Rede von
Matthias
Hoogen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Oskar Müller . Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Durch Erlaß des hessischen Innenministers vom 22. Mai 1951 wurde die „Sozialistische Volkszeitung" in Frankfurt auf die Dauer von 3 Monaten verboten, weil sie durch Ausführungen zur Frage der Volksbefragung und Remilitarisierung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet hatte. Zur Durchführung dieses Verbotes wurden die Räume, in denen die Zeitung hergestellt wurde, die Setzerei und die Druckerei verschlossen und versiegelt, und es wurde vor den Räumen ein Polizeidoppelposten aufgestellt.
Am nächsten Tage, dem 23. Mai 1951, erschien eine Gruppe von etwa 20 Personen unter Führung von Herrn Abgeordneten Oskar Müller und versuchte, sich Eingang in die Räume zu verschaffen. Es gelang den Polizeibeamten, diesen Versuch abzuwehren; aber Herr Abgeordneter Oskar Müller konnte noch die Siegel an der Tür entfernen. Am 25. Mai erschien dann der Abgeordnete Oskar Müller wiederum, diesmal als Anführer einer Gruppe von etwa 30 bis 40 Personen, zum größten Teil Angehörigen des Betriebes dieses Unternehmens. Bei dieser Gelegenheit gelang es der Gruppe — teilweise durch Manipulationen, indem man eine Person, die nicht näher ermittelt werden konnte, durch das Fenster in die Räume einsteigen ließ —, in die Räume einzudringen und dort, wenigstens versuchsweise, die Arbeit aufzunehmen. Das Überfallkommando hat dann in Durchführung des Verbotes des Herrn hessischen Innenministers die Menschenmenge wieder aus den Räumen entfernt.
Bei diesem Sachverhalt steht es außer Zweifel, daß jedenfalls der Abgeordnete Oskar Müller sich nicht nur des Siegelbruchs, sondern auch des Aufruhrs, des Landfriedensbruchs und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt schuldig gemacht hat.
Seine Einwendung, er habe auf diese Art und Weise das verletzte Recht wiederherstellen wollen, hat im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität keinen Widerhall gefunden. Denn es dürfte eindeutig sein, daß dieser Weg nicht der richtige war. Wenn man gegen solche Maßnahmen glaubte Einwendungen erheben zu müssen, wäre nach dem alten preußischen Polizeiverwaltungsgesetz der richtige Weg der der Beschwerde gewesen, und wenn die Beschwerde nicht zum Ziel geführt hätte, hätte der Weg der Klage im Verwaltungsstreitverfahren beschritten werden müssen.
Aus diesen Gründen ist der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität einstimmig zu der Meinung gekommen, Ihnen die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Oskar Müller vorschlagen zu sollen, d. h. Sie zu bitten, die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens wegen der von mir eben genannten Delikte zu erteilen.