abgeordnete Dr. Ott wünschte gestern eine persönliche Erklärung abzugeben. Er war aber gestern abend nicht im Hause. Darf ich ihn bitten, diese Erklärung jetzt abzugeben?
— Herr Abgeordneter Dr. Ott wünscht das nicht zu tun. Danke schön!
Ich rufe auf den Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts .
Offenbar wünscht der Bundesrat nicht, dieses Gesetz hier zu begründen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Aussprache über das Gesetz 90 Minuten vorzusehen. — Das Haus ist offenbar damit einverstanden.
— Meine Damen und Herren, streiten wir uns doch nicht um 90 oder 60 Minuten! Es steht ja jeder Partei frei, von diesem Rederecht keinen Gebrauch zu machen.
Darf ich fragen, wer zu diesem Punkt das Wort zu nehmen wünscht? — Herr Abgeordneter Leonhard, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Gewerbesteuerrechts entspricht im wesentlichen einem vom Bundestag bereits verabschiedeten Gesetzentwurf. Der ursprüngliche Kabinettsentwurf verfiel im Bundesrat der Ablehnung. Es drehte sich dabei um die Richtlinien darüber, unter welchen Voraussetzungen die Zustimmung zur Erhebung der Lohnsummensteuer zu erteilen ist. Die Bundesregierung war der Auffassung, daß dies durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates geschehen solle. Dieser Auffassung stimmte der Bundesrat nicht zu. Vielmehr wünschte er den Erlaß von Verordnungen durch die Länderregierungen. Der jetzige Entwurf will diesen Streitpunkt dadurch beseitigen, daß über diese Richtlinien über, haupt nichts ausgesagt wird.
Notwendig wurde die Gewerbesteueränderung, um eine einheitliche Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gewerbesteuer im gesamten Bundesgebiet zu erreichen. Die Vereinfachungsverordnungen des Reiches wurden in das Gesetz mit aufgenommen. Die Vorlage ist sehr eilig, da ohne Verabschiedung dieses Gesetzes die gemeinsame Veranlagung zur Gewerbe- und Einkommensteuer nicht möglich ist. Geprüft sollte meines Erachtens vor allen Dingen werden, ob der neue Abs. 4 des § 2 notwendig ist. Denn dort wird vorgesehen, daß vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes die Gewerbesteuerpflicht bis zur Wiederaufnahme des Betriebes nicht aufheben.
Wenig sympathisch ist mir an diesem Entwurf die Tatsache, daß dreimal das Wort .,ermächtigt" darin steht. In § 17a wird die Gemeinde ermächtigt, in § 35 c wird die Bundesregierung ermächtigt und in § 35 d wird der Herr Bundesminister der Finanzen ermächtigt. Diese Ermächtigungen passen mir deshalb nicht, weil wir dadurch der Bürokratie etwas in die Hände geben, von dem wir nie wissen, was diese Bürokratie damit macht. Die Bürokratie hat tatsächlich durch ihre Ausführungs-
und Durchführungsbestimmungen und die ihr erteilten Ermächtigungen manche Gesetzeshandhabung so gestaltet, daß der Wille des Gesetzgebers ins Gegenteil verkehrt wurde.
Wir sollten als Gesetzgeber die Bürokratie nicht ermächtigen, sondern entmachten!
Immer im Rahmen des Grundgesetzes, Herr Abgeordneter!
Immer im Rahmen des Grundgesetzes, Herr Präsident! — Sonst wird eines Tages diese Bürokratie allmächtig, und wir stehen dieser dann mehr oder weniger ohnmächtig gegenüber.
Ich bitte deshalb, trotz aller Eile den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zur umgehenden Erledigung zu überweisen.
Zum Grundsätzlichen dieser Angelegenheit möchte ich noch sagen, daß auch die Durchführungsverordnungen zu jenem Gesetz der gesetzgebenden Körperschaft zur Beschlußfassung vorgelegt werden sollten.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß der Abgeordnete Leonhard von 18 Minuten Redezeit noch nicht einmal 5 Minuten ausgenutzt hat. Ich halte das für ausgezeichnet.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller. Ich appelliere an ihn, in der gleichen Weise zu verfahren.
Meine Damen und Herren! Der Grund für diese Vorlage des Bundesrates liegt wohl im wesentlichen in der Tatsache, daß noch keine Klarheit über die Kompetenzen für den Erlaß bzw. die Genehmigung der Erhebung der Lohnsummensteuer zwischen Bund und Ländern geschaffen werden konnte. Ich glaube aber, es wäre besser gewesen, wenn der Bundesrat über einige Fragen des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes seine Meinung geäußert — im Bundesrat sind ja auch eine Reihe sozialdemokratischer Ländervertreter vorhanden — und zu einigen wesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes Stellung genommen und der en Abänderung beschlossen hätte.
Mein Herr Vorredner hat bereits auf den Abs. 4 des § 2 hingewiesen, wonach also eine vorübergehende Unterbrechung eines Betriebes, die in der Art des Betriebes liegt, nicht von der Steuerpflicht befreie. Wir befürchten, daß nicht allein die als Saisonbetriebe bezeichneten Betriebe darunterfallen, sondern daß auch im Zusammenhang mit der Kohlenversorgung eintretende Unterbrechungen — insbesondere bei Kleinbetrieben und Handwerkern — nicht zu einer Befreiung von der Steuer führen werden.
Ein zweites Bedenken — und das scheint mir wesentlicher zu sein — ist gegen die Bestimmung des § 6 Abs. 2 bezüglich der Lohnsummensteuer zu erheben. Die Frage der Lohnsummensteuer spielt vor allen Dingen auch hinsichtlich der Politik eines Unternehmers gegenüber den Beschäftigten eine entscheidende Rolle. Wir haben uns von jeher gegen die Einführung der Lohnsummensteuer gewandt, und zwar deswegen, weil das immer ein Anreiz für die Unternehmer sein wird, angesichts der Höhe der Lohnsumme a) eventuell durch Entlassungen die Lohnsumme zu reduzieren oder b) auf die Lohnhöhe selbst zu drücken. In Hessen war z. B. vorübergehend die Möglichkeit, die Lohnsummensteuer als Bemessungsgrundlage zu nehmen, ausgeschaltet worden.
Aber ich glaube, die Einführung der Lohnsummensteuer und der Möglichkeit, diese zu erheben, hat ihre besondere Bewandtnis darin, daß heute die Länder angesichts der Finanzpolitik des Herrn Schäffer dazu übergehen, alle Möglichkeiten steuerlicher Erfassung für sich und die Gemeinden zi sichern. Dazu bietet dann die in dem Gesetz gegebene Möglichkeit der Einführung der Lohnsummensteuer einen besonderen Anreiz. Jede Gemeinde wird infolgedessen — da nach diesem Gesetz die Möglichkeit gegeben ist und die Gemeindekassen auf Grund der Finanzpolitik des Bundes und der Länder geschwächt sind — dazu gezwungen sein, die Lohnsummensteuer einzuführen. Auch diese Maßnahmen stehen in engstem Zusammenhang gerade mit der Finanzpolitik des Bundes, der ja seine Mittel insbesondere für die Remilitarisierung aufbringen will.
Mit dem § 17 a wird die Mindeststeuer eingeführt. Danach kann jede Gemeinde zur Erhebung einer Mindeststeuer ermächtigt werden, die alle Unternehmer betrifft, die keinen Gewinn erzielt haben und damit Gewerbesteuer nicht zu zahlen hätten. Das waren bereits bisher insbesondere die Kleingewerbetreibenden und ambulanten Händler, deren Gewinn unter der Freigrenze lag. Mit diesem § 17 a wird also den Gemeinden durch die Einführung der Mindeststeuer die Möglichkeit gegeben, auch diese Kleinsteinkommen von Kleinstgewerbetreibenden und ambulanten Gewerbetreibenden zu besteuern.
In den Ziffern 1 und 2 des § 23 des Gesetzes ist die Herabsetzung der Steuergrundlage bzw. die Herabsetzung der Freigrenzen festgelegt worden. Auch dagegen hat der Bundesrat keine Einwendungen erhoben.
Ich möchte diesen Paragraphen gleich mit § 31 in Verbindung bringen. Während in § 31 der Ansatz für den eigenen Lohnanteil der im Betrieb Mitarbeitenden von 6000 auf 10 000 Mark vorgenommen, also praktisch eine etwa 70 %ige Erhöhung durchgeführt wird, und zwar berechtigterweise — zweifellos wird das mit dem allgemeinen Schwund der Kaufkraft begründet —, wird in § 23 die Grenze von 7200 auf 3600 Mark bzw., wo es sich um die gesamte Lohnsumme handelt, von 24 000 auf 12 000 DM herabgesetzt. Damit trifft man nicht nur den kleinen Gewerbetreibenden auf das allerschärfste, sondern man erfaßt auch Kleinstbetriebe, die Ein- und Zweimannbetriebe, und damit wird die gesamte Grundlage der Gewerbebesteuerung heruntergedrückt.
In diesem Zusammenhang verdient noch der § 24 Ziffer 2 erwähnt zu werden, nach dem bei der Berechnung der gesamten Lohnsumme auch die Zuschläge für Mehr-, Sonntags- und Nachtarbeit einzubeziehen sind.
Die gesamte Tendenz dieses Gesetzes ist also die, daß man auch auf dem Wege über die Gewerbesteuer und die durch das Gesetz darin eingeschaltete Einfügung der Lohnsummensteuer nichts anderes bezweckt, als die letzten Möglichkeiten auszuschöpfen, die Gelder für die Finanzen des Herrn Bundesfinanzministers, d. h. für die Aufbringung der Besatzungskosten und der Mittel für die Remilitarisierung hereinzuholen.
Abgeordneter Tenhagen, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Herrn Vorredner von der KP ist es auch in diesem Falle mal wieder gelungen, den Salto mortale bis zur Remilitarisierung auch aus dem Gewerbesteuergesetz heraus fertigzubringen. Wir wollen nur hoffen und wünschen, daß wir dieses Mal das Vergnügen haben, einen Vertreter der kommunistischen Fraktion bei der Beratung im Ausschuß begrüßen zu dürfen. Das ist bis jetzt nämlich noch nicht der Fall gewesen.
Meine Damen und Herren! Dem uns hier zur Beratung vorliegenden Gesetzentwurf scheint mir allerdings die Tendenz innezuwohnen, zu einem unveräußerlichen Bestandteil unserer gesetzgeberischen Arbeit zu werden. Wir beschäftigen uns nämlich innerhalb weniger Monate schon zum vierten Male mit diesem Gesetz. In der 136. Sitzung im April dieses Jahres wurde das Gesetz erstmalig beraten, in der 153. Sitzung am 15. Juni in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Wir haben damals schon darauf aufmerksam gemacht, daß es sich hier um eine sehr dringliche Angelegenheit handelt, deren Erledigung besonders in der Wirtschaft und von den Gemeinden sehr erwartet werde. Der Bundesrat hat Einspruch erhoben, und der Vermittlungsausschuß hat daraufhin mit Drucksache Nr. 2501 am 12. Juli dem Hohen Hause einen Antrag unterbreitet, dem hier zugestimmt wurde. Der Bundesrat hat diesen Vermittlungsvorschlag abgelehnt und mit der heute hier zur Beratung anstehenden Vorlage einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht.
Der Bundesrat hat zweifellos das Recht, gegen ein Gesetz Einspruch zu erheben, wenn diesem Gesetz erhebliche Bedenken von seiten des Bundesrates entgegenstehen. Nun hat aber meines Erachtens der Bundesrat genau so wie das Hohe Haus auch die Pflicht, durch ein möglichst reibungsloses Funktionieren der Gesetzgebung das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen der parlamentarischen Demokratie zu festigen, und er sollte sein Einspruchsrecht unter diesem Gesichtspunkt handhaben.
Von den vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen sind in der Hauptsache Bestimmungen des § 1 betroffen, die von meinen Vorrednern schon angesprochen wurden. Es handelt sich um Ziffer 4 mit den Vorschriften betreffend Lohnsummensteuer und mit der Festlegung, wer zum Erlaß der notwendigen Richtlinien zuständig sein soll, und um § 1 Ziffern 6, 7, 12 und 34, die sich mit der Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen zum Gewerbeertrag bzw. Gewerbekapital befassen. Diese beiden Bestimmungen scheinen mir nicht auszureichen, um das Einspruchsrecht in diesem Falle in Anspruch zu nehmen.
Zur Sache selbst ist in den vorhergegangenen Beratungen und heute durch den Kollegen von der CDU schon ausreichend Stellung genommen worden. Ich kann mir nach der Seite deshalb weitere Ausführungen ersparen. Für meine politischen Freunde jedenfalls habe ich zum Ausdruck zu bringen, daß wir durch eine möglichst schnelle Beratung im Ausschuß das Gesetz, auf das sowohl die Gemeinden als auch die Wirtschaft dringend warten, endgültig verabschieden.
Ich unterstütze den Antrag auf Überweisung an den Finanz- und Steuerausschuß.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist der Antrag gestellt worden, den Gesetzentwurf
dem Finanz- und Steuerausschuß zu überweisen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Wünscht die Bundesregierung den Gesetzentwurf zu begründen? — Der Herr Bundesminister für Verkehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen uns über die Situation, die sich in den letzten Jahren durch die Zunahme der Straßenverkehrsunfälle infolge der Motorisierung ergeben hat, nicht im einzelnen zu unterhalten. Die Zahlen der Statistik über diese Zustände sind Ihnen ja weitgehend aus den Presseveröffentlichungen bekannt. Drei Zahlen sind es, die unsere besondere Aufmerksamkeit erregen: daß wir alle drei Minuten in Deutschland einen Verkehrsunfall haben, daß alle fünf Minuten in Deutschland ein Mensch bei einem Verkehrsunfall verletzt wird und daß am Tage etwa 21 Menschen bei Verkehrsunfällen getötet werden! Es ist dabei auf die Erfahrung aus früheren Zeiten hinzuweisen, daß die Zunahme der Verkehrsunfälle in keinem Verhältnis etwa zu der Zunahme der Unfälle in den gewerblichen Betrieben steht, die durch fortschreitende Mechanisierung hervorgerufen wird. Dabei gilt unsere Sorge nicht nur den Menschen, die im Verkehr gefährdet sind, sondern natürlich auch dem materiellen Schaden, der dabei entsteht und der auf mehrere hundert Millionen D-Mark jährlich geschätzt werden kann.
Dieses beängstigende Ansteigen der Unfallkurve in den letzten Jahren hat drei Ursachen: einmal liegt sie in dem Zustand unserer Straßen, dann in den technischen Mängeln der Fahrzeuge, insbesondere der überalterten Fahrzeuge, und drittens und sehr wesentlich in der Disziplinlosigkeit der deutschen Verkehrsteilnehmer. Das Absinken der staatlichen Autorität in der Kriegs- und Nachkriegszeit hat im Zusammenhang mit der Überalterung der Fahrzeuge und mit der unzureichenden Überwachung des Straßenverkehrs durch die Polizeiverwaltungen, aber auch im Zusammenhang mit der sehr milden Handhabung der geltenden Vorschriften durch Polizei und Gerichte dazu geführt, daß der Disziplinlosigkeit, die durch die Kriegs-und Nachkriegsverhältnisse eingerissen war, nicht entsprechend entgegengetreten werden konnte. Wir müssen vom Bundesverkehrsministerium aus nachdrücklich darauf hinweisen, daß die Durchführung der Gesetze auf dem Gebiete des Straßenverkehrs und damit die polizeiliche Kontrolle auf der Straße Sache der Länder, und zwar der Innenminister der Länder, ist. Der Bund hat nach dem Grundgesetz auf dem Gebiete des Straßenverkehrs Zuständigkeiten lediglich im Bereiche der Gesetzgebung.
Hier versucht nun der Ihnen vorgelegte Entwurf besonders in den letzten Jahren klar erkennbar gewordene Gefahrenquellen, die sich bei der Aufarbeitung der Unfalluntersuchungen herausgestellt haben, zu beseitigen. Da ist insbesondere das Fahren mit mehr als zweiteiligen Lastzügen. Da ist die Gefahr, die sich aus dem ständigen Überladen der Lastkraftwagen ergibt, und da ist die dringende,
bisher nicht genügend beachtete Notwendigkeit, die Fahrzeuge periodisch auf ihre Verkehrstauglichkeit zu untersuchen.
Wir haben gesetzliche Möglichkeiten, einzugreifen: durch eine Änderung des Kraftfahrzeuggesetzes, durch eine Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung und durch eine Umarbeitung der Straßenverkehrsordnung. Aber im Zusammenhang damit müssen auch entsprechende Bestimmungen des Strafgesetzbuches und der Strafprozeßordnung geändert werden. Es hat sich deswegen als nötig erwiesen, zu versuchen, diese Materie nicht in verschiedenen Gesetzen zu regeln, sondern sie in Zusammenarbeit der Bundesministerien des Innern, der Justiz und des Verkehrs in einem Entwurf zusammengefaßt zu behandeln, um damit ein gleichzeitiges Inkrafttreten der Bestimmungen durchzusetzen und ferner auch zu erreichen, daß derjenige, der sich mit dieser Materie beruflich oder als Straßenverkehrsteilnehmer zu beschäftigen hat, die entsprechenden Vorschriften in eine m Gesetz findet.
Das Entscheidende vom Standpunkt des Verkehrsministeriums sind die Änderungen des Kraftfahrzeuggesetzes und der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung. Soweit Änderungen der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung nicht durch Gesetz erforderlich sind, erfolgen sie durch eine Änderungsverordnung zu dieser Straßenverkehrs-Zulassungsordnung, die bereits dem Bundesrat vorliegt und voraussichtlich noch in dieser Woche verabschiedet werden wird, nachdem sein Verkehrsausschuß diesen Änderungsvorschlägen der Bundesregierung zugestimmt hat.
Wenn Sie das Gesetz in den Ausschüssen beurteilen, dann berücksichtigen Sie dabei bitte, welche Maßnahmen durch die Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung getroffen werden. Man kann beides nur im Zusammenhang beurteilen und als ein Ganzes ansehen.
Aus dem Gesetzentwurf sind eine Reihe von Besonderheiten zu erwähnen. Ich führe sie ohne Bezugnahme auf die Artikel des Gesetzes an, weil dieses Gesetz selbst ein Konglomerat aus den verschiedensten Bestimmungen darstellt und sich nicht von einem Gesamtgesichtspunkt aus betrachten läßt. Deswegen wird auch in der ersten Lesung die Behandlung für das Hohe Haus nicht einfach sein; die entscheidende Bearbeitung wird hier vielmehr erst dann erfolgen können, wenn nach Beratung in den Ausschüssen zu den einzelnen Abschnitten und Paragraphen des Gesetzes Stellung genommen wird.
Ich möchte also auf einige Punkte besonders hinweisen: Bisher konnten die Verwaltungsbehörden bei Ungeeignetheit des Führerscheininhabers die Fahrerlaubnis entziehen. Sie konnten es. Nach dem neuen Gesetz müssen sie es.
Infolge des politischen Druckes ist im Jahre 1937 die Zuständigkeit für Rechtsverordnungen auf dem Gebiete des Straßenverkehrs geteilt worden; nur das Reichsministerium des Innern konnte seitdem jene Vorschriften erlassen, die das Verhalten im Verkehr betreffen. Der Reichsverkehrsminister war ausgeschaltet. Er war nur noch für die Straßenverkehrs-Zulassung zuständig. Das hat zu ganz unsinnigen Folgerungen geführt, die wir am besten darauf erkennen, daß z. B. die Bestimmungen über die Beleuchtung der Fahrräder vorn zum Aufgabengebiet des früheren Reichsverkehrsministers, die Vorschriften über die Beleuchtung der Fahrräder hinten dagegen zum Aufgabenbereich des Reichsinnenministers gehörten.
Wir haben uns vom Bundesverkehrsministerium aus vom ersten Tage an gegen diese völlig merkwürdigen, sich aus ganz anderen politischen Erwägungen ergebenden Konsequenzen gewehrt und haben nun in eingehenden Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister des Innern durchgesetzt, daß in Zukunft diese sachlich nicht begründete Zuständigkeitsverwirrung beseitigt wird und das Bundesverkehrsministerium auch bei der Straßenverkehrsordnung sachlich allein zuständig ist.
Wir wollen also durch dieses Gesetz den alten Rechtszustand von vor 1937 wiederherstellen, der uns erst die Möglichkeit gibt, vom Standpunkt des Bundesverkehrsministeriums aus unsere Aufmerksamkeit nun auch der Straßenverkehrsordnung und ihrer Erneuerung zuzuwenden. Ich kann Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, versichern, daß es nach Inkrafttreten des Gesetzes unsere vornehmste Aufgabe sein wird, diese Straßenverkehrsordnung den neuzeitlichen Erfordernissen anzupassen.
Das Gesetz sieht ferner eine Bestimmung vor, wonach die Inhaber der Fahrerlaubnis der zweiten Klasse, d. h. also jene, die die großen Lastzüge führen, sich wenn sie das Alter von 50 Jahren überschritten haben, einer neuen ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen. Erfahrungsgemäß läßt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit in diesem Alter, in dem ich mich ja auch befinde, nach!
Die Untersuchungspflicht wird durch das Gesetz nicht vorgeschrieben, sondern der Bundesminister für Verkehr wird ermächtigt, je nach seinem eigenen Verantwortungsgefühl, das er z. Zt. am besten aus seinem Alter ablesen kann, derartige Vor chriften zu erlassen.
Aber, meine Damen und Herren, Scherz beiseite: Es i. t wirklich notwendig, daß wir diese Vorschriften erlassen; denn gerade das Führen eines Lastkraftwagens erfordert ein solches Maß von geistiger und körperlicher Bereitschaft, daß man nicht erwarten kann, daß jemand, der seinen Führerschein auf Grund einer ärztlichen Untersuchung etwa im Alter von 20 bis 25 Jahren erworben hat, diese Fähigkeiten unbedingt auch noch im höheren Alter besitzt. Man wird leider insbesondere jene, die zum Beispiel durch Steigerung des Blutdrucks oder durch andere Krankheiten, durch Verminderung der Sehschärfe oder des Gehörs, durch Unfälle usw. schon sehr stark geschädigt sind, aus Gründen der Sicherheit von der Ausübung dieses Berufes ausschalten müssen.
Ein sehr wesentlicher Punkt des Entwurfs bezieht sich auf die Lastzüge. Das Gesetz verbietet ab sofort das Mitführen eines dritten und weiteren Anhängers.
Wir schlagen vor, daß der zweite Anhänger mit dem 1. November 1952 endgültig gekappt wird.
Wir sind der Meinung, daß mehrteilige Lastzüge gefährlicher sind, insbesondere auf unseren unzulänglichen Straßen. Die zahlreichen Fälle von Kuppelungsrissen sind Beweis dafür, daß der mehrteilige Lastzug eine vermehrte Gefahr in sich birgt. Auch die Einhaltung der Spur des Führwagens ist bei den mehrteiligen Lastzügen nicht
1 gegeben. Wenn wir nicht den Vorschlag gemacht haben, auch den zweiten Anhänger sofort zu verbieten, so nur, um der Industrie und dem Gewerbe Gelegenheit zu geben, sich umzustellen, und um nicht eine erhebliche Anzahl von Beförderungsmöglichkeiten, in denen auch beträchtliches Kapital investiert ist, sofort auszuschließen. Den Termin des 1. November haben wir gewählt, weil wir bedacht haben, daß gerade in den schlechten Zeiten des Herbstes und Winters die Gefahren durch mehrteilige Lastzüge größer sind, und weil wir deswegen schon vom Beginn des nächsten Winters ab diese Gefahren ausschalten möchten.
— Darüber können wir uns im Ausschuß noch einmal unterhalten.
Bei dieser Frage müssen gegenüber der erhöhten Sicherheit auch die berechtigten Interessen des Gewerbes und die Notwendigkeiten, die sich daraus ergeben, abgewogen werden. Es würde natürlich zu Schwierigkeiten führen, wenn sich aus einer zu schnellen Einführung der Neuregelung . etwa Entschädigungsansprüche ergäben, insbesondere dort, wo Konzessionen erteilt sind. Wir müssen also diese Frage im Ausschuß einer eingehenden Prüfung unterziehen. Wir sind der Meinung, daß es der von uns vorgeschlagene Termin ist, den wir bei Abwägung all der verschiedenen Interessen am zweckmäßigsten festsetzen können. Es muß berücksichtigt werden, daß die Automobilindustrie, im besonderen die Lastwagen-Anhänger-Industrie, nun einen Anhänger entwickeln muß, der tatsächlich allen Verkehrserfordernissen des zweiteiligen Zuges entspricht, damit nicht in Zukunft die alten Anhänger weiter als Erstanhänger Verwendung finden, sondern nach Möglichkeit verschrottet werden.
Weitere Bestimmungen des Gesetzes beziehen sich auf die Ausrüstung der Fahrzeuge, die sich im Verkehr als besonders anfällig für Unfälle erwiesen haben — also der Lastzüge und Omnibusse — mit Fahrtschreibern, und zwar der Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von 9 t und darüber, der Zugmaschinen mit einer Motorleistung über 25 PS und der Kraftomnibusse mit mehr als 20 Fahrgastplätzen. Die Fahrtschreiber, die schon im Kriege mit Rücksicht auf. die Materialersparnis eingeführt waren, haben sich sehr gut ausgewirkt. Man kann aus den Fahrtschreibern z. B. auch erkennen, wie lange der einzelne Fahrer am Steuer sitzt und wie er sich in bestimmten Zeiten auf der Fahrt verhalten hat. Sie sind eine ständige Kontrolle des Fahrers und können bei eintretenden Unfällen sehr gut zur Aufklärung der Ursachen des Unfalles dienen. Sie werden natürlich von den Fahrern gerade deshalb nicht gern benutzt. Aber sie sind meiner Auffassung nach gerade deshalb erforderlich, um die Fahrer zu stärkerer Disziplin zu erziehen.
Endlich wird in dem Gesetz vorgeschrieben, daß nur solche Fahrzeugteile verwendet werden können, die in einer amtlich genehmigten Bauart ausgeführt sind.
Das sind die Bestimmungen, die sich auf Kraftfahrzeuggesetz und Straßenverkehrszulassungsordnung erstrecken. Aber auch auf dem Gebiet der Strafrechtspflege schlägt der Entwurf dem Hohen Hause Maßnahmen vor, die gleichfalls dem Ziel einer verschärften Unfallbekämpfung dienen sollen. Da ist zunächst die Einführung der gebührenpflichtigen Verwarnung bei Verkehrsübertretungen.
Wir haben die gebührenpflichtigen Verwarnungen früher gekannt und mit gutem Erfolg angewandt. Daß sie aufgehoben wurden, war eine Folge der Einstellung der Besatzungsmächte zu den Rechten der Polizei. Wir sind aber der Meinung, daß sich dieses Verfahren deshalb ausgezeichnet bewährt und erzieherisch gewirkt hat, weil die kleinen Verkehrssünder sofort gepackt werden konnten. In einigen unserer Länder ist das Verfahren auch inzwischen mit gutem Erfolg wieder eingeführt worden. Der Entwurf sieht die Einführung einer Verwarnungsgebühr in Höhe von 2 DM allgemein vor und schließt sich damit in der Höhe den allgemeinen Gebührenverordnungen an; wir waren insofern in der Höhe der Gebühr beschränkt. Durch Einzelbestimmungen ist Vorsorge getroffen, daß den rechtsstaatlichen Grundsätzen ausreichend Rechnung getragen wird. Die Erhebung der Gebühr ist nur zulässig, wenn der Betroffene nach Belehrung über sein Weigerungsrecht mit der gebührenpflichtigen Verwarnung einverstanden ist und sich auch zur sofortigen Bezahlung der Gebühr — statt eines Verfahrens vor dem Amtsgericht — bereit findet.
Neben den Verwaltungsbehörden sollen in Zukunft auch die ordentlichen Gerichte zur Entziehung der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen befugt sein. Die Gründe dafür sind folgende. Die Beschränkung der Zuständigkeit auf die Verwaltungsbehörden hat sich als ein Hemmnis für eine sachgemäße strafgerichtliche Bekämpfung von Verkehrszuwiderhandlungen erwiesen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis wiegt für den Betroffenen in den meisten Fällen viel schwerer als die Strafe, obwohl sie keine Sühne für die Tat, sondern eine vorbeugende Maßnahme zum Schutze der Allgemeinheit darstellt. Der Richter kann die Strafe für eine Verkehrszuwiderhandlung nach unserer Auffassung nur dann gerecht bemessen, wenn auch die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis in diesen Fällen in seiner Hand liegt. Wir haben es sehr oft erlebt, daß Leuten bei Unfällen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, daß sie aber, obwohl sie sich sehr verkehrswidrig verhalten hatten, schon nach wenigen Wochen durch Einspruch bei der unteren Verwaltungsbehörde den Führerschein wieder bekamen. Hinterher kam das Verfahren; sie wurden zu Geldstrafe oder zu Gefängnis verurteilt und wiesen dann in ihren Begnadigungsanträgen darauf hin, daß es doch wohl nicht vertretbar sei, daß sie den Führerschein nach kurzer Zeit wieder bekommen hätten, also fahren dürften, auf der anderen Seite aber eine Gefängnisstrafe absitzen sollten. Diese Diskrepanz soll nun dadurch ausgeglichen werden, daß auch das Gericht in der Lage ist, über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu entscheiden.
Das Gesetz schafft noch weitere Straftatbestände und verschärft die bisher angedrohten Strafen. Insbesondere muß durch die Gerichte gegen alle Verkehrsteilnehmer eingeschritten und schärfer vorgegangen werden, die als Führer eines Fahrzeugs rücksichtslos fahren
oder die sich geistige Getränke oder andere berauschende Mittel zugeführt haben und dadurch
in der sicheren Führung des Fahrzeugs behindert
sind, weil in den beiden Fällen durch ein solches Verhalten eine Gefahr für den ganzen Verkehr entsteht. Wir haben bisher den Kraftfahrzeugführer nur dann bestraft, wenn ein Unfall eingetreten ist, nachdem er Alkohol zu sich genommen hatte. In Zukunft möchten wir zur Verschärfung der Disziplin schon einen Verkehrsteilnehmer unter Strafe stellen, der sich Alkohol in entsprechendem Maße zuführt und sich trotzdem verantwortungslos ans Steuer setzt. Das ist ein Straftatbestand, wie er in Schweden und in anderen Ländern mit sehr gutem Erfolg besteht. Ich glaube, wir sollten das auch bei uns einführen; es würde wesentlich zur Besserung der Verkehrsdisziplin beitragen.
Der Bundesrat hat zu verschiedenen Punkten dieses Gesetzentwurfs Stellung genommen. Ich darf hier gleich noch die Stellungnahme der Bundesregierung zu seinen Abänderungsvorschlägen vortragen. Der Bundesrat wünscht, daß der Bundesminister für Verkehr bei dem Erlaß von Rechtsverordnungen auf dem Gebiete des Straßenverkehrs an das Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern gebunden wird. Wir halten eine solche Bindung, die das Kraftfahrzeuggesetz früher niemals gehabt hat, nicht für erforderlich, ja sogar nicht einmal für erwünscht. Die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern ist schon ressortmäßig sichergestellt. Die Entscheidung aber muß bei der sachlich zuständigen Behörde und nicht beim Innenministerium liegen. Der Wunsch des Bundesrates ist deshalb ausgesprochen worden, weil in den Ländern die Verkehrsangelegenheiten vielfach im Innenministerium bearbeitet werden. Das spielt aber für die Bundesregierung keine Rolle. Die Länder können ihre Zuständigkeiten in der Ministerialebene verteilen, wie sie wollen. Wir sind der Meinung, daß auf der Bundesebene hierfür ausschließlich der Bundestag und die Bundesregierung zuständig sind.
Der Bundesrat empfiehlt weiter, es hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis bei dem alten Verfahren zu belassen, bei dem nur die Verwaltungsbehörden zuständig sind. Ich habe schon aus- geführt, daß Strafart und Strafmaß gegen einen Verkehrssünder vielfach davon abhängen werden, ob daneben die Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochen wird oder nicht. Es ist deshalb eine Forderung der Gerechtigkeit, daß der Richter in einer Verkehrssache nicht nur über die strafrechtlichen Maßnahmen, sondern auch über die Entziehung der Fahrerlaubnis entscheidet. Auch prozeßökonomische Erwägungen fordern zwingend, die in der Regel sehr umfangreichen und eingehenden Ermittlungen des Strafverfahrens für das Entziehungsverfahren nutzbar zu machen. Der erhebliche Aufwand eines besonderen Verfahrens vor den Verwaltungsbehörden ist nach unserer Auffassung angesichts der Notwendigkeit zur Sparsamkeit nicht zu verantworten, wenn der Richter ohnehin zum Zwecke der strafrechtlichen Beurteilung eine umfangreiche Klärung des Sachverhalts vorzunehmen genötigt ist. Bei Entscheidungen der Verwaltungsbehörden spielen ferner Zweckmäßigkeitserwägungen eine viel größere Rolle als bei den Gerichten. Soweit sich auf Grund strafbarer Handlungen die Notwendigkeit einer Entziehung der Fahrerlaubnis ergibt, müssen Rücksichten aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach unserer Meinung unter allen Umständen ausscheiden. Außerdem besteht nach den bisherigen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen keine Möglichkeit, die Fahrerlaubnis schon vorläufig zu entziehen. Die Verwaltungsbehörde muß vielmehr abwarten, bis die erforderlichen Ermittlungen angestellt sind. Durch die in dem Entwurf vorgesehene Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte sind dagegen ausreichende Maßnahmen möglich, um einen Verkehrssünder sofort nach Begehung der Tat aus dem Straßenverkehr auszuschließen.
Bei der Schaffung der neuen Strafvorschriften bestehen zwischen dem Vorschlag der Bundesregierung und dem Änderungsvorschlag des Bundesrates nur Unterschiede in der Formulierung. Wir bitten, diese Unterschiede zu prüfen, sind aber der Auffassung, daß unsere Formulierungen die Tatbestände klarer und eindeutiger fassen als die Formulierungen des Bundesrates.
Die Bundesregierung versucht, mit diesem Gesetzentwurf und mit der Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung ihren Teil beizutragen, um die Zahl der Verkehrsunfälle auf ein erträgliches Maß zu senken. Es muß nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß es mit der Schaffung neuer gesetzlicher Bestimmungen allein nicht getan ist. Nur wenn diese von den Gerichten und von den Verwaltungsbehörden der Länder in viel schärferem Maße und viel sorgfältiger als bisher durchgeführt werden, kann der gewünschte Erfolg erreicht werden.
Wir müssen uns weiter darüber klar sein, daß das Problem auch mit Zwangsmaßnahmen des Staates, durch Gesetzgebung und Polizei, und durch die erzieherische Wirkung der Rechtsprechung nicht ausreichend gelöst werden kann. Es wird erforderlich sein, durch großzügige Aufklärungs- und Erziehungsaktionen die Bevölkerung zu disziplinierten Verkehrsteilnehmern zu erziehen. Deshalb ist im vorigen Jahr die Bundesverkehrswacht mit Untergliederungen in den Ländern und in den Kreisen aufgezogen worden. Die Bundesverkehrswacht, die ein Organ der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung sein soll, kann jedoch ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn ihr die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Für die Mittel hat einerseits der Staat, haben andererseits aber auch die zuständigen Industrien zu sorgen. Die letzteren haben sich trotz unserer ständigen Bitten hier nicht in dem Maße eingeschaltet, wie wir das im Interesse der großen Sache ohne weiteres erwarten mußten. Andere ausländische Staaten mit hoher Motorisierung haben gerade hierfür sehr erhebliche finanzielle Mittel eingesetzt. Ich darf Sie nur an das ausgezeichnete Arbeiten der entsprechenden Institutionen in den Vereinigten Staaten erinnern.
Darüber hinaus sind die Verkehrserziehung der Jugend und die Einführung des obligatorischen Verkehrsunterrichts in den Schulen besonders wichtig, Angelegenheiten, die in der Zuständigkeit der Länder liegen und die wir von hier aus nur immer wieder erneut fordern und der Konferenz der Herren Kultusminister nahelegen können. Unsere Jungen und Mädchen sind auf den Straßen besonders gefährdet, weil es ihnen an der nötigen Erfahrung fehlt. Andererseits sind bei ihnen die Ansatzpunkte für eine erfolgreiche erzieherische Arbeit größer als bei den Erwachsenen, weil sie aufnahme- und entwicklungsfähiger sind. Ich möchte deshalb auch versuchen, diese Aufgabe von der Seite der Freiwilligkeit anzufassen. Es ist beabsichtigt, in allernächster Zeit — die Vorbereitungen sind abgeschlossen — eine Jugendliga für Verkehrssicherheit ins Leben zu rufen. Auch die jetzt durchgeführte Radfahrwoche gehört zu den
Maßnahmen, hier wirklich helfend und fördernd einzugreifen.
Die bisherigen Kontrollen durch die Straßenverkehrspolizei haben sich, wie Sie wissen, in erster Linie immer auf die Kontrolle des Führerscheins, auf die Kontrolle der Steuerkarte und allenfalls auf die Kontrolle der Geschwindigkeiten erstreckt. Diese Kontrollen sind völlig ungenügend. Wir sind heute auch in der Lage, durch Schnellkontrollen den technischen Zustand der Fahrzeuge auf Beleuchtung, Bremsen, Lenkung, Überladung, Geräusch- und Qualmentwicklung und ähnliches zu prüfen. Die Möglichkeiten sind für fahrende Kolonnen, die entsprechend ausgestattet sind, durchaus gegeben, und wir bedauern es sehr, nicht vom Bunde aus die Möglichkeit zu haben, solche fahrenden Kolonnen auszurüsten und insbesondere auf den großen Verkehrswegen einzusetzen. Alle unsere Bemühungen in den Verkehrsministerkonferenzen, die Länder dazu anzuregen, haben keinen Erfolg gehabt, weil die Länder wegen der dazu erforderlichen Mittel sich nicht haben entschließen können, diese ihnen vorgeführten, insbesondere auch im Lande Nordrhein-Westfalen weit entwickelten Möglichkeiten überall einzusetzen und auszunützen.
Die Frage der Geschwindigkeitskontrollen hat bereits kürzlich im Hohen Hause eine Rolle gespielt anläßlich der Interpellation der Freien Demokratischen Partei wegen der Überwachung der Geschwindigkeit auf den Autobahnen im amerikanischen Besatzungsgebiet. Wir haben schon vor Jahr und Tag mit den Herren des amerikanischen Besatzungsgebiets darüber verhandelt, daß die von dieser Besatzungsbehörde allein erlassenen Vorschriften über eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf den Autobahnen und anderen Straßen aufgewerden sollten. Sie haben sich diesem Vorschlag auch angepaßt, haben aber darauf hingewiesen, daß damit die vor Ausbruch des Krieges aus Gründen der Verbrauchsersparnis geschaffenen Geschwindigkeitsbeschränkungen wieder gesetzliche Kraft erlangen und daß damit von ihrer Seite aus nicht die Möglichkeit gegeben werden sollte, jene Bestimmung der Straßenverkehrsordnung wieder einzuführen, die — und das ist unserer Ansicht nach das einzig Richtige — die Geschwindigkeit in das Verantwortungsbewußtsein des Straßenverkehrsbenutzers stellt.
In dieser alten Bestimmung ist enthalten, daß jeder so schnell fahren kann, wie es der jeweilige Zustand des Verkehrs ihm gestattet. Sein Verantwortungsbewußtsein hier anzusprechen, scheint uns notwendig. Denn durch Geschwindigkeitsbeschränkungen bekommen Sie nichts anderes als Ärger der Verkehrsteilnehmer. Es ist nach unserer Auffassung völlig unsinnig, auf der Autobahn, wenn sie frei vom Verkehr ist, die Geschwindigkeit zu beschränken und damit dem Fahrer nicht zu erlauben, sein Fahrzeug auszufahren. Auf der anderen Seite verhält sich bei starker Verkehrsbelastung der Autobahn jemand, der die Geschwindigkeitsgrenze bis 80 km ausnützt, so, daß er nach unserer Auffassung straffällig wird.
Deswegen hatten wir mit den amerikanischen Behörden über diese Fragen gesprochen. Sie haben uns aber damals erklärt: Wenn ihr die ursprünglichen Voraussetzungen der Straßenverkehrsordnung wieder einführt, dann werden wir unter Bezugnahme auf die Sicherheitsbestimmung der Ziffer 2 e des Besatzungsstatuts in unserer Zone
wieder die Geschwindigkeitsbeschränkungen vorschreiben.
Sie haben inzwischen erfahren, daß auf die Interpellation, die an die amerikanische Besatzungsmacht herangetragen worden ist, eine Antwort erteilt wurde, die uns nach den eben vorgetragenen Grundsätzen zweifellos nicht befriedigen kann.
Es ist eine Antwort, die uns wundert, weil sie gerade in der Zeit der jetzigen Verhandlungen erteilt wird.
Es ist sehr interessant, zu dieser Antwort auch einmal die Größenordnung zu kennen, in der Verkehrsteilnehmer durch die Kontrollen der amerikanischen Polizei auf den Autobahnen im amerikanischen Besatzungsgebiet betroffen werden. Nicht weniger als über 5200 Fahrer sind allein wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen in den letzten sechs Monaten angehalten und nach der amerikanischen Methode zur nächsten Polizeistation geleitet worden, wodurch sie nicht nur eine Verzögerung ihrer Reise, sondern einen stundenlangen Verlust an Arbeitszeit erlitten haben. Weiter hat in 1137 Fällen die amerikanische Verkehrspolizei aus anderen Gründen geglaubt, eingreifen zu müssen.
Es ist aber so, daß hier von uns aus wegen der ausdrücklichen Berufung auf die Ziffer 2 e des Besatzungsstatuts im Augenblick wohl wenig erreicht werden kann.
Ich habe in den Verhandlungen ausdrücklich immer wieder darauf hingewiesen, daß wir mit dem Moment, da diese Bestimmung des Besatzungsstatuts fällt, zu unseren alten und bewährten Vorschriften, wie ich sie eben geschildert habe, zurückkehren werden.
Wir sind nach wie vor der Meinung, daß Kontrolle der Geschwindigkeit, Kontrolle des Führerscheins und Kontrolle der Steuerkarten nicht dazu dienen, die Verkehrssicherheit zu heben, sondern daß Maßnahmen, wie wir sie in dem Ihnen vorliegenden Gesetz vorgeschlagen haben und wie wir sie bei der geplanten Änderung der Straßenverkehrsordnung vorschlagen werden, wesentlich mehr dazu beitragen. Man sollte also die Herren der amerikanischen Verkehrsabteilung des Hohen Kommissars dringend bitten, sich doch allmählich auch in diesen Fragen den Gepflogenheiten unseres Landes anzupassen und bereit zu sein, zuzugeben, daß wir es besser verstehen, mit unseren Leuten so zu verfahren, daß in der Diszipliniertheit des Verkehrs wirklich ein Erfolg erzielt wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe noch bekanntzugeben, daß der Finanz- und Steuerausschuß um 15 Uhr 30 zusammentritt. Das Haus hatte beschlossen, die Sitzung um 14 Uhr 30 für eine halbe Stunde zu unterbrechen, um das Soforthilfe-Anpassungsgesetz in den Fraktionen beraten zu können.
— Also, der Finanz- und Steuerausschuß auf Zim-
mer 12. Ich schlage Ihnen vor, jetzt schon zu unterbrechen, damit nachher die Diskussion nicht zerrissen wird. — Das Haus ist einverstanden.
Ich unterbreche die Sitzung. Das Haus tritt um 15 Uhr wieder zusammen.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Sitzung fort.
Die Fraktionen haben beraten. Wie mir gesagt wurde, hat der Lastenausgleichsausschuß heute vormittag die Frage, ob das Soforthilfe-Anpassungsgesetz heute noch behandelt werden soll, von den Beratungen der Fraktionen abhängig gemacht. Sind die Fraktionen damit einverstanden, daß dieses Gesetz als weiterer Punkt auf die Tagesordnung gesetzt wird?
— Kein Widerspruch; damit ist die Tagesordnung insoweit ergänzt.
Wir werden aber zunächst den schon aufgerufenen Punkt 2 zu Ende führen, die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr.
Das Wort hat der Abgeordnete Günther.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wohl kaum ein Gesetzentwurf hat in der Bevölkerung einen derartigen Anklang gefunden wie gerade dieser. Der Herr Verkehrsminister hat eben erklärt, daß täglich 20 Todesopfer zu beklagen sind. Man kann sich also vorstellen, was für Todeszahlen bei steigendem Verkehr in Zukunft zu erwarten sind, wenn nichts in dieser Angelegenheit geschieht. So ist jeder, jeder Fußgänger, aber auch jeder sonst am Verkehr Beteiligte, ob er am Steuer sitzt oder nicht, ernstlich daran interessiert, daß die Ordnung auf der Straße wieder hergestellt wird. Es ist meines Erachtens nicht notwendig, daß wir uns mit den Einzelheiten des Gesetzentwurfs befassen. Der Herr Minister hat ihn eingehend begründet, und es wird Sache des Ausschusses sein, ihn im einzelnen zu beraten. Aber gestatten Sie mir, daß ich doch auf einige wenige Punkte eingehe.
Meine Freunde und ich begrüßen es sehr, daß man die Verkehrssünder demnächst schärfer anpacken wird. Wir begrüßen es besonders, daß der zweite Anhänger in Kürze verschwinden soll. Nur glaube ich, daß man den Termin des 31. Oktober 1952 nicht ganz einzuhalten braucht, vor allen Dingen nicht für die Fahrzeuge, die steuerlich bereits im vergangenen oder in diesem Jahre abgeschrieben worden sind. Für diese Fahrzeuge kann man, glaube ich, den Termin des 1. April einführen. Aber auch das muß im Ausschuß noch geklärt werden. Sicherlich werden diese Maßnahmen, die im Interesse der Verkehrssicherheit getroffen werden müssen, für manchen Unternehmer gewisse Härten mit sich bringen; aber meines Erachtens — und ich glaube, Sie alle sind dieser Auffassung — stehen das Menschenleben und die Verkehrssicherheit höher als irgendwelche wirtschaftlichen Erwägungen.
Es ist weiterhin zu begrüßen, daß für die Lastkraftwagen über 9 t der Fahrtschreiber eingeführt wird. Doch glaube ich, daß es vielleicht notwendig sein wird, dies nicht auf die Fahrzeuge über 9 t zu
beschränken, sondern bereits für Fahrzeuge über 5 t vorzusehen.
Nach meinem Dafürhalten geht der Gesetzentwurf nicht weit genug. Eine ganze Reihe von Fragen steht noch offen; sie müssen im Ausschuß eingehend geprüft werden. Insbesondere muß die Belästigung durch den Dieselqualm unbedingt verhindert werden, etwa indem der Auspuff nach oben oder nach hinten geführt wird; auf keinen Fall aber kann man den Auspuff so lassen, wie er heute bei den meisten Kraftfahrzeugen vorhanden ist. Außerdem müssen Lastzüge, die sich mit schlechten Reifen im Verkehr befinden, sofort aus dem Verkehr gezogen werden; denn es hat sich erwiesen, daß die Unglückszahlen gerade bei Reifenpannen besonders zugenommen haben. Es ist notwendig, daß jeder Lastzug auch gute Reservereifen mit sich führt, so daß im Falle einer Panne ein Wechsel schnell erfolgen kann. Es ist außerdem notwendig, sich den jeweiligen Fortschritt zu eigen zu machen, für schwere Lastzüge vielleicht Mikrophone anzuschaffen, die hinten anzubringen sind, damit von dem Fahrer wirklich vernommen wird, wenn ein anderes Fahrzeug ihn überholen will.
Des weiteren stellen wir in letzter Zeit fest, daß besonders an Eisenbahnübergängen Unfälle zu verzeichnen sind. Es wird vielleicht nicht möglich sein, im Rahmen dieses Gesetzes Abhilfe zu schaffen. Aber es ist notwendig, daß bei unbeschrankten Eisenbahnübergängen gewisse Hindernisse geschaffen werden, seien es kleine Verteilerkreise, seien es sonstige Hindernisse, damit der Autofahrer gezwungen wird, langsamer zu fahren. Außerdem ist zu wünschen, daß im nächsten Haushaltsplan erhöhte Mittel eingesetzt werden, damit an verkehrsreichen Straßen die Schranken in Wegfall gebracht und schienenlose Übergänge geschaffen werden können. Weiterhin ist eine Bestimmung erwünscht, daß Lastkraftwagen an Eisenbahnübergängen nach dem Hochgehen der Schranken so lange zu halten haben, bis die aufgestauten Personenwagenkolonnen den Schienenübergang überquert haben, und daß sie sich erst dann in Bewegung setzen dürfen.
Weiterhin ist es notwendig, daß gewisse Beschlüsse von Gemeindevertretungen, die sich der als im Interesse des Verkehrs notwendig erkannten Schaffung einer Umgehungsstraße aus rein geschäftlichen Gründen entgegenstellen — vielleicht weil der eine oder andere Gastwirt oder gewisse Geschäftskreise in einer Kleinstadt sich dadurch geschädigt fühlen würden —, als nichtig erklärt werden.
Zuletzt möchte ich noch auf die Polizei hinweisen. Wir möchten, daß die Polizei stärker als bisher bei wirklichen Verkehrsverfehlungen eingreift, daß sie sich aber nicht, wie es in der vergangenen Zeit vielfach der Fall war, als Autofalle betätigt und nicht allzu kleinlich manche Protokolle macht, so daß mancher Verkehrsteilnehmer den Eindruck hat, daß ein Polizeimeister ein ProtokollSoll erzielen muß, wenn er als guter Polizeibeamter gelten will. Also die Schikaniererei, die zum Teil von der Polizei ausgeübt wird, indem z. B. auch Verbotsschilder aufgestellt werden, Parkverbotsschilder etwa, die zu gewissen Zeiten keine Berechtigung haben, die aber nun einmal vorhanden sind, und indem vielfach Protokolle gemacht werden, ohne daß man kennzeichnet, daß das betreffende Fahrzeug protokolliert wird, muß in unserem Verkehrsleben beseitigt werden.
Auch das Güterfernverkehrsgesetz, das zur Zeit im Ausschuß behandelt wird, soll der Ordnung der Straße dienen. Ich glaube, wenn beide Gesetze verabschiedet sind, werden wir einigermaßen Ordnung auf der Straße haben.
Meine Freunde begrüßen dieses Gesetz auf das herzlichste, und wir werden alles daran setzen, damit es im Ausschuß in Kürze verabschiedet wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welche Bedeutung die Zentrumsfraktion dem Problem der steigenden Unfallzahlen beimißt, ersehen Sie am deutlichsten daraus, daß wir selber unter Drucksache Nr. 1461 schon am 13. Oktober 1950 einen Antrag vorgelegt haben, der sich damit befaßt. Den Unfallzahlen unserer Unfallstatistik kann man aber nicht dadurch beikommen, daß man nun eine Vorlage macht, die so stark strafrechtlich akzentuiert ist. Wenn man der Statistik nämlich auf den Grund gehen will, muß man sich überlegen, wie denn die zahlreichen Unfälle zustande kommen. Da stellt man zunächst fest, daß ganz allgemein und in aller Welt, nicht bloß bei uns, bei mittlerer Verkehrsfrequenz die größten Unfallzahlen vorliegen. Daraus kann man ersehen, daß das nicht ein besonderes Verschulden gerade der deutschen Autofahrer ist. Wenn die Verkehrsfrequenz gering ist, also beispielsweise bei wenig Autos und auf Landstraßen von wenig Verkehr, ereignen sich prozentual wenig Unfälle. Wenn die Verkehrsdichte sehr groß ist, wie in Großstädten mit sehr engem Verkehr, dann sind die Fahrzeuge so zum Langsamfahren gezwungen, daß die relative Zahl der Verkehrsunfälle auch da wieder geringer wird. Gerade unter den Verhältnissen, unter denen wir jetzt leben — also in einer mittleren Verkehrsdichte —, ist es ganz natürlich, daß die Zahl der Verkehrsunfälle größer ist als anderswo. Bei uns kommt hinzu, daß wir jetzt in zunehmendem Maße in diesen Verkehr hineinwachsen, daß also mit der entsprechenden Zahl der neu zugelassenen Fahrzeuge auch eine größere Zahl von neuen Kraftfahrern ans Steuer kommt. Diese bringen geringere Erfahrungen mit und gefährden demgemäß mehr als die erfahrenen Fahrer sich selber und andere Verkehrsteilnehmer, seien es Kraftfahrer, Radfahrer oder Fußgänger. Darin liegt aber nicht ohne weiteres eine besondere Nachlässigkeit der deutschen Verkehrsteilnehmer, der man nur durch besondere strafrechtliche Drohungen beikommen könnte. Das wird sich ganz von selber bessern, wenn die Verkehrszahlen einigermaßen stabil werden und wenn der Zustrom von neuen Kraftfahrern nicht mehr so groß ist wie bisher.
Aber an jedem Verkehrsunfall sind nicht bloß Fahrzeuge, sondern auch andere Personen und sachliche Umstände beteiligt. Man müßte nach unserer Ansicht auf diese Dinge mehr Wert legen als bloß auf die Verkehrsteilnehmer. Man darf nicht glauben, daß nur durch Strafandrohungen gegenüber den Verkehrsteilnehmern dem Unheil abgeholfen werden kann. Ich erinnere beispielsweise daran — Herr Abgeordneter Günther, der vor mir das Wort hatte, sprach davon —, daß in zunehmendem Maße Eisenbahnunfälle durch Kraftfahrzeuge verursacht werden. Man sehe sich einmal an, wie die unbeschrankten Bahnübergänge auf Straßenniveau denn wirklich aussehen! Man findet kaum
einen Bahnübergang, der es gestattet, vom Wagen aus eine Übersicht nach rechts und links zu haben. Man muß also praktisch unmittelbar vor den Schienen anhalten, muß aussteigen und wieder einsteigen, und dann kommt, weil drüben eine Kurve ist, der Zug inzwischen heran. Ich habe selber in Unfallsachen verteidigt, bei denen die Bahn beteiligt war, wo nicht wegen zu schnellen, sondern zu langsamen Fahrens Unfälle vorgekommen sind, weil sich die Ecken nicht übersehen ließen. Man müßte ein Einsichtdreieck von etwa 150 Metern nach jeder Seite hin offen haben, wenn man einen unbeschrankten Bahnübergang überquert. Das ist praktisch nirgendwo der Fall.
Man darf nun nicht überall, wo ein Unfall passiert, an dem ein Kraftfahrer beteiligt ist, dem Kraftfahrer die Schuld geben; ebensowenig wie es richtig wäre, dem Radfahrer oder Fußgänger die Schuld an einem Unfall zu geben, an dem er beteiligt ist.
Übrigens können schon jetzt schwere Strafen verhängt werden. Es besteht nicht die Notwendigkeit, in dem Gesetz, das vorgelegt worden ist, den Akzent in diesem Maße auf die strafrechtliche Seite zu legen, wie das hier geschieht. Es ist sehr viel wichtiger — was von dem Herrn Verkehrsminister nur nebenbei erwähnt wurde —, daß man andere Faktoren berücksichtigt. Da ist insbesondere der Zustand der Fahrzeuge. Es ist z. B. gar nicht einzusehen, weswegen die Vorschrift nicht längst wieder in Kraft gesetzt worden ist, wonach die Radfahrer hinten ein selbstleuchtendes Schlußlicht haben müssen. Man hatte es während des Krieges abgeschafft; aber wenn es da wäre, würden sehr viele Gefahren vermieden werden, da man gerade auf verschmutzten Straßen bei Regenwetter oder Nebel die Rückstrahler gar nicht in Aktion sieht. Man kann sie gar nicht bemerken; sie sind verdreckt oder oft gar nicht vorhanden.
Es wäre außerdem sehr wichtig, daß man endlich die Straßen abschafft, die immer noch das glatte, außerordentlich rutschgefährliche Basaltpflaster haben und die außerdem gewölbt sind. Man muß sich überlegen, was das für Sorgfaltsanforderungen an den Kraftfahrer stellt. Da kommt ein Lastzug mit zwei Anhängern über eine in Schlangenlinie gewundene Straße. Es ist kaum Platz für zwei Fahrzeuge nebeneinander, dazu eine rundgewölbte, glatte Straßendecke. Dann soll der Mann rechts fahren! Fährt er rechts, dann rutscht er mit Sicherheit gegen die Bäume und in den Graben; fährt er nicht rechts, wo soll dann der entgegenkommende Fahrer bleiben? Ich habe selber oft solche Beschwerden gehabt, die sich daraus ergeben, daß einem auf solchen gewundenen Straßen, oft in der Nacht, die Wagen entgegenkommen.. Es bleibt praktisch nichts anderes übrig, als daß man hinter die Bäume fährt und die Ungetüme vorbeifahren läßt. Wenn Unfälle vorkommen, mag es richtig sein, daß die Fahrer schuld haben; schuld haben aber auch die Behörden, die die Straßen nicht in Ordnung bringen und die Straßen mit demselben ungeeigneten runden Rutschpflaster wiederherstellen. Diesen Dingen müssen wir in ganz anderem Maße, als es bisher geschehen ist, unsere Aufmerksamkeit schenken. Wir vergleichen unsere Statistik mit den Statistiken anderer Länder, vergleichen aber nicht den Zustand unserer Straßen und den Zustand unserer Fahrzeuge mit den Zuständen in anderen Ländern.
In unserem Antrag Nr. 1461, den ich bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes mit zu berücksichti-
gen bitte, haben wir deswegen verlangt, daß die Zahl von Anhängern nicht nur beschränkt, sondern ihre Zulässigkeit überhaupt abgebaut wird. Die Anhänger lassen sich sehr wohl durch die sogenannten Sattelschlepper ersetzen, die sehr viel fester und besser zu dirigieren und für den Straßenverkehr ungefährlicher sind. Man kann das nicht von heute auf morgen machen — das leuchtet durchaus ein —; aber es besteht die Möglichkeit, durch Festlegung von Fristen für den dritten, für den zweiten und den ersten Anhänger in zunehmendem Maße die Anhänger abzubauen und vorläufig den Neubau von solchen Anhängern zu verbieten.
Weiterhin sollte man, damit sich gegenüber dem Lärm dieser großen Fahrzeuge ein anderer Verkehrsteilnehmer überhaupt bemerkbar machen kann, Mikrophone einbauen, damit die überholenden Fahrzeuge gehört werden können.
Man sollte ebenfalls dafür sorgen, daß zur Vornahme von Reparaturen Platz zum Parken an den Straßen geschaffen wird. Eine Parknotwendigkeit besteht besonders dann, wenn ein Fahrzeug irgendwo zum Halten gezwungen ist, weil es eine kleine Panne hat. Gerade solche Fahrzeuge, die dort liegen, brauchen längere Zeit für die Reparatur und gefährden in ganz besonderem Maße die Sicherheit des Verkehrs. Die Unfälle, die ich beobachtet habe
— namentlich auf der Autobahn —, waren in der Mehrzahl dadurch hervorgerufen, daß in Bewegung befindliche Fahrzeuge auf parkende Fahrzeuge aufgefahren sind.
— Sie bestätigen mir das, Herr Kollege, es ist sicherlich so. Man mag recht damit haben, wenn man sagt, daß auch den Fahrer ein Verschulden trifft — er ist entweder eingeschlafen oder er hat Alkohol getrunken; das ist alles richtig —, aber trotzdem wäre der Unfall nicht passiert, wenn man rechtzeitig oder auf rechte Art und Weise vorgesorgt hätte, daß Platz auf der Straße ist.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich habe bei dieser Gelegenheit nur dem Grunde nach darauf hinweisen können, daß man nicht in übertriebener Weise nur das Verschulden der Verkehrsteilnehmer sehen darf, sondern daß man die Verhältnisse bessern muß. Es ist mir wegen des Ablaufs der Redezeit nicht möglich, Näheres auszuführen und Einzelheiten darzulegen.
Herr Präsident, es sei mir nur noch ein Wort gestattet. Ich wende mich dagegen, daß man dem Strafrichter Verwaltungsbefugnisse zuweisen will. Er mag bestrafen! Wenn er unter dem Gesichtspunkt der Strafe den Führerschein entziehen will, möge man ihm die Möglichkeit geben. Wenn es aber im Gesetz ausdrücklich heißt, er solle das in der Absicht tun, präventiv zu wirken, also wie eine Verwaltungsbehörde dafür zu sorgen, daß dieser Mann nicht mehr im Verkehr gefährdend auftreten kann, so weist man damit dem Strafrichter einen Interessenkreis zur Betreuung zu, der einer Verwaltungsbehörde zukommt. Diese Verquickung von Verwaltungsinteressen und strafrechtlichen Gesichtspunkten halte ich nicht für richtig, nicht für zulässig und nicht für wünschenswert. Das geht gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Man muß das trennen. Deswegen wenden wir uns auch gegen diese Bestimmung.
Im übrigen möchte ich empfehlen, mehr Radfahrwege anzulegen, damit im Interesse sowohl
der Radfahrer als auch der Kraftfahrer die besondere Gefährdung, die sich aus der Labilität der Radfahrer und der schlechten Beschaffenheit der Straßen ergibt, beseitigt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Valentin Baur.
Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion begrüßt diesen Gesetzentwurf, weil sie der Überzeugung ist, daß der Staat im Verkehr eine Ordnung zu schaffen hat, die dem Bürger auf allen Verkehrswegen jene Sicherheit gewährleistet, die er vom Staat fordern kann. Der jüngste Bericht des Bundesamts für Statistik in Wiesbaden hat vor einigen Tagen festgestellt, daß die Zahl der Unfälle im zweiten Vierteljahr 1951 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 68% gestiegen ist. Das ist eine so schreckliche Steigerung, daß man sich wirklich fragen muß, was alles zu tun ist, um gegen den Wahnwitz der Raserei einen wirksamen Damm aufzurichten. Nach meiner Meinung sind diese Verhältnisse in erster Linie darauf zurückzuführen, daß unzählige Kraftfahrer keinen Maßstab dafür haben, mit welcher Geschwindigkeit sie sich in ihrem eigenen Interesse wie auch im Interesse ihrer Mitbürger zu bewegen haben. Gestatten Sie mir, auch zu sagen, daß diese Verhältnisse auf eine nicht genügend scharfe Behandlung, d. h. Bestrafung der Verkehrsverbrecher in den Fällen der fahrlässigen Tötung zurückzuführen sind.
Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich dem Hause eine einzige Zeitungsnachricht zur Kenntnis bringen, die der „Münchner Merkur" vor zwei Tagen der Öffentlichkeit mitgeteilt hat unter der Schlagzeile „Schlaf nur ruhig weiter! — Blinder Motorradfahrer fährt auf parkendes Auto":
Der 17jährige Heinz Schnauber, der in einer Aprilnacht auf einer Hauptstraße Darmstadts im Soziussitz zusammen mit einem blinden Motorradfahrer auf ein parkendes Auto aufgefahren war, wurde jetzt vom Darmstädter Jugendrichter zu vier Monaten Jugendarrest verurteilt. Schnauber sollte vom Soziussitz aus den blinden Jakob Schuchmann während der Fahrt an der Schulter führen, war aber infolge Alkoholgenusses eingeschlafen. Der Blinde hatte es auch bemerkt und sagte ihm: „Schlaf nur ruhig weiter, aber gib acht, daß du nicht herunterfällst. Ich halte den Fuß am Randstein des Bürgersteiges, und dann weiß ich schon den Weg." Der blinde Schuchmann,
— und darauf kommt es mir an, Ihnen das zur
Kenntnis zu bringen —
der wegen Fahrens ohne Führerschein bereits
15mal vorbestraft ist, erhielt im schriftlichen
Verfahren eine Geldbuße von 50 DM auferlegt. Ich glaube, Sie sind mit mir der Meinung, daß eine solche Bestrafung den Täter nicht hindern wird, sein Vergehen zu wiederholen, da ihn der Verkehr, d. h. in diesem Falle die Raserei, reizt.
Der vorliegende Gesetzentwurf versucht mit ausgesprochen polizeilichen Maßnahmen der Unfallbekämpfung einen Dienst zu leisten. Wir sind der Auffassung, daß bei einer exakten Durchführung dieses Gesetzes die Zahl der Unfälle sich zweifelsohne wesentlich verringern wird, weil der größte Teil der Kraftfahrzeuglenker davon beeindruckt sein und diejenige Vorsicht an den Tag legen wird, die im Interesse aller notwendig ist.
Meines Erachtens sind dabei aber auch noch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zunächst möchte ich noch auf einige besondere Übelstände aufmerksam machen, die nach meiner Ansicht ganz besonders gekennzeichnet werden müssen. Ein solcher Übelstand ist das Abblenden der Fahrzeuge auf der Autobahn. Man behauptet sicherlich nicht zuviel, wenn man sagt, daß 500/o der Lastkraftwagen entweder gar nicht oder nur mit einer Lampe abblenden. Bei den kommenden Vorschriften ist sorgfältig darauf zu achten, daß diese Überkreuzschaltung unter allen Umständen verboten wird. Ferner müssen die Polizeikontrollen bei Nacht durchgeführt werden, damit sich die Polizei von der Einhaltung der Vorschriften überzeugen und die Übeltäter feststellen kann. Ich bin der Meinung, daß dieses Verhalten der Fahrzeuglenker im Vergleich zu den anderen Formen des Verschuldens als böswillig bezeichnet und auch verurteilt werden muß. Darüber hinaus bin ich sogar der Auffassung, daß ein solches Verhalten ohne vorherige Verwarnung bestraft werden muß;
denn nur eine solche Methode wird diese rücksichtslosen Fahrer so zur Vorsicht mahnen, wie es notwendig ist.
Auch die Radfahrer sind, wie schon mein Vorredner gesagt hat, auf den Landstraßen — also nicht auf der Autobahn — ein besonderes Übel. Sie sind meistens infolge Nichtvorhandenseins von Rückstrahlern oder stark verschmutzter Rückstrahler erst in der letzten Minute erkennbar, und es bedarf der größten Geschicklichkeit des Kraftfahrers, zu verhindern, daß die Radfahrer nicht
D überfahren oder zumindest gestreift werden. Doppelt groß ist die Gefahr, wenn andere Fahrzeuge entgegenkommen.
Aber für nicht minder wichtig halte ich es, daß auch den Fahrzeugen mit Tiergespannen, die die Landstraße oft noch des Nachts beleben, die Vorschrift auferlegt wird, beleuchtet zu sein; denn jetzt fahren sie in den meisten Fällen ohne Beleuchtung.
Abgesehen von den Gefahren, die allgemein geschildert worden sind, bin ich der Meinung, daß gleichzeitig auch der Lärm bekämpft werden sollte. Es muß den Fahrern zur Pflicht gemacht werden, entsprechende Schalldämpfer in die Fahrzeuge einzubauen, damit die Menschen besonders bei Nachtzeit sowie in den Städten und in den Ortschaften vor diesem Lärm bewahrt werden.
Ich betone noch einmal: Wir Sozialdemokraten sind überzeugt, daß diese Maßnahmen zu einer wesentlichen Besserung führen werden. Wir sind davon überzeugt, daß, wenn die rückfälligen Rowdys nicht besonders hart bestraft werden, kein Erfolg zu erzielen ist. Wir glauben aber ferner, daß mit diesem Gesetz und den darin vorgesehenen Maßnahmen keine optimale Sicherheit erreicht werden kann. Deshalb möchte ich auf die Gesichtspunkte aufmerksam machen, die meines Erachtens vordringlich zu berücksichtigen sind. Das ist ein großzügiger Ausbau von Durchgangs- und Umgehungsstraßen, das ist, wo immer Straßenlinien und Straßenkurven zu besonderen Unfallgefahren Anlaß geben, die rücksichtslose baldige Beseitigung dieser Gefahrenpunkte. Damit die Länder und der Bund instand gesetzt werden, diese Aufgabe, die nicht minder vordringlich ist als die Aufgabe des Bekämpfens der Raserei, zu erfüllen, muß sich, glaube ich, das Haus dafür entscheiden, daß die
Steuern, die von den Kraftwagen aufgebracht werden, zweckgebunden in erster Linie dem Ausbau und der Verbesserung unseres Straßennetzes zu dienen haben.
Nicht zuletzt möchte ich noch auf einen Übelstand aufmerksam machen. Es gibt immer noch Stadtverwaltungen, die ihre Straßenzüge nicht nach dem Gesichtspunkt der Sicherheit des Verkehrs und ihrer Mitbürger festlegen, sondern die ihre Straßenbilder nach den Grundsätzen des veralteten und überlebten Denkmalsschutzes alter Städte unter allen Umständen — auch wenn der größte Teil zerbombt ist — krampfhaft aufrechterhalten wollen. Die Sicherheit und die Gesundheit des Bürgers gehen über alle Städtebilder und Altertümer, ihnen ist deshalb unter allen Umständen der Vorzug zu geben. Alle Hilfsmittel technischer Art sind meines Erachtens zu fördern, wo immer das möglich ist, so insbesondere Straßensignale und Bodenmarkierungen, die in vielen Gebieten unserer Heimat immer noch ganz beträchtliche Mängel aufweisen.
Wenn ich mich an meine Ausbildung als Kraftfahrzeugführer erinnere, so habe ich den Eindruck, daß die Ausbildung und die Instruktion der Fahrschüler in den Fahrschulen, in denen eine Klasse oft 70 bis 80 und noch mehr Fahrschüler — wenigstens in der Zeit, als ich daran teilgenommen habe — umfaßte, äußerst unzureichend ist. Ich bin daher der Meinung, daß bei künftigen Vorbereitungen auf die Führerscheinprüfung in erster Linie darauf gedrängt werden muß — und das möchte ich dem Bundesverkehrsminister ganz besonders ans Herz legen —, daß diese Instruktionen wesentlich deutlicher und schärfer werden, und zwar insbesondere im Hinblick auf eine sorgfältige Unterrichtung über die Strafbestimmungen, die Verkehrsvorschriften usw. Es kann nicht genügen, daß man, wie ich damals festgestellt habe, nur eine einzige Bestimmung der Straßenverkehrsordnung kennen muß, um die Prüfung zu bestehen. Damals haben wir als Schüler alle diese einzige Bestimmung auswendig gelernt und hatten das sichere Gefühl, daß wir, wenn wir danach gefragt würden, sie auch entsprechend vorsagen könnten. Es ist meines Erachtens auch eine ungenügende Prüfung, wenn man hei 40 oder noch mehr Prüflingen — in meiner Klasse waren es 80 — jedem Prüfling nur eine einzige Frage stellt und annimmt, er beherrsche alle anderen Vorschriften, die für den Verkehr notwendig sind. Deshalb schlage ich vor und bitte den Herrn Bundesverkehrsminister, daran zu denken, daß in Zukunft den Fahrschülern in dem Augenblick, in dem sie den Führerschein bekommen, ein kurzer Leitfaden in die Hand gedrückt wird, damit sich nachher keiner damit herausreden kann, daß er diese Dinge nicht gekannt oder nicht gewußt habe.
Vor wenigen Tagen ist in München ein Mädchen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Vorsitzende des Gerichts hatte, richtig vermutend, die Fahrzeichen für die Verkehrslenkung usw. auf seinem Tisch liegen und fragte sie: Was belaue. dieses Zeichen, was bedautet jenes
Mädchen war von emer blendenden und konnte nicht in einem einzigen Fall erklären, was die Verkehrszeichen bedeuten. Das ist wiederum ein Beweis dafür, Herr Verkehrsminister, daß auf diesem Gebiet die Unterrichtung nicht nur der Kraftfahrer, sondern des gesamten Volkes eine umfassende sein muß. Ich möchte sagen: gut ist es, wenn in den Schulen regelmäßig Verkehrsunter-
richt gegeben wird und Kurzfilme und Kasperltheater — „Kasperl als Verkehrssünder" — usw. gezeigt werden. Das ist zweifellos zu begrüßen und wird auf lange Sicht dazu führen, daß unsere heranwachsende Jugend die Verkehrsregeln beherrscht und sich deshalb auch entsprechend benehmen kann.
Aber die große Masse der Menschen, die nicht durch diese Schulen gegangen sind, müssen durch andere Maßnahmen erfaßt werden. Und hier, denke ich, sollte sich das Bundesverkehrsministerium einmal Gedanken darüber machen, wie Kino und Rundfunk in Verbindung mit den Wochenschauen in ausgiebigster Form ausgenutzt werden können, um die Menschen alltäglich an den Orten, an denen sie millionenweise anzutreffen sind — im Gegensatz zu den meist sehr schwach besuchten Verkehrsausstellungen —, beeinflussen zu können. Wenn, wie in der Art der Wochenschauen, die Nachrichten über die Unfälle, über das Verhalten im Verkehr und die Ursache der Unfälle als aufklärende Kurzfilme und Kurzerklärungen den Menschen nahegebracht werden, wird man meines Erachtens die Menschen zweifelsohne so schulen, daß sie sich in der Großstadt in allen Augenblicken, in denen es notwendig ist, verkehrssicher verhalten können. Ich bin daher der Meinung, daß ein unaufhörliches Anhalten der großen Masse der erwachsenen Menschen zu einer guten Verkehrsschulung und guten Verkehrsdisziplin unerläßlich ist. Im Hinblick auf die riesigen Schäden, die der Herr Bundesminister für Verkehr auf rund 200 Millionen DM taxiert hat, sollte man sich überlegen, ob es nicht besonders im Interesse der Versicherungen gelegen ist, Mittel bereitzustellen, um in Verbindung mit dem Staat diese umfassende vorbeugende Verkehrsschulung zu fördern; denn auch hier gilt wie in der Gesundheitspflege: Vorbeugen ist besser als entschädigen.
In diesem Sinne wird also meine Fraktion an der Beratung dieses Gesetzentwurfs teilnehmen und wird gleichzeitig die notwendigen Anträge stellen. Ich beantrage — und bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen —, daß der Entwurf dem Ausschuß für Verkehr als federführendem Ausschuß überwiesen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verhandeln hier über einen typisch technischen Spezialgesetzentwurf, und ich glaube doch sagen zu dürfen, daß es mir im allgemeinen richtiger erschiene, wenn ein solcher Gesetzentwurf zunächst in den zuständigen Ausschüssen und erst dann im Plenum diskutiert würde.
Der bisherige Verlauf dieser Aussprache hat mich nicht davon überzeugen können, daß ich mit dieser Annahme im Unrecht bin. Es ist zwar vieles vorgebracht worden, dem ich ohne weiteres zustimmen kann; ich habe aber doch den Eindruck, daß wir die ganze Materie viel geschlossener und systematischer hätten erörtern können, wenn die Beratung im Ausschuß vorangegangen wäre und wir dann auf Grund eines Ausschußberichtes diskutiert hätten. Wahrscheinlich wäre es auch ohne weiteres möglich gewesen, sich darüber zu verständigen, wenn nicht zufällig gerade in dem Augenblick der Einbringung dieses Gesetzentwurfs bekannt ge-
worden wäre — der Herr Bundesverkehrsminister hat darauf hingewiesen —, daß eine Initiative, die er auf Grund einer Interpellation meiner Fraktion ergriffen hat, von seiten des Herrn amerikanischen Hochkommissars absolut negativ beantwortet worden ist. Ich möchte nicht versäumen, dem Herrn Minister dafür zu danken, daß er die Verhandlungen über diesen Gegenstand nicht als abgeschlossen betrachtet, und möchte ihn bitten, in den weiteren Verhandlungen mit aller Dringlichkeit darauf hinzuwirken, daß die Zuständigkeit für die Verkehrskontrollen auf den Straßen wieder unbeschränkt an die deutschen Behörden zurückgegeben wird.
Zu dem Gesetzentwurf und seiner Notwendigkeit ist meines Erachtens in der ersten Lesung nicht viel zu sagen. 15 Tote täglich bei Verkehrsunfällen! Der Herr Minister hat sogar von 21 gesprochen, so daß ich annehmen muß, daß die Zahl der tödlich verlaufenen Verkehrsunfälle sich seit der Abfassung dieser Begründung noch erhöht hat. Allein die Zahl dieser tödlich verlaufenen Verkehrsunfälle ist Begründung genug für den Versuch, durch ein derartiges Gesetz eine wesentliche Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr herbeizuführen.
Wir begrüßen es insbesondere, daß beabsichtigt ist, mit diesem Entwurf die bisherige Rechtszersplitterung auf diesem Gebiet zu beseitigen und die Zuständigkeiten des Bundesverkehrsministeriums so zu verstärken, daß mindestens der Zustand in der Zeit vor 1937 wiederhergestellt wird.
Wir halten es für außerordentlich erwünscht, daß man die Gefahr beseitigt, die aus der Länge der Lastzüge auf den Straßen erwächst. Jeder, der selbst Kraftfahrer ist, wird bestätigen, wie groß die Gefahren sind, die gerade durch lange Lastzüge verursacht werden. Ob die Frist für die Beseitigung der zweiten Anhänger nicht noch zu lang gewählt ist —wie manche meiner Freunde annehmen —, bedarf einer Erörterung im Ausschuß. Dazu müssen natürlich noch Sachverständige gehört werden.
Ich stimme zwar Herrn Kollegen Dr. Reismann darin zu, daß man die Sicherheit im Straßenverkehr nicht allein durch strafrechtliche Maßnahmen und Strafandrohungen erhöhen kann. Aber ich glaube doch — und stimme darin dem Herrn Bundesminister für Verkehr zu —, die Praxis in der Vergangenheit hat bewiesen, daß, da viele Verkehrsteilnehmer die erforderliche Disziplin nicht einzuhalten bereit sind, es nun doch einer verschärften Strafandrohung bedarf, um diesen Verstößen wirksam begegnen zu können.
Lassen Sie mich noch ein Wort sagen zu der Art der Durchführung der Kontrollen im Straßenverkehr. Auch ich glaube, daß es gar keinen Sinn hat, die Kontrollen wie bisher auf die Überprüfung der Fahrzeugpapiere des Führerscheins und auf die Einhaltung gewisser Geschwindigkeitsbegrenzungen zu beschränken. Geschwindigkeitsbegrenzungen für sich allein nützen meines Erachtens überhaupt nichts. Eine Geschwindigkeit von 40 oder 50 Kilometern kann bei einer bestimmten Verkehrssituation schon viel zu hoch sein, und es kann andere Situationen geben, in denen eine Geschwindigkeit von mehr als 100 Stundenkilometern völlig unbedenklich ist. Die schematische Festlegung von Höchstgeschwindigkeiten wird uns also in dieser Frage überhaupt nicht weiterhelfen.
Auch in dieser Frage stimme ich dem Herrn Bundesverkehrsminister völlig zu.
Meine Fraktion stimmt der Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Verkehr als federführenden Ausschuß zu und beantragt weiterhin die Überweisung an den Rechtsausschuß. Ich glaube, am Schluß noch die Bitte aussprechen zu dürfen, daß sich die Ausschüsse bei der Beratung dieser Vorlage außerordentlich beeilen; denn wir sind sicher übereinstimmend der Auffassung, daß dem Plenum in möglichst kurzer Zeit ein Bericht vorliegen muß, damit das Haus recht bald in zweiter und dritter Lesung das Gesetz verabschieden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Meine politischen Freunde waren der Meinung, daß ich besonders geeignet sei, zu diesem Gesetzentwurf zu sprechen, weil ich bedauerlicherweise in einige Verkehrsunfälle verwickelt war.
— Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Dieses Gesetz bringt eine ganze Reihe von Neuauflagen für den Kraftfahrzeugbesitzer und für den Kraftfahrer. Ich glaube aber, es wäre auch an der Zeit, daß der Gesetzgeber sich einmal fragt, ob er selbst alles getan hat, um die Unfälle auf den Landstraßen und auf den Autobahnen zu verhindern.
Auf der einen Seite wird von dem Kraftfahrzeug die Verkehrssicherheit verlangt, auf der anderen Seite muß ich aber feststellen, daß es eine ganze Reihe von wichtigen Verkehrsstraßen gibt, die nicht der Verkehrssicherheit entsprechen.
Damit wäre wohl für das Verkehrsministerium und den Haushalt des Bundes die Aufgabe gestellt, hier Ordnung zu schaffen.
Zum Schluß — ich habe noch eine Minute Zeit —möchte ich sagen, daß auch die Bundesregierung alle gesetzlichen Maßnahmen vermeiden müßte, die den Kraftverkehr zwingen könnten, von den verkehrssicheren Autobahnen auf verkehrsunsichere Landstraßen oder andere Verkehrswege überzugehen.
Das Wort hat Abgeordneter Decker.
Meine Damen und Herren! Ein Kraftfahrzeug ist keine Kuh
und darf infolgedessen auch nicht vom Finanzminister gemolken werden, bis nichts mehr übrigbleibt.
Es ist eine für die Verkehrssicherheit entscheidende Frage, wie sich die Steuerpolitik im Kraftfahrzeugwesen gestaltet, denn davon hängt es ab, ob der Kraftfahrzeughalter überhaupt die Mittel hat, sein Kraftfahrzeug noch verkehrssicher zu gestalten und verkehrssicher zu halten.
Es wurden hier eine ganze Menge Wünsche und Punkte erläutert; wir haben aber gehört, daß ihre Erörterung eigentlich in den Ausschuß gehöre. Ich möchte mich deshalb auf ganz wenige beschränken,
Das Haus wird Ihnen danken.
Ich werde mich bestimmt daran halten, Herr Präsident.
Wir halten es für falsch, daß eine Untersuchungspflicht für die Lastfahrer über 50 Jahre eingeführt werden soll; denn gerade sie sind die zuverlässigsten. Nachdem diese Neuerung angekündigt wurde, habe ich mich bemüht, auf der Straße einmal zu beobachten, wer nun eigentlich die rücksichtslosen Lastfahrer sind, wie sie aussehen und wie alt sie sind. Ich habe festgestellt, daß es nicht die erfahrenen und besonnenen alten Fahrer sind, die rücksichtslos fahren und Unfälle verursachen, sondern gerade die jungen.
Weiter ist darauf hinzuweisen, daß die Straße kein Spielplatz ist. Wenn vor kurzem ein Richter in Bonn entschieden hat, die Kinder hätten ein Recht auf die Straße, so ist dem entgegenzusetzen: die Kinder haben ein Recht auf einen Spielplatz. Ich glaube, die Schaffung von Spielplätzen in den Städten würde sehr zur Verkehrssicherheit beitragen.
Kontrollen begrüßen wir durchaus. Wir halten die Zahl der Kontrollen für nicht ausreichend. Sie dürfen aber nicht schikanös durchgeführt werden.
Ich möchte noch auf etwas eingehen, was eben schon von einem der Redner angeführt worden ist, daß nämlich die Straßen der alten Städte, wie sie auf alten Stadtplänen erscheinen, ein Verkehrshindernis seien. Hat man doch bereits im 19. Jahrhundert festgestellt, daß, wenn irgendeine alte Postkutsche durch ein Stadttor nimmer hindurchgekommen ist, das Stadttor einschließlich der C Stadtmauer abgerissen werden müsse. Nein! Die alten Städtebilder sind nicht die Verkehrshindernisse, sie können erhalten bleiben. Umgehungsstraßen müssen geschaffen werden, denn der Durchgangsverkehr gehört überhaupt aus dem Stadtzentrum heraus.
Weiter möchte ich noch darauf hinweisen, daß es wichtig ist, strenge Disziplin auf den Straßen zu schaffen und zu erhalten, weil wir dann den Alliierten auch keinen Vorwand mehr geben, ihre Polizei auf den Landstraßen einzusetzen, die sich besser woanders betätigen würde, z. B. in den Städten, in denen man nachts überhaupt nicht mehr ungeschoren auf die Straße gehen kann.
Mit einem abschließenden Wort möchte ich noch anregen — denn letzten Endes nutzen alle Gesetze nichts, wenn nicht der Kraftfahrer selbst besonnen und sich seiner Pflichten bewußt ist —, den alten Gruß unserer bayerischen Bergbauern für die Kraftfahrer einzuführen: Zeit lassen!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die erste Beratung ist geschlossen.
Es wurde der Antrag gestellt, die Vorlage an den Ausschuß für Verkehr als federführenden Ausschuß und dazu an den Ausschuß für Rechtswesen zu verweisen. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch. Es ist so' beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-
schusses für Verkehrswesen über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn (Nrn. 2672, 2159 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Rümmele als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im April dieses Jahres haben der Herr Abgeordnete Jahn und seine Fraktion den Antrag eingebracht: „Der Sitz der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn bleibt Offenbach am Main".
Der Verkehrsausschuß hat sich mit diesem Antrag befaßt. Inzwischen sind einige Monate ins Land gegangen. Es hat sich herausgestellt, daß die Übersiedlungspläne der Hauptverwaltung der Bundesbahn zurückgestellt worden sind und daß heute nicht mehr die Rede davon ist, die Hauptverwaltung in den Raum Köln oder in den Raum Bonn zu verlegen.
Aus diesem Grunde hat der Verkehrsausschuß einstimmig beschlossen, dem Hause vorzuschlagen, den Antrag als erledigt zu erklären, weil der Gegenstand des Antrages weggefallen ist und die Pläne auf Übersiedlung nicht mehr bestehen. Der Verkehrsausschuß glaubt auch, dem Hause die Bitte unterbreiten zu dürfen, es möge zu diesem Antrage nicht gesprochen werden. Stimmen Sie also dem Antrage ebenso einmütig zu wie der Verkehrsausschuß, und zwar ohne Aussprache.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Verzichtet das Haus auf Aussprache? — Das ist der Fall.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme!
— Bei einigen Enthaltungen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ;
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einzelplan XXIII — Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung ;
b) Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ;
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Nr. 2600 der Drucksachen, Umdruck Nr. 315).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Wacker als Berichterstatter und danke ihm für den von ihm so sichtbar zum Ausdruck gebrachten Eifer, das Rednerpult zu besteigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem nun alle Einzelpläne beraten sind, schließt der Einzelplan XXIII wieder das Gesamtgebäude des sogenannten Überrollungshaushalts des Bundeshaushaltsplans 1951 ab. Er umfaßt die Steuereinnahmen des Bundes,
mit denen der Zuschußbedarf der übrigen Etats gedeckt wird, und eine Reihe von Ausgaben, die nicht einzelne Fachhaushalte, sondern die Gesamtheit der Bundesverwaltung betreffen. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß der Einzelplan XXIII die Aufgabe hat, den Ausgleich des Haushalts zu bringen. Der Ausgleich dieses Haushalts bot noch keine besonderen Schwierigkeiten, weil es sich j a im wesentlichen um einen Überrollungshaushalt handelte. Zwar sind auch hier gegenüber dem Vorjahr gewisse Mehrausgaben veranschlagt, z. B. die Mehrausgaben für Kriegsopfer auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes, für die verdrängten Beamten auf Grund des Art. 131 des Grundgesetzes und die Erhöhung der Sozialrenten. Die Deckung dieser Mehrausgaben erfolgt aber lediglich durch das konjunkturell bedingte Mehraufkommen der Bundessteuern auf Grund der bei Beginn des Rechnungsjahres, also am 1. April 1951, geltenden Sätze. Einnahmen aus neuen Steuerarten wie z. B. der Aufwandsteuer, der Gebühr für die Benutzung der Bundesautobahnen oder der Erhöhung der Sätze der Umsatzsteuer und der Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommen- und Körperschaftsteuer spielen hier noch keine Rolle. Diese Probleme werden uns erst bei der Beratung des Nachtragshaushalts beschäftigen.
Meine Damen und Herren! Nun lassen Sie mich etwas zu den Einnahmen des Haushaltseinzelplans XXIII sagen. Die den Bundeshaushalt tragenden Steuern sind veranschlagt: die Umsatzsteuer und Umsatzausgleichsteuer mit 5 600 Millionen DM, die Tabaksteuer mit 2 200 Millionen DM. In gewissen Abständen folgen dann die Zölle mit 900 Millionen DM, die Mineralölsteuer mit 575 Millionen DM, die Einnahmen aus dem Branntweinmonopol mit 475 Millionen DM, die Zuckersteuer mit 400 Millionen DM, die Kaffeesteuer mit 370 Millionen DM, die Beförderungssteuer mit 300 Millionen DM. Die Steuern sind sorgfältig unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Wirtschaftsentwicklung und des tatsächlichen Aufkommens im Jahre 1950 geschätzt worden.
Die Abgabe „Notopfer Berlin" ist mit 600 Millionen DM veranschlagt worden. Im Jahre 1950 war das „Notopfer Berlin" mit 395 Millionen DM veranschlagt. Die Mehreinnahme ergibt sich aus dem Gesetz zur Änderung des Notopfer-Gesetzes vom 23. Dezember 1950, das eine Erhöhung der Steuersätze vorsieht. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, sind die Einnahmen des Notopfers für die Finanzhilfe Berlin zu verwenden. Sie finden im Einzelplan XXIII unter „Finanzhilfe Berlin" den entsprechenden Ausgabeposten veranschlagt.
In Kap. 9 finden Sie einen Ansatz mit der Bezeichnung „Vorauszahlungen der Länder auf die Beitragsverpflichtung an den Bund" mit einem Betrage von 1 200 Millionen DM. Zu diesem Ansatz darf ich folgendes erklären. Im Jahre 1950 haben die Länder sogenannte Interessenquoten abgeführt. Die Interessenquoten bestanden in Hundert-Sätzen der von den Ländern im Auftrage des Bundes verwalteten Bundeshaushaltsmittel für Besatzungskosten und soziale Kriegsfolgelasten. Diese Regelung beruht auf § 2 des Ersten Überleitungsgesetzes und ist mit Ablauf des Rechnungsjahres 1950 weggefallen. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommen- und Körperschaftsteuer für den Bund im Rechnungsjahre 1951 leisten die Länder jetzt auf ihre durch dieses Gesetz in Höhe von 27 % des Aufkommens fest-
gelegten Beitragsverpflichtungen an den Bund Vorauszahlungen, und zwar auf Grund einer Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern einstweilen etwa in Höhe des vorjährigen InteressenquotenBetrages.
Wir finden außerdem unter den Einnahmen unter Kap. 5 Tit. 1, Bank- und Münzwesen, folgende Einnahmen: aus der Prägung der Bundesmünzen 380 Millionen DM. Diese Prägekosten, die bei den Ausgaben aufgebracht sind, werden auf 80 Millionen DM geschätzt, so daß sich der NettoMünzgewinn auf 300 Millionen DM beläuft. Im Vorjahr waren es 400 Millionen DM. Diese 300 Millionen DM dürfen nur zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus verwendet werden.
Tit. 2, Anteil des Bundes am Reingewinn der Bank deutscher Länder: 80 Millionen DM.
Meine Damen und Herren! Zuletzt darf ich Ihre Aufmerksamkeit hinsichtlich der Einnahmen auf die Ablieferung von Bahn und Post lenken. Im vorliegenden Hauptplan ist die Ablieferung der Deutschen Bundespost mit 150 Millionen DM und die der Deutschen Bundesbahn mit 50 Millionen DM veranschlagt. Mit den Ablieferungen der Post kann bestimmt gerechnet werden, während die Ablieferungen der Bahn wegen der bekannten Schwierigkeiten der Finanzlage der Bundesbahn von vornherein problematisch erschienen. Der Haushaltsausschuß hat dem Ansatz für die Bundesbahn seine Zustimmung auch für das Rechnungsjahr 1951 erteilt, weil bis zur Verabschiedung des Bundesbahngesetzes eine rechtliche Grundlage für die Leistung der Bundesbahn noch nicht vorliegt. Es ist aber bekanntgeworden, daß die Regierung beabsichtigt, im ersten Nachtragsplan den Ansatz von 50 Millionen DM für die Ablieferungen der Deutschen Bundesbahn zu streichen.
Und nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz zu den Ausgaben kommen. Die Ausgaben im ordentlichen Haushalt sind im wesentlichen überrollt. Sie finden hier wieder unter anderem die Ausgaben für Versorgungsbezüge in Höhe von 69,4 Millionen DM, Beihilfen in Notfällen an Beamte, Angestellte und Arbeiter in Höhe von 6,6 Millionen DM, ferner für zusätzliche Renten sowie Unterstützungen an ausgeschiedene Angestellte und Arbeiter und deren Hinterbliebene in Höhe von 160 000 DM, für Darlehen an Bundesangehörige zur Beschaffung von Hausrat in besonderen Fällen in Höhe von 4 Millionen DM und für Kosten der Münzprägung — wie ich vorhin bereits erwähnte — in Höhe von 80 Millionen DM.
Kurz möchte ich noch erwähnen, daß aus dem Ausgabenansatz von 200 000 DM für Kosten der Drucklegung des Haushaltsplans einschließlich des sonstigen Haushaltsmaterials nach dem Vorschlag des Haushaltsausschusses ohne Erhöhung des Ansatzes auch Kosten für die Unterrichtung der Bevölkerung über die Einnahmen und Ausgaben des Bundes getragen werden sollen. Der Haushaltsausschuß hielt es für erforderlich, die Haushaltsgestaltung und -bewirtschaftung in geeigneter Weise mehr als bisher zu popularisieren, z. B. durch geeignete Druckschriften, durch Rundfunk oder Film.
Neu ist unter den einmaligen Ausgaben die Einsetzung eines Fonds zur Sanierung von Notstandsgebieten in Höhe von 25 Millionen DM. Es ist bekannt, daß in einer breiten Randzone im Osten von Schleswig-Holstein bis hinunter nach Niederbayern flüchtlingsüberlastete, leistungsschwache Gebiete mit vorwiegend agrarischem Charakter und ferner an einigen Stellen der Westgrenze kriegsschadenbetroffene agrarische Rückstandsgebiete vorhanden sind. Zur nachhaltigen Beseitigung der Notstände in den betroffenen Gebieten soll der Bund Sondermittel bereitstellen, die in Form von Zinsbeihilfen, zinsverbilligten Krediten, verlorenen Zuschüssen und dergleichen an Gemeinden hergegeben werden sollen.
Auch im außerordentlichen Haushalt sind die Ausgaben zum Teil überrollt. Es sind einige neue Ausgaben unter Beteiligungen des Bundes eingestellt, insbesondere Darlehen an die A. G. für Berg- und Hüttenbetriebe im Notstandsgebiet Watenstedt-Salzgitter und an die Scholvensparung bei den persönlichen und sächlichen Verdes Haushaltsausschusses gefunden haben.
Eingehend hat sich der Ausschuß wieder mit den veranschlagten Ausgaben für den Neu- und Umbau von Dienstgebäuden in Bonn, die in Höhe von 9,7 Millionen DM vorgesehen waren, beschäftigt. Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen vor, die beantragte Ausgabe für den Neubau eines Dienstgebäudes für das Bundesministerium für Verkehr in Höhe von 2,5 Millionen DM zu streichen, weil im Zeitpunkt der Beratung dieses Einzelplans diese Veranschlagung noch nicht etatreif war. Bei der Vorlage des Nachtragshaushaltsplans wird die Frage dieses Neubaues erneut zu prüfen sein. Der Haushaltsausschuß schlägt lediglich vor, für die Herstellung eines Bauentwurfs 35 000 DM zu veranschlagen.
Und nun, meine Damen und Herren, komme ich zu den Abschlußzahlen des Gesamtplanes. Die Regierungsvorlage — Drucksache Nr. 2500 — schloß im ordentlichen Haushaltsplan mit 13 391 666 900 DM ab, im außerordentlichen Haushaltsplan mit 1 571 482 500 DM, zusammen mit 14 963 149 400 DM. In diesem Zusammenhang dürfte der Voranschlag von 1950 interessieren. Es waren im letzten Jahr angesetzt: im ordentlichen Haushaltsplan 12 457 Millionen DM, im außerordentlichen Haushaltsplan 3813 Millionen DM, zusammen 16 270 Millionen DM. Nach dem Abänderungsantrag des Haushaltsausschusses — Drucksache Nr. 2600 — schließt der Haushaltsplan nunmehr im ordentlichen Haushaltsplan mit 13 791 667 200 DM ab, im außerordentlichen Haushaltsplan mit 1 568 767 500 DM, insgesamt mit 15 360 434 700 DM.
Die Erhöhung der Ausgabe im ordentlichen Haushalt beruht im wesentlichen darauf, daß der Haushaltsausschuß vorgeschlagen hat, den 1950 mit 524,9 Millionen DM eingestellten Betrag für Subventionen auf den vorliegenden Hauptplan 1951 zu überrollen und wiederum einzusetzen. Ich bitte, hier Drucksache Nr. 2611 zu vergleichen. Das Hohe Haus hat diesem Vorschlag bei der Beratung des Einzelplans X — Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — auch zugestimmt. Als Deckungsmittel für diesen Betrag von 524,9 Millionen DM konnte das Aufkommen der Umsatzsteuer um 200 Millionen DM, das der Zölle um 100 Millionen DM, der Tabaksteuer um 100 Millionen DM, zusammen um 400 Millionen DM höher als in der ursprünglichen Regierungsvorlage veranschlagt werden. Außerdem mußte eine Einsparung bei den persönlichen und sächlichen Verwaltungsausgaben sowie den allgemeinen Haushaltsausgaben als Globalabstrich in Höhe von 124,9 Millionen DM erfolgen. Damit ist der Betrag von 524,9 Millionen DM gedeckt.
Der Haushaltsausschuß hat den vorliegenden Einzelplan XXIII mit den aus meinem Bericht ersichtlichen Änderungen gebilligt und schlägt dem Hohen Hause die Annahme vor.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich schlage vor, daß wir alsbald auch den Bericht zu Punkt 4 b der Tagesordnung entgegennehmen.
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berichterstattung über das Haushaltsgesetz selbst kann sehr kurz sein. Der Herr Kollege Wacker hat bereits auf die Veränderungen hingewiesen, die sich auf Grund der Beratungen des Haushaltsausschusses an den im Gesetz selber enthaltenen ziffernmäßigen Angaben betreffend den Bundeshaushalt ergeben haben. Der § 1 ist gegenüber der Vorlage der Regierung nur insoweit geändert worden, als tatsächliche Veränderungen der Haushaltsansätze durch die Beschlüsse des Haushaltsausschusses eingetreten sind.
Eine weitere Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf hat sich in § 14 ergeben. Hier hat sich der Ansatz gegenüber dem Regierungsentwurf um 3 Millionen DM ermäßigt. Das ist die Folge der Reduzierung einer Haushaltsanforderung für Verwaltungsbauten in Bonn um 3 Millionen DM. Es handelt sich um den geplanten Bau für das Verkehrsministerium, der in diesem Haushalt nicht vorgesehen ist.
Sonst ist zu dem Haushaltsgesetz selber nichts zu sagen. Der Haushaltsausschuß schlägt dem Hohen Hause vor, den Gesetzentwurf mit den vorgeschlagenen Änderungen entsprechend der Ausschußvorlage sowie die Anlage zum Haushaltsgesetz 1951, die im Gesamtplan enthalten ist, anzunehmen und zu beschließen, daß bei den sächlichen Verwaltungsausgaben der Einzelpläne der Tit. 14 die in Drucksache Nr. 2600 enthaltene Fassung erhält: „Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren sowie Kosten für private Fernsprechanlagen". Diese Änderung ist lediglich redaktioneller Natur. Hier ist ein Überbleibsel aus früheren Haushalten beseitigt worden, das einen falschen optischen Eindruck erwecken könnte. Ich bitte Sie also, entsprechend den Vorschlägen des Haushaltsausschusses zu verfahren.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich schlage Ihnen vor, zunächst die Drucksache Nr. 2617 zur Aussprache zu stellen und zu dem Punkt 4 b erst nach der Abstimmung über die Drucksache Nr. 2617 Stellung zu nehmen.
Hierzu liegen Abänderungsanträge vor, die Sie in Umdruck Nr. 316 Ziffer II und in Umdruck Nr. 317 finden. Es handelt sich um Abänderungsanträge der FDP. Wer begründet die Anträge der FDP? — Herr Abgeordneter Preusker, sind Sie von Ihrer Fraktion benannt, um die Anträge auf Umdruck Nr. 316 Ziffer II und auf Umdruck Nr. 317 zu begründen, — oder verzichtet Ihre Fraktion auf die Begründung der Anträge? Ich stelle anheim! — Auf die Begründung der Anträge auf Umdruck Nr. 316 Ziffer II und auf Umdruck Nr. 317 wird verzichtet.
Liegen weitere Wortmeldungen in der zweiten Beratung vor?
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Auf der Tagung der Sparkassenverbände glaubte der Herr Finanzminister sich dahin äußern zu können, daß er seine ganze Politik darauf abstelle, die Kaufkraft der Mark zu erhalten. Ich möchte diese seine Behauptung einer näheren Überprüfung unterziehen. Ich werde beweisen, daß die Taten des Herrn Finanzministers das Gegenteil von dem sind, was er in Worten ausgesprochen hat.
Herr Abgeordneter Müller, wir sind in der zweiten Beratung. Da werden keine allgemeinen Ausführungen gemacht; das geschieht in der dritten Beratung.
Dann erteile ich das Wort dem Herrn Bundesfinanzminister zu dem Antrag auf Umdruck Nr. 317.
Ich darf nur kurz zu dem Antrag auf Umdruck Nr. 317 Stellung nehmen. Ich halte den Antrag auf Umdruck Nr. 317 für undurchführbar. Es handelt sich hier um die Einnahmen aus der früheren sogenannten Reichsfluchtsteuer. Dieses Gesetz besteht noch, auch fließen die gesetzlichen Einnahmen. Diese haben im letzten Vierteljahr 74 000 DM betragen. Es ist unmöglich, daß der Bundesfinanzminister eine gesetzliche Einnahme verweigert. Der Antrag wäre also gesetzlich nicht vollziehbar.
Daneben darf ich bemerken, daß auch der Antrag, dafür den Posten Zolleinnahmen um 300 000 DM zu erhöhen, gegenstandslos ist. Wir haben in dem ordentlichen Haushalt mit einer Einnahme von 800 Millionen DM gerechnet. Im ersten Halbjahr sind lediglich rund 300 Millionen DM an Zöllen aufgekommen. Nach dem Bild, das sich heute ergibt, ist es ganz ausgeschlossen, daß der im Überrollungshaushalt und im ersten Nachtragshaushalt vorgesehene Betrag an Zolleinnahmen erreicht werden wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen.
Ich lasse zunächst über den Antrag auf Umdruck Nr. 316 Ziffer II abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Sie müssen entweder zustimmen oder ablehnen oder sich enthalten.
Eine dieser drei Leistungen müssen Sie schon vollbringen.
Ich wiederhole die Abstimmung. Wer für die Annahme von Umdruck Nr. 316 Ziffer II ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit. Abgelehnt.
Nun lasse ich über den Umdruck Nr. 317 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich in zweiter Beratung über die Drucksache Nr. 2617 abstimmen, die der unveränderte Ausschußvorschlag ist. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
.
Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. In zweiter Beratung angenommen.
Nunmehr stimmen wir ab zu Punkt 4 b.
— Herr Abgeordneter Bausch, wollen Sie sich zum Wort melden?
— Zur Abstimmung oder zur Geschäftsordnung?
— Ich verstand Ihr Murmeln so, als hätte ich mich irgendwie falsch verhalten.
— Ich bedanke mich.
Wir sind in der zweiten Beratung, und da muß ich paragraphenweise aufrufen. — Sie kommen bei § 14 dran.
— Ja, zu § 14. Zunächst fange ich aber mit § 1 an.
Ich rufe auf § 1. — Wortmeldungen liegen nicht vor. §§ 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — B. Wer für die Annahme dieser Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Diese Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 9 liegt ein Abänderungsantrag der FDP auf Umdruck Nr. 316 Ziffer I vor. Wird auch hier auf Begründung verzichtet?
— Ich stelle fest, daß auf Begründung verzichtet wird. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Abänderungsantrags auf Umdruck Nr. 316 Ziffer I ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann lasse ich über den § 9 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Die Bestimmung ist angenommen.
§§ 10, — 11, — 12, — 13. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Die Bestimmungen sind angenommen.
Nun, Herr Abgeordneter Bausch, haben Sie das Wort zur Begründung des Abänderungsantrages zu § 14.
Meine Damen und Herren! Ich möchte ein Wort zur Begründung des auf Umdruck Nr. 315 vorliegenden Abänderungsantrages zu § 14 des Gesetzes sagen. In diesem § 14 ist vorgesehen, daß der Bundesminister der Finanzen ermächtigt wird, die zur Deckung der Ausgaben des außerordentlichen Haushalts ausgegebenen Schuldurkunden mit Prämien auszustatten. Insofern solche mit Prämien ausgestattete Schuldurkunden über kleine Nennbeträge lauten, wie z. B. die zur Zeit begebenen Schatzanweisungen 1951, müssen sie leicht übertragbar sein. Für die Prämienschatzanweisungen 1950 ist das dadurch erreicht worden, daß nach § 3 des Anleihegesetzes von 1950 das Aufgebotsverfahren nach § 799 des BGB ausgeschlossen ist. Für die auf Grund des Haushaltsgesetzes 1951 zu begebenden Prämienschatzanweisungen ist eine solche Bestimmung bisher nicht vorgesehen. Sie erscheint aber notwendig. Um diese Bestimmung in das Gesetz einzufügen, ist der vorliegende Antrag gestellt worden. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hierzu wird nicht gewünscht. Dann lasse ich abstimmen. Wer für die Annahme des Abänderungsantrages auf Umdruck Nr. 315 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das war die Mehrheit. Angenommen!
Nun lasse ich abstimmen über die §§ 14 mit der eben angenommenen Änderung, — 15, — 16, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Das erste war die Mehrheit. Die aufgerufenen Bestimmungen sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß nun nicht sofort Punkt 5, nämlich die dritte Beratung des Bundeshaushaltsplans, aufgerufen wird, sondern, daß wir eine Reihe anderer Punkte der Tagesordnung behandeln, damit vorher die Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung zum Bundeshaushaltsplan und der Ausschußbericht des Finanzausschusses betreffend Änderung des Umsatzsteuergesetzes noch verteilt werden können. Ich glaube, wir können dann damit unsere Ausführungen zur dritten Beratung des Bundeshaushaltsplans erheblich abkürzen. Ist das Haus einverstanden?
Wann kann ich etwa mit der Verteilung des Berichts rechnen?
— Danke schön!
Dann rufe ich auf Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung eines bundeseigenen Motorschiffes im Werte von über 250 000 DM .
Meine Damen und Herren, ist es notwendig, daß die Bundesregierung den Antrag mündlich begründet?
Ich glaube nicht, daß das notwendig ist. Die gedruckte Vorlage ist ja recht ausführlich. Der Ältestenrat schägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. — Das Haus verzichtet auf die Aussprache.
Ich stelle nunmehr die Drucksache Nr. 2684 zur Abstimmung. Wer in diesem Hause der Absicht der Bundesregierung, dieses bundeseigene Motorschiff zu veräußern, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen. Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Müller (Frankfurt) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 15. August 1951 (Nr. 2669 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Hoogen als Berichterstatter.
— Zum nächsten Punkt ist derselbe Abgeordnete als Berichterstatter vorgesehen. — Vielleicht er-
mächtigt mich das Haus, einige Augenblicke zuzuwarten. —
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoogen, und zwar zum ersten Teil, zum Fall Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Oskar Müller . Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Durch Erlaß des hessischen Innenministers vom 22. Mai 1951 wurde die „Sozialistische Volkszeitung" in Frankfurt auf die Dauer von 3 Monaten verboten, weil sie durch Ausführungen zur Frage der Volksbefragung und Remilitarisierung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet hatte. Zur Durchführung dieses Verbotes wurden die Räume, in denen die Zeitung hergestellt wurde, die Setzerei und die Druckerei verschlossen und versiegelt, und es wurde vor den Räumen ein Polizeidoppelposten aufgestellt.
Am nächsten Tage, dem 23. Mai 1951, erschien eine Gruppe von etwa 20 Personen unter Führung von Herrn Abgeordneten Oskar Müller und versuchte, sich Eingang in die Räume zu verschaffen. Es gelang den Polizeibeamten, diesen Versuch abzuwehren; aber Herr Abgeordneter Oskar Müller konnte noch die Siegel an der Tür entfernen. Am 25. Mai erschien dann der Abgeordnete Oskar Müller wiederum, diesmal als Anführer einer Gruppe von etwa 30 bis 40 Personen, zum größten Teil Angehörigen des Betriebes dieses Unternehmens. Bei dieser Gelegenheit gelang es der Gruppe — teilweise durch Manipulationen, indem man eine Person, die nicht näher ermittelt werden konnte, durch das Fenster in die Räume einsteigen ließ —, in die Räume einzudringen und dort, wenigstens versuchsweise, die Arbeit aufzunehmen. Das Überfallkommando hat dann in Durchführung des Verbotes des Herrn hessischen Innenministers die Menschenmenge wieder aus den Räumen entfernt.
Bei diesem Sachverhalt steht es außer Zweifel, daß jedenfalls der Abgeordnete Oskar Müller sich nicht nur des Siegelbruchs, sondern auch des Aufruhrs, des Landfriedensbruchs und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt schuldig gemacht hat.
Seine Einwendung, er habe auf diese Art und Weise das verletzte Recht wiederherstellen wollen, hat im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität keinen Widerhall gefunden. Denn es dürfte eindeutig sein, daß dieser Weg nicht der richtige war. Wenn man gegen solche Maßnahmen glaubte Einwendungen erheben zu müssen, wäre nach dem alten preußischen Polizeiverwaltungsgesetz der richtige Weg der der Beschwerde gewesen, und wenn die Beschwerde nicht zum Ziel geführt hätte, hätte der Weg der Klage im Verwaltungsstreitverfahren beschritten werden müssen.
Aus diesen Gründen ist der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität einstimmig zu der Meinung gekommen, Ihnen die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Oskar Müller vorschlagen zu sollen, d. h. Sie zu bitten, die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens wegen der von mir eben genannten Delikte zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, möchte aber doch an die gute Gewohnheit des Immunitätsausschusses erinnern, keine Feststellungen darüber zu treffen, ob sich jemand eines Vergehens schuldig gemacht hat oder nicht. Das festzustellen, ist nicht Sache des Ausschusses, auch nicht dieses Hauses, sondern wir haben lediglich festzustellen, ob der Antrag auf Aufhebung der Immunität und damit die Strafverfolgung gerechtfertigt ist oder nicht.
Was die Frage der Begrenzung der Redezeit betrifft, so schlage ich dem Hause vor, die Gesamtredezeit auf 40 Minuten zu begrenzen.
— Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei der diesem Antrag zugrunde liegenden Anklage des Bundesministers der Justiz handelt es sich darum, daß die widerrechtlich versiegelten Räume der Druckerei der „Sozialistischen Volkszeitung" von Herrn Abgeordneten Oskar Müller wieder geöffnet worden sind. Der Abgeordnete Müller hat damit nur seine Pflicht erfüllt,
die ihm nach Art. 147 der hessischen Verfassung geboten ist. Darin heißt es: „Widerstand gegen verfassungswidrig ausgeübte Gewalt ist Recht und Pflicht jedes Bürgers."
Die Räume der Druckerei wurden auf Grund des Verbotes der „Sozialistischen Volkszeitung" versiegelt. Dieses Verbot war das erste einer deutschen Behörde seit 1945 und traurigerweise eines Landes, das sozialdemokratisch regiert wird. Das Verbot aber widersprach nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch der hessischen Verfassung und insbesondere dem hessischen Pressegesetz.
Als daraufhin die Kommunistische Partei und der Verlag der Zeitung Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, zeigte sich die Rechts- und Verfassungswidrigkeit dieses Verbotes, zeigte sich, daß das Verbot nicht aufrechterhalten werden konnte. Es kam dazu, daß — als Exekutivhilfsdienst — die amerikanische Militärregierung einschritt und ihrerseits das Verbot erließ.
Damit war offenkundig gemacht, daß dieses von der hessischen Regierung erlassene Verbot keine Rechtsgrundlage hatte. Schon daraus geht hervor, wie rechtmäßig der Abgeordnete Müller gehandelt hat, als er die Siegel von der Druckerei entfernte und den verfassungsmäßigen Zustand wiederherstellte.
Ich bitte darum das Hohe Haus, den Antrag auf Aufhebung der Immunität abzulehnen. Ich stütze mich hierbei auch auf die Auffassung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, die dahin geht, daß alle Anträge auf Aufhebung der Immunität, mit Ausnahme derjenigen, die auf Beleidigung mit politischem Hintergrund zurückgehen, abgelehnt werden sollen. Diese Ausnahme trifft hier nicht zu. Ich möchte Sie daher bitten, dem Antrag nicht stattzugeben, weil Sie sonst wiederum Hilfsdienste für verfassungswidrige Handlungen der Polizeiorgane leisten.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte als Ausschußvorsitzender nur klarstellen, daß der Herr Berichterstatter, wie er mir eben versichert hat, hier nicht etwa ein Urteil des Ausschusses, sondern lediglich den Akteninhalt bekanntgeben wollte. Der Ausschuß vermeidet es selbstverständlich ängstlich, sich selbst ein Urteil über diesen Fragenkomplex zu bilden.
Die Beratung ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag auf Drucksache Nr. 2669 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen die Abgeordnete Frau Strohbach gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 27. August 1951 (Nr. 2670 der Drucksachen).
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Falle handelt
es sich um ein Verfahren gegen die Abgeordnete Frau Gertrud Strohbach von der Fraktion der Kommunistischen Partei. Ihr wird vorgeworfen, sich des Siegelbruchs schuldig gemacht zu haben. Durch Erlaß des Staatsministeriums des Landes Württemberg-Hohenzollern vom 2. Juli 1951 wurde die Freie Deutsche Jugend im Gebiet des Landes Württemberg-Hohenzollern aufgelöst und ihr jede Betätigung untersagt. Weiterhin hat das Innenministerium den Polizeibehörden die Anweisung erteilt, jede Betätigung der Freien Deutschen Jugend im Lande Württemberg-Hohenzollern zu unterbinden.
Auf Grund dieses Erlasses des Staatsministeriums und des Innenministeriums wurde am 5. Juli 1951 die FDJ-Schule in Hirsau durch die zuständige Polizeibehörde geschlossen und versiegelt. Am übernächsten Tage, am 7. Juli 1951, erschien die Bundestagsabgeordnete Frau Gertrud Strohbach in dieser Schule und entfernte die Siegel, teilte aber gleichzeitlich fernmündlich der zuständigen oberen Polizeidienststelle — ich glaube, dem Landespolizeikommissariat in Tübingen — mit, daß sie die Siegel dort entfernt habe, und gab dabei ihrer Meinung Ausdruck, daß das erforderlich gewesen sei, um das verletzte Recht wiederherzustellen.
Auch in diesem Falle ist es zweifellos nicht der richtige Weg gewesen; denn auch in diesem Falle sehen eben die Polizeiverwaltungsgesetze die Beschwerde und gegebenenfalls die Klage im Verwaltungsstreitverfahren vor. Bei diesem Sachverhalt schlägt Ihnen der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität vor, die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen die Bundestagsabgeordnete Frau Gertrud Strohbach wegen Siegelbruchs zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele. — Auch hier schlage ich dem Haus vor, die Redezeit auf 40 Minuten zu beschränken.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Hier in diesem Hause wird soviel von Erlassen und Verordnungen usw. geredet. Aber ich denke, Sie sollten sich doch einmal Gedanken darüber machen, daß diese Erlasse und Verordnungen durch eine Unzahl von Gerichtsurteilen inzwischen als verfassungswidrig hingestellt worden sind.
Auch in dem Antrag, der jetzt hier vorgetragen worden ist, geht es um eine verfassungswidrige Handlung von Polizeiorganen. Frau Strohbach hat lediglich die Siegel von den Räumen der KPD — nicht, wie der Berichterstatter feststellte, von einer Schule der FDJ — entfernt. Es waren Räume der KPD, die für Schulungszwecke benutzt worden sind. Von ihrer Handlung hat, wie der Berichterstatter schon sagte, Frau Strohbach sofort dem zuständigen Landeskommissariat Kenntnis gegeben, um damit auszudrücken, daß diese Handlung nur dazu diente, den verfassungsrechtlichen Zustand wieder herzustellen. Wie sehr das ihr Recht, ja auch hier wiederum ihre Pflicht war, möchte ich Ihnen an einer Rede des ehemaligen Ministerpräsidenten und heutigen Justizministers von Nordrhein-Westfalen, Herrn Dr. Amelunxen, aufzeigen. Am 6. November 1946 sprach der damalige Ministerpräsident Dr. Amelunxen zu den Studenten der Kölner Universität wie folgt:
Bei Ihrem Rechtsstudium werden Sie lernen, daß der Widerstand eine geheiligte Pflicht der Bürger ist und immer sein muß, wenn eine Regierung die verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte und Freiheiten mißachtet.
Und im Oktober 1946 stellte Dr. Amelunxen in einer Rede in Düsseldorf folgendes fest:
In der neuen französischen Verfassung befindet sich ein Paragraph, der höchste Beachtung verdient. Er besagt in prägnanter Kürze, daß der Widerstand in jeder Form eine geheiligte und gebieterische Pflicht jedes Bürgers ist, wenn eine Regierung die verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte und Freiheiten mißachtet.
Sehen Sie, meine Herren und Damen, das sind Gedanken, die Sie sich auch einmal machen sollten, wenn Sie dem vorliegenden Antrag nähertreten. Diese Ausführungen des heutigen Justizministers von Nordrhein-Westfalen sind einer Schrift entnommen, die 1946/47 erschienen ist. Vielleicht waren Sie damals auch noch einer solchen Auffassung. Sie sollten sich aber auch unter den heutigen Bedingungen diese Auffassung zu eigen machen. Die Tatsache, daß nach einigen Tagen die Räume der KPD wieder freigegeben werden mußten, als Verhandlungen dieserhalb begannen, zeigt, daß Frau Strohbach im Recht war und daß die Polizeiorgane verfassungs- und rechtswidrig gehandelt haben.
Ich bitte daher das Hohe Haus, auch diesem Antrag auf Aufhebung der Immunität nicht zuzustimmen, sondern ihn abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache Nr. 2670 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion und einige weitere Stimmen der Deutschen Partei angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Außerkraftsetzung des Strafrechtsänderungsgesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Begründung 10 Minuten, für die allgemeine Aussprache 40 Minuten festzusetzen. — Das Haus hat so beschlossen.
Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei erschien kürzlich ein Artikel eines Mannes, der sich in der Vergangenheit um die Wahrung von Rechtsgrundsätzen einige Verdienste erworben hat. Der Verfasser ist der frühere Generalsekretär der Deutschen Liga für Menschenrechte. In diesem Artikel wird das sogenannte Blitzgesetz eindeutig und klar abgelehnt. Es mutet etwas seltsam an, daß ein solcher Artikel im Organ derjenigen Partei erscheint, die hier am 11. Juli diesem Gesetz ihre Zustimmung gegeben hat. Nichtsdestoweniger möchte ich meinen Ausführungen einige interessante Hinweise aus diesem Artikel voranschicken. Der Verfasser erwähnt, daß in der Weimarer Zeit die Kurve der Landesverratsprozesse steil in die Höhe ging. Gegenüber 18 Landesverratsprozessen im Durchschnitt der Jahre 1882 bis 1891, 19 Prozessen im Jahre 1910 stieg die Anzahl der Landesverratsprozesse im Jahre 1921 auf 111, 1924 auf 516, 1925 auf 561 und schließlich in den Jahren 1927 und folgende auf Tausende Verfahren.
Was ergibt sich aus dieser Feststellung? Es ergibt sich, daß, je mehr die geheime Aufrüstung in der Zeit der Weimarer Republik anwuchs, je mehr die schwarze Reichswehr und andere geheime militaristische Machenschaften die Öffentlichkeit beunruhigten und je näher man dem Hitler-Regime kam, desto höher die Zahl der Landesverratsprozesse wurde. Allerdings wurden diese Prozesse nicht gegen die Schuldigen angestrengt, die Deutschland dem Hitler-Regime und dem Kriege entgegenführten, nicht geführt gegen die eigentlichen großen Spione fremder Mächte, sondern sie wurden geführt gegen die Freunde des Friedens, gegen die Feinde Hitlers, gegen die Feinde der offenen und geheimen Militarisierung. Wie das Ende dieser Entwicklung war, wissen Sie. Zu der Zeit, als schließlich der Gipfelpunkt der Kurve der Landesverratsprozesse gegen links erreicht war, ergriff Hitler die Macht.
Das Blitzgesetz des Jahres 1951 schafft ähnliche Tatbestände und hat ähnliche Funktionen zu erfüllen. Durch dieses Gesetz sollen diejenigen getroffen werden, die sich der Politik der Aufrüstung entgegenstellen, die sich der Auslieferung Westdeutschlands an die Kriegsverschwörung des Westens entgegenstellen, die sich der Politik der Ausplünderung unseres Volkes durch die reaktionäre Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik widersetzen, und insbesondere sollen diejenigen getroffen werden, die sich der Verewigung der Spaltung Deutschlands entgegenstellen. Ich möchte hier an den eigentlichen Kernpunkt des Gesetzes erinnern. Es heißt schließlich in einer ganzen Reihe von Paragraphen immer in der gleichen Weise, daß derjenige bestraft werden soll, der die Absicht hat, „den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen", d. h. es wird die Gesinnung bestraft, die Gesinnung derjenigen Menschen, die das Provisorium der Bundesrepublik, die gemäß Beschlüssen der westlichen Alliierten geschaffen wurde, ablösen wollen durch eine deutsche Republik, die dem Willen und dem freien Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen entspricht.
Hier soll aber bestraft werden, wer zu diesem Zweck die Zusammenarbeit mit Kräften außerhalb der Bundesrepublik, also mit Kräften in der Deutschen Demokratischen Republik, anstrebt. Ist es nicht grotesk, daß solche Bestimmungen gerade jetzt angewandt werden sollen, in einer Situation, in der immer breitere Massen die Diskussion darüber erfaßt, wie die Einheit Deutschlands wiederhergestellt, wie das Provisorium der Bundesrepublik überwunden werden kann? Ist es nicht grotesk, daß gerade jetzt mit Zuchthaus unter der diffamierenden Beschuldigung, Landesverrat begangen zu haben, bestraft werden soll, wer sich dagegen wehrt, daß das Provisorium der Bundesrepublik in eine endgültige Tatsache umgewandelt a wird, wer sich dagegen wehrt, daß die Einheit Deutschlands auf Jahrzehnte hinaus verhindert werden soll? Allein aus diesem Grunde muß jetzt und sofort dieses die Einheit Deutschlands verhindernde Gesetz außer Kraft gesetzt werden.
Es gibt in dem erwähnten Artikel noch einen zweiten Hinweis von Interesse. Es heißt dort, daß die Anwendung des Landesverratsparagraphen in einem Land, welches von einer ausländischen Macht besetzt gehalten oder kontrolliert wird, ein unlösbarer Widerspruch sei. Nun, an demselben Tag, an dem der Bundespräsident seine Unterschrift unter das Blitzgesetz setzte, erschien das Gesetz Nr. 62 der Alliierten Hohen Kommission, in dem ausdrücklich „Agenten und Mittelsmänner der Besatzungsmächte" von den Landesverratsbestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen werden.
Damit wurde zweierlei Recht geschaffen, damit wurde der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz gebrochen, und damit wurde das Blitzgesetz in seiner Gesamtheit zur Unhaltbarkeit verurteilt. Stellen Sie sich doch einmal die Situation vor, wenn jetzt diejenigen Herren, die sich vor kurzem — wie es heißt — des Dokumentendiebstahls in der Bundeskanzlei schuldig gemacht haben, vor Gericht gestellt werden! Die linke Hälfte dieser Herren, die die Dokumente an die Franzosen ausgegeben haben, bleibt straffrei; die rechte Hälfte, die die Dokumente an den Parteiapparat der SPD ausgeliefert hat, soll bestraft werden. Und stellte man sich vor, daß dieselben Herren etwa noch die gleichen Dokumente an Parteien der Deutschen Demokratischen Republik ausgeliefert hätten, dann
würde man erfahren, daß sie dafür mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft würden.
Als diese Doppelgesetzgebung damals bekannt wurde, erhob sich unter den großen Parteien dieses Hauses ein großes Geschrei. Die CDU erklärte ihr „äußerstes Befremden", und der Sprecher der SPD-Fraktion erklärte diese Maßnahme des Petersberges für einen „Todesstoß auf den demokratischen Gedanken". Aber ich stelle hier fest, daß diese Erklärungen an dem wirklichen Tatbestand vorübergehen. Denn man wußte in allen maßgeblichen Stellen von vornherein, daß die Besatzungsmächte für sich ein Ausnahmerecht geltend machen und es auch vom Bundesjustizministerium ausdrücklich bestätigt erhalten haben. Ich weise hier auf die Ausführungen des Herrn Generalstaatsanwalts Schafheutle hin, die er bei der Debatte über diese Frage im Rechtsausschuß am 27. Juni gemacht hat. Er hat damals ausdrücklich erklärt — ich möchte das hier wörtlich zitieren —: „Soweit die Besatzungsmächte nach dem Besatzungsstatut ein Recht hätten, sich über staatliche Angelegenheiten Aufklärung zu verschaffen, läge in der Weitergabe eines solchen Staatsgeheimnisses an eine solche Besatzungsmacht keine Verratshandlung; das werde durch die Einfügung des Wortes ,an einen Unbefugten' geklärt." — Somit also wird die Besatzungsmacht ausdrücklich als ein „Befugter" für den Empfang von Staatsgeheimnissen erklärt.
„Damit" — sagt Herr Schafheutle weiter — „würden die Besatzungsmächte gedeckt, soweit nach dem Besatzungsstatut oder einer späteren Regelung ein solches Recht bestehe."
Meine Damen und Herren, auch der Herr Bundesjustizminister hat erklärt, daß er dem Petersberg selbst Vorschläge gemacht habe, die alle Bedenken der Alliierten hätten entkräften sollen, ohne daß man sich durch eine solche offene Darstellung der Dinge vor aller Öffentlichkeit bloßstellen lassen müsse. In der Erklärung des Bundesjustizministeriums vom 2. September wird nicht gegen den Inhalt des Gesetzes der Hohen Kommission polemisiert, sondern es wird nur bedauert, daß der Petersberg in die Haltung der Bundesregierung so wenig Vertrauen habe. Die Bundesregierung hätte wiederholt in mündlichen und schriftlichen Vorstellungen zum Ausdruck gebracht, daß sie mit den Auffassungen der Alliierten Hohen Kommission völlig übereinstimme.
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— Ich komme zum Schluß! — Es ist klar, daß die Herren Dehler und Lehr einen solchen Zustand der Rechtsverwilderung, des Verfassungsbruchs, ein solches System des prinzipienlosen Hilfsdienstes für die Besatzungsmächte durchaus billigen.
Ihnen ist jedes Mittel recht und billig, wenn es darum geht, die Kräfte, die für den Frieden und für die Einheit Deutschlands kämpfen, zu beinträchtigen. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie doch hier von den Prinzipien einer rechtsstaatlichen Ordnung sprechen, von den Grundsätzen der Freiheit der Persönlichkeit, wenn Sie dafür eintreten, daß seitens der UNO eine Kommission eingesetzt werde, die die Voraussetzungen für freie Wahlen in ganz Deutschland prüfen solle, — hier, meine Damen und Herren, hier haben Sie Gelegenheit, auf dem Boden der Bundesrepublik zu beweisen, ob und wie Sie es ernst meinen mit den demokratischen Grundrechten, vor allem mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Wenn für Sie das Wort von der Freiheit des Menschen keine Phrase ist, dann müssen Sie heute gemäß dem Antrag meiner Fraktion die sofortige Außerkraftsetzung dieses Gesetzes beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Herr Abgeordnete Fisch hat ein falsches Manuskript aus dem Karlshorster Aktenschrank seiner Parteizentrale gezogen.
Denn das, was er uns hier vorgetragen hat, geht so an den Dingen vorbei, daß es sich eigentlich erübrigen sollte, dazu noch einiges zu sagen.
Wenn ich es trotzdem tue, so deswegen, weil meine Fraktion einen Änderungsantrag zu dem Antrag der KPD-Fraktion eingebracht hat.
Einiges vorweg, Herr Kollege Fisch! Ich bin zwar nicht befugt, den Herrn Bundesjustizminister und den Herrn Bundesminister des Innern wegen des Vorwurfs der Rechtsverwilderung und des Verfassungsbruchs irgendwie in Schutz zu nehmen; aber wenn Sie von Verwilderung der Rechtssitten und von Verfassungsbrüchen sprechen, dann, glaube ich, gibt es dafür kein besseres Gebiet in Europa als das Terrain der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik.
Da haben Sie wirklich das in extenso, was man unter Verwilderung von Rechtssitten und Verfassungsbruch versteht.
Ich glaube, Sie sollten sich hüten, von derartigen Dingen zu sprechen, die Sie doch in den Gebieten, in denen Sie herrschen, nichts weiter tun, als permanenten Landesverrat zu betreiben.
Sie sprechen von Ausplünderung unseres Volkes, wo es doch dem letzten Kind auf der ganzen Welt bekannt ist, daß das, was Sie in der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik betreiben, das beste Beispiel von Ausplünderung des deutschen Volkes und seiner Werte ist. Herr Kollege Fisch, Sie sprechen von Verewigung der Spaltung Deutschlands. Wer sind denn diejenigen, die das tun, was Sie uns hier dauernd wieder vorwerfen? Nur um das nicht unwidersprochen hinzunehmen, gehe ich darauf ein: doch Sie! Sie sprechen von Gesetzen, die die Einheit verhindern. Wo werden denn die die Einheit verhindernden Gesetze gemacht? Doch nicht hier in der Bundesrepublik!
Herr Kollege Fisch, mit solchen Ausführungen ist
vor allem das nicht zu begründen, was Sie wollen.
Wir haben niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß das Gesetz Nr. 62 nicht dem entspricht, was wir uns unter einer für alle geltenden Rechtsordnung vorstellen. Meine Damen und Herren, es ist geradezu grotesk, d aß der Antrag der Fraktion der Kommunistischen Partei darauf hinausläuft,
daß Besatzungsrecht deutsches Bundesrecht bricht! Die Fraktion der KPD wünscht nämlich nicht, daß das Gesetz Nr. 62 außer Kraft gesetzt wird, sondern daß es in Kraft bleiben soll, und daß die entsprechenden Bestimmungen unseres Strafrechtsänderungsgesetzes außer Kraft gesetzt werden sollen.
— Ja, so ist das, Herr Kollege Fisch!
Daß Sie natürlich Angst davor haben, mit den gesetzlichen Bestimmungen über den Landesverrat in Konflikt zu kommen, kann ich mir allerdings lebhaft vorstellen.
Das, was Sie über die Verhältnisse in der Weimarer Republik gesagt haben,
Herr Kollege Fisch, gibt Ihnen wahrscheinlich Veranlassung zu dieser Furcht.
Herr Kollege Fisch, Sie wissen ganz genau,
daß die Weimarer Republik anders ausgesehen hat, als Deutschland heute aussieht. Wir sind heute in Deutschland geteilt und haben nicht die Möglichkeit, auf dem Gebiet, auf dem wir hier tätig sind, das zu tun, was wir für richtig halten. Wir glauben aber nicht, daß der Weg, den Sie uns vorschlagen, der richtige ist.
Meine Fraktion schlägt vor, den Antrag auf Umdruck Nr. 344 anzunehmen, die Bundesregierung zu ersuchen, bei der Alliierten Hohen Kommission die Aufhebung des Gesetzes Nr. 62 zu erwirken, um damit vor dem Gesetz Gleichheit zu schaffen und eine gleichmäßige Anwendung des Strafrechtsänderungsgesetzes zu ermöglichen. Durch die Annahme dieses Antrages — die Kommunisten werden sich dem sicherlich nicht entziehen, Herr Kollege Fisch
— wird sich dann der von der Fraktion der KPD vorgelegte Antrag erledigen. Ich glaube, es ist der beste Weg, den wir gehen können, daß wir den Abänderungsantrag meiner Fraktion annehmen und es den Herren von der KPD überlassen, was Sie dann mit ihrem eigenen Antrag machen wollen.
Das Wort hat der Bundesjustizminister Dr. Dehler.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Leonhard hat heute in einem ganz anderen Zusammenhang vor der Allmacht der Bürokratie gewarnt.
Ich kenne die deutsche Bürokratie von innen her und habe viel Respekt vor ihr. Um so größer ist meine Sorge über die Bürokratie der Besatzungsmächte geworden. Ein Musterbeispiel dafür, meine Damen und Herren, ist das Gesetz Nr. 62 der Alliierten Hohen Kommission; und es lohnt sich, sich damit etwas abzugeben.
Man möchte fragen: Weiß Mister Truman, was hier vorgeht?
Sie wissen, es handelt sich um das Problem, wieweit die Weitergabe von Staatsgeheimnissen
an die Besatzungsmächte nach den Bestimmungen unseres Strafgesetzbuches, und zwar in der Form des Strafrechtsänderungsgesetzes, strafbar ist, das Sie, meine Damen und Herren, am 11. Juli dieses Jahres beschlossen haben und das alles andere ist
— das möchte ich doch noch einmal deutlich sagen
— als ein Blitzgesetz,
das ein Gesetz ist, das — das weiß auch der Herr Abgeordnete Fisch — in allen Einzelheiten reiflichst erwogen worden ist.
Das ist ein echtes Problem; denn es ist nicht unsere Schuld, aber es ist eine geschichtliche Tatsache, daß wir ein Besatzungsrecht haben, das dem deutschen Recht zum Teil noch überlagert ist, und daß es auf Grund dieses Besatzungsrechtes auch die Pflicht geben kann, den Besatzungsmächten Mitteilungen zu machen, daß also die Besatzungsmächte, so wie die Dinge jetzt liegen, auf Grund des Besatzungsstatuts noch die Möglichkeit haben, Deutsche zu Mitteilungen zu verpflichten. Es ist ein Problem, das wir von Anfang an erkannt und dem wir Rechnung zu tragen versucht haben.
Wir haben deshalb nicht die alte Bestimmung unseres Strafgesetzbuches aufgenommen, wonach jede Weitergabe eines Staatsgeheimnisses an eine" fremde Regierung strafbar war , sondern haben von vornherein anders formuliert, haben festgelegt, daß derjenige, der ein Staatsgeheimnis an einen andern, vor dem es geheimzuhalten ist,
gelangen läßt und der dadurch das Wohl dessen gefährdet, für den das Geheimnis zu wahren ist, wegen Landesverrates zu bestrafen ist.
Meine Damen und Herren, die Verhandlungen mit den Alliierten über diese Frage laufen seit dem Mai 1950. Ich erzähle Ihnen das gerne, damit Sie erfahren, was Leid und Freud eines Bundesministers in dieser Zeit ist.
— Sie sagen „Aha"! — Natürlich! Sie sind die wesentlich Schuldigen an der geschichtlichen Entwicklung,
die dazu geführt hat, daß wir unsere Freiheit verscherzt haben
und daß wir sie erst wieder mühsam zurückgewinnen müssen.
Schon im Mai 1950 fanden Besprechungen zwischen der Alliierten Hohen Kommission und meinem Ministerium zur Klärung dieser Frage statt. Ich habe der Alliierten Hohen Kommission in allen Einzelheiten dargelegt, daß ihren Interessen in jeder Hinsicht Rechnung getragen ist; aber sie hat auf die Vorkommnisse in der Zeit der Rheinlandbesetzung —in den zwanziger Jahren —, die zu Schwierigkeiten geführt haben, abgestellt;
sie hat auf Urteile abgehoben, die damals unter der Gültigkeit des alten Strafgesetzbuches gefällt worden sind, und hat ihre Bedenken aufrechterhalten. Sie hat damals gefordert, es solle in das Gesetz aufgenommen werden — man höre! —, daß die Weitergabe sogenannter Staatsgeheimnisse an die Alliierte Hohe Kommission nicht als strafbarer Verrat von Geheimnissen angesehen werden soll. Sie hat auch noch gefordert, daß die Bestimmungen unseres Strafrechtsänderungsgesetzes so gefaßt werden, daß Privatpersonen nicht aus Furcht vor einer Strafverfolgung seitens einer Regierung von Parteigängern wegen Verrats von Geheimnissen, der das Wohl des Staates gefährdet, davon abgehalten werden, Dinge zur Kenntnis der Öffentlichkeit zu bringen. Ich habe alle Bedenken, die die Alliierten hatten, nach meiner Meinung überzeugend widerlegt und dargestellt, daß die Fassung, die wir gewählt haben, der Rechtslage sowie der politischen Lage und der Sachlage in jeder Hinsicht gerecht wird.
Im August 1950 hat dann eine erneute Besprechung zwischen meinem Ministerium und Mr. Bowie stattgefunden. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wer Mr. Bowie ist. Wenn Sie das nicht wissen, — na, dann werde ich es Ihnen sagen: eine graue Eminenz, meine Damen und Herren, einer der einflußreichsten Leute, einer der Männer, die an allen Wendepunkten der politischen Entscheidungen der letzten Jahre standen, ob das Entnazifizierung, ob das Entflechtung war oder ob das Neuordnung der Besitzverhältnisse im Rhein- und Ruhrgebiet war. Wir haben diesem Manne im August 1950 die Dinge dargelegt, und er schien zufriedengestellt. Wir haben dann unsern Entwurf in den Gesetzgebungsgang gegeben und in der Begründung eingehend dargelegt, daß die Rücksichten, die auf den Besatzungszustand zu nehmen sind, in meinem Entwurf zweifellos genommen worden sind.
— Ja, wir leben ja leider Gottes nicht in den Wolken, sondern in einer sehr bitteren und harten Wirklichkeit.
Es sind dann im Oktober 1950 erneut Bedenken erhoben worden, und das Bundeskabinett hat sich mit dem Problem befaßt. Es hat dazu Stellung genommen und hat meinen Standpunkt gebilligt. Das ist der Alliierten Hohen Kommission mitgeteilt worden.
— Ich erzähle es Ihnen ja in allen Einzelheiten; genauer kann man es ja gar nicht erzählen.
Der Standpunkt des Kabinetts ist Anfang Januar dieses Jahres den Alliierten mitgeteilt worden, und es ist niemals mehr ein Wort des Widerspruchs gekommen.
In den Beratungen des Rechtsausschusses wurde dann eine kleine Umredaktion vorgenommen, die aber an dem sachlichen Gehalt der Bestimmungen gar nichts ändert. Die Bestimmung, die in dem jetzt neu geschaffenen § 99 Abs. 2 des Strafgesetzbuches enthalten ist, lautet:
Verrat im Sinne dieses Abschnittes begeht, wer vorsätzlich ein Staatsgeheimnis an einen Unbefugten gelangen läßt oder es öffentlich bekanntmacht und dadurch das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet.
Der Herr Kollege Neumayer hat bei der Berichterstattung über die Beratungen des Rechtsausschusses die Sachlage nach meiner Meinung überzeugend dargelegt. Er hat damals ausgeführt: Unter „Unbefugten" in diesem Sinne ist zu verstehen, daß das Geheimnis jemanden übermittelt wird, vor dem es geheimzuhalten ist. Diese Fassung ist gewählt worden, weil eine verräterische Handlung dann nicht vorliegt, wenn unter den Handelnden eine Offenbarungspflicht besteht. Eine solche Offenbarungspflicht kann auf Grund internationalen Rechts gegeben sein, sie kann auch auf Besatzungsrecht beruhen.
Das ist die einwandfreie klare Darstellung unseres Standpunktes.
Das Gesetz ist dann von Ihnen am 11. Juli dieses Jahres angenommen worden. Am 13. Juli kam dann plötzlich ein Protestschreiben der Alliierten Hohen Kommission, in dem mitgeteilt wurde, die Alliierte Hohe Kommission habe erfahren, daß im Bundestag der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches eingebracht worden sei, nachdem länger als ein Jahr über die Dinge verhandelt worden war!
Es wurde behauptet, der Entwurf befasse sich auch mit der Verhinderung des Angriffskrieges, der Herstellung von Waffen, Munition oder sonstigem Kriegsgerät. Sie haben in Erinnerung, daß meine Novelle zum Strafgesetzbuch geteilt worden ist, daß alle die Dinge, die nicht aktuell sind, zunächst zurückgestellt worden sind und daß nur der eigentliche Schutz des Staates, die Hochverratsbestimmungen, die Bestimmungen gegen die Staatsgefährdung und die Landesverratsbestimmungen vorgezogen worden sind.
Die Bundesregierung hat dann sofort geantwortet. Sie hat die Situation genau dargelegt und alles getan, um die entstandenen Zweifel auszuräumen. Es hat dann ein eingehender Briefwechsel stattgefunden, es haben neue Verhandlungen stattgefunden. Wir haben alles getan, was nur irgendwie möglich war. Es ist richtig, daß, wie der Herr Abgeordnete Fisch es darlegt, im Rahmen dieser Verhandlungen auch von mir zugesagt worden ist, ich werde in Auslegung der richtigen Rechtsauffassung über die Landesverratsbestimmungen eine Dienstanweisung an den Oberbundesanwalt geben, so daß kein Zweifel darüber bestehen kann, daß derjenige, der den Besatzungsmächten auf Grund einer Rechtspflicht ein Staatsgeheimnis offenbart, nicht strafbar sein kann. Auch diese Dinge haben nichts genützt. Man hat am Ende erklärt, man wolle ein eigenes Gesetz erlassen.
Das Kabinett hat sich dann nochmals am 28. August eingehend mit der Frage befaßt und hat am 29. August dem Generalsekretär der Alliierten Hohen Kommission mitgeteilt, daß die Bundesregierung von den Absichten der Alliierten Hohen Kommission erfahren habe, im Anschluß an das Strafrechtsänderungsgesetz ein besonderes Gesetz zur Sicherung der alliierten Interessen zu erlassen. Die Bundesregierung hat geltend gemacht, daß der Erlaß eines solchen Gesetzes nicht notwendig und politisch sehr unerwünscht sei. Sie hat dringend darum gebeten, von dieser beabsichtigten Maßnahme Abstand zu nehmen, und hat diesen Standpunkt im einzelnen begründet.
Die Alliierte Hohe Kommission hat erneut erwidert und hat sich auf die Kritik bezogen, die im
Bundesrat an dem Strafrechtsänderungsgesetz geübt worden ist. Der Bundesrat hat aber an ganz anderen Bestimmungen Kritik geübt, nicht an den hier einschlägigen Bestimmungen über den Landesverrat. Die Alliierte Hohe Kommission hat diese Motivierung dann auch zur Begründung ihres Standpunkts an die Öffentlichkeit gegeben, und sie hat am 31. August dieses alliierte Gesetz erlassen.
Die Bundesregierung hat alles getan, um diese von ihr auf das tiefste bedauerte und nach ihrer Meinung nicht erforderliche Maßnahme zu verhindern. Sie begrüßt es, wenn der Bundestag seinerseits diesen Standpunkt einnimmt, und ist bereit, eine entsprechende Stellungnahme an die Alliierte Hohe Kommission, weiterzuleiten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten ,Damen und Herren! Das Strafrechtsänderungsgesetz vom 31. August 1951 stellt nur einen Teilabschnitt aus der großen Vorlage des Strafrechtsänderungsgesetzes 1950 dar. Es umfaßt nur diejenigen Abschnitte, die dazu dienen sollen, die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik sicherzustellen gegen Angriffe, die von außen oder innen her erfolgen. Es behandelt also lediglich die Bestimmungen über den Hochverrat und Landesverrat und die sogenannte Staatsgefährdung. Diese Bestimmungen erschienen uns aber auch so notwendig und so dringlich, daß man sich im Rechtsausschuß dazu entschloß, mit Rücksicht auf die großen Schwierigkeiten, die sich der Verabschiedung der gesamten Vorlage entgegenstellten, nunmehr wenigstens beschleunigt diesen Teilabschnitt zu verabschieden. Das ist j a auch am 11. Juli unter Zustimmung des ganzen Hauses mit Ausnahme der äußersten Linken und äußersten Rechten erfreulicherweise geschehen.
Damit war unseren Behörden die Handhabe gegeben, mit der sie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik wahren konnten.
Das Strafrechtsänderungsgesetz hat sich ja auf der äußersten Linken von vornherein keiner großen Sympathie erfreut. Es hat uns zwar eins gebracht, daß sich der kommunistische Vertreter nach jahrelanger Abwesenheit endlich einmal wieder im Rechtsausschuß sehen ließ, offenbar weil er Wert darauf legte, dort unterrichtet zu werden, wie man sich in Zukunft einigermaßen diesem Gesetz und seinen Vorschriften entziehen könne.
Aber, wie gesagt, das gesamte Haus hat die Wichtigkeit dieser Vorlage erkannt, und so ist es erfreulicherweise — das betone ich nochmals — dazu gekommen, daß von der ganz überwiegenden Anzahl der Mitglieder des Hauses das Gesetz gebilligt wurde.
Das Vorgehen, das uns jetzt in dem Antrag der kommunistischen Fraktion vorgeschlagen wird, mutet mich nun recht eigenartig an. Herr Kollege Greve hat es ja bereits zutreffend gekennzeichnet. Es galt doch, mit dem Gesetz nunmehr einen Damm gegen diejenigen aufzurichten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung zu untergraben suchten. Es galt, denjenigen das Handwerk zu legen, die darauf ausgingen, das Gebäude der demokratischen Grundordnung in Brand zu stecken.
Was uns nun vorgeschlagen wird, das ist etwa so, wie wenn ein großer Schutzdamm um eine Landschaft errichtet worden wäre und man nun, weil einige Wiesen nicht durch einen Damm geschützt werden können, dazu übergehen soll, den gesamten Damm aufzureißen,
oder wie wenn man, weil einige Zimmer eines Hauses nicht geschützt werden können und ausbrennen müssen, das ganze Gebäude abbrennen lassen sollte.
So geht es nicht, meine Herren von links!
Meine Fraktion stimmt dem Abänderungsantrag der Sozialdemokratischen Partei zu. Auch wir — das verhehle ich nicht; darin hat der Herr Kollege Fisch recht — haben außerordentlich bedauert und waren zutiefst enttäuscht — das hat ja der Sprecher meiner Fraktion bereits am Tage der Verkündung des Gesetzes Nr. 62 zum Ausdruck gebracht —, daß sich die Hohe Alliierte Kommission in diesem Augenblick, in dem man über den Abbau des Besatzungsstatuts redet, veranlaßt gesehen hat, von einem meines Erachtens im Besatzungsstatut noch nicht einmal gegebenen Recht Gebrauch zu machen.
Sie hat ein Gesetz erlassen, das so weit geht, daß man sich etwa in die Zeit von 1945 zurückversetzt glaubt, in die Zeit der bedingungslosen Kapitualtion.
Das Besatzungsstatut gibt meines Erachtens — auf diesen Gesichtspunkt sollte die Bundesregierung vor allem Wert legen — nicht ein so weitgehendes Recht, wie es mit dem Erlaß des Gesetzes Nr. 62 in Anspruch genommen worden ist.
Das Besatzungsstatut bezweckt in dem Buchstaben e) der Ziffer 2, den Schutz, das Ansehen, die Sicherheit und die Vorrechte der alliierten Besatzungsstreitkräfte, der alliierten Besatzungsbehörden, ihrer Familienangehörigen, Angestellten und amtlichen Vertreter sicherzustellen, ferner die Deckung der Besatzungskosten und die Befriedigung der sonstigen Bedürfnisse. Das Gesetz Nr. 62 geht aber außerordentlich viel weiter und stellt schlechthin jeden von Strafe frei, der einer der ausländischen Regierungen irgendwelche Informationen gibt., Auf die Sicherheit der Besatzungsbehörden und ihrer Truppen ist es also absolut nicht mehr abgestellt. Insofern sind meines Erachtens auch die nach dem Besatzungsstatut der Hohen Kommission zustehenden Rechte in diesem Gesetz überschritten. Diesen Gesichtspunkt sollte man in den Verhandlungen auf dem Petersberg noch einmal ganz klar und deutlich herausstellen.
In den Verhandlungen im Rechtsausschuß ist alles geschehen, um auf berechtigte Interessen der Besatzung Rücksicht zu nehmen. Gerade deshalb ist der ursprüngliche § 94 abgeändert worden, der nach Meinung der Bundesregierung bereits damals sicherte, daß jemand, der der Besatzung Nachrichten zutrug, an denen sie ein berechtigtes Interesse hat, straffrei bleiben sollte, indem der § 94 in seiner ursprünglichen Fassung bestimmte:
Wer ein Staatsgeheimnis an einen anderen, vor dem es geheimzuhalten ist, gelangen läßt oder es öffentlich bekannt macht und dadurch das Wohl der Bundesrepublik gefährdet, wird bestraft.
Dazu hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu Änderungsvorschlägen des Bundesrats, wie ja Kollege Neumayer in seinem Bericht treffend hervorgehoben hat, ausgeführt, daß bereits dadurch sichergestellt sei, daß jemand, der an die Besatzungstruppen irgendwelche Geheimnisse weitergebe, sich nicht strafbar mache, wenn er sich im Rahmen dieser bestehenden Sicherheitsvorschriften halte.
Wir haben uns ja über die Anwendung des Besatzungsstatuts in der letzten Zeit hier mehrfach unterhalten müssen. Ich erinnere an die Debatte im Falle Kemritz, ich erinnere an die Debatte über Geschwindigkeitskontrollen durch die amerikanische Militärpolizei und an die Debatte noch in der vorletzten Woche über die Überwachung des Post- und Fernsprechwesens. Wir sind zu allertiefst über diese Handhabung des Besatzungsstatuts in der jetzigen Zeit enttäuscht und wundern uns sehr darüber, daß man es uns gegenüber in der jetzigen Zeit so an Vertrauen fehlen läßt.
Wir halten es für dringend geboten, daß die Bundesregierung von jeder Möglichkeit Gebrauch macht, um die Rechtsgleichheit wiederherzustellen. Meine Fraktion wird deshalb dem Antrage der SPD auf Umdruck Nr. 344 in der Annahme, daß dadurch der Antrag der Kommunistischen Partei erledigt ist, zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort an die Adresse des Herrn Kollegen Greve. Herr Dr. Greve, Sie sind doch Jurist, und Juristen zeichnen sich im allgemeinen dadurch aus, daß sie die Neigung haben, unter allen Umständen immer schön beim Thema zu bleiben. Ich möchte Sie fragen, warum Sie den unwiderstehlichen Drang haben, immer auf ein anderes Thema auszuweichen, wenn Ihnen unangenehme Fragen gestellt werden?
Vielleicht kommen Sie dann allmählich darauf, daß es sich lohnt, einmal zu überlegen, wohin die Reise denn geht und wo die Reise eines Tages enden könnte, wenn Sie weiter wie bisher auf diese Weise Arm in Arm mit dem Bundesjustizministerium und Herrn Dr. Lehr Politik machen.
Nun ein kurzes Wort zum Herrn Bundesjustizminister. Er hat uns eine verhältnismäßig lange Rede gehalten. Ich möchte ihm mit einer Feststellung antworten: über die Art und Weise der Verständigung über das Thema zwischen dem Petersberg und dem Bundesjustizministerium gibt die Begründung des alliierten Gesetzes Nr. 62 eine sehr klare Auskunft. In der Begründung zu dem Gesetz wird festgestellt, daß künftighin „kein deutscher Informant, Mitarbeiter oder Agent der Besatzungsmächte" — ich zitiere wörtlich — „von deutschen Gerichten dieserhalb verfolgt werden kann. Dies dient lediglich dazu, um die Auslegung, mit der die Bundesregierung völlig einig geht, gesetzlich festzulegen." Herr Bundesjustizminister, ich vermisse bis jetzt immer noch Ihr Dementi auf diese Feststellung der Hohen Kommission.
Nun noch eine besondere Frage an Sie, Herr Bundesjustizminister. Bekanntlich hat dieses Haus bei der dritten Lesung des Strafrechtsänderungsgesetzes mit großer Mehrheit eine Entschließung angenommen. In dieser Entschließung vom 11. Juli 1951 wurden Sie, Herr Bundesjustizminister, beauftragt, bis zum 30. September 1951 ein Abänderungsgesetz zum Strafrechtsänderungsgesetz vorzulegen. Sie sind in dieser Entschließung insbesondere dazu aufgefordert worden, in dieser Novelle Vorschläge zu unterbreiten, die sichern, daß künftig bei solchen Verfahren im ersten Rechtszug das Laienelement, also Schöffen und Geschworene, beigezogen werden und daß zweitens die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsmittels der Revision gewährleistet ist. In der Begründung der Entschließung wurde gesagt, das sei unbedingt erforderlich, um den rechtsstaatlichen Grundsätzen Genüge zu tun.
Der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung vom 27. Juli 1951 diese Entschließung des Bundestags zu eigen gemacht und sie sogar noch erweitert. Er hat von Ihnen, Herr Bundesjustizminister, verlangt, daß Sie bis zu diesem Tag, dem 30. September, noch weitere Änderungsvorschläge vorlegen, insbesondere in bezug auf den sogenannten Katalog der zu schützenden Verfassungsgrundsätze, also jenen bekannten Gummikatalog, sowie in bezug auf die Bestimmungen im Gesetz über Sammlung von Nachrichten, Einfuhr politischer Schriften, Landesverrat und einiges andere.
Sie haben bis heute den Auftrag des Bundestags und des Bundesrats nicht erfüllt. Sie haben sich hier in allen Sprachen über die Nichterfüllung dieses Auftrags ausgeschwiegen. Sie haben zwar an den Herrn Vorsitzenden des Rechtsausschusses einen Entschuldigungsbrief geschrieben, in dem Sie sagen, die Ferien und so, das alles sei daran schuld. Aber ich lese nun Ihren Brief an den Herrn Oberbundesanwalt, in dem Sie, man muß schon sagen, die Kühnheit besitzen, den Beschluß des Bundestags in Frage zu stellen. Sie bitten den Oberbundesanwalt und einige andere hochgestellte juristische Persönlichkeiten um Gutachten darüber, ob „es sich empfiehlt", überhaupt Schöffen oder Geschworene zuzuziehen. Sie bitten um ein Gutachten darüber, „ob ein sachliches Bedürfnis für die Einführung des Rechtsmittels der Revision gegen erstinstanzliche Urteile der Oberlandesgerichte besteht". Was ist das für eine neue Methode der parlamentarischen Demokratie!? Sie fordern Ihre Beamten auf, Gutachten zu machen, die Beschlüsse des Bundestags und des Bundesrats in Frage stellen. Sind das Ihre Auffassungen von Rechtsstaatlichkeit, von Demokratie und Freiheit? Herr Minister, Sie haben dieser Tage im Rundfunk erklärt, Sie würden gelegentlich einmal etwas im Zorne sprechen, und dann hätten Sie die Verpflichtung,
noch einmal darüber zu schlafen; und dann käme Ihnen die Freude darüber, daß Sie die Gelegenheit hätten, eine Rede noch ein zweites Mal aufzusetzen.
Ich empfehle Ihnen, diese Doppelspurigkeit nicht nur in der Aufsetzung Ihrer politischen Reden anzuwenden, mit denen Sie allen möglichen Unfug anrichten, sondern auch bei der Aufsetzung Ihrer Dienstanweisungen, Ihrer Schreiben an Ihre höheren Beamten, damit Sie es allmählich lernen, sich in den einfachsten Grundsätzen einer parlamentarischen Demokratie zurechtzufinden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß wir über den Antrag der kommunistischen Fraktion auf Drucksache Nr. 2554 schon viel zu lange diskutiert haben.
Denn dieser Antrag enthält j a kein echtes Anliegen im Sinne seiner Formulierung. Er ist aus ganz anderen Motiven gestellt worden. Ich will auf das Strafrechtsänderungsgesetz heute nicht mehr eingehen. Herr Kollege Fisch, Sie und ich, wir haben uns ja in der Nachtsitzung hier eingehend auseinandergesetzt, und meine Meinung über Ihre Auffassung habe ich Ihnen damals zum Ausdruck gebracht. Dem habe ich gar nichts hinzuzufügen. Wenn Sie nun heute wieder damit kommen, daß hier angeblich ein Grundsatz verletzt ist, nämlich der der Gleichheit, so wundere ich mich. Ich kann nur das wiederholen, was ich damals gesagt habe, daß nämlich ausgerechnet Sie glauben, sich jetzt darum kümmern zu müssen, daß in der westdeutschen Bundesrepublik der Grundsatz der Gleichheit verletzt sei. Ich glaube, es wäre Ihre erste Aufgabe, sich einmal darum zu kümmern, wie im Osten die Gleichheit täglich mit Füßen getreten wird.
Ich möchte mich jetzt ausdrücklich nur mit dem Antrag auf Drucksache Nr. 2554 befassen. Sie sagen: die Gleichheit ist durch dieses amerikanische Gesetz Nr. 62 verletzt. — Jawohl, der Auffassung sind wir auch. Aber der Weg, den Sie vorschlagen, scheint mir absolut falsch zu sein. Er ist von Ihnen auch gar nicht ehrlich gemeint. Sie nehmen dieses Gesetz Nr. 62 nur zum Anlaß, um ein Ihnen absolut unangenehmes Gesetz in seiner Totalität zu beseitigen. Das wäre ein großer Erfolg für Sie, und das würde Ihnen so passen, denn in diesem Gesetz sind j a Bestimmungen, gegen die Sie früher oder später höchstwahrscheinlich verstoßen werden und bei denen Sie eben Angst haben, daß sie gegen Sie angewandt werden müßten.
Ich bin deshalb der Meinung, daß dieser Weg absolut falsch ist und daß wir einen andern Weg gehen müssen, damit die Gleichheit, die hier tatsächlich verletzt ist, wiederhergestellt wird, nämlich auf dem Wege, wie es mit dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck Nr. 344 versucht wird: Die Bundesregierung wird ersucht, bei den Oberkommissaren energisch vorstellig zu werden, daß dieses Gesetz Nr. 62 verschwindet.
Zu diesem Gesetz Nr. 62 möchte ich nur ein Wort sagen. Die Alliierten waren meines Erachtens
sehr schlecht beraten, als sie dieses Gesetz erließen und in diesem Augenblick die psychologischen Grundlagen für die Änderung des Gesamtverhältnisses zwischen uns und ihnen belasteten.
Sie hätten zweifellos etwas anderes tun müssen, wenn sie die Politik, die sie doch angeblich verfolgen, nämlich eine grundsätzliche Änderung unseres Verhältnisses zu ihnen, die Beseitigung des Besatzungsstatuts, hätten fördern wollen. Das wäre der richtige Weg gewesen.
Weil dem so ist, wird meine Fraktion dem Antrag auf Umdruck Nr. 344 zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Auch ich bin der Auffassung, daß wir schon zu lange über diese Vorlage diskutiert haben. Ich möchte hier nur erklären, daß ich mit den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers in ihrem vollen Inhalt einverstanden bin. Nur, Herr Bundesjustizminister, Sie sehen, was dabei herauskommt, wenn man mit den Herren von der Linken so diskutiert, wie Sie es heute getan haben. Ich hätte gewünscht, Sie hätten sich als Bundesjustizminister heute aus dieser Debatte herausgehalten.
Es ist richtig, was Herr Kollege Schneider gesagt hat: der Grund und der Zweck dieses Antrages der KPD sind ja ganz andere, als sie heute hier von Herrn Fisch vorgetragen worden sind.
Herr Kollege Fisch, zum Abschluß: Wer den Landesverrat zum Prinzip seiner Politik macht, hat kein Recht, mit uns über Rechtsordnung und Rechtsgrundsätze zu diskutieren!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst ab über den Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 344. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Damit ist der Antrag der Fraktion der KPD erledigt, weil dieser Antrag ihn j a aufhebt.
Ich rufe nun auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Bundespostgesetz
— Nr. 2664 der Drucksachen—.
— Wann? Zu welchem Gegenstand? — Ich habe
den nächsten Punkt der Tagesordnung aufgerufen.
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat Abgeordneter Fisch.
Meine Damen und Herren! Ich muß der Auffassung des Herrn Präsidenten widersprechen, daß durch die Annahme des sozialdemokratischen Änderungsantrages, dem wir zugestimmt haben, unser Antrag erledigt sei. Das sind zwei Anträge, die sich nicht gegenseitig aufheben. Im Gegenteil, wir haben den sozialdemokratischen Antrag als einen wohlmeinenden Ergänzungsantrag zu unserem Antrage betrachtet.
Ich bitte darum, über unsern Antrag abzustimmen.
Meine Damen und Herren! Bei der Nachprüfung des Textes muß ich allerdings zugestehen, daß Zweifel darüber bestehen können, ob der angenommene Änderungsantrag den Urantrag aufhebt. Ich hole daher die Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 2554 nach.
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat Abgeordneter Dr. Greve!
Dr. Greve: : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, über den Antrag in Drucksache Nr. 2554 zur Tagesordnung überzugehen.
Meine Damen und Herren, es ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gestellt. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Bundespostgesetz
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Rademacher.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat den Antrag, der jetzt zur Debatte steht, eingebracht, weil wir der Auffassung sind, daß es nach mehr als zwei Jahren parlamentarischer Arbeit wohl auch an der Zeit wäre, ein Bundespostgesetz zu verabschieden. Zwar ist uns bekannt, daß — ich glaube, seit Anfang 1950 - bereits im Hause der Postverwaltung an einem Referentenentwurf gearbeitet wird, der auch schon einige Male mit außenstehenden Kreisen behandelt wurde. Aber wir können nicht ganz die Auffassung verstehen, daß man nach dem Grundsatz: „Hannemann, geh du voran!" immer noch weiter
gezögert hat, das Gesetz einzubringen, weil man meinte, man müsse erst einmal sehen, was aus dem Bundesbahngesetz herauskommt. Nun, meine Damen und Herren, das Bundesbahngesetz ist im Oktober 1950 in den Ausschuß gekommen, und es hat leider ein ganzes Jahr gedauert, bis es heute — wie ich erfahren habe, glücklich den Vermittlungsausschuß passiert hat. Wenn wir also annehmen, daß die Behandlung eines Bundespostgesetzes die gleiche Zeit in Anspruch nehmen würde, dann wäre eigentlich mit Bedauern festzustellen, daß wir eine so lange Zeit verloren haben, in der der zuständige Ausschuß schon an diesem Gesetz hätte arbeiten können.
Warum wollen wir so schnell ein Bundespostgesetz? Wir haben nach dem Reichsfinanzgesetz vom März 1924 einen Verwaltungsrat bei der Post gehabt, der nachher durch eine Verfügung — ich glaube, vom März 1933 — aufgehoben und in einen Beirat umgewandelt wurde. Praktisch haben wir seit 1945 keinerlei demokratische Ausdehnung der verantwortlichen Arbeit innerhalb der Post selbst, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf. Die Bundespost ist bekanntlich ein Monopolbetrieb, ein Monopolbetrieb, meine Damen und Herren, bei dem der verantwortliche Minister gleichzeitig auch der eigentliche und direkte Chef dieser Organisation, dieses großen Sondervermögens ist. Ich glaube, es sollte auch ihm selbst daran gelegen sein, so schnell wie möglich so etwas ähnliches wie einen Verwaltungsrat zu bekommen.
Es sollte meiner Meinung nach nicht Aufgabe der heutigen Diskussion sein, sich darüber zu unterhalten, ob es ein Beirat oder ein Verwaltungsrat oder etwa, wie bei der Bundesbahn, so etwas ähnliches wie eine Synthese sein soll; uns liegt zunächst daran, daß überhaupt einmal dieses Bundespostgesetz in diesem Hause in erster Lesung behandelt wird, damit wir es so schnell wie möglich endgültig verabschieden können. Es ist noch nicht sehr lange her, daß wir hier eine interessante Debatte über Zensur und über Abhöreinrichtungen der Alliierten hatten. Ich glaube, es wäre auch für die Leitung der Bundespost, insbesondere für den Herrn Bundespostminister, sehr angenehm und für ihn erträglicher gewesen, wenn er sich im Rahmen eines Verwaltungs- oder Beirats einmal ausführlich über diese Dinge hätte unterhalten können. Ich erinnere auch an die Debatte, die wir anläßlich der Verabschiedung des Haushalts der Bundespost gehabt haben. Ich kann in meiner Erinnerung nicht bestätigen, daß es sich etwa um eine echte Haushaltsdebatte über die Bundespost gehandelt hat. Soweit ich mich erinnere, ging es da um die schwierige Stellung eines Staatssekretärs, um europäische Briefmarken und ähnliches.
Und doch wissen wir, welche ungeheuren Investitionen mit den Geldern vorzunehmen sind, die von der gesamten Wirtschaft, von der gesamten Bevölkerung der Post zufließen. Ich weise auf die Notwendigkeit der Modernisierung der Fernmeldeeinrichtungen hin. Der Fernschreiber nimmt heute eine immer größere Bedeutung an. Sie können bei den technischen Fabriken und den Händlern so viel von diesen Apparaten kaufen, wie Sie wollen; aber leider können Sie bei der Bundespost keinen Anschluß bekommen, weil es an den entsprechenden Ämtern und technischen Einrichtungen fehlt. Das ist nur ein Fall, der Ihnen beweist, wie notwendig es ist, sich zusammen mit einem Verwaltungsrat oder Beirat eingehend zu überlegen, wie die der Post zufließenden bedeutenden Summen prak-
tisch für die Wirtschaft und für die Bevölkerung angelegt werden. Meine Damen und Herren, ich glaube, es gibt keinen, der nicht gelegentlich auch einmal an einem Postschalter steht. Was ich jetzt sage, ist in keiner Weise irgendein Vorwurf gegen die Beamten, die ihre schwere Arbeit dort leisten; aber es steht doch fest, daß dies System der Schalterabfertigung ohne technische Einrichtungen eine Angelegenheit ist, die noch aus der Jahrhundertwende stammt.
Eine Fülle großer Aufgaben ist also zu erledigen; sie werden aber erst dann richtig unter eine demokratische Kontrolle kommen, wenn wir das Bundespostgesetz verabschiedet haben. Bei aller Hochachtung vor der Leistung der deutschen Post, — ich hoffe, daß nun nach diesem Antrag nicht das bekannte Lied weiterhin seine Geltung behält: „Nur nicht gleich, nicht auf der Stell'; bei der Post geht's nicht so schnell!"
Meine Damen und Herren, das war die Begründung. Wir treten in die Aussprache ein. Nach den Vorschlägen des Ältestenrats empfehle ich Ihnen eine Gesamtredezeit von 60 Minuten. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem Hohen Hause die Mitteilung zu machen, daß das Bundespostverwaltungsgesetz bereits im Entwurf fertig ist und noch in dieser Woche der Regierung zur Vorlage gebracht wird, nachdem es mit allen zuständigen Ressorts durchgearbeitet worden ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundespostminister hat das Haus soeben mit der Feststellung überrascht, daß das Bundespostverwaltungsgesetz noch in dieser Woche dem Kabinett zugeleitet wird. Ich wundere mich nur, daß es jetzt auf einmal so schnell geht, im Gegensatz zu Ihrer Feststellung, Herr Rademacher, daß es bei der Post nicht so schnell geht. Jedenfalls wissen wir, daß im Bundespostministerium seit vielen Monaten an dem Entwurf gearbeitet wird und daß man sich nur gescheut hat, mit diesem Entwurf an das Tageslicht zu kommen, weil man zunächst einmal die Verabschiedung des Bundesbahngesetzes abwarten wollte. Dieser Grund ist nun entfallen. Wir warten mit Spannung, wie dieser Entwurf aussehen wird.
Es ist mir auch bekannt, daß man mit dem Entwurf schon längst an die Öffentlichkeit gekommen wäre, wenn man schon früher den Weg gefunden hätte, um zu erreichen, daß der mit dem Bundespostgesetz zweifellos kommende Verwaltungsrat nur einen dekorativen Charakter erhält, und um zu verhindern, daß das von den Gewerkschaften geforderte Mitbestimmungsrecht im Verwaltungsrat festgelegt wird. Seien wir uns über folgendes klar, Herr Rademacher hat es vorhin schon angedeutet: Die Post ist immerhin ein Unternehmen mit nicht ganz 300 000 Beschäftigten. Sie hat im vergangenen Jahr eine Roheinnahme von über 2 Milliarden DM
gehabt. Davon gingen über 1,3 Milliarden DM für Löhne wieder hinaus.
— Ich weiß nicht, was Sie mit Ihren Zwischenrufen wollen.
— Selbstverständlich, aber wir wollen doch auch bei der ersten Lesung wenigstens ein paar Grundsätze niederlegen, zumal der Herr Bundespostminister in den letzten Monaten über dieses Gesetz schon in der Öffentlichkeit gesprochen hat. Ich glaube, es ist nur zweckmäßig, wenn wir dem Ausschuß schon heute einige Richtlinien mit auf den Weg geben.
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß dieser große Apparat, die Deutsche Bundespost, bisher ohne jede parlamentarische Kontrolle arbeitet. Wir haben hier nur einmal im Jahr, nämlich bei der Genehmigung des Ministergehaltes, Gelegenheit, grundsätzlich etwas zur Deutschen Bundespost zu sagen. Das ist sehr wenig. Es ist klar, daß bei einer solchen Gelegenheit nicht alles vorgetragen werden kann, was zur Verwaltung der Bundespost zu sagen ist. Das gehört vielleicht auch gar nicht alles hierher. Dazu muß ein Verwaltungsrat dasein, der über diese Dinge berät und beschließt.
Aber gerade über die Frage, ob der Verwaltungsrat zu beraten und zu beschließen hat, bestehen bisher noch sehr große Meinungsverschiedenheiten. Ich muß feststellen, daß wir uns mit dem Herrn Bundespostminister noch lange nicht einig sind. Wir brauchen uns nur einmal seine Ausführungen vor Augen zu halten, die er am 16. März dieses Jahres anläßlich der Präsidentenkonferenz in Bad Reichenhall gemacht hat. Dort hat er gesagt:
Sieht nun das neue Postverwaltungsgesetz einen Verwaltungsrat nach bewährtem Muster vor — und die Gründe zu seiner Wiedereinführung sind genau die gleichen wie 1924 —, so wird er kaum die legislativen Funktionen auszuüben vermögen wie der alte Verwaltungsrat. Oder dem Minister müßten Zuständigkeiten zuerkannt werden, die mindestens einen Teil der Vollmachten des Verwaltungsrates aufheben könnten.
Das ist bis heute die Meinung im Bundespostministerium über das kommende Verwaltungsgesetz und über die Funktionen des Verwaltungsrates. Deswegen ist es unbedingt notwendig, daß wir gleich zu Beginn der Beratungen wissen, wie wir uns dazu einzustellen haben.
An einer anderen Stelle seiner Rede hat der Herr Minister gesagt:
Ich kann dabei nur am Rande darauf hinweisen, wie sehr uns die Frage nach der Zusammensetzung des Verwaltungsrates mitten in die heißen sozialen und sozialrechtlichen Kämpfe unserer Zeit hineinstellt. Sicherlich werden anwesend sein müssen der Bundestag, der Bundesrat, ein Vertreter des Bundesministers der Finanzen, ein Vertreter des Bundesministers für Wirtschaft, Vertreter der Wirtschaft, Vertreter des Personals der Deutschen Bundespost.
Und nun kommt ein wichtiger Satz, der uns einigermaßen zu denken gibt und über den wir in den Verhandlungen Klarheit schaffen müssen. Der Bundespostminister sagt nach einigen weiteren
Ausführungen in bezug auf das Mitbestimmungsrecht:
Und wahrscheinlich ist gerade die Post das
Unternehmen, das betriebsfremder Vertreter
im Verwaltungsrat am besten entraten könnte. Ohne heute schon näher auf die Einzelheiten eingehen zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, daß wir hier mit dem Herrn Bundespostminister nicht einig gehen. Wir sind der Meinung, daß der Verwaltungsrat ein echter Verwaltungsrat mit Beschlußvollmachten sein muß. Wir sind auch der Meinung, daß dem Personal im Verwaltungsrat eine Stellung eingeräumt werden muß, die der gewerkschaftlichen Forderung auf das Mitbestimmungsrecht entspricht.
Etwas unklar ist uns, was der Herr Minister unter betriebsfremden Vertretern versteht. Er kann doch wohl nicht die Gewerkschaftsvertreter als betriebsfremd bezeichnen wollen und gleichzeitig die Vertreter der Wirtschaft als zum Betrieb gehörig hinstellen wollen.
Sie sehen also, es gibt manches, was wir hier noch klarstellen müssen, bevor das Gesetz endgültig an das Haus zurückkommt.
— Regen Sie sich nicht auf! Sie haben alle, jeder von Ihrer Fraktion, Gelegenheit, Ihre Meinung zu sagen.
— Schön, wir halten es aber für notwendig, das zu sagen. Sie können uns das Recht nicht nehmen.
Und zum Schluß, meine Damen und Herren,
möchte ich betonen, daß wir eine bessere parlamentarische Kontrolle der Deutschen Bundespost wünschen, als es bisher der Fall gewesen ist, vor allem auch, damit die Personalpolitik der Deutschen Bundespost ein wenig aus dem Dunkel der Ministerialbürokratie an das Licht der Öffentlichkeit kommt. Wir haben da manches zu sagen und manches zu beanstanden. Wir können das aber unter den gegenwärtigen Umständen hier im Bundestag nicht immer so zum Ausdruck bringen, wie das entsprechend der wichtigen Stellung der Bundespost im Staats- und im Wirtschaftsleben unserer westdeutschen Bundesrepublik notwendig wäre.
Ich möchte nur ein paar Punkte herausheben, nur stichwortartig.
— Es ist Ihnen vielleicht unangenehm.
— Trotzdem muß ich es Ihnen sagen. Aber ich bin
gleich fertig und gleich zu Ende. Ich werde Ihre
Geduld nicht über Gebühr in Anspruch nehmen.
Die Deutsche Bundespost hat jetzt nach zwei Jahren Bestehen der Bundesrepublik immer noch keinen Staatssekretär. Die Personalpolitik wird vom Bundespostminister selbst betrieben. Das ist ein Zustand, wie wir ihn in keiner anderen Verwaltung heute aufzuweisen haben, und es ist auch ein Zustand, der auf die Dauer unhaltbar ist. Der Minister, der einige Tage in der Woche wegen seiner Tätigkeit im Kabinett und seiner Anwesenheit im Parlament hier in Bonn sein muß, kann die Personalpolitik der Post nicht verantwortlich betreiben. Sie wird heute von Leuten betrieben, die vom Parlament nicht zur Verantwortung gezogen werden können, und deshalb muß mit diesem Zustand ein Ende gemacht werden. Deswegen wünschen wir, daß so schnell wie möglich ein Verwaltungsgesetz geschaffen wird und daß der Verwaltungsrat in diesem Verwaltungsgesetz Vollmachten bekommt, die ihm wirklich den Charakter eines Verwaltungsrates geben und nicht etwa den Charakter eines Verwaltungsbeirates.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich möchte eine ganz kurze Erklärung abgeben. In der Kabinettssitzung am Dienstag ist der neue Staatssekretär Herr Ministerialdirektor Dr. Schneider ernannt worden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter.
Meine Damen! Meine Herren! Wir haben einen einfachen Antrag der FDP-Fraktion vor uns, der fordert, daß die Bundesregierung gebeten wird, den gesetzgebenden Körperschaften beschleunigt ein Bundespostgesetz vorzulegen. Der Bundespostminister hat uns in drei Worten erklärt, daß dieses Gesetz bereits fertig ist und vorgelegt werden soll, und nun kommt der Vorsitzende des Ausschusses für das Postwesen, der Herr Kollege Cramer, und hält uns einen langen Vortrag über ein Gesetz, das gar nicht zur Debatte steht und von dem wir nichts wissen wollen.
Darüber hinaus brachte der Kollege Cramer alle möglichen Vorwürfe gegen die Post, die vorzubringen er jederzeit Gelegenheit hat, wenn der Postausschuß tagt. Da ist immer die Möglichkeit, etwas zu sagen.
Das hat er nicht getan. Er hat sich erlaubt, etwas anzusprechen, was gar nicht diskussionsreif ist.
Es ist wirklich notwendig, daß wir uns daran gewöhnen, nicht Diskussionen auszulösen, die gar nicht ausgelöst zu werden brauchen, sondern mehr praktische Arbeit leisten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Herr Bundespostminister erklärt hat, dem Wunsche dieses Antrags zu entsprechen, glaube ich, können wir die Sache als erledigt ansehen. Wir haben hier keine Veranlasung, auf Einzelheiten einzugehen. Aus den Verhandlungen vorher habe ich die Überzeugung, daß auch das Postministerium davon überzeugt ist, daß wir einen Verwaltungsrat brauchen, der nicht, wie es in der nationalsozialistischen Zeit war, nur beratende, sondern bestimmende
Funktion hat. Damit wird auch die parlamentarische Kontrolle, in der Bundestag und Bundesrat jedenfalls mit der Belegschaft und mit der Wirtschaft vertreten sein wollen, in hohem Maße gesichert werden.
Herr Abgeordneter Kohl, Sie haben eben gesagt, daß Sie die Sache als erledigt ansehen. Sie sind Mitunterzeichner des Antrags. Soll das die Zurücknahme des Antrags bedeuten?
— Also so ist das nicht zu verstehen.
— Dann ist es klar. Also, meine Damen und Herren, der Antrag ist nicht zurückgezogen. Es war von mir mißverstanden, als ich annahm, die Bemerkung solle eine Zurückziehung bedeuten.
Da keine Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nun die Punkte 11 und 12 der Tagesordnung auf, und zwar deswegen, weil vorgesehen
ist, daß zu beiden Punkten der gleiche Antragsteller die Begründung gibt. Infolgedessen können
diese beiden Punkte zusammengezogen werden. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Einfuhrprogramm zur Deckung lebenswichtigen Bedarfs an Grundnahrungsmitteln ; Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Verordnung über Zolländerungen (Nr. 2687 der Drucksachen).
Der Ältestenrat hat Ihnen für die Debatte über beide Punkte je 60 Minuten vorzuschlagen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Zur Begründung der Punkte 11 und 12 hat das Wort Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Tagen, nämlich in der 167. Sitzung dieses Hauses, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister hier sozusagen das Geld zusammengezählt, das uns seine Wirtschaftspolitik seiner Meinung nach eingebracht hat, und einige von Ihnen haben sich dabei ganz gut unterhalten. Was man gerne hört, das glaubt man dann auch. Wir haben vom Herrn Bundeswirtschaftsminister gehört, daß sich „die Dollarbestände bei der Bank deutscher Länder in der Zwischenzeit nach einer weitgehenden Erschöpfung jetzt wieder auf über 400 Millionen Dollar angereichert haben, während wir umgekehrt für bereits geleistete Exporte über ein Guthaben von 550 Millionen Dollar verfügen". Darauf hat es lauten Beifall gegeben. Wenige Stunden vor dieser Mitteilung hat der Ernährungsausschuß dieses Hauses getagt, und in diesem Teil unserer Verhandlungen, den wir für vertraulich erklärt haben, hat der Herr Bundesernährungsminister den Mitgliedern des Ernährungsausschusses die wenig erfreuliche Mitteilung machen müssen, daß von dem Dollarbetrag — ich verzichte darauf, diesen Betrag zu nennen —, den er für ausgesprochen lebenswichtige Einfuhren im zweiten Halbjahr 1951 angefordert hat, noch nicht einmal die Hälfte zur Verfügung gestanden hat,
und zwar einfach deshalb, weil die Dollars eben nicht da waren!
Es wäre für uns alle ganz nützlich, nun die Frage zu untersuchen, ob der Herr Bundeswirtschaftsminister sich verzählt hat
oder ob er Dollars zusammenzählt, für die man sich nichts kaufen kann, oder ob nur der Herr Bundesernährungsminister trotz jenes so erfreulichen Bildes der Devisenbilanz nicht in der Lage ist, aus diesem recht großen Vorrat eine verhältnismäßig sehr kleine Summe für lebenswichtige Einfuhren zusammenzubringen.
Wir haben in der darauffolgenden Sitzung des Ernährungsausschusses alle miteinander, und zwar alle unter dem Eindruck und unter ausdrücklicher Berufung auf die Mitteilung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, die vereinbarte Vertraulichkeit wieder aufgehoben und bei der Gelegenheit auch im Ernährungsausschuß die Frage aufgeworfen, wie man sich das eigentlich zusammenreimen soll. Der Herr Bundesernährungsminister hat erklärt, daß er seinen Ausführungen vom Vortage nichts hinzuzufügen habe, und ich habe ihm gern versichert, daß ich auch keinen Augenblick geglaubt habe, er habe sich zu berichtigen.
Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen mit unserem Antrag Drucksache Nr. 2686 vorgeschlagen, einen Beschluß dahingehend zu fassen, daß die Bundesregierung ersucht wird, umgehend ein Einfuhrprogramm zur Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Grundnahrungsmitteln vorzulegen. Alle, die sich nicht mit den sehr rosigen Schilderungen durch den Herrn Bundeswirtschaftsminister begnügen, vor allen Dingen diejenigen, die durch ihre Arbeit im Ernährungsausschuß gezwungen sind, sich mit den Tatsachen etwas ernsthafter zu beschäftigen,
werden für diesen Antrag meiner Freunde sicherlich volles Verständnis haben. Wir wissen, daß die Devisenlage längst nicht so ist, wie sie uns hier dargestellt worden ist. Wir kennen auch die sich daraus ergebenden sehr unerfreulichen Auswirkungen auf unsere Versorgungslage, und wir kennen insbesondere die unangenehme Folge, daß wir in der Regel zu spät kaufen und deshalb besonders teuer kaufen müssen.
Wir haben z. B. bei der Frage der Zuckerversorgung — und Sie wissen, daß wir in puncto Zucker sehr einfuhrabhängig sind — uns immer wieder darüber unterhalten, warum man denn nicht Terminkäufe tätigt, die jetzt zu einem Preis abgeschlossen werden könnten, der eine Subventionierung überhaupt überflüssig machte, und wir haben uns dann jedesmal sagen lassen müssen, daß es der Bundesregierung eben nicht gelungen sei, von der Bank deutscher Länder die für solche Käufe erforderlichen Devisen bereitgestellt zu bekommen; völlig unbegreiflich, wenn Herr Professor Ehrhard glaubt, daß die Bank deutscher Länder auf einem so beachtlichen Devisenvorrat sitzt.
Meine Damen und Herren, ich nehme es der Bank deutscher Länder gar nicht übel, daß sie in
der Verwendung von Devisen so besonders vorsichtig ist. Ich bedauere, daß sie sich zu einer so vorsichtigen Verwendung von Devisen entschließen muß, weil, wie ich schon andeutete — ich erinnere Sie nur an die dadurch bedingte Preissteigerung für Zucker, auch in diesem Jahre wieder —, diese vorsichtige Verwendung von Devisen hinterher eben sehr teuer kommt. Ich nehme es ihr aber, wie gesagt, gar nicht übel; denn wenn von ein und derselben Regierungsbank einander so widersprechende Perspektiven gegeben werden, dann hat die Bank deutscher Länder, die ja auch vor einer sehr erheblichen Verantwortung steht, vielleicht die Sorge, daß sie sich da in Termingeschäfte einläßt, die in ihren Konsequenzen nachher nicht mehr zu übersehen sind.
Deshalb möchten wir mit unserem Antrag gern erreichen, daß die Bundesregierung unter Verzicht auf jede Dramatisierung und auf jede Schönfärberei sich zu einem Einfuhrprogramm bekennt und immer nur mit den Dollars rechnet, die auch wirklich zur Verfügung stehen.
Tut man das, dann müßte es doch sehr merkwürdig zugehen, wenn es den gemeinsamen Anstrengungen aller verantwortungsbewußten Leute — und die sitzen ja nicht nur auf den Bänken der Regierung, die gibt es auch in den Reihen der Opposition — nicht gelingen würde, die Finanzierung eines so überlegten Einfuhrprogramms, eines Einfuhrprogramms ohne Phrase und eines Einfuhrprogramms, auf das man sich dann aber auch fest verpflichtet, zu sichern und die dafür erforderlichen Devisen zur Verfügung zu stellen. — Das zum ersten Teil unseres Antrages Drucksache Nr. 2686.
Nicht weniger wichtig erscheint uns der zweite Teil, in dem wir verlangen, daß die Regierung aus dem reichen Vorrat an Devisen insbesondere diejenigen Devisen zur Verfügung stellt, und zwar schnellstens zur Verfügung stellt, die zu einer Einfuhr notwendig sind, mit der hier im Lande Mangelerscheinungen und Spekulationen auf Mangelerscheinungen verhindert werden können und mit der auch dann einmal preisregulierend gewirkt werden kann, wenn auf Grund der heimischen Erzeugung oder aus irgendwelchen anderen Gründen solche Erscheinungen zu verzeichnen sind, wie wir sie in puncto Schweinefleischpreis und Kartoffelpreis in den letzten Wochen erlebt haben.
Ich darf dann zur Drucksache Nr. 2687 übergehen. Wahrscheinlich wird nun gleich jemand herkommen und sagen, daß die Sache mit den Schweinepreisen längst überholt sei, daß das früher einmal so gewesen sei und daß wir inzwischen einen sehr gefährlichen Zusammenbruch der Schweinepreise gehabt hätten. Vielleicht kommt sogar einer auf die Idee, man müsse irgend etwas tun, um einen weiteren Preiszusammenbruch zu verhindern. Es entspricht aber doch nur den Tatsachen, wenn ich sage, daß das, was jetzt auf einzelnen Märkten in puncto Schweinepreis passiert ist, mit Preiszusammenbruch gar nichts zu tun hat und daß die hier und da abgebröckelten Schweinepreise immer noch nicht für sich in Anspruch nehmen können, für die richtigen Schweinepreise gehalten zu werden. Wir haben ja erfreulicherweise auch aus dem Munde solcher Vertreter landwirtschaftlicher Interessen, die sich insbesondere die Preispolitik angelegen sein lassen, immer wieder gehört, daß diese Preise nicht zu verantworten sind.
Die Bundesregierung hat vor einigen Wochen Maßnahmen angekündigt, mit denen sie dieser Preisentwicklung entgegentreten wollte, und sie hat sich dabei ausdrücklich auf die Auswirkungen der hohen Schweinepreise auf die Kartoffelpreise bezogen. Ich glaube, daß die Bezugnahme durchaus richtig ist. Wenn wir schon nicht für alle Leute sorgen können oder nicht dafür sorgen können, daß alle Leute Schweinefleisch essen können — und trotz des hohen Verbrauchs an Schweinefleisch wird niemand bestreiten wollen, daß es in unserem Lande noch sehr viele gibt, die sich Schweinefleisch nicht leisten können —, dann sollten wir uns wenigstens darum bemühen, daß auch die Ärmsten zu erträglichen Preisen Kartoffeln bekommen; denn es wäre geradezu entsetzlich, wenn wir eines schönen Tages feststellen müßten, daß die Schweine der zahlungskräftigen Leute die Kartoffeln der armen Leute weggefressen haben bzw. dazu beigetragen haben, diese Preise hochzutreiben.
— Nur keine Entrüstung, meine Damen und Herren! — Es ist uns in vollem Umfange bekannt, daß der Regierung jetzt in ausreichendem Maße die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um mit marktkonformen Mitteln, z. B. einer forcierten Einfuhr, einen von allen Seiten offenbar gewünschten Druck auf die Preise herbeizuführen. Wir müssen deshalb — und das möchten wir mit unserem Antrag 2687 vorschlagen — die Regierung auffordern, auch jede noch so kleine Chance zu benutzen, um hier zu wirkungsvollem Eingreifen zu kommen, und dazu gehört eben mehr als nur die von der Regierung angekündigte Maßnahme: Senkung oder Verzicht auf Erhebung der Schweinefleischzölle bis zur Wiederherstellung vernünftiger Preise. Das genügt deshalb nicht, weil nicht genügend Schweine vorhanden sind und für die Schweineeinfuhr auch nicht in dem nötigen Umfang Dollars zur Verfügung stehen. Es muß deshalb alles getan werden, um auch die nötigen psychologischen Momente in Bewegung zu setzen.
Wir schlagen Ihnen daher mit unserem Antrag 2687 vor, daß bis zur Wiederherstellung vernünftiger Preise zur Überwindung der sehr ärgerlichen Kartoffelpreise insbesondere die Zölle auf alle Fleischeinfuhren und natürlich auch der Zoll auf die Kartoffeleinfuhr nicht erhoben werden. Bitte, ich weiß auch, daß es in Europa und für uns erreichbar nicht so viel Kartoffeln gibt, daß wir durch entsprechend umfangreiche Einfuhr einen Preisdruck bewirken könnten. Es gibt aber kleinere Mengen von Kartoffeln, und ebenso wie die Spekulanten spekulieren und versuchen, durch irgendeine Panikstimmung, durch irgendwelche Meldungen die Bevölkerung in eine ganz bestimmte Haltung hineinzuhetzen, muß sich meiner Ansicht nach die Regierung im Kampf gegen solche üblen Elemente, mit denen sich sicherlich keiner identifizieren möchte und denen bei ihren Geschäften sicherlich keiner helfen will, ebenfalls solcher Mittel bedienen, und der Verzicht auf die Erhebung der hier genannten Zölle ist ganz im Ernst, wenn es nur ernsthaft angewendet wird, ein solches Mittel.
Meine Damen und Herren, wir versprechen uns davon keine Sensationen; wir halten es aber für einen Beweis des guten Willens der Regierung auch den Verbraucherschichten gegenüber, und wir können diese Forderung in der heutigen Situation erheben, ohne daß mit Ernst gesagt werden könnte
daß dadurch für die Landwirtschaft Absatzschwierigkeiten heraufbeschworen werden würden oder daß das zu Preiseinbrüchen führen müßte, die die deutsche Landwirtschaft nicht ertragen könnte, die ihr auch kein Mensch zumuten will, sondern hier handelt es sich um eine zeitweilige Aussetzung von Zöllen zu einem ganz bestimmten und genau begrenzten Zweck, und in dem Augenblick, in dem der Zweck erreicht ist, können diese Zölle wieder in Kraft gesetzt werden. Dazu brauchen wir mit niemand zu verhandeln; das haben wir völlig in der Hand, und wir sollten uns diese Gelegenheit nutzbar machen, um der andern Seite, dem andern Teil der Bevölkerung zu zeigen, daß auch er nicht aufgegeben ist, daß man ihm mit Taten zu Hilfe kommt, auch mit kleinen Taten, wenn große nicht möglich sind, und daß man ihn nicht Rur mit Redensarten abspeisen möchte.
Das Wort hat der mit der Vertretung des Herrn Bundeskanzlers beauftragte Herr Minister für den Marshallplan.
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zu dem Antrag 2686 und zu der hierfür vorgebrachten Begründung im Namen der Bundesregierung ganz kurz äußern.
Ich darf zu meiner Freude Herrn Kollegen Kriedemann eine Selbstverständlichkeit versichern: daß die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister letztens hier mitgeteilten Zahlen in jeder Beziehung nachprüfbar sind und daß das von ihm aufgezeigte Bild einer unerwartet günstigen Entwicklung richtig ist. Es ist nun einmal wirklich so, daß die intensiven Bemühungen der Bundesregierung, daß die Politik der Liberalisierung und die Politik der europäischen Zusammenarbeit es möglich gemacht haben, in den sechs Monaten von Mitte April 1951 bis Mitte Oktober 1951 unseren Status innerhalb der Europäischen Zahlungsunion um rund 417 Millionen Dollar zu verbessern.
Das ist jene Entwicklung, die uns dann allmählich auch eine Handlungsfreiheit gibt, die wir in der Vergangenheit nicht haben konnten. Wir haben praktisch erst im Dezember 1949 mit einer eigenständigen Exportwirtschaft begonnen. Das, was vorher bestand, wurde geregelt oder gemaßregelt, und wir sind dann schrittweise vorwärtsgekommen und können jetzt davon sprechen, daß wir nun wirklich in der Lage sind, all das Notwendige zu tun, das, was auch Sie für notwendig halten, um aus der schluckweisen, der tageweisen Einkaufsdisposition allmählich zu einer langfristigen zu kommen, die uns ja nicht nur Vorräte sichert, sondern auf die Dauer auch in der Tat bedeutende Ersparnisse gewährleistet.
Es ist infolgedessen auch selbstverständlich, daß das von Ihnen geforderte Programm in der Tat vorliegt und gerade in den letzten zwei Wochen zwischen den beteiligten Ressorts in den Einzelheiten besprochen und abgestimmt worden ist. Daß dabei der von Ihnen erwähnte Zucker eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt, brauche ich nicht zu erwähnen. Aber auf der anderen Seite ist es nach meiner Ansicht nicht richtig — und ich bitte alle Seiten des Hohen Hauses, das doch sehr ernstlich zu erwägen —, nun etwa vorgesehene Einzeldispositionen zum Gegenstand öffentlicher Vorlagen zu machen.
Ich möchte sagen: genau so, wie der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sich in vorbildlicher Weise entschlossen hat, bestimmte Verhandlungen auf Grund der ihm gemachten Ausführungen vertraulich zu behandeln, genau so möchte ich es namens der Regierung für zweckmäßig halten, wenn sowohl dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie dem Wirtschaftsausschuß Gelegenheit gegeben würde, in den nächsten Tagen Bericht und Vorschlag der Bundesregierung über die Dispositionen für die nächsten neun Monate entgegenzunehmen.
Meine Damen und Herren, für die Aussprache ist es nach den vorausgegangenen Ausführungen des Herrn Antragstellers wohl am zweckmäßigsten, beide Punkte gleich zusammenhängend zu behandeln. Das bedeutet natürlich auch eine Addition der Redezeiten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fassbender.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen, daß in diesem Hohen Hause einmal eine Aussprache darüber stattfindet, wie unsere gegenwärtige Ernährungssituation ist, aber auch darüber — und das darf man uns nicht übelnehmen —, wie sie war.
Dem ersten Antrag der SPD, Drucksache Nr. 2686, ist nicht viel hinzuzufügen. Er ist ja auch wohl in der Hauptsache durch die Erklärungen des Herrn Vizekanzlers gegenstandslos geworden;
denn die Regierung hat erklärt, sie würde in kürzester Frist ein Programm für die nächsten neun Monate über die Artikel des Ernährungssektors, die sie vorhat einzuführen, aufstellen. Wir möchten aber bei der Gelegenheit die Regierung heute schon bitten, darauf hinzuwirken, daß bei den Einfuhren in erster Linie ein Gebiet berücksichtigt wird, das wir als außerordentlich wichtig bezeichnen, nämlich die Einfuhr von Futtermitteln.
Man darf gerade bei unserer gespannten Devisenlage nicht vergessen, daß wir die veredelten Nahrungsmittel in Deutschland viel billiger herstellen können und auch herstellen und viel weniger Devisen brauchen, wenn wir Futtermittel einführen, Schweinefleisch in Deutschland fabrizieren — wenn ich mich mal so ausdrücken darf —, anstatt Schweinefleisch einzuführen.
Damit dürfte der Antrag Drucksache Nr. 2686 von uns wohl genügend beleuchtet sein.
Gestatten Sie mir, daß ich zu dem Antrag Drucksache Nr. 2687 etwas eingehender Stellung nehme. Man hat hier mit Recht festgestellt, daß auf dem Kartoffelmarkt so etwas wie eine Torschlußpanik entstanden ist. Ich glaube, es wäre angebracht, uns einmal in Ruhe und Nüchternheit in diesem Hause darüber zu unterhalten, wie die Situation denn in Wirklichkeit aussieht. Fest steht, daß die deutsche Kartoffelernte in diesem Jahr immerhin bloß einige Millionen Tonnen geringer ist als im Vorjahr; fest steht aber auch, daß wir nicht einen Bruchteil der geernteten Kartoffeln zur Sofortnahrung verbrauchen.
Wenn ich in letzter Zeit die Presse verfolgt habe, dann habe ich manchmal sehr bittere Worte über angebliche Wucherpreise vernehmen müssen. Wie ist denn die Situation in Wirklichkeit? Nach den mir von heute vorliegenden Berichten der größeren deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften, und zwar derer von Schleswig-Holstein, von Niedersachsen und auch Kurhessen, steht fest, daß sich die Erzeugerpreise, d. h. die Preise, die der Landwirt frei Waggon bekommt, im Durchschnitt um 5,50 DM bewegen. Meine Herren von der Sozialdemokratie, ich darf an eines erinnern: Vor 4 Jahren im Wirtschaftsrat — Herr Kollege Kriedemann wird sich dessen entsinnen — haben wir im Ernährungsausschuß sowohl wie im Plenum des Wirtschaftsrats die Feststellung gemacht, daß 5,00 Mark respektive 4,80, 4,60 Mark im Herbst ein Normalpreis für die abgebenden Landwirte sei. Wenn der Preis heute im Durchschnitt auf 5,50 DM gestiegen ist, so wird doch bei der Produktionskostensteigerung der Landwirtschaft weiß Gott kein Mensch sagen wollen, daß hier von der Landwirtschaft Wucherpreise verlangt würden. Es ist doch nicht so, daß die Landwirtschaft einfach mit Lieferungen zurückhielte. Im Gegenteil, mir sind heute Nachrichten zugegangen, daß tatsächlich die angebotenen Kartoffeln teilweise gar nicht verladen werden können. Das deckt sich auch mit dem, was die Bundesbahn bekannt gibt, daß nämlich bis zum gleichen Zeitpunkt in diesem Jahre fast 33 000 Tonnen Kartoffeln zu Speisezwecken mehr verladen worden sind als im Vorjahr. Es ist nicht anzunehmen, daß der Verkehr auf der Landstraße etwa geringer geworden ist.
Ich darf aber auf eines hinweisen. Ich halte es für sehr gefährlich, wenn von einzelnen Landesregierungen respektive deren nachgeordneten Organen dadurch Unsicherheit auf dem Kartoffelmarkt hervorgerufen wird, daß man hergeht und sagt: Derjenige, der die Preise vom Vorjahr um mehr als 15 % überfordert, macht sich des Wuchers schuldig. Dabei ist eines festzustellen. Der vorjährige Durchschnittspreis im Land Hessen — um dieses Land handelt es sich in diesem Falle — betrug im Oktober rund 3,50 DM pro Zentner. Wir wissen alle — und das wissen auch Sie, meine Herren von der Linken —, daß das ein Preis war, zu dem die Landwirtschaft bereits im vorigen Jahr nicht in der Lage war, Kartoffeln zu erzeugen. Diesen Preis von damals, der für die deutsche Landwirtschaft einen Verlustpreis bedeutete, nun als Vorlage zu nehmen für den jetzigen Preis, halte ich für verfehlt. Was würde das bedeuten? Das würde nämlich in der Praxis bedeuten, daß ein Erzeugerpreis, der rund 4 DM überstiege, bereits als Wucher zu bezeichnen wäre, ein Beginnen, das sich für die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Kartoffeln gefährlich auswirken dürfte. Glauben Sie doch nicht, daß unsere Landwirtschaft in der Lage wäre, Kartoffeln für 4 DM zu liefern. Was würde der Erfolg derart unsinniger Anordnungen sein? Daß sie überhaupt nicht liefert! Denn sie kann ihre Preise weiß Gott dann besser über den Schweinemagen erzielen!
Bisher steht fest, daß die deutsche Landwirtschaft den gesamten Bedarf an Kartoffeln decken kann und auch decken wird. Ich muß aber die Verbraucherseite und hier vor allen Dingen die Konsumvereine einmal auf etwas hinweisen: wenn die Preise in den Städten nun langsam Höhen erklettert haben, die uns auch nicht angenehm sind, so besteht doch wohl die Frage — auch hier an die
Verbrauchergenossenschaften gerichtet —: Warum schalten sie sich nicht ein?
Warum gehen sie nicht her und drücken überhöhte Handelspreise, falls sie glauben, daß die Handelsspannen zu hoch seien?
Meine Damen und Herren, ich muß auch hier Wasser in den Wein schütten. Bitte, überlegen Sie: wenn der Kartoffelpreis frei Versandstation sich auf 5,50 DM stellt, dann kommen hinzu im Durchschnitt 60 Pfennig Bahnfracht bis in die Verbrauchergebiete, dazu Umsatzsteuer, dann Abfahren vom Bahnhof, Sacken und wieder Liefern in den Keller! Ja, meine Damen und Herren, Säcke schlepken ist keine angenehme Arbeit! Und diejenigen, die in den Städten die Kartoffeln frei Keller bekommen, die müssen damit rechnen, daß der Preis anders aussieht als derjenige, der dem Bauern draußen bezahlt wird.
Aber wenn die Konsumvereine glauben — und, meine Damen und Herren, denen stehen Sie doch nahe —, daß der Handel hier Geschäfte macht, die nicht sauber wären, — bitte schön, antreten, übernehmen Sie die Kartoffeleinkellerung, und zwingen Sie den Handel zu einem realen Preisgefüge! Denn es ist die Aufgabe der Genossenschaften schlechthin, als Preisregulator auf dem offenen Markt in Erscheinung zu treten.
Nun zu den Zöllen. Ich glaube, daß es unsinnig ist, Kartoffelzölle aufzuheben. Deutschland war immer Kartoffelüberschußland und ist es auch heute noch. Zudem — und das wissen Sie auch, Herr Kriedemann —, wenn überhaupt Kartoffeln aus dem Ausland zu bekommen sind, sind die Preise frei deutscher Grenze nicht anders als diejenigen, die auf dem Inlandsmarkt bezahlt werden.
Und nun verlangen Sie die Aufhebung von Zöllen für Schweinefleisch, Innereien und dergleichen! Ich glaube, es ist notwendig, daß man auch einmal die Entwicklung auf dem Schweinemarkt etwas genauer unter die Lupe nimmt. Es ist immerhin nicht uninteressant, sich einmal den Preisspiegel der letzten drei Jahre vor Augen zu führen. Im Herbst 1949 hatten wir Schweinepreise von rund 110 DM je 50 Kilo, im Frühjahr 1951 von 145 DM, im Juni — das liegt im Wesen des Zyklus, der bei Schweinen üblich ist — waren sie auf 118 DM abgesackt, um im Oktober auf 22 deutschen Großmärkten wieder auf 147 DM im Durchschnitt der Klasse C zu steigen.
Meine Damen und Herren, das deutsche Landvolk hat weiß Gott kein Interesse daran, von überhöhten Preisen zu profitieren. Ich glaube aber, es ist noch gar nicht lange her, da waren die Schweinepreise ab Stall bis auf unter 90 DM abgesackt. Ich habe damals nicht gehört, daß irgend jemand hier das Verlangen geäußert hat, im Interesse der harten Bauernarbeit — denn Schweinemast ist ja das Gebiet der Klein- und Kleinstbauern — irgendwie einzugreifen. Ich habe damals — das wissen Sie, Herr Kriedemann! — im Ernährungsausschuß sogar dem Minister einen Vorwurf gemacht und ihn gefragt, warum er nicht seine Vorratsstellen einschalte,
um einen für die Landwirtschaft erträglichen Preis zu halten. Wären wir damals von den Vorratsstellen aus als Käufer in den Markt gegangen, dann hätten wir jetzt Ware gehabt, wenn auch nicht in großem Umfange, aber immerhin so viel Ware, um eine Sicherheit gegenüber den überspitzten Preisen zu haben.
Nichts hat man getan. Wir müssen von der Regierung verlangen, daß sie ihre Vorratsstellen anweist, in Zukunft entsprechend zu handeln.
Noch etwas, was in diesem Zusammenhang auch nicht uninteressant sein dürfte. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit hier gehört, daß die Verelendungskurve des deutschen Volkes sehr stark im Ansteigen sei. Ja, wie sehen denn die Dinge aus? Man wird mir doch wohl zugeben müssen, daß Schweinefleisch und Zucker nicht gerade Nahrungsmittel der Armsten der Armen sind. Wenn ich Ihnen sage, daß im September 1950 auf 22 deutschen Großmärkten 444 835 Schweine und im September 1951 — also in diesem Jahre — 716 380 aufgetrieben worden sind,
dann ersehen Sie daraus, daß sich der Auftrieb auf diesen Märkten gegenüber dem Vorjahre um rund 60 % gesteigert hat. Da mir bisher nicht bekannt geworden ist, daß da etwa böse Früchtchen am Werke waren, die Schweine aufkauften, um sie in der Nordsee zu versenken, ist anzunehmen, daß der Bedarf auch restlos vorhanden gewesen ist.
Bei dieser Gelegenheit etwas anderes! Von Ihrer Seite wird immer wieder die Wirtschaftspolitik des Herrn Erhard kritisiert. Ich bin freimütig genug, zu erklären: wenn ich mir diese Zahlen und die Verbrauchszahlen pro Kopf des deutschen Volkes vor Augen führe, dann muß ich feststellen: wir sind heute schon wieder an Schweinefleischverbrauchsziffern, die ganz nahe an denen liegen, die wir vor dem Kriege im tiefsten Frieden hatten.
Die Politik des Herrn Erhard kann so schlecht denn doch nicht gewesen sein. Sie werden mir wohl zugeben, daß die von Ihnen so oft genannten 100 Millionäre nicht allein diese enormen Massen von Schweinefleisch konsumieren können. Ich glaube aber auch, daß es gar nicht die Kreise sind, die hier immer angezogen werden. Wir wissen, daß es Kreise in Deutschland gibt, die — Gott sei es geklagt — nicht in der Lage sind, zu diesen Preisen einzukaufen. Ich darf aber daran erinnern, daß wir von den Freien Demokraten es waren, die seit langer Zeit Verbilligungsscheine für diese Menschen verlangt haben, damit auch sie in den Genuß von Fleisch und dergleichen kommen.
Ich hoffe, daß Sie in Zukunft unseren Anträgen zustimmen werden.
Zum Schluß möchte ich noch eines feststellen. Wenn Sie sich die Erzeugungszahlen seit 1946 vor Augen führen, werden Sie feststellen, daß das deutsche Landvolk Leistungen vollbracht hat, die sich, weiß Gott, neben denen der übrigen Wirtschaft sehen lassen können.
Das deutsche Landvolk ist jederzeit bereit, denjenigen zu helfen, denen es sozial schlechter geht als ihm selber. Daraus erklärt sich auch unser Verlangen, der ärmeren Bevölkerung Verbilligungsscheine zu geben. Dann kann geholfen werden. Wir sind aber nicht bereit, den Großverdienern — und wir haben ja eine ganze Menge — auf Kosten des deutschen Landvolks verbilligte Nahrungsmittel zuzuführen. Deshalb bitten wir Sie, diese Zollabsetzungsanträge der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller.
Meine Damen und Herren! Wenn auch Herr Fassbender erklärte, daß der Antrag Drucksache Nr. 2686 nicht mehr zu erörtern sei, fühle ich mich doch genötigt, zu diesem Antrag noch einiges zu sagen.
In diesem Antrag wird gefordert, daß ein Einfuhrprogramm zur Deckung des lebenswichtigen Bedarfs aufgestellt wird und daß die Regierung die Devisen in ausreichendem Maße zur Verfügung stellt. Ein Einfuhrprogramm aufzustellen, d. h. festzustellen, für welchen Bedarf eine Einfuhr notwendig ist, ist eine sehr einfache Angelegenheit; denn wir wissen genau, was wir an Brotgetreide, Zucker, Fett usw. einführen müssen, um den vorhandenen Bedarf zu decken. Aber es ist nicht so einfach, ein Einfuhrprogramm in Zeiten wie den heutigen mit schwankenden Weltmärkten, mit den Versuchen einzelner Staaten, die Bevorratung weiter zu steigern, aufzustellen. Es passiert ja fortwährend, daß uns der Minister im Ausschuß erklärt, der Bedarf an dem und jenem könne durch Einfuhr aus diesem oder jenem Land gedeckt werden; und drei Tage darauf erhält er die Mitteilung, daß die Menge von 250 000 t Getreide, die zugesagt war, auf 100 000 t heruntergesetzt wird.
So wandelt sich Tag für Tag und Woche für Woche das Bild über die Einfuhrmöglichkeiten; und es ist einfach unmöglich, ein stabiles Programm für die Einfuhr aufzustellen.
Herr Kriedemann hat dankenswerterweise gesagt, daß er sich gegen jede Schaffung einer Panikstimmung wende. Das ist ein Standpunkt, den er hier schon des öfteren vertreten hat; und ich stimme darin absolut mit ihm überein. Aber, meine Damen und Herren, was meinen Sie, was draußen losgehen würde, wenn man alle vierzehn Tage der Öffentlichkeit die Wandlungen des Einfuhrprogramms verkünden würde, wenn man sagen müßte: dort hatten wir eine Zusage für eine Viertelmillion Tonnen Weizen; diese Menge ist jetzt auf 100 000 Tonnen heruntergesetzt worden?! Der einfache Mann draußen versteht die Zusammenhänge nicht und sieht dann dort schon gewisse große Mangelerscheinungen; und dann beginnt der Run auf den Markt. Was wir aber in der Ernährungswirtschaft gerade brauchen, ist absolute Ruhe. Der Minister unterrichtet den zuständigen Ausschuß; und das ist gut so. Von dem Ausschuß wird, auch wenn Vertraulichkeit nicht beschlossen ist, über diese Zusammenhänge nach außen hin geschwiegen, um eben keine Panik herbeizuzaubern. Das gilt nicht nur für Getreide, das gilt auch für die anderen Lebensmittel.
Und nun das Zweite: die Regierung soll die notwendigen Devisen zur Verfügung stellen. Meine Damen und Herren, das ist im vergangenen Jahr doch der ewige Kampf gewesen, die Devisen zu bekommen,
um die Versorgung zeitig durchzuführen. Die Erreichung dieses Ziels war nicht möglich. Es trifft auch den Minister keine Schuld, wenn wir im vorigen Jahr 50 bis 60 Millionen DM mehr für die Einfuhr von Lebensmitteln haben aufwenden müssen, weil wir zu spät einkaufen mußten und nicht in Termingeschäfte hineingehen konnten. Der Minister hat alles mögliche versucht, die Aufgabe zu meistern. Es ist ihm nicht gelungen, weil nach der Satzung der Bank deutscher Länder sie allein über die Devisen und die Verwendung derselben verfügt, so daß ich scherzhaft gesagt habe, der Präsident der Bank deutscher Länder ist der erste Wirtschafts- und auch der erste Ernährungsminister. Meine Damen und Herren, ich mache den Herren der Bank deutscher Länder nicht den Vorwurf, böswillig gehandelt zu haben; sie sind vielleicht aus den Verhältnissen heraus zu dieser Zurückhaltung gezwungen worden. Auf die Dauer geht das aber nicht so weiter. Ich bin der Auffassung, daß wir sehr bald ein Bankengesetz brauchen, das einmal Klarheit darüber schafft, daß die Verfügung über die Devisenvorräte nicht allein dem Präsidium der Bank deutscher Länder und dem Zentralbankrat zusteht,
und das die Möglichkeit gibt, die Wirtschaftspolitik der Regierung durch die rechtzeitige und ausreichende Zurverfügungstellung von Devisen zum Erfolg zu bringen.
Meine Damen und Herren, es ist erfreulich, daß der Herr Vizekanzler bestätigen konnte: die Zahlen, die der Bundeswirtschaftsminister genannt hat, entsprechen den Tatsachen. Das gibt mir die Hoffnung, daß es gelingen wird, in kurzer Zeit die Bank deutscher Länder dahin zu bringen, daß wir auf den wichtigen Sektoren Terminkäufe machen können, um damit unsern Bedarf zu erträglichen Preisen zu decken. Herr Kriedemann hat schon beim Zucker darauf hingewiesen, daß es möglich ist, den Bedarf ohne Inanspruchnahme von Subventionen zu decken. Wenn es uns gelingt, auf dem Weltmarkt aus Übersee Lebensmittel zu Weltmarktpreisen einzukaufen, werden wir auch gewissen Spekulanten im europäischen Raum, die gerne bereit sind, die mangelnde Deckung des deutschen Bedarfs auszunutzen, um ein besonderes Geschäft daraus zu machen und besonders hohe Preise herauszuschlagen, entsprechend begegnen können. Denn die europäische Agrarunion kann ja nicht damit beginnen und das Ziel haben, daß man den Landwirtschaften der anderen europäischen Länder Preise zahlt, die weit über den Weltmarktpreis hinausgehen. Da ist es notwendig, daß wir den Rücken frei bekommen, daß nach der Richtung hin die nötigen Devisen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, um gerade die Einfuhr und den Einkauf auf Termin zu tätigen, damit wir aus den gröbsten Sorgen herauskommen.
Grundsätzlich stimme ich den Anregungen, die in dem Antrag der SPD ausgesprochen sind, zu. Ich habe aber Bedenken, ihn in der Form, wie er hier gestellt worden ist, anzunehmen und ich bitte Sie, diesen Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen, damit wir. uns darüber klar werden, welche Publizität dem Einfuhrplan der Regierung gegeben werden kann. Denn — und da besteht zwischen Herrn Kriedemann und mir Einigkeit — es muß vermieden werden, daß in irgendeinem Augenblick eine Panikstimmung in die Bevölkerung hineingetragen wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion stimmt dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 2686 zu.
Wir möchten mit diesem Antrag zwei Forderungen an die Bundesregierung verknüpfen. Wir ersuchen die Bundesregierung, sich verstärkt darum zu bemühen, mit der Regierung der DDR und den Ländern des Ostens zu einer Erweiterung des Handels zu kommen. Denn dieser Handel entspricht den Interessen unserer Wirtschaft und den Interessen der Verbraucher, da er an keinerlei politisch verletzende Bedingungen gebunden ist. Wir ersuchen die Bundesregierung im Interesse der Verbraucher, bei den Lieferungen aus dem Westen darauf zu achten, daß man uns nicht, wie schon so oft, die alten Ladenhüter für überhöhte Preise liefert.
Und nun zu dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 2687. So richtig es ist, daß etwas Durchgreifendes gegen die Preiserhöhungen geschehen muß, so erblicken wir doch in dem Antrag der SPD nicht die Lösung des Preisproblems. Die SPD will mit diesem Antrag erreichen, daß für die im Antrag genannten Produkte bei der Einfuhr für eine geraume Zeit keine Zölle erhoben werden. Die Antragsteller versprechen sich davon eine Preissenkung. Was aber muß man sehen? Bei den im Antrag der SPD benannten Produkten handelt es sich um solche Produkte, über die wir in Westdeutschland genügend verfügen. Eine verstärkte Einfuhr dieser Produkte muß sich deshalb auf den Absatz unserer eigenen landwirtschaftlichen Produktion katastrophal auswirken. Auf der andern Seite ist es doch so: die Einfuhr dieser Produkte kann man nur in beschränktem Maße vornehmen. Und was wird sein, wenn diese Einfuhr beendet ist? Der alte Tanz der Preiserhöhungen wird erneut beginnen. Preiserhöhungen aber sind für die Landwirtschaft keine Lösung und schädigen den Verbraucher. Der Bauer bekommt heute zwar einen höheren Preis für seine Produkte; morgen kommt dann aber der Bundesfinanzminister Schäffer und steuert davon einen erheblichen Teil weg, und übermorgen kommt die Industrie mit überhöhten Preisen. Und was bleibt dann dem Bauern übrig? So steht doch das Problem. Deshalb ist die Preiserhöhung für den Bauern keine wirkliche Hilfe. Im Gegenteil; höhere Preise haben zur Folge, daß die Verbraucher weniger kaufen können; und das wirkt sich dann in der Folge auf den Absatz landwirtschaftlicher Produkte aus.
Nach unserer Auffassung liegt die Wurzel des Übels viel tiefer, als das in der Diskussion hier zum Ausdruck kam. Die Wurzel liegt darin, daß zugunsten der Großen in der Industrie und in der Landwirtschaft ständig die mittleren und kleineren Bauern gedrückt werden. Dazu kommen die Folgen des Krieges und die damit verbundenen riesigen Belastungen, die nicht zuletzt auf den
A Bauern und auf die Verbraucher abgewälzt werden. Es ist doch bekannt, daß der Finanzminister, Herr Schäffer, ein Meister in diesem Abwälzen und in der Erfindung immer neuer Steuern ist, um auf der einen Seite die Besatzungskosten zu bezahlen und um auf der andern Seite Beträge für den sogenannten Sicherheitsbeitrag hereinzuholen. Und nicht zuletzt kommt dann Herr Professor Dr. Erhard, der doch die Preistreiberei der Konzerne fördert, und hinzu kommen die hohen Frachtsätze und die überhöhten Handelsspannen Diese Tatsachen haben dazu geführt, daß die steuerliche Belastung von 4 Mark pro Hektar im Jahre 1914 auf 120 Mark pro Hektar im Jahre 1950 angestiegen ist. Diese Politik hat dazu geführt, daß die Schere zwischen den Industrie- und Agrarpreisen immer weiter wird. Diese Politik hat dazu geführt, daß die Landwirtschaft ungeheuer verschuldet ist, daß wir gegenwärtig ungefähr 4 Milliarden DM landwirtschaftliche Schulden haben. Und die Folgen dieser Politik sind dann die Landflucht und die zunehmenden Bankrotte in der Landwirtschaft.
Wie man der Landwirtschaft und gleichzeitig den Werktätigen helfen kann, das zeigt uns die Agrarpolitik, die Preispolitik der Deutschen Demokratischen Republik.
Dort geht die Verschuldung der Bauern ständig zurück, die Steuern werden laufend gesenkt. Sie können darüber lachen, Sie können an den Tatsachen nicht vorbeigehen, und eines Tages werden Sie erleben, daß Ihre Illusionen, die Sie über die Entwicklung drüben haben, verfehlte Spekulationen waren.
Und trotzdem steigt dort die Kaufkraft der Massen. Dort haben wir die Tatsache zu verzeichnen, Herr Kollege, daß der Kartoffelpreis bei 4,20 Mark steht und der Bauer trotzdem verdient und die Schweinemast weitergeht.
Man kann sich drehen und wenden, wie man will, es gibt auch hier nur eine Lösung, und diese Lösung heißt: wir müssen wegkommen von jeder Rüstungspolitik, von jeder Kriegspolitik, wir müssen wegkommen von den Besatzungskosten und von den hohen Profiten, damit die Mittel frei werden, um die Umschuldung der Landwirtschaft vorzunehmen, damit die Mittel frei werden für eine radikale Steuersenkung und für eine großzügige Kredithilfe. Nicht die europäische Agrarunion, Herr Dr. Dr. Müller, der sogenannte Schumanplan der Landwirtschaft, ist eine Lösung für die deutsche Landwirtschaft, sondern ein einheitliches Deutschland, eine einheitliche deutsche Landwirtschaft und ein deutscher Agrarplan und keine amerikanische Agrarunion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lampl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entwicklung der letzten Zeit hat gezeigt — ich darf zur Drucksache Nr. 2687 sprechen —, daß die Verhältnisse auf dem Gebiet der Märkte und der Preise nüchtern und leidenschaftslos betrachtet werden müssen. Diese Entwicklung hat im besonderen gezeigt, daß überstürzte Maßnahmen oder gar panikartige Bestrebungen höchstens nachteilige Folgen haben.
Was den Kartoffelpreis anbetrifft, so ist die Lage wohl klar. Der Herr Sprecher der FDP hat sie schon aufgezeigt. Klar ist die Lage insofern, als im vorhinein sicher war, daß genügend Speisekartoffeln auf jeden Fall zur Verfügung stehen. Die Lage ist auch insofern klar, als heute die Einkellerung im wesentlichen beendet ist. Es ist infolgedessen heute unangebracht, z. B. die Schweinefleischzölle deshalb aufheben zu wollen — wenn auch nur zeitweilig —, weil etwa die Speisekartoffelversorgung durch höhere Schweinepreise gefährdet werden könnte.
Im übrigen — und da muß ich das bestätigen, was der Herr Sprecher der FDP schon erklärt hat — ist es auch in Bayern Tatsache, daß ein großer Teil der Kartoffelernte um 4,50 DM und 4,80 DM pro Zentner vom Erzeuger weggegangen ist und daß die Erzeugerpreise im allgemeinen zwischen 5 und 6 DM gelegen haben. Diese Preise entsprechen zweifellos den Erzeugungskosten, nämlich den gestiegenen Betriebsmittelpreisen und den höheren Löhnen und Steuern. Es war infolgedessen unseres Erachtens vollkommen unnötig, daß man damit angefangen hat, die Preisbehörden gegen landwirtschaftliche Erzeuger in Bewegung zu setzen.
Was für die Kartoffelpreise gilt, trifft weitgehend auch auf die Schweinepreise zu. Wenn man hier die Nerven behält — auch im Kabinett und im Wirtschaftsministerium —, dann pendeln sich die Preise, wie sich gezeigt hat, von selbst aus.
— Ja, meine Herren von der SPD, wie stehe ich da? Sie haben mich kürzlich ausgelacht, als ich von einem Nachgeben der Schweinepreise sprach. Inzwischen haben Sie in den Schlagzeilen der Presse ja gelesen, wie von Preisstürzen auf dem Schweinemarkt usw. gesprochen worden ist.
Wir brauchen uns auch hier nicht zu überschlagen. Wir dürfen vor allem nicht glauben, jede Woche unser Zollsystem ändern zu müssen.
Es war übrigens immer so, daß die Schweinepreise im August, September so ziemlich die größte Höhe des Jahres erreichten. Meine politischen Freunde und ich wollen einerseits dem landwirtschaftlichen Erzeuger auskömmliche Preise zubilligen, wir wollen andererseits dem Verbraucher tragbare Preise sichern. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß Zölle ihrer Natur nach überhaupt nicht geeignet sind, zeitbedingte Preisschwankungen bei irgendwelchen Erzeugnissen zu regulieren oder auszugleichen.
Die Fraktion der Bayernpartei muß daher dem Antrag der SPD, der den Wegfall der Vieh- und Fleisch- und übrigens auch Kartoffelzölle betrifft, die Zustimmung versagen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen meiner beiden Kollegen Fassbender und Lampl bleibt zu der Drucksache Nr. 2687 nicht mehr viel zu sagen. Nur einige kurze Bemerkungen! Es wäre einmal inter-
essant, durch eine Untersuchung festzustellen, wer denn die Schuld daran hat, daß in diesem Jahr die Kartoffelpreise so gesteigert worden sind.
In meiner Heimat wenigstens — und ich habe mir das auch von anderen Gegenden berichten lassen — waren die Bauern während der Kartoffelernte baß erstaunt, daß zu einer Zeit, in der ihnen die Genossenschaften 5 DM pro Zentner frei Waggon bezahlt haben, auf einmal Großverbraucher mit Lastautos auf die Höfe gekommen sind und ihnen von sich aus 6 DM und 6,50 DM bezahlt haben. Das sind keine Einzelfälle. Diese Ereignisse haben wohl einen großen Teil mit dazu beigetragen, daß es zu dieser Psychose gekommen ist.
Des weiteren konnten Sie in der Presse lesen, daß in den letzten fünfzig Jahren kein so niederschlagsarmer Oktober war. Infolgedessen haben die Bauern wohl pflichtgemäß ihre Hackfrüchte geerntet und ihren Weizen und Roggen gesät, anstatt die Kartoffeln auf den Markt zu bringen. Das war wohl auch mit schuld daran, daß zeitweise das Angebot knapp war. Auf alle Fälle würden meine Kollegen es ablehnen, wegen des hohen Kartoffelpreises zum Prügelknaben gestempelt zu werden.
In früheren Jahren hat man seine Kartoffeln etwa Anfang Oktober bis Mitte November eingelagert. Warum mußte man heuer die Kartoffeln absolut schon Ende September haben und spätestens Mitte Oktober die Einlagerung beendet haben? Das ist eine Psychose, die durch nichts gerechtfertigt war und die von anderer Seite hervorgerufen wurde.
Noch einige Worte zu der Schweineproduktion.
Sie haben vorhin gehört, daß man sich nicht durch momentane Situationen auf dem Markte irreführen lassen darf. Daran sollten wir uns halten. Die Situation heuer ist keineswegs anders als in den vergangenen Jahren. Zu dieser Zeit hatten wir immer die höchsten Schweinepreise auf dem Markt. Ich kann es der SPD nicht verdenken, daß sie ihren Antrag am 13. Oktober gestellt hat, als just die Preise ihren Kulminationspunkt erreicht hatten. Ich glaube aber, daß sie vielleicht auf diesen Antrag verzichtet hätte, wenn die Frage heute an sie herangekommen wäre. Die Preise werden meines Erachtens den jetzigen Stand zunächst nachhaltig behaupten und dann langsam absinken. Bei den ungeheuren Produktionszahlen — übrigens eine einmalige Spitzenleistung der deutschen Landwirtschaft — werden in dem kommenden Vierteljahr 800 000 Schweine mehr auf den Markt kommen als im vergangenen Vierteljahr November bis Januar; von Februar bis April werden 650 000 Schweine mehr kommen, und auch in dem Vierteljahr Mai bis Juni werden es noch 500 000 Schweine mehr sein, die die deutsche Landwirtschaft auf den Markt bringt. Ich glaube, es wird nicht schwer fallen, auszurechnen, daß keine Gefahr vorhanden ist, daß die Preise etwa weiter ansteigen werden. Aus dem momentanen Erlebnis an den Zöllen herumzudoktern, nachdem dieses Hohe Haus vor einigen Wochen die Torquay-Sätze heruntergesetzt hat.. halte ich für völlig abwegig. Warum? Das Schlimmste, was Sie einer stabilen Agrarproduktion antun können, sind doch die Eingriffe, die alle paar Wochen erfolgen. Der Bauer verliert das Vertrauen auf eine stabile Agrarpolitik.
Er kann auf dieses Vertrauen nicht verzichten, weil er auf lange Sicht arbeiten muß. Wir glauben deswegen, daß es abwegig wäre, hier die Zölle auszusetzen.
Noch ein kurzes Wort zu der sogenannten guten Rente bei der Schweinehaltung. Eine alte Faustregel sagt, daß sieben Zentner Futtergetreide gleich einem Zentner Schweinefleisch Lebendgewicht sind. Nehmen Sie doch den Gerstenpreis mit 22 DM. Dann kommen Sie auf 154 DM Schweinepreis, just auf den Preis, der bisher auf den Märkten, wohlverstanden, auf den Märkten als höchster Preis bezahlt wurde, den aber nicht etwa der Bauer bekommt. Ich habe heute eine Meldung bekommen, wonach in einem Bundeslande auf dem flachen Lande diese Woche dem Erzeuger 1,15 DM ausbezahlt wurde. Oder wenn Sie etwa den Mais nehmen wollen, dann kommen Sie ja auf 1,60 DM das Pfund Lebendgewicht. So sieht es also mit der Rentabilität aus.
Ein Wort noch zu den Höchstpreisen, die man einzuführen offenbar zeitweise geplant hatte. Wenn der freie Markt besteht — dieser freie Markt hat es zuwege gebracht, daß wir heute in Deutschland 14 Millionen Schweine haben, das muß man sich merken — und die Dinge ihren geregelten Ablauf nehmen, besteht später auch keine Möglichkeit mehr, wenn die Schweinepreise etwa auf 1 DM sinken, durch Mindestpreise einen bestimmten Preis zu sichern.
Wenn Sie ein klassisches Beispiel haben wollen, wie sich ein solcher Eingriff auf dem Schweinemarkt auswirkt, dann gehen Sie in unser Nachbarland Österreich. Dort hatte sich die Regierung veranlaßt gefühlt, einen Höchstpreis für Schweine einzuführen. Was war die Folge? In einer Großstadt von Österreich, die 170 000 Einwohner hat, waren nach Einführung des Höchstpreises zwei ganze Schweine auf dem Markt. Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie glauben, dadurch Ihren Beutel zu bereichern, daß neben dem legalen Markt ein schwarzer Markt entsteht und dem Fiskus die Steuer entgeht, dann führen Sie eben Höchstpreise für Schweine ein!
Ich möchte deswegen bitten, von der Herabsetzung der Zölle und auch von der Festsetzung von Höchstpreisen Abstand zu nehmen. Was würden wir erreichen? Wir würden dem Verbraucher eitel Hoffnungen machen, die nicht erfüllt werden würden, und wir würden den Erzeuger verärgern. Am Ende würde eine Mindererzeugung in der Landwirtschaft stehen.
Das Wort hat Abgeordneter Tobaben.
Meine Damen und Herren! Nachdem zu den beiden Drucksachen Nr. 2686 und Nr. 2687 bereits soviele Redner gesprochen haben, kann ich mich, glaube ich, nicht nur in meinem Interesse, auf ein paar wenige Sätze beschränken. Soweit es sich um die Drucksache Nr. 2686 handelt, sind auch wir der Meinung, daß die Aufstellung eines Versorgungs- und Einfuhrprogramms, um damit die Preise im Interesse der Verbraucher, aber auch der Erzeuger zu regulieren, ein vernünftiger Gedanke ist, den man auf der sachlichen Grundlage der Ausschußarbeit behandeln und in eine Form bringen sollte. Ich bin aber der Meinung, daß wir, wenn wir hier eine Aufhebung der Zölle gerade für die wichtigen Produkte der landwirt-
schaftlichen Veredelungswirtschaft auf der Grundlage des Antrags auf Drucksache Nr. 2687 diskutieren, eine Stimmung schaffen, die, glaube ich, gerade dem Wunsche, daß die Preise sich einregulieren, nicht gerade dienlich ist. Ich weiß nicht, ob der Antrag auf Aufhebung der Zölle auch aus der allgemeinen Stimmung heraus gestellt worden ist. Soviel aber steht fest, daß wir, wenn wir uns Ihrer Haltung anschließen, eine Stimmung schaffen, in der unter Umständen die Auffassung Platz greift, die Kartoffeln könnten weniger werden, und in der diejenigen, die im vergangenen Jahr keine Kartoffeln eingekellert haben und in diesem Jahr 6, 9 und mehr Zentner einkellern, vielleicht 15 Zentner haben wollen. Die Folge wird sein, daß die durch eine solche Psychose geschaffene Nachfrage immer weiter steigt und tatsächlich Überpreise entstehen.
Ich bin der Meinung, wir sollten hier nicht weiter Stimmungen schaffen, sondern diese beiden Anträge dem Ausschuß überweisen und dort auf sachlicher Grundlage zu behandeln versuchen.
Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich trete fast ausnahmslos jedesmal an dieses Pult mit dem deprimierenden Gefühl, daß es eigentlich ein vergebliches Bemühen ist, hier zu einer sachlichen und nüchternen, nicht gefühlsbetonten Aussprache über eine Angelegenheit zu kommen, von der ich annehmen möchte, daß sie immerhin weite Kreise unseres Volkes doch sehr lebhaft interessiert. Es hat doch auch keinen Sinn, wenn sich hier nun jeder verpflichtet fühlt, gleich irgendein Interesse mit allem Nachdruck zu verteidigen, oder daß ich mich nun wieder dagegen verwahren muß, als hätte ich meiner Fraktion geraten, hier aus einer Stimmung heraus einen solchen Antrag zu stellen, und als käme es jetzt darauf an, unsere Landwirtschaft vor dem Verderben zu schützen.
Ganz besonders schlimm wird die Geschichte dann, wenn jemand auftritt wie der Herr Kollege Tobaben und sagt: Was haben sich die Leute dabei gedacht, unser ganzes Volk in Panik zu versetzen, so daß dann die Kartoffeln vielleicht knapp werden und die Leute sogar noch mehr einkellern als vorher!
Reden wir uns bloß nicht ein, daß die Bevölkerung in diesem Lande mit ihrer Reaktion erst darauf wartet, was wir hier besprechen. Es ist doch bezeichnend, daß wir einen Antrag, der am 13. gestellt ist, heute hier gerade diskutieren können. Ich glaube, die Leute draußen im Lande sind den Ereignissen dichter auf den Fersen, als es uns hier gelingt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß mir nicht gesagt zu werden braucht, daß es unzweckmäßig ist, ein Einfuhrprogramm in allen Einzelheiten hier vor uns auszubreiten, in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Ich habe auch niemals geglaubt, man sollte ein solches Einfuhrprogramm mit all seinem vom Marktverlauf abhängigen Auf und Nieder 14tägig hier vor dem Volke ausbreiten. Ich möchte auch nicht glauben, daß irgendeiner der Herren, die das abgelehnt haben, im Ernst der Meinung ist, es käme mir darauf an.
Der Herr Vizekanzler hat also hier noch einmal bestätigt, daß wir genau so viel Geld haben, wie es Herr Professor Erhard neulich gesagt hat. Ich verzichte ganz bewußt darauf, dieses Thema zu vertiefen. Ich müßte sonst Herrn Kollegen Dr. Müller, der z. B. über die Zuckerversorgung und über den Zuckermarkt besser im Bilde ist als irgendeiner in diesem Hause, fragen, ob er sich denn erklären kann, daß wir bei einem Vorrat von 400 Millionen Dollar, die wir bar haben, und 500 Millionen Dollar, die wir noch zu bekommen haben, nicht einmal den außerordentlich geringen Dollarbetrag freibekommen können, mit dem wir heute Terminkäufe-machen könnten, von denen wir alle wissen, daß sie uns große Probleme vom Halse schaffen könnten, z. B. das Problem der Subventionen des teureren Auslandszuckers. Ganz offenbar handelt es sich doch hier um Dollars, die nicht zu dem Zweck gebraucht werden können, zu dem wir sie vordringlich benötigen.
Meine Damen und Herren, dann sind uns viele Dinge gesagt worden. Zum Beispiel sollten sich doch die Konsumgenossenschaften stärker einschalten. Mir ist bekannt — das können Sie sich vielleicht einmal von den landwirtschaftlichen Genossenschaften bestätigen lassen —, daß in einem erfreulich großen Umfange Kartoffelgeschäfte zwischen den Genossenschaften der Erzeuger und den Genossenschaften der Verbraucher stattfinden. Hoffentlich wird das demnächst nicht unter der Überschrift „Mittelstandspolitik gegen die Konsumgenossenschaften" verboten! Immerhin: sie finden statt; und da, wo sie stattfinden, wo sie stattfinden können, weil der Erzeuger bereit ist, auf diesen Weg zu gehen und seine Kartoffeln so abzusetzen, macht es sich auch für den Verbraucher und für den Erzeuger im Preise nach beiden Seiten hin angenehm bemerkbar.
Aber bitte, hier ist doch auf der andern Seite auch wiederum gefragt worden, ob nicht vielleicht diejenigen an den hohen Kartoffelpreisen schuld seien, die als Großverbraucher aufs Land gegangen wären und dort den Bauern 6 DM geboten hätten. — Was erwarten Sie denn von denen, die aufs Land gehen, um unter Ausschaltung des Zwischenhandels Kartoffeln direkt in die Stadt zu bringen? Glauben Sie, daß es von den Betreffenden richtig wäre, den Bauern zuzumuten, auf die Teilung wenigstens eines Teiles der Spanne, die da erspart wird, zu verzichten? Und wenn das Ansinnen gestellt würde, dann wäre ich begierig, von Ihnen zu hören, wie Sie darauf reagieren.
Zu einer andern Bemerkung möchte ich noch ein Wort sagen. Hier ist von Herrn Fassbender, glaube ich, gesagt worden, Schweinefleisch und Zucker seien nicht gerade die Nahrungsmittel für die arme Bevölkerung. Ich darf Herrn Fassbender daran erinnern, daß uns allen eine sehr interessante Untersuchung des Instituts für Zuckerwirtschaft bekannt ist, in der die Zusammenhänge zwischen Schweinefleisch und Zucker sehr überzeugend dargestellt werden. Für diejenigen, die sich Fett nicht oder nicht in ausreichendem Maße leisten können, ist Zucker der einzige Ersatz. Vielleicht nimmt Herr Kollege Fassbender Gelegenheit, das einmal nachzusehen.
Ganz im Ernst: wir sind auch heute noch nicht für Verbilligungsscheine. Wir sind nicht dafür, daß wir einen recht erheblichen Teil unserer Bevölkerung statt mit Geld aus Arbeitslohn oder, soweit die Menschen nicht mehr arbeiten können, aus Renten nun mit einem Verbilligungsschein in den
Laden schicken. Wir halten das nicht für die wahre Liebe, vor allen Dingen dann nicht, wenn es sich eben nicht nur um eine besondere, kleine Gruppe der Bevölkerung handelt; die so versorgt werden muß, sondern um einen recht erheblichen Teil auch der arbeitenden Bevölkerung, einen größeren Teil, als manche heute wahrhaben wollen. Im übrigen wäre ich sehr gespannt, die Stellungnahme des Herrn Bundesfinanzministers kennenzulernen, wenn Sie jetzt im Ernst einmal auf die Verbilligungsscheine für Schweinefleisch losgingen.
Meine Damen und Herren! Der Regierung machen wir den Vorwurf, daß sie z. B. in puncto Kartoffeln nicht zur rechten Zeit auch mit psychologischen Mitteln dafür sorgt, daß die Spekulation auf den Mangel und das dementsprechende — meinetwegen falsche — Verhalten der Bevölkerung aufgefangen wird, sondern daß sie die Dinge erst so laufen läßt, wie sie gelaufen sind.
Ich möchte mich nach allem, was ich gehört habe, nicht mehr mit jedem einzelnen Punkt auseinandersetzen. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist uns mit unseren Anträgen absolut ernst. Wir haben sie keineswegs aus einer Stimmung heraus gestellt, und wir bedauern heute noch weniger denn je, daß wir sie gestellt haben. Ich glaube indessen, daß es wahrlich keinen Sinn hat, die Anträge in den Ausschuß zu geben. Das, worum es sich handelt, kennt jeder; es ist allerdings eine andere Frage, ob wir darüber das reden, was wir wissen. Ich schlage Ihnen in allem Ernst im Namen meiner Fraktion vor, die beiden Anträge jetzt direkt zur Abstimmung zu stellen.
Das Wort hat der Herr Vertreter des Bundeskanzlers, Minister Blücher.
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, um in einer so wesentlichen Angelegenheit keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, noch einmal eines wiederholen: Es ist ganz selbstverständlich, daß die in der letzten Woche von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister gemachten Angaben richtig sind. Ich halte es für notwendig, Herr Kollege Kriedemann, das zu betonen, nicht weil mir an einer Fortsetzung einer Aussprache läge, sondern weil es sich bei dieser Feststellung um etwas Notwendiges handelt. Denn wohin sollten wir kommen, wenn Tatsachenfeststellungen, die von der Regierungsseite aus gemacht werden, nicht einer objektiven Nachprüfung standhalten würden!
Auf der andern Seite habe ich aber aus Überzeugung Ihrem Wunsche stattgegeben, der der Wunsch der Gesamtregierung und des gesamten Hauses ist, nämlich von dem System der jüngsten Vergangenheit, also der letzten Jahre, abzukommen, nämlich aus der Hand in den Mund zu leben. Wenn Sie da auf einen scheinbaren Widerspruch hingewiesen haben, der zwischen den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers und den Worten des Herrn Bundesernährungsministers bestehe, so ist die Aufklärung sehr einfach. In der vorigen Woche hat Ihnen der Herr Bundesernährungsminister diese Antwort in einem Augenblick gegeben, in dem es allerdings auch nach meiner Ansicht darauf ankam, nicht nur vom Zucker zu sprechen, sondern gerade das auch von Ihnen und von uns allen gewünschte Gesamteinfuhrprogramm auf Grund der übersehbaren Devisenpositionen abzustimmen, und zwar nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch bei jenen gewerblichen Rohstoffen, die notwendig sind, wenn wir die Produktion aufrechterhalten wollen. Diese Abstimmungsarbeiten sind vorgestern abend in meinem Hause abgeschlossen worden; daher das sofort von mir gemachte Angebot, wir sollten dahin übereinkommen, daß wir nicht — wie einer der Herren Abgeordneten, die nach mir sprachen, sagte — bald, sondern — ich habe das nicht ohne Grund gesagt — in den nächsten Tagen über die vorliegenden und zahlenmäßig errechneten Programme in vertraulichen Besprechungen sowohl im Ernährungsausschuß wie im Wirtschaftsausschuß berichten; denn es handelt sich um fertige und vorliegende Arbeiten.
Ich darf Ihnen im Zusammenhang damit sagen, daß ein Herr von der Bundesregierung vorgestern beauftragt worden ist, nun auch alle Gespräche mit der Bank deutscher Länder in dem Sinne zu führen, daß die Zustimmung des Zentralbankrates zu diesen von uns gemachten Vorschlägen in recht kurzer Zeit eingeholt werden kann.
Ich glaube, ich habe mich so deutlich und so klar wie nur möglich ausgedrückt, und ich glaube, wiederholen zu dürfen: eine längerfristige Disposition, für die wir unserem erfolgreichen Außenhandel Dank wissen, ist im Interesse der Sicherheit, im Interesse eines geregelten Marktes und im Interesse der Kostenersparnis, damit im Interesse aller Beteiligten gelegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich beantrage, den Antrag auf Drucksache Nr. 2686 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Antrag Nr. 2687 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Überweisungsanträge gehört. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung über die Anträge und komme zur Abstimmung, zunächst über den Überweisungsantrag. Es ist beantragt worden, den Antrag in Drucksache Nr. 2686 nur dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Antrag in Drucksache Nr. 2687 dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die den Überweisungsanträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist ohne Frage die Mehrheit des Hauses. Damit ist die Überweisung erfolgt.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, jetzt den
Mündlichen Bericht des Ausschusses für den
Lastenausgleich über den von
den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP,
- DP, BP und des Zentrums eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes über die Stundung
entgegenzunehmen. — Sie sind damit einverstanden.
Berichterstatter ist der Abgeordnete Schütz; ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für den Lastenausgleich hat in seiner heutigen Sitzung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums Stellung genom- men. Diesem Antrag liegen zwei verschiedene Erwägungen zugrunde. Einmal folgende: Die fortschreitende Teuerung hat nicht nur eine angemessene Erhöhung der Löhne und Gehälter veranlaßt, sondern auch den Gesetzgeber bewogen, durch Teuerungszulagen zu den Sozialversicherungsrenten und den Gehältern und Pensionen dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Unberücksichtigt blieb bis zur Stunde der große Kreis der Unterhaltshilfeempfänger. Dieser Personenkreis, der sich zu etwa 60 v. H. aus Heimatvertriebenen und zu 40 v. H. aus Kriegssachgeschädigten, Währungsgeschädigten und rassisch, religiös und politisch Verfolgten zusammensetzt, hat bis jetzt zu den bescheidenen Unterhaltshilfen in der Höhe von monatlich 70 DM für die Einzelperson oder das Familienoberhaupt, 30 DM für die Ehefrau und 20 DM für das Kind keinerlei Beihilfe oder Aufbesserung erhalten. Daraus ergibt sich ein Notstand, den zu beheben sich der Gesetzgeber verpflichtet fühlt.
Auf der andern Seite wurden in diesem Hause mehrmals Anträge insbesondere von Vertretern der Landwirtschaft eingebracht, die bezweckten, daß die Hebesätze bei der Soforthilfeabgabe den Bedürfnissen insbesondere der kleinen Realvermögensbesitzer angepaßt werden. Das Haus hat diese Anträge immer wieder mit dem Hinweis auf das zu erwartende Lastenausgleichsgesetz, das hier gewisse Korrekturen vorzunehmen beabsichtigt, abgewiesen. Da die Arbeiten für die Fertigstellung des Lastenausgleichsgesetzes noch nicht so weit gediehen sind, daß diesen Wünschen zu dem Abgabetermin des 20. November 1951 entsprochen werden kann, haben die antragstellenden Fraktionen in dem vorliegenden Antrag versucht, beiden Bedürfnissen einigermaßen Rechnung zu tragen.
Die von dem Ausschuß erarbeitete Vorlage legt Ihnen einen Gesetzesantrag von acht Paragraphen in zwei Artikeln vor.
Der Art. 1 der Vorlage sucht den Wünschen nach einer Stundung der Soforthilfeabgabe Rechnung zu tragen. Die Ziffer 1 des § 1 wurde vom Ausschuß einstimmig angenommen. Ich setze voraus, daß Sie mit mir übereinstimmen, wenn ich auf eine nähere Erläuterung des Textes, der ja vor Ihnen liegt, verzichte.
Die Ziffer 2 des § 1, die dem abgabepflichtigen Vermögen, dessen Einheitswert zwischen 15 000 und 75 000 DM liegt, auf Antrag ebenfalls beschränkte Stundungsmöglichkeiten einräumt, wurde im Ausschuß mit 16 gegen 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.
Die Ziffer 3 des § 1 sieht die Möglichkeit einer Saldierung für das abgabepflichtige Vermögen von Flüchtlingsbetrieben vor. Sie wurde mit der gleichen Mehrheit angenommen. Berechtigte Bedenken gegen diese Ziffer wurden von Sprechern aller Fraktionen mit Hinblick auf die analogen Verhältnisse der Kriegssachgeschädigten vorgebracht. Der Ausschuß hätte diesen Einwendungen gern Rechnung getragen. Das setzt aber voraus, daß in jedem einzelnen Fall eine Schadensfeststellung vorweggenommen werden müßte. Aus diesem Grunde können diese Fälle erst bei der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes hinsichtlich der Saldierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Der Art. 2 der Vorlage regelt die Teuerungszulagen zu den Unterhaltshilfen. Sie wurden ab 1. Oktober dieses Jahres für den einzelnen Anspruchsberechtigten oder das Familienoberhaupt um 15 DM, für die Ehefrau und jedes Kind um 7,50 DM und für Vollwaisen um 10 DM monatlich erhöht. Durch diese Erhöhungen treten die nach dem Gesetz vom 10. August 1951 gewährten einstweiligen Teuerungszulagen zur Abgeltung von Preiserhöhungen in der Höhe von 3 DM pro Kopf und Monat und die durch das Rentenzulagegesetz gewährten Teuerungszulagen für diesen Personenkreis außer Kraft.
Eine echte Sorge bereitete dem Ausschuß die Frage der Deckung der Aufwendungen nach Art. 2 des Gesetzes. Diese Teuerungszuschläge sollen nach dem einmütigen Willen des Ausschusses vorläufig aus den Mitteln des Soforthilfeaufkommens gedeckt werden. Lassen Sie mich hierzu den Text des § 6, der diese Frage regelt, wörtlich vorlesen. Ich bemerke noch, daß dieser Text in Anwesenheit des Herrn Finanzministers zustande gekommen ist.
Es heißt:
Die Teuerungszuschläge nach diesem Gesetz werden bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich vorschußweise aus dem Soforthilfefonds geleistet. Sie sind aus Mitteln des Bundeshaushalts zu erstatten; eine etwaige Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern wegen teilweiser Rückerstattung der aus dem Bundeshaushalt erstatteten Beträge bleibt vorbehalten.
Der Ausschuß war einmütig der Auffassung, daß, weil das abgabepflichtige Vermögen, gerechnet vom Währungsstichtag, ein stabiles Vermögen ist, diesem abgabepflichtigen Vermögen nicht die veränderlichen Größen, wie sie z. B. in den Wirtschaftsschwankungen und in der Teuerung zum Ausdruck kommen, angelastet werden können. Deshalb kann die durch die Teuerung notwendig gewordene Erhöhung der Unterhaltshilfesätze nicht dem Fonds angerechnet werden. So wie die Teuerungszulagen für die Rentner, Pensionäre und Beamten aus Haushaltsmitteln aufzubringen waren, muß das auch in diesem Falle geschehen. Dem steht gegenüber, daß zur Zeit keine haushaltsmäßigen Mittel zur Verfügung stehen. Deshalb soll der Fonds die dadurch notwendigen 109 Millionen DM zunächst vorschießen. Dieser Betrag soll aber haushaltsmäßig in späteren Haushalten abgedeckt werden. Der Ausschuß war sich darüber einig, daß dies nicht unbedingt in einem einzigen Haushaltsjahr geschehen muß. Der Ausschuß betont jedoch, daß er darunter nicht eine Hinausschiebung der Rückerstattung auf einen zu großen Zeitraum versteht.
Was die Fassung des § 6 hinsichtlich der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern betrifft, so ist zu erwähnen, daß, wenn wir dieses Gesetz nicht verabschiedeten, in einer Reihe von Ländern
und Gemeinden durch die dort inzwischen eingetretene Erhöhung der Fürsorgerichtsätze diesen Gebietskörperschaften die Lasten zufallen würden, die wir durch dieses Gesetz übernehmen. Es erscheint uns als recht und billig, wenn sich der Bundesfinanzminister über einen Ausgleich der dadurch auf ihn zukommenden Ausgaben, die sonst auf die Haushalte der Länder zukämen, mit diesen zu verständigen hat.
Dieses Gesetz befriedigt keineswegs alle Erwartungen auf beiden Seiten der Betroffenen. Es will und soll auch nur ein Übergangsgesetz von den Bestimmungen des geltenden Soforthilfegesetzes zu dem erwarteten Lastenausgleichsgesetz sein. In diesem Sinne bitte ich im Namen des Ausschusses um die Zustimmung des Hohen Hauses.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß für die allgemeine Aussprache der dritten Beratung eine Redezeit von 40 Minuten vorgesehen wird.
Ich eröffne die Einzelaussprache der
zweiten Beratung.
Ich rufe zunächst auf Art. 1 § 1. Zu diesem § 1 liegen drei Abänderungsanträge vor. Der weitestgehende ist der der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen, der offenbar noch nicht an Sie verteilt ist, in Art. 1 § 1 die Ziffer 2 zu streichen. Weiterhin ein Antrag der Fraktionen der FDP und der DP auf Umdruck Nr. 345,
in § 1 Ziffer 2 die Worte „jedoch nicht mehr als 75 000 DM" zu streichen,
und in Umdruck Nr. 346 ein Antrag der Fraktion
des Zentrums betreffend Ziffer 2 und Ziffer 3. Es
muß jedesmal „Ziffer" und nicht „Absatz" heißen.
Meine Damen und Herren, wer wünscht zur Begründung der Anträge das Wort zu nehmen? — Herr Abgeordneter Dr. Kather, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf bringt eine Belastung des Soforthilfefonds in doppelter Hinsicht, einmal eine Erhöhung der Ausgaben und zweitens eine Verringerung der Einnahmen. Es handelt sich um erhebliche Beträge. Die Erhöhung der Sätze für die Unterhaltshilfe würde im Jahre eine Summe von 218 Millionen DM erfordern und die vorgeschlagene Stundung 59 Millionen im Vierteljahr. Wenn wir das beschließen, dann ergibt sich daraus notwendigerweise eine Kürzung bei anderen Aufgaben, die das Hauptamt für Soforthilfe durchzuführen hat, und zwar allerwichtigsten Aufgaben. Ich nenne hier nur die Hausratshilfe.
Die Antragsteller halten deshalb eine generelle Stundung nicht für notwendig oder tragbar oder jedenfalls nur in dem Rahmen, der durch § 1 Ziffer 1 gesteckt worden ist. Wir haben bei der Erhöhung der Sätze der Unterhaltshilfe um Beträge von 2 DM gestritten. Daher müssen wir uns auf der andern Seite überlegen, ob wir Stundungen vornehmen sollen oder dürfen, die nicht absolut notwendig sind. Es handelt sich bei dem Antrag, den wir gestellt haben, darum, Ziffer 2 des § 1 Art. 1 zu streichen, also die im Antrag Drucksache Nr. 2708 enthaltene Bestimmung, daß bei landwirtschaftlichem Vermögen eine teilweise Stundung auch dann vorgenommen wird, wenn das Vermögen den Betrag von 15 000 DM übersteigt.
Meine Damen und Herren, es kann sicher niemand verkennen, daß bei der Landwirtschaft und insbesondere bei den kleineren Landwirten vielfach auch eine echte Notlage vorhanden ist und daß ihnen die weitere Zahlung der Soforthilfe Schwierigkeiten bereitet. Wir haben uns deshalb auch damit einverstanden erklärt, daß die generelle Stundung in Höhe von 20 DM bei der nächsten Rate bei Vermögen bis zu 15 000 DM vorgenommen wird. Damit dürften gerade die Fälle ausgeräumt worden sein, die uns immer entgegengehalten wurden. Wenn man uns z. B. gesagt hat, daß in Württemberg von im ganzen 140 000 landwirtschaftlichen Betrieben 115 000 bis zu 2 ha groß sind, so glauben wir, darauf erwidern zu können, daß alle diese 115 000 Fälle durch die Ziffer 1, der wir unsere Zustimmung geben, ausgeräumt worden sind.
Was nun die Lage der anderen Landwirte anlangt, so werde ich mich hüten, mich hier mit den landwirtschaftlichen Experten in eine Diskussion einzulassen.
Aber, meine Damen und Herren, ich darf — vielleicht unwidersprochen — eine Äußerung wiederholen, die im Ausschuß gefallen ist; und sie ging dahin: Wenn man die Not der Unterstützungsempfänger, die schon so lange auf eine Erhöhung warten, mit der Lage derjenigen vergleicht, denen durch unseren Antrag eine weitere Zahlung dieser Rate zugemutet wird, dann wird man diese beiden Notlagen nicht miteinander in Beziehung setzen können.
Ich darf nun noch .auf folgendes hinweisen: Man hat uns in der Ausschußberatung entgegengehalten, diese Stundung schlage vielleicht gar nicht so sehr zu Buch, weil einem Drittel der Betroffenen ohnehin Stundung bewilligt worden sei. Das kam vom Finanzministerium. Meine Damen und Herren, diese Tatsache spricht für unseren Antrag. Wir haben immer schon dahin argumentiert, daß ja in allen Fällen, in denen eine wirkliche Notlage vorliegt, die Finanzämter und die Finanzbehörden überhaupt die Möglichkeit haben, Stundung zu gewähren. Die Mitteilung, die ich soeben erwähnte, zeigt j a, daß man von diesem Recht der Stundung auch Gebrauch gemacht hat, und wir würden durch eine generelle Stundung vielleicht gerade dahin kommen, sie denen zu geben, die nicht so sehr darauf angewiesen sind.
Die vorgeschlagene Maßnahme wird damit begründet, daß die betroffenen Kreise im kommenden Lastenausgleich geringere Leistungen aufzubringen haben werden. Dieses Argument verschlägt meiner Ansicht nach nicht. Es ist noch nicht sicher, wie die Regelung der Abgabe im Lastenausgleich aussehen wird. Wir stehen ohne Frage vor einem sehr schwierigen Problem: vor dem Liquiditätsproblem, vor der Frage, wie wir das nötige Geld für die ersten Jahre beschaffen, um alle diese produktiven Maßnahmen verwirklichen zu können. Ich brauche nur ein Stichwort anzuführen: Von 290 000 Bauernfamilien, die aus dem Osten gekommen sind, sind 270 000 immer noch nicht versorgt. Wir werden daher bei der endgültigen Gestaltung des Lastenausgleichs jeden Weg gehen und jede Möglichkeit ausschöpfen müssen, die uns für die ersten Jahre ein größeres Aufkommen sicherstellt. Aber diese Stundung hier, die auch über 15 000 Mark hinaus vorgenommen werden soll, tendiert
gerade in der umgekehrten Richtung. Deshalb müssen wir sie ablehnen.
Wir haben zwar den Antrag nur hinsichtlich der Ziffer 2 gestellt; ich möchte aber noch ein Wort zu der Ziffer 3 sagen, bei der es sich darum handelt, die Flüchtlingsbetriebe in die Stundung einzubeziehen. Wir sind der Auffassung, daß beide Bestimmungen miteinander verkoppelt werden sollten. Wir sind also, wenn unser Antrag angenommen und die weitergehende Stundung für die Landwirtschaft abgelehnt wird, auch damit einverstanden, daß diese Vergünstigung für die Vertriebenen fortfällt, daß ohne Unterschied des Berufes oder des Herkommens die Grenze bei 15 000 DM liegt. Wir glaubten, nicht gerade von uns aus einen solchen Antrag stellen zu sollen; wir werden ihm aber zustimmen, wenn er von anderer Seite gestellt werden sollte. Damit würden wir, glaube ich, unter Beweis stellen, daß wir nicht nur den engeren Kreis unserer Interessen, sondern auch das Ganze im Auge haben.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß zunächst die vorgelegten Abänderungsanträge begründet werden und daß wir dann über die drei Abänderungsanträge gemeinsam sprechen.
Herr Kollege Ohlig!
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat erhebliche Bedenken gegen den ganzen Art. 1 dieses Gesetzes. Mit der darin vorgesehenen gesetzlichen Regelung von Stundungen laufen wir Gefahr, eine Regelung vorwegzunehmen, die endgültig doch erst im kommenden Lastenausgleichsgesetz vorgenommen werden kann. Noch fehlt uns der genaue Überblick über die aus dem kommenden Lastenausgleichsgesetz zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben. Wenn wir jetzt zu einer solchen Festlegung kommen, kann es doch passieren, daß wir dann nichts mehr ändern können, wenn wir beim Lastenausgleichsgesetz etwas ändern müßten. Aus diesen Überlegungen heraus haben wir sehr starke Bedenken.
Trotz dieser Bedenken würden wir aber bereit sein, der Ziffer 1 des § 1 zuzustimmen, weil wir auch im kommenden Lastenausgleichsgesetz die Erhöhung der Freigrenze gegenüber der niedrigeren Grenze im Soforthilfegesetz vornehmen wollen. Der Ziffer 2 dagegen glauben wir nicht zustimmen zu können, weil dort die Gesichtspunkte, die für eine Ausweitung der Ziffer 1 maßgebend gewesen sind, fortfallen. Der Ausfall würde das Aufkommen für den Soforthilfefonds außerordentlich schmälern und die produktiven Hilfeleistungen höchstwahrscheinlich gefährden; denn dann würde natürlich für alle Vermögensgruppen bis zu 75 000 D-Mark von dem Stundungsrecht Gebrauch gemacht werden, während das jetzt nur in beschränktem Maße möglich ist.
Die Streichung der Ziffer 3 beantragen wir nicht, weil wir etwa gegen die Flüchtlingsbetriebe sind, sondern deshalb, weil wir der Auffassung sind, daß wir auch die Kriegssachgeschädigten-Betriebe einbeziehen müßten. Da wir das aber aus technischen Gesichtspunkten nicht können, sollten wir in einem Gesetz, das Erleichterungen bringt, im Hinblick auf das kommende Lastenausgleichsgesetz nicht zwei neue Gruppen schaffen, sondern zumindest versuchen, die Gruppen der Geschädigten gleichzustellen. Aber auch eine solche Gleichstellung ist aus technischen Gründen nicht möglich. Deshalb bitten wir, die Ziffer 3 ganz zu streichen.
Die sozialdemokratische Fraktion stellt deshalb zu der Drucksache Nr. 2708 und dem Ausschußbericht Drucksache Nr. 2723 den Antrag, in Art. 1 § 1 die Ziffern 2 und 3 zu streichen.
Zur Begründung des Antrags der Fraktion des Zentrums hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind der Ansicht, daß in Art. 1 Ziffer 2 — ich bitte das Wort „Absatz" durch „Ziffer" zu ersetzen — genau so gut wie das land- und forstwirtschaftliche Vermögen auch der Althausbesitz berücksichtigt werden muß. Der Althausbesitz ist angesichts der laufenden Verpflichtungen zur Instandhaltung und Steuerbezahlung zur Zeit bekanntlich völlig unrentabel, und zwar beruht das drauf, daß man eine indirekte Subventionierung der öffentlichen Mietwirtschaft auf seine Kosten betreibt. Es ist hier nicht der Ort und die Zeit, darüber zu reden; es mag das notwendig sein. Aber da man unter Berücksichtigung dieser Umstände ohnehin eine Senkung der Belastung des Althausbesitzes ins Auge gefaßt hat und er auch höher belastet ist, als es bei der endgültigen Lastenausgleichsabgabe nach aller Voraussicht der Fall sein wird — er ist jetzt mit 5 bzw. 6 % belastet, der gemischte Besitz mit 6, der andere mit 5 %; er wird demnächst wahrscheinlich nur mit 4 % belastet werden —, so erscheint es notwendig, ebenso wie das land- und forstwirtschaftliche Vermögen auch den Althausbesitz besserzustellen.
Nun bin ich von Mitgliedern dieses Hohen Hauses, die geneigt sind, sich dem Antrag anzuschließen, gebeten worden, an die Stelle des Wortes „Hausbesitz" „Althausbesitz" zu setzen, und ich bitte Sie, den Antrag in diesem Sinne handschriftlich zu verbessern. Es ist inhaltlich dasselbe; denn von diesem Antrag kann ja nur der Hausbesitz betreffen werden, der am Währungsstichtag, am 20. Juni 1948, vorhanden war, also Althausbesitz. Dieser ist jedenfalls gemeint.
Nun zu Ziffer 3. Ich bitte auch hier, das Wort „Absatz" durch das Wort „Ziffer" zu ersetzen. Da handelt es sich um die Frage, ob hier nur Flüchtlinge dieses Vorzuges teilhaftig werden sollen oder auch Sachgeschädigte. Es erregt in den Kreisen der einheimischen Geschädigten immer große Verbitterung, daß die Flüchtlinge, die unter Umständen weniger Sachschaden gehabt haben als sie selbst, ihnen gegenüber bevorzugt werden. Man denkt nicht immer daran; daher sei mir gestattet, ein Beispiel zu schildern, das die Verhältnisse deutlich macht. Wenn ein Vertriebener im Westen Grundbesitz gehabt hat — es gibt solche Fälle, aber ich will nicht persönlich werden und Namen nennen —, so hat er diesen Besitz hier behalten, während die Einheimischen ihren Besitz verloren haben. Das gilt für Geschäfte wie für Haus- und Grundbesitz. Da erscheint es nicht richtig, den Vertriebenen weiter zu begünstigen und den anderen nicht. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Vertriebener hat im Westen einen Besitz mit einem Einheitswert von 100 000 DM, der erhalten geblieben ist. Ein Einheimischer dagegen hatte einen Besitz von eben-
falls 100 000 DM, der bis auf 15-, 18-, 20 000 D-Mark vernichtet worden ist. Dann sollte der Vertriebene also die Vergünstigung bekommen, und der Nichtvertriebene sollte sie nicht bekommen. Der Nichtvertriebene müßte weiter zahlen, obwohl er demnächst wahrscheinlich den gleichen Anspruch haben wird wie der Vertriebene. Das erscheint unbillig, und daher unser Antrag, hier auch den Sachgeschädigten einzubeziehen.
Nun ist eben von dem Herrn Berichterstatter des Ausschusses darauf hingewiesen worden, das mache Schwierigkeiten. Die Schwierigkeiten sind überwindbar, und daß sie überwindbar sind, hat der Ausschuß, der sich mit dem Investitionshilfegesetz befaßt hat, heute morgen auch erachtet. Dort ist nämlich vorgesehen worden, daß die Flüchtlinge, die Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten Vergünstigungen erhalten sollen. Wenn man es da kann, so kann man es hier auch. Das ist aber auch deswegen wohl in diesem Ausmaß möglich, weil die Schäden ohnehin auch bei den Vertriebenen festgestellt werden müssen.
— Bei den Vertriebenen müssen sie genau so festgestellt werden wie bei den Einheimischen. Ich bitte Sie dringend, der stets wachsenden Verbitterung zu gedenken, die sich mit Recht gerade in den Kreisen der Einheimischen breitmacht, weil sie sagen, daß ihr Verlust doch nicht schlechter zu berücksichtigen sei, und darauf Rücksicht zu nehmen. Die Einheimischen wollen keineswegs in Konkurrenz mit den Flüchtlingen treten und deren berechtigten Ansprüchen Abbruch tun; aber es erscheint notwendig, die Einheimischen nicht schlechter zu stellen, und darum bitte ich.
Ich möchte den zweiten Punkt unseres Antrages auf Wunsch einiger Mitglieder des Hauses, die ihm beitreten wollen, auch noch in folgendem Sinne redaktionell ergänzen. Hinter das Wort „Sachgeschädigter" bitte ich entsprechend dem Wortlaut der Ziffer 3 zu setzen: „Kriegssachgeschädigter im Sinne des § 31 Ziffer 2 des Soforthilfegesetzes". Während es in Punkt 3 der Vorlage „Ziffer 1 des Soforthilfegesetzes" heißt, muß es hier „Ziffer 2 des Soforthilfegesetzes" heißen.
Herr Abgeordneter Reismann, darf ich bitten, auch diesen Antrag schriftlich einreichen zu wollen.
Der Antrag der Fraktionen der FDP und DP auf Umdruck Nr. 345 ist noch nicht begründet. — Bitte, Herr Abgeordneter!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden Fraktionen der FDP und DP haben mit diesem Änderungsantrag an Sie die Bitte gerichtet, dem Wegfall des Zwischensatzes „jedoch nicht mehr als 75 000 DM" Ihre Zustimmung zu geben. Eine solche Differenzierung zwischen den Betrieben über und denjenigen unter 75 000 DM Einheitswert beruht auf der irrigen Auffassung, daß die Ertragslage bei den Betrieben mit kleineren und den Betrieben mit größeren Einheitswerten zwangsläufig unterschiedlich sei. Gerade auf Grund der Erfahrungen mit den Stundungen bei der Soforthilfe in den vergangenen zwei Jahren ist festgestellt worden, daß es eine ganze Reihe von Stundungsnotwendigkeiten insbesondere bei Betrieben in Einheitswertklassen über 75 000 DM gegeben hat. Man sollte aber auch nicht in den Irrtum verfallen, daß etwa Betriebe von 75 000 DM Einheitswert und höher schon schlechthin als landwirtschaftliche Großbetriebe anzusehen seien. Ich darf die zahlreichen Teilnehmer der Besichtigungsfahrt durch Niedersachsen, die kürzlich stattgefunden hat, daran erinnern, daß uns gerade im hohen Norden Betriebe mit Einheitswerten von 3000 und mehr D-Mark je Hektar vorgeführt worden sind — die also schon bei 25 ha die 75 000 DM-Grenze erreichen —, bei denen nach den lokal gegebenen Aufklärungen für jeden ersichtlich war, daß die Sätze schon mit Rücksicht auf die allgemeinen steuerlichen Belastungen, die hierauf aufbauen, nicht zu verkraften sind, insbesondere auch nicht die Abgabesätze der Soforthilfe.
Noch ein weiteres. Der Herr Kollege Kather hat ausgeführt, daß man bei Ziffer 1 an die Betriebe von 2 ha und darunter denke und diesen gern eine Erleichterung zukommen lassen -wolle. Man kann doch hier nicht von landwirtschaftlichen Betrieben als solchen sprechen. Es dürfte darunter nur ganz wenige geben, die auf der Basis von Spezialkulturen wirklich auf dieser kleinsten Fläche ihre Existenz finden. In den meisten Fällen werden in diesen Kleinstbetrieben doch Zuverdienstmöglichkeiten ausgeschöpft. Gerade dadurch werden sie in die Lage versetzt, laufenden Barverpflichtungen besser nachzukommen als andere, die ihre Einnahmen nur aus ihrer landwirtschaftlichen Produktionstätigkeit schöpfen.
Ganz besonders widersprechen wir der Begrenzung auf 75 000 DM auch deshalb, weil in der Antragsbegründung von Herrn Abgeordneten Kather sehr deutlich angeklungen ist, daß er seine alte Lieblingsidee verwirklichen und an den bisher in ziemlicher Einmütigkeit im Ausschuß für den Lastenausgleich festgestellten und vorgesehenen Abgabesätzen im endgültigen Lastenausgleich rütteln möchte, in dem Sinn, daß er mit wachsenden Vermögenswerten eine Progressivität der Abgabesätze herbeiführen möchte. Das ist eine von ihm anscheinend beabsichtigte Bodenreform auf einem Umweg über den Lastenausgleich. Herr Kather, meine Freunde beider Fraktionen, in deren Namen ich diesen Antrag zu begründen habe, sind der Auffassung, daß Sie mit der soeben gehaltenen Rede den Heimatvertriebenen einen sehr schlechten Dienst erwiesen haben.
Wir verschließen uns nicht der Notwendigkeit und haben uns ihr zu keiner Zeit verschlossen, den Flüchtlingen nach der Möglichkeit der Ergiebigkeit und der Ertragslage auch unseres Wirtschaftszweiges zu helfen. Sie unterschätzen wahrscheinlich, was seitens der Landwirtschaft, die doch einen erheblichen Teil der Flüchtlinge bei sich beherbergt, außerhalb der Soforthilfe und der künftigen Lastenausgleichssätze tagtäglich an echter Hilfsbereitschaft bewiesen wird.
Wenn Sie aber hier etwa die Zielsetzung einer nur andersgearteten Sozialisierungsbestrebung fördern und betreiben wollen, dann können Sie versichert sein, daß sich diese Bestrebungen sehr zum Negativen für die Heimatvertriebenen auswirken werden.
Wir haben früher oft genug darauf hingewiesen, daß die wenigen größeren Betriebe in der Landwirtschaft eine so enorm wichtige agrar- und wirt-
schaftspolitische Aufgabe bei uns zu erfüllen haben, daß wir auf sie hinfort nicht verzichten können.
Ich habe als Bauer von nur 12 ha ein gutes Alibi, daß ich hier nicht etwa aus Eigennützigkeit den Standpunkt des Großgrundbesitzes vertrete. Aber wer an diese Dinge mit landwirtschafts- oder wirtschaftspolitischer Betrachtung herangeht, der weiß, daß wir auf vielen Gebieten gegenüber der konkurrierenden Landwirtschaft des Auslands noch derartig zurückliegen, daß eine Menge von Pionierarbeiten geleistet werden muß, damit der Vorsprung aufgeholt werden kann. Hierzu ist niemals der Klein- und Mittelbetrieb in der Lage, sondern einzig und allein der Betrieb, der eine größere Basis hat. Ganz besonders aber erwächst diesen Betrieben nach Verlust der Saatzuchtgebiete in Mittel- und Ostdeutschland die Aufgabe, die breiten Schichten der mittleren und kleineren Betriebe ausreichend mit Saatgut und tierischem Zuchtmaterial der verschiedensten Art zu versorgen. Es gibt keine andere Möglichkeit, diesen Bedarf zu decken, als die, daß die verhältnismäßig geringe Zahl der größeren Betriebe diese Funktion übernimmt und beibehält. Aus diesem Grunde müssen auch sie erhalten bleiben, und ich darf Sie bitten, unserem Abänderungsantrag beizutreten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Befürchten Sie nicht, daß ich in eine große Erörterung des kommenden Lastenausgleichsgesetzes eintrete, sondern lassen Sie mich bei dem bleiben, was ursprünglich unter den Fraktionen des Hauses ausgemacht war. Nun sind einige Unterschiede hereingetragen worden; ich spreche jetzt zu dem Antrag der FDP. Herr Kollege Preiß, Ihre Darstellungen sind zu ungefähr 80 % richtig.
— Nein, 100 % nicht. Es ist nämlich die alte Gewohnheit unserer Agrarpolitiker, immer zu vergessen, daß es Hunderttausende von Klein- und Kleinstbetrieben gibt, sogenannte Spezialkulturen, im Weinbau, Gemüsebau, Obstbau oder Tabakbau, die genau so berücksichtigt werden müssen wie die anderen, die Gemischtbetriebe in der Landwirtschaft.
— Das sind nicht einige wenige Betriebe, sondern das ist schon eine ziemlich große Anzahl von Betrieben. Das hindert mich aber nicht, auch die Wirksamkeit der allgemeinen gemischten Betriebe der Landwirtschaft voll anzuerkennen. Ich gehöre zu den Agrarpolitikern, die es unter keinen Umständen vertragen können, daß zwischen den einzelnen Besitzgrößen der Landwirtschaft, ob Kleinst-, Klein-, Mittel- oder Großbetrieb, dauernd ein Unterschied gemacht wird.
- Ja, deswegen will ich das jetzt unterstreichen;
lassen Sie mich doch ausreden!
— Ich habe doch auch das gute Recht, meinen Standpunkt zu vertreten, damit hier die Dinge nicht verwischt werden. Lassen Sie mich nur weiterreden!
— Nein, wissen Sie, ich bin ja kein heuriger parlamentarischer Has;
und mir kommt es letzten Endes darauf an, daß bei einem Gesetzgebungswerk der Anfang des Fortschritts gemacht wird. Und jetzt lassen Sie mich doch zuerst einmal ausreden!
Selbst wenn die 75 000-Mark-Grenze durch eine Mehrheit des Hauses angenommen würde — setzen wir einmal den Fall —, dann habe ich dazu zu erklären, daß das unter keinen Umständen ein Präjudiz für die künftige Gestaltung des endgültigen Lastenausgleichsgesetzes wäre!
Das möchte ich zum Ausdruck bringen, damit wir hier eine klare Sicht haben.
— Herr Kollege Euler, ich weiß genau, wie das ist, was man wünscht und was man sonst denkt. Das ist oft sehr verschieden. Lassen Sie mich da nicht zu weit aus der Reserve heraustreten!
Deswegen erkläre ich, daß meine Freunde und ich
— ich habe das in der Fraktion besprochen — hier unter keinen Umständen ein Präjudiz für die künftige Gestaltung des Lastenausgleichsgesetzes schaffen. Deswegen werden wir uns die Freiheit in der Abstimmung zu diesen Dingen eben vorbehalten. Aber selbst, wenn die 75 000-Mark-Grenze kommen sollte, so bedeutet das für uns nicht, daß wir uns bei der endgültigen Beratung des Lastenausgleichsgesetzes auf diese Grenze festlegen. Das ist etwas Wesentliches, das ich hiermit festgestellt habe.
Auf die anderen Dinge gehe ich nicht ein. Die Fragen des Hausbesitzes und des Geschädigtenbesitzes sind Fragen, die der ernstesten Überprüfung bedürfen. Da kann man jetzt nicht bloß Abänderungen ins Gesetz einfügen; denn das ganze Gesetzesgefüge war auf einen anderen Zweck abgestellt. Mit meiner Darstellung möchte ich nur verhütet haben, daß aus diesem Übergangsgesetz Dinge hergeleitet werden, die man vielleicht in manchen Kreisen herleiten möchte, denen wir aber durchaus nicht folgen werden. Insofern stimme ich den Ausführungen des Kollegen Preiß zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie gestern und heute an den Beratungen des Ausschusses für den Lastenausgleich teilgenommen hätten und wenn Sie sich heute vergegenwärtigen, daß wir schon bei einer solchen, ganz kleinen Übergangsregelung trotz aller Einigung im Ausschuß sofort mit einer Fülle von neuen Anträgen überschüttet werden, dann bekommen Sie eine Vorstellung von der Schwierigkeit der Aufgabe, die wir zu lösen haben.
Lassen Sie mich zunächst zu dem Antrag des Zentrums etwas sagen. Herr Kollege Reismann, ich glaube, es gibt keinen Menschen und keine Fraktion in diesem Hause, die nicht empfinden, daß man den Kriegssachgeschädigten auch helfen müßte. Nur ist das leider bei diesem Gesetz nicht möglich; denn Ihr Antrag setzt voraus, daß die Feststellung der 50%-Schäden erfolgt ist. Diese ist leider nicht erfolgt. Denn keiner von uns — darüber waren wir uns im Ausschuß in manchen Beratungen einig — ist bereit, den Gedanken der Kriegssachschädenverordnung zu folgen, die ihre Krönung in dem Erlaß des ehemaligen Reichsmarschalls Göring fanden, der in dem seinerzeitigen Erlaß, ganz großzügig feststellend, erklärte: „Damit das Vertrauen zum Siege gestärkt wird"! — Was für ein Schwindel mit dieser Feststellung getrieben worden ist, wissen wir alle. So können wir leider diesem Antrag nicht folgen, obwohl wir es gern möchten.
Das zweite betrifft generell den Althausbesitz. Hier sind wir im Ausschuß noch im Stadium der Überlegung. Heute erst hat der Unterausschuß „Befreiung" zu dieser Frage eine Stellung bezogen. Wir sind der Meinung, wir sollten nichts präjudizieren, von dem wir nicht wissen, daß es mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auch im endgültigen Lastenausgleich kommt. Darum bitte ich, dem Antrag des Zentrums nicht zu folgen.
Im übrigen stelle ich mich namens meiner Fraktion zu dem Vorschlag und dem Entwurf des Gesetzes, wie ihn der Ausschuß dem Hause vorgelegt und zu dessen Begründung der Berichterstatter das Erforderliche gesagt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine Damen und Herren! Es bleibt festzustellen, daß die beiden Herren Redner, die sich gegen unsere Anträge gewandt haben, gegen die Billigkeit und Gerechtigkeit des Grundgedankens nichts einzuwenden hatten. Damit sind wir alle miteinander einverstanden. Herr Horlacher hat gesagt, der Hausbesitz sei eine andere Angelegenheit, das müsse man mal genauer überlegen, oder anders ausgedrückt: so weit reiche sein besonderes Interesse an dem Antrag nicht. — Die Lage der Landwirtschaft ist durchaus vergleichbar mit der des Althausbesitzes.
Eine andere Frage ist die, die der Herr Abgeordnete Kunze soeben aufgeworfen hat. Er hat gesagt, bei der Erörterung der Frage des Hausbesitzes sei man bezüglich der endgültigen Festsetzung in den Vorberatungen noch nicht so weit gekommen. - Es handelt sich doch hier nur um etwas Vorläufiges. Wenn man auch noch nicht zum endgültigen Abschluß der Beratungen gekommen ist, so zeichnet sich doch schon am Horizont ab, wie das laufen wird. Ich glaube, daß in dieser Hinsicht keine Bedenken dagegen zu bestehen brauchen, unserem Antrag stattzugeben.
Nun zu der zweiten Frage, die Herr Abgeordneter Kunze aufgeworfen hat. Er hat gesagt, es sei nicht möglich, den Sachschaden schon zu berücksichtigen, da er nicht festgestellt sei. Ich habe eben schon vorwegnehmend, da ich einen solchen Einwand erwartete, darauf hingewiesen, daß man es ja bei der Investitionshilfe tun zu können glaubte. Wenn es da geht, muß es auch hier möglich sein. Warum sind diese beiden Überlegungen denn verschieden, und warum sind die Hemmungen in dem einen Fall größer als in dem anderen? Abgesehen davon ist es absolut möglich, im Einzelfalle von dem, der die Vergünstigung verlangt, zu fordern, daß er den Nachweis führt und daß ad hoc eine vorläufige — dies ist ja alles nur vorläufig — Regelung getroffen wird, wonach die Behörde, die die Vergünstigung aussprechen soll, den Nachweis überprüft.
Wenn Herr Kollege Horlacher sagte: „Ja, es geht nicht, daß man solche Dinge jetzt in der zweiten Lesung bei einem im übrigen so eingehend vorbereiteten Gesetz in die Debatte wirft!", so kam er damit auf einen Einwand zurück, den ich kürzlich noch einmal zu widerlegen Gelegenheit nehmen mußte. Dieses ganze Gesetz ist ja nun doch nicht so furchtbar lange vorberaten worden. Vor wenigen Tagen wurden wir damit befaßt und mit den Überlegungen vertraut gemacht, die man in dieser Hinsicht angestellt hat und die wir im Grunde auch billigen. Da muß es doch möglich sein, noch Verbesserungsvorschläge anzubringen, und nicht bloß auf „Vogel friß oder stirb" die ganze Vorlage zu schlucken oder ganz zurückzuweisen. Herr Kollege Horlacher, Sie müssen sich über den Interessen der Landwirtschaft, die wir völlig verstehen, aber auch der Kreise annehmen, die genau so unter den Härten dieses Zustandes zu leiden haben, der jetzt beseitigt werden soll.
Herr Abgeordneter Kunze!
Ich möchte nur einen einzigen Satz ergänzen, den ich vorhin vorzutragen vergessen habe. Der Kollege Dr. Reismann vergißt vollkommen, daß wir bei dem Hausbesitz, den er meint, zu 80 % bereits 2 % Abgabe haben. Die Abgabe von 4 %, die der 2%igen Abgabe der Soforthilfe entspricht, ist doch bereits da. Und da wir dort nicht heruntergehen wollen, ist es doch völlig überflüssig, Stundungen von Beträgen vorzunehmen, die wir dann hinterher wieder hereinholen müssen. Ich kann doch nur da stunden, wo ich mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit weiß, daß die Abgabe in der Höhe gar nicht mehr erhoben wird.
Der Herr Abgeordnete Frommhold wünscht noch das Wort zu diesem Thema zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß die Umdrucke Nr. 345 und 346 vorliegen, beweist allein schon, daß die Materie ungeheuer schwierig ist. Ich bin der Meinung, daß wir uns, wie Herr Kollege Kunze-vorhin ganz richtig sagte, in diesem Fall, in dem eine kleine Übergangsregelung gebracht wird, nicht mit Problemen befassen sollten, deren Lösung dem endgültigen Lastenausgleich vorbehalten ist.
Es sind hier Komplikationen dadurch entstanden, daß sich Gruppen, die in diesem Anpassungsgesetzentwurf nicht genannt sind, benachteiligt sehen. Weiter sind Komplikationen dadurch entstanden, daß man seitens der Vertreter der Landwirtschaft versucht, eine Höchstgrenze völlig auszuschalten. Die Verwirklichung dieser Wünsche ginge doch letztlich zu Lasten derer, denen man mit diesem Gesetz helfen will. Der Grundgedanke des Gesetzes war, auf beiden Seiten den Bedürftigsten zu helfen. Ich bin der Ansicht, daß dieses Ziel mit der Befreiung aller Vermögen bis zu 15 000 DM erreicht wird. Ich bin daher der Auffassung, daß wir hier
nicht Vorgriffe auf spätere Regelungen machen sollten, und ich bitte Sie, sowohl dem Antrag der Kollegen Kather und Genossen als auch dem weitergehenden Antrag der SPD auf Streichung der Ziffern 2 und 3 des § 1 Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, nun liegen offenbar weitere Wortmeldungen nicht mehr vor. Ich schließe die Besprechung zu § 1.
Der Antrag der SPD deckt sich, soweit er sich auf Ziffer 2 bezieht, mit dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen. Ich darf zunächst über diesen Antrag und dann über den Antrag bezüglich Ziffer 3 abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Dr. Kather und Genossen und der SPD zusammen, in § 1 die Ziffer 2 zu streichen, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt der Antrag der Fraktion der SPD, Ziffer 3 zu streichen. Ich darf zunächst über diesen Antrag abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Die Fraktion des Zentrums hat in Umdruck Nr. 346 unter Ziffer 1 beantragt, jedesmal hinter „land- und forstwirtschaftliches Vermögen" die Worte „oder Althausbesitz" einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Die Fraktionen der FDP und DP haben beantragt, in § 1 Ziffer 2 die Worte „jedoch nicht mehr als 75 000 DM" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Die_ Fraktion des Zentrums hat beantragt, in Ziffer 3 hinter den Worten „im Sinne des § 31 Ziffer 1 des Soforthilfegesetzes" einzufügen: „oder Sachgeschädigter" — im Sinne des § 31 Ziffer 2 —, „der 50 % oder mehr seines Vermögens verloren hat". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt worden. Damit sind, wenn ich recht sehe, sämtliche Anträge auf Abänderung abgelehnt worden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, §§ 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — Art. 3, §§ 7, — 8, — Einleitung und Überschrift.
Herr Abgeordneter Müller, bitte!
Meine Damen und Herren! Zu der Höhe der Teuerungszuschläge wurde erst in der Ausschußberatung die endgültige Formulierung gefunden, wie sie Ihnen jetzt in der Drucksache Nr. 2708 vorliegt. Eine Überprüfung war erst möglich, nachdem wir jetzt die Unterlage bekommen haben, in welcher Höhe die
Teuerungszuschläge festgesetzt worden sind. Es wirft sich die Frage auf, ob die hier festgesetzten Sätze der allgemeinen Preisentwicklung angemessen erscheinen und den Notwendigkeiten entsprechen.
Als wir vor kurzer Zeit im Haushaltsausschuß im Zusammenhang mit dem Etat die Frage der Sperre von 100 Millionen DM für den Wohnungsbau durch den Bundesfinanzminister behandelten, wurde darauf hingewiesen, daß diese 100 Millionen DM vom Finanzministerium aus dem Soforthilfefonds genommen werden sollten. Das ist nach unserer Auffassung unzulässig, weil diese Mittel zweckgebunden sind, weil sie ausschließlich für Umsiedler und Flüchtlinge bestimmt sind. Ich habe in diesem Zusammenhang im Ausschuß schon darauf hingewiesen — ich habe es aber auch schon hier im Plenum getan —, daß es viel zweckmäßiger und dringend notwendig ist, angesichts der niedrigen Sätze an Unterhaltsbeihilfen, die nach dem Soforthilfegesetz gewährt werden, diese Mittel zu einer Aufbesserung der Unterhaltsbeihilfe zu verwenden.
Wir sind der Meinung, daß die vom Ausschuß nunmehr vorgeschlagenen Teuerungszulagen von 15 DM bzw. 7,50 und 10 DM den Notwendigkeiten nicht entsprechen. Wir haben deswegen in Ergänzung einen eigenen Antrag eingereicht, eine generelle Erhöhung der derzeitigen Sätze um 40 % vorzunehmen. Anhand des einfachen Beispieles, daß der Satz von 70 DM bei Erhöhung um 40 % 98 DM betragen würde, darf ich wohl feststellen - und dem kann auch von Ihnen nicht widersprochen werden —, daß ein Satz von 98 DM nicht etwa schon als ausreichend anzusprechen ist. Wir möchten Sie daher bitten, unserem Antrag, der eine zwingend notwendige Erhöhung über die vom Ausschuß vorgeschlagenen Sätze hinaus fordert, Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Kunze, bitte!
Meine Damen und Herren! Die Ausschußvorlage ist der allgemeinen Rentenerhöhung sehr sorgfältig angepaßt worden. Die Erhöhung beträgt im Durchschnitt 25 vom Hundert. Wir sind nicht in der Lage, solchen rein agitatorischen Anträgen der KPD ein Wort zu widmen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich darf zunächst über den Ihnen eben von dem Herrn Abgeordneten Müller vorgetragenen Antrag der Fraktion der KPD abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es hätte nicht der Gegenprobe bedurft, um festzustellen, daß die Mehrheit dagegen ist.
Weitere Abänderungsanträge liegen nicht vor, Wortmeldungen ebenfalls nicht. Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 2 bis 8, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit des Hauses.
Damit komme ich zur
dritten Beratung,
und zwar zur allgemeinen Aussprache. Wünscht jemand, dazu das Wort zu nehmen? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Besprechung.
Ichrufe auf §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7, — 8, — Einleitung und Überschrift. — Auch dazu keine Wortmeldung. Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen, die Einleitung und die Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Stundung der Soforthilfeabgabe und über Teuerungszuschläge zur Unterhaltshilfe. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen den Vorschlag, daß wir, da der Herr Vorsitzende des Ausschusses mir mitteilt, dieses Gesetz nehme nur wenige Minuten in Anspruch, jetzt den
Mündlichen Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Nrn. 2742, 2703 der Drucksachen)
behandeln.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Finanzausschuß hat es mit diesem Hause für richtig befunden, das Gesetz heute schon in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden. Denn er hat mit Bedauern feststellen müssen, daß es ohnehin besser gewesen wäre, wenn das Gesetz schon am 1. Oktober hätte in Kraft treten können. Die Begründung selbst bemerkt, daß sowohl in der Wirtschaft als auch in der Verwaltung wegen des Fehlens dieses Gesetzes seit dem 1. Oktober eine unnötige und nach Ansicht des Ausschusses sogar vermeidbare Doppelarbeit geleistet wird.
An sachlichen Änderungen schlägt Ihnen der Ausschuß vor, zunächst einmal in § 1 Ziffer 1 zu der Bezugnahme auf das Zolltarifgesetz auch eine Bezugnahme auf die Wertzollordnung vom 21. September 1951 hinzuzufügen, die inzwischen im Bundesgesetzblatt Teil I Seite 835 veröffentlicht worden ist. Dasselbe gilt dann auch für § 2; auch dort wird auf die Wertzollordnung verwiesen.
Als § 3 haben wir die übliche Berlin-Klausel eingefügt, zu deren Begründung nichts zu sagen ist.
In § 4 haben wir das Inkrafttreten des Gesetzes anders geregelt, als der Entwurf der Regierung es uns vorschlug. Denn für die Tatbestände des § 1 Ziffer 3 dürfte es nicht empfehlenswert sein, einen zufälligen Kalendertag für das Inkrafttreten zu nehmen, der sich ergibt, wenn man einen Tag nach der Verkündung nimmt. Es ist besser, den Monatsersten zu nehmen. Der 1. Oktober 1951 für das Inkrafttreten ist ja ohnehin überholt.
Der Ausschuß bittet Sie einstimmig, dem Gesetz in der nunmehr auf Drucksache Nr. 2742 vorliegenden Form Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter — Ich rufe auf in der
zweiten Beratung
§§ 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Ich sehe keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur
dritten Beratung
des Gesetzes. — Eine allgemeine Aussprache wird nicht gewünscht.
Zur Einzelbesprechung rufe ich auf die §§ 1, —2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist auch dieses Gesetz erledigt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Punkt 5 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ;
Zusamenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung in Verbindung mit dem Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (Nr. 2725 der Drucksachen, Umdruck Nr. 342).
Es ist im Ältestenrat vereinbart worden, daß eine allgemeine Aussprache zu diesem Punkt der Tagesordnung nicht stattfinden soll, da sie, soweit sie gewünscht wurde, schon in der zweiten Beratung erfolgt ist.
Meine Damen und Herren, ich rufe die Einzelpläne auf. Ich rufe auf Einzelplan I — Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes. Ich bitte die Damen und Herren, die in der dritten Beratung diesem Haushalt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Haushalt ist angenommen.
Ich rufe auf die Einzelpläne II und III, die Haushalte des Deutschen Bundestags und des Deutschen Bundesrats. Ich darf den letzteren gleich mit aufrufen. Ich bitte die Damen und Herren, die den beiden Haushalten zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Die Haushalte sind angenommen.
Ich rufe auf Einzelplan IV — Haushalt des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramtes. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Haushalt ist angenommen.
Ich rufe auf Einzelplan IV a — Haushalt des Auswärtigen Amts. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Einzelplan IV b — Haushalt der Angelegenheiten des Europarates und verwandter Gebiete. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Auch das war eine Mehrheit für den Haushalt.
Ich rufe auf Einzelplan V — Haushalt des Bundesministeriums für den Marshall-Plan. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf Einzelplan V a — Haushalt des deutschen Vertreters im Rat der Internationalen Ruhrbehörde und des Deutschen Delegationsbüros in Düsseldorf. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe Einzelplan VI — Haushalt des Bundesministeriums des Innern — auf. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Als nächsten Einzelplan rufe ich Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz — auf. Darf ich um ein Handzeichen bitten, wenn Sie zuzustimmen wünschen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe Einzelplan VIII — Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen — auf. Zu Einzelplan VIII ist dem Haushaltsausschuß der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Preusker, Dr. Wellhausen, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Kap. 8 — Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen —, Kap. E 18 — Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen — und Kap. 9 — Am für Wertpapierbereinigung — überwiesen worden. Berichterstatter des Haushaltsausschusses ist Herr Abgeordneter Ritzel. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens des Haushaltsausschusses und der Ausschüsse für Geld und Kredit, Steuer und Finanzen und Wirtschaftspolitik zu berichten über den Umdruck Nr. 324, der einen Änderungsantrag enthält zu Einzelplan VIII — Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen —. Der Antrag besagt im einzelnen, daß die für Abteilung V — Währungs-, Geld- und Kreditwesen, Banken, Börsen und Versicherungen — des Bundesministeriums der Finanzen vorgesehenen Sach- und Personalausgaben sowie die damit in Zusammenhang stehenden Einnahmen auf den Einzelplan IX — Bundesministerium für Wirtschaft — übertragen werden sollen. Weiter heißt es:
E 18 (Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs-
und Bausparwesen) und Kap. 9 veranschlagt sind.
In den Ausschußberatungen konnte keine Einigung, ja eigentlich sogar keine Klarheit gewonnen werden. Es kam dann zu einer besonderen Sitzung, an der Vertreter der beteiligten Ausschüsse teilnahmen, die den Auftrag von ihren Ausschüssen hatten, die Darlegungen der beiden beteiligten Herren Minister entgegenzunehmen. Diese Informationssitzung erfüllte nicht ihren Zweck, sondern die beiden Herren Minister hüllten sich so weitgehend in Schweigen, daß dann eine Verständigung über eine teilweise Außerachtlassung des ursprünlichen Zwecks des Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 324 zustande kam. Die Verständigung führte zu einem Bericht, den ich vor Ihnen namens der beteiligten Ausschüsse — sämtlicher Ausschüsse,
die ich genannt habe — zu vertreten habe. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Die bei Kap. 8 und bei Kap. E 18 (Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen) vorgesehenen Einnahmen und Ausgaben sind auf Einzelplan IX — Bundesministerium für Wirtschaft — zu übertragen.
2. Die Bundesregierung wird ersucht, grundsätzlich die Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums für Fragen des Geld- und Kreditwesens, einschließlich Banken- und Börsenaufsicht sowie Währungs- und Devisenfragen, vorzusehen und
a) diese bei Vorlage des Ergänzungshaushalts zu berücksichtigen,
b) die hierzu erforderlichen Gesetzesänderungen vorzubereiten.
Noch eine abschließende Bemerkung. Es ist offensichtlich der Wunsch der beteiligten Ausschüsse, daß, soweit in der Vergangenheit eine andere Rechtsgrundlage geschaffen worden ist als die, die der Absicht der Antragsteller und der Mehrheit der Ausschüsse entsprechen dürfte, die erforderlichen Gesetzesänderungen alsbald zum Nachtragshaushalt vorgelegt werden. Im übrigen sollen bei der endgültigen Bereinigung dieser Dinge die Kompetenzen zwischen der Ordnungsgewalt der Bundesregierung und dem Haushaltsrecht und dem Gesetzgebungsrecht des Bundestags auch auf diesen Spezialgebieten der Verlagerung einer Kompetenz im Bereich des einen oder andern Ministeriums klar abgegrenzt werden.
Für heute beschränkt sich meine Aufgabe darauf, Ihnen den zuletzt vorgelesenen Antrag Drucksache Nr. 2734 zur Annahme zu empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort zu dem Bericht gewünscht? Das ist nicht der Fall.
— Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Bausch.
Meine Damen und Herren! Ich möchte vorschlagen, daß über die Ziffern 1 und 2 des Antrags Drucksache Nr. 2734 gesondert abgestimmt wird.
Ich darf annehmen, daß das Haus dagegen keine Bedenken hat. — Offenbar nicht.
Meine Damen und Herren! Ich komme zunächst zur Abstimmung über Ziffer 1 des Antrags des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 2734. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Das ist offenbar die Mehrheit. — Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. —Auch dies ist unzweifelhaft die Mehrheit. Beide Anträge sind angenommen, ebenso, wie ich ohne besondere Absimmung feststellen darf, auch Einzelplan VIII.
Ich fahre fort:
Einzelplan IX, Drucksache Nr. 2610, Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen-
probe. — Mit der auch vorhin schon in Erscheinung getretenen Mehrheit angenommen.
Einzelplan X, Drucksache Nr. 2611, Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 319 , vor. Soll er noch begründet werden? — Das ist offenbar nicht der Fall. — Ich bitte die Damen und Herren, die dem Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Haushalt ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD. Ich darf annehmen, daß sämtliche Damen und Herren den Antrag vor sich haben. Ich bitte die Damen und Herren , die diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Einzelplan XI. — Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit. — Meine Damen und Herren, im Interesse der Vereinfachung darf ich Ihnen vorschlagen, daß ich die Haushalte zusammen aufrufe, soweit keine Abänderungsanträge vorliegen. Oder bestehen Bedenken?
— Ich bitte Sie, mich zu unterbrechen, sobald Sie Bedenken gegen eine gemeinsame Abstimmung haben.
Einzelplan XII — Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr; Einzelplan XIII — Haushalt des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Haushalten zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Einzelplan XIV — Haushalt des Bundesministesteriums für Wohnungsbau. Hier darf ich daran erinnern, daß bei der zweiten Beratung bei Kap. 1 Tit. 34 beschlossen worden ist, den Vermerk „Gesperrt sind 9 Millionen DM" zu streichen. Im übrigen liegt ein Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen bezüglich Kap. 1 Tit. 33, Drucksache Nr. 2725, vor. Berichterstatter ist Abgeordneter Pfender. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß einem Beschluß des Bundestages sollen jährlich seitens des Bundes für die unrentierlichen Teile des sozialen Wohnungsbaus 500 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. Hiervon sind im Haushalt des Wohnungsbauministeriums 400 Millionen DM aufgenommen, wovon der Bundesfinanzminister 91 Millionen DM, also den noch nicht ausgegebenen Betrag, mit dem Sperrvermerk versehen hat. Bei der zweiten Lesung des Haushalts des Wohnungsbauministeriums hat die SPD-Fraktion mit Umdruck Nr. 313 den Antrag gestellt, diesen Sperrvermerk aufzuheben. Der Antrag der SPD wurde dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen — federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — überwiesen. Der Wohnungsbauausschuß und der Haushaltsausschuß haben am 24. Oktober einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause vorzuschlagen, dem Antrage der SPD stattzugeben, also die Sperrung dieser 91 Millionen aufzuheben. Die Sperrung dieser 91 Millionen bedeutet praktisch die Streichung. Die Streichung von 91 Millionen DM für den unrentierlichen Teil bedeutet aber, daß insgesamt rund 300 Millionen DM weniger — unrentierlicher Teil zuzüglich zweite und erste Hypothek — für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen.
Die Lösung des Wohnungsbauproblems ist aber als Aufgabe Nr. 1 in diesem Hohen Hause anerkannt, und der Wohnungsbauausschuß sieht sich außerstande, eine solche Reduzierung beim allgemeinen sozialen Wohnungsbau vornehmen zu lassen. Bei der zweiten Lesung des Haushalts hat der Herr Finanzminister zwar erklärt, daß die mit dem Sperrvermerk versehenen 91 Millionen aus Mitteln der Soforthilfe ersetzt würden. Hierzu ist aber zu bernerken, daß die Soforthilfemittel nur zweckgebunden vergeben werden dürfen, also mit den Mitteln aus der Soforthilfe nur Wohnungen für die Personenkreise der Geschädigten gebaut werden sollen oder gebaut werden dürfen. Es würde somit eine Erweiterung des Bauvolumens für den geschädigten Personenkreis, aber eine wesentliche Verminderung des Bauvolumens für den allgemeinen Bevölkerungsteil eintreten. Der Ausschuß wird es außerordentlich begrüßen, wenn diese 91 Millionen aus der Soforthilfe zur Verfügung gestellt werden könnten. Wohnungsbedarf ist genügend vorhanden. Der Ausschuß kann aber keinesfalls damit einverstanden sein, daß das Bauvolumen für den allgemeinen sozialen Wohnungsbau um diese 91 Millionen DM Bundesmittel, bzw. um insgesamt 300 Millionen DM gekürzt wird. Der Wohnungsbauausschuß bittet deshalb das Hohe Haus, seinem einstimmig gefaßten Antrag gemäß Drucksache Nr. 2725, dem sich auch der Haushaltsausschuß, ebenfalls einstimmig, angeschlossen hat, stattzugeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 2725, den der Herr Berichterstatter eben begründet hat. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen. Damit ist auch der zur dritten Beratung gestellte Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 342, erledigt.
Meine Damen und Herren! Ich rufe weiter auf: Einzelplan XV — Haushalt des Bundesministeriums für Vertriebene.
— Ich bitte um Entschuldigung. Es fehlt noch die Abstimmung über den Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan XV — Haushalt des Bundesministeriums für Vertriebene. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan XVI — Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen. Ich kann wohl gleichzeitig aufrufen: Einzelplan XVII — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates. Ich bitte die Damen und Herren, die beiden Einzelplänen zuzustimmen
wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der vorhin festgestellten Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan XX — Haushalt des Bundesrechnungshofs, und Einzelplan XXI — Haushalt der Bundesschuld. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
— Gegen Ihre zur Zeit drei Stimmen!
Ich rufe auf: Einzelplan XXII — Haushalt der finanziellen Hilfe für Berlin. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen drei Stimmen der kommunistischen Fraktion, sonst einstimmig angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan XXIII — Haushalt der allgemeinen Finanzverwaltung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan XXIV — Haushalt der Verteidigungslasten einschließlich Besatzungskosten und Auftragsausgaben. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist jedenfalls eine Mehrheit dafür.
— Ich bitte um Entschuldigung, meine Damen und Herren; es ist die Praxis des Bundestages auch beim letzten Haushalt gewesen, über den Haushalt der Verteidigungslasten einschließlich Besatzungskosten und Auftragsausgaben keine Abstimmung herbeizuführen, sondern von diesem Haushalt lediglich Kenntnis zu nehmen.
— Ja, das lernen wir langsam auch, Herr Kollege Müller.
Ich darf unterstellen, daß der Bundestag diesmal die gleiche Haltung einnimmt.
Ich brauche darüber keine Abstimmung herbeizuführen.
— Sie nehmen nicht Kenntnis?
— Ich glaube, Ihre deutlichen Zwischenrufe erscheinen im Protokoll, so daß darüber keine Zweifel bestehen.
Ich rufe auf: Einzelplan XXV — Haushalt der Verteidigungslasten einschließlich Besatzungskosten und Auftragsausgaben der Auslaufzeit 1950. Ich darf annehmen, daß dafür das gleiche gilt.
Ich rufe auf: Einzelplan XXVI — Haushalt der sezialen Kriegsfolgelasten. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Bausch und Genossen auf Umdruck Nr. 320 vor. — Das Wort wird dazu nicht ge-
wünscht. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan XXVII — Haushalt der Sonstigen Verteidigungslasten. Liegt dazu ein spezieller Antrag des Haushaltsausschusses vor?
- Der Haushaltsausschuß hat also auch in diesem Falle Kenntnisnahme vorgeschlagen, Herr Abgeordneter Schoettle? — Ich darf also annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß hier in gleicher Weise verfahren wird.
- Gegen die drei Stimmen der kommunistischen Abgeordneten.
Meine Damen und Herren! Damit sind die Einzelpläne erledigt. Ich komme zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 und darf darauf hinweisen, daß in der zweiten Beratung in § 14 ein Absatz 2 eingefügt worden ist.
Ich rufe auf: § 1,—§ 2,—§ 3,—§ 4,—§ 5,§ 6,—§ 7, —§ 8,—§ 9,—§ 10,—§ 11,§ 12, — § 13, — § 14, — § 15, — § 16, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz betreffend die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 mit den Einzelplänen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung ebenfalls erledigt.
Ich komme nun noch zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung der Ubersicht Nr. 40 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen .
Ich darf unterstellen, daß alle Damen und Herren von der für all diese Petitionen im einzelnen vorgeschlagenen Regelung Kenntnis genommen haben.
Das ist der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die die Ausschußanträge dieser Übersicht annehmen wollen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Dann, meine Damen und Herren, darf ich darauf hinweisen, daß nach einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen die konstituierenden Sitzungen der Untersuchungsausschüsse — Nr. 45 und Nr. 46 — nicht morgen, sondern Mittwoch, den 7. November stattfinden sollen. Die genaue Sitzungszeit wird noch bekanntgegeben.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. November, 13 Uhr 30, und schließe die heutige 171. Sitzung des Deutschen Bundestages.