Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welche Bedeutung die Zentrumsfraktion dem Problem der steigenden Unfallzahlen beimißt, ersehen Sie am deutlichsten daraus, daß wir selber unter Drucksache Nr. 1461 schon am 13. Oktober 1950 einen Antrag vorgelegt haben, der sich damit befaßt. Den Unfallzahlen unserer Unfallstatistik kann man aber nicht dadurch beikommen, daß man nun eine Vorlage macht, die so stark strafrechtlich akzentuiert ist. Wenn man der Statistik nämlich auf den Grund gehen will, muß man sich überlegen, wie denn die zahlreichen Unfälle zustande kommen. Da stellt man zunächst fest, daß ganz allgemein und in aller Welt, nicht bloß bei uns, bei mittlerer Verkehrsfrequenz die größten Unfallzahlen vorliegen. Daraus kann man ersehen, daß das nicht ein besonderes Verschulden gerade der deutschen Autofahrer ist. Wenn die Verkehrsfrequenz gering ist, also beispielsweise bei wenig Autos und auf Landstraßen von wenig Verkehr, ereignen sich prozentual wenig Unfälle. Wenn die Verkehrsdichte sehr groß ist, wie in Großstädten mit sehr engem Verkehr, dann sind die Fahrzeuge so zum Langsamfahren gezwungen, daß die relative Zahl der Verkehrsunfälle auch da wieder geringer wird. Gerade unter den Verhältnissen, unter denen wir jetzt leben — also in einer mittleren Verkehrsdichte —, ist es ganz natürlich, daß die Zahl der Verkehrsunfälle größer ist als anderswo. Bei uns kommt hinzu, daß wir jetzt in zunehmendem Maße in diesen Verkehr hineinwachsen, daß also mit der entsprechenden Zahl der neu zugelassenen Fahrzeuge auch eine größere Zahl von neuen Kraftfahrern ans Steuer kommt. Diese bringen geringere Erfahrungen mit und gefährden demgemäß mehr als die erfahrenen Fahrer sich selber und andere Verkehrsteilnehmer, seien es Kraftfahrer, Radfahrer oder Fußgänger. Darin liegt aber nicht ohne weiteres eine besondere Nachlässigkeit der deutschen Verkehrsteilnehmer, der man nur durch besondere strafrechtliche Drohungen beikommen könnte. Das wird sich ganz von selber bessern, wenn die Verkehrszahlen einigermaßen stabil werden und wenn der Zustrom von neuen Kraftfahrern nicht mehr so groß ist wie bisher.
Aber an jedem Verkehrsunfall sind nicht bloß Fahrzeuge, sondern auch andere Personen und sachliche Umstände beteiligt. Man müßte nach unserer Ansicht auf diese Dinge mehr Wert legen als bloß auf die Verkehrsteilnehmer. Man darf nicht glauben, daß nur durch Strafandrohungen gegenüber den Verkehrsteilnehmern dem Unheil abgeholfen werden kann. Ich erinnere beispielsweise daran — Herr Abgeordneter Günther, der vor mir das Wort hatte, sprach davon —, daß in zunehmendem Maße Eisenbahnunfälle durch Kraftfahrzeuge verursacht werden. Man sehe sich einmal an, wie die unbeschrankten Bahnübergänge auf Straßenniveau denn wirklich aussehen! Man findet kaum
einen Bahnübergang, der es gestattet, vom Wagen aus eine Übersicht nach rechts und links zu haben. Man muß also praktisch unmittelbar vor den Schienen anhalten, muß aussteigen und wieder einsteigen, und dann kommt, weil drüben eine Kurve ist, der Zug inzwischen heran. Ich habe selber in Unfallsachen verteidigt, bei denen die Bahn beteiligt war, wo nicht wegen zu schnellen, sondern zu langsamen Fahrens Unfälle vorgekommen sind, weil sich die Ecken nicht übersehen ließen. Man müßte ein Einsichtdreieck von etwa 150 Metern nach jeder Seite hin offen haben, wenn man einen unbeschrankten Bahnübergang überquert. Das ist praktisch nirgendwo der Fall.
Man darf nun nicht überall, wo ein Unfall passiert, an dem ein Kraftfahrer beteiligt ist, dem Kraftfahrer die Schuld geben; ebensowenig wie es richtig wäre, dem Radfahrer oder Fußgänger die Schuld an einem Unfall zu geben, an dem er beteiligt ist.
Übrigens können schon jetzt schwere Strafen verhängt werden. Es besteht nicht die Notwendigkeit, in dem Gesetz, das vorgelegt worden ist, den Akzent in diesem Maße auf die strafrechtliche Seite zu legen, wie das hier geschieht. Es ist sehr viel wichtiger — was von dem Herrn Verkehrsminister nur nebenbei erwähnt wurde —, daß man andere Faktoren berücksichtigt. Da ist insbesondere der Zustand der Fahrzeuge. Es ist z. B. gar nicht einzusehen, weswegen die Vorschrift nicht längst wieder in Kraft gesetzt worden ist, wonach die Radfahrer hinten ein selbstleuchtendes Schlußlicht haben müssen. Man hatte es während des Krieges abgeschafft; aber wenn es da wäre, würden sehr viele Gefahren vermieden werden, da man gerade auf verschmutzten Straßen bei Regenwetter oder Nebel die Rückstrahler gar nicht in Aktion sieht. Man kann sie gar nicht bemerken; sie sind verdreckt oder oft gar nicht vorhanden.
Es wäre außerdem sehr wichtig, daß man endlich die Straßen abschafft, die immer noch das glatte, außerordentlich rutschgefährliche Basaltpflaster haben und die außerdem gewölbt sind. Man muß sich überlegen, was das für Sorgfaltsanforderungen an den Kraftfahrer stellt. Da kommt ein Lastzug mit zwei Anhängern über eine in Schlangenlinie gewundene Straße. Es ist kaum Platz für zwei Fahrzeuge nebeneinander, dazu eine rundgewölbte, glatte Straßendecke. Dann soll der Mann rechts fahren! Fährt er rechts, dann rutscht er mit Sicherheit gegen die Bäume und in den Graben; fährt er nicht rechts, wo soll dann der entgegenkommende Fahrer bleiben? Ich habe selber oft solche Beschwerden gehabt, die sich daraus ergeben, daß einem auf solchen gewundenen Straßen, oft in der Nacht, die Wagen entgegenkommen.. Es bleibt praktisch nichts anderes übrig, als daß man hinter die Bäume fährt und die Ungetüme vorbeifahren läßt. Wenn Unfälle vorkommen, mag es richtig sein, daß die Fahrer schuld haben; schuld haben aber auch die Behörden, die die Straßen nicht in Ordnung bringen und die Straßen mit demselben ungeeigneten runden Rutschpflaster wiederherstellen. Diesen Dingen müssen wir in ganz anderem Maße, als es bisher geschehen ist, unsere Aufmerksamkeit schenken. Wir vergleichen unsere Statistik mit den Statistiken anderer Länder, vergleichen aber nicht den Zustand unserer Straßen und den Zustand unserer Fahrzeuge mit den Zuständen in anderen Ländern.
In unserem Antrag Nr. 1461, den ich bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes mit zu berücksichti-
gen bitte, haben wir deswegen verlangt, daß die Zahl von Anhängern nicht nur beschränkt, sondern ihre Zulässigkeit überhaupt abgebaut wird. Die Anhänger lassen sich sehr wohl durch die sogenannten Sattelschlepper ersetzen, die sehr viel fester und besser zu dirigieren und für den Straßenverkehr ungefährlicher sind. Man kann das nicht von heute auf morgen machen — das leuchtet durchaus ein —; aber es besteht die Möglichkeit, durch Festlegung von Fristen für den dritten, für den zweiten und den ersten Anhänger in zunehmendem Maße die Anhänger abzubauen und vorläufig den Neubau von solchen Anhängern zu verbieten.
Weiterhin sollte man, damit sich gegenüber dem Lärm dieser großen Fahrzeuge ein anderer Verkehrsteilnehmer überhaupt bemerkbar machen kann, Mikrophone einbauen, damit die überholenden Fahrzeuge gehört werden können.
Man sollte ebenfalls dafür sorgen, daß zur Vornahme von Reparaturen Platz zum Parken an den Straßen geschaffen wird. Eine Parknotwendigkeit besteht besonders dann, wenn ein Fahrzeug irgendwo zum Halten gezwungen ist, weil es eine kleine Panne hat. Gerade solche Fahrzeuge, die dort liegen, brauchen längere Zeit für die Reparatur und gefährden in ganz besonderem Maße die Sicherheit des Verkehrs. Die Unfälle, die ich beobachtet habe
— namentlich auf der Autobahn —, waren in der Mehrzahl dadurch hervorgerufen, daß in Bewegung befindliche Fahrzeuge auf parkende Fahrzeuge aufgefahren sind.
— Sie bestätigen mir das, Herr Kollege, es ist sicherlich so. Man mag recht damit haben, wenn man sagt, daß auch den Fahrer ein Verschulden trifft — er ist entweder eingeschlafen oder er hat Alkohol getrunken; das ist alles richtig —, aber trotzdem wäre der Unfall nicht passiert, wenn man rechtzeitig oder auf rechte Art und Weise vorgesorgt hätte, daß Platz auf der Straße ist.