Rede von
Dr.
Karl
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Wenn auch Herr Fassbender erklärte, daß der Antrag Drucksache Nr. 2686 nicht mehr zu erörtern sei, fühle ich mich doch genötigt, zu diesem Antrag noch einiges zu sagen.
In diesem Antrag wird gefordert, daß ein Einfuhrprogramm zur Deckung des lebenswichtigen Bedarfs aufgestellt wird und daß die Regierung die Devisen in ausreichendem Maße zur Verfügung stellt. Ein Einfuhrprogramm aufzustellen, d. h. festzustellen, für welchen Bedarf eine Einfuhr notwendig ist, ist eine sehr einfache Angelegenheit; denn wir wissen genau, was wir an Brotgetreide, Zucker, Fett usw. einführen müssen, um den vorhandenen Bedarf zu decken. Aber es ist nicht so einfach, ein Einfuhrprogramm in Zeiten wie den heutigen mit schwankenden Weltmärkten, mit den Versuchen einzelner Staaten, die Bevorratung weiter zu steigern, aufzustellen. Es passiert ja fortwährend, daß uns der Minister im Ausschuß erklärt, der Bedarf an dem und jenem könne durch Einfuhr aus diesem oder jenem Land gedeckt werden; und drei Tage darauf erhält er die Mitteilung, daß die Menge von 250 000 t Getreide, die zugesagt war, auf 100 000 t heruntergesetzt wird.
So wandelt sich Tag für Tag und Woche für Woche das Bild über die Einfuhrmöglichkeiten; und es ist einfach unmöglich, ein stabiles Programm für die Einfuhr aufzustellen.
Herr Kriedemann hat dankenswerterweise gesagt, daß er sich gegen jede Schaffung einer Panikstimmung wende. Das ist ein Standpunkt, den er hier schon des öfteren vertreten hat; und ich stimme darin absolut mit ihm überein. Aber, meine Damen und Herren, was meinen Sie, was draußen losgehen würde, wenn man alle vierzehn Tage der Öffentlichkeit die Wandlungen des Einfuhrprogramms verkünden würde, wenn man sagen müßte: dort hatten wir eine Zusage für eine Viertelmillion Tonnen Weizen; diese Menge ist jetzt auf 100 000 Tonnen heruntergesetzt worden?! Der einfache Mann draußen versteht die Zusammenhänge nicht und sieht dann dort schon gewisse große Mangelerscheinungen; und dann beginnt der Run auf den Markt. Was wir aber in der Ernährungswirtschaft gerade brauchen, ist absolute Ruhe. Der Minister unterrichtet den zuständigen Ausschuß; und das ist gut so. Von dem Ausschuß wird, auch wenn Vertraulichkeit nicht beschlossen ist, über diese Zusammenhänge nach außen hin geschwiegen, um eben keine Panik herbeizuzaubern. Das gilt nicht nur für Getreide, das gilt auch für die anderen Lebensmittel.
Und nun das Zweite: die Regierung soll die notwendigen Devisen zur Verfügung stellen. Meine Damen und Herren, das ist im vergangenen Jahr doch der ewige Kampf gewesen, die Devisen zu bekommen,
um die Versorgung zeitig durchzuführen. Die Erreichung dieses Ziels war nicht möglich. Es trifft auch den Minister keine Schuld, wenn wir im vorigen Jahr 50 bis 60 Millionen DM mehr für die Einfuhr von Lebensmitteln haben aufwenden müssen, weil wir zu spät einkaufen mußten und nicht in Termingeschäfte hineingehen konnten. Der Minister hat alles mögliche versucht, die Aufgabe zu meistern. Es ist ihm nicht gelungen, weil nach der Satzung der Bank deutscher Länder sie allein über die Devisen und die Verwendung derselben verfügt, so daß ich scherzhaft gesagt habe, der Präsident der Bank deutscher Länder ist der erste Wirtschafts- und auch der erste Ernährungsminister. Meine Damen und Herren, ich mache den Herren der Bank deutscher Länder nicht den Vorwurf, böswillig gehandelt zu haben; sie sind vielleicht aus den Verhältnissen heraus zu dieser Zurückhaltung gezwungen worden. Auf die Dauer geht das aber nicht so weiter. Ich bin der Auffassung, daß wir sehr bald ein Bankengesetz brauchen, das einmal Klarheit darüber schafft, daß die Verfügung über die Devisenvorräte nicht allein dem Präsidium der Bank deutscher Länder und dem Zentralbankrat zusteht,
und das die Möglichkeit gibt, die Wirtschaftspolitik der Regierung durch die rechtzeitige und ausreichende Zurverfügungstellung von Devisen zum Erfolg zu bringen.
Meine Damen und Herren, es ist erfreulich, daß der Herr Vizekanzler bestätigen konnte: die Zahlen, die der Bundeswirtschaftsminister genannt hat, entsprechen den Tatsachen. Das gibt mir die Hoffnung, daß es gelingen wird, in kurzer Zeit die Bank deutscher Länder dahin zu bringen, daß wir auf den wichtigen Sektoren Terminkäufe machen können, um damit unsern Bedarf zu erträglichen Preisen zu decken. Herr Kriedemann hat schon beim Zucker darauf hingewiesen, daß es möglich ist, den Bedarf ohne Inanspruchnahme von Subventionen zu decken. Wenn es uns gelingt, auf dem Weltmarkt aus Übersee Lebensmittel zu Weltmarktpreisen einzukaufen, werden wir auch gewissen Spekulanten im europäischen Raum, die gerne bereit sind, die mangelnde Deckung des deutschen Bedarfs auszunutzen, um ein besonderes Geschäft daraus zu machen und besonders hohe Preise herauszuschlagen, entsprechend begegnen können. Denn die europäische Agrarunion kann ja nicht damit beginnen und das Ziel haben, daß man den Landwirtschaften der anderen europäischen Länder Preise zahlt, die weit über den Weltmarktpreis hinausgehen. Da ist es notwendig, daß wir den Rücken frei bekommen, daß nach der Richtung hin die nötigen Devisen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, um gerade die Einfuhr und den Einkauf auf Termin zu tätigen, damit wir aus den gröbsten Sorgen herauskommen.
Grundsätzlich stimme ich den Anregungen, die in dem Antrag der SPD ausgesprochen sind, zu. Ich habe aber Bedenken, ihn in der Form, wie er hier gestellt worden ist, anzunehmen und ich bitte Sie, diesen Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen, damit wir. uns darüber klar werden, welche Publizität dem Einfuhrplan der Regierung gegeben werden kann. Denn — und da besteht zwischen Herrn Kriedemann und mir Einigkeit — es muß vermieden werden, daß in irgendeinem Augenblick eine Panikstimmung in die Bevölkerung hineingetragen wird.