Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Tagen, nämlich in der 167. Sitzung dieses Hauses, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister hier sozusagen das Geld zusammengezählt, das uns seine Wirtschaftspolitik seiner Meinung nach eingebracht hat, und einige von Ihnen haben sich dabei ganz gut unterhalten. Was man gerne hört, das glaubt man dann auch. Wir haben vom Herrn Bundeswirtschaftsminister gehört, daß sich „die Dollarbestände bei der Bank deutscher Länder in der Zwischenzeit nach einer weitgehenden Erschöpfung jetzt wieder auf über 400 Millionen Dollar angereichert haben, während wir umgekehrt für bereits geleistete Exporte über ein Guthaben von 550 Millionen Dollar verfügen". Darauf hat es lauten Beifall gegeben. Wenige Stunden vor dieser Mitteilung hat der Ernährungsausschuß dieses Hauses getagt, und in diesem Teil unserer Verhandlungen, den wir für vertraulich erklärt haben, hat der Herr Bundesernährungsminister den Mitgliedern des Ernährungsausschusses die wenig erfreuliche Mitteilung machen müssen, daß von dem Dollarbetrag — ich verzichte darauf, diesen Betrag zu nennen —, den er für ausgesprochen lebenswichtige Einfuhren im zweiten Halbjahr 1951 angefordert hat, noch nicht einmal die Hälfte zur Verfügung gestanden hat,
und zwar einfach deshalb, weil die Dollars eben nicht da waren!
Es wäre für uns alle ganz nützlich, nun die Frage zu untersuchen, ob der Herr Bundeswirtschaftsminister sich verzählt hat
oder ob er Dollars zusammenzählt, für die man sich nichts kaufen kann, oder ob nur der Herr Bundesernährungsminister trotz jenes so erfreulichen Bildes der Devisenbilanz nicht in der Lage ist, aus diesem recht großen Vorrat eine verhältnismäßig sehr kleine Summe für lebenswichtige Einfuhren zusammenzubringen.
Wir haben in der darauffolgenden Sitzung des Ernährungsausschusses alle miteinander, und zwar alle unter dem Eindruck und unter ausdrücklicher Berufung auf die Mitteilung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, die vereinbarte Vertraulichkeit wieder aufgehoben und bei der Gelegenheit auch im Ernährungsausschuß die Frage aufgeworfen, wie man sich das eigentlich zusammenreimen soll. Der Herr Bundesernährungsminister hat erklärt, daß er seinen Ausführungen vom Vortage nichts hinzuzufügen habe, und ich habe ihm gern versichert, daß ich auch keinen Augenblick geglaubt habe, er habe sich zu berichtigen.
Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen mit unserem Antrag Drucksache Nr. 2686 vorgeschlagen, einen Beschluß dahingehend zu fassen, daß die Bundesregierung ersucht wird, umgehend ein Einfuhrprogramm zur Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Grundnahrungsmitteln vorzulegen. Alle, die sich nicht mit den sehr rosigen Schilderungen durch den Herrn Bundeswirtschaftsminister begnügen, vor allen Dingen diejenigen, die durch ihre Arbeit im Ernährungsausschuß gezwungen sind, sich mit den Tatsachen etwas ernsthafter zu beschäftigen,
werden für diesen Antrag meiner Freunde sicherlich volles Verständnis haben. Wir wissen, daß die Devisenlage längst nicht so ist, wie sie uns hier dargestellt worden ist. Wir kennen auch die sich daraus ergebenden sehr unerfreulichen Auswirkungen auf unsere Versorgungslage, und wir kennen insbesondere die unangenehme Folge, daß wir in der Regel zu spät kaufen und deshalb besonders teuer kaufen müssen.
Wir haben z. B. bei der Frage der Zuckerversorgung — und Sie wissen, daß wir in puncto Zucker sehr einfuhrabhängig sind — uns immer wieder darüber unterhalten, warum man denn nicht Terminkäufe tätigt, die jetzt zu einem Preis abgeschlossen werden könnten, der eine Subventionierung überhaupt überflüssig machte, und wir haben uns dann jedesmal sagen lassen müssen, daß es der Bundesregierung eben nicht gelungen sei, von der Bank deutscher Länder die für solche Käufe erforderlichen Devisen bereitgestellt zu bekommen; völlig unbegreiflich, wenn Herr Professor Ehrhard glaubt, daß die Bank deutscher Länder auf einem so beachtlichen Devisenvorrat sitzt.
Meine Damen und Herren, ich nehme es der Bank deutscher Länder gar nicht übel, daß sie in
der Verwendung von Devisen so besonders vorsichtig ist. Ich bedauere, daß sie sich zu einer so vorsichtigen Verwendung von Devisen entschließen muß, weil, wie ich schon andeutete — ich erinnere Sie nur an die dadurch bedingte Preissteigerung für Zucker, auch in diesem Jahre wieder —, diese vorsichtige Verwendung von Devisen hinterher eben sehr teuer kommt. Ich nehme es ihr aber, wie gesagt, gar nicht übel; denn wenn von ein und derselben Regierungsbank einander so widersprechende Perspektiven gegeben werden, dann hat die Bank deutscher Länder, die ja auch vor einer sehr erheblichen Verantwortung steht, vielleicht die Sorge, daß sie sich da in Termingeschäfte einläßt, die in ihren Konsequenzen nachher nicht mehr zu übersehen sind.
Deshalb möchten wir mit unserem Antrag gern erreichen, daß die Bundesregierung unter Verzicht auf jede Dramatisierung und auf jede Schönfärberei sich zu einem Einfuhrprogramm bekennt und immer nur mit den Dollars rechnet, die auch wirklich zur Verfügung stehen.
Tut man das, dann müßte es doch sehr merkwürdig zugehen, wenn es den gemeinsamen Anstrengungen aller verantwortungsbewußten Leute — und die sitzen ja nicht nur auf den Bänken der Regierung, die gibt es auch in den Reihen der Opposition — nicht gelingen würde, die Finanzierung eines so überlegten Einfuhrprogramms, eines Einfuhrprogramms ohne Phrase und eines Einfuhrprogramms, auf das man sich dann aber auch fest verpflichtet, zu sichern und die dafür erforderlichen Devisen zur Verfügung zu stellen. — Das zum ersten Teil unseres Antrages Drucksache Nr. 2686.
Nicht weniger wichtig erscheint uns der zweite Teil, in dem wir verlangen, daß die Regierung aus dem reichen Vorrat an Devisen insbesondere diejenigen Devisen zur Verfügung stellt, und zwar schnellstens zur Verfügung stellt, die zu einer Einfuhr notwendig sind, mit der hier im Lande Mangelerscheinungen und Spekulationen auf Mangelerscheinungen verhindert werden können und mit der auch dann einmal preisregulierend gewirkt werden kann, wenn auf Grund der heimischen Erzeugung oder aus irgendwelchen anderen Gründen solche Erscheinungen zu verzeichnen sind, wie wir sie in puncto Schweinefleischpreis und Kartoffelpreis in den letzten Wochen erlebt haben.
Ich darf dann zur Drucksache Nr. 2687 übergehen. Wahrscheinlich wird nun gleich jemand herkommen und sagen, daß die Sache mit den Schweinepreisen längst überholt sei, daß das früher einmal so gewesen sei und daß wir inzwischen einen sehr gefährlichen Zusammenbruch der Schweinepreise gehabt hätten. Vielleicht kommt sogar einer auf die Idee, man müsse irgend etwas tun, um einen weiteren Preiszusammenbruch zu verhindern. Es entspricht aber doch nur den Tatsachen, wenn ich sage, daß das, was jetzt auf einzelnen Märkten in puncto Schweinepreis passiert ist, mit Preiszusammenbruch gar nichts zu tun hat und daß die hier und da abgebröckelten Schweinepreise immer noch nicht für sich in Anspruch nehmen können, für die richtigen Schweinepreise gehalten zu werden. Wir haben ja erfreulicherweise auch aus dem Munde solcher Vertreter landwirtschaftlicher Interessen, die sich insbesondere die Preispolitik angelegen sein lassen, immer wieder gehört, daß diese Preise nicht zu verantworten sind.
Die Bundesregierung hat vor einigen Wochen Maßnahmen angekündigt, mit denen sie dieser Preisentwicklung entgegentreten wollte, und sie hat sich dabei ausdrücklich auf die Auswirkungen der hohen Schweinepreise auf die Kartoffelpreise bezogen. Ich glaube, daß die Bezugnahme durchaus richtig ist. Wenn wir schon nicht für alle Leute sorgen können oder nicht dafür sorgen können, daß alle Leute Schweinefleisch essen können — und trotz des hohen Verbrauchs an Schweinefleisch wird niemand bestreiten wollen, daß es in unserem Lande noch sehr viele gibt, die sich Schweinefleisch nicht leisten können —, dann sollten wir uns wenigstens darum bemühen, daß auch die Ärmsten zu erträglichen Preisen Kartoffeln bekommen; denn es wäre geradezu entsetzlich, wenn wir eines schönen Tages feststellen müßten, daß die Schweine der zahlungskräftigen Leute die Kartoffeln der armen Leute weggefressen haben bzw. dazu beigetragen haben, diese Preise hochzutreiben.
— Nur keine Entrüstung, meine Damen und Herren! — Es ist uns in vollem Umfange bekannt, daß der Regierung jetzt in ausreichendem Maße die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um mit marktkonformen Mitteln, z. B. einer forcierten Einfuhr, einen von allen Seiten offenbar gewünschten Druck auf die Preise herbeizuführen. Wir müssen deshalb — und das möchten wir mit unserem Antrag 2687 vorschlagen — die Regierung auffordern, auch jede noch so kleine Chance zu benutzen, um hier zu wirkungsvollem Eingreifen zu kommen, und dazu gehört eben mehr als nur die von der Regierung angekündigte Maßnahme: Senkung oder Verzicht auf Erhebung der Schweinefleischzölle bis zur Wiederherstellung vernünftiger Preise. Das genügt deshalb nicht, weil nicht genügend Schweine vorhanden sind und für die Schweineeinfuhr auch nicht in dem nötigen Umfang Dollars zur Verfügung stehen. Es muß deshalb alles getan werden, um auch die nötigen psychologischen Momente in Bewegung zu setzen.
Wir schlagen Ihnen daher mit unserem Antrag 2687 vor, daß bis zur Wiederherstellung vernünftiger Preise zur Überwindung der sehr ärgerlichen Kartoffelpreise insbesondere die Zölle auf alle Fleischeinfuhren und natürlich auch der Zoll auf die Kartoffeleinfuhr nicht erhoben werden. Bitte, ich weiß auch, daß es in Europa und für uns erreichbar nicht so viel Kartoffeln gibt, daß wir durch entsprechend umfangreiche Einfuhr einen Preisdruck bewirken könnten. Es gibt aber kleinere Mengen von Kartoffeln, und ebenso wie die Spekulanten spekulieren und versuchen, durch irgendeine Panikstimmung, durch irgendwelche Meldungen die Bevölkerung in eine ganz bestimmte Haltung hineinzuhetzen, muß sich meiner Ansicht nach die Regierung im Kampf gegen solche üblen Elemente, mit denen sich sicherlich keiner identifizieren möchte und denen bei ihren Geschäften sicherlich keiner helfen will, ebenfalls solcher Mittel bedienen, und der Verzicht auf die Erhebung der hier genannten Zölle ist ganz im Ernst, wenn es nur ernsthaft angewendet wird, ein solches Mittel.
Meine Damen und Herren, wir versprechen uns davon keine Sensationen; wir halten es aber für einen Beweis des guten Willens der Regierung auch den Verbraucherschichten gegenüber, und wir können diese Forderung in der heutigen Situation erheben, ohne daß mit Ernst gesagt werden könnte
daß dadurch für die Landwirtschaft Absatzschwierigkeiten heraufbeschworen werden würden oder daß das zu Preiseinbrüchen führen müßte, die die deutsche Landwirtschaft nicht ertragen könnte, die ihr auch kein Mensch zumuten will, sondern hier handelt es sich um eine zeitweilige Aussetzung von Zöllen zu einem ganz bestimmten und genau begrenzten Zweck, und in dem Augenblick, in dem der Zweck erreicht ist, können diese Zölle wieder in Kraft gesetzt werden. Dazu brauchen wir mit niemand zu verhandeln; das haben wir völlig in der Hand, und wir sollten uns diese Gelegenheit nutzbar machen, um der andern Seite, dem andern Teil der Bevölkerung zu zeigen, daß auch er nicht aufgegeben ist, daß man ihm mit Taten zu Hilfe kommt, auch mit kleinen Taten, wenn große nicht möglich sind, und daß man ihn nicht Rur mit Redensarten abspeisen möchte.