Meine Herren und Damen! Es liegt uns hier ein Gesetz vor, das von fast allen Mitgliedern dreier Ausschüsse mit peinlicher Gewissenhaftigkeit und mit großem Verständnis für die seelische und materielle Not der Heimkehrer geschaffen wurde, und wir haben nur den Wunsch, daß auch die Heimkehrer mit diesem Gesetz in etwa zufrieden sein mögen. Es ist fast als ein Sondergesetz zu betrachten, das wegen der unendlichen Leiden, die die Heimkehrer ertragen mußten, diese teils über die allgemeinen Bestimmungen der sozialen Gesetzgebung hinaus berücksichtigt hat. Möge es auch von diesem Hohen Hause so gewürdigt werden und möglichst ohne große Debatten und ohne Anträge, die vielleicht doch nicht die Billigung des Bundesrates erhalten und die Inkraftsetzung des Gesetzes nur noch weiter verzögern würden, verabschiedet werden.
Eines möchten wir aber diesem Gesetz doch mit auf den Weg geben, nämlich dies, daß in der Praxis die Bürokratie den Heimkehrern gegenüber nicht allzu kleinlich vorgeht und ihnen nicht allzu große Schwierigkeiten bereitet, insbesondere bei Übergang in die Heimat. Das ist bisher leider sehr häufig geschehen. Vor allem muß der Heimkehrer schon im Ausgangslager genauestens über seine Rechte und über die Unterstützungen ins Bild gesetzt werden, die er beanspruchen kann. Bei fast allen Heimkehrern herrschte darüber bisher große Unwissenheit. Es geht nicht an, daß die Heimkehrer nunmehr noch von einer Behörde zur anderen gejagt werden, ihre Bemühungen aber erfolglos bleiben, weil die Behörden vor lauter Bürokratismus aus ihrem Labyrinth selbst nicht mehr herausfinden. Es ist vorgekommen, daß nach der Erstuntersuchung durch den AOK-Arzt die Genehmigung zur Be-
handlung durch den Heimatarzt bei diesem erst nach Monaten eingetroffen ist. Ich kenne einen Fall, in welchem ein Heimkehrer, der Ende Januar vom AOK-Arzt untersucht war, Anfang April noch keine Nachricht darüber hatte, ob die Weiterbehandlung durch den Heimatarzt erfolgen könne. Es handelte sich da um eine Bauchoperation; der Mann hatte in Rußland überschwere Lasten heben müssen. Im Verlauf der langen Wartezeit hatte er an seinem alten Arbeitsplatz wieder Arbeit bekommen. Nachdem er die Arbeit aufgenommen hatte, mußte er sich nun, erst so spät, der Operation unterziehen und seine Arbeit wieder für Wochen verlassen, was natürlich zu Unannehmlichkeiten sowohl beim Arbeitgeber als auch bei dem Heimkehrer selber führte. Stellenweise wurde sogar noch die Ausfüllung der Entnazifizierungsbogen verlangt. Man könnte doch meinen, daß dies wohl recht überflüssig war, denn einen Heimkehrer, der beinahe 5 Jahre in russischer Gefangenschaft war, kann man doch wohl als entnazifiziert betrachten.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt von all den zum Teil haarsträubenden Dingen, die man darüber gehört hat wie die Heimkehrer durch diesen Behördenapparat an der Eingangsstelle zur Heimat behandelt wurden. Das Zentrum ersucht nun die Bundesregierung, den Länderregierungen zu empfehlen, die zuständigen Behörden zu veranlassen, den Heimkehrern Richtlinien in die Hand zu geben, woraus genau zu ersehen ist, welche Ansprüche sie stellen können und an welche Stellen sie sich zu wenden haben, um alle Formalitäten auf dem schnellsten Wege zu erledigen. Es ist auch erforderlich, diese Bürostellen mit einem Heimkehrer als Sachberater zu besetzen, der sich vielleicht besser in die seelische Situation und in die materielle Lage des Heimkehrers hineindenken kann. Es würde dann so mancher Fehlgriff und auch manches Fehlurteil unterbleiben. Wichtiger als alle Paragraphenreiterei ist, diesen armen Menschen das Einreihen in den Arbeitsprozeß zu erleichtern und ihnen dadurch noch etwas Freude für ihr Leben zurückzugeben.
Die Zentrumsfraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben.
Vizepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Parzinger.