Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für den Lastenausgleich hat in seiner heutigen Sitzung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums Stellung genom- men. Diesem Antrag liegen zwei verschiedene Erwägungen zugrunde. Einmal folgende: Die fortschreitende Teuerung hat nicht nur eine angemessene Erhöhung der Löhne und Gehälter veranlaßt, sondern auch den Gesetzgeber bewogen, durch Teuerungszulagen zu den Sozialversicherungsrenten und den Gehältern und Pensionen dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Unberücksichtigt blieb bis zur Stunde der große Kreis der Unterhaltshilfeempfänger. Dieser Personenkreis, der sich zu etwa 60 v. H. aus Heimatvertriebenen und zu 40 v. H. aus Kriegssachgeschädigten, Währungsgeschädigten und rassisch, religiös und politisch Verfolgten zusammensetzt, hat bis jetzt zu den bescheidenen Unterhaltshilfen in der Höhe von monatlich 70 DM für die Einzelperson oder das Familienoberhaupt, 30 DM für die Ehefrau und 20 DM für das Kind keinerlei Beihilfe oder Aufbesserung erhalten. Daraus ergibt sich ein Notstand, den zu beheben sich der Gesetzgeber verpflichtet fühlt.
Auf der andern Seite wurden in diesem Hause mehrmals Anträge insbesondere von Vertretern der Landwirtschaft eingebracht, die bezweckten, daß die Hebesätze bei der Soforthilfeabgabe den Bedürfnissen insbesondere der kleinen Realvermögensbesitzer angepaßt werden. Das Haus hat diese Anträge immer wieder mit dem Hinweis auf das zu erwartende Lastenausgleichsgesetz, das hier gewisse Korrekturen vorzunehmen beabsichtigt, abgewiesen. Da die Arbeiten für die Fertigstellung des Lastenausgleichsgesetzes noch nicht so weit gediehen sind, daß diesen Wünschen zu dem Abgabetermin des 20. November 1951 entsprochen werden kann, haben die antragstellenden Fraktionen in dem vorliegenden Antrag versucht, beiden Bedürfnissen einigermaßen Rechnung zu tragen.
Die von dem Ausschuß erarbeitete Vorlage legt Ihnen einen Gesetzesantrag von acht Paragraphen in zwei Artikeln vor.
Der Art. 1 der Vorlage sucht den Wünschen nach einer Stundung der Soforthilfeabgabe Rechnung zu tragen. Die Ziffer 1 des § 1 wurde vom Ausschuß einstimmig angenommen. Ich setze voraus, daß Sie mit mir übereinstimmen, wenn ich auf eine nähere Erläuterung des Textes, der ja vor Ihnen liegt, verzichte.
Die Ziffer 2 des § 1, die dem abgabepflichtigen Vermögen, dessen Einheitswert zwischen 15 000 und 75 000 DM liegt, auf Antrag ebenfalls beschränkte Stundungsmöglichkeiten einräumt, wurde im Ausschuß mit 16 gegen 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.
Die Ziffer 3 des § 1 sieht die Möglichkeit einer Saldierung für das abgabepflichtige Vermögen von Flüchtlingsbetrieben vor. Sie wurde mit der gleichen Mehrheit angenommen. Berechtigte Bedenken gegen diese Ziffer wurden von Sprechern aller Fraktionen mit Hinblick auf die analogen Verhältnisse der Kriegssachgeschädigten vorgebracht. Der Ausschuß hätte diesen Einwendungen gern Rechnung getragen. Das setzt aber voraus, daß in jedem einzelnen Fall eine Schadensfeststellung vorweggenommen werden müßte. Aus diesem Grunde können diese Fälle erst bei der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes hinsichtlich der Saldierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Der Art. 2 der Vorlage regelt die Teuerungszulagen zu den Unterhaltshilfen. Sie wurden ab 1. Oktober dieses Jahres für den einzelnen Anspruchsberechtigten oder das Familienoberhaupt um 15 DM, für die Ehefrau und jedes Kind um 7,50 DM und für Vollwaisen um 10 DM monatlich erhöht. Durch diese Erhöhungen treten die nach dem Gesetz vom 10. August 1951 gewährten einstweiligen Teuerungszulagen zur Abgeltung von Preiserhöhungen in der Höhe von 3 DM pro Kopf und Monat und die durch das Rentenzulagegesetz gewährten Teuerungszulagen für diesen Personenkreis außer Kraft.
Eine echte Sorge bereitete dem Ausschuß die Frage der Deckung der Aufwendungen nach Art. 2 des Gesetzes. Diese Teuerungszuschläge sollen nach dem einmütigen Willen des Ausschusses vorläufig aus den Mitteln des Soforthilfeaufkommens gedeckt werden. Lassen Sie mich hierzu den Text des § 6, der diese Frage regelt, wörtlich vorlesen. Ich bemerke noch, daß dieser Text in Anwesenheit des Herrn Finanzministers zustande gekommen ist.
Es heißt:
Die Teuerungszuschläge nach diesem Gesetz werden bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich vorschußweise aus dem Soforthilfefonds geleistet. Sie sind aus Mitteln des Bundeshaushalts zu erstatten; eine etwaige Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern wegen teilweiser Rückerstattung der aus dem Bundeshaushalt erstatteten Beträge bleibt vorbehalten.
Der Ausschuß war einmütig der Auffassung, daß, weil das abgabepflichtige Vermögen, gerechnet vom Währungsstichtag, ein stabiles Vermögen ist, diesem abgabepflichtigen Vermögen nicht die veränderlichen Größen, wie sie z. B. in den Wirtschaftsschwankungen und in der Teuerung zum Ausdruck kommen, angelastet werden können. Deshalb kann die durch die Teuerung notwendig gewordene Erhöhung der Unterhaltshilfesätze nicht dem Fonds angerechnet werden. So wie die Teuerungszulagen für die Rentner, Pensionäre und Beamten aus Haushaltsmitteln aufzubringen waren, muß das auch in diesem Falle geschehen. Dem steht gegenüber, daß zur Zeit keine haushaltsmäßigen Mittel zur Verfügung stehen. Deshalb soll der Fonds die dadurch notwendigen 109 Millionen DM zunächst vorschießen. Dieser Betrag soll aber haushaltsmäßig in späteren Haushalten abgedeckt werden. Der Ausschuß war sich darüber einig, daß dies nicht unbedingt in einem einzigen Haushaltsjahr geschehen muß. Der Ausschuß betont jedoch, daß er darunter nicht eine Hinausschiebung der Rückerstattung auf einen zu großen Zeitraum versteht.
Was die Fassung des § 6 hinsichtlich der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern betrifft, so ist zu erwähnen, daß, wenn wir dieses Gesetz nicht verabschiedeten, in einer Reihe von Ländern
und Gemeinden durch die dort inzwischen eingetretene Erhöhung der Fürsorgerichtsätze diesen Gebietskörperschaften die Lasten zufallen würden, die wir durch dieses Gesetz übernehmen. Es erscheint uns als recht und billig, wenn sich der Bundesfinanzminister über einen Ausgleich der dadurch auf ihn zukommenden Ausgaben, die sonst auf die Haushalte der Länder zukämen, mit diesen zu verständigen hat.
Dieses Gesetz befriedigt keineswegs alle Erwartungen auf beiden Seiten der Betroffenen. Es will und soll auch nur ein Übergangsgesetz von den Bestimmungen des geltenden Soforthilfegesetzes zu dem erwarteten Lastenausgleichsgesetz sein. In diesem Sinne bitte ich im Namen des Ausschusses um die Zustimmung des Hohen Hauses.