Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion stimmt dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 2686 zu.
Wir möchten mit diesem Antrag zwei Forderungen an die Bundesregierung verknüpfen. Wir ersuchen die Bundesregierung, sich verstärkt darum zu bemühen, mit der Regierung der DDR und den Ländern des Ostens zu einer Erweiterung des Handels zu kommen. Denn dieser Handel entspricht den Interessen unserer Wirtschaft und den Interessen der Verbraucher, da er an keinerlei politisch verletzende Bedingungen gebunden ist. Wir ersuchen die Bundesregierung im Interesse der Verbraucher, bei den Lieferungen aus dem Westen darauf zu achten, daß man uns nicht, wie schon so oft, die alten Ladenhüter für überhöhte Preise liefert.
Und nun zu dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 2687. So richtig es ist, daß etwas Durchgreifendes gegen die Preiserhöhungen geschehen muß, so erblicken wir doch in dem Antrag der SPD nicht die Lösung des Preisproblems. Die SPD will mit diesem Antrag erreichen, daß für die im Antrag genannten Produkte bei der Einfuhr für eine geraume Zeit keine Zölle erhoben werden. Die Antragsteller versprechen sich davon eine Preissenkung. Was aber muß man sehen? Bei den im Antrag der SPD benannten Produkten handelt es sich um solche Produkte, über die wir in Westdeutschland genügend verfügen. Eine verstärkte Einfuhr dieser Produkte muß sich deshalb auf den Absatz unserer eigenen landwirtschaftlichen Produktion katastrophal auswirken. Auf der andern Seite ist es doch so: die Einfuhr dieser Produkte kann man nur in beschränktem Maße vornehmen. Und was wird sein, wenn diese Einfuhr beendet ist? Der alte Tanz der Preiserhöhungen wird erneut beginnen. Preiserhöhungen aber sind für die Landwirtschaft keine Lösung und schädigen den Verbraucher. Der Bauer bekommt heute zwar einen höheren Preis für seine Produkte; morgen kommt dann aber der Bundesfinanzminister Schäffer und steuert davon einen erheblichen Teil weg, und übermorgen kommt die Industrie mit überhöhten Preisen. Und was bleibt dann dem Bauern übrig? So steht doch das Problem. Deshalb ist die Preiserhöhung für den Bauern keine wirkliche Hilfe. Im Gegenteil; höhere Preise haben zur Folge, daß die Verbraucher weniger kaufen können; und das wirkt sich dann in der Folge auf den Absatz landwirtschaftlicher Produkte aus.
Nach unserer Auffassung liegt die Wurzel des Übels viel tiefer, als das in der Diskussion hier zum Ausdruck kam. Die Wurzel liegt darin, daß zugunsten der Großen in der Industrie und in der Landwirtschaft ständig die mittleren und kleineren Bauern gedrückt werden. Dazu kommen die Folgen des Krieges und die damit verbundenen riesigen Belastungen, die nicht zuletzt auf den
A Bauern und auf die Verbraucher abgewälzt werden. Es ist doch bekannt, daß der Finanzminister, Herr Schäffer, ein Meister in diesem Abwälzen und in der Erfindung immer neuer Steuern ist, um auf der einen Seite die Besatzungskosten zu bezahlen und um auf der andern Seite Beträge für den sogenannten Sicherheitsbeitrag hereinzuholen. Und nicht zuletzt kommt dann Herr Professor Dr. Erhard, der doch die Preistreiberei der Konzerne fördert, und hinzu kommen die hohen Frachtsätze und die überhöhten Handelsspannen Diese Tatsachen haben dazu geführt, daß die steuerliche Belastung von 4 Mark pro Hektar im Jahre 1914 auf 120 Mark pro Hektar im Jahre 1950 angestiegen ist. Diese Politik hat dazu geführt, daß die Schere zwischen den Industrie- und Agrarpreisen immer weiter wird. Diese Politik hat dazu geführt, daß die Landwirtschaft ungeheuer verschuldet ist, daß wir gegenwärtig ungefähr 4 Milliarden DM landwirtschaftliche Schulden haben. Und die Folgen dieser Politik sind dann die Landflucht und die zunehmenden Bankrotte in der Landwirtschaft.
Wie man der Landwirtschaft und gleichzeitig den Werktätigen helfen kann, das zeigt uns die Agrarpolitik, die Preispolitik der Deutschen Demokratischen Republik.
Dort geht die Verschuldung der Bauern ständig zurück, die Steuern werden laufend gesenkt. Sie können darüber lachen, Sie können an den Tatsachen nicht vorbeigehen, und eines Tages werden Sie erleben, daß Ihre Illusionen, die Sie über die Entwicklung drüben haben, verfehlte Spekulationen waren.
Und trotzdem steigt dort die Kaufkraft der Massen. Dort haben wir die Tatsache zu verzeichnen, Herr Kollege, daß der Kartoffelpreis bei 4,20 Mark steht und der Bauer trotzdem verdient und die Schweinemast weitergeht.
Man kann sich drehen und wenden, wie man will, es gibt auch hier nur eine Lösung, und diese Lösung heißt: wir müssen wegkommen von jeder Rüstungspolitik, von jeder Kriegspolitik, wir müssen wegkommen von den Besatzungskosten und von den hohen Profiten, damit die Mittel frei werden, um die Umschuldung der Landwirtschaft vorzunehmen, damit die Mittel frei werden für eine radikale Steuersenkung und für eine großzügige Kredithilfe. Nicht die europäische Agrarunion, Herr Dr. Dr. Müller, der sogenannte Schumanplan der Landwirtschaft, ist eine Lösung für die deutsche Landwirtschaft, sondern ein einheitliches Deutschland, eine einheitliche deutsche Landwirtschaft und ein deutscher Agrarplan und keine amerikanische Agrarunion.