Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich trete fast ausnahmslos jedesmal an dieses Pult mit dem deprimierenden Gefühl, daß es eigentlich ein vergebliches Bemühen ist, hier zu einer sachlichen und nüchternen, nicht gefühlsbetonten Aussprache über eine Angelegenheit zu kommen, von der ich annehmen möchte, daß sie immerhin weite Kreise unseres Volkes doch sehr lebhaft interessiert. Es hat doch auch keinen Sinn, wenn sich hier nun jeder verpflichtet fühlt, gleich irgendein Interesse mit allem Nachdruck zu verteidigen, oder daß ich mich nun wieder dagegen verwahren muß, als hätte ich meiner Fraktion geraten, hier aus einer Stimmung heraus einen solchen Antrag zu stellen, und als käme es jetzt darauf an, unsere Landwirtschaft vor dem Verderben zu schützen.
Ganz besonders schlimm wird die Geschichte dann, wenn jemand auftritt wie der Herr Kollege Tobaben und sagt: Was haben sich die Leute dabei gedacht, unser ganzes Volk in Panik zu versetzen, so daß dann die Kartoffeln vielleicht knapp werden und die Leute sogar noch mehr einkellern als vorher!
Reden wir uns bloß nicht ein, daß die Bevölkerung in diesem Lande mit ihrer Reaktion erst darauf wartet, was wir hier besprechen. Es ist doch bezeichnend, daß wir einen Antrag, der am 13. gestellt ist, heute hier gerade diskutieren können. Ich glaube, die Leute draußen im Lande sind den Ereignissen dichter auf den Fersen, als es uns hier gelingt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß mir nicht gesagt zu werden braucht, daß es unzweckmäßig ist, ein Einfuhrprogramm in allen Einzelheiten hier vor uns auszubreiten, in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Ich habe auch niemals geglaubt, man sollte ein solches Einfuhrprogramm mit all seinem vom Marktverlauf abhängigen Auf und Nieder 14tägig hier vor dem Volke ausbreiten. Ich möchte auch nicht glauben, daß irgendeiner der Herren, die das abgelehnt haben, im Ernst der Meinung ist, es käme mir darauf an.
Der Herr Vizekanzler hat also hier noch einmal bestätigt, daß wir genau so viel Geld haben, wie es Herr Professor Erhard neulich gesagt hat. Ich verzichte ganz bewußt darauf, dieses Thema zu vertiefen. Ich müßte sonst Herrn Kollegen Dr. Müller, der z. B. über die Zuckerversorgung und über den Zuckermarkt besser im Bilde ist als irgendeiner in diesem Hause, fragen, ob er sich denn erklären kann, daß wir bei einem Vorrat von 400 Millionen Dollar, die wir bar haben, und 500 Millionen Dollar, die wir noch zu bekommen haben, nicht einmal den außerordentlich geringen Dollarbetrag freibekommen können, mit dem wir heute Terminkäufe-machen könnten, von denen wir alle wissen, daß sie uns große Probleme vom Halse schaffen könnten, z. B. das Problem der Subventionen des teureren Auslandszuckers. Ganz offenbar handelt es sich doch hier um Dollars, die nicht zu dem Zweck gebraucht werden können, zu dem wir sie vordringlich benötigen.
Meine Damen und Herren, dann sind uns viele Dinge gesagt worden. Zum Beispiel sollten sich doch die Konsumgenossenschaften stärker einschalten. Mir ist bekannt — das können Sie sich vielleicht einmal von den landwirtschaftlichen Genossenschaften bestätigen lassen —, daß in einem erfreulich großen Umfange Kartoffelgeschäfte zwischen den Genossenschaften der Erzeuger und den Genossenschaften der Verbraucher stattfinden. Hoffentlich wird das demnächst nicht unter der Überschrift „Mittelstandspolitik gegen die Konsumgenossenschaften" verboten! Immerhin: sie finden statt; und da, wo sie stattfinden, wo sie stattfinden können, weil der Erzeuger bereit ist, auf diesen Weg zu gehen und seine Kartoffeln so abzusetzen, macht es sich auch für den Verbraucher und für den Erzeuger im Preise nach beiden Seiten hin angenehm bemerkbar.
Aber bitte, hier ist doch auf der andern Seite auch wiederum gefragt worden, ob nicht vielleicht diejenigen an den hohen Kartoffelpreisen schuld seien, die als Großverbraucher aufs Land gegangen wären und dort den Bauern 6 DM geboten hätten. — Was erwarten Sie denn von denen, die aufs Land gehen, um unter Ausschaltung des Zwischenhandels Kartoffeln direkt in die Stadt zu bringen? Glauben Sie, daß es von den Betreffenden richtig wäre, den Bauern zuzumuten, auf die Teilung wenigstens eines Teiles der Spanne, die da erspart wird, zu verzichten? Und wenn das Ansinnen gestellt würde, dann wäre ich begierig, von Ihnen zu hören, wie Sie darauf reagieren.
Zu einer andern Bemerkung möchte ich noch ein Wort sagen. Hier ist von Herrn Fassbender, glaube ich, gesagt worden, Schweinefleisch und Zucker seien nicht gerade die Nahrungsmittel für die arme Bevölkerung. Ich darf Herrn Fassbender daran erinnern, daß uns allen eine sehr interessante Untersuchung des Instituts für Zuckerwirtschaft bekannt ist, in der die Zusammenhänge zwischen Schweinefleisch und Zucker sehr überzeugend dargestellt werden. Für diejenigen, die sich Fett nicht oder nicht in ausreichendem Maße leisten können, ist Zucker der einzige Ersatz. Vielleicht nimmt Herr Kollege Fassbender Gelegenheit, das einmal nachzusehen.
Ganz im Ernst: wir sind auch heute noch nicht für Verbilligungsscheine. Wir sind nicht dafür, daß wir einen recht erheblichen Teil unserer Bevölkerung statt mit Geld aus Arbeitslohn oder, soweit die Menschen nicht mehr arbeiten können, aus Renten nun mit einem Verbilligungsschein in den
Laden schicken. Wir halten das nicht für die wahre Liebe, vor allen Dingen dann nicht, wenn es sich eben nicht nur um eine besondere, kleine Gruppe der Bevölkerung handelt; die so versorgt werden muß, sondern um einen recht erheblichen Teil auch der arbeitenden Bevölkerung, einen größeren Teil, als manche heute wahrhaben wollen. Im übrigen wäre ich sehr gespannt, die Stellungnahme des Herrn Bundesfinanzministers kennenzulernen, wenn Sie jetzt im Ernst einmal auf die Verbilligungsscheine für Schweinefleisch losgingen.
Meine Damen und Herren! Der Regierung machen wir den Vorwurf, daß sie z. B. in puncto Kartoffeln nicht zur rechten Zeit auch mit psychologischen Mitteln dafür sorgt, daß die Spekulation auf den Mangel und das dementsprechende — meinetwegen falsche — Verhalten der Bevölkerung aufgefangen wird, sondern daß sie die Dinge erst so laufen läßt, wie sie gelaufen sind.
Ich möchte mich nach allem, was ich gehört habe, nicht mehr mit jedem einzelnen Punkt auseinandersetzen. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist uns mit unseren Anträgen absolut ernst. Wir haben sie keineswegs aus einer Stimmung heraus gestellt, und wir bedauern heute noch weniger denn je, daß wir sie gestellt haben. Ich glaube indessen, daß es wahrlich keinen Sinn hat, die Anträge in den Ausschuß zu geben. Das, worum es sich handelt, kennt jeder; es ist allerdings eine andere Frage, ob wir darüber das reden, was wir wissen. Ich schlage Ihnen in allem Ernst im Namen meiner Fraktion vor, die beiden Anträge jetzt direkt zur Abstimmung zu stellen.