Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort an die Adresse des Herrn Kollegen Greve. Herr Dr. Greve, Sie sind doch Jurist, und Juristen zeichnen sich im allgemeinen dadurch aus, daß sie die Neigung haben, unter allen Umständen immer schön beim Thema zu bleiben. Ich möchte Sie fragen, warum Sie den unwiderstehlichen Drang haben, immer auf ein anderes Thema auszuweichen, wenn Ihnen unangenehme Fragen gestellt werden?
Vielleicht kommen Sie dann allmählich darauf, daß es sich lohnt, einmal zu überlegen, wohin die Reise denn geht und wo die Reise eines Tages enden könnte, wenn Sie weiter wie bisher auf diese Weise Arm in Arm mit dem Bundesjustizministerium und Herrn Dr. Lehr Politik machen.
Nun ein kurzes Wort zum Herrn Bundesjustizminister. Er hat uns eine verhältnismäßig lange Rede gehalten. Ich möchte ihm mit einer Feststellung antworten: über die Art und Weise der Verständigung über das Thema zwischen dem Petersberg und dem Bundesjustizministerium gibt die Begründung des alliierten Gesetzes Nr. 62 eine sehr klare Auskunft. In der Begründung zu dem Gesetz wird festgestellt, daß künftighin „kein deutscher Informant, Mitarbeiter oder Agent der Besatzungsmächte" — ich zitiere wörtlich — „von deutschen Gerichten dieserhalb verfolgt werden kann. Dies dient lediglich dazu, um die Auslegung, mit der die Bundesregierung völlig einig geht, gesetzlich festzulegen." Herr Bundesjustizminister, ich vermisse bis jetzt immer noch Ihr Dementi auf diese Feststellung der Hohen Kommission.
Nun noch eine besondere Frage an Sie, Herr Bundesjustizminister. Bekanntlich hat dieses Haus bei der dritten Lesung des Strafrechtsänderungsgesetzes mit großer Mehrheit eine Entschließung angenommen. In dieser Entschließung vom 11. Juli 1951 wurden Sie, Herr Bundesjustizminister, beauftragt, bis zum 30. September 1951 ein Abänderungsgesetz zum Strafrechtsänderungsgesetz vorzulegen. Sie sind in dieser Entschließung insbesondere dazu aufgefordert worden, in dieser Novelle Vorschläge zu unterbreiten, die sichern, daß künftig bei solchen Verfahren im ersten Rechtszug das Laienelement, also Schöffen und Geschworene, beigezogen werden und daß zweitens die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsmittels der Revision gewährleistet ist. In der Begründung der Entschließung wurde gesagt, das sei unbedingt erforderlich, um den rechtsstaatlichen Grundsätzen Genüge zu tun.
Der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung vom 27. Juli 1951 diese Entschließung des Bundestags zu eigen gemacht und sie sogar noch erweitert. Er hat von Ihnen, Herr Bundesjustizminister, verlangt, daß Sie bis zu diesem Tag, dem 30. September, noch weitere Änderungsvorschläge vorlegen, insbesondere in bezug auf den sogenannten Katalog der zu schützenden Verfassungsgrundsätze, also jenen bekannten Gummikatalog, sowie in bezug auf die Bestimmungen im Gesetz über Sammlung von Nachrichten, Einfuhr politischer Schriften, Landesverrat und einiges andere.
Sie haben bis heute den Auftrag des Bundestags und des Bundesrats nicht erfüllt. Sie haben sich hier in allen Sprachen über die Nichterfüllung dieses Auftrags ausgeschwiegen. Sie haben zwar an den Herrn Vorsitzenden des Rechtsausschusses einen Entschuldigungsbrief geschrieben, in dem Sie sagen, die Ferien und so, das alles sei daran schuld. Aber ich lese nun Ihren Brief an den Herrn Oberbundesanwalt, in dem Sie, man muß schon sagen, die Kühnheit besitzen, den Beschluß des Bundestags in Frage zu stellen. Sie bitten den Oberbundesanwalt und einige andere hochgestellte juristische Persönlichkeiten um Gutachten darüber, ob „es sich empfiehlt", überhaupt Schöffen oder Geschworene zuzuziehen. Sie bitten um ein Gutachten darüber, „ob ein sachliches Bedürfnis für die Einführung des Rechtsmittels der Revision gegen erstinstanzliche Urteile der Oberlandesgerichte besteht". Was ist das für eine neue Methode der parlamentarischen Demokratie!? Sie fordern Ihre Beamten auf, Gutachten zu machen, die Beschlüsse des Bundestags und des Bundesrats in Frage stellen. Sind das Ihre Auffassungen von Rechtsstaatlichkeit, von Demokratie und Freiheit? Herr Minister, Sie haben dieser Tage im Rundfunk erklärt, Sie würden gelegentlich einmal etwas im Zorne sprechen, und dann hätten Sie die Verpflichtung,
noch einmal darüber zu schlafen; und dann käme Ihnen die Freude darüber, daß Sie die Gelegenheit hätten, eine Rede noch ein zweites Mal aufzusetzen.
Ich empfehle Ihnen, diese Doppelspurigkeit nicht nur in der Aufsetzung Ihrer politischen Reden anzuwenden, mit denen Sie allen möglichen Unfug anrichten, sondern auch bei der Aufsetzung Ihrer Dienstanweisungen, Ihrer Schreiben an Ihre höheren Beamten, damit Sie es allmählich lernen, sich in den einfachsten Grundsätzen einer parlamentarischen Demokratie zurechtzufinden.