Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Herr Abgeordnete Fisch hat ein falsches Manuskript aus dem Karlshorster Aktenschrank seiner Parteizentrale gezogen.
Denn das, was er uns hier vorgetragen hat, geht so an den Dingen vorbei, daß es sich eigentlich erübrigen sollte, dazu noch einiges zu sagen.
Wenn ich es trotzdem tue, so deswegen, weil meine Fraktion einen Änderungsantrag zu dem Antrag der KPD-Fraktion eingebracht hat.
Einiges vorweg, Herr Kollege Fisch! Ich bin zwar nicht befugt, den Herrn Bundesjustizminister und den Herrn Bundesminister des Innern wegen des Vorwurfs der Rechtsverwilderung und des Verfassungsbruchs irgendwie in Schutz zu nehmen; aber wenn Sie von Verwilderung der Rechtssitten und von Verfassungsbrüchen sprechen, dann, glaube ich, gibt es dafür kein besseres Gebiet in Europa als das Terrain der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik.
Da haben Sie wirklich das in extenso, was man unter Verwilderung von Rechtssitten und Verfassungsbruch versteht.
Ich glaube, Sie sollten sich hüten, von derartigen Dingen zu sprechen, die Sie doch in den Gebieten, in denen Sie herrschen, nichts weiter tun, als permanenten Landesverrat zu betreiben.
Sie sprechen von Ausplünderung unseres Volkes, wo es doch dem letzten Kind auf der ganzen Welt bekannt ist, daß das, was Sie in der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik betreiben, das beste Beispiel von Ausplünderung des deutschen Volkes und seiner Werte ist. Herr Kollege Fisch, Sie sprechen von Verewigung der Spaltung Deutschlands. Wer sind denn diejenigen, die das tun, was Sie uns hier dauernd wieder vorwerfen? Nur um das nicht unwidersprochen hinzunehmen, gehe ich darauf ein: doch Sie! Sie sprechen von Gesetzen, die die Einheit verhindern. Wo werden denn die die Einheit verhindernden Gesetze gemacht? Doch nicht hier in der Bundesrepublik!
Herr Kollege Fisch, mit solchen Ausführungen ist
vor allem das nicht zu begründen, was Sie wollen.
Wir haben niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß das Gesetz Nr. 62 nicht dem entspricht, was wir uns unter einer für alle geltenden Rechtsordnung vorstellen. Meine Damen und Herren, es ist geradezu grotesk, d aß der Antrag der Fraktion der Kommunistischen Partei darauf hinausläuft,
daß Besatzungsrecht deutsches Bundesrecht bricht! Die Fraktion der KPD wünscht nämlich nicht, daß das Gesetz Nr. 62 außer Kraft gesetzt wird, sondern daß es in Kraft bleiben soll, und daß die entsprechenden Bestimmungen unseres Strafrechtsänderungsgesetzes außer Kraft gesetzt werden sollen.
— Ja, so ist das, Herr Kollege Fisch!
Daß Sie natürlich Angst davor haben, mit den gesetzlichen Bestimmungen über den Landesverrat in Konflikt zu kommen, kann ich mir allerdings lebhaft vorstellen.
Das, was Sie über die Verhältnisse in der Weimarer Republik gesagt haben,
Herr Kollege Fisch, gibt Ihnen wahrscheinlich Veranlassung zu dieser Furcht.
Herr Kollege Fisch, Sie wissen ganz genau,
daß die Weimarer Republik anders ausgesehen hat, als Deutschland heute aussieht. Wir sind heute in Deutschland geteilt und haben nicht die Möglichkeit, auf dem Gebiet, auf dem wir hier tätig sind, das zu tun, was wir für richtig halten. Wir glauben aber nicht, daß der Weg, den Sie uns vorschlagen, der richtige ist.
Meine Fraktion schlägt vor, den Antrag auf Umdruck Nr. 344 anzunehmen, die Bundesregierung zu ersuchen, bei der Alliierten Hohen Kommission die Aufhebung des Gesetzes Nr. 62 zu erwirken, um damit vor dem Gesetz Gleichheit zu schaffen und eine gleichmäßige Anwendung des Strafrechtsänderungsgesetzes zu ermöglichen. Durch die Annahme dieses Antrages — die Kommunisten werden sich dem sicherlich nicht entziehen, Herr Kollege Fisch
— wird sich dann der von der Fraktion der KPD vorgelegte Antrag erledigen. Ich glaube, es ist der beste Weg, den wir gehen können, daß wir den Abänderungsantrag meiner Fraktion annehmen und es den Herren von der KPD überlassen, was Sie dann mit ihrem eigenen Antrag machen wollen.