Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich erklare die 58. Sitzung des Deutschen Bundestages fur eröffnet.
Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, haben wir wieder einmal die schmerzliche Verpflichtung, eines Toten in unseren Reihen zu gedenken.
Das Mitglied dieses Hauses Herr Abgeordneter Friedrich Schönauer ist nach langer Krankheit am 2. April dieses Jahres verstorben. Er hat zu den deutschen Menschen gehort, die in den Jahren 1933 bis 1945 im aktivsten Kampf gegen die nazistische Herrschaft gestanden hauen, und er hat dafür jahrelang im KZ und in Gerangnissen büßen mussen. Er hat diese Qualen und diese Erschwernisse überstanaen und ist sann 1945 wieder in das aktive politische Leben zuruckgekehrt. in unserem Hause nat er einer Reihe von Ausschüssen angehört und in ihnen in intensiver W eise mitgearbeitet. Ich glaube, im Namen des Hauses hangeln zu durfen, wenn ich Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, das herzlichste Beileid zu diesem schmerzlichen Verluste zum Ausdruck bringe.
Ich stelle fest: Sie haben sich zu Ehren des Toten von ihren Platzen erhoben. Wir werden sein Andenken in Ehren halten. Ich danke ihnen.
Ich bitte nunmehr den- Herrn Schriftführer Abgeordneten Karpf, die Namen der abwesenden Mitglieder bekanntgeben zu wollen.
In der heutigen Sitzung fehlen folgende Damen und Herren ges Hauses: wegen Erkrankung die Abgeordneten Frau Dr. Growel, Bettgenhauser, Dr. baade, Bazille, Sander, Wirths, Arnholz, Dr. Gühlich, Frau Kipp-Kaule, Wittmann und Feldmann; entschuldigt die Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Hubert, bausch, Morgenthaler, Dr. Henle, Dr. Ehlers, Raestrup, Dr. Bronner, Dr. Menzel, Stahl, Dr. Hoffmann, Frühwald, Dr. Baumgartner, Reimann, Frau Thiele, Agatz, Muller , Nuding, Klabunde, Jann, Frau Schroeder (Berlin), von Knoeringen, Mutier (Dessen), Gorlinger, Steinhörster, Herbig und Loritz. Außerdem fenit der Abgeordnete Wehner. Auf Studienreise in den Vereinigten Staaten befinden sich die folgenden Abgeordneten: Dr. Bucerius, Dr. Tillmanns, Degener, Frau Brauksiepe, Dr. Wahl, Lange, Fischer, Frau Keilhack, Lausen, Leddin, Dr. Trischler, Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz), Ahrens, Dr. Seelos und Dr. Reismann.
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Mit Schreiben vom 14. April hat der Bundesrat mitgetellt, daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage folgenden Gesetzentwurfen seine Zustimmung gegeben hat:
dem Gesetz über die Verlängerung der Geltungsdauer des Energienotgesetzes,
dem Gesetz über die Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten und
dem Haushaltsgesetz 1949 und der Vorläufigen Haushaltsordnung.
Die grundsätzlichen Erwägungen des Bundesrates zu dem letzten Gesetzentwurf finden sich auf Drucksache Nr. 839.
Weiter hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 14. April der vom Bundestag in der 52. Sitzung am 27. März angenommenen Geschäftsordnung für den Vermittlungsausschuß des Bundestages und des Bundesrates gemaß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes zugestimmt.
Zu dem Gesetzentwurf über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet hat der Bundesrat die Einberufung dieses Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes für eine gemeinsame Beratung verlangt. Das diesbezügliche Schreiben des Bundesrates liegt den Mitgliedern in Form der Drucksache Nr. 840 vor.
Der Herr Bundeskanzler hat am 25. April 1950 die Übersetzung des Schreibens des Rates der Alliierten Hohen Kommission fur Deutschland über die vorlaufige Nichtgenehmigung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes übersandt. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 854 den Mitgliedern des Hauses zugestellt.
Ferner hat der Herr Bundeskanzler — entsprechend dem in der 34. Sitzung des Bundestages am 2. Februar 195U gefaßten Beschluß — am 24. April 1950 über den Stand der Neuordnung des Paßwesens berichtet. Das Schreiben liegt als Drucksache Nr. 850 vor.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat mit Schreiben vom 1. April 1950 die Anfrage Nr. 31 der Abgeordneten Dr. Wuermeling und Genossen betreffend Bekampfung der Arbeitslosigkeit — Drucksache Nr. 408 — beantwortet. Die Antwort liegt ais Drucksache Nr. 812 den Mitgliedern vor.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 19. April 1950 die Anfrage Nr. 60 der Abgeordneten Rademacher und Genossen betreffend Schulspeisungsprogramm durch die Besatzungsmächte -
Drucksache Nr. 669 —, die Anfrage Nr. 61 der Abgeordneten Aumer, Dr. Seelos und Fraktion der BP betreffend Einfuhr von Kakaopulver und Schokoladeerzeugnissen — Drucksache Nr. 705. — und die Antrage Nr. 62 der Abgeordneten Dr. Frey und Genossen betreffend Milchverwendung bei Schulspeisungen — Drucksache Nr. 714 — beantwortet. Die Antworten tragen die Drucksachen-Nummern 833, 834 und 835.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 4. April 1950 die Antrage Nr. 64 der Abgeordneten Stücklen, Strauß, Dr. bolleder, Naegel und Genossen betreffend Neubeschilderung tier Kraftfahrzeuge — Drucksache Nr. 795 — beantwortet. Die Antwort ist unter Drucksache Nr. 826 zur Verteilung gelangt.
Ferner hat der Herr Bundesverkehrsminister am 13. April 1950 die Anfrage Nr. 67 der Abgeordneten Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr. Schäfer und Genossen betreffend Bundesautobahnen — Drucksache Nr. 819 — beantwortet. Die Verteilung erfolgt unter Drucksache Nr. 829.
Schließlich darf ich darauf aufmerksam machen, daß gemäß einem gestern im Ältestenrat einstimmig gefaßten Beschluß der Punkt 9 der heutigen Tagesordnung betreffend Verlegung von Dienststeilen des Bundes nach Berlin abgesetzt wird.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Seelos, Dr. Etzel und Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 .
— Ich werde mir Mühe geben, mich auch ohne die Lautsprecheranlage verstandlich zu machen, solange sie nicht in Ordnung ist.
Bezüglich der Beratung des Antrags auf Drucksache 1N r. b50 wurde im Ältestenrat vorgesehen, für die Einbringung des Gesetzes 5 Minuten Redezeit zu verwenden und den Gesetzentwurf dann ohne Debatte an den zuständigen Ausschuß zu überweisen. ich darf die Zustimmung des Hauses zu diesem Vorschlag nach § 88 der Geschaftsordnung einholen. Ich höre keinen Widerspruch.
Wer von den Antragstellern wünscht den Gesetzentwurf einzubringen! — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Etzel! 5 Minuten!
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den wesentlichen Grundsatzen der Demokratie gehört die Teilung der Gewalten, insbesondere die Trennung der Legislative von der Exekutive. Man kann die Verwirklichung dieses Grundsatzes auf die Spitze treiben oder vernachlässigen. Die Tatsache, daß die Regierungsmitglieder im Parlament nicht gleichzeitig Abgeordnete sein können, ist so wenig ein Zeichen für das Bestehen einer echten Demokratie, wie umgekehrt die Tatsache, daß in der Regel die Mitglieder der Regierung dem eigenen Parlament angehören, nicht als Beweis gegen das Bestehen einer echten Demokratie gelten kann.
Der Verlauf der Debatte des Hohen Hauses über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit am 9. Februar hat in drastischer Weise enthüllt, wie unzweckmäßig, ja wie bedenklich es ist, wenn Mitglieder von Landesregierungen zugleich Bundestagsabgeordnete sein können. Für eine solche Mitgliedschaft besteht zunächst keine Notwendigkeit, denn nach Art. 43 Absatz 2 des Grundgesetzes haben die Mitglieder des Bundesrats jederzeit Zutritt zu den Beratungen des Plenums und seiner Ausschüsse und können jederzeit verlangen, gehört zu werden. Umgekehrt ist die Mitgliedschaft von Angehörigen einer Landesregierung im Bundestag Grund und Anlaß von Konflikten. In den Ländern bestehen vielfach andere Koalitionen als im Bund. Es wäre also möglich, daß das Mitglied einer Landesregierung innerhalb des Plenums des Bundestags als dessen Abgeordneter seiner eigenen Koalition in den Rücken fällt. Es wäre aUch theoretisch denkbar, daß ein Mitglied der Landesregierung als Bundestagsabgeordneter gegen seine Instruktion als Mitglied des Bundesrats spricht und stimmt. Außerdem besitzt dieses Mitglied der Landesregierung Immunität als Bundestagsabgeordneter. Es ist zweifelsohne richtig, daß aus einem solchen Zwielicht der Stellung als Mitglied einer Landesregierung und als Mitglied des Bundestags nichts Gutes erwachsen kann. Wir sind daher der Meinung, daß es notwendig ist, die bis jetzt unterbliebene strenge Scheidung durch eine entsprechende Änderung des Wahlgesetzes durchzuführen.
Verfassungsrechtliche Klarheit ist die Voraussetzung auch für politische Sauberkeit. Diesem Zweck, diesem Ziele will der von uns eingebrachte Antrag dienen, der lautet:
§ 1.
In Absatz 1 des § '7 wird als Ziffer 6 die nachstehende Bestimmung eingefügt:
„6. durch Eintritt in die Regierung eines Landes des Bundes."
§ 2. Ein Abgeordneter des Bundestages verliert
seinen Sitz nach § 7 Absatz 1 Ziffer 6 des Wahlgesetzes, wenn er bei dem Inkrafttreten des
vorliegenden Gesetzes bereits Mitglied der
Regierung eines Landes des Bundes ist.
Wir wären sehr dankbar, wenn im Interesse einer klaren Entwicklung der verfassungsrechtlichen und politischen Verhältnisse, im Interesse der klaren Scheidung zwischen Exekutive und Legislative diesem Antrag stattgegeben werden könnte.
Dem Vorschlag des Ältestenausschusses, den Antrag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ohne Debatte zu überweisen, können wir zustimmen.
Nach dieser Begründung der Herren Antragsteller darf ich die erste Beratung des Gesetzentwurfs auf Drucksache Nr. 650 als geschlossen betrachten und gleichzeitig das Einverstandnis des Hauses damit annehmen, daß Drucksache Nr. 650 dem zuständigen Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen ist. — Ich stelle das fest. Wir kommen damit zu Punkt 1 b der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jaeger, Kemmer, Stücklen und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Unzulässigkeit von Doppelmandaten .
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Jaeger!
Meine Damen und Herren! Wer seit sieben Monaten unvoreingenommen den Beratungen in diesem Hause beiwohnt und wer die deutschen Länderparlamente kennt, wird nicht daran zweifeln, daß der deutsche Parlamentarismus in mancher Hinsicht einer Reform bedarf. Zu den Dingen, die in den Augen des Volkes am meisten und mit Recht der Kritik ausgesetzt sind, gehören die Doppelmandate. Wir stimmen den Gedanken, die Herr Abgeordneter Dr. Etzel bezüglich der Länderminister, die Mitglieder dieses Hauses sind, ausgesprochen hat, durchaus zu. Er hat aber mit seinem Antrag nur einen Fall herausgegriffen, der selten ist, wenn es sich auch um einen besonders krassen Fall handelt. Wir von der Christlich-Sozialen Union sowie die Abgeordneten der Christlich-Demokratischen Union, die diesen Antrag unterzeichnet haben, wünschen, daß mit den Doppelmandaten überhaupt aufgeräumt und das Übel an der Wurzel angepackt wird.
Die Überlastung all derer, die in der heutigen Zeit zwei Mandate besitzen, brauche ich Ihnen nicht zu schildern, am wenigsten wohl denen, die dies persönlich betrifft. Es ist für dieses Haus, das allwöchentlich tagt, gar nicht tragbar, daß ein Mandatsträger abwesend ist, weil er in dem betreffenden Landtag sein muß. Es ist aber auch für den Landtag nicht tragbar, daß der Abgeordnete bei ihm fehlt. Gerade wenn man als Föderalist in den deutschen Landtagen echte Parlamente mit echten staatlichen Hoheitsaufgaben sieht, kann man es nicht verstehen, daß es sogar drei Landesvorsitzende bayerischer Parteien gibt, die ihr Landtagsmandat nur nebenbei ausüben. Es wird zur Hebung der Bedeutung der deutschen Landtage beitragen, wenn in den Landtagen nur hauptamtliche Abgeordnete, d. h. solche Abgeordnete sitzen, die nicht im Bundestag sind und nur so nebenbei ihr Landtagsmandat ausüben. Es liegt auch im Sinne einer gesunden Demokratie, die Gewalten zu teilen, auch wenn diese Gewaltenteilung nicht zu der gehört, über die Montesquieu geschrieben hat. Aufgabenteilung führt meistens zu einer Aufgabenverbesserung.
Was den besonders krassen Fall der Länderminister betrifft, so wurde schon von meinem Vorredner darauf hingewiesen, in welche Schwierigkeiten diese kommen, wenn sie etwa auf Grund eines Kabinettsbeschlusses im Bundesrat eine andere Haltung einnehmen müssen, als sie sie gemäß einem Fraktionsbeschluß im Bundestag zu vertreten haben.
Das Volk verlangt in jeder Beziehung, nicht nur bei den Ministern, sondern auch bei den Abgeordneten, Klarheit über die Verantwortung und wendet sich gegen jede Verfilzung im öffentlichen Leben. Ich möchte darum unseren Gesetzentwurf einen Gesetzentwurf zur Entflechtung der Politik nennen.
Die Annahme dieses Gesetzentwurfs liegt vor allem aber im Sinne der jungen Generation, die auf diese Weise die Möglichkeit haben wird, in die politischen Stellungen nachzurücken, so daß diese nicht einer einzigen Generation vorbehalten bleiben.
— Sie brauchen sich darüber nicht aufzuregen; ich habe dieses Amt längst niedergelegt!
Meine Damen und Herren, wir wissen, daß es dort technische Schwierigkeiten geben kann, wo ein Landtag vielleicht nur noch ein halbes oder ein ganzes Jahr besteht, wo, wie in Nordrhein-Westfalen, Mehrheitswahl eingeführt ist und nun wegen des halben oder auch ganzen Jahres eine Neuwahl stattfinden müßte. Wir haben deshalb eine Übergangsregelung dergestalt getroffen, daß es bei diesen Parlamenten noch so lange bei dem gegenwärtigen Zustand bleiben kann, bis die Wahlperiode abgelaufen ist.
Die Waffe, mit der man gelegentlich unseren Gesetzentwurf zu schlagen gedenkt, ist der Einwand, daß er angeblich gegen das Grundgesetz verstößt. Man behauptet, dieses Gesetz verletze das Grundrecht des passiven Wahlrechts, also der Wählbarkeit. Ich kann mich hier auf Erörterungen darüber nicht einlassen, werde es aber im Verfassungsausschuß tun. Ich möchte hier aber auch nicht die Frage untersuchen, ob die Gesetzgeber des Grundgesetzes in der passiven Wählbarkeit überhaupt ein Grundrecht sahen. Jedenfalls stehen die Artikel 38
und 48 des Grundgesetzes nicht in dessen erstem Teil.
— Ja, sie stehen im Grundgesetz; aber ob die passive Wählbarkeit ein Grundrecht ist, ist eine andere Frage. Jedenfalls werden Sie, Herr Professor Schmid, als Staatsrechtslehrer mit mir darüber einig sein, daß es sich nicht um ein unbedingtes Grundrecht wie bei dem Grundrecht auf Leben oder Gewissensfreiheit, sondern nur um ein bedingtes Grundrecht handeln kann.
Bedingte Grundrechte sind nach allgemeiner Auffassung solche, die der Natur der Sache nach eingeschränkt werden können. Meine Damen und Herren, aus der Natur der Sache ergibt sich doch, daß ein Mann oder eine Frau in ein Parlament gewählt wird, um dort erst einmal körperlich anwesend zu sein.
Sie können aber nicht zugleich im Deutschen Bundestag und im Landtag von Südwürttemberg anwesend sein! Wenn ich mich an die Zeit meiner Kindheit erinnere, in der ich Legenden gelesen habe, so fällt mir ein, auch einmal gelesen zu haben, daß es mittelalterliche Heilige gab, die die Gabe der Bilokation, also die Gabe hatten, gleichzeitig an zwei Orten zu sein. Die Damen und Herren dieses Hauses besitzen diese Gabe wohl nicht, auch wenn wir sie uns manchmal gern wünschen möchten.
Ich möchte behaupten, daß das passive Wahlrecht seinen spezifischen Sinn verliert, wenn man nicht verhindert, daß jemand gleichzeitig in zwei Parlamente gewählt werden kann, weil man nämlich sonst sein Recht und seine Pflicht, im Parlament zu arbeiten, gar nicht erfüllen kann. Im übrigen finden Sie solche Unvereinbarkeitsbestimmungen in allen demokratischen Verfassungen. Überall ist es verboten, daß das Staatsoberhaupt in einem Parlament sitzt.
— In England nicht; dort steht überhaupt nichts darin. Wo ein Zweikammersystem besteht, ist auch fast überall der Grundsatz der Inkompatibilität durchgeführt, wie man ja auch oft den Grundsatz hat, daß Beamte, Richter und Soldaten nicht in einem Parlament sein können.
Im übrigen steht zwar nicht in der bayerischen Verfassung, aber im bayerischen Pressegesetz, daß ein verantwortlicher Schriftleiter nicht in einem Parlament sitzen darf. Das ist keine Einschränkung des passiven Wahlrechts; denn es ist dem Schriftleiter nicht verboten, in das Parlament gewählt zu werden, sondern er hat ja die Möglichkeit, zwischen dem Parlamentsmandat und seiner anderen Tätigkeit sich zu entscheiden.
Ich möchte nicht, daß man sich hier hinter verfassungsrechtlichen Vorwänden verschanzt, weil man diese Posten nicht trennen will, deren Trennung das Volk fordert.
Wenn Sie unsern Gesetzentwurf annehmen, meine Damen und Herren — Sie können ihn vorerst ruhig dem Ausschuß überweisen —, werden Sie einen wesentlichen Schritt vorwärts tun zu einer reformierten und gesunden deutschen Demokratie!
Mit diesen Ausführungen des Herrn Antragstellers kann ich die erste Beratung als geschlossen betrachten und gleichzeitig das Einverständnis des Hauses annehmen, daß der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 724 dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen wird. Ich stelle fest: es ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen nun zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die erste Beratung dergestalt durchzuführen, daß die vorliegende gedruckte amtliche Begründung als ausreichend angesehen und der Gesetzentwurf ohne Debatte an den Ausschuß für Verkehrswesen und an den Ausschuß . für Rechtswesen und Verfassungsrecht mit der Federführung bei dem letztgenannten Ausschuß überwiesen wird. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung annehmen? — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen nun zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen zu diesem Gesetzentwurf die gleiche Regelung mit der Maßgabe vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als den federführenden und an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. Wenn ich keinen Widerspruch höre, darf ich annehmen, daß damit die erste Beratung abgeschlossen und der Gesetzentwurf den zuständigen Ausschüssen überwiesen ist. — Es ist demgemäß beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der . Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen gemäß § 88 der Geschäftsordnung vor, die Rededauer auf 60 Minuten nach dem üblichen Schlüssel festzusetzen. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen und erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Ritzel, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Drucksache Nr. 814 hat die Regierung den Entwurf eines Gesetzes Tiber die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 vorgelegt. Der Haushaltsausschuß hat sich mit diesem Gesetzentwurf sehr eingehend befaßt. Das Ergebnis seiner Beratungen finden Sie in der Drucksache Nr. 846. Ich habe im Auftrage des Haushaltsausschusses über den Inhalt des Gesetzes in seiner jetzigen Fassung und die Beschlüsse des Ausschusses Bericht zu erstatten.
Ich darf Sie grundsätzlich darauf hinweisen, daß es sich um ein Gesetz handelt, das zunächst rein technisch anzusehen ist, weil es die Fortführung der Bundesgeschäfte nach der Einnahme-
und Ausgabeseite bei Nichtvorliegen eines Etats sicherstellen soll. Der Herr Bundesfinanzminister hat in der Sitzung des Haushaltsausschusses der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß dieses Gesetz, das an sich für die Dauer von sechs Monaten, also bis zum 30. September gelten soll, rechtzeitig durch den Etat für das Rechnungsjahr 1950/51 abgelöst werden könne. Der Haushaltsausschuß teilt diese Hoffnung durchaus.
Durch das Gesetz, dessen Inhalt ich ganz kurz skizzieren möchte, soll zunächst einmal die rechtliche Grundlage für die Einnahmen geschaffen werden, die der Bund aus Steuern, Abgaben und aus sonstigen Quellen zu erwarten hat. Wenn dieses Gesetz nicht verabschiedet würde, dann hätte der Bund keine Möglichkeit, diese Steuern etc. zu erheben, aber auch keine Möglichkeit, Bindungen in bezug auf die Ausgaben zu schaffen. Diese Bindungen bestehen darin, daß die Ausgaben sich grundsätzlich an dem sechsten Teil, also an den Monatsbeträgen des Etats für das Jahr 1949/50 zu orientieren haben. Davon ist in den §§ 1 und 2 im einzelnen die Rede.
Wesentlicher Anlaß zu Diskussionen im Haushaltsausschuß war die Formulierung der §§ 3 und 4. Hier ist von den Beschränkungen, besser gesagt: von der Kontrolle der Ausgaben die Rede, die nach dem jetzigen Wortlaut des § 3 vor allem an die Zustimmung des Bundesfinanzministers gebunden sein sollen, wenn es sich um einmalige Ausgaben handelt. Der Zustimmung des Bundesfinanzministers bedürfen auch die Leistungen für Aufgaben neuer Art, immer bezogen auf den Etat 1949. Ausgaben für Sachleistungen, soweit sie für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September im Einzelfalle den Betrag von 300 000 DM überschreiten, bedürfen nicht nur der Zustimmung des Bundesfinanzministers, sondern ausdrücklich auch der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestags. Diese Zustimmung ist vorher einzuholen, und nur dann, wenn es sich um einen wirklich und anerkanntermaßen dringlichen Fall handelt, ist der Bundesfinanzminister berechtigt, sofort zu handeln, um unmittelbar nachher die erste Gelegenheit zu benutzen, den Haushaltsausschuß mit der betreffenden Frage zu befassen.
In jedem Fall aber ist die Zustimmung des Haushaltsausschusses während dieses kurzen Zeitraums vorher einzuholen, wenn es sich um die Ausbringung neuer Stellen für Beamte handelt. In § 4 ist gesagt:
In besonders begründeten Fällen kann . . . . der Haushaltsausschuß des Bundestages auf Vorschlag des Bundesministers der Finanzen bereits vor Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 Stellen für planmäßige Beamte bewilligen.
Es handelt sich also um neue Stellen, für die in dem Etat 1949 noch keine Begründung vorliegt, Stellen, die nicht im Stellenplan enthalten sind. Solche können vorweg nur dann besetzt werden, wenn zunächst der Haushaltsausschuß des Bundestages zustimmt.
In § 6 des Entwurfes finden Sie das Ablieferungssoll der Bundespost und der Bundesbahn. Die Bundeskasse erwartet von der Bundespost monatlich 9 Millionen DM und von der Bundesbahn 14,5 Millionen DM. Es sind Zweifel darüber laut geworden, ob diese erwarteten Einnahmen wirklich eingehen werden. Es ist Sache der Regierung, dafür zu sorgen, daß dies der Fall sein wird.
Ein entscheidender und sehr weittragender Punkt dieser Gesetzesvorlage ist die Beschaffung der erforderlichen Betriebsmittel. Die Bundesregierung, die bisher — ebenfalls auf Grund einer Ermächtigung des Parlaments — das Recht hatte, Betriebsmittel bei Banken in Anspruch zu nehmen, beansprucht mit Rücksicht auf die Situation und mit Rücksicht auf die Tatsache, daß gerade in der letzten Zeit die Steuereinnahmen sehr schwach geflossen sind. einen Betriebsmittelkredit von 1,5 Milliarden DM.
Ich darf betonen, daß dieser Gesetzentwurf von der Bundesregierung vorgelegt und vom Haushaltsausschuß des Bundestages beraten und beschlossen worden ist, bevor das Veto der Hohen Kommissare in bezug auf das Steuergesetz eingelegt worden oder mindestens bekanntgeworden ist. Die Situation, die sich seitdem entwickelt hat, hat wohl die Lage nicht vereinfacht, sondern eher noch kompliziert.
Im Auftrage des Haushaltsausschusses empfehle ich Ihnen die Annahme des Gesetzentwurfs nach Drucksache Nr. 846.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache der zweiten Beratung.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer. — Acht Minuten, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen, hat aber den Wunsch, doch ein paar Fragen, die uns wesentlich erscheinen, hier in der Plenarsitzung zur Sprache zu bringen. Zunächst einmal ist es immerhin ein Fortschritt, daß Wir jetzt wenigstens eine gesetzliche Regelung für die Übergangszeit bis zur Beschlußfassung über den Haushaltsplan 1950 haben. Daß wir noch mit einem solchen Provisorium arbeiten müssen, ist nicht zu ändern. Aber die Tatsache, daß ein solches Gesetz überhaupt vorgelegt und beschlossen wird, zeigt doch, wie sehr sich unsere ganzen Verhältnisse von Woche zu Woche konsolidieren. Das sollte gerade auch der Öffentlichkeit gegenüber einmal festgestellt werden.
In meiner Fraktion sind bei der Beratung des Gesetzes sofort Bedenken aufgetaucht — die ich im Haushaltsausschuß auch schon vorgebracht habe — gegen die Fassung des § 1 a). Im Haushaltsausschuß ist uns von Herrn Ministerialdirektor Öftering die Erklärung abgegeben worden, man habe diese Bestimmung lediglich mit Rücksicht auf ein in Bearbeitung befindliches Überleitungsgesetz für notwendig gehalten. In diesem Gesetz über die Überleitung der Ausgaben und Einnahmen von den Ländern auf den Bund sei auf eine besondere gesetzliche Regelung verwiesen, von welchem Termin ab die Einnahmen auf den Bund übergehen sollten. Deswegen habe die Regierung den § 1 a) in den vorliegenden Gesetzentwurf aufgenommen. Mehr, so wurde erklärt, solle dieser § .1 a) nicht bedeuten. Wir haben uns mit dieser Erklärung an sich begnügt legen aber doch Wert darauf, vor der Öffentlichkeit noch einmal festzustellen, daß nach deutschem Haushaltsrecht die Regierung für die Forterhebung der auf besonderen, auf Spezialgesetzen beruhenden Einnahmen keiner besonderen Ermächtigung im Haushaltsgesetz bedarf. Wäre das anders, könnten später unter Umständen doch einmal erhebliche Schwierigkeiten entstehen. Dieser Grundsatz, meine Damen und Herren, ist schon im preußischen Haushaltsrecht seit dem berühmten Indemnitätsgesetz vom 14. September 1866 unbestritten gewesen. Die Frage war auf Grund der Bestimmungen der preußischen Verfassungsurkunde zweifelhaft. Aber schon in dem Indemnitätsgesetz ist nur noch eine Indemnität für die Ausgaben der Konfliktszeit bewilligt worden, aber nicht mehr für die Forterhebung der Einnahmen. Wir stellen fest, daß auch nach dem jetzigen Bundeshaushaltsrecht die Bundesregierung zur Forterhebung der Einnahmen nicht einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung im Haushaltsgesetz bedarf.
Schwere materielle Bedenken haben wir gegen § 6. Der Herr Berichterstatter, Herr Kollege Ritzel, hat ja schon darauf hingewiesen, daß wir die Frage der Einnahmengestaltung der Bundesbahn auch im Haushaltsausschuß bereits erörtert haben. Dieses heiße Eisen muß man einmal anfassen. An der Tatsache kommen wir nicht vorbei, daß seit dem 1. Oktober 1949 die Deutsche Bundesbahn nicht mehr in der Lage gewesen ist, die Zahlungen an die Bundeshauptkasse zu leisten, die ihr in Höhe von monatlich 14,5 Millionen schon im Haushaltsplan des Vereinigten Wirtschaftsgebietes auferlegt waren. Darüber hinaus hat der Vertreter des Herrn Finanzministers im Haushaltsausschuß auf meine Frage mitgeteilt, daß auch die Zinsverpflichtungen der Deutschen Bundesbahn gegenüber der Bank deutscher Länder für die Verzinsung der Ausgleichsforderungen schon seit 1. Juli 1949 nicht mehr erfüllt werden konnten. Andererseits wurde erklärt, daß der Bund für diese Zinsverpflichtungen nicht, wie gelegentlich behauptet worden ist, eingetreten ist. Das ist also eine Angelegenheit, die zwischen der Bank deutscher Länder und der Deutschen Bundesbahn allein auszumachen ist.
Meine Damen und Herren! Nachdem der Haushaltsausschuß die Vorlage nach gründlicher Beratung dem Plenum unterbreitet hat, wollen wir darauf verzichten, hier einen besonderen Abänderungsantrag zu § 6 zu stellen. Aber wir möchten diese Gelegenheit doch benutzen, um auch die Öffentlichkeit auf den Ernst der Lage hinzuweisen. Es handelt sich hier immerhin um 87,5 Millionen, die bereits aus dem Jahre 1949 rückständig sind. Es erscheint uns auch sehr zweifelhaft, ob die Bundesbahn jetzt in der Lage sein wird, nicht nur diese Rückstände, die ja noch im Haushaltsplan 1949 des Vereinigten Wirtschaftsgebietes enthalten sind, zu bezahlen, sondern darüber hinaus ihren Verpflichtungen in dem jetzt kommenden halben Jahr nachzukommen. Auf der anderen Seite sind auch wir der Ansicht des Herrn Bundesfinanzministers, daß der Anspruch des Bundes gegenüber der Bundesbahn auf finanzielle Leistungen aufrechterhalten werden muß. Bei unserer derzeitigen Finanznot müssen wir darauf bedacht sein, von den großen Verkehrsverwaltungen Zuschüsse zu bekommen. Wir halten es nicht für richtig, daß wir mit diesen hohen Summen in den Haushaltsplänen rechnen. Wir sollten uns eher auf Merkposten beschränken.
Einverstanden sind wir mit der Erhöhung der Kreditermächtigung des Herrn Bundesfinanzministers auf 1,5 Milliarden.
- Ich habe Sie nicht ganz verstanden. Wer muß schön zahlen?
- Nicht allein wegen des ECA-Vertrags! Schon der Herr Berichterstatter hat ja festgestellt, weshalb und warum diese Kreditermächtigung notwendig ist.
Die notwendig gewordene Erhöhung der Kreditermächtigung ist allein schon technisch bedingt durch die Schwierigkeiten der Überleitung der Einnahmen und Ausgaben von den Ländern auf den Bund. Außerdem aber halten wir es grundsätzlich für wünschenswert, daß die Bundeshauptkasse so flüssig wie möglich ist, allein schon deswegen, damit der Bund - und die Bitte, dafür zu sorgen, möchten wir an den Vertreter des Herrn Bundesfinanzministers richten - den Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Lieferanten pünktlich nachkommen kann. Wir haben augenblicklich in vielen Sparten unserer Wirtschaft gewisse Zahlungsschwierigkeiten. Um so notwendiger ist es deshalb, daß wenigstens die öffentliche Hand ihren Zahlungsverpflichtungen prompt nachkommt. Die Verstärkung der Kassenmittel gibt nun der Bundesfinanzverwaltung die Möglichkeit, ihre Zahlungsverpflichtungen tatsächlich pünktlichst zu erfüllen.
In diesem Zusammenhang muß ich nun aber die Öffentlichkeit und dieses Hohe Haus noch auf einen anderen Punkt hinweisen. Mit der Tatsache, daß wir diese Kreditermächtigung hier beschließen, ist es ja nicht allein getan. Kredite kosten leider Zinsen. Wenn Sie annehmen, daß
der Herr Bundesfinanzminister mit seinen Schatzwechseln usw. etwa mit 3,5 % unterkommt, so würde das doch immerhin bei einer durchschnittlichen Kreditinanspruchnahme von etwa 1 Milliarde im Jahr eine zusätzliche Belastung des Haushalts in Höhe von 35 Millionen pro Jahr bedeuten. Das ist also mehr als die gesamte Summe des Haushaltsplans 1949 für die neuen Bundesverwaltungen, den wir vor der Osterpause beschlossen haben. An der Tatsache, daß wir diese Kreditermächtigung brauchen, kommen wir nicht vorbei. Aber es ist notwendig, daß wir uns darüber klar werden und es auch vor der Öffentlichkeit mit aller Deutlichkeit sagen, daß hier immerhin eine neue Millionenausgabe an Zinslasten beschlossen werden muß.
Meine Fraktion hielt es für notwendig, diese Bedenken hier zum Ausdruck zu bringen. Wir werden, wie schon gesagt, das Gesetz annehmen und hoffen, daß der Herr Bundesfinanzminister alles in seinen Kräften Stehende tun wird, um uns so rasch wie möglich den Haushaltsplan 1950 vorzulegen. Erst nach Vorlage dieses Haushaltsplans werden wir eine wirklich gesicherte Basis für die Wirtschaftsführung des Bundes haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Pünder.
Meine Damen und Herren! Nach dem knappen, aber erschöpfenden Bericht des Herrn Berichterstatters und den sachverständigen Ausführungen meines Herrn Vorredners ist nicht mehr sehr viel zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf zu bemerken. Dieses Gesetz ist ein Notgesetz, aber ein dringender Zwang lag für uns alle vor, und kein Wort der Kritik ist am
Platze. Es war für die Bundesregierung und auch K dieses Hohe Haus unmöglich, rechtzeitig zum 1. April dieses Jahres einen Haushaltsplan 1950 vorzulegen und zu verabschieden. Infolgedessen mußten wir an das, was bisher geschaffen worden ist, nämlich an den Haushaltsplan 1949, anknüpfen. Hierzu bot an sich, wie auch die Begründung dieses Gesetzes sagt, der Art. 111 des Grundgesetzes einige Handhabe. Aber in dieser Begründung ist auch dargelegt, weswegen es aus zwei bestimmten Gründen unzweckmäßig gewesen wäre, allein auf der Basis des Art. 111 des Grundgesetzes in das Haushaltsjahr 1950 überzugehen. Deshalb dieses Gesetz, das sehr sorgfältig im Haushaltsausschuß beraten worden ist und das wir Ihnen zur Annahme empfehlen.
Auf die verschiedenen maßgeblichen Punkte hat sowohl der Herr Berichterstatter wie auch mein Herr Vorredner hingewiesen. Wir alle müssen begrüßen, daß wir durch dieses Gesetz wieder einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Konsolidierung unserer Bundesrepublik Deutschland vorankommen und die ersten haushaltsrechtlichen Grundlagen für unsere Arbeiten im Haushaltsjahr 1950 geschaffen haben.
Im einzelnen möchte auch ich darauf hinweisen. daß es überaus wichtig ist, wenn wir in § 8 dieses Gesetzes den Bundesminister der Finanzen ermächtigen, einen Betriebsmittelkredit von 1,5 Milliarden erheben zu können. Dies ist zur Lösung der vielen Aufgaben, vor denen die Bundesregierung steht, dringend notwendig. Sehr bedeutsam ist auch, daß wir erneut im Gesetz die Beitragspflicht von Bundespost und Bundesbahn verankert haben, bei der letzteren in Höhe von 14,5 Millionen monatlich. Ob und wann die Bundesbahn wieder in der Lage ist, dieser Verpflichtung nachzukommen, wissen wir alle nicht. Das weiß auch die Bundesbahn nicht. Ich bin zwar an sich nicht berufen, hier die Lage der Bundesbahn zu verteidigen, aber auf Grund einiger Sachkenntnis möchte ich doch darauf hinweisen, daß es keineswegs etwa allein die Schuld der Bundesbahn ist, wenn sie nicht in der Lage war, ihren Verpflichtungen in den letzten drei Vierteljahren nachzukommen. Wenn sie trotz fehlender Kredite der üblichen Kreditquellen aus den laufenden Einnahmen all die vielen Kriegszerstörungen und Verluste gutmachen soll, dann ist das ein ganz unnatürlicher Zustand. Es ist nicht die Schuld der Bundesbahn, wenn sie ihren Verpflichtungen gegenüber dem Bund nicht nachkommen kann.
Aber diese Dinge müssen bereinigt werden. Deshalb war es notwendig, daß wir im Gesetz die Verpflichtung der Bundesbahn erneut stipuliert haben.
Im übrigen könnte über die Paragraphen noch viel gesprochen werden. Das einzelne finden Sie in unserer Vorlage, und der Herr Berichterstatter hat darauf hingewiesen. Viel wichtiger als viele Worte scheinen mir jetzt Taten zu sein. Es ist deshalb nach meiner Meinung an der Zeit, daß wir uns nicht mehr sehr lange bei dieser Debatte aufhalten sollten, sondern wir sollten möglichst schnell zur Abstimmung über dieses Gesetz kommen, damit die Bundesregierung in die Lage versetzt wird, ihren Verpflichtungen schon bei Beginn des Haushaltsjahres 1950 auf einer soliden Basis nachzukommen. Deshalb empfehlen meine Freunde die Annahme dieses Gesetzes in zweiter und dritter Lesung.
Weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Renner, bitte.
Meine Damen und Herren! Ich muß mich zuerst einmal mit der hier aufgestellten Behauptung auseinandersetzen, daß das, was uns hier zugemutet wird, ein normales Etatisierungsgebaren sei. Das stimmt nicht. Es kommt natürlich vor, daß Selbstverwaltungskörperschaften wie Gemeinden oder auch Länder in Notfällen einmal in die Verlegenheit kommen, ohne einen ordnungsmäßigen Etat die Ausgaben und Einnahmen auf Grund des vorhergehenden Haushaltsplans zu regeln. Das mag vor allen Dingen in Krisen- und Übergangszeiten vorkommen. Aber dann geht die Ermächtigung nur so weit, daß die Behörde, die in Frage kommt, anteilmäßig, im Verhältnis zu den Positionen des vorjährigen Haushalts Einnahmen und Ausgaben einziehen bzw. durchführen darf. Hier geht man einen Schritt weiter, hier gibt man der Regierung die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundesfinanzministers auch neue Aufgaben zu finanzieren. Das entspricht nicht der Norm.
- Das entspricht nicht der Norm, Herr Kollege Schoettle. Dafür könnten Sie höchstens als Entschuldigung anführen, daß, da die Einnahmen dieser komischen Organisation „Bundesregierung" —.
Komische Organisation?
— auf so schwankenden Füßen stehen, eine andere Möglichkeit der Etatisierung gar nicht gegeben ist. So liegen die Dinge.
Herr Abgeordneter Renner, „komische Organisation" scheint mir nicht ganz entsprechend dem Grundgesetz zu sein.
Das scheint mir der denkbar mildeste Ausdruck der Charakteristik zu sein!
Das entspricht nicht dem Grundgesetz; das haben Sie selbst mitgemacht!
Aber abgelehnt zum Glück! Darauf bin ich mein Leben lang stolz!
Wenn dann der Herr Pünder — Fachmann auf dem Gebiet der Etatisierung auf fauler Basis, wir kennen sie von Köln und wir kennen sie von Frankfurt — die Einnahmen aus der Bundespost und aus der Bundesbahn, die hier figurieren, als „solide Basis" für einen Etat anspricht, dann bin ich der Auffassung. daß der Herr Pünder das selber gar nicht einmal glaubt.
Der Herr Pünder weiß nur zu genau, wie faul der Wechsel ist, der hier z. B. auf die Bundeseisenbahn gezogen wird.
Aber das Entscheidende an diesem Gesetzentwurf scheint uns zu sein, daß hier nach § 8 der Herr Bundesfinanzminister ermächtigt wird, zur vorübergehenden Verstärkung der Betriebsmittel der Bundeshauptkasse Kredite in der Höhe von l'/2 Milliarden DM im Zusammenhang mit den Verpflichtungen aus dem ECA-Abkommen aufzunehmen. Meines Wissens ging die bisher höchste Ermächtigung, die dem Herrn Bundesfinanzminister gegeben war, bis zum Betrag von 800 Millionen DM. Wir haben also hier das Faktum vor uns stehen, daß die Vollmacht des Herrn Bundesfinanzministers beinahe glatt verdoppelt wird. Das ist eine Frage von sehr weitgehender Bedeutung, und es beweist nur — wie auch die Begründung, die gegeben worden ist —, auf welch unsicherer Basis die ganze Etatisierung dieser Bundesrepublik aufgebaut ist.
Ein abschließendes Wort. Wir haben bei der ersten Gelegenheit, als es sich darum handelte, dem Herrn Bundesfinanzminister und dieser Bundesregierung per Ermächtigungsgesetz Rechte in die Hand zu geben, das abgelehnt. Wir lehnen das heute, auf Grund der inzwischen gemachten bitteren Erfahrungen, rftit um so größerer Entschiedenheit ab. Wir haben weder zu der finanziellen Basis dieser Republik eine Spur von Vertrauen, noch scheinen uns die Männer, die an der Spitze dieser Regierung stehen, würdig, daß man ihnen als deutscher Mensch Vertrauen schenkt.
Sie regieren gestützt auf die Befehle der Besatzungsmächte,
ihre Einnahme- und ihre Ausgaben-Positionen regulieren sich vom Petersberg her,
sie sind nichts anderes als das Dekorum für einen Kolonialstaat.
Mögen die ihr Vertrauen schenken, die hinter dieser Regierung stehen.
Wir und das deutsche Volk stehen nicht hinter dieser Regierung.
Darum lehnen wir dieses Gesetz ab.
Auf die letzten Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Renner einzugehen, scheint mir nicht würdig zu sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz, über das wir jetzt beraten, ist das notwendige Zwischenstück zwischen einem Haushaltsplan, den wir verabschiedet haben. und einem Haushaltsplan, den wir werden verabschieden müssen, wenn er dem Hause für das Jahr 1950/51 vorliegt. Sie sehen daraus, daß es sich gelohnt hat, daß der Bundestag, obgleich wir die Beratungen des Planes für das vergangene Jahr hier erst zu einem sehr späten Zeitpunkt vornehmen konnten, sich sehr eingehend mit der Organisation der Bundesregierung, mit allem, was wir in langen, mühseligen Beratungen erarbeitet haben, beschäftigt hat. Denn Grundlage der fortdauernden Ausgaben im nächsten Jahr wird ja zunächst bis zur Verabschiedung des neuen Planes das sein, was wir hier schon verabschiedet haben, und zwar durch jene entscheidende Bestimmung, die vorsieht, daß wir im wesentlichen künftig nur mit jeweils monatlich einem Sechstel dessen wirtschaften dürfen, was wir für das halbe Jahr bereits genehmigt haben.
Es ging im Haushaltsausschuß um eine ganze Reihe von Einzeldingen, sie sind hier vor Ihnen schon zum Teil erörtert worden. Aber eine Grundfrage kam im Haushaltsausschuß nicht zur Erörterung, und das ist die, die ich Ihnen jetzt im Namen der sozialdemokratischen Fraktion einmal vorlegen muß. Wir haben uns mit den technischen Bestimmungen des Gesetzes befaßt; wir sind — ich glaube wohl alle — der Meinung, daß jede Regierung, sie möge aussehen, wie sie wolle, unter den heutigen Umständen, wenn es nicht möglich ist, fristgemäß einen vollendeten Haushaltsplan dem Hause vorzulegen, ein solches Instrument hier braucht. damit sie überhaupt auf einer gesetzlich gesicherten Grundlage weiter arbeiten kann; und es ist selbstverständlich. daß der Bundestag auch der jetzigen Regierung dieses Instrument nicht versagen wird. Aber diejenigen werden der Regierung dieses Instrument geben müssen, die ja auch sonst für den Kurs verantwortlich sind, den die Regierung bei ihren Einnahmen und ihren Ausgaben steuert. Sie können - bei aller sachlichen Mitarbeit in den Einzelheiten — nicht erwarten, daß eine Partei zu diesem Gesetz ja sagt, das doch weiter gar nichts als die Verlängerung des von uns abgelehnten Haushaltsplanes für das nächste halbe Jahr und die Gewährung einer Kreditermächtigung an die Regierung bedeutet, die sich im Rahmen desselben Haushaltsplanes bewegt. den wir aus politischen Gründen ablehnen mußten und weiterhin ablehnen werden.
Es ist ein altes Gesetz der parlamentarischen Demokratie, daß die Regierungsmehrheit dafür sorgen muß, daß sie selber den Haushaltsplan für ihre Regierung unter Dach und Fach bringt. Dafür können wir Sie nicht von der Verantwortung entbinden. Das Haushaltsgesetz, das wir verabschiedet haben, enthält in seiner Organisationsstruktur der Regierung einige so schwerwiegende Dinge, auch in bezug auf die Gestaltung der Struktur des Regierungsapparats, daß wir schon deshalb nein sagen mußten zu dem, was war. Aber das wird doch jetzt alles in das neue halbe Jahr hinein projiziert. Deshalb sieht sich die sozialdemokratische Fraktion außerstande, sowohl dem Überleitungsgesetz im allgemeinen als auch der Kreditermächtigung im besonderen ihre Zustimmung zu geben. Ich will das nicht mit irgendwelchen einzelnen Lücken und Schwächen dieses Gesetzes begründen. Es ist im Haushaltsausschuß eingehend durchberaten worden, und es ist jetzt wahrhaftig nicht die Zeit, nun im einzelnen daran herumzukritteln in dem Bewußtsein: Wir müssen auch an diesem Gesetz nun unbedingt etwas auszusetzen finden. Es geht doch hier nur um die Grundfrage: Kann die Opposition dieses Hauses, die kein Vertrauen zu der Regierung und zu der Mehrheit hat, die diese Regierung trägt, einem Gesetz die Zustimmung geben. das all das politisch beinhaltet, was wir politisch nicht verantworten können? Das ist der Grund, warum die sozialdemokratische Fraktion dieses Gesetz in der jetzt vorliegenden Fassung ablehnt.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache der zweiten Beratung. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe auf: Wer für die Fassung des Gesetzes nach der Drucksache Nr. 846 ist, d. h. für die 1, — 2,- 3,- 4,- 5,- 6,- 7,- 8,- 9,
— 10 —, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke, ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
Wer für Einleitung und Überschrift dieses Gesetzes ist, den bitte ich ebenfalls, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 846 in der zweiten Beratung angenommen.
Ich eröffne die Aussprache der
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann erkläre ich die Aussprache in der dritten Beratung für geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer nach den Beschlüssen zweiter Beratung für die §§ 1 bis 10 sowie Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für das soeben nach der Fassung der Drucksache Nr. 846 beschlossene Gesetz im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung endgültig angenommen und verabschiedet.
Meine Damen und Herren! Wir kommen damit
— ist der Herr Staatssekretär da?
— zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer.
Es kommen zunächst in Frage die Drucksachen Nr. 831 und 631, ferner die Abänderungsanträge
— ich darf bitten, darauf Obacht zu geben — Drucksachen Nr. 719, 852, 855 und ein mir soeben übermittelter Abänderungsantrag des Ab-. geordneten Löfflad und Genossen, der sich inhaltlich mit den Drucksachen Nr. 719 und 855 deckt.
Als Berichterstatter für die zweite Beratung des Gesetzes erteile ich Herrn Abgeordneten Höfler das Wort.
Meine Damen und Herren! An dem vorliegenden Gesetz ist viel und, wie man sagen darf, auch hingebungsvoll gearbeitet worden. Drei Ausschüsse — nicht weniger! — haben es sich manche Stunde kosten lassen, um die Regierungsvorlage, die die Grundlage des Gesetzes bildet, den berechtigten Forderungen der Heimkehrerkreise anzunähern, unter Berücksichtigung freilich der Armut, die in unserem Volke die Wirklichkeit ist. Das Heimkehrergesetz entsprach auch jener Ehrenpflicht des deutschen Volkes, welche wir Hunderttausenden seiner Söhne und Töchter gegenüber fühlten, die als Gefangene die letzten und vielleicht am ärgsten gequälten Opfer eines Wahns waren, der unser Volk an den Abgrund brachte. Ein Heimkehrerverband verlangte von diesem Gesetz, es müsse „den Sinn haben, dem Heimkehrer das Gefühl der Anerkennung seiner vor allen anderen und für alle anderen Deutschen geleisteten Arbeit zu geben und es ihm zu ermöglichen, den Anschluß an ein normales Arbeitsleben zu finden". Dieses Ziel zu erreichen ist wirklich in den Ausschußberatungen versucht worden.
Die Einleitung des Gesetzes bringt den Begriff des Heimkehrers. Er schließt alle ein, die das Schicksal des Heimkehrers zu tragen haben. Mit
hineingenommen sind auch diejenigen Deutschen, die auf Grund eines geschlossenen Arbeitsvertrages in einem Gewahrsamsland als Kriegsgefangene diesen Kriegsgefangenenzustand mit dem des Zivilarbeiters vertauschten. Einbezogen sind ferner diejenigen Deutschen, die wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder ihrer Staatsangehörigkeit im Ausland interniert waren, diese freilich mit der Einschränkung, daß sie nicht in Frage kommen, wenn ihre Inhaftierung und Internierung wegen nationalsozialistischer Betätigung erfolgte. Ein unverschuldetes Verzögern der Rückkehr ist in die Frist von zwei Monaten nicht mit einzurechnen.
Der Abschnitt I bringt die Bestimmungen über das Entlassungsgeld und die Übergangsbeihilfe. Während der Regierungsentwurf ein Entlassungsgeld von 50 DM vorsah, war man in sämtlichen Ausschüssen mit Einhelligkeit der Meinung, daß es angemessen wäre, ein Entlassungsgeld von 100 DM zu geben. Die Ausschüsse konnten sich allerdings nicht dem Beispiel eines deutschen Landes, Bayerns, und einem vorliegenden Antrag auf Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 150 DM an schließen. In einer längeren Debatte erklärten damals Regierung und Bundesrat, daß eine Erhöhung wohl auf 100 DM tragbar wäre, nicht aber eine Erhöhung auf 150 DM, weil die Erhöhung auf 150 DM für den Heimkehrer einen Mehraufwand von 8,7 Millionen DM zur Folge hätte und damit das Gesetz wahrscheinlich in seiner Annahme sowohl seitens der Regierung wie seitens des Bundesrates gefährdet gewesen wäre. So beschloß der- Ausschuß, bei einem Entlassungsgeld von 100 DM zu bleiben.
Einen gewissen Ausgleich soll dafür die Übergangsbeihilfe für Bekleidung oder Gebrauchsgegenstände in Höhe von 250 DM bieten. Diese kann auf Antrag auch in bar ausgezahlt werden. Aus sehr verständlichen Gründen glaubte man dieses Entgegenkommen der Barauszahlung dem Heimkehrer gegenüber schuldig zu sein, weil er aus verständlichen und nur allzu berechtigten psychologischen Gründen über das, was ihm zusteht, endlich auch einmal selbst verfügen wollte, etwa wenn er sich einkleidete, nachdem er wahrhaftig lange genug auf die Klamotten angewiesen war, die ihm irgendein Unteroffizier auf der Kammer beim Militär oder später ein Lumpenverwalter im Gefangenenlager an den Kopf bzw. vor die Füße warf. Dergleichen Rücksicht auf die gebotene Schonung von Gefühlen und berechtigten Empfindungen entfloß auch die Bestimmung des § 3 Abs. 2, daß bei Feststellung der Bedürftigkeit Großzügigkeit zu walten hat und daß demgemäß von der Anwendung der Prüfungsbestimmungen der Reichsfürsorgepflichtverordnung Abstand genommen werden soll. Darum hat man auch die Auszahlung der Beträge an die Heimkehrer durch die Arbeitsämter und nicht durch die Wohlfahrtsämter veranlaßt.
Es darf gesagt werden, daß die Bestimmungen des Gesetzes über Zuzugsgenehmigung, Wohnungszuteilung, Arbeitsplatzsicherung, Kündigungsschutz, Arbeitsvermittlung und Wohnungsfürsorge nach jeder Richtung hin wohlüberlegt wurden. Es handelt sich dabei um weitere gesetzliche Hilfen, die dem Heimkehrer seine nur allzu verständliche Sorge und Befürchtung um sein Verbleiben, um die Sicherung seines vielfach noch von Lebensangst und Lebensenge überschatteten Daseins mildern sollen. Jene oft genug grausam
wirkenden Bestimmungen über Zuzugsgenehmigung sind für den Heimkehrer für die ersten sechs Monate nach seiner Rückkehr ausgeschaltet. Der Wahnraum ist für ihn und seine Angehörigen gesichert. Das Recht auf den alten Arbeitsplatz lebt auf. Ein weitergehender Kündigungsschutz und bevorzugte Arbeitsvermittlung gehören ebenfalls zu seinen Rechten.
Einen besonderen Hinweis verdient § 9 Abs. 2, in dem bestimmt wird. daß, soweit für die Einstellung in den öffentlichen Dienst eine Altersgrenze besteht, diese für den Heimkehrer um die Zeit heraufgesetzt wird, die seit dem 1. Juni 1945 bis zum Tage der Heimkehr verstrichen ist.
Die in dem Gesetz enthaltenen Formulierungen über Berufsfürsorge und Eingliederung des Heimkehrers ins Berufsleben betrachtet der Ausschuß als ein Herzstück seiner Bemühungen. Was da über Berufs- und Arbeitsberatung, über Ausbildungs- und Umschulungshilfe gesagt ist, darf wohl als ein Versuch bezeichnet werden, jene schmerzlichen und tragischen Opfer wiedergutzumachen, die eine ganze unglückliche Generation deutscher Jugend dem Dämon des Hakenkreuzes zu bringen einfach gezwungen wurde. Die Maßnahmen der Berufsfürsorge nach den Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme und Wirtschaftsausbildung auf Grund der §§ 132 bis 137 und des § 140 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung bedeuten gegenüber dem Regierungsentwurf eine erfreuliche Verbesserung.
Leider ist vorauszusehen, daß es bei vorhandenem gutem Willen aller in Frage Kommenden zuletzt doch nicht gelingt, allen Heimkehrern den geschuldeten Arbeitsplatz zu garantieren. Mit den Bestimmungen über Arbeitslosenhilfe wird darum erstrebt, dem Heimkehrer über unfreiwillige Feierzeiten wenigstens menschenwürdig hinüberzuhelfen.
Während der bemerkenswert einhelligen Beratungen der beteiligten Ausschüsse zu diesem Gesetz überhaupt und zur Frage der Arbeitslosenhilfe im besonderen ergab sich ein guter Wetteifer um eine befriedigende Regelung der Berechnung für die Arbeitslosenunterstützung. Dabei wurde ein Antrag gestellt, die Unterstützung nach einem Arbeitsentgelt von wöchentlich 48 DM statt 42 DM zu bemessen, im Hinblick darauf, daß es sich bei dem Heimkehrergesetz nicht um ein Dauergesetz, sondern um ein sogenanntes auslaufendes Gesetz handele und weil man den Spätheimkehrern eine großzügige Behandlung zubilligen müsse, da sie die längste Zeit in der Gefangenschaft verbringen und Schlimmstes durchmachen mußten. Schließlich wurde auf mittlerer Linie eine Einigung gefunden. Nach § 15 bemißt sich jetzt die Höhe der Arbeitslosenunterstützung mindestens nach einem Arbeitsentgelt von 45 DM wöchentlich, wobei im Einzelfall Hauptunterstützung und Familienzuschläge zusammen bei einem Arbeitsentgelt bis zu 48 DM wöchentlich 80 % des Arbeitsentgelts nach Abs. 1 erreichen können.
Die bei dem Sonderfall des Heimkehrers selbstverständlich gebotene Großzügigkeit kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß der § 19 bestimmt, dem Heimkehrer zusätzlich Mietzuschläge und Sonderbeihilfen unter Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung zu gewähren. Ebenso bleibt das Arbeitseinkommen des Heimkehrers für die Dauer von 26 Wochen oder die Arbeitslosenunterstützung nach dem gegenwärtigen Gesetz bei der Bedürf-
tigkeitsprüfung außer Bertracht, wenn Angehörige, die mit dem Heimkehrer in Haushaltsgemeinschaft leben, Arbeitslosenfürsorgeunterstützung oder sonstige Mittel aus öffentlicher Fürsorge beziehen.
Die §§ 21 bis 24 regeln dann die Sozialversicherung des Heimkehrers. Sie begründen einen erhöhten Schutz des Heimkehrers auf dem Gebiet der Krankenhilfe und der Familienkrankenhilfe, wobei statt der üblichen Mindestleistungen der Kasse deren Mehrleistungen in Ansatz kommen. Bemerkenswert scheint der Hinweis auf den § 23, der dem Heimkehrer aus Kriegsgefangenschaft den Anspruch auf völlig kostenlosen Zahnersatz garantiert.
Schließlich schien es dem Ausschuß angebracht, über die Regierungsvorlage hinaus dem Heimkehrer für bestimmte Fälle und in gewissem Umfang einen Vollstreckungsschutz zu gewähren. Die in § 25 a enthaltenen Bestimmungen erscheinen geeignet, den Heimkehrer vor einem immerhin denkbaren Überfall sozusagen der Gerechtigkeit zu schützen, ohne daß er mit diesem zeitweiligen Privileg Mißbrauch treiben könnte.
Die Aufwendungen im Sinne des Gesetzes sind Kriegsfolgelasten. Daher werden sie den Trägern der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 26 Abs. 1, den Ländern nach Maßgabe eines auf Grund von Art. 120 des Grundgesetzes noch zu schaffenden Gesetzes vom Bund erstattet.
Der Ausschuß beantragt, der Bundestag möge dem Gesetzentwurf zustimmen und auch die aus der Drucksache ersichtlichen Entschließungen annehmen, damit das Gesetz mit Wirkung vom 1. April dieses Jahres gültig wird. Wir wünschen, daß das Gesetz seinen Zweck erfüllt: dem Heimkehrer bei der Neugestaltung seines persönlichen Lebens als Privatmann und auch als Bürger eines Volkes der Arbeit und des guten Willens zu helfen. Es wäre auch schon etwas erreicht, wenn es gelänge, mit den Mitteln dieses Gesetzes aus dem Heimkehrer bald einen in Wahrheit Heimgekehrten zu machen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen zur Geschäftsordnung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle den Antrag, die Beratung der zweiten Lesung dieses Gesetzes um einige Zeit hinauszuschieben, um dem Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen sowie dem Ausschuß für Sozialpolitik Gelegenheit zu geben, die Bestimmungen der §§ 22 und 23 dieses Gesetzes noch einmal zu überprüfen, weil sich im Ausschuß für Sozialpolitik Bedenken gegen die jetzige Fassung ergeben haben. Wir haben das Gesetz in den Ausschüssen bisher in einstimmiger Haltung erarbeitet. Diese einstimmige Haltung möchten wir auch bei der Verabschiedung dieses Gesetzes gewährleistet sehen. Ich bitte daher den Herrn Präsidenten, die Beratung um einige Zeit hinauszuschieben und die Mitglieder des Ausschusses für Sozialpolitik und des Ausschusses für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen zu bitten, sich in Zimmer 104 zu begeben, damit die beiden Ausschüsse diese Paragraphen noch einmal durchberaten können..
Wie ist es mit dem Haushaltsausschuß? War er nicht auch an der Angelegenheit beteiligt?
An dieser Bestimmung nicht.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Arndgen zur Geschäftsordnung gehört, die Aussprache der zweiten Beratung vorläufig hinauszuschieben. Wird zu diesem geschäftsordnungsmäßigen Antrag das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann darf ich das Einverständnis des Hauses mit der Aussetzung der Aussprache der zweiten Beratung annehmen.
Ich bitte die beteiligten Mitglieder der beiden Ausschüsse, wie Herr Abgeordneter Arndgen eben gebeten hat, sich in Zimmer 104 einzufinden.
Inzwischen fahren wir mit der Erledigung der Tagesordnung fort. Ich darf darauf hinweisen, daß im Ältestenrat beschlossen worden ist, die Beratung der Punkte 6 und 7 der Tagesordnung gemeinsam vorzunehmen.
Ich rufe zunächst Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und Dritte Beratung des von der Fraktion der FDP beantragten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soforthilfegesetzes.
In Frage kommen die Drucksachen Nr. 798 neu und Nr. 261. Dazu liegt ein Abänderungsantrag Drucksache Nr. 853 vor.
Zu Punkt 6 der Tagesordnung erteile ich zunächst Herrn Abgeordneten Farke als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP Nr. 261 fordert eine Änderung des § 36 Abs. 4 des Soforthilfegesetzes. Danach sollen Rentenleistungen, außer Kriegsbeschädigtenrenten und Unterhaltsleistungen Angehöriger, und sonstige Einkünfte. die kein Arbeitseinkommen darstellen, angerechnet werden, soweit sie 100 DM monatlich überschreiten. Der Ausschuß für den Lastenausgleich konnte dieser Regelung in ihrem ganzen Umfang nicht zustimmen, da die Durchführung in der Hälfte aller Fälle, nämlich in 500 000 Fällen, zur Anwendung kommen müßte und einen zusätzlichen Aufwand von 330 Millionen DM erfordern würde. 330 Millionen DM stehen aber dem Soforthilfefonds zusätzlich nicht zur Verfügung. Es müßte sonst auf jede Art einer produktiven Hilfe — Haushaltshilfe, Wohnungsbauhilfe etc. — verzichtet werden. Der Ausschuß hat sich daher nach eingehenden Beratungen zu dem vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 798 entschlossen, der eine Milderung der Notstände bei den Beziehern von Unfall- und Kriegsbeschädigtenrenten vorsieht und demgemäß an die Stelle des bisherigen Abs. 4 in § 36 des Soforthilfegesetzes die neuen Absätze 4 und 5 setzt.
Sie haben folgenden Wortlaut:
Rentenleistungen werden auf die Unterhaltshilfe in voller Höhe angerechnet. Von der Anrechnung ausgenommen sind Sonderleistungen einmaliger oder laufender Art; den Beziehern von Unfall- und Kriegsbeschädigtenrenten werden Freibeträge gewährt, die bei einer Erwerbsbeschränkung von 40 % oder weniger 10 DM monatlich, von 50 bis 60 % 20 DM monat-
lieh, von 66 2/3 bis 80 % 30 DM monatlich,
von über 80 % 40 DM monatlich betragen.
Der neue Absatz 5 lautet:
Sonstige Einkünfte werden auf die Unterhaltshilfe in voller Höhe angerechnet; zu den sonstigen Einkünften gehören nicht Arbeitseinkünfte, gesetzliche Unterhaltsleistungen Angehöriger sowie Leistungen, die dem Geschädigten von Angehörigen oder von dritter Seite ohne rechtliche Verpflichtung gewährt werden.
In Artikel II heißt es:
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. April 1950 in Kraft.
Diese Änderung in § 36 des Soforthilfegesetzes wurde von der Mehrheit des Ausschusses gegen fünf Stimmen bei einer Stimmenthaltung gutgeheißen. Die sechs Vertreter, die dem Antrag nicht zugestimmt haben, wollten damit nicht zum Ausdruck bringen, daß sie die vorgesehenen Milderungen ablehnen. Sie haben ihre Haltung mit der bisherigen Haltung des Ausschusses begründet, der jede Änderung des Soforthilfegesetzes abgelehnt hat, um das ganze Gebäude des Soforthilfegesetzes nicht zum Einsturz zu bringen. Diese an sich berechtigten Bedenken gegenüber Änderungen des Soforthilfegesetzes wurden von der Mehrheit des Ausschusses in diesem Falle nicht geteilt, da es sich bei der vorgesehenen Änderung lediglich um eine Umstellung der vorhandenen Beträge handelt. Bei dieser Umstellung innerhalb der Leistungen des Soforthilfefonds kommen 48 bis 60 Millionen DM in Frage. Sie müssen aus der produktiven Hilfe in die Unterstützungshilfe genommen werden. Die besondere Notlage der Kriegsbeschädigten und Unfallrentner rechtfertigt aber diese Umstellung. An der Aufkommensseite des Soforthilfegesetzes, die für seine Struktur entscheidend ist, wird durch diesen Ausschußantrag nichts geändert.
Der Ausschuß für Lastenausgleich bittet das Hohe Haus, dem Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 798 zuzustimmen.
Darf ich zugleich zu Punkt 7 der Tagesordnung berichten?
Ich bitte den Herren Berichterstatter, zugleich den Bericht über Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Kunze, Schütz und Genossen betreffend Durchführungsverordnung zu § 36 des Soforthilfegesetzes
erstatten zu wollen.
Der Antrag von Frau Dr. Probst, Kunze und Genossen auf Drucksache Nr. 167 fordert eine Durchführungsverordnung zu § 36 des Soforthilfegesetzes dahingehend, daß Rentenleistungen nur gegenüber der einzelnen Person und nicht gegenüber der Familieneinheit auf die Unterhaltshilfe angerechnet werden. Da bei einer Begrenzung dieser Maßnahme in einer neuen Durchführungsverordnung auf die Anrechnung von Renteneinkommen im Rahmen der Bedürftigkeitsgrenze die Belastung des Soforthilfefonds nach dem Sachverständigenurteil nicht erheblich ist, hat der Ausschuß dem Antrag auf Drucksache Nr. 167 einstimmig zugestimmt. Der Ausschuß für Lastenausgleich bittet auch in diesem
Falle das Hohe Haus, seine Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Punkte 6 .und 7 eine Gesamtredezeit von 90 Minuten vor. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen. Ich darf feststellen, daß die Aussprache über beide Punkte gemeinsam stattfindet.
Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Priebe. 18 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Soforthilfegesetz, das seinerzeit vom Wirtschaftsrat beschlossen worden ist, führt den Namen „Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notstände".
Die Sozialdemokratie hat in diesem Gesetz von jeher nur einen recht unzulänglichen Versuch gesehen, soziale Notstände zu mildern. Wenn wir nun die Oppositionspartei wären, als die man uns gern hinzustellen pflegt, so sollten wir jede Gelegenheit benutzen, Anträge zu unterstützen, die alle weiteren Rentenzahlungen ohne Anrechnung auf die Unterhaltshilfe fordern. Wir tun es nicht, weil wir die finanzielle Lage des Bundes und vor allen Dingen auch der Soforthilfe kennen. Wir wissen, daß man mit 70 DM im Monat kein menschenwürdiges Leben führen kann. Wir wissen, daß diejenigen, die keinerlei Reserven an vollen Möbelschränken und vollen Wäschetruhen, an Hausrat usw. besitzen, mit diesem Betrag von 70 DM nicht die Anschaffungen machen können, die sie brauchen. Wir wissen darüber hinaus, daß es sich um Menschen handelt, die nicht in der Lage sind, durch zusätzliche Arbeit weiteren Verdienst zu haben, und bedauern außerordentlich, daß es uns nicht möglich ist, einer restlosen Auszahlung aller Renten- und sonstigen Leistungen, zum Beispiel Leistungen aus dem KB-Leistungsgesetz, zustimmen zu können. Solange noch eine große Zahl von Soforthilfeempfängern auf Auszahlung der Hausratshilfe warten muß und denjenigen gegenüber benachteiligt wird, die diese Hausratshilfe schon erhalten haben, solange der Mangel an Mitteln zu äußerster Sparsamkeit zwingt, können wir nicht anders, als dem Ausschußantrag zuzustimmen. Wenn wir etwas anderes täten, würden wir darüber hinaus innerhalb des Kreises der Unterhaltshilfeempfänger aus der Soforthilfe eine bestimmte Gruppe bevorzugen. Wir würden diejenigen, die Ansprüche auf Renten haben, in einem nicht zu verantwortenden Maße gegenüber den anderen Soforthilfeempfängern hervorheben. Wir können infolgedessen nur immer wieder fordern, daß das von der Regierung zugesagte Lastenausgleichsgesetz so bald wie möglich dem Hohen Haus vorgelegt wird und daß durch dieses Lastenausgleichsgesetz erhöhte Leistungen für alle Unterhaltshilfeempfänger bereitgestellt werden.
Naturgemäß wird sich nach wie vor der Abgabepflichtige, insbesondere der Kleinbesitzer, über die Lasten beklagen, die das Soforthilfegesetz ihm auferlegt. Aber die rein menschlichen Gründe, die uns veranlassen sollten, an die Hilfebedürftigen zu denken, die uns außerdem zwin-
gen müßten, die schreiende Not, die unter den Kriegsvertriebenen und Bombengeschädigten herrscht, zu sehen, führen uns dazu, auch von dieser Stelle aus zu fordern, daß die Leistungen für die Soforthilfe nach Möglichkeit und so rasch wie möglich aufgebracht werden. Nicht zuletzt aber glaube ich darauf hinweisen zu müssen, daß in den Flüchtlingsländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern ein wachsender Radikalismus um sich greifen wird und nicht zuletzt unter den Unterhaltshilfeempfängern um sich greifen wird, wenn wir nicht so rasch wie möglich das erhöhen können, was wir ihnen zur Verfügung zu stellen bereit sein sollten. Meine Fraktion wird also dem Antrage des Ausschusses zustimmen und bittet die Mitglieder des Hohen Hauses, auch ihrerseits durch ihre Zustimmung dem Antrag zur Annahme zu verhelfen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohl. 8 Minuten!
Meine Damen und Herren! Wir haben schon einige Male über die Frage der Änderung des Soforthilfegesetzes gesprochen, weil das Soforthilfegesetz in seiner jetzigen Fassung eine ganze Reihe sozialer Härten in sich birgt, die durch eine Änderung des Gesetzes beseitigt werden könnten. Dem dient auch letzten Endes unser Antrag, den wir bereits am 2. Dezember eingebracht haben und in dem wir nicht nur eine Änderung des § 36 verlangen, sondern darüber hinaus eine Reihe weiterer Änderungen, die vor allem in der Frage der Beschaffung der Mittel eine entscheidende Rolle gespielt und auch in der Frage der sozialen Bedeutung gerade des § 36 ihren Ausdruck gefunden hätten. Nach den letzten Beratungen im Ausschuß für Lastenausgleich kam ziemlich unverblümt zum Ausdruck, daß man sich nicht der Illusion hingeben solle, daß bereits in diesem 'Jahr, so wie von dem Herrn Finanzminister Schaffer versprochen worden ist, der endgultige Lastenausgleich verabschiedet werden könne, sondern man sagte dort mit aller Offenheit, daß vor dem nächsten Jahre mit der Verabschiedung dieses Gesetzes nicht zu rechnen sei. Wir mussen also dabei feststellen, daß der gegenwärtige unhaltbare Zustand, den das Soforthilfegesetz in seiner jetzigen materiellen und sozialen Fassung aufzeigt, noch sehr lange Zeit bestehen bleiben wird, und wir sind der Auflassung, daß eine Änderung in dieser Form, wie sie dieser neue Gesetzesvorschlag vorsieht, nicht ganz den Bedingungen entspricht, die eigentlich nach unserer Auffassung notwendig sind.
Meine Damen und Herren, es ist doch wirklich sinnlos, in diesem Hause über die Lebenshaltung zu reden, die vor allem bei dem vom Soforthilfegesetz erfaßten Kreis besonders kraß in Erscheinung tritt. Bei den Mitteln, die diesen Menschen zur Verfügung stehen, ist die Lebenshaltung so niedrig, daß es auf längere Zeit nicht mehr verantwortet werden kann. Wenn dieses Gesetz an sich jetzt in seiner Staffelung nur für Körperbeschadigte und Unfallrentenbezieher eine gewisse Erleichterung bringt, so ist auch diese Staffelung absolut unzulänglich, well sie den tatsächlich gezahlten Renten für diese betroffenen Kreise, ich möchte einmal sagen: wirklich nicht gerecht wird. Wir sind vielmehr der Meinung, daß entsprechend unserem Antrag, den wir eingereicht haben, der Zustand entscheidend gebessert werden könnte. Wir verlangen, daß die Anspruchsberechtigten auf Unterhaltsbeihilfe, die von der öffentlichen Fürsorge unterstützt werden oder die eine Rente, eine Pension oder ein Ruhegeld beziehen, die ihnen zustehenden Leistungen erhalten.
Warum kamen wir zu dieser Auffassung, daß die Renten nicht angerechnet werden können? Ich glaube, jeder, der im Sozialversicherungswesen einigermaßen Bescheid weiß, wird feststellen müssen, daß der Bezug der Rente einen Rechtsanspruch der Bezieher voraussetzt, den man nach meiner Auffassung mit einem solchen Gesetz nicht einfach beseitigen kann. Die Bezieher von Renten haben einen Rechtsanspruch, und wenn wir ihn hiermit beseitigen, dann, glaube ich, bedeutet das eine Praxis, die man im allgemeinen geschäftlichen Leben mit einem anderen Ausdruck belegen würde. Wir haben als Gesetzgeber vor allen Dingen darauf zu achten, daß auch rein versicherungsmathematisch der Zustand des Rechtsanspruchs auf Renten nicht geändert wird. Wenn ich beispielsweise einmal ein altes Ehepaar annehme, bei dem die Voraussetzungen des § 31 des Soforthilfegesetzes erfüllt sind und bei dem der Mann gegenwärtig eine Invalidenrente von 67,80 Mark und zusätzlich noch einen Unterstützunsbetrag von 19 Mark und eine Mietbeihilfe von 21,80 Mark, also ein Gesamteinkommen von 108,60 Mark bezieht, so wird nach der Berechnung des § 36 des Soforthilfegesetzes der Zustand dahingehend geändert, daß der Mann nicht mehr wie bisher als Rentenbezieher 108,60 Mark erhält, sondern nur noch 100 Mark pro Monat, also praktisch um über 8 Mark geschädigt ist.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, daß die Aufbringung der Mittel gerade für diesen Kreis in einer Reihe von Anträgen, die von uns zu dieser Frage gestellt worden sind, sichergestellt ist. Aber wir sind auf der anderen Seite auch der Auffassung, daß man in einer Reihe von Landtagen - ich erinnere nur an Nordrhein-Westfalen — in der Frage der Zahlung von Militärpensionen absolut nicht kleinlich gewesen ist und dort weit über den allgemein üblichen Rahmen von 160 DM im Monat bei diesem betroffenen Personenkreis hinausgegangen ist. Wir vertreten hier ganz bewußt die Auffassung, auch in unserem Antrage, daß eine Anrechnung der Renten, Pensionsbezüge sowie des Ruhegeldes nur dann stattfindet, wenn diese Bezüge den Betrag von 160 DM monatlich übersteigen.
Wir wollen also auch hier eine Gleichheit, und ich glaube, daß es in Ihrer Hand liegt, zu beweisen, daß Sie den Kreis der Soforthilfeempfänger genau so günstig behandeln wollen wie den Kreis, der es wirklich auf Grund seiner Vergangenheit nicht verdient hat, mehr als 160 DM im Monat zu erhalten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Glasmeyer. — 8 Minuten, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon so: wir haben in den letzten Tagen ein sehr schönes Aprilwetter gehabt. Es wäre wirklich schade, wenn es besser würde. Es ist genau so, meine Damen und Herren, wie in der Politik. Da ,weiß man manchmal auch nicht, was man will.
Wenn ich mir z. B. die Frage des Lastenausgleichs und die Frage der Soforthilfe überlege, dann wird mir manchmal ganz konfus. Wenn ich mir insbesondere überlege, daß wir hier im Hohen Bundeshause vor etwa zwei Monaten das Problem der Kriegsopfer und der Kriegsbeschädigten besprochen haben und daß man damals von seiten der Opposition den Antrag stellte, statt 85 Millionen Mark Zuschuß 250 bzw. 135 Millionen DM Zuschuß zu geben, und daß damals die Regierungsparteien — wenn ich mich recht entsinne, auch die FDP — diesen Antrag der Opposition abgelehnt haben und daß uns jetzt im Lastenausgleichsausschuß ein Antrag der FDP auf den Tisch des Hauses flattert, der nun ausgesprochen 330 Millionen DM verlangt, dann verstehe ich nicht recht, was noch Politik heißen soll.
Außerdem ist uns im Lastenausgleichsausschuß gesagt worden, daß der Antrag der SPD zusätzliche Mittel in Höhe von 26 Millionen DM, nicht mehr, erfordere. Es wurde uns des weiteren gesagt: wenn diese Sache durch eine Regierungsverordnung gemacht werden könnte oder würde, dann würde der Betrag auf 52 Millionen DM erhöht werden. Infolgedessen müsse es durch Gesetz geschehen, weil sonst die Zahlungen rückläufig erfolgen müßten. Jetzt höre ich auf einmal von 60 Millionen, und zwar aus der produktiven in die konsumtive Fürsorge.
Meine Damen und Herren, die Stellungnahme meiner Partei als einer sozial fortschrittlichen Partei ist ganz klar. Wir gönnen den Kriegsbeschädigten diese Zuwendung. Wir sind sogar der Ansicht, daß diese Zuwendungen den Kriegs beschädigten viel eher zukommen als den Kriegsgeschädigten, also daß diejenigen, die Einbußen an Leib und Leben erlitten haben, denen vorgehen, die nur in den Sachvermögen geschädigt sind. Aber wir haben bis dato im Soforthilfeausschuß bzw. im Lastenausgleichsausschuß immer den Standpunkt vertreten, wie auch der Referent, Herr Farke, schon sagte, daß wir das Soforthilfegesetz vorläufig in den Grundlagen nicht ändern können, sondern daß wir versuchen müssen, den allgemeinen Lastenausgleich baldmöglichst herbeizuführen. Aus diesen Gründen haben von den 13 Mann 6 den Entwurf der FDP abgelehnt, 7 waren dafür; 5 der Herren waren dagegen, einer hat sich enthalten.
Meine Damen und Herren, das waren die Gründe. Ich kann Ihnen also noch einmal sagen: meine Partei wird diesem Antrag ihre Zustimmung geben; desgleichen geben wir auch dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Kunze, Schütz usw. unsere Zustimmung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kunze. — 18 Minuten! Ich mache darauf aufmerksam, Herr Abgeordneter, daß sich von Ihrer Fraktion noch ein weiterer Redner gemeldet hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht sehr viel und sehr lange zu den Dingen zu sprechen. Wenn die FDP seinerzeit ihren Antrag einreichte, dann ist es ihr — das haben wir aus den Beratungen des Ausschusses über den Lastenausgleich erfahren — lediglich darum gegangen, in Anerkenntnis der besonderen Notlage der Kriegsbeschädigten und
Unfallrentner, denen aus ordentlichen Haushaltsmitteln nicht in dem Umfange geholfen werden konnte, wie wir es wohl alle wünschen, wenigstens an diesem Punkte ein Stück Hilfe zu geben. Nachdem uns aber der Präsident des Hauptamtes für Soforthilfe und der Bundesminister der Finanzen auseinandersetzten, daß eine Vollbewilligung dieses Antrages die Summe von 330 Millionen Deutscher Mark kosten würde, haben wir uns alle miteinander schweren Herzens entschließen müssen, unsere Wünsche auf eine Erhöhung der Renten auf ein tragbares Ziel zurückzustecken.
Es ist sehr leicht, Herr Kollege Kohl, von seiten der Kommunistischen Partei solche Anträge zu stellen, wie Sie dies tun, weil Sie sich ja nicht eine Sekunde verantwortlich darüber Gedanken gemacht haben, wo die Mittel herkommen sollen.
Wir — in diesem Fall die sozialdemokratische Fraktion dieses Hohen Hauses mit den Fraktionen der CDU/CSU — tragen die Verantwortung für die Sicherung der Durchführung der Soforthilfe, denn dieses Gesetz haben wir miteinander schweren Herzens beschlossen, und zwar in vollem Bewußtsein der Mängel und Lücken. Wenn Sie heute hier einfach erklären, es sei im Ausschuß für den Lastenausgleich festgestellt worden, daß das Gesetz in diesem Jahr überhaupt nicht verabschiedet werden könnte, wie es der Herr Finanzminister zugesagt hat, dann entspricht das einfach nicht den Tatsachen.
Von den Vertretern des Bundesfinanzministeriums und von den übrigen Vertretern der Fraktionen ist mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen worden, daß wir das Gesetz über den endgültigen Lastenausgleich in diesem Jahr verabschieden wollen, und ich kann Ihnen als Vorsitzender dieses Ausschusses sagen: Wir werden dieses Gesetz verabschieden!
Sie können da propagandistisch noch soviel in die Welt hinausreden:
160 Mark als Grundlage jedem zu lassen und darauf die Unterhaltshilfe aufzubauen, ist nichts weiter als ein propagandistisches Versprechen aus diesem Hause heraus, welches kein Mensch zu erfüllen in Wirklichkeit in der Lage ist,
weil jeder, meine sehr verehrten Herren von der Kommunistischen Partei, der ein Verantwortungsbewußtsein für die Bundesrepublik Deutschland hat, weiß,
daß er in den Grenzen der Mittel bleiben muß und daß wir keine Anträge stellen können. Nach Artikel 48 a der Geschäftsordnung hätte der Herr Präsident Ihren Antrag überhaupt nicht zulassen dürfen, weil dafür überhaupt keine Deckung vorgeschlagen ist. Wenn er den Antrag trotzdem zugelassen hat, so bin ich dankbar, weil ich dann mit der notwendigen Deutlichkeit etwas zu Ihrer Erklärung sagen konnte.
Nun zu der letzten Frage. Ich habe volles Verständnis für den Kollegen Dr. Glasmeyer, der sagt, wir haben uns gewehrt, weil wir die Auffassung vertreten, wir wollen das Gesetz über-
haupt nicht änderen. Wenn aber der Präsident des Hauptausgleichsamtes uns erklärt, daß unter Innehaltung der bisherigen Dispositionen dank der Einnahmen in Soforthilfe die Zahlungen in dieser Höhe möglich sind, dann haben wir uns gemeinsam unserer Verpflichtung, solche Gelder zu bewilligen, nicht entzogen. Darum möchte ich namens meiner Fraktion bitten, sowohl dem Gesetzentwurf als auch dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen, der einstimmig angenommen worden ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst. 11 Minuten!
Meine sehr geehrten Herren und Damen! Wenn ich als Antragstellerin zur Drucksache Nr. 467 nochmals das Wort erbeten habe, so deshalb, um noch einmal auf die besondere Dringlichkeit gerade dieses Antrags hinzuweisen. Es handelt sich hier wieder um jenen Personenkreis, für den ich schon einmal hier gesprochen habe, und zwar im Zusammenhang mit dem Überbrückungsgesetz. Sie erinnern sich, meine Herren und Damen, daß Sie damals einstimmig den Beschluß des Hohen Hauses herbeigeführt haben, daß Sie diesem Personenkreis der kinderreichen Kriegerwitwen in bezug auf die Beseitigung des Artikels 595 RVO Ihre besondere Hilfe angedeihen lassen wollen. Es ist heute wieder der gleiche Fall. Gerade dieser Personenkreis, der ja am meisten Anspruch auf unsere Hilfe hat, bedarf unserer Hilfe. Die Rechte dieser Familien sind ja im Grundgesetz begründet. Es kommt nun darauf an, eire weitere außerordentlich 0 schwere Härte zu beseitigen. Durch Artikel 36 Absatz 4 wird ein Begriff der Familiengemeinschaft eingeführt, der praktisch dazu führt, daß die Waisenrente des Kindes von der Soforthilfe der Mutter mit dem Betrag abgezogen wird, der über den Betrag der Soforthilfe des Kindes hinausgeht. Das sind pro Kind jedesmal 7 Mark. Wir müssen bedenken: im Falle einer Kriegerwitwe, die 5 Kinder hat, wird die Hälfte von den 70 Mark der Soforthilfe abgezogen. Durch diese Fassung des Artikels 6 Absatz 4 wird also der Sinn und Zweck des Soforthilfegesetzes in das Gegenteil verkehrt. Wir müssen darum zu einer Abänderung kommen, und ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag des Lastenausgleichsausschusses auf Abänderung des Artikels 36 Absatz 4 seine Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Matzner. 11 Minuten!
Meine Damen und meine Herren! Fürchten Sie nicht, daß ich alle 11 Minuten dafür in Anspruch nehmen werde, um unsere Stellungnahme zum Antrag Nr.167 beziehungsweise zum Ausschußbeschluß Drucksache Nr. 776 zu begründen. Ich kann mich auf wenige grundsätzliche Ausführungen beschränken.
Schon aus unserer Stellungnahme im Wirtschaftsrat ging klar hervor, daß uns die Leistungen der Unterhaltsbeihilfe, wenn wir die Abzüge der Renten mit berücksichtigen, viel zu geringfügig erschienen. Wir mußten uns aber als ernste Politiker schon damals damit abfinden, weil auf der Abgabeseite nicht jene Wünsche erfüllt wurden, die wir im Interesse dieser Geschädigten erfüllt haben wollten. Auf diesem Standpunkt müssen wir auch heute noch stehen. Deswegen sind wir leider nicht in der Lage, den kommunistischen Zusatzantrag anzunehmen; denn wir sind uns darüber im klaren, daß die Annahme dieses Antrags einen viel zu großen Aufwand erfordern würde und dieser nur auf Kosten der produktiven Hilfen aufgebracht werden könnte, wie schon mein Parteifreund Priebe gesagt hat.
Wir wissen -- und das wurde ja auch schon vielfach hier ausgesprochen —, daß das Gesetz viele Schwächen, Härten, ja sogar Ungerechtigkeiten in sich trägt; aber von unserer Seite wurde immer klar gesagt, daß diese nur im Wege des endgültigen Lastenausgleichs beseitigt werden können. Und um diesen endgültigen Lastenausgleich geht es. Ich glaube, es gibt niemand in diesem Hohen Hause, der eine Verzögerung wünscht; aber wir haben auch mit denjenigen zu rechnen, die draußen auf diesen Lastenausgleich warten.
Ich möchte die heutige Gelegenheit benützen, um hier ein offenes Wort zu sagen. Wir dürfen gewiß keine Illusionspolitik machen; aber wir müssen uns vor allem auch vor etwas anderem hüten. Wenn irgendein X-Beliebiger gewisse Ausführungen macht, kann man dagegen nicht viel sagen. Wenn aber von offiziellen Kreisen, manchmal sogar von Regierungsseite gewisse Worte gesprochen werden, die lieber nicht gesprochen werden sollten, dann stimmt das schon äußerst bedenklich. Ich will diese Dinge hier -nur in einigen Sätzen ansprechen. Wenn z. B. von Ministern im Hinblick auf den Lastenausgleich das Wort Seifenblasen oder das Wort Illusion gebraucht wird, wenn man in einer anderen Rede hört, daß das Antasten des Besitzes einem Bürgerkriege gleichkäme, wenn man ferner in den letzten Tagen Ausführungen darüber gehört hat, daß das Veto der Alliierten gegenüber dem Einkommensteuergesetz den Lastenausgleich gefährde, darf man sich nicht wundern, daß draußen in den Kreisen der Geschädigten eine immer größere Unruhe entsteht, die durchaus nicht notwendig wäre. Kein Mensch kann uns heute klarmachen, was das Veto gegenüber dem Einkommensteuergesetz mit dem Lastenausgleich zu tun habe; denn es sind ja zwei ganz verschiedene Materien.
Ich möchte das nur nebenbei gesagt haben. Es mag nicht ermüdend oder aufdringlich klingen, wenn ich sage, daß wir demgegenüber nur eines zu setzen haben, nämlich die Tat einer möglichst schnellen Durchführung des Lastenausgleiches. Wir sind uns der arbeitstechnischen Schwierigkeiten der Regierung bei der Ausarbeitung eines so grundlegenden Gesetzes, wie es das Lastenausgleichsgesetz ist, vollauf bewußt und wissen diese zu würdigen.. Wir bitten aber auch von dieser Stelle aus nochmals, den Erlaß dieses Gesetzes um keine Stunde und keinen Tag länger hinauszuschieben, als es unbedingt notwendig ist. Ich bin nicht so optimistisch wie der Vorsitzende des Lastenausgleichsausschusses Kollege Kunze. Die Beratungen dieses Gesetzes werden eine sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, auch wenn wir uns bei den Beratungen des Ausschusses sehr beeilen. Wir werden im Ausschuß selbstverständlich das wahrmachen, was ich gesagt habe, und jede verfügbare Zeit darauf verwenden, daß von unserer Seite aus keine Verzögerung eintritt.
Zum Schluß muß noch folgendes ausgesprochen werden. Wir müssen im Interesse der Klarheit sowohl für die Abgabenseite als auch für die Geschädigtenseite alles tun, was erforderlich ist, um die notwendige Befriedigung draußen schnellstens herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre die Aussprache der zweiten Beratung über die Drucksachen Nr. 798 neu und Nr. 776 in Verbindung mit Drucksache Nr. 167 für geschlossen.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Soforthilfegesetzes in der Fassung der Drucksache Nr. 798 neu.
Zu Artikel I dieses Gesetzentwurfes liegt der Abänderungsantrag der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 853 vor, über den wir zunächst abzustimmen haben. Wer für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 853 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit zweifelsfreier Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr für den Artikel I in der Fassung der Drucksache Nr. 798 neu ist, — —
— Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die in der Osterpause gewonnenen neuen Kräfte weniger in Form von Privatunterhaltungen als in Form aktiver Teilnahme an den Abstimmungen betätigen zu wollen.
Meine Damen und Herren, ich rufe noch einmal die Drucksache Nr. 798 neu auf. Wer für Artikel I und Artikel II in der Fassung der Drucksache Nr. 798 neu ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
Wer für Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich ebenfalls, die Hand zu erheben. — Danke. Mit überwältigender Mehrheit beschlossen.
Damit ist die zweite Beratung der Drucksache Nr. 798 neu geschlossen. Ich eröffne die Aussprache der
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Kohl! Ich bitte Sie aber, Ihre Redezeit im Rahmen der Gesamtredezeit zu halten.
Meine Damen und Herren, ich möchte einen Antrag begründen, aber vorher einige sachliche Feststellungen treffen.
Herr Kollege Kunze, wenn Sie hier Behauptungen aufstellen wollen, möchte ich Sie doch bitten, den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Wir hörten in der letzten Sitzung des Lastenausgleichsausschusses ein Referat Ihres Fraktionskollegen Wackerzapp, der dort sehr eindeutig die Meinung vertreten hat, daß der endgültige Lastenausgleich in diesem Jahre nicht kommen wird. Nichts anderes habe ich hier festgestellt. Ihre starken Töne gingen also daneben!
Im übrigen ist bei der Behandlung dieser Frage im Wirtschaftsrat gerade von Ihrer Fraktion die Meinung vertreten worden: Das erste Gesetz, das wir vordringlich zu verabschieden haben, ist das über den Lastenausgleich. Und was ist dabei herausgekommen? — Wir streiten uns über diese Frage seit Monaten, seit der Verabschiedung des sogenannten Soforthilfegesetzes! Ich gebe mich nicht wie Sie, verehrter Herr Kunze, der Illusion hin, daß beispielsweise eine Gruppe von Besitzenden, den-en durch das neue Steuergesetz eine Milliarde geschenkt werden soll, nun bereit sein wird, einen „endgültigen" Lastenausgleich anzuerkennen, der sie wirklich belastet. Eine solche Meinung ist absurd.
Ich möchte, damit für uns die Möglichkeit bleibt, dem Gesetz dennoch zuzustimmen, folgenden Antrag stellen:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Artikel I ist der Satz von „Rentenleistungen" bis „Art; den" zu streichen; der neue Satz beginnt mit -den Worten: „Beziehern von Unfall- und" usw.
Wir stellen diesen Antrag deswegen, weil wir nicht wünschen, daß das Versicherungsprinzip in dieser Frage so entscheidend verletzt wird und damit natürlich Vorbilder für die kommende Gesetzgebung geschaffen werden.
Ich bitte Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Wird das Wort weiter gewünscht, meine Damen und Herren? — Bitte, Herr Abgeordneter Kunze.
Ich möchte bitten, den Antrag abzulehnen
und den Vorschlag des Ausschusses in der Ihnen vorliegenden Form anzunehmen. Es ist überflüssig, jetzt über die Problematik der Zerstörung oder Gefährdung der Sozialversicherung zu sprechen; denn das Soforthilfegesetz hat schon soviel sinnwidrige, aus der Not der Zeit geborene Einbrüche in die Sozialversicherung gebracht, daß es gar keinen Zweck hat, jetzt anzufangen, daran zu flicken. Es ist besser und richtiger, wir verwenden unsere Zeit bei den Beratungen des endgültigen Gesetzes über den Lastenausgleich auf die Lösung all dieser schwierigen Fragen.
Meine Damen und Herren, wird das Wort weiter gewünscht? — Ich darf wohl jetzt feststellen, daß das nicht der Fall ist, und schließe damit die Aussprache der dritten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Zu Art. I liegt der Ihnen eben vorgelesene Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Kohl und Fraktion vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Dann rufe ich auf: Wer für Art. I, — II, — Einleitung und Überschrift in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit überwältigender Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für das soeben angenommene Gesetz im ganzen ist — Drucksache Nr. 798 neu —, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe.
— Bei wenigen Stimmenthaltungen vom Hause angenommen. Damit ist die Drucksache Nr. 798 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 776. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit sehr großer Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zurück auf den Punkt 5 der Tagesordnung. Wie mir soeben mitgeteilt worden ist, haben die beiden Ausschüsse ihre Beratungen beendet. Ich rufe also auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer.
Dazu gehören die Drucksachen Nr. 831 und 631 in Verbindung mit den Abänderungsanträgen Drucksachen Nr. 719, 852 und 855 sowie einem Abänderungsantrag der WAV, der sich inhaltlich mit den Anträgen Drucksachen Nr. 719 und 855 deckt.
Ich eröffne die Aussprache der zweiten Beratung. Herr Abgeordneter Arndgen hat das Wort.
Meine Damen und Herren, darf ich zuvor noch folgendes feststellen: Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vor. Ich darf mich des Einverständnisses des Hauses damit versichern. — Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter Arndgen, 12 Minuten!
— Sie sprechen also nochmals als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Ich spreche zunächst als Berichterstatter und berichte Ihnen über das Ergebnis der Beratungen der beiden Ausschüsse, dessen Mitglieder sich zurückgezogen hatten, um den § 22 noch einmal durchzuberaten.
Bei diesen Beratungen ist zunächst folgendes festgestellt worden. Die Mitglieder des Ausschusses für Sozialpolitik hatten bei der bisherigen Formulierung des § 22 die Befürchtung, daß die Leistungen an krank heimkehrende Kriegsgefangene zu einem großen Prozentsatz von den Sozialversicherungsträgern getragen werden müßten. Diese Bedenken gaben den Anlaß zu den nochmaligen Beratungen. Die Erklärungen, die der Regierungsvertreter abgegeben hat, die auch zu Protokoll genommen wurden, haben die vorhandenen Bedenken zerstreut. Sowohl der Ausschuß für Arbeit wie der Ausschuß für Kriegsopferfragen und der Ausschuß für Sozialpolitik bitten das Hohe Haus, das Heimkehrergesetz in der Fassung, wie sie Ihnen vorliegt, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne nunmehr die Aussprache. Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Parzinger.
— Dann erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Löfflad. — Fünf Minuten, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuß für Kriegsopferfragen ist einmütig für die schnelle Erledigung dieses Heimkehrergesetzes eingetreten. Auch meine Fraktion stimmt der Dringlichkeit dieses Gesetzes und auch den Abänderungsanträgen des Ausschusses zu. Jedoch möchten wir das
in § 2 Abs. 1 vorgesehene Entlassungsgeld auf 150 Mark festgesetzt wissen, und zwar aus dem einen Grund, weil im Land Bayern bisher 150 Mark Entlassungsgeld gezahlt werden. Es wäre also für alle Kriegsgefangenen, die nach Verabschiedung dieses Gesetzes aus der Gefangenschaft entlassen werden, eine unbillige Verschlechterung gegenüber ihren Kameraden, die das Glück hatten, früher entlassen zu werden, wenn sie nicht denselben Betrag erhalten würden. Von Regierungsvertretern ist geschätzt worden, daß das eine Mehrbelastung des Bundes von rund 8,7 Millionen DM ausmachen würde. Das würde bedeuten, daß rund 174 000 Kriegsgefangene in diesem Jahre entlassen werden müßten. Dies ist zu schön, um wahr zu sein. Wir alle wünschen und hoffen, daß in diesem Jahre recht viele Kriegsgefangene entlassen werden.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere doch an Sie alle, die Sie nicht Abgeordnete des Landes Bayern sind, uns verstehen zu wollen, wenn wir erklären, daß wir nicht einem Paragraphen unsere Zustimmung geben können, dessen Durchführung praktisch für das Land Bayern eine Verschlechterung bedeuten würde. Aus diesem Grunde bitte ich, ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit — denn es sind von bayerischen Abgeordneten dreier Fraktionen Abänderungsanträge in diesem Sinne gestellt worden — unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold. Fünf Minuten!
Meine Herren und Damen! Es liegt uns hier ein Gesetz vor, das von fast allen Mitgliedern dreier Ausschüsse mit peinlicher Gewissenhaftigkeit und mit großem Verständnis für die seelische und materielle Not der Heimkehrer geschaffen wurde, und wir haben nur den Wunsch, daß auch die Heimkehrer mit diesem Gesetz in etwa zufrieden sein mögen. Es ist fast als ein Sondergesetz zu betrachten, das wegen der unendlichen Leiden, die die Heimkehrer ertragen mußten, diese teils über die allgemeinen Bestimmungen der sozialen Gesetzgebung hinaus berücksichtigt hat. Möge es auch von diesem Hohen Hause so gewürdigt werden und möglichst ohne große Debatten und ohne Anträge, die vielleicht doch nicht die Billigung des Bundesrates erhalten und die Inkraftsetzung des Gesetzes nur noch weiter verzögern würden, verabschiedet werden.
Eines möchten wir aber diesem Gesetz doch mit auf den Weg geben, nämlich dies, daß in der Praxis die Bürokratie den Heimkehrern gegenüber nicht allzu kleinlich vorgeht und ihnen nicht allzu große Schwierigkeiten bereitet, insbesondere bei Übergang in die Heimat. Das ist bisher leider sehr häufig geschehen. Vor allem muß der Heimkehrer schon im Ausgangslager genauestens über seine Rechte und über die Unterstützungen ins Bild gesetzt werden, die er beanspruchen kann. Bei fast allen Heimkehrern herrschte darüber bisher große Unwissenheit. Es geht nicht an, daß die Heimkehrer nunmehr noch von einer Behörde zur anderen gejagt werden, ihre Bemühungen aber erfolglos bleiben, weil die Behörden vor lauter Bürokratismus aus ihrem Labyrinth selbst nicht mehr herausfinden. Es ist vorgekommen, daß nach der Erstuntersuchung durch den AOK-Arzt die Genehmigung zur Be-
handlung durch den Heimatarzt bei diesem erst nach Monaten eingetroffen ist. Ich kenne einen Fall, in welchem ein Heimkehrer, der Ende Januar vom AOK-Arzt untersucht war, Anfang April noch keine Nachricht darüber hatte, ob die Weiterbehandlung durch den Heimatarzt erfolgen könne. Es handelte sich da um eine Bauchoperation; der Mann hatte in Rußland überschwere Lasten heben müssen. Im Verlauf der langen Wartezeit hatte er an seinem alten Arbeitsplatz wieder Arbeit bekommen. Nachdem er die Arbeit aufgenommen hatte, mußte er sich nun, erst so spät, der Operation unterziehen und seine Arbeit wieder für Wochen verlassen, was natürlich zu Unannehmlichkeiten sowohl beim Arbeitgeber als auch bei dem Heimkehrer selber führte. Stellenweise wurde sogar noch die Ausfüllung der Entnazifizierungsbogen verlangt. Man könnte doch meinen, daß dies wohl recht überflüssig war, denn einen Heimkehrer, der beinahe 5 Jahre in russischer Gefangenschaft war, kann man doch wohl als entnazifiziert betrachten.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt von all den zum Teil haarsträubenden Dingen, die man darüber gehört hat wie die Heimkehrer durch diesen Behördenapparat an der Eingangsstelle zur Heimat behandelt wurden. Das Zentrum ersucht nun die Bundesregierung, den Länderregierungen zu empfehlen, die zuständigen Behörden zu veranlassen, den Heimkehrern Richtlinien in die Hand zu geben, woraus genau zu ersehen ist, welche Ansprüche sie stellen können und an welche Stellen sie sich zu wenden haben, um alle Formalitäten auf dem schnellsten Wege zu erledigen. Es ist auch erforderlich, diese Bürostellen mit einem Heimkehrer als Sachberater zu besetzen, der sich vielleicht besser in die seelische Situation und in die materielle Lage des Heimkehrers hineindenken kann. Es würde dann so mancher Fehlgriff und auch manches Fehlurteil unterbleiben. Wichtiger als alle Paragraphenreiterei ist, diesen armen Menschen das Einreihen in den Arbeitsprozeß zu erleichtern und ihnen dadurch noch etwas Freude für ihr Leben zurückzugeben.
Die Zentrumsfraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben.
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Parzinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei begrüßt den endgültigen Entwurf eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer auf der Drucksache Nr. 831 mit den Beschlüssen des 26. Ausschusses aufs wärmste. Leider haben wir die Pflicht, in diesem Fall etwas Grundsätzliches zu bemängeln, und zwar heißt es in § 2:
Heimkehrer im Sinne des § 1 Absätze 1 und 3, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im Bundesgebiet Aufenthalt nehmen, erhalten ein Entlassungsgeld von 100 Deutschen Mark.
Ich darf dem Hohen Hause _einmal sagen — weil
man doch immer sagt: was wollt ihr denn, wir
sind doch alle Deutsche! —, daß auch im Lande
Bayern gute Deutsche leben. Im Lande Bayern
bekommt ein Heimkehrer eine Entlassungsbeihilfe
von 150 DM, eine Bekleidungsbeihilfe für bedürftige Heimkehrer bis zu zwei Hemden, zwei Unterhosen, einen Anzug, einen Mantel, zwei Paar Socken, ein Paar Schuhe und einen Hut, Heilfürsorge nach dem KB-Leistungsgesetz im Rahmen der Kassenleistungen, außerdem einmalige Zahnsanierung, um seine Kaufähigkeit sicherzustellen. Nicht versicherte Heimkehrer erhalten für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit täglich 2,50 DM bis 2,25 DM; Erholungsfürsorge für erholungsbedürftige Heimkehrer bis zu 6 Wochen in 42 Heimen der karitativen Verbände, Beitrag des Staates 4 DM je Heimkehrer und Monat für allgemein ärtzliche Überwachung, 2 DM je Heimkehrer und Monat für kulturelle Betreuung, bevorzugte Einbeziehung der Heimkehrer in die Arbeitslosenunterstützung, Errechnung aus einem Mindesteinkommen von wöchentlich 42 DM, Nichtanrechnung des Einkommens von Angehörigen, Befreiung von der Meldepflicht beim Arbeitsamt für die ersten sechs Wochen und für die Zeit des Erholungsaufenthalts usw.
Man hat auch noch in den Jahren um 1944 gerade von Berlin aus gebrüllt: Der Dank des Vaterlandes ist dir gewiß! Wenn das steuerschwache Land Bayer c 150 DM für den Heimkehrer leisten kann, dann dürfte es eine grundsätzliche Frage des Bundes sein, gerade dieser sozialen Art des Landes Bayern grundsätzlich beizupflichten, wenn wir nun in unserem Antrag Drucksache Nr. 719 verlangen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Abschnitt I § 2 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
Heimkehrer im Sinne des § i Absatz i und 3, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im Bundesgebiet Aufenthalt nehmen, erhalten ein Entlassungsgeld von 150 DM.
Wir bitten daher das Hohe Haus ganz
dringend, dem Antrag der Bayernpartei zu-
stimmen zu wollen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist die Abgeltung einer Ehrenpflicht des deutschen Volkes gegenüber den Kriegsgefangenen, hat hier der Herr Berichterstatter gesagt. Um Illusionen zu zerstören, einige grundsätzliche Feststellungen.
Das Gesetz ändert an der seit Jahren auf Länderbasis bestehenden Regelung in keiner Beziehung auch nur etwas in positivem Sinne. Deutlicher gesagt: das Gesetz stellt sogar in entscheidenden Punkten eine Verschlechterung der bisherigen, in gewissen Ländern gegebenen Leistungen dar. Das einzige Positive an dem Gesetz ist, daß die Länder als Lastenträger abgelöst werden und daß der Bund die Lasten übernimmt.
Wir haben von dem Vertreter der Bayernpartei soeben gehört, was das Land Bayern bisher auf dem Gebiet der Betreuung der Kriegsgefangenen geleistet hat. Dort wird ein Entlassugsgeld in Höhe von 150 DM gegeben. Das Land Hamburg und andere Länder zahlen bisher bereits 300 DM Übergangsbeihilfe. Nach der hier vorgelegten Regelung soll das Entlassungsgeld auf 100 DM festgelegt werden. Unter den Protestierenden — ich hätte beinahe gesagt:
unter den Protestanten — befindet sich in diesem Falle auch der Herr Kollege Dr. Horlacher; er ist im Augenblick nicht im Hause, aber ich vermute, daß er sich von seinem Finanzminister und Fraktionskollegen in diesem Falle bei der Abstimmung wird vergewaltigen lassen.
Unsere Stellungnahme zu dem Gesetz haben wir bei der ersten Beratung hier dargetan. Ich wiederhole noch einmal die von der Mehrheit in den Ausschüssen und im Plenum abgelehnten Anträge, die wir Kommunisten gestellt haben. Wir haben verlangt, daß ein Entlassungsgeld in der Höhe von 200 DM gegeben wird. Wir hatten verlangt, daß die Übergangsbeihilfe in der Höhe von 300 DM gegeben wird, und zwar in bar. Wir hatten verlangt, daß diese Übergangsbeihilfe unabhängig vom Vorhandensein der Bedürftigkeit gegeben wird. Wir hatten verlangt, daß diese Beihilfe nicht rückerstattungspflichtig gemacht werden darf. Alle diese Anträge sind abgelehnt worden.
Wir haben im großen und ganzen gesagt, daß dieses Gesetz weiße Salbe in die Augen der Heimkehrer bedeutet. Darf ich dafür einige Beispiele anführen. Da steht z. B., daß bei der Wohnungszuteilung die Heimkehrer mit ihren Familien bevorzugt zu berücksichtigen sind. Eine ähnliche Bestimmung gibt es seit Jahr und Tag für die politisch Geschädigten. Wo wohnen sie? In Kellerlöchern, in Elendswohnungen zum größten Teil! Was kaufe ich mir für eine derart nichtssagende Bestimmung in einem Gesetz? Sicherung des früheren Arbeitsverhältnisses! Schön und gut. Was nützt eine solche Bestimmung einem Heimkehrer, wenn sein alter Arbeitsplatz nicht mehr existiert? Bevorzugte Arbeitsplatzzuteilung! Die Arbeitsämter sollen den Heimkehrern bevorzugt Arbeit zuteilen. Bei beinahe zwei Millionen Erwerbslosen, die wir im Augenblick haben, soll mir einer erklären, was sich ein Heimkehrer auf Grund dieser laxen Bestimmung in diesem Gesetz kaufen kann! Die Ausbildungsbeihilfe ist sogar in diesem Gesetz ausdrücklich nur als Kann-Bestimmung festgelegt. Wo ich nur hinpacke: vage, nichtssagende Bestimmungen, größtenteils hinter den derzeitigen Leistungen zurückbleibende Aufwendungen für diesen Personenkreis.
Wir haben in den Ausschüssen und im Plenum — und damit komme ich auf den einzigen als positiv anzusprechenden neuen Punkt in diesem Gesetz — verlangt, daß die Basis für die Berechnung der Arbeitslosenunterstützung, die heute auf einem angenommenen Arbeitsentgelt von 45 DM pro Woche beruht, erhöht werden muß. Wir haben mit Rücksicht auf die Tatsache, daß ja auch, wenn ein Anspruch auf höhere Alu besteht, dieser Anspruch nur bis zum Höchstprozentsatz von 80 vom Hundert gewährt zu werden braucht, verlangt — und ich wiederhole das heute noch einmal —, daß das Arbeitsentgelt, das die Basis für die Berechnung der Arbeitslosenfürsorge darstellt, auf 55 DM erhöht werden soll. Aber das wurde abgelehnt.
Ich fasse zusammen. Wir haben unsere grundsätzliche Kritik an diesem Gesetz ehrlich und klar zum Ausdruck gebracht. Alle unsere Bestrebungen, das Gesetz in positivem Sinne zu ändern, d. h. zu verbessern, sind im Plenum bzw. in den Ausschüssen abgelehnt worden. Wir
machen die Kriegsgefangenen ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das Gesetz nichts, überhaupt nichts wesentlich Neues gegenüber den bisherigen Regelungen enthält.
Ich erkläre zum Abschluß, daß wir dem Gesetz zwar zustimmen werden, daß wir aber unsern Kampf mit Hilfe der von Ihnen als politisches Instrument mißbrauchten Kriegsgefangenen weiter fortsetzen werden, mit dem Ziel, eine ausreichende Fürsorge für die Heimkehrer durchzusetzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mende.
Meine Damen und Herren! Kollege Renner hat dieses Heimkehrergesetz als schlecht bezeichnet. Das sollte uns nicht wundern; denn es gibt ja nichts in diesem Hause, was nach der Auffassung der Kommunisten bisher nicht schlecht gewesen wäre.
Ich wünschte nur, Herr Renner hätte diese Rede einmal den Heimkehrern in Friedland und Moschendorf oder denjenigen gehalten, die nicht das Glück haben, in der Bundesrepublik unter dieses Heimkehrergesetz zu fallen, sondern die das Unglück haben, ihre Heimat dort zu haben, wo es kein Heimkehrergesetz gibt.
- Die Dienstverpflichtung, die Tätigkeit in den Uran-Bergwerken oder bei der Volkspolizei! Ich glaube, Herr Renner und die Kollegen von links, wir sind uns über die Zustände, die Sie so großzügig verteidigen, so sehr im klaren, und wir haben so viele Opfer dieser Zustände hier in der Bundesrepublik, daß sich in dieser Diskussion jedes weitere Wort erübrigt.
Wenn man diesem Heimkehrergesetz eine Präambel geben sollte, so müßte sie lauten: Die Jahre in russischer Gefangenschaft zählen für jeden doppelt und dreifach. Selbst wenn es nur zwei oder drei Jahre waren, ging für die jungen Menschen ein ganzer Lebensabschnitt verloren. Ihn aufzuholen ist unmöglich; den Verlust weniger schmerzlich zu machen, das einzig Erreichbare.
Das Heimkehrergesetz ist nach einer zu langen Zeit endlich in die zweite und dritte Lesung gekommen. Wir bedauern es sehr, daß es 61/2 Monate Zeit bedurfte, um hier zur zweiten und dritten Lesung zu kommen. Dafür aber wird ,das Heimkehrergesetz weitestgehend den Wünschen der Heimkehrer gerecht, und ich werde Ihnen, Herr Renner, noch manchen sachlichen Irrtum nachweisen. Wenn Sie behaupten, daß bisher die Heimkehrer in den Ländern zum Teil mehr bekamen, so ist das unrichtig.
Denn der Höchstsatz, der bisher in Hamburg in Höhe von 300 DM gezahlt wurde, ist niedriger als die materielle Gesamthilfe, die nach diesem Heimkehrergesetz 350 DM beträgt. In den meisten Fällen betrug sie nicht einmal 150 DM.
Ich komme damit gleich zu dem Entlassungsgeld. Es ist hier erhöht worden, wie überhaupt manches in diesem Heimkehrergesetz vom Referentenentwurf bis zu dieser Fassung wesentlich verbessert wurde. Meine Damen und Herren,
draußen in der Öffentlichkeit ist ab und zu der falsche Eindruck entstanden, als wenn die Abgeordneten zu den Gesetzentwürfen der Regierung lediglich ja oder nein zu sagen hätten. An diesem Gesetz zeigt sich, wieviel Verbesserungen durch die Ausschußarbeit an einem Gesetz erzielt werden, und der Referentenentwurf und die Fassung, wie sie der Ausschuß ausgearbeitet hat, unterscheiden sich insofern erheblich voneinander, als dieser Ausschußentwurf weitestgehend den praktischen Erfordernissen, wie wir sie uns draußen aus dem Leben herangeholt haben, gerecht wird. Damit erklärt sich vielleicht auch die gewisse Länge, die zeitlich bis zur endgültigen Verabschiedung erforderlich war.
Das Entlassungsgeld ist auf 100 DM erhöht worden. Jawohl, es sind von verschiedenen Seiten Wünsche geäußert worden, es auf 150 DM zu erhöhen, und auch die FDP hat in dem Ausschuß für 150 DM plädiert. Wir haben jedoch schließlich den Einwenden Rechnung getragen, und zwar einstimmig mit Ausnahme des Vertreters der Bayernpartei und der WAV, die sich der Stimme enthielten. Sicher: in Bayern sind 150 DM gezahlt worden; aber, meine Damen und Herren, in Bayern sind keine 250 DM an Überbrückungshilfe gezahlt worden. Das ist entscheidend. In Bayern sind lediglich Naturalleistungen erfolgt, die nach den Ausschußangaben im Geldwert um 70, 80 oder 90 DM schwankten, weil Bayern ,durch großzügige Einkäufe recht billige Anzüge und Gebrauchsgegenstände liefern konnte. Wir haben schließlich festgestellt, daß bei der Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 100 DM und bei der Möglichkeit, die Überbrückungshilfe auch noch in bar ausgezahlt zu bekommen, insgesamt für den Heimkehrer - 350 DM ausgeschüttet werden.
Ich muß sagen: ich bin einigermaßen überrascht, daß aus Bayern nun drei Abänderungsanträge vorliegen, die das Entlassungsgeld wieder auf 150 DM erhöhen und die damit unsere Einigung im Ausschuß zunichte machen. Ich möchte betonen: auch die SPD, die als Oppositionspartei ja noch viel eher als die Regierungsabgeordneten die Möglichkeit gehabt hätte, hier Änderungen vorzuschlagen, hat sich den Einwendungen nicht verschlossen, das Entlassungsgeld bei 100 DM zu belassen. Warum? Weil uns gesagt wurde: eine Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 150 DM bedeutet eine Mehrausgabe von rund 9 Millionen DM; das bedeutet, daß der Bundesrat nein sagen wird. Er hat den Antrag Bayerns auf Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 150 DM bereits abgelehnt, und zwar durchgehend mit Ausnahme der Stimmen Schleswig-Holsteins, soweit mir bekannt ist.
Aber noch etwas anderes spielt hier eine Rolle. Der Vertreter der Heimatvertriebenen brachte zum Ausdruck, daß das Entlassungsgeld ja ohne Prüfung der Bedürftigkeit gezahlt werde, während die Überbrückungsbeihilfe je nach Bedürftigkeit zu zahlen sei, wobei ein großzügiger Maßstab anzulegen sei. Wenn wir hier das Entlassungsgeld erhöhen, so kann es uns passieren, daß bei der Überbrückungshilfe, bei der gerade die Bedürftigen besonders bedacht werden sollen, entsprechend gekürzt werden muß. Eine solche Maßnahme würde sich unsozial auswirken, denn sie träfe in erster Linie die Bedürftigen, die durch den Nachweis ihrer Bedürftigkeit noch zusätzlich in den Genuß der 250 DM kommen sollen. Auch diesen Einwendungen entsprechend haben
wir davon abgesehen, uns in eine Diskussion über 150 DM einzulassen, und wir haben, wie eben gesagt, es fast einstimmig bei der im Gesetz niedergelegten Regelung belassen.
In den übrigen Abschnitten, z. B. im Abschnitt II, sind der Zuzug und die Wohnraumzuteilung so generell geregelt, daß sie auch den Familien zugute kommen. Und auch das, Herr Renner, hat es bisher nicht gegeben! Schon in diesem Punkte bedeutet das Gesetz eine Verbesserung. In diesem Punkt ist auch zum Ausdruck gebracht, daß eine Unterbringungszeit in Krankenanstalten und Erholungsheimen nicht eingerechnet wird. Sehen Sie, Herr Renner, auch das mußten wir .in das Gesetz bringen. Warum? Weil leider der größte Teil unserer Heimkehrer zunächst einige Monate Zeit braucht, um sich nach der unmenschlichen Behandlung überhaupt erst wieder menschenwürdig zu machen, um wieder in das Existenzleben treten zu können. Und es ist mir unverständlich, wie Sie bei dieser Sachlage den Mut haben, zu behaupten, das Heimkehrergesetz brächte nichts Neues.
Im folgenden Abschnitt sind die Sicherung des früheren Arbeitsverhältnisses und der Kündigungsschutz gesetzlich geregelt, und ich betone hier, daß das, was im Gesetz steht, nicht nur für den privaten Arbeitgeber, sondern auch für den Staat und für die öffentlichen Bediensteten gilt.
Sicher, hier kann man in einzelnen Ländern durch die Bestimmungen der Entnazisierung vielleicht die Wirkung des Gesetzes wieder neutralisieren. Wir haben uns auch hier Gedanken gemacht, ob es nicht richtig gewesen wäre, im Heimkehrergesetz grundsätzlich zu regeln, daß die Heimkehrer von den Bestimmungen der Entnazisierung und der Entmilitarisierung nicht mehr betroffen werden. Aber hier kamen wir bereits in einen Kompetenzstreit. Sie wissen ja, daß sich Bund und Länder urn die Frage der Zuständigkeit im Entnazisierungsgesetz streiten. Fest steht: dieser Abschnitt zur Sicherung des Arbeitsverhältnisses und des Kündigungsschutzes wird vor allem bei den öffentlichen Bediensteten eine wesentliche Erleichterung bringen, wenn die Länder diese Paragraphen großzügig interpretieren.
Herr Abgeordneter, ihre Redezeit läuft ab.
Ich darf noch kurz auf die Abschnitte Arbeitsvermittlung und Berufsfürsorge, auf die Möglichkeit der Umschulung insbesondere für die älteren Heimkehrer, auf den Abschnitt Sozialversicherung und auf die weitgehenden Maßnahmen hinweisen, die in der Krankenfürsorge hier für den Heimkehrer getroffen wurden.
Herr Abgeordneter, ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Wenn wir unsere grundsätzliche Einstellung zum Heimkehrergesetz sagen, so glaube ich, daß man dieses Heimkehrergesetz als einen bescheidenen Anteil der Wiedergutmachung betrachten darf, der Wiedergutmachung an den Opfern des Bolschewismus, Herr Renner, die nun einmal jetzt zu Tausenden in unsere Zonen kommen - als Opfer des Bolschewismus, mitverur-
sacht durch die Ideologie, die Sie hier so oft und so unverständlich warm vertreten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pohle.
Meine Damen und Herren! Ehe ich mich dem Heimkehrergesetz zuwende, habe ich eine Bitte an den Herrn Präsidenten. Ich glaube, alle Redner, die einmal hier stehen, werden mir zustimmen, er möchte doch diese fünf Wassergläser, die vom frühen Morgen bis Mitternacht hier stehen, abends einmal auf Bakterien untersuchen lassen.
Es ist einem Redner nicht zuzumuten, nach stundenlangem Stehen dieser Wassergläser einen Schluck daraus zu nehmen. Ich glaube bestimmt, in der tropischen Hitze der kommenden Monate werden wir abends Quallen darin vorfinden.
Ich hätte mich eigentlich gar nicht zum Worte gemeldet; denn über diesem Gesetzentwurf stehen schon die beiden Worte „sehr spät", und wenn wir uns mit diesem Gesetz nicht sehr beeilen, dann können die beiden Worte lauten „zu spät", und das möchte naturgemäß jeder hier vermeiden. Aber mein alter Freund Renner hat mich hier auf den Plan gerufen. Mein lieber Kollege Renner, wenn Sie sagen, es habe sich in diesem Gesetz gegenüber den bisherigen Länderanordnungen nichts geändert, dann haben Sie entweder das Gesetz nicht gelesen, oder Sie haben es nicht verstanden. Aber da Sie ein so kluger Mann sind, glaube ich das zweite nicht annehmen zu dürfen.
Der alte Hegel hat einmal gesagt: Unter allen meinen Schülern hat mich einer verstanden, und dieser eine hat mich mißverstanden.
Herr Kollege Renner, ich war früher als junger Mensch etwas idealistisch veranlagt und immer geneigt, manche positiven Werte auch bei den Kommunisten zu entnehmen.
Aber ich bin im Jahre 1931 einmal in eine kalte Dusche gesteckt worden, und seitdem begegne ich allen Ihren Anträgen mit großem Mißtrauen. Ich sehe vor mir den alten Präsidenten des Reichstages, den Kollegen Löbe, sitzen, und der Kollege Löbe wird mir recht geben können, wenn ich folgendes erzähle: Wir haben im Jahre 1931 die letzte Haushaltsberatung im alten Reichtstag vorgenommen, und es wurde gerade oben am Präsidententisch ein Antrag abgegeben, in diesen Haushaltsplan 500 000 Mark für die Kinderspeisung einzusetzen. In diesem Augenblick, als der Abgeordnete Torgler diesen Antrag oben beim Präsidenten abgab, wurde unten der gedruckte Antrag der sozialdemokratischen Fraktion verteilt, der einen Tag vorher abgegeben worden war, eine Million Mark für die
Kinderspeisung einzusetzen. Zehn Minuten später war Herr Torgler wieder oben und brachte einen neuen Antrag, drei Millionen für die Kinderspeisung einzusetzen.
Wir werden den Wettlauf nach dieser Richtung hin mit Ihnen nie gewinnen; denn es kommt Ihnen nicht darauf an, zu helfen, sondern die anderen Parteien zu diffamieren.
Wenn wir uns im Ausschuß sehr •eingehend
mit diesem Gesetz beschäftigt und manche positiven Werte in der Frage der Arbeitslosenversicherung und der Sozialfürsorge ermittelt haben,
dann bin ich doch der Auffassung, jeder einzelne,
der dem Ausschuß angehört und an dieser
Stelle hier sprechen muß, wird ein Gefühl der
Enttäuschung nicht verbergen können; denn er
weiß, daß er immer nur einen kleinen Teil dieses
großen Problems angepackt hat und daß er viele
von den Hunderttausenden, die vor Jahr und
Tag zurückkehrten, enttäuschen muß. Aber wir
sagen auch nicht, daß das der Abschluß unserer
Heimkehrerbetreuung an sich sein soll, sondern
ein Glied in der Kette von Maßnahmen, die sich
noch hier in diesem Parlament entfalten müssen.
Diesen Menschen, die vor den Toren des Lebens — und daran sind wir nun unschuldig — so lange stehen mußten und die sich oftmals heute im Gestrüpp unseres zivilen und wirtschaftlichen Lebens verfangen, wollen wir nur die erste Hilfestellung geben. Wir sind uns ganz klar darüber, daß in der Kriegsgefangenenfrage, in der Heimkehrerfrage auf uns etwas zukommt, was uns noch sehr viele große Sorgen machen wird, was uns aber nicht daran hindern wird, jegliche Teillösung des Problems — eine Generallösung gibt es nicht bei der Variantenhaftigkeit des Problems — anzustreben.
Ich darf noch sagen. wenn mein Gedanke betreffend die Rückerstattungspflicht, den ich letzthin hier angekündigt habe und den ich in dem Gesetz verwirklichen wollte, in dem Gesetz nicht verankert ist, so hat das sein Bewenden darin, daß uns von dem Vertreter des Innenministeriums die feste Zusicherung gegeben worden ist, daß ein Gesetzentwurf diese Frage besonders behandeln und demnächst dem Hohen Hause vorgelegt wird. Wir glaubten uns auf diese Zusicherung des Innenministeriums verlassen zu dürfen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte deshalb nicht die ganzen Einzelgebiete, Vollstreckungsschutz und was wir noch in das Gesetz hineingebracht haben, hier besonders anklingen lassen. Wir haben einträchtig in drei Ausschüssen an diesem Gesetz gearbeitet, und wir werden auch in der zukünftigen Gesetzgebung einen Weg zu finden versuchen, der draußen den Heimkehrern das Gefühl vermittelt: sie werden von uns nicht vergessen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Richter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Worte sind genug ge-
wechselt. Ich glaube, man kann hierzu nur eins sagen: Dieses Gesetz soll eine Hilfe bedeuten. Man mag manches daran aussetzen, gut! Aber wenn wir helfen wollen, dann stimmen wir diesem Gesetz zu. Da wir allerdings auch auf dem Standpunkt stehen, den Menschen, die durch ihre Kriegsgefangenschaft so unerhört viel haben für das Vaterland leiden müssen, besonders viel geben zu wollen, stimmen wir auch dem Antrag der Bayernpartei zu.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem das Heimkehrergesetz in den drei Ausschüssen mit seltener Einmütigkeit erarbeitet worden ist, waren wir in diesen Ausschüssen der Auffassung, daß dieses Gesetz auch hier im Hause mit derselben Einmütigkeit verabschiedet werden würde. Ich hätte zu diesem Gesetz heute kein Wort gesprochen, wenn nicht die drei Anträge auf Erhöhung des Entlassungsgeldes gestellt worden wären. Es kann die Vermutung auftreten, daß die drei Anträge, die von drei bayerischen Parteien gestellt worden sind, im Auftrage der bayerischen Regierung hier eingebracht wurden.
Denn die Frage der Erhöhung des Entlassungsgeldes ist erstmalig nicht von einer Partei, sondern von einem Vertreter der bayerischen Regierung gestellt worden, und zwar zunächst im
Bundesrat. Als dann die bayerische Regierung
sehen mußte, daß sie im Bundesrat nicht zum
Zuge kam, ist der Herr Staatssekretär Grieser
im Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen aufgetreten, um auf dem Weg
über den Bundestag die Erhöhung durchzusetzen.
— Gewiß, Sie haben recht, es ist keine Erhöhung. Ursprünglich wollte man ja keine Erhöhung, sondern eine Verschiebung der Entlassungsbeihilfe, indem man die 250 DM Kleider- und Hausratsbeihilfe, die gewährt werden sollten, auf 200 DM herabsetzen und dafür das Entlassungsgeld auf 150 DM heraufsetzen wollte. Dabei hat die bayerische Staatsregierung den einen Hintergedanken: sie hat nämlich die Hoffnung, daß, wenn das Entlassungsgeld auf 150 DM erhöht wird, sie dann diese 50 DM, die sie bisher mehr gezahlt hat, vom Bund ersetzt bekommt. Das scheint nach meinem Dafürhalten die einzige Ursache der Anträge zu sein, die hier im Bundestag vorgelegt worden sind. Dann glaubt man mit diesen Anträgen nach außen hin auch noch irgendwie Agitation treiben zu können.
Meine Damen und Herren! Für diese Auffassung, glaube ich wenigstens, muß uns das Heimkehrergesetz und die Versorgung der Heimkehrer doch zu ernst sein.
Kollege Renner, ich bewundere die Geduld der Mitglieder dieses Hauses, die immer wieder ohne größeren Widerspruch zuhören, wenn der Vertreter eines Systems, das völkerrechtswidrig
Millionen Menschen zurückhält, sich hier als Sachwalter der Heimkehrer aufzuspielen beliebt.
Meine Damen und Herren! Worauf es ankommt, ist, daß dieses Gesetz so schnell wie möglich verabschiedet wird, damit — das hat Abgeordneter Pohle ganz recht gesagt — nicht ein Zuspät dahintergesetzt werden muß. Denn wenn wir in dem Gesetz, so wie es die drei Ausschüsse Ihnen einmütig vorgelegt haben, Änderungen vornehmen, dann laufen wir Gefahr, daß wieder einige Monate ins Land gehen, bis ein Heimkehrergesetz zustande kommt.
Daher bitte ich das Hohe Haus, dem Gesetzentwurf so, wie er von den drei Ausschüssen vorgelegt worden ist, zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In den verschiedenen Ausschüssen, in denen das Heimkehrergesetz beraten worden ist, waren wir sehr einheitlich der Auffassung, daß man mit drei Gruppen im deutschen Volke keine Parteipolitik machen kann und daß man sich in dogmatischer Auseinandersetzung über die Beseitigung der Not dieser Gruppen niemals in irgendeiner Form bedienen sollte, wenn man Verantwortung trägt. Das sind die Heimkehrer, die Kriegsbeschädigten und unsere Vertriebenen. Deshalb ist es bedauerlich, daß über die Einzelheiten hier nicht nur soviel gesprochen werden mußte — das haben wir schon in der ersten Lesung getan —, sondern daß darüber hinaus auch noch mit denen wieder politische Debatten notwendig sind, die weiß Gott keinen Grund dazu haben, solche immer wieder herauszufordern.
Ich wollte nur sagen, daß meine Fraktion dem Heimkehrergesetz in der Regierungsvorlage zustimmt. Wir wissen, daß nicht alle Wünsche errüllt werden konnten. Wir begrüßen es aber, daß in diesem Heimkehrergesetz, obwohl alle Wünsche nicht erfüllt werden konnten, doch weitgehend wirklich soziale Fortschrittsmöglichkeiten in einem Maße gegeben sind, die bisher in der Sozialpolitik nicht gegeben waren. Wir haben uns weitgehend über die Grenzen des in der Sozialversicherung bisher Üblichen hinweggesetzt und wir haben weitgehend neue Wege eröffnet, ohne jeden Zwang, den Heimkehrern zu helfen und nach Möglichkeit die Freiwilligkeit und die freie Entscheidung, wie es der Grundsatz der Regierungsparteien ist, in den Vordergrund zu stellen. Insofern ist dieses Heimkehrergesetz ein durchaus modernes sozialpolitisches Gesetz.
Wenn darüber hinaus hier noch Auseinandersetzungen wegen des Antrags der Bayernpartei bestehen, so glaube ich, alle Heimkehrer wissen, daß jeder hier in diesem Hause der Auffassung ist, die der Herr Kollege Richter mit den Worten ausgedrückt hat: Wir wollen den Heimkehrern soviel wie möglich geben. Wir wollen das gleiche; und ich glaube, alle unsere Freunde hier in diesem Hause wollen das, auch die Opposition. Und weil wir alle das gleiche wollen, haben wir alle, die wir als Steuerzahler die gleiche Verant-
wortung tragen, mit diesem Gesetz dem Heimkehrer so viel gegeben, wie wir nach den Möglichkeiten des deutschen Steueraufkommens und den Notwendigkeiten des deutschen Sozialaufwands im Augenblick zu geben in der Lage waren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger.
Meine Damen und Herren! Es wird Sie vielleicht interessieren, daß die Regierung, die der Herr Abgeordnete Parzinger von der Bayernpartei wegen ihrer sozialen Haltung so besonders gelobt hat, nicht die Regierung der Bayernpartei ist — die ja nur einen einzigen Abgeordneten im bayerischen Landtag hat sondern die Regierung der Christlich-Sozialen Union! Aber nicht das ist der Grund dafür, daß ich mich hier zu Wort gemeldet habe. Ich wollte mich zu dem von uns gestellten Antrag, auch im deutschen Bund 150 DM Entlassungsgeld wie in Bayern zu zahlen, gar nicht zu Wort melden. Denn ich war der Meinung: das, was zugunsten der Heimkehrer spricht, spricht so sehr für sich, daß man es nicht zu begründen braucht. Wenn ich trotzdem das Wort ergreife, so tue ich es deswegen, weil hier leider die Meinung vertreten worden ist, unsere Anträge seien agitatorisch. Ich möchte den Herren doch schon sagen: Wir sind keine Kommunisten.
Im übrigen wurde noch gesagt, hinter den ganzen Anträgen, die von der Christlich-Sozialen Union, von der Bayernpartei und von der WAV gestellt worden sind, stecke die bayerische Staatsregierung. Ich weiß nicht, ob das ein Vorwurf sein soll. Das ist ja eine Regierung der CSU. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ,diese sich hinter die WAV oder hinter die Bayernpartei steckt. Hinter uns hat sie sich nicht gesteckt. Denn wir haben mit niemand darüber gesprochen. Wir haben — vor allem wir, die wir der jungen Generation angehören und das Glück gehabt haben, schon zeitig heimzukommen — die Meinung, daß man denen, 'die jetzt heimkommen, mindestens das geben soll, was man seit längerer Zeit schon in Bayern zahlt.
Aus diesen rein sachlichen Gründen zugunsten der Heimkehrer und weil man das, was wir in Bayern haben zahlen können, auch im Bund wird zahlen können, bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Die Fraktion der Bayernpartei beantragt namentliche Abstimmung und bittet den Herrn Präsidenten, festzustellen, ob 50 Abgeordnete diesen Antrag unterstützen.
Worüber soll die namentliche Abstimmung erfolgen? Doch nicht über das ganze Gesetz? Oder soll die namentliche Abstimmung über einzelne Anträge erfolgen?
Über den Antrag der Bayernpartei.
Die Frage der namentlichen Abstimmung werde ich zur Entscheidung stellen, wenn der für diese Abstimmung in Frage kommende Paragraph zur Abstimmung gestellt wird.
Zunächst ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe § 1 auf. Ich bitte diejenigen, die für § 1 sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 1 ist einstimmig angenommen.
Zu § 2 liegen vor der Antrag Dr. Jaeger und Genossen auf Drucksache Nr. 855, der Antrag Dr. Seelos und Genossen auf Drucksache Nr. 719 und der handschriftlich eingereichte Abänderungsantrag der Abgeordneten Löfflad und Genossen, die das gleiche Ziel haben, nämlich die Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 150 DM. Wir können über diese drei Anträge in einer Abstimmung entscheiden. Dazu ist der Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt. Zunächst habe ich festzustellen, ob dieser Antrag von 50 Abgeordneten unterstützt wird, und bitte diejenigen, die den Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützen, die Hand zu erheben. — Der Antrag wird von der erforderlichen Anzahl von Abgeordneten unterstützt.
Ich stelle nunmehr den Antrag auf namentliche Abstimmung zur Entscheidung. Ich bitte diejenigen, die für namentliche Abstimmung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist nicht klar festzustellen, welches die Mehrheit ist. Wir müssen infolgedessen Auszählung durch Hammelsprung vornehmen.
Ich bitte diejenigen, die für namentliche Abstimmung sind, durch die Ja-Tür, diejenigen, die dagegen sind, durch die Nein-Tür, und diejenigen, die sich der Stimme enthalten wollen, durch die Mitteltür hereinzukommen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Die Abstimmung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte ferner, Platz zu nehmen. — Meine Damen und Herren, dahinten ist noch Verkehr in der Tür. Ich hatte vorhin gesagt, daß die Abstimmung beendet ist.
Meine Damen und Herren! Es haben gestimmt mit Ja 155, mit Nein 157. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist damit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die vorhin genannten Abänderungsanträge. Ich wiederhole noch einmal: Drucksache Nr. 855, Drucksache Nr. 719 und der Abänderungsantrag des Abgeordneten Löfflad und Genossen. Ich bitte diejenigen, die für diese Anträge sind, die Hand zu erheben. —
— Es ist nicht verstanden worden. Es handelt sich
um die Abstimmung, derentwegen wir bereits die
Abstimmung über den Abstimmungsmodus gemacht haben. Es geht um die Abänderungsanträge
Dr. Seelos und Genossen auf Drucksache Nr. 719
und Dr. Jaeger und Genossen 'auf Drucksache
Nr. 855 und den Abänderungsantrag Löfflad und
Genossen. Diese Anträge sind inhaltsgleich; sie
wünschen eine Erhöhung des Entlassungsgeldes
auf 150 DM. Ich bitte diejenigen, die für diese in-
haltsgleichen Anträge sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; damit sind die Anträge und mit dieser Änderung § 2 angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die §§ 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10, - 11, - 12, - 13, - 14, - 15, - 16, - 17, - 18, - 19, - 20, - 21. Zu den eben aufgerufenen Paragraphen liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich bitte diejenigen, die für Annahme dieser Paragraphen sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist also so beschlossen.
Zu § 22 liegt der Antrag der DP auf Drucksache Nr. 852 unter Ziffer I vor. Ich bitte diejenigen, die für diesen Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer nurmehr für den § 22 in der Fassung des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Zu § 23 liegt ein Antrag der DP auf Drucksache Nr. 852 unter Ziffer II vor. Ich bitte diejenigen, die für diesen Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer nunmehr für den § 23 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —Das ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf die §§ 24, - 25, - 25a, -26, - 27, - 28, - Einleitung und Überschrift. Dazu liegen keine Abänderungsanträge vor. Ich bitte also diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung
des Gesetzes.
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Es ist von dem Herrn Berichterstatter und auch mehrfach in der Diskussion darauf hingewiesen worden, daß die Verhandlungen in den Ausschüssen nicht nur mit großem Verantwortungsbewußtsein und mit großer Sorgfalt geführt worden sind, sondern daß sie auch in großer Einmütigkeit vor sich gegangen sind. Meine Freunde möchten gern erreichen, daß diese Einmütigkeit erhalten bleibt. Ich bitte daher, die dritte Lesung um einen Tag auszusetzen und den Entwurf nochmals dem Haushaltsausschuß zur Beratung zuzuweisen.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag zur Geschäftsordnung gehört. Nach der Geschäftsordnung ist die Sache so: eine dritte Beratung kann, nachdem in der zweiten Lesung eine Abänderung des Ausschußtextes vorgenommen worden ist, heute nur dann stattfinden, wenn nicht widersprochen wird. Sobald 15 Mitglieder widersprechen, kann die Abstimmung in dritter Lesung nicht sofort
vorgenommen werden. Ich frage daher, ob der Antrag Dr. Wellhausen unterstützt wird; ich bitte diejenigen, die den Antrag unterstützen, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos eine weit über die Zahl 15 hinausgehende Anzahl. Infolgedessen müssen Beratung und Abstimmung in dritter Lesung ausgesetzt werden.
Es ist soeben der Antrag gestellt worden, Überweisung der Vorlage an den Haushaltsausschuß vorzunehmen und die Angelegenheit dann in der morgigen Sitzung in dritter Lesung zur Abstimmung zu bringen. Ich bitte diejenigen, die für diesen Geschäftsordnungsantrag sind, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit. Es ist also so beschlossen.
- Wenn Gegenprobe gewünscht wird, bitte ich um die Gegenprobe. — Vorher war es zweifellos die Mehrheit.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Abgeordneten Tichi und Genossen betreffend Krankenfürsorge der Sofort-HilfeEmpfänger .
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Schüttler.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der WAV auf Drucksache Nr. 119 betrifft Krankenfürsorge für die Soforthilfe-Empfänger. Er wurde in mehreren Sitzungen des sozialpolitischen Ausschusses ernstlich beraten, und die Frage wurde eingehend geprüft. Die Antragsteller glauben, eine einheitliche Regelung für alle Soforthilfe-Empfänger auf der gesamten Bundesebene vorschlagen zu müssen, da sehr viele Klagen über eine nicht genügende Betreuung dieses Personenkreises in Krankheitsfällen laut geworden sind. Der Ausschuß mußte zunächst einmal ernstlich überprüfen, um welchen Personenkreis es sich handelt und welche Regelungen in den einzelnen Ländern bereits getroffen sind. Nach dem vom Ministerium der Finanzen dem Ausschuß zur Verfügung gestellten statistischen Material handelt es sich um rund 1 Million Soforthilfe-Empfänger. Von diesem Personenkreis sind aber nach allgemeiner Schätzung zirka ein Drittel als gleichzeitig versicherte Empfänger von Sozialrenten bereits für den Krankheitsfall versichert. Rund 650 000 Personen würden somit ohne Versicherungsschutz sein, soweit sie sich nicht freiwillig in irgend einer Form selbst versichert haben. Vom Ausschuß wurde nun ernstlich erwogen, ob ein Weg gefunden werden könne, um diesen 650 000 Personen mit ihren Angehörigen — ähnlich wie jenen der Rentenversicherung — eine obligatorische Krankenversicherung zu gewähren. Hierbei mußte gleichzeitig auch die Frage des Kostenträgers erwogen werden. Es wurde errechnet, daß nach dem jetzigen Stand der Beiträge für die Krankenkassen immerhin 37 Millionen jährlich raufgebracht werden müßten. Da die jetzigen Beiträge, wie allgemein von den Krankenkassen bestätigt wird; zur Deckung der Unkosten kaum ausreichen und mit einer baldigen Erhöhung gerechnet werden muß, müßte ein Betrag von zirka 50 Millionen in Ansatz gebracht werden.
In einer gemeinsamen Sitzung mit dem Ausschuß für Flüchtlingswesen wurde mit Nachdruck darauf verwiesen, daß dieser Betrag keineswegs aus den Mitteln des Soforthilfe-Aufkommens abgezweigt werden könne, da diese Mittel schon jetzt nicht mehr ausreichen würden, um den Unterstützungsaufgaben in allen Formen gerecht zu werden.
Eine weitere Sitzung, die der Ausschuß für Sozialpolitik gemeinsam mit dem Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge, dem Ausschuß des Bundestags für den Lastenausgleich und dem Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrats am 16. 3. abhielt, wurden alle Fragen noch einmal überprüft. Die Vertreter der einzelnen Bundesländer erklärten einstimmig, daß der gesamte Personenkreis bisher ohne irgendwelche Schwierigkeiten im Rahmen der öffentlichen Fürsorge betreut worden sei. Klagen seien mit Ausnahme von einigen Bezirken aus dem Land Bayern nicht laut geworden, so daß eine Änderung der bestehenden Regelung nicht zwingend notwendig sei. Man kann in dieser gemeinsamen Sitzung zu dem einstimmigen Antrag, der wie folgt formuliert wurde:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Länderregierungen zu empfehlen, die Bezirksfürsorgeverbände anzuweisen, den Empfängern von Unterhaltshilfe nach dem Soforthilfe-Gesetz Fürsorge im Falle der Erkrankung — insbesondere ärztliche Hilfe, Medikamente und Krankenhausbehandlung — zu gewähren ohne Rücksicht darauf, ob sie vor dem Empfang der Unterhaltshilfe Fürsorgeunterstützungsempfänger waren oder nicht. Eine Rückerstattung der entstandenen Kosten durch den Versorgten soll hierbei nicht stattfinden.
Die Ausschüsse bitten das Hohe Haus, diesem einstimmigen Antrag die Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt dem Hause vor, die Gesamtredezeit auf 30 Minuten zu beschränken und nach dem üblichen Schlüssel auf die Fraktionen zu verteilen. Es besteht Einverständnis mit dieser Empfehlung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich führe Klage darüber, daß mein Antrag, den ich bereits am 18. Oktober 1949, d. h. vor sechs Monaten eingebracht habe, erst heute behandelt wird. So langsam arbeitet die Maschinerie des ersten Deutschen Bundestags, weil jeder Antrag alle möglichen Ausschüsse passieren muß, deren wir eine Überzahl haben und deren Kompetenzen sich mitunter überschneiden.
Als ich am 18. Oktober 1949 diesen Antrag Nr. 119 betreffend die Krankenfürsorge der Soforthilfe-Empfänger einbrachte, lagen die Dinge folgendermaßen. Mit dem Gesetz vom 18. August 1949 zur Milderung dringender sozialer Notstände ist das sogenannte Soforthilfe-Gesetz für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet in Kraft getreten. Damit schieden Hunderttausende Wohlfahrts- und Fürsorgeempfänger aus der allgemeinen Fürsorge aus, die bisher von den Ländern und von den
Kommunen getragen wurde. Die Ersparnisse, die ' dadurch eintraten, gehen in die Hunderte von Millionen. Entlastet wurden nicht nur die Finanzen der Länder, sondern auch jene der Bezirke und der Gemeinden. Trotzdem war es für viele Landräte und für viele Oberbürgermeister, aber auch für die Länder eine willkommene Gelegenheit, den Kreis der Soforthilfe-Empfänger aus der bisherigen Krankenfürsorge auszuscheiden und diese Menschen im Falle ihrer Erkrankung ihrem Schicksal zu überlassen. Der Soforthilfesatz beträgt 70 DM für eine Person. Es ist unmöglich, aber auch nicht human und nicht sozial gerecht, zu verlangen, daß jemand von diesem mageren Fürsorgesatz lebt, die Miete bezahlt, Kleidung und Heizung bestreitet und im Falle des Unglücks einer längeren Krankheit auch noch den Arzt und die Medikamente zahlt.
Ich muß hervorheben, daß es Kreise und Städte gibt, die sich von Haus aus ihrer sozialen und humanen Aufgaben bewußt waren und die Krankenfürsorge für Soforthilfe-Empfänger selber übernahmen. Die Stadt Kulmbach, in der ich zweiter Bürgermeister bin, hat sofort die Maßnahme getroffen. Dasselbe hat der Landkreis Kulmbach getan. Es gibt aber ein Unzahl von Landkreisen, die dieser ihrer Fürsorgepflicht aus dem Wege gegangen sind.
Wir sind uns vollständig darüber im klaren, daß mit dieser Aufgabe keine besonderen neuen finanziellen Belastungen entstehen, wie man uns gerne vortäuschen möchte. In der Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit vom 14. Februar 1950 wird angeführt, daß etwa 750 000 Unterhaltshilfeempfänger eines Schutzes für den Fall der Erkrankung bedürfen, weil nur ein Bruchteil gegen Krankheit pflichtversichert ist. Die Kosten einer krankenversicherungsmäßigen Behandlung würden nach den bisherigen Erfahrungen angeblich zwischen 4,50 DM und 6 DM, im Durchschnitt also etwa 5 DM pro Fall betragen. Es ist in dem Gutachten bei 750 000 Unterhaltshilfeempfänger von einem monatlichen Aufwand von 3 750 000 DM die Rede. Nach unseren Erfahrungen kann man annehmen, daß höchstens 5 % der Soforthilfe-Empfänger sich in der Krankenfürsorge befinden, so daß die monatliche Belastung nicht 3 750 000 DM, sondern lediglich 187 000 DM beträgt. Im allgemeinen handelt es sich überhaupt nicht um eine Neubelastung, weil die Krankenfürsorge fast bei allen in Betracht kommenden Personen bisher ohnehin von der öffentlichen Hand getragen wurde.
Wir stimmen dem Antrag des Ausschusses für Sozialpolitik zu. Wir hätten aber lieber eine festere Form als die Form einer bloßen Empfehlung gehabt. Wir glauben, daß in absehbarer Zeit ein Gesetz geschaffen \\erden muß, das alle diese Fragen mit der erforderlichen Klarheit regelt.
Ich hoffe, daß der Deutsche Bundestag den Antrag des Ausschusses einmütig annimmt. Es geht um eine soziale Tat von großer Bedeutung, für die Ihnen Tausende armer Teufel von SoforthilfeEmpfängern dankbar sein werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Kinat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag Drucksache Nr. 738 stimmen meine Parteifreunde grundsätzlich zu. Wir sind
uns aber dessen bewußt, daß damit kein großer Fortschritt für die Heimatvertriebenen errungen ist. Zum allergrößten Teil sind die Unterhaltshilfeempfänger Heimatvertriebene. Wir müssen hier leider feststellen, daß wir infolge des mangelhaften Aufkommens an Mitteln für die Soforthilfe gezwungen sind, auf andere Mittel zurückzugreifen, um die Kosten der Fürsorge bei Krankheitsfällen der Unterhaltshilfeempfänger bestreiten zu können. Das ist sehr bedauerlich und wieder ein Beweis dafür, daß es schwerhalten wird, in dem kommenden Lastenausgleich alle notwendigen Korrekturen hinsichtlich der Hilfe für die Heimatvertriebenen, besonders für diejenigen, die nicht mehr produktiv tätig sein können, durchzuführen. Man könnte beinahe schwarzsehen; aber das wollen wir im Augenblick nicht tun. Wir wollen hoffen, daß durch den Lastenausgleich, der kommen soll und kommen muß, auch diese Lücken ausgefüllt werden.
Sie wissen selber, daß der Unterhaltshilfeempfänger mit dem wenigen Geld, das er erhält, sein Leben nur knapp fristen kann. Ihm zuzumuten, sich in irgendeiner Form selbst zu ver- sichern, ist ganz unmöglich, außerdem nach den Versicherungsbestimmungen nur dann möglich, wenn er eine Beschäftigung aufnimmt. Es bleibt also nur der Weg über die Fürsorge übrig.
Wenn dazu in dem Antrag des sozialpolitischen Ausschusses empfohlen wird, die Länderregierungen sollen die Bezirksfürsorgeverbände anweisen, daß sie wie bisher die Fürsorge im Falle der Krankheit übernehmen, dann könnte man vielleicht skeptisch sein und meinen, daß nicht jeder Bezirksfürsorgeverband mitgehen würde. Mit diesen Dingen müssen wir rechnen. Wir hoffen trotz alledem, daß nach dieser Empfehlung der Bundesregierung an die Länderregierungen die Bezirksfürsorgeverbände doch dem Willen und dem Wunsche des Bundestages Rechnung tragen werden, der dahingeht, durch diese Aktion den Ärmsten der Armen eine von ihnen mit Recht empfundene Sorge abzunehmen.
Ich hoffe daher, daß mit Ihrer Zustimmung ein Weg beschritten wird, der zum Ziele führt. Sollte das nicht der Fall sein, werden wir uns vorbehalten, durch Abänderungsanträge zum Soforthilfegesetz immer wieder diesen Wünschen den nötigen Nachdruck zu verschaffen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse abstimmen.
Wer für den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 738 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Punkt 9 der Tagesordnung ist abgesetzt worden.
Wir kommen zu Punkt 10:
Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldung.
Wer für den Antrag Drucksache Nr. 836 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! — Einstimmig s angenommen.
Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der
SPD betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs über Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen .
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kalbitzer.
Meine Damen und Herren! Wir ersuchen ,die Regierung um Vorlegung eines Gesetzentwurfes zur Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen, was sich formal daraus begründet, daß der Art. III des beschlossenen Gesetzes über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Bundesrepublik gilt. Danach sind die Gegenwertmittel eine ausländische Staatsanleihe und als solche ein Bundessondervermögen. Dieses Sondervermögen unterliegt der Beschlußfassung des Parlaments. Die Regierung wäre längst verpflichtet gewesen, von sich aus eine Vorlage über die beabsichtigte Verwendung vorzulegen. Sie hat bisher nur einen interministeriellen ERP-Mittel-Verteilungsausschuß, der kein Ersatz für einen parlamentarischen Ausschuß sein kann, da er eine reine Verwaltungsangelegenheit" ist.
Über diese Würdigung des Tatbestandes besteht im ERP-Ausschuß des Bundestages weitgehend Einmütigkeit, und der Herr Vorsitzende des Ausschusses Dr. Pünder hat bereits entsprechend an den Herrn Minister Blücher geschrieben, ist aber bis jetzt leider nur vertröstet worden. Das Kabinett ist in dieser Angelegenheit bis jetzt nicht zu einer Entscheidung gekommen.
Wichtiger als diese formale Begründung, die ohne Zweifel die Zustimmung des ganzen Hauses haben wird, ist die sachliche Begründung dieser Verzögerung. Bei den ERP-Mitteln handelt es sich um die Zuführung von Anlagekapitalien an wichtigste Punkte des Aufbaues, d. h. zur Bekämpfung der Erwerbslosigkeit. Diese Verteilung der Kapitalien ist das A und 0 jeder Arbeitsbeschaffungspolitik. Das Parlament und insbesondere die Abgeordneten des ERP-Ausschusses werden mit Zahlenmaterial derart überhäuft, mit Zahlen, die alle möglichen wirtschaftichen Vorgänge belegen, daß selbst der Interessierte von dem Wust des Materials erstickt wird. Alle diese Planzahlen wechseln aber in ihrem Bestande ständig, da sie bis zur Stunde keinerlei gesetzliche Grundlage haben. Dadurch ist jede Übersichtlichkeit hinsichtlich der Verwendung dieser Gelder inzwischen verlorengegangen.
Ebensowenig übersichtlich wie in dieser Verwendung der ERP-Gelder ist die Politik der Regierung in dem, was sie Arbeitsbeschaffungsplanung genannt hat. Für diese Arbeitsbeschaffungsplanung werden ERP-Gelder gebraucht. Die Bundesregierung hat bei der großen Debatte in diesem Hause über die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit ein Programm ad hoc vorgelegt, welches, wie Sie sich erinnern werden, damals nicht die Billigung dieses Hauses gefunden hat. Die Regierung hat sich über die Forderung des Hauses, ein neues Arbeitsbeschaffungsprogramm vorzulegen, hinweggesetzt, und erst dieser Tage lasen wir in der Zeitung, daß ein solches Programm für den Herbst vorgelegt werden soll. Schon bei erster Durchsicht auch dieses neuen Programms ergibt sich aus den Angaben der Milliardenzahlen, daß seine Durchführung völlig im Reich der Phantasie liegt.
Die Planlosigkeit der Kapitalverwendung ohne gesetzliche Grundlage scheint mir ihre Ur-
sache in dem wirtschaftspolitischen Dogmatismus der Regierung zu haben, die den Grundsatz befolgt, nicht in den Bereich der Wirtschaft einzugreifen. Es ist paradox, daß einer der dogmatischsten Vertreter des sogenannten Neoliberalismus, eben der Herr Minister Blücher, sich zur Aufgabe gestellt hat, die Gelder des Marshallplanes „planmäßig" — wie schon der Name sagt — zu verwenden. Eine solche prinzipielle Planlosigkeit, losgelassen auf eine notwendig planmäßige Kapitalverwendung, muß zu diesem Durcheinander in unserer Arbeitsbeschaffungs-
und in unserer ERP-Planung führen. Aber man muß auch feststellen, daß die Vereinigten Staaten an dem Planungsdurcheinander nicht völlig unschuldig sind. Ich möchte Ihnen nur ein kleines Beispiel dafür geben, wie hier vorgegangen wird. Die Hohe Kommission und ihre Wirtschaftsberater haben zum Beispiel für das erste Quartal die Einfuhr von 150 000 t Sojabohnen vorgesehen. Im Laufe des Quartals wurde der Plan urn-geworfen, und statt dessen wurden Öle und Fette eingeführt, womit zugleich in der Ölmühlenindustrie natürlich eine Depression und Arbeiterentlassungen ausgelöst wurden.
Mit einer solchen „Planung", die jeder Kontinuität entbehrt, kann man nicht zu dem von allen Beteiligten angeblich geforderten Ergebnis kommen, der Erwerbslosigkeit nachhaltig zu Leibe zu rücken. Meine Herren von den Regierungsbänken, ich glaube, die Regierung wird augenblicklich im Volk wesentlich danach beurteilt, was sie gegen die Erwerbslosigkeit zu unternehmen bereit und in der Lage ist. Bisher haben wir nichts als Vertröstungen gehört. Das Mißtrauen der Bevölkerung gegen die Wirtschaftspolitik dieser Regierung ist deshalb im Ansteigen. Die öffentliche Kontrolle der ERP-Kredite, die hier beantragt wird, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der gesamten wirtschaftspolitischen Konzeptionslosigkeit der Regierung von heute. Sie hat bisher nicht bewiesen, daß sie bereit wäre, in dieser Richtung eine Besserung eintreten zu lassen.
Deshalb bitte ich das Hohe Haus abschließend, unserem Antrag seine Zustimmung zu geben. Der Antrag enthält nur das, was auch der ERP-Ausschuß bereits einstimmig gefordert hat, ohne allerdings von dem Minister bisher darauf eine positive Antwort erhalten zu haben.
Das Wort hat Herr Bundesminister Blücher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst feststellen: Schon seit zwei Monaten habe ich darauf gedrängt, die nicht ganz einfachen Vorarbeiten für ein Gesetz zum Abschluß zu bringen, das nicht nur die von Herrn Abgeordneten Kalbitzer aufgeworfenen Fragen regelt, sondern darüber hinaus beide Seiten behandelt, also sowohl Wareneinfuhr, Warenverwendung und Verwendungskontrolle wie auch die Verwendung der ERP-Mittel und die Kontrolle über die Verwendung. Die Gesetzesvorlage wird in wenigen Tagen vom Kabinett verabschiedet sein und dann auf dem üblichen Wege nach der Beratung im Bundesrat dem Hohen Hause zugehen.
Es ist aber eben ein Eindruck erweckt worden, den ich ausschließlich im Interesse- der Objektivität berichtigen muß, der Eindruck, als ob es
irgendwelche Willkür oder unkontrollierte Verwendung der Mittel gegeben habe. Ich gebe gern zu, was Herr Kollege Kalbitzer betont hat, daß das letzte Wort hinsichtlich der Verwendung der Mittel leider nicht bei uns liegt. Daneben hätte aber erwähnt werden sollen und müssen, daß sowohl die Vertreter aller Verwaltungen wie die Vertreter der Länder von jeher im einzelnen unterrichtet worden sind und über die Verwendung der ERP-Mittel auch im einzelnen mitberaten haben. Der hier erweckte Eindruck ist daher auf keinen Fall sachlich irgendwie begründet. Das hat nichts damit zu tun, daß auch die Bundesregierung, nachdem es sich ja um öffentliche Verpflichtungen und um haushaltsmäßig, ordnungsmäßig zu verwaltende Vermögenswerte handelt, durchaus daran interessiert ist, den Weg der Verwendung und die Kontrolle der Verwendung gesetzlich festzulegen.
Im übrigen aber möchte ich auch auf eines hinweisen: Es ist nicht so, wie der Herr Kollege annimmt, daß ich persönlich oder mein Ministerium irgendeinen Einfluß zu nehmen versuchten oder überhaupt auch nur nehmen könnten. Sämtliche für die Wirtschaftsführung des Bundes verantwortlichen Ressorts, die Vertreter der Länder und die Vertreter der Gewerkschaften sitzen schon längst in jenem Ausschuß, der das letzte Wort über die Verwendung der Mittel spricht.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt dem Hause für diesen Punkt der Tagesordnung eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vor. Ich nehme Ihr Einverständnis an. Diese Zeit wird nach dem üblichen Schlüssel aufgeteilt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Pünder.
Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde habe ich unserer Befriedigung über die grundsätzlich positive Einstellung des zuständigen Herrn Bundesministers zu den Grundsätzen des vorliegenden Antrages Ausdruck zu geben. Wir begrüßen auch die Erklärung des Herrn Ministers, daß das Bundeskabinett schon in der nächsten Woche eine solche Gesetzesvorlage über die Regelung der Frage der Verwendung der ERP-Mittel verabschieden und dann dem Hohen Hause unterbreiten wird. Es ist durchaus richtig, was der Herr Kollege Kalbitzer gesagt hat, daß wir uns im ERP-Ausschuß schon seit Monaten mit diesem Problem befaßt haben. Ich muß aber auch dem Herrn Minister recht geben, daß es nicht seine Schuld ist und nicht die seines Ministeriums, wenn sich die Dinge so lange hingezögert haben. Denn es ist bei aller grundsätzlichen Klarheit in dieser Frage doch recht schwierig, an der richtigen Stelle die Trennungswand zwischen den Befugnissen der Exekutive und der Legislative zu finden. Um an Hand des uns angekündigten Gesetzentwurfs endgültige Klarheit über diese Frage zu schaffen, beantrage ich die Überweisung dieses Antrags der SPD an den ERP-Ausschuß.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! Der Herr Minister für die Durchführung der amerikanischen Wirtschaftspolitik in Westdeutschland
hat mit seltener Offenheit zugegeben, daß die Verwendung der Mittel aus dem Marshallplan, nach dem ECA-Abkommen also, nicht deutscher Kontrolle, sondern der Kontrolle der Besatzungsmächte, der Hohen Kommission untersteht.
Von diesem Standpunkt aus muß man auch den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion beurteilen, ein Gesetz der Adenauer-Regierung über die Kontrolle der gewährten ERP-Mittel durch den Bundestag zu verabschieden. Bei der Beurteilung des sozialdemokratischen Antrags muß man auf Art. II des Ihnen bekannten ECAVertrags zurückgreifen. In diesem Artikel des ECA-Vertrags werden der Adenauer-Regierung die Verpflichtungen auferlegt, die sich aus diesem Vertragswerk zuungunsten der westdeutschen Wirtschaft ergeben: Die Mittel, die nach dem ECA-Vertrag der westdeutschen Wirtschaft gewährt werden, müssen mit den Zielen des Marshallplans und mit den Richtlinien der amerikanischen Wirtschaftspolitik in Westdeutschland übereinstimmen. Nur auf dieser Grundlage
konnte schließlich dieses Vertragswerk mit der
Hohen Kommission durch die Bundesregierung abgeschlossen werden. Das heißt, im Grunde genommen bestimmt über die Richtlinien der amerikanischen Wirtschaftspolitik in Westdeutschland Mr. Hoffman in Paris. Dies haben wir des öfteren von dieser Stelle aus dem deutschen Volke zugerufen und wir sind gezwungen, es heute bei der Vorlage des sozialdemokratischen Antrags erneut mit aller Deutlichkeit festzustellen.
Der Art. II des ECA-Vertrags bedeutet in Wirklichkeit eine weitgehende Kontrolle aller Produktions- und Geschäftsvorgänge in allen Betrieben und Unternehmungen Westdeutschlands, die Marshallplangelder oder Waren aus dem Marshallplan erhalten. Nach unserer Auffassung von der amerikanischen Wirtschaftspolitik bedeutet dies die Preisgabe deutscher Hoheitsrechte an die ausführenden Organe der amerikanischen Wirtschaftspolitik. Unter der Parole, den höchsten Grad des Wiederaufbaus in Westdeutschland zu erzielen, verpflichtete sich die AdenauerRegierung im ECA-Vertrag — wie im Anhang zum ECA-Vertrag erläutert ist —, die Ware nicht in illegale und irreguläre Märkte oder Handelskanäle abfließen zu lassen. Schon allein diese Formulierung bedeutet eine Diskriminierung der westdeutschen Wirtschaft.
Aber was bedeutet in• Wirklichkeit diese so harmlos erscheinende Klausel im Anhang des ECA-Vertrags? Nun, dies bedeutet nichts mehr und nichts weniger als die Einmischung in Geschäftsvorgänge westdeutscher Firmen, die auf eine Ausweitung des innerdeutschen Handels, auf eine Ausweitung des deutschen Außenhandels mit den Völkern des Ostens angewiesen sind. In dieser Klausel steckt auch das Verbot des Handels mit der Deutschen Demokratischen Republik und den Ländern des Ostens. In dieser Klausel haben auch die Ihnen bekannten Sperrlisten zur Unterbindung des Ost-West-Handels ihre Ursache. Ich erinnere auch an die in den letzten Wochen an viele westdeutsche Firmen verschickten Fragebogen, die eine genaue Auskunft über die Produktion, über die Rohstoffe, über die Kunden verlangen, also eine Einflußnahme ausländischer Stellen im Bundesgebiet auf den Gang der Produktion und
direkte Spionage bedeuten. Bei aller Abneigung der SPD gegen den Ost-West-Handel möchte ich aber von dieser Stelle aus die sozialdemokratischen Arbeiter und die Gewerkschaftler fragen, ob sie mit dieser Ausschaltung deutscher Firmen vom Ost-West-Handel und vom innerdeutschen Handel einverstanden sind. Ich bin der Meinung, daß diese Arbeiter und Gewerkschaftler mehr als nur Bedenken gegen diese Kontrolle haben, die hier über die deutsche Wirtschaft ausgeübt werden soll. Dieser Handel ist für Deutschland lebensnotwendig! Es ist interessant, daß selbst ein Sozialdemokrat, der Vorsitzende der UN-Kommission in Genf, erst kürzlich betonte, daß dieser Handel auch für die Wirtschaftsentwicklung in Westdeutschland von außerordentlicher Bedeutung ist. Wir, d. h. die kommunistische Fraktion, müssen aus grundsätzlichen Bedenken gegenüber der Politik der Amerikaner in Westdeutschland gegen den sozialdemokratischen Antrag stimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist der Antrag gestellt, den Antrag Drucksache Nr. 661 an den ERP-Ausschuß zu verweisen. Wer für diese Verweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Vorlage eines Bundesversorgungsgesetzes für die Kriegsopfer .
Der Ältestenrat hat dem Hohen Hause vorzuschlagen, die Redezeiten wie folgt zu ordnen: 5 Minuten für die einbringende Fraktion, 30 Minuten für die gesamte Debatte. Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesem Vorschlag fest. Wer begründet? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Heute ist mehrfach das Wort von demagogischen Anträgen und parteipolitischer Ausnutzung der Notlage gewisser Personenkreise gefallen. Die Behandlung des Kriegsopferversorgungsgesetzes ist ein Schulbeispiel für politische Demagogie. Gestatten Sie mir, das zahlenmäßig und dem historischen Ablauf gemäß etwas zu erklären.
18. Oktober 1949: Unser Antrag auf Schaffung eines Überbrückungsgesetzes, 60prozentige Erhöhung der Rentenbezüge. 20./21. Oktober: Plenum, Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer und an den Ausschuß für Sozialpolitik. 27. Oktober: Einstimmiger Beschluß des Kriegsopferausschusses und des Ausschusses für Sozialpolitik: Schaffung eines Überbrückungsgesetzes; nichts wird gesagt über das Ausmaß der Verbesserung, aber in diesem einstimmig gefaßten Beschluß die Forderung auf Einführung der Krankenversicherung für nicht sozialversicherte Kriegshinterbliebene. Am 4. November: Plenum billigt den Beschluß des Ausschusses; als Vertreter der Regierung erklärt der Staatssekretär, Herr Sauerborn, daß das Überbrückungsgesetz noch vor Weihnachten dem Plenum zur Entscheidung vorgelegt werde. Dabei blieb es. Der Aus-
schuß beschließt, als sich langsam herausstellt, daß das nicht eintreten wird, die große Interpellation der SPD auf die Tagesordnung der Sitzung vom 16. 12. zu setzen. In dieser Sitzung vom 16. 12. stellen wir den Antrag auf Bewilligung einer 13. Monatsrente. Das wird abgelehnt. Der Kollege Bazille als Sprecher der SPD stellt den Antrag, die Regierung zu ersuchen, Vorschußzahlungen auf das kommende, damals noch nicht einmal im Entwurf vorliegende Überbrückungsgesetz zu leisten. Dieser Beschluß wird vom Plenum einstimmig angenommen. Die Regierung denkt gar nicht daran, diesen Beschluß irgendwie zu realisieren. Dr. Sauerborn gibt in derselben Sitzung, nachdem der Kollege Bazille auf die Schaffung eines Überbrückungsgesetzes verzichtet hatte, die Erklärung ab, daß das endgültige Versorgungsgesetz spätestens mit Wirkung vom 1. April in Kraft treten werde. So liegen die Dinge.
Und nun das endgültige Versorgungsgesetz: In der Sitzung des Ausschusses für Kriegsopferversorgung am 1. März faßt der Ausschuß laut Protokoll den Beschluß, die Regierung zu ersuchen, noch im Laufe des Monats März dem Plenum die entsprechenden Unterlagen für das Gesetz vorzulegen. Begründung: Man wolle dem Ausschuß und der Regierung Vorwürfe von seiten der Kriegsbeschädigten ersparen, nämlich Vorwürfe in der Richtung, man beabsichtige Verschleppung des Gesetzes. Dann stellen wir einige Tage, nachdem im Ausschuß dieses Ersuchen an die Regierung beschlossen war, den Antrag, die Regierung solle noch im Monat März das endgültige Versorgungsgesetz vorlegen. Darauf kommt der bekannte Zwischenakt des Herrn Kollegen Bazille: im Namen der großen Fraktionen schlägt er hier vor,
über diesen unseren Antrag zur Tagesordnung überzugehen. Und in der Presse steht dann im Anschluß an diesen Beschluß, daß die Kommunisten „agitatorische Anträge" gestellt hätten. So ist der historische Ablauf der Dinge.
Warum kommt das von der Regierung in feierlichster Form zugesagte endgültige Versorgungsgesetz nicht an das Plenum heran? Kein Geringerer als Herr Schäffer hat die Antwort gegeben, indem er feststellte, daß, solange er die Einnahmeseite des Bundeshaushaltes für das jetzt begonnene Etatsjahr nicht übersehen könne, er nicht in der Lage sei, sich in bezug auf die Ausgaben für Kriegsopferversorgung, Flüchtlingsfürsorge und Flüchtlingsbeamten-Versorgungsgesetzgebung festzulegen. Die Regierung also trägt die Schuld dafür, daß dieses Schauspiel hier gespielt worden ist. Dem Herrn Kameraden Bazille von der Sozialdemokratie muß im Zusammenhang mit dieser Feststellung der Vorwurf gemacht werden, daß durch seine Haltung der Regierung dieses Manöver, das nichts anderes als ein demagogisches Betrugsmanöver an den Kriegsopfern ist, überhaupt ermöglicht worden ist.
So liegen die Dinge.
Herr Abgeordneter Renner, Sie haben der Regierung vorgeworfen, daß sie Betrugsmanöver vornehme. Ich rufe Sie zur Ordnung!
Schön!
Noch ein letztes Wort. Hier ist heute gesagt worden, wir Kommunisten hätten überhaupt kein
Recht, hier für gewisse Personenkreise — gemeint waren die Heimkehrer — aufzutreten.
Ich will Ihnen erklären, wieso wir und nur wir ein Recht haben, uns für diesen Personenkreis einzusetzen. Wir Kommunisten waren es, .die den Kampf gegen den Krieg, gegen den von Hitler provozierten Krieg
geführt haben, mit dem Ergebnis, daß mehr als die Hälfte der Funktionäre diesen Kampf gegen den Krieg mit ihrem Leben bezahlt haben.
Ihre Redezeit, Herr Abgeordneter, ist abgelaufen.
Viele von Ihnen haben gejubelt, solange die Glocken in Deutschland Hitlers Sieg geläutet haben. Vielen von Ihnen ging die Eroberung von Stalingrad gar nicht schnell genug. Viele von Ihnen waren mit Hitler und seinem Krieg einverstanden, weil Sie, genau wie Hitler, das Petroleum Bakus und das Getreide in der Ukraine forderten. Machen Sie uns nichts vor!
Ihre Redezeit ist abgelaufen. Fünf Minuten!
Bitte, schenken Sie mir noch eine Minute! — Ihr „antifaschistischer Kampf" hat sich - der Herr Kollege Adenauer ist nicht da — darauf beschränkt, daß Sie zähneknirschend die Pensionen in die Tasche gesteckt haben, die der faschistische Staat Ihnen gezahlt hat. So liegen die Dinge.
Wir haben ein Recht, für diesen Personenkreis einzutreten, weil in der Vergangenheit und heute einzig und allein wir die Kraft sind, die den Kampf gegen die Ursachen seines Elends, gegen den Krieg führt. Darum sprechen wir hier, darum sprechen wir als berufene Vertreter dieser von Ihnen Irregeführten und Betrogenen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geritzmann.
Meine Damen und Herren! Die Kriegsopfer und Hinterbliebenen im ganzen Lande sind über die Hinausschiebung und Verschleppung unseres neuen Bundesversorgungsgesetzes sehr beunruhigt und enttäuscht, und die berechtigte Empörung steigt fortlaufend. Der Bundesarbeitsminister hat in keinem Fall die im Ausschuß und im Plenum gemachten Terminansagen eingehalten. Auch in der heutigen Sitzung des Ausschusses für Kriegsopfer und Heimkehrer wurde das Bundesarbeitsministerium ersucht, bald eine Vorlage für ein Bundesversorgungsgesetz zu machen. Das Ministerium hat schon bei dem Überbrückungsgesetz eine Reihe von Erklärungen abgegeben, die später sowohl im Zeitpunkt als im materiellen Inhalt nicht dem entsprachen, was dem Bundestag nachher vorgelegt wurde. Besonders kraß weichen die Erklärungen von den tatsächlichen Verhältnissen bei dem erwarteten Gesetz über die Versorgung der Kriegsopfer ab. Hier sind im Plenum vom Bundesminister für Arbeit
und auch vom Staatssekretär und im Ausschuß von den besonderen Vertretern des Arbeitsministeriums um die Jahreswende Termine angegeben worden, wonach jeder Bundestagsabgeordnete annehmen mußte, daß das neue Bundesversorgungsgesetz zum 1. 4. 1950 vom Bundestag verabschiedet sei. Aus welchen Gründen hat der Arbeitsminister diese Zusage nicht eingehalten? Bis heute ist der Entwurf des Gesetzes nicht vorgelegt worden. Wie wir informiert sind, liegt das Versäumnis nicht bei den Sachbearbeitern im Ministerium, die in mühevoller Arbeit den Entwurf fertiggestellt haben. Es müssen hier in der Leitung des Ministeriums Versäumnisse eingetreten sein, über deren Ursache der Bundesminister sich einmal äußern müßte.
Meine Fraktion hat den Eindruck, daß dem Herrn Arbeitsminister die Frage der Kriegsopfer wesensfremd ist und daß er sich nicht allzu gern damit beschäftigt. An solchen Voreingenommenheiten darf aber die Bearbeitung dieser Frage nicht scheitern. Auch der Hinweis auf die Finanzschwierigkeiten kann hier nicht durchschlagen. Bei der Besprechung mit dem Vorstand des Reichshundes der Kriegsbeschädigten in Gegenwart des Bundeskanzlers hat der Herr Finanzminister erklärt, daß er sich bereits mit der Finanzierung des neuen Gesetzes beschäftigt. Dann müßten aber diese Arbeiten nach fast fünf Monaten auch zu einem Resultat geführt haben. Faßt man alles zusammen, dann muß die sozialdemokratische Fraktion die Erklärung abgeben, daß die bisherige Arbeit der Bundesregierung auf diesem Gebiet nicht den Erwartungen entspricht und daß von der Bundesregierung die bevor-
o stehende Erledigung dieser Frage erwartet und die Vorlage des Gesetzentwurfs, also des neuen Bundesversorgungsgesetzes, in den nächsten Tagen unbedingt gefordert werden muß.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arndgen. — Sie haben 6 Minuten.
Meine verehrten Damen und Herren! Auch meine Fraktion ist der Auffassung, daß endlich das vorgesehene Versorgungsgesetz für Kriegsopfer beschleunigt verabschiedet werden muß. Ich mache kein Hehl daraus, daß sich dieser Tage und heute morgen eine Reihe Abgeordneter der einzelnen Fraktionen zusammengesetzt und überlegt haben, was zu tun ist, um die Regierung zu veranlassen, endlich den Entwurf, der in Bearbeitung ist, diesem Hohen Hause vorzulegen. Ich gestatte mir, Ihnen den Antrag, der heute oder morgen dem Bundestag noch zugeht, vorzulesen. Abgeordnete verschiedener Parteien des Bundestags werden beantragen:
Das Bundsministerium für Arbeit • ist zu ersuchen, dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen in seiner nächsten Sitzung Bericht zu erstatten über den Stand der Bearbeitung der Gesetzesvorlage des Bundesversorgungsgesetzes für Kriegsopfer.
Wenn der Antrag heute oder morgen dem Bundestag zugeht, bitte ich, diesen Antrag anzunehmen, damit endlich dieses Gesetz bearbeitet und im Interesse der Kriegsopfer verabschiedet werden kann.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Sauerborn.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hier ist soeben die Befürchtung ausgesprochen worden, daß der Herr Reichsarbeitsminister
— verzeihen Sie, ich bitte um Entschuldigung —, der Bundesarbeitsminister nicht mit der notwendigen Energie und mit der notwendigen Liebe an das Problem der Kriegsbeschädigten heranginge. Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur das eine sagen: Wir haben es uns zu unserer allerersten Pflicht gemacht, diese Dinge einer guten und, soweit sie im Augenblick erreichbar ist, möglichst vollkommenen Lösung entgegenzuführen. Die maßgebende Abteilung des Arbeitsministeriums hat - das wissen Sie — Ihnen und den zuständigen Ausschüssen eine Fülle von Material unterbreitet, das in mühsamer Arbeit hergestellt wurde, das die Grundlage für die Neuregelung bilden und die ganze Angelegenheit auf eine sichere Basis stellen soil. Darüber hinaus h at die Abteilung die Grundsätze aufgestellt, die für das neue Gesetz maßgebend sein sollen, und hat in ausführlichen Verhandlungen mit den Verbänden der Kriegsbeschädigten, mit den Ländern und unter Zuziehung von Abgeordneten dieses Hauses, die in den entsprechenden Ausschüssen sitzen, diese Dinge vorbesprochen und auf Grund dessen einen Entwurf ausgearbeitet, der zur Zeit in der Feinarbeit begriffen ist und in allernächster Zeit dem Parlament zugehen kann.
— Sie werden mich vielleicht nicht auf einen oder zwei Tage festlegen wollen. Der Entwurf ist bereits seit einiger Zeit als Rohentwurf fertiggestellt. Die Bearbeiter sind am Feilen daran, und wir tun das Allermöglichste, um Ihnen den Entwurf vorzulegen. Wir haben einen Ausschuß gebildet, der aus den Vertretern der Kriegsbeschädigtenverbände, aus den Ländervertretern und aus solchen Personen besteht, die in der Durchführung besondere Erfahrung haben.
Ich kann Ihnen nur das eine sagen, daß mein Minister mit warmem Herzen den Problemen gegenübersteht und mit allem Nachdruck diese Dinge fördert und daß die Beamten wirklich bis zur Aufreibung an diesen Dingen arbeiten, um sie fertigzustellen. Wir wollen Ihnen nicht ein Werk der Bürokratie vorlegen, sondern wir machen die ganze Arbeit im engsten Einvernehmen mit den Verbänden und hören ihren Rat und ihre Wünsche und auch die Wünsche und den Ratschlag derjenigen, die mit der Durchführung befaßt sind.
Ich kann Ihnen nur noch einmal erklären, Sie werden in ganz absehbar naher Zeit diesen Entwurf bekommen. Ich glaube, daß die Arbeit, di e in , diesen Entwurf hineingesteckt wird, Ihnen zeigen wird, daß nicht gebummelt worden ist, sondern daß hier mit größter Energie und mit Hingabe an dem Werk gearbeitet wurde.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Ich warne vor Illusionen. In der Sitzung des zuständigen Ausschusses vom 1. März dieses Jahres — ich lese das Protokoll vor — heißt es folgendermaßen:
In der sich anschließenden Debatte war der Ausschuß der fast einstimmigen Auffassung, daß eine Verabschiedung des endgültigen Bundesversorgungsgesetzes zum 1. April dieses Jahres technisch unmöglich sei, sondern die Vorbereitungen frühestens Mitte des Jahres beendet werden könnten.
Dann kommt der Satz: Um dem Ausschuß die Vorwürfe zu ersparen, möge die Bundesregierung jetzt, im Laufe des Monat März noch, die Unterlagen einreichen.
An die Adresse des Herrn Staatssekretärs Dr. Sauerborn! Ich habe vor mir einen Auszug aus dem offiziellen Protokoll der Bundestagssitzung vom 16. Dezember vorigen Jahres liegen. Heute haben wir den 26. April. Damals hat Herr Dr. Sauerborn wörtlich gesagt:
Das einheitliche Versorgungsgesetz, an dem die Arbeiten in vollem Gange sind, wird so beschleunigt fertiggestellt und den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet, daß es voraussichtlich bis zum Beginn des neuen Haushaltsjahres in Kraft treten kann.
Das ist vor mehr als vier Monaten geäußert
worden. Heute haben wir mit derselben Formulierung dieselbe — ich habe bereits einen Ordnungsruf bekommen — Vertröstung mit auf den Weg bekommen.
Ich behaupte hier und wiederhole das, was ich schon vor Monaten gesagt habe: Nicht nur werden die Kriegsopfer bis zum Sankt Nimmerleinstag warten müssen, es wird sich herausstellen, daß mehr als die 80 Millionen DM, von denen im Dezember vorigen Jahres bereits die Rede war, von dieser Regierung zur Verbesserung der Versorgungsgesetzgebung nicht zur Verfügung gestellt werden. Das muß hier ausgesprochen werden. Man kann diese bewußte Irreführung, das bewußte Zusammenspiel zwischen den verantwortlichen Kräften hier in diesem Plenum und auf der Regierungsbank einfach nicht mehr länger verantworten.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Drucksache Nr. 686 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft.
Ich berufe die 59. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 27. April, 14 Uhr 30 ein.
Ich schließe die 58. Sitzung.