Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen, daß in diesem Hohen Hause einmal eine Aussprache darüber stattfindet, wie unsere gegenwärtige Ernährungssituation ist, aber auch darüber — und das darf man uns nicht übelnehmen —, wie sie war.
Dem ersten Antrag der SPD, Drucksache Nr. 2686, ist nicht viel hinzuzufügen. Er ist ja auch wohl in der Hauptsache durch die Erklärungen des Herrn Vizekanzlers gegenstandslos geworden;
denn die Regierung hat erklärt, sie würde in kürzester Frist ein Programm für die nächsten neun Monate über die Artikel des Ernährungssektors, die sie vorhat einzuführen, aufstellen. Wir möchten aber bei der Gelegenheit die Regierung heute schon bitten, darauf hinzuwirken, daß bei den Einfuhren in erster Linie ein Gebiet berücksichtigt wird, das wir als außerordentlich wichtig bezeichnen, nämlich die Einfuhr von Futtermitteln.
Man darf gerade bei unserer gespannten Devisenlage nicht vergessen, daß wir die veredelten Nahrungsmittel in Deutschland viel billiger herstellen können und auch herstellen und viel weniger Devisen brauchen, wenn wir Futtermittel einführen, Schweinefleisch in Deutschland fabrizieren — wenn ich mich mal so ausdrücken darf —, anstatt Schweinefleisch einzuführen.
Damit dürfte der Antrag Drucksache Nr. 2686 von uns wohl genügend beleuchtet sein.
Gestatten Sie mir, daß ich zu dem Antrag Drucksache Nr. 2687 etwas eingehender Stellung nehme. Man hat hier mit Recht festgestellt, daß auf dem Kartoffelmarkt so etwas wie eine Torschlußpanik entstanden ist. Ich glaube, es wäre angebracht, uns einmal in Ruhe und Nüchternheit in diesem Hause darüber zu unterhalten, wie die Situation denn in Wirklichkeit aussieht. Fest steht, daß die deutsche Kartoffelernte in diesem Jahr immerhin bloß einige Millionen Tonnen geringer ist als im Vorjahr; fest steht aber auch, daß wir nicht einen Bruchteil der geernteten Kartoffeln zur Sofortnahrung verbrauchen.
Wenn ich in letzter Zeit die Presse verfolgt habe, dann habe ich manchmal sehr bittere Worte über angebliche Wucherpreise vernehmen müssen. Wie ist denn die Situation in Wirklichkeit? Nach den mir von heute vorliegenden Berichten der größeren deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften, und zwar derer von Schleswig-Holstein, von Niedersachsen und auch Kurhessen, steht fest, daß sich die Erzeugerpreise, d. h. die Preise, die der Landwirt frei Waggon bekommt, im Durchschnitt um 5,50 DM bewegen. Meine Herren von der Sozialdemokratie, ich darf an eines erinnern: Vor 4 Jahren im Wirtschaftsrat — Herr Kollege Kriedemann wird sich dessen entsinnen — haben wir im Ernährungsausschuß sowohl wie im Plenum des Wirtschaftsrats die Feststellung gemacht, daß 5,00 Mark respektive 4,80, 4,60 Mark im Herbst ein Normalpreis für die abgebenden Landwirte sei. Wenn der Preis heute im Durchschnitt auf 5,50 DM gestiegen ist, so wird doch bei der Produktionskostensteigerung der Landwirtschaft weiß Gott kein Mensch sagen wollen, daß hier von der Landwirtschaft Wucherpreise verlangt würden. Es ist doch nicht so, daß die Landwirtschaft einfach mit Lieferungen zurückhielte. Im Gegenteil, mir sind heute Nachrichten zugegangen, daß tatsächlich die angebotenen Kartoffeln teilweise gar nicht verladen werden können. Das deckt sich auch mit dem, was die Bundesbahn bekannt gibt, daß nämlich bis zum gleichen Zeitpunkt in diesem Jahre fast 33 000 Tonnen Kartoffeln zu Speisezwecken mehr verladen worden sind als im Vorjahr. Es ist nicht anzunehmen, daß der Verkehr auf der Landstraße etwa geringer geworden ist.
Ich darf aber auf eines hinweisen. Ich halte es für sehr gefährlich, wenn von einzelnen Landesregierungen respektive deren nachgeordneten Organen dadurch Unsicherheit auf dem Kartoffelmarkt hervorgerufen wird, daß man hergeht und sagt: Derjenige, der die Preise vom Vorjahr um mehr als 15 % überfordert, macht sich des Wuchers schuldig. Dabei ist eines festzustellen. Der vorjährige Durchschnittspreis im Land Hessen — um dieses Land handelt es sich in diesem Falle — betrug im Oktober rund 3,50 DM pro Zentner. Wir wissen alle — und das wissen auch Sie, meine Herren von der Linken —, daß das ein Preis war, zu dem die Landwirtschaft bereits im vorigen Jahr nicht in der Lage war, Kartoffeln zu erzeugen. Diesen Preis von damals, der für die deutsche Landwirtschaft einen Verlustpreis bedeutete, nun als Vorlage zu nehmen für den jetzigen Preis, halte ich für verfehlt. Was würde das bedeuten? Das würde nämlich in der Praxis bedeuten, daß ein Erzeugerpreis, der rund 4 DM überstiege, bereits als Wucher zu bezeichnen wäre, ein Beginnen, das sich für die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Kartoffeln gefährlich auswirken dürfte. Glauben Sie doch nicht, daß unsere Landwirtschaft in der Lage wäre, Kartoffeln für 4 DM zu liefern. Was würde der Erfolg derart unsinniger Anordnungen sein? Daß sie überhaupt nicht liefert! Denn sie kann ihre Preise weiß Gott dann besser über den Schweinemagen erzielen!
Bisher steht fest, daß die deutsche Landwirtschaft den gesamten Bedarf an Kartoffeln decken kann und auch decken wird. Ich muß aber die Verbraucherseite und hier vor allen Dingen die Konsumvereine einmal auf etwas hinweisen: wenn die Preise in den Städten nun langsam Höhen erklettert haben, die uns auch nicht angenehm sind, so besteht doch wohl die Frage — auch hier an die
Verbrauchergenossenschaften gerichtet —: Warum schalten sie sich nicht ein?
Warum gehen sie nicht her und drücken überhöhte Handelspreise, falls sie glauben, daß die Handelsspannen zu hoch seien?
Meine Damen und Herren, ich muß auch hier Wasser in den Wein schütten. Bitte, überlegen Sie: wenn der Kartoffelpreis frei Versandstation sich auf 5,50 DM stellt, dann kommen hinzu im Durchschnitt 60 Pfennig Bahnfracht bis in die Verbrauchergebiete, dazu Umsatzsteuer, dann Abfahren vom Bahnhof, Sacken und wieder Liefern in den Keller! Ja, meine Damen und Herren, Säcke schlepken ist keine angenehme Arbeit! Und diejenigen, die in den Städten die Kartoffeln frei Keller bekommen, die müssen damit rechnen, daß der Preis anders aussieht als derjenige, der dem Bauern draußen bezahlt wird.
Aber wenn die Konsumvereine glauben — und, meine Damen und Herren, denen stehen Sie doch nahe —, daß der Handel hier Geschäfte macht, die nicht sauber wären, — bitte schön, antreten, übernehmen Sie die Kartoffeleinkellerung, und zwingen Sie den Handel zu einem realen Preisgefüge! Denn es ist die Aufgabe der Genossenschaften schlechthin, als Preisregulator auf dem offenen Markt in Erscheinung zu treten.
Nun zu den Zöllen. Ich glaube, daß es unsinnig ist, Kartoffelzölle aufzuheben. Deutschland war immer Kartoffelüberschußland und ist es auch heute noch. Zudem — und das wissen Sie auch, Herr Kriedemann —, wenn überhaupt Kartoffeln aus dem Ausland zu bekommen sind, sind die Preise frei deutscher Grenze nicht anders als diejenigen, die auf dem Inlandsmarkt bezahlt werden.
Und nun verlangen Sie die Aufhebung von Zöllen für Schweinefleisch, Innereien und dergleichen! Ich glaube, es ist notwendig, daß man auch einmal die Entwicklung auf dem Schweinemarkt etwas genauer unter die Lupe nimmt. Es ist immerhin nicht uninteressant, sich einmal den Preisspiegel der letzten drei Jahre vor Augen zu führen. Im Herbst 1949 hatten wir Schweinepreise von rund 110 DM je 50 Kilo, im Frühjahr 1951 von 145 DM, im Juni — das liegt im Wesen des Zyklus, der bei Schweinen üblich ist — waren sie auf 118 DM abgesackt, um im Oktober auf 22 deutschen Großmärkten wieder auf 147 DM im Durchschnitt der Klasse C zu steigen.
Meine Damen und Herren, das deutsche Landvolk hat weiß Gott kein Interesse daran, von überhöhten Preisen zu profitieren. Ich glaube aber, es ist noch gar nicht lange her, da waren die Schweinepreise ab Stall bis auf unter 90 DM abgesackt. Ich habe damals nicht gehört, daß irgend jemand hier das Verlangen geäußert hat, im Interesse der harten Bauernarbeit — denn Schweinemast ist ja das Gebiet der Klein- und Kleinstbauern — irgendwie einzugreifen. Ich habe damals — das wissen Sie, Herr Kriedemann! — im Ernährungsausschuß sogar dem Minister einen Vorwurf gemacht und ihn gefragt, warum er nicht seine Vorratsstellen einschalte,
um einen für die Landwirtschaft erträglichen Preis zu halten. Wären wir damals von den Vorratsstellen aus als Käufer in den Markt gegangen, dann hätten wir jetzt Ware gehabt, wenn auch nicht in großem Umfange, aber immerhin so viel Ware, um eine Sicherheit gegenüber den überspitzten Preisen zu haben.
Nichts hat man getan. Wir müssen von der Regierung verlangen, daß sie ihre Vorratsstellen anweist, in Zukunft entsprechend zu handeln.
Noch etwas, was in diesem Zusammenhang auch nicht uninteressant sein dürfte. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit hier gehört, daß die Verelendungskurve des deutschen Volkes sehr stark im Ansteigen sei. Ja, wie sehen denn die Dinge aus? Man wird mir doch wohl zugeben müssen, daß Schweinefleisch und Zucker nicht gerade Nahrungsmittel der Armsten der Armen sind. Wenn ich Ihnen sage, daß im September 1950 auf 22 deutschen Großmärkten 444 835 Schweine und im September 1951 — also in diesem Jahre — 716 380 aufgetrieben worden sind,
dann ersehen Sie daraus, daß sich der Auftrieb auf diesen Märkten gegenüber dem Vorjahre um rund 60 % gesteigert hat. Da mir bisher nicht bekannt geworden ist, daß da etwa böse Früchtchen am Werke waren, die Schweine aufkauften, um sie in der Nordsee zu versenken, ist anzunehmen, daß der Bedarf auch restlos vorhanden gewesen ist.
Bei dieser Gelegenheit etwas anderes! Von Ihrer Seite wird immer wieder die Wirtschaftspolitik des Herrn Erhard kritisiert. Ich bin freimütig genug, zu erklären: wenn ich mir diese Zahlen und die Verbrauchszahlen pro Kopf des deutschen Volkes vor Augen führe, dann muß ich feststellen: wir sind heute schon wieder an Schweinefleischverbrauchsziffern, die ganz nahe an denen liegen, die wir vor dem Kriege im tiefsten Frieden hatten.
Die Politik des Herrn Erhard kann so schlecht denn doch nicht gewesen sein. Sie werden mir wohl zugeben, daß die von Ihnen so oft genannten 100 Millionäre nicht allein diese enormen Massen von Schweinefleisch konsumieren können. Ich glaube aber auch, daß es gar nicht die Kreise sind, die hier immer angezogen werden. Wir wissen, daß es Kreise in Deutschland gibt, die — Gott sei es geklagt — nicht in der Lage sind, zu diesen Preisen einzukaufen. Ich darf aber daran erinnern, daß wir von den Freien Demokraten es waren, die seit langer Zeit Verbilligungsscheine für diese Menschen verlangt haben, damit auch sie in den Genuß von Fleisch und dergleichen kommen.
Ich hoffe, daß Sie in Zukunft unseren Anträgen zustimmen werden.
Zum Schluß möchte ich noch eines feststellen. Wenn Sie sich die Erzeugungszahlen seit 1946 vor Augen führen, werden Sie feststellen, daß das deutsche Landvolk Leistungen vollbracht hat, die sich, weiß Gott, neben denen der übrigen Wirtschaft sehen lassen können.
Das deutsche Landvolk ist jederzeit bereit, denjenigen zu helfen, denen es sozial schlechter geht als ihm selber. Daraus erklärt sich auch unser Verlangen, der ärmeren Bevölkerung Verbilligungsscheine zu geben. Dann kann geholfen werden. Wir sind aber nicht bereit, den Großverdienern — und wir haben ja eine ganze Menge — auf Kosten des deutschen Landvolks verbilligte Nahrungsmittel zuzuführen. Deshalb bitten wir Sie, diese Zollabsetzungsanträge der SPD abzulehnen.