Rede von
Dr.
Ludwig
Preiß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden Fraktionen der FDP und DP haben mit diesem Änderungsantrag an Sie die Bitte gerichtet, dem Wegfall des Zwischensatzes „jedoch nicht mehr als 75 000 DM" Ihre Zustimmung zu geben. Eine solche Differenzierung zwischen den Betrieben über und denjenigen unter 75 000 DM Einheitswert beruht auf der irrigen Auffassung, daß die Ertragslage bei den Betrieben mit kleineren und den Betrieben mit größeren Einheitswerten zwangsläufig unterschiedlich sei. Gerade auf Grund der Erfahrungen mit den Stundungen bei der Soforthilfe in den vergangenen zwei Jahren ist festgestellt worden, daß es eine ganze Reihe von Stundungsnotwendigkeiten insbesondere bei Betrieben in Einheitswertklassen über 75 000 DM gegeben hat. Man sollte aber auch nicht in den Irrtum verfallen, daß etwa Betriebe von 75 000 DM Einheitswert und höher schon schlechthin als landwirtschaftliche Großbetriebe anzusehen seien. Ich darf die zahlreichen Teilnehmer der Besichtigungsfahrt durch Niedersachsen, die kürzlich stattgefunden hat, daran erinnern, daß uns gerade im hohen Norden Betriebe mit Einheitswerten von 3000 und mehr D-Mark je Hektar vorgeführt worden sind — die also schon bei 25 ha die 75 000 DM-Grenze erreichen —, bei denen nach den lokal gegebenen Aufklärungen für jeden ersichtlich war, daß die Sätze schon mit Rücksicht auf die allgemeinen steuerlichen Belastungen, die hierauf aufbauen, nicht zu verkraften sind, insbesondere auch nicht die Abgabesätze der Soforthilfe.
Noch ein weiteres. Der Herr Kollege Kather hat ausgeführt, daß man bei Ziffer 1 an die Betriebe von 2 ha und darunter denke und diesen gern eine Erleichterung zukommen lassen -wolle. Man kann doch hier nicht von landwirtschaftlichen Betrieben als solchen sprechen. Es dürfte darunter nur ganz wenige geben, die auf der Basis von Spezialkulturen wirklich auf dieser kleinsten Fläche ihre Existenz finden. In den meisten Fällen werden in diesen Kleinstbetrieben doch Zuverdienstmöglichkeiten ausgeschöpft. Gerade dadurch werden sie in die Lage versetzt, laufenden Barverpflichtungen besser nachzukommen als andere, die ihre Einnahmen nur aus ihrer landwirtschaftlichen Produktionstätigkeit schöpfen.
Ganz besonders widersprechen wir der Begrenzung auf 75 000 DM auch deshalb, weil in der Antragsbegründung von Herrn Abgeordneten Kather sehr deutlich angeklungen ist, daß er seine alte Lieblingsidee verwirklichen und an den bisher in ziemlicher Einmütigkeit im Ausschuß für den Lastenausgleich festgestellten und vorgesehenen Abgabesätzen im endgültigen Lastenausgleich rütteln möchte, in dem Sinn, daß er mit wachsenden Vermögenswerten eine Progressivität der Abgabesätze herbeiführen möchte. Das ist eine von ihm anscheinend beabsichtigte Bodenreform auf einem Umweg über den Lastenausgleich. Herr Kather, meine Freunde beider Fraktionen, in deren Namen ich diesen Antrag zu begründen habe, sind der Auffassung, daß Sie mit der soeben gehaltenen Rede den Heimatvertriebenen einen sehr schlechten Dienst erwiesen haben.
Wir verschließen uns nicht der Notwendigkeit und haben uns ihr zu keiner Zeit verschlossen, den Flüchtlingen nach der Möglichkeit der Ergiebigkeit und der Ertragslage auch unseres Wirtschaftszweiges zu helfen. Sie unterschätzen wahrscheinlich, was seitens der Landwirtschaft, die doch einen erheblichen Teil der Flüchtlinge bei sich beherbergt, außerhalb der Soforthilfe und der künftigen Lastenausgleichssätze tagtäglich an echter Hilfsbereitschaft bewiesen wird.
Wenn Sie aber hier etwa die Zielsetzung einer nur andersgearteten Sozialisierungsbestrebung fördern und betreiben wollen, dann können Sie versichert sein, daß sich diese Bestrebungen sehr zum Negativen für die Heimatvertriebenen auswirken werden.
Wir haben früher oft genug darauf hingewiesen, daß die wenigen größeren Betriebe in der Landwirtschaft eine so enorm wichtige agrar- und wirt-
schaftspolitische Aufgabe bei uns zu erfüllen haben, daß wir auf sie hinfort nicht verzichten können.
Ich habe als Bauer von nur 12 ha ein gutes Alibi, daß ich hier nicht etwa aus Eigennützigkeit den Standpunkt des Großgrundbesitzes vertrete. Aber wer an diese Dinge mit landwirtschafts- oder wirtschaftspolitischer Betrachtung herangeht, der weiß, daß wir auf vielen Gebieten gegenüber der konkurrierenden Landwirtschaft des Auslands noch derartig zurückliegen, daß eine Menge von Pionierarbeiten geleistet werden muß, damit der Vorsprung aufgeholt werden kann. Hierzu ist niemals der Klein- und Mittelbetrieb in der Lage, sondern einzig und allein der Betrieb, der eine größere Basis hat. Ganz besonders aber erwächst diesen Betrieben nach Verlust der Saatzuchtgebiete in Mittel- und Ostdeutschland die Aufgabe, die breiten Schichten der mittleren und kleineren Betriebe ausreichend mit Saatgut und tierischem Zuchtmaterial der verschiedensten Art zu versorgen. Es gibt keine andere Möglichkeit, diesen Bedarf zu decken, als die, daß die verhältnismäßig geringe Zahl der größeren Betriebe diese Funktion übernimmt und beibehält. Aus diesem Grunde müssen auch sie erhalten bleiben, und ich darf Sie bitten, unserem Abänderungsantrag beizutreten.